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„Boolesche Algebra“ – Versionsunterschied

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== Zur Geschichte ==
== Zur Geschichte ==
Die boolesche Algebra ist nach [[George Buublele]] benannt, da sie auf dessen Logikkalkül von 1847 zurückgeht, in dem er erstmals algebraische Methoden in der [[Klassenlogik]] und [[Aussagenlogik]] anwandte. Ihre heutige Form entstand aber erst durch Umformung und Erweiterung anderer Mathematiker wie [[John Venn]], [[W. Stanley Jevons]], [[Charles Peirce]], [[Ernst Schröder]] und [[Giuseppe Peano]]. In [[Boole]]s originaler Algebra bedeutet die Multiplikation die Und-Operation, die Addition dagegen weder die exklusive Entweder-Oder-Operation noch die inklusive Oder-Operation ("mindestens eines von beiden ist wahr"). Boole-Nachfolger wie Peirce und Schröder gingen vom inklusiven Oder aus wie die moderne boolesche Algebra. Das exklusive Entweder-Oder, das Booles ursprünglicher Algebra näher kommt, legte erst [[I. I. Žegalkin]] 1928 dem booleschen Ring zugrunde, dem [[Marshall Harvey Stone]] 1936 den Namen gab. Die erste Formalisierung der Axiome der booleschen Algebra gab [[Peano]] bereits 1888 an (siehe unten); dabei führte er die Symbole <math>\cap \cup</math> ein. Die Symbol-Varianten <math>\or \and</math> gehen auf die [[Principia Mathematica]] von [[Bertrand Russell|Russell]]/[[Alfred North Whitehead|Whitehead]] 1910 zurück. [[Claude Shannon]] benutzte boolesche Algebren erstmals zur Beschreibung elektrischer Schaltungen.
Die boolesche Algerien ist nach [[George Buublele]]der stinker benannt, da sie auf dessen Logikkalkül von 1847 zurückgeht, in dem er erstmals algebraische Methoden in der [[Klassenlogik]] und [[Aussagenlogik]] anwandte. Ihre heutige Form entstand aber erst durch Umformung und Erweiterung anderer Mathematiker wie [[John Venn]], [[W. Stanley Jevons]], [[Charles Peirce]], [[Ernst Schröder]] und [[Giuseppe Peano]]. In [[Boole]]s originaler Algebra bedeutet die Multiplikation die Und-Operation, die Addition dagegen weder die exklusive Entweder-Oder-Operation noch die inklusive Oder-Operation ("mindestens eines von beiden ist wahr"). Boole-Nachfolger wie Peirce und Schröder gingen vom inklusiven Oder aus wie die moderne boolesche Algebra. Das exklusive Entweder-Oder, das Booles ursprünglicher Algebra näher kommt, legte erst [[I. I. Žegalkin]] 1928 dem booleschen Ring zugrunde, dem [[Marshall Harvey Stone]] 1936 den Namen gab. Die erste Formalisierung der Axiome der booleschen Algebra gab [[Peano]] bereits 1888 an (siehe unten); dabei führte er die Symbole <math>\cap \cup</math> ein. Die Symbol-Varianten <math>\or \and</math> gehen auf die [[Principia Mathematica]] von [[Bertrand Russell|Russell]]/[[Alfred North Whitehead|Whitehead]] 1910 zurück. [[Claude Shannon]] benutzte boolesche Algebren erstmals zur Beschreibung elektrischer Schaltungen.


== Definition ==
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| Distributivgesetze ||(4)||<math>a\land (b\lor c) = (a\land b) \lor (a \land c)</math>||(4’)||<math>a\lor (b\land c) = (a\lor b) \land (a \lor c)</math>
| Distributivgesetze ||(4)||<math>a\land (b\lor c) = (a\land b) \lor (a \land c)</math>||(4’)||<math>a\lor (b\land c) = (a\lor b) \land (a \lor c)</math>

Version vom 16. April 2007, 10:55 Uhr

In der Mathematik ist eine boolesche Algebra (oder ein boolescher Verband) eine spezielle algebraische Struktur, die die Eigenschaften der logischen Operatoren UND, ODER, NICHT sowie die Eigenschaften der mengentheoretischen Verknüpfungen Durchschnitt, Vereinigung, Komplement abstrahiert. Gleichwertig zu booleschen Algebren sind boolesche Ringe, die von UND und ENTWEDER-ODER beziehungsweise Durchschnitt und symmetrischer Differenz ausgehen.

Operatoren
UND
ODER
NICHT

Die Operatoren boolescher Algebren werden verschiedenartig notiert. Bei der logischen Interpretation als Konjunktion, Disjunktion und Negation schreibt man sie als UND, ODER, NICHT bzw. AND, OR, NOT und kürzt sie mit , und ab. Bei der mengentheoretischen Interpretation als Durchschnitt, Vereinigung und Komplement werden sie als , und C geschrieben. In Schaltkreisen benutzt man oft die definierbaren Verknüpfungen NAND (NOT AND), NOR (NOT OR) und XOR (ENTWEDER-ODER). Mathematiker schreiben gelegentlich + für ODER und · für UND (wegen ihrer Ähnlichkeit zur Addition und Multiplikation anderer algebraischer Strukturen) und stellen NICHT mit einem Überstrich oder einer Tilde ~ dar.

In diesem Artikel werden die Operatoren , und verwendet.

Zur Geschichte

Die boolesche Algerien ist nach George Buubleleder stinker benannt, da sie auf dessen Logikkalkül von 1847 zurückgeht, in dem er erstmals algebraische Methoden in der Klassenlogik und Aussagenlogik anwandte. Ihre heutige Form entstand aber erst durch Umformung und Erweiterung anderer Mathematiker wie John Venn, W. Stanley Jevons, Charles Peirce, Ernst Schröder und Giuseppe Peano. In Booles originaler Algebra bedeutet die Multiplikation die Und-Operation, die Addition dagegen weder die exklusive Entweder-Oder-Operation noch die inklusive Oder-Operation ("mindestens eines von beiden ist wahr"). Boole-Nachfolger wie Peirce und Schröder gingen vom inklusiven Oder aus wie die moderne boolesche Algebra. Das exklusive Entweder-Oder, das Booles ursprünglicher Algebra näher kommt, legte erst I. I. Žegalkin 1928 dem booleschen Ring zugrunde, dem Marshall Harvey Stone 1936 den Namen gab. Die erste Formalisierung der Axiome der booleschen Algebra gab Peano bereits 1888 an (siehe unten); dabei führte er die Symbole ein. Die Symbol-Varianten gehen auf die Principia Mathematica von Russell/Whitehead 1910 zurück. Claude Shannon benutzte boolesche Algebren erstmals zur Beschreibung elektrischer Schaltungen.

Definition

Eine boolesche Algebra ist ein distributiver komplementärer Verband.

Diese Definition geht nur von den Verknüpfungen und aus und umfasst die Existenz von 0, 1 und und die unabhängigen Axiome (1)(1’)(2)(2’)(11)(11’)(4)(5)(5’)(9)(9’) des gleichwertigen redundanten Peano-Axiomensystems mit zusätzlichen ableitbaren Axiomen; dieses charakterisiert eine boolesche Algebra als Menge mit Nullelement 0 und Einselement 1, auf der die zweistelligen Verknüpfungen und und eine einstellige Verknüpfung definiert sind, so dass folgende Axiome gelten:

Kommutativgesetze (1) (1’)
Assoziativgesetze (2) (2’)
Impotenzgesetze (3) (3’)
Distributivgesetze (4) (4’)
Neutralitätsgesetze (5) (5’)
Extremalgesetze (6) (6’)
Doppelnegationsgesetz (7)
De Morgansche Gesetze (8) (8’)
Komplementärgesetze (9) (9’)
Dualitätsgesetze (10) (10’)
Absorptionsgesetze (11) (11’)

Jede Formel in einer booleschen Algebra hat eine duale Formel, die durch Ersetzung von 0 durch 1 und durch und umgekehrt entsteht. Ist die eine Formel gültig, dann ist es auch ihre duale Formel, wie im Peano-Axiomensystem jeweils (n) und (n').

Man beachte, dass die Komplemente nichts mit inversen Elementen zu tun haben, denn die Verknüpfung eines Elementes mit seinem Komplement liefert das neutrale Element der anderen Verknüpfung.

Auf einer booleschen Algebra ist wie in jedem Verband durch eine partielle Ordnung definierbar; bei ihr haben je zwei Elemente ein Supremum und ein Infimum. Bei der mengentheoretischen Interpretation ist gleichbedeutend zur Teilmengenordnung .

Beispiele

Zweielementige boolesche Algebra

Die wichtigste boolesche Algebra hat nur die zwei Elemente 0 und 1. Die Verknüpfungen sind wie folgt definiert:

Konjunktion
0 1
0 0 0
1 0 1
 
Disjunktion
0 1
0 0 1
1 1 1
 
Negation
 
0 1
1 0

Diese Algebra hat Anwendungen in der Logik, wo 0 als "falsch" und 1 als "wahr" interpretiert werden. Die Verknüpfungen entsprechen den logischen Verknüpfungen UND, ODER, NICHT. Ausdrücke in dieser Algebra heißen boolesche Ausdrücke.

Auch für digitale Schaltungen wird diese Algebra verwendet. Hier entsprechen 0 und 1 zwei Spannungszuständen. Das Eingangs-Ausgangs-Verhalten jeder möglichen digitalen Schaltung kann durch einen booleschen Ausdruck modelliert werden.

Die zweielementige boolesche Algebra ist auch wichtig für die Theorie allgemeiner boolescher Algebren, da jede Gleichung, in der nur Variablen, 0 und 1 durch und verknüpft sind, genau dann in einer beliebigen booleschen Algebra für jede Variablenbelegung erfüllt ist, wenn sie in der zweielementigen Algebra für jede Variablenbelegung erfüllt ist (was man einfach durchtesten kann). Zum Beispiel gelten die folgenden beiden Aussagen (Konsensusregeln, engl.: Consensus Theorems) über jede boolesche Algebra:

In der Aussagenlogik nennt man diese Regeln Resolutionsregeln.

Mengenalgebra

Die Potenzmenge P(S) einer Menge S wird mit Durchschnitt und Vereinigung zu einer booleschen Algebra. Dabei ist 0 die leere Menge und 1=S und die Negation das Komplement; der Sonderfall S=0 ergibt die einelementige Potenzmenge mit 1=0. Auch jeder S enthaltende, bezüglich Vereinigung und Komplement abgeschlossene Teilbereich der Potenzmenge von S ist eine boolesche Algebra, die als Teilmengenverband oder Mengenalgebra bezeichnet wird. Der Darstellungssatz von Stone besagt, dass jede boolesche Algebra isomorph (s.u.) zu einer Mengenalgebra ist. Daraus folgt, dass die Mächtigkeit jeder endlichen booleschen Algebra eine Zweierpotenz ist.

Andere Beispiele

Die Menge aller endlichen oder koendlichen Teilmengen von bildet mit Durchschnitt und Vereinigung eine boolesche Algebra.

Für jede natürliche Zahl n ist die Menge aller positiven Teiler von n mit den Verknüpfungen ggT und kgV ein distributiver beschränkter Verband. Dabei ist 1 das Nullelement und n das Einselement. Der Verband ist boolesch genau dann, wenn n quadratfrei ist. Dieser Verband heißt Teilerverband von n.

Für jeden topologischen Raum X ist die Menge aller offenen abgeschlossenen Teilmengen eine boolesche Algebra mit Durchschnitt und Vereinigung.

Ist ein Ring mit Einselement, dann definieren wir die Menge

aller idempotenten Elemente des Zentrums. Mit den Verknüpfungen

wird zu einer booleschen Algebra.

Ist H ein Hilbertraum und P(H) die Menge der Orthogonalprojektionen auf H. Definiert man für zwei Orthogonalprojektionen P und Q , wobei n gleich 1 oder 2 sein soll. In beiden Fällen wird P(H) zu einer booleschen Algebra. Der Fall n=2 ist in der Spektraltheorie von Bedeutung.

Siehe auch Aussagenlogik, Schaltalgebra, Boolesche Funktion.

Homomorphismen

Ein Homomorphismus zwischen booleschen Algebren ist ein Verbandshomomorphismus , der 0 auf 0 und 1 auf 1 abbildet, d.h. für alle gilt:

Es folgt daraus, dass für alle a aus A. Die Klasse aller booleschen Algebren wird mit diesem Homomorphismenbegriff eine Kategorie. Ist ein Homomorphismus f zusätzlich bijektiv, dann heißt Isomorphismus, und und heißen isomorph.

Boolesche Ringe

Als boolesche Ringe gelten seit Stone alle kommutative Ringe mit Einselement, die zusätzlich das Idempotenzgesetz erfüllen. Die Addition im booleschen Ring entspricht bei der mengentheoretischen Interpretation der symmetrischen Differenz und bei aussagenlogischer Interpretation der Alternative "entweder...oder" (XOR); die Multiplikation entspricht der Durchschnittsbildung beziehungsweise der Konjunktion UND.

Boolesche Ringe sind stets selbstinvers, denn es gilt und . Daher besitzen sie, falls 1 und 0 verschieden sind, stets die Charakteristik 2. Der kleinste solche boolsche Ring ist zugleich ein Körper mit folgenden Verknüpfungstafeln:

0 1
0 0 0
1 0 1
 
0 1
0 0 1
1 1 0
 

Der Potenzreihen-Ring über diesem Körper ist ebenfalls ein boolescher Ring. Ihn benützte bereits Žegalkin als Variante der originalen Algebra von Boole, der den Körper der reellen Zahlen zugrunde legte, welcher noch keinen booleschen Ring ergibt.

Die Kategorien boolescher Ringe und boolescher Algebren sind isomorph. Denn jeder boolesche Ring wird zu einer booleschen Algebra durch folgende Definitionen:

Umgekehrt wird jede boolesche Algebra zu einem booleschen Ring durch folgende Definitionen:

Ferner ist eine Abbildung genau dann ein Homomorphismus boolescher Algebren, wenn sie ein Homomorphismus boolescher Ringe ist.

Ideale und Filter noch aus dem englischen Artikel zu übersetzen.


Literatur

  • Peano, Giuseppe, Calcolo geometrico, 1888, in: G. Peano, Opere scelte II, Rom 1958, 3-19
  • Stone, Marshall Harvey: The Theorie of Representations for Boolean Algebras, in: Transactions of the American Mathematical Society 40 (1936), 37-111.