„Himmeroder Denkschrift“ – Versionsunterschied
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Die '''Himmeroder Denkschrift''' ist eine [[Denkschrift]], die im Oktober [[1950]] – im Zusammenhang mit der Vorbereitung der deutschen [[Wiederbewaffnung]] – im [[Kloster Himmerod]] erarbeitet wurde. |
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Bis auf den späteren Reformer [[Wolf Graf von Baudissin]] sorgten alle Teilnehmer für eine Kontinuität von der Wehrmacht zur neuen Wehrmacht,die erst später Bundeswehr genannt wurde. Sie empfahlen: Das Soldatentum mit eigenen Werten, eine bewegliche Kampfführung auf dem Boden der Bundesrepublik nach dem Vorbild des Ostfeldzuges gegen die sowjetischen Truppen. |
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* Aufhebung der Diffamierung deutscher Soldaten durch den [[Alliierter Kontrollrat|Alliierten Kontrollrat]], statt dessen Ehrenerklärung durch Regierungsvertreter der Westmächte |
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* Aufhebung der Diffamierung der [[Waffen-SS]] |
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Die Militärs wollten nur dann an dem Aufbau einer neuen Armee mitarbeiten, wenn die Westmächte und die Regierung Adenauer u.a. eine Diffamierung der Wehrmacht und Waffen-SS einstellen, alle Soldaten aus den Gefängnissen freilassen,schwebende Verfahren einstellen und eine Ehrenerklärung für den deutschen Soldaten abgeben. Sie benutzen überwiegend die in der NS-Zeit übliche Sprache (z.B. wahres Soldatentum, die Überlegenheit der westlichen Menschen gegenüber der asiatischen Masse).Die Soldaten aus dem Widerstand vom [[20. Juli 1944]] werden weiterhin als Eidbrecher diffamiert. Ein Teilnehmer, Hermann Foertsch, hatte 1934 den Eid auf den Führer entworfen. |
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* Freilassung der als Kriegsverbrecher verurteilten Deutschen, soweit sie nicht gegen deutsche Gesetze verstoßen und auf Befehl gehandelt hätten, Einstellung schwebender Verfahren |
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Es wurde vorgeschlagen, [[Heer]]eskräfte in Stärke von 250.000 Soldaten aufzustellen, aus denen 12 Panzerdivisionen zu bilden wären. Diese Zahl sei gleichzeitig das operative Minimum und die Obergrenze dessen, was die Bundesrepublik leisten könne. Hinzu sollten nicht näher definierte Fliegerkräfte kommen, die vermutlich größtenteils zum Heer gehören sollten. Die [[Bundesmarine|Marine]] sollte über leichte Küstenstreitkräfte einschließlich eigener [[Marineflieger]]kräfte verfügen. |
Es wurde vorgeschlagen, [[Heer]]eskräfte in Stärke von 250.000 Soldaten aufzustellen, aus denen 12 Panzerdivisionen zu bilden wären. Diese Zahl sei gleichzeitig das operative Minimum und die Obergrenze dessen, was die Bundesrepublik leisten könne. Hinzu sollten nicht näher definierte Fliegerkräfte kommen, die vermutlich größtenteils zum Heer gehören sollten. Die [[Bundesmarine|Marine]] sollte über leichte Küstenstreitkräfte einschließlich eigener [[Marineflieger]]kräfte verfügen. |
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Diese Streitkräfte sollten mit Hilfe der westlichen Verbündeten in einer Art Patenfunktion bis Herbst [[1952]] aufgestellt werden. |
Diese Streitkräfte sollten mit Hilfe der westlichen Verbündeten in einer Art Patenfunktion bis Herbst [[1952]] aufgestellt werden. |
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Obrigkeitsstaatliches Denken weitab vom Grundgesetz wurde von allen Teilnehmern bis auf Graf Baudissin bevorzugt Diese Position herrschte auch viele Jahre in der Bundeswehr und sorgte für Konflikte. |
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== Teilnehmer ,Funktion bis 1945 und nach 1955 == |
== Teilnehmer ,Funktion bis 1945 und nach 1955 == |
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* Dokument im Bundesarchiv unter B Arch BW 9/3119 |
* Dokument im Bundesarchiv unter B Arch BW 9/3119 |
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* Detlef Bald, Johannes Klotz, Wolfram Wette: ''Mythos Wehrmacht. Nachkriegsdebatten und Traditionspflege'', Berlin 2001, ISBN 3-7466-8072-7 |
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*Hans-Jürgen Rautenberg, Norbert Wiggershaus: ''Die „Himmeroder Denkschrift“ vom Oktober 1950. Politische und militärische Überlegungen für einen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur westeuropäischen Verteidigung''; Karlsruhe 1985; ISBN 3-7650-0850-8 bzw.in den Militärgeschichtlichen Mitteilungen (MGM) Band 27,S.135 - 206, 1977 |
* Hans-Jürgen Rautenberg, Norbert Wiggershaus: ''Die „Himmeroder Denkschrift“ vom Oktober 1950. Politische und militärische Überlegungen für einen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur westeuropäischen Verteidigung''; Karlsruhe 1985; ISBN 3-7650-0850-8 bzw.in den Militärgeschichtlichen Mitteilungen (MGM) Band 27,S.135 - 206, 1977 |
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* Wolfram Wette: ''Die Wehrmacht. Feindbilder - Vernichtungskrieg - Legenden'', Frankfurt 2002, ISBN 3-10-091208-X |
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Zur Einordnung der Denkschrift in die Geschichte der Bundeswehr: |
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Version vom 20. März 2008, 22:55 Uhr
Die Himmeroder Denkschrift wurde im Oktober 1950 von ehemaligen Offizieren der Wehrmacht verfasst, die der westdeutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer im Kloster Himmerod in der Eifel zusammengerufen hatte. Der Auftrag war, zur Vorbereitung der deutschen Wiederbewaffnung ein Konzept für Rüstung und Organisation, Ausstattung und Ausrüstung der künftigen deutschen Streitkräfte zu erstellen. Die Leitung der Tagung hatten zwei ehemalige Generalleutnants der Wehrmacht, Adolf Heusinger und Hans Speidel, beide operative Experten des Ostfeldzuges der Wehrmacht. Das Ergebnis der Tagung, die Himmeroder Denkschrift, bestand in der Empfehlung, politisch und militärisch an den Konzepten von Reichswehr und Wehrmacht anzuknüpfen. Der Militärreformer Wolf Graf Baudissin, der den Widerstandskreisen gegen Hitler nahe gestanden hatte, setzte gegen erhebliche Widerstände Ergänzungen im endgültigen Text der Denkschrift durch, die eine Akzeptanz von Demokratie und Pluralismus durch die Streitkräfte forderten. Deswegen wurde die Denkschrift auch als Gründungskompromiß der Bundeswehr bezeichnet.
Hintergrund
Vor dem Hintergrund des Koreakrieges stellte sich im Jahr 1950 die Frage, wie Westeuropa gegen die überlegenen konventionellen sowjetischen Streitkräfte verteidigt werden könne. Dabei war auch zu klären, wie sich Westdeutschland als bevölkerungsreichster Staat Westeuropas an dessen Verteidigung beteiligen soll, nachdem man Deutschland gerade erst vollkommen demilitarisiert hatte. Die deutsche Wiederbewaffnung war nicht nur eine praktisch-militärische sondern vor allem eine politische und psychologische Frage.
Bundeskanzler Konrad Adenauer erkannte bereits früh nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, dass deren Souveränität in sehr starkem Maße davon abhängen werde, wie stark sie sich an der europäischen Verteidigung mit eigenen Truppen beteiligen würde. Deshalb ließ Adenauer unter größter Geheimhaltung von General Gerhard Graf von Schwerin eine Dienststelle einrichten.Sie sollte ehemalige Generalstabsoffiziere, Generale und Admirale der drei Wehrmachtsteile auswählen, die als „unbelastet” galten und von denen einige im weitesten Sinne dem militärischen Widerstand gegen Hitler zuzurechnen waren. Aus ihnen sollte ein Gremium deutscher Experten für militärische Expertengespräche mit den Alliierten entstehen. Im Kloster Walberberg, zwischen Köln und Bonn, sollte bereits Ende August 1950 das erste Treffen dieses Ausschusses stattfinden. Im letzten Augenblick wurde es wieder abgesagt, da der NATO-Rat im September 1950 in New York die Frage einer deutschen Wiederbewaffnung behandeln wollte, und Adenauer es vorzog, bis dahin mit weiteren deutschen Schritten zu warten.
Eingeladen durch die geheime Tarnorganisation Zentrale für Heimatdienst, trat das 15-köpfige Expertengremium schließlich am 5. Oktober 1950 im Kloster Himmerod zusammen und tagte bis zum 9. Oktober. Es erarbeitete eine Denkschrift "über die Aufstellung eines deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas" und zu den Konzepten der „Inneren Führung” und des „Staatsbürgers in Uniform”. Dieses Dokument war maßgeblich für die spätere Gründung der Bundeswehr.
Inhalt der Denkschrift
Die Himmeroder Denkschrift ist in fünf Abschnitte gegliedert:
- I.Abschnitt „Militärpolitische Grundlagen und Voraussetzungen”
- II.Abschnitt „Grundlegende Betrachtungen zur operative Lage der Bundesrepublik ”
- III.Abschnitt „Organisation des deutschen Kontingents (D.K.)”
- IV.Abschnitt „Ausbildung”
- V.Abschnitt „Das Innere Gefüge”
Angehängt wurde eine Stellungnahme des Grafen Schwerin
Folgende politische Maßnahmen hielten die Teilnehmer der Konferenz aus psychologischen Gründen für erforderlich:
- Aufhebung der Diffamierung deutscher Soldaten durch den Alliierten Kontrollrat, statt dessen Ehrenerklärung durch Regierungsvertreter der Westmächte
- Aufhebung der Diffamierung der Waffen-SS
- Freilassung der als Kriegsverbrecher verurteilten Deutschen, soweit sie nicht gegen deutsche Gesetze verstoßen und auf Befehl gehandelt hätten, Einstellung schwebender Verfahren
Es wurde vorgeschlagen, Heereskräfte in Stärke von 250.000 Soldaten aufzustellen, aus denen 12 Panzerdivisionen zu bilden wären. Diese Zahl sei gleichzeitig das operative Minimum und die Obergrenze dessen, was die Bundesrepublik leisten könne. Hinzu sollten nicht näher definierte Fliegerkräfte kommen, die vermutlich größtenteils zum Heer gehören sollten. Die Marine sollte über leichte Küstenstreitkräfte einschließlich eigener Marinefliegerkräfte verfügen. Diese Streitkräfte sollten mit Hilfe der westlichen Verbündeten in einer Art Patenfunktion bis Herbst 1952 aufgestellt werden.
Teilnehmer ,Funktion bis 1945 und nach 1955
Heer:
- Heinrich von Vietinghoff-Scheel (1887–1952), Generaloberst a.D.,vorher gestorben
- Friedo von Senger und Etterlin (1891–1963), General der Panzertruppe a.D., Mitglied des Personalgutachterausschusses für die Bundeswehr
- Hermann Foertsch (1895–1961), General der Infanterie a.D.,als stark belastet abgelehnt
- Hans Röttiger (1896–1960), General der Panzertruppe a.D., Verwendung in der Bundeswehr 1956–1960 als erster Inspekteur des Heeres
- Adolf Heusinger (1897–1982), Generalleutnant a.D., Verwendung in der Bundeswehr 1956–1964 als erster Generalinspekteur und als erster deutscher Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, letzter Dienstgrad General
- Hans Speidel (1897–1984), Generalleutnant a.D., Verwendung in der Bundeswehr 1956–1964, als General erster deutscher Oberbefehlshaber Alliierte Landstreitkräfte Europa Mitte (LANDCENT)
- Eberhard Graf von Nostitz (1906–1983), Oberst i.G. a.D., Brigadegeneral d.R. der Bundeswehr,Mitarbeiter desBND
- Johann Adolf Graf von Kielmansegg (1906–2006), Oberst i.G. a.D., Verwendung in der Bundeswehr 1956–1966, zuletzt als General Oberbefehlshaber Alliierte Streitkräfte Europa Mitte (LANDCENT)
- Wolf Graf Baudissin (1907–1993), Major i.G. a.D., Verwendung in der Bundeswehr 1955–1967, zuletzt als Generalleutnant Stellvertretender Chef des Stabes für Planung und Operation beim NATO-Oberkommando Europa (SHAPE),Leiter Institut für Friedensforschung Universität Hamburg
Luftwaffe:
- Robert Knauss (1892–1955), General der Flieger a.D.,vorher gestorben
- Rudolf Meister (1897–1958), General der Flieger a.D., in der Bundeswehr nicht verwendet,Altersgründe
- Horst Krüger (1916–1989), Major i.G. a.D., Verwendung in der Bundeswehr 1955–1973
Marine:
- Walter Gladisch (1882–1954), Admiral a.D.,vorher gestorben
- Alfred Schulze-Hinrichs (1893–1972), Kapitän zur See a.D., in der Bundeswehr nicht verwendet,Mitarbeit im BND
- Friedrich Ruge (1894–1985), Vizeadmiral a.D., Verwendung in der Bundeswehr 1956–1961 als erster Inspekteur der Marine
Verweise
Literatur
- Dokument im Bundesarchiv unter B Arch BW 9/3119
- Detlev Bald: Die Bundeswehr- eine kritische Geschichte 1955 - 2005 ; München 2005; ISBN 3-406-52792-2
- Detlef Bald, Johannes Klotz, Wolfram Wette: Mythos Wehrmacht. Nachkriegsdebatten und Traditionspflege, Berlin 2001, ISBN 3-7466-8072-7
- Hans-Jürgen Rautenberg, Norbert Wiggershaus: Die „Himmeroder Denkschrift“ vom Oktober 1950. Politische und militärische Überlegungen für einen Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zur westeuropäischen Verteidigung; Karlsruhe 1985; ISBN 3-7650-0850-8 bzw.in den Militärgeschichtlichen Mitteilungen (MGM) Band 27,S.135 - 206, 1977
- Wolfram Wette: Die Wehrmacht. Feindbilder - Vernichtungskrieg - Legenden, Frankfurt 2002, ISBN 3-10-091208-X
Weblinks
- Detlef Bald: Adenauers Geheimnis; in: Die Zeit, Ausgabe 23/2005 vom 2. Juni 2005