Andreas Hermann (Tontechniker) und Kriminalitätstheorien: Unterschied zwischen den Seiten
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'''Kriminalitätstheorien''' sind Versuche zur Erklärung der Ursachen, des Verlaufs und der strukturellen Eigenarten [[Delinquenz|delinquenten Verhaltens]]. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Mikrotheorien, deren Ansatz die individuellen Merkmale kriminellen Verhaltens herausstellt, und Makrotheorien, die auf den gesellschaftlichen Kontext abstellen. Neben diesen beiden Theoriekonzepten stehen Theorien, die [[Kriminalität]] als Konstrukt eines formellen Kontrollsystems (insbesondere [[Strafrecht]] und die staatlichen Instanzen zur Verfolgung von Kriminalität) ansehen. |
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[[Bild:Hermann&Lampadius.jpg|thumb|right|Andreas Hermann während der Dreharbeiten zur Fernsehserie [[Stromberg (Fernsehserie)|Stromberg]]]] |
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'''Andreas Hermann''' (* [[1983]] in Pallasowka, [[Russland]]) ist ein [[Deutschland|deutscher]] [[Schauspieler]]. |
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Grundsätzlich wird auch eine Klassifikation von Kriminalitätstheorien vom wissenschaftlichen Ansatz her vertreten, sodass von [[Soziologie|soziologischen]], [[Sozialpsychologie|sozialpsychologischen]], [[Psychologie|psychologischen]] oder [[Biologie|biologischen Kriminalitätstheorien]] die Rede ist. Während die biologischen Kriminalitätstheorien weitgehend in den Hintergrund getreten sind, dominieren heute vor allem sozialpsychologische Ansätze. Grundsätzlich ist keine einzige Kriminalitätstheorie geeignet, Kriminalität hinreichend zu erklären. Daher werden vor allem multifaktorielle Ansätze gewählt. Denen wird allerdings häufig vorgeworfen, dass sie konturenlos seien. Die im folgenden aufgeführten Kriminalitätstheorien können nur eine Auswahl sein. |
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Bekannt wurde Andreas Hermann als ''Mitarbeiter Hermann'' in der Serie ''[[Stromberg (Fernsehserie)|Stromberg]]'', den er von 2005 bis 2007 spielte. Außerdem trat er neben [[Anke Engelke]] als Dennis in der ''[[Ladyland]]''-Folge ''Hochzeit mit Ladislaus'' (2007) auf. |
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===Biologische Kriminalitätstheorien=== |
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== Weblinks == |
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Die ''Kriminalbiologie'' wurde durch den [[Italien|italienischen]] Gefängnisarzt [[Cesare Lombroso]] begründet. Dieser war anhand von [[Anthropologie|anthropologischen]] Untersuchungen (an Strafgefangenen) zu der Ansicht gekommen, dass Kriminelle typische Gesichtsformen hätten. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen veröffentlichte er (1876) unter dem Titel "L'uomo delinquente" (dt. "Der geborene Verbrecher"). Seiner Ansicht nach war das Kriminellwerden biologisch determiniert. Eine Resozialisierung im heutigen Sinne sei also aussichtslos, so dass als logische Konsequenz für jeden Verbrecher als Strafe nur die Todesstrafe blieb. Lombrosos Theorie wurde u.a. von dem deutschen Militärarzt Baer (Anfg. d. 20. Jhdts.) - der seinerseits Untersuchungen an Gefangenen durchgeführt hatte - widerlegt. Später revidierte Lombroso seine Aussagen dahingehend, dass lediglich bei einem Drittel der Straftäter kriminelles Verhalten angeboren sei. |
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{{IMDb Name|2541705}} |
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Als weitere biologische Theorien sind die Zwillings-, sowie Adoptionsforschung zu verstehen. |
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{{DEFAULTSORT:Hermann, Andreas}} |
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Bei der [[Zwillingsforschung]] werden sowohl eineiige (EZ), als auch zweieiige(ZZ) Zwillingspaare auf ihre Konkordanz bezüglich kriminellen Verhaltens hin überprüft. |
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[[Konkordanz]] bedeutet, dass beide Teile eines Zwillingspaares kriminell sind. |
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Tatsächlich zeigte sich bei allen Untersuchungen (jedenfalls tendenziell), dass die Konkordanz bei ZZ generell geringer war, als bei den EZ, also solchen Zwillingspaaren mit identischem [[Erbgut]]. |
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[[Kategorie:Geboren 1983]] |
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Dennoch kann dies nicht als Nachweis dafür gelten, dass kriminelles Verhalten biologisch (erblich) bedingt ist. |
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[[Kategorie:Schauspieler]] |
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Kritisiert wird dabei zunächst die geringe Anzahl der untersuchten Zwillingspaare. Ebenso die Vorselektion, da die Untersuchungen retrospektiver Art waren. Ferner wurden die Rolle der Umwelteinflüsse auf das Verhalten der Probanden nicht hinreichend untersucht. |
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Des weiteren wurde bei den Untersuchungen lediglich registriertes kriminelles Verhalten berücksichtigt (also nicht das [[Dunkelfeld]]). |
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Die [[Adoptionsforschung]] befasst sich mit der Frage, ob Adoptivkinder, deren biologische Eltern (meist der Vater) kriminell sind, mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst kriminell werden, als Adoptivkinder deren (biologische) Eltern nicht kriminell sind. |
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Mögliche Kombinationen (am Beispiel des Vaters): |
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{{Personendaten |
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|NAME=Hermann, Andreas |
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* biologischer Vater ''kriminell'' + Adoptivvater ''kriminell'' |
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|ALTERNATIVNAMEN= |
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* biologischer Vater ''kriminell'' + Adoptivvater ''nicht kriminell'' |
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|KURZBESCHREIBUNG=deutscher Schauspieler |
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* biologischer Vater ''nicht kriminell'' + Adoptivvater ''kriminell'' |
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|GEBURTSDATUM=1983 |
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* biologischer Vater ''nicht kriminell'' + Adoptivvater ''nicht kriminell'' |
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|GEBURTSORT=[[Pallasowka]] |
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|STERBEDATUM= |
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Diverse Untersuchungen ergaben zwar, dass die Kinder aus Gruppe 1 am häufigsten kriminell wurden (ca. 25%) und die aus Gruppe 4 am seltensten (ca. 12 %). Allerdings bestehen auch hier wieder Bedenken hinsichtlich einer Vorselektion der Probanden, sowie der Gefahr einer möglichen [[Selbsterfüllende Prophezeiung]]en seitens der betroffenen Kinder aufgrund ihres familiären Hintergrundes.<br> |
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|STERBEORT= |
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Zusammenfassend lässt sich zur Zwillings- und Adoptionsforschung feststellen, dass diese heutzutage weitestgehend als (monokausale!) Erklärungsmodelle für deviantes (d.h. abweichendes) Verhalten verworfen sind. |
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Zwischenzeitlich war in den 1960er Jahren insbesondere in den USA die These aufgestellt worden, dass die XYY-[[Chromosomenanomalie]] besondere Aggressivität begründe. Begründet wurde dies vor allem damit, dass bei Untersuchungen von Strafgefangenen (Vorselektion!) diese Anomalie bei einem Prozent der Gefangenen nachgewiesen werden konnte; wohingegen der Anteil innerhalb der Bevölkerung lediglich bei einem Promille auftritt. Gegen diese Annahme spricht jedoch in erster Linie, dass diese Anomalie dennoch beim Großteil der anderen untersuchten Gefangenen nicht vorlag. |
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Genauso wenig konnte ein Zusammenhang zwischen kriminellem Verhalten und dem Vorliegen eines zusätzlichen X-Chromosomes (XXY = [[Klinefelter-Syndrom]]) empirisch nachgewiesen werden. Somit lässt sich zusammenfassend sagen, dass grundsätzlich keine Zusammenhänge zwischen biologischer Konstitution und kriminellen Verhalten bestehen. Ein Einfluss wird aber allen neurochemischen Faktoren unterstellt, die eine gewisse Disposition aggressiven Handelns annehmen lassen (insbesondere beim Botenstoff [[Serotonin]] lässt sich eine solche Wirkung vermuten). Die in den 1970er Jahren in Deutschland vertretene Auffassung, dass eine Fehlernährung mit Phosphaten zu Kriminalität führen solle, lässt sich nicht aufrecht erhalten. |
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===Psychologische Kriminalitätstheorien=== |
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Eng an die biologischen Kriminalitätstheorien sind [[Psychopathologie|psychopathologische]] Theorien geknüpft. Hier sind insbesondere die Persönlichkeitsstörungen (ICD-10: F60) zu nennen, die einen Einfluss auf das Verhaltenssystem des Menschen haben. [[Hans Eysenck]] hat daraus ein Mehrebenenmodell entwickelt, das die Persönlichkeit in einem biologisch-neurologischen Muster verankert. Neben sozialen und kognitiven Aspekten wird betont, dass Konditionierung je nach Persönlichkeitstypus unterschiedlichen Erfolg verspricht. |
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Die Theorie der rationalen Wahl ("rational choice approach") nach Gary Becker sucht die Ursachen in einem internalisierten Abwägungsprozess, bei dem das Risiko der Tat gegenüber dem Erlangten aus der Tat aufgewogen wird. Beurteilt der Täter den Nutzen des Erlangten als höher als die "Kosten der Tat", so wählt er die Handlungsalternative der Tat. |
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Nach den Lerntheorien, deren wichtigste Vertreterin die von [[Edwin Sutherland]] entwickelte Theorie der differenziellen Assoziation ist, wird Kriminalität als erlerntes Verhalten gedeutet. Innerhalb kleinerer Gruppen werde demnach durch Kommunikation das Gefühl vermittelt, Gesetzesverletzungen seien nicht negativ zu beurteilen. |
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===Sozialpsychologische Theorien=== |
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Die Lerntheorien können zwar auch als sozialpsychologischer Ansatz verstanden werden, stärker im Vordergrund stehen jedoch die von [[Travis Hirschi]] und Walter Reckless entwickelten Kontrolltheorien. In deren Mittelpunkt steht das so genannte konforme Verhalten. Das konforme Verhalten entstünde aus dem Zusammenspiel innerer (= psychischer) und äußerer (= sozialer) Kontrolle. Schwächen oder das Fehlen dieser Kontrollinstanzen kann dann zu Kriminalität führen. Hirschi betonte die Bindung der Personen an andere Menschen (attachment to others), die empfundene Verpflichtung gegenüber dem bisher Erreichten (commitment to achievement), die Einbindung in das bestehende Gesellschaftssystem (involvement in conventional activities) und der Glauben an verbindliche Werte (belief in the moral validity of rules). Mit Michael Gottfredson formulierte Hirschi 1990 eine neue Theorie der fehlenden Selbstkontrolle. Selbstkontrolle kann als die Fähigkeit zur Unterdrückung der Verlockung des Augenblickes (= kurzfristige Bedürfnisbefriedigung) unter Einbeziehung der langfristig negativen Folgen definiert werden. Fehlende Selbstkontrolle führe nicht automatisch zu Kriminalität. Sie sei begünstigt durch mangelhafte Erziehung, Kontrolle und Training des Verhaltens. Dieser Ansatz ist jedoch kaum in das Muster bisheriger Kriminalitätstheorien wegen der fehlenden Trennschärfe einzubeziehen. |
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===Soziologische Theorien=== |
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Erste soziologisch geprägte Theorien kriminellen Verhaltens waren von [[Emile Durkheim]] und [[Robert King Merton|Robert Merton]] entwickelt worden. Grundsätzlich hatten bereits [[Karl Marx]] (mit seiner Schrift über den Holzdiebstahl) und [[Friedrich Engels]] (über die arbeitende Klasse in England) Vorarbeiten dazu geleistet. Durkheim entwickelte ein Theorie des [[Devianz|abweichenden Verhaltens]], die grundsätzlich weite Bereiche der Soziologie abdeckt. Merton dagegen unterschied in seiner Anomietheorie zwischen den der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mitteln und den damit zu erreichenden kulturellen Zielen. Bezüglich des Verhältnisses von Mitteln und Zielen entwickelte Merton fünf Muster: <br> |
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* Konformität: die erreichbaren Ziele werden mit legitimen Mitteln erreicht. |
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* Innovation: die Ziele werden mit kriminellen illegitimen (oder illegalen) Mitteln erreicht. |
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* Ritualismus: die Mittel werden ohne Absicht der Zielverwirklichung genutzt. |
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* Rückzug: Ziele und Mittel werden aufgegeben. |
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* Rebellion: anstelle alter Ziele und Mittel soll eine neue Sozialstruktur verwirklicht werden. |
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Robert Agnew stellte 1992 eine Drucktheorie (general strain theory) vor. Er modifizierte dabei u.a. Mertons Ansatz, in dem er ihn durch zwei Komponenten erweiterte. Nach Agnew entsteht Druck auf die Gesellschaftsmitglieder, wenn positiv bewertete Ziele nicht erreicht werden können (z.B. monetäre Ziele) und/oder wenn positiv bewertete Stimuli entfernt werden (z.B. Verlust eines Freundes) und/oder wenn negativ bewertete Stimuli erlebt werden (z.B. Misshandlung durch die Eltern). Daraus entstehen emotionale Zustände wie Wut, Depression, Angst und damit verbundene Emotionen. Das Individuum versucht mit diesen negativen Emotionen umzugehen, dabei kann Kriminalität eine mögliche Lösungsstrategie sein. Insbesondere Strains, die mit der Emotion Wut einhergehen, scheinen hierbei die Wahrscheinlichkeit für kriminelles Handeln zu erhöhen. |
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Ein ökologischer Ansatz wurde von der Chicagoer Schule entwickelt. Zunächst stellten Clifford Shaw und Henry McKay fest, dass je nach Grad der informellen Sozialkontrolle eine soziale Desorganisation eintritt, durch die kriminelles Verhalten begünstigt und verfestigt wird. Diese Gebiete mit geringer informeller Sozialkontrolle werden als ''delinquency areas'' bezeichnet. Darauf aufbauend haben James Wilson und George Kelling die Theorie des [[Broken-Windows-Theorie|broken window]] entwickelt. Durch den städtebaulichen Verfall wird die kaum vorhandene Sozialkontrolle weiter marginalisiert und wirkt als Anziehungspunkt für Kriminalität. Die Bürger betreiben einen inneren Rückzug oder ziehen fort. Als Reaktion auf dieses Konstrukt, das nur schwach fundiert ist, hat sich das Phänomen der [[Zero Tolerance]] (am Beispiel New Yorks) entwickelt. Mit drastischen Maßnahmen wurden die Stadtviertel durch die Polizei zurückerobert. |
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'''Siehe auch''': [[Kriminalsoziologie]] |
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===Etikettierungsansätze=== |
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Als interaktionistischer Ansatz wird der [[Etikettierungsansatz]] (''labeling approach'') vertreten. Er fußt wohl vor allem auf den Arbeiten von George Herbert Mead. Kriminalität beruht demnach auf Zuschreibungsprozessen. |
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Der labeling approach selbst wurde aber von Howard S. Becker entwickelt. |
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Das Labeling führe zu einer selbsterfüllenden Vorhersage (self-fulfilling prophecy); wobei das abweichende Verhalten schließlich zur Kriminalität führe. Eine wirkliche Kriminalitätstheorie ist der labeling approach aber nicht. Da er im Prinzip die Reaktion, aber nicht das kriminelle Verhalten selbst erklärt. Ihm fehlt insoweit auch die Differenzierungstiefe anderer Ansätze. Insgesamt bietet er allerdings zahlreiche Fortführungsmöglichkeiten. Von diesen - gerade den herrschaftskritischen - hat [[Michel Foucault]] Gebrauch gemacht. |
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== Literatur == |
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* '''Kriminalitätstheorien'''. In: KrimLex Online [http://www.krimlex.de/artikel.php?BUCHSTABE=K&KL_ID=108] |
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Version vom 13. Juni 2008, 17:32 Uhr
Kriminalitätstheorien sind Versuche zur Erklärung der Ursachen, des Verlaufs und der strukturellen Eigenarten delinquenten Verhaltens. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Mikrotheorien, deren Ansatz die individuellen Merkmale kriminellen Verhaltens herausstellt, und Makrotheorien, die auf den gesellschaftlichen Kontext abstellen. Neben diesen beiden Theoriekonzepten stehen Theorien, die Kriminalität als Konstrukt eines formellen Kontrollsystems (insbesondere Strafrecht und die staatlichen Instanzen zur Verfolgung von Kriminalität) ansehen.
Grundsätzlich wird auch eine Klassifikation von Kriminalitätstheorien vom wissenschaftlichen Ansatz her vertreten, sodass von soziologischen, sozialpsychologischen, psychologischen oder biologischen Kriminalitätstheorien die Rede ist. Während die biologischen Kriminalitätstheorien weitgehend in den Hintergrund getreten sind, dominieren heute vor allem sozialpsychologische Ansätze. Grundsätzlich ist keine einzige Kriminalitätstheorie geeignet, Kriminalität hinreichend zu erklären. Daher werden vor allem multifaktorielle Ansätze gewählt. Denen wird allerdings häufig vorgeworfen, dass sie konturenlos seien. Die im folgenden aufgeführten Kriminalitätstheorien können nur eine Auswahl sein.
Biologische Kriminalitätstheorien
Die Kriminalbiologie wurde durch den italienischen Gefängnisarzt Cesare Lombroso begründet. Dieser war anhand von anthropologischen Untersuchungen (an Strafgefangenen) zu der Ansicht gekommen, dass Kriminelle typische Gesichtsformen hätten. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen veröffentlichte er (1876) unter dem Titel "L'uomo delinquente" (dt. "Der geborene Verbrecher"). Seiner Ansicht nach war das Kriminellwerden biologisch determiniert. Eine Resozialisierung im heutigen Sinne sei also aussichtslos, so dass als logische Konsequenz für jeden Verbrecher als Strafe nur die Todesstrafe blieb. Lombrosos Theorie wurde u.a. von dem deutschen Militärarzt Baer (Anfg. d. 20. Jhdts.) - der seinerseits Untersuchungen an Gefangenen durchgeführt hatte - widerlegt. Später revidierte Lombroso seine Aussagen dahingehend, dass lediglich bei einem Drittel der Straftäter kriminelles Verhalten angeboren sei.
Als weitere biologische Theorien sind die Zwillings-, sowie Adoptionsforschung zu verstehen. Bei der Zwillingsforschung werden sowohl eineiige (EZ), als auch zweieiige(ZZ) Zwillingspaare auf ihre Konkordanz bezüglich kriminellen Verhaltens hin überprüft. Konkordanz bedeutet, dass beide Teile eines Zwillingspaares kriminell sind. Tatsächlich zeigte sich bei allen Untersuchungen (jedenfalls tendenziell), dass die Konkordanz bei ZZ generell geringer war, als bei den EZ, also solchen Zwillingspaaren mit identischem Erbgut. Dennoch kann dies nicht als Nachweis dafür gelten, dass kriminelles Verhalten biologisch (erblich) bedingt ist. Kritisiert wird dabei zunächst die geringe Anzahl der untersuchten Zwillingspaare. Ebenso die Vorselektion, da die Untersuchungen retrospektiver Art waren. Ferner wurden die Rolle der Umwelteinflüsse auf das Verhalten der Probanden nicht hinreichend untersucht. Des weiteren wurde bei den Untersuchungen lediglich registriertes kriminelles Verhalten berücksichtigt (also nicht das Dunkelfeld). Die Adoptionsforschung befasst sich mit der Frage, ob Adoptivkinder, deren biologische Eltern (meist der Vater) kriminell sind, mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst kriminell werden, als Adoptivkinder deren (biologische) Eltern nicht kriminell sind.
Mögliche Kombinationen (am Beispiel des Vaters):
- biologischer Vater kriminell + Adoptivvater kriminell
- biologischer Vater kriminell + Adoptivvater nicht kriminell
- biologischer Vater nicht kriminell + Adoptivvater kriminell
- biologischer Vater nicht kriminell + Adoptivvater nicht kriminell
Diverse Untersuchungen ergaben zwar, dass die Kinder aus Gruppe 1 am häufigsten kriminell wurden (ca. 25%) und die aus Gruppe 4 am seltensten (ca. 12 %). Allerdings bestehen auch hier wieder Bedenken hinsichtlich einer Vorselektion der Probanden, sowie der Gefahr einer möglichen Selbsterfüllende Prophezeiungen seitens der betroffenen Kinder aufgrund ihres familiären Hintergrundes.
Zusammenfassend lässt sich zur Zwillings- und Adoptionsforschung feststellen, dass diese heutzutage weitestgehend als (monokausale!) Erklärungsmodelle für deviantes (d.h. abweichendes) Verhalten verworfen sind.
Zwischenzeitlich war in den 1960er Jahren insbesondere in den USA die These aufgestellt worden, dass die XYY-Chromosomenanomalie besondere Aggressivität begründe. Begründet wurde dies vor allem damit, dass bei Untersuchungen von Strafgefangenen (Vorselektion!) diese Anomalie bei einem Prozent der Gefangenen nachgewiesen werden konnte; wohingegen der Anteil innerhalb der Bevölkerung lediglich bei einem Promille auftritt. Gegen diese Annahme spricht jedoch in erster Linie, dass diese Anomalie dennoch beim Großteil der anderen untersuchten Gefangenen nicht vorlag.
Genauso wenig konnte ein Zusammenhang zwischen kriminellem Verhalten und dem Vorliegen eines zusätzlichen X-Chromosomes (XXY = Klinefelter-Syndrom) empirisch nachgewiesen werden. Somit lässt sich zusammenfassend sagen, dass grundsätzlich keine Zusammenhänge zwischen biologischer Konstitution und kriminellen Verhalten bestehen. Ein Einfluss wird aber allen neurochemischen Faktoren unterstellt, die eine gewisse Disposition aggressiven Handelns annehmen lassen (insbesondere beim Botenstoff Serotonin lässt sich eine solche Wirkung vermuten). Die in den 1970er Jahren in Deutschland vertretene Auffassung, dass eine Fehlernährung mit Phosphaten zu Kriminalität führen solle, lässt sich nicht aufrecht erhalten.
Psychologische Kriminalitätstheorien
Eng an die biologischen Kriminalitätstheorien sind psychopathologische Theorien geknüpft. Hier sind insbesondere die Persönlichkeitsstörungen (ICD-10: F60) zu nennen, die einen Einfluss auf das Verhaltenssystem des Menschen haben. Hans Eysenck hat daraus ein Mehrebenenmodell entwickelt, das die Persönlichkeit in einem biologisch-neurologischen Muster verankert. Neben sozialen und kognitiven Aspekten wird betont, dass Konditionierung je nach Persönlichkeitstypus unterschiedlichen Erfolg verspricht.
Die Theorie der rationalen Wahl ("rational choice approach") nach Gary Becker sucht die Ursachen in einem internalisierten Abwägungsprozess, bei dem das Risiko der Tat gegenüber dem Erlangten aus der Tat aufgewogen wird. Beurteilt der Täter den Nutzen des Erlangten als höher als die "Kosten der Tat", so wählt er die Handlungsalternative der Tat.
Nach den Lerntheorien, deren wichtigste Vertreterin die von Edwin Sutherland entwickelte Theorie der differenziellen Assoziation ist, wird Kriminalität als erlerntes Verhalten gedeutet. Innerhalb kleinerer Gruppen werde demnach durch Kommunikation das Gefühl vermittelt, Gesetzesverletzungen seien nicht negativ zu beurteilen.
Sozialpsychologische Theorien
Die Lerntheorien können zwar auch als sozialpsychologischer Ansatz verstanden werden, stärker im Vordergrund stehen jedoch die von Travis Hirschi und Walter Reckless entwickelten Kontrolltheorien. In deren Mittelpunkt steht das so genannte konforme Verhalten. Das konforme Verhalten entstünde aus dem Zusammenspiel innerer (= psychischer) und äußerer (= sozialer) Kontrolle. Schwächen oder das Fehlen dieser Kontrollinstanzen kann dann zu Kriminalität führen. Hirschi betonte die Bindung der Personen an andere Menschen (attachment to others), die empfundene Verpflichtung gegenüber dem bisher Erreichten (commitment to achievement), die Einbindung in das bestehende Gesellschaftssystem (involvement in conventional activities) und der Glauben an verbindliche Werte (belief in the moral validity of rules). Mit Michael Gottfredson formulierte Hirschi 1990 eine neue Theorie der fehlenden Selbstkontrolle. Selbstkontrolle kann als die Fähigkeit zur Unterdrückung der Verlockung des Augenblickes (= kurzfristige Bedürfnisbefriedigung) unter Einbeziehung der langfristig negativen Folgen definiert werden. Fehlende Selbstkontrolle führe nicht automatisch zu Kriminalität. Sie sei begünstigt durch mangelhafte Erziehung, Kontrolle und Training des Verhaltens. Dieser Ansatz ist jedoch kaum in das Muster bisheriger Kriminalitätstheorien wegen der fehlenden Trennschärfe einzubeziehen.
Soziologische Theorien
Erste soziologisch geprägte Theorien kriminellen Verhaltens waren von Emile Durkheim und Robert Merton entwickelt worden. Grundsätzlich hatten bereits Karl Marx (mit seiner Schrift über den Holzdiebstahl) und Friedrich Engels (über die arbeitende Klasse in England) Vorarbeiten dazu geleistet. Durkheim entwickelte ein Theorie des abweichenden Verhaltens, die grundsätzlich weite Bereiche der Soziologie abdeckt. Merton dagegen unterschied in seiner Anomietheorie zwischen den der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mitteln und den damit zu erreichenden kulturellen Zielen. Bezüglich des Verhältnisses von Mitteln und Zielen entwickelte Merton fünf Muster:
- Konformität: die erreichbaren Ziele werden mit legitimen Mitteln erreicht.
- Innovation: die Ziele werden mit kriminellen illegitimen (oder illegalen) Mitteln erreicht.
- Ritualismus: die Mittel werden ohne Absicht der Zielverwirklichung genutzt.
- Rückzug: Ziele und Mittel werden aufgegeben.
- Rebellion: anstelle alter Ziele und Mittel soll eine neue Sozialstruktur verwirklicht werden.
Robert Agnew stellte 1992 eine Drucktheorie (general strain theory) vor. Er modifizierte dabei u.a. Mertons Ansatz, in dem er ihn durch zwei Komponenten erweiterte. Nach Agnew entsteht Druck auf die Gesellschaftsmitglieder, wenn positiv bewertete Ziele nicht erreicht werden können (z.B. monetäre Ziele) und/oder wenn positiv bewertete Stimuli entfernt werden (z.B. Verlust eines Freundes) und/oder wenn negativ bewertete Stimuli erlebt werden (z.B. Misshandlung durch die Eltern). Daraus entstehen emotionale Zustände wie Wut, Depression, Angst und damit verbundene Emotionen. Das Individuum versucht mit diesen negativen Emotionen umzugehen, dabei kann Kriminalität eine mögliche Lösungsstrategie sein. Insbesondere Strains, die mit der Emotion Wut einhergehen, scheinen hierbei die Wahrscheinlichkeit für kriminelles Handeln zu erhöhen.
Ein ökologischer Ansatz wurde von der Chicagoer Schule entwickelt. Zunächst stellten Clifford Shaw und Henry McKay fest, dass je nach Grad der informellen Sozialkontrolle eine soziale Desorganisation eintritt, durch die kriminelles Verhalten begünstigt und verfestigt wird. Diese Gebiete mit geringer informeller Sozialkontrolle werden als delinquency areas bezeichnet. Darauf aufbauend haben James Wilson und George Kelling die Theorie des broken window entwickelt. Durch den städtebaulichen Verfall wird die kaum vorhandene Sozialkontrolle weiter marginalisiert und wirkt als Anziehungspunkt für Kriminalität. Die Bürger betreiben einen inneren Rückzug oder ziehen fort. Als Reaktion auf dieses Konstrukt, das nur schwach fundiert ist, hat sich das Phänomen der Zero Tolerance (am Beispiel New Yorks) entwickelt. Mit drastischen Maßnahmen wurden die Stadtviertel durch die Polizei zurückerobert.
Siehe auch: Kriminalsoziologie
Etikettierungsansätze
Als interaktionistischer Ansatz wird der Etikettierungsansatz (labeling approach) vertreten. Er fußt wohl vor allem auf den Arbeiten von George Herbert Mead. Kriminalität beruht demnach auf Zuschreibungsprozessen.
Der labeling approach selbst wurde aber von Howard S. Becker entwickelt. Das Labeling führe zu einer selbsterfüllenden Vorhersage (self-fulfilling prophecy); wobei das abweichende Verhalten schließlich zur Kriminalität führe. Eine wirkliche Kriminalitätstheorie ist der labeling approach aber nicht. Da er im Prinzip die Reaktion, aber nicht das kriminelle Verhalten selbst erklärt. Ihm fehlt insoweit auch die Differenzierungstiefe anderer Ansätze. Insgesamt bietet er allerdings zahlreiche Fortführungsmöglichkeiten. Von diesen - gerade den herrschaftskritischen - hat Michel Foucault Gebrauch gemacht.
Literatur
- Kriminalitätstheorien. In: KrimLex Online [1]