System und Michael Kapovich: Unterschied zwischen den Seiten
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[[Datei:Kapovich misha.jpg|mini|Misha Kapovich, Oberwolfach 2015]] |
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{{Dieser Artikel|behandelt Systeme allgemein und philosophisch – zu anderen Bedeutungen siehe [[System (Begriffsklärung)]] und [[Systematik]].}} |
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'''Michael Kapovich''', auch ''Misha Kapovich'', {{RuS|Михаил Эрикович Капович}}, Transkription Michail Erikowitsch Kapowitsch, (* [[1963]]) ist ein russisch-US-amerikanischer Mathematiker. |
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[[Datei:Primäres System.png|mini|hochkant=1.1|Jegliches System ist allgemein ein abgrenzbares Ganzes, das aus verschiedenen Teilen besteht, die irgendwie geordnet miteinander vernetzt sind; konkret gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Systeme mit eigenen Merkmalen.]] |
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Kapovich wurde 1988 am Institut für Mathematik des sibirischen Zweigs der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften in [[Nowosibirsk]] bei [[Samuil Leibowitsch Kruschkal]] promoviert (Flache konforme Strukturen auf 3-Mannigfaltigkeiten, Russisch).<ref>{{MathGenealogyProject|id=40826}}</ref> Er ist Professor an der [[University of California, Davis]], an der er seit 2003 ist. |
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Als '''System''' ([[Altgriechische Sprache|altgriechisch]] ''sýstēma'' „aus mehreren Einzelteilen zusammengesetztes Ganzes“) wird etwas bezeichnet, dessen [[#Struktur|Struktur]] aus verschiedenen Komponenten mit unterschiedlichen [[Systemeigenschaften|Eigenschaften]] besteht, die aufgrund bestimmter [[#Ordnung|geordneter]] Beziehungen untereinander als gemeinsames [[Ganzheit|Ganzes]] betrachtet werden (können) und damit von anderem abgrenzbar sind. |
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Er befasst sich mit niedrigdimensionaler Geometrie und Topologie, [[Kleinsche Gruppe|Kleinschen Gruppen]], hyperbolischer Geometrie, [[Geometrische Gruppentheorie|geometrischer Gruppentheorie]], geometrischer Darstellungstheorie in Liegruppen, [[CAT(0)-Raum|Räumen nichtpositiver Krümmung]] und Konfigurationsräumen von Gelenkmechanismen. |
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Es gibt keine einheitliche Definition des [[Begriff]]s, da die Bedeutungszuweisung je nach [[Fachgebiet]] sehr unterschiedlich ist. Demnach ist auch der vorhergehende Satz eine [[Abstraktion]] im Sinne eines [[Gemeinsamer Nenner|größten gemeinsamen Nenners]]. Folgende Konkretisierungen der einzelnen Parameter sind möglich:<ref>[[Hans Ulrich (Wirtschaftswissenschaftler)|Hans Ulrich]]: ''Die Unternehmung als produktives soziales System'' (= ''Unternehmung und Unternehmungsführung.'' Band 1). Haupt, Bern/Stuttgart 1968, S. 105–111.</ref><ref>Reinhard Wagner: ''Vermittlung systemwissenschaftlicher Grundkonzepte.'' Naturwissenschaftliche Magisterarbeit Universität Graz 2002, S. 2–5 und 9–18 ([http://www.fraktalwelt.de/systeme/rw_diplomarbeit.pdf PDF: 1,4 MB, 130 Seiten auf fraktalwelt.de]).</ref><ref>[[Wilhelm Dangelmaier]]: ''Methoden der computergestützten Produktion und Logistik.'' Teil 2: ''Systeme.'' Vorlesungsskript des Heinz Nixdorf Instituts an der Universität Paderborn 2017, S. 2, 4–6 und 15 ([https://www.hni.uni-paderborn.de/fileadmin/Fachgruppen/Wirtschaftsinformatik/Moduluebersicht/W2336_Methoden_der_computergestuetzten_Produktion/2._Systeme.pdf PDF: 939 kB, 22 Seiten auf uni-paderborn.de]).</ref><ref>[[Gert Heinrich]]: ''Allgemeine Systemanalyse.'' Oldenbourg, München 2007, ISBN 978-3-486-58365-6, S. 6–9.</ref><ref>Christian Erk: ''Was ist ein System? Eine Einführung in den klassischen Systembegriff.'' Lit, Zürich 2016, ISBN 978-3-643-80203-3, S. 5–82, hier S. ??.</ref><!--Fundstellen-SEITE ?--> |
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Er war 2006 Invited Speaker auf dem [[Internationaler Mathematikerkongress|Internationalen Mathematikerkongress]] in [[Madrid]] (Generalized triangle inequalities and their applications). |
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* Die räumliche und/oder zeitliche Grenze eines Systems kann durch seine [[Körper (Physik)|Körperlichkeit]] oder bestimmte [[Kraft|Kräfte]] physisch beschrieben werden ''(reale / materielle / konkrete Systeme)'' – oder rein gedanklich konstruierter, zweckdienlicher Natur sein ''(ideelle / immaterielle / theoretische Systeme)''. |
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** Alle ''natürlichen Systeme'' sind reale Systeme, die ohne gezielten [[anthropogen]]en Einfluss entstanden sind und die sich ([[Autopoiesis|autopoietisch]]) selbst erhalten (Beispiele: [[Quantensystem]], [[Atom]], [[Molekül]], [[Lebendes System]], [[Zelle (Biologie)|Zelle]], [[Organsystem]], [[Psyche]], [[Ökosystem]], [[Planetensystem]]). |
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** ''Künstliche Systeme'' sind Systeme, die vom Menschen [[Idee|erdacht]] und konstruiert wurden. Sie können materieller oder immaterieller Natur sein; vereinen jedoch häufig beides. Man unterscheidet (reale) ''[[Technisches System|technische Systeme]]'' (Beispiele: [[Werkzeug]], [[Maschine]], [[Computer]] bis hin zu ganzen [[Anlage (Technik)|Anlagen]]), ''[[Soziales System|soziale Systeme]]'' (Beispiele: [[Arbeitswelt]], [[Soziale Gruppe]]n, [[Familie]]n, [[Ethnie]]n, [[Organisation]]en) und ''[[Soziotechnisches System|soziotechnische Systeme]]'' (Beispiele: [[Arbeitssystem]]e, [[Informationssystem]]e, [[Internet]]). |
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** Eine Mischung aus natürlichen und künstlichen realen Systemen stellen ''[[Biotechnisches System|biotechnische Systeme]]'' (Beispiele: [[Viehzucht]], [[Kläranlage]], [[Kunstherz]]) und [[Sozioökologisches System|sozioökologische Systeme]] dar (Beispiele: [[Kulturlandschaft]], [[Bergbaufolgelandschaft]]). |
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** ''Materielle Systeme'' werden je nach Art des Austausches mit ihrer Umgebung in [[Offenes System|offene-]], [[Geschlossenes System|geschlossene-]] und [[Abgeschlossenes System|abgeschlossene Systeme]] unterteilt. Die [[Systemtheorie]] untersucht die Strukturen und Abläufe grundverschiedener materieller Systeme. |
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** ''Immaterielle Systeme'' sind ausschließlich künstlich geschaffene, gedankliche Systeme, die ohne „Anstoß“ durch den Menschen keine eigene [[Dynamik (Physik)|Dynamik]] entfalten und deren Existenz von materiellen Systemen abhängt (Beispiele: [[Begriffssystem]], [[Koordinatensystem]], [[Axiomensystem]], [[Modell]], [[Theorie]]). |
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** Die Komponenten (Elemente, Teile) eines Systems werden dadurch bestimmt, dass sie voneinander abgrenzbare, unterschiedliche Funktionen oder Aufgaben im System erfüllen. Im Grunde kann jeder beliebige reale ([[Planet]], [[Baum]], [[Organ (Biologie)|Organ]], [[Bauteil (Technik)|Bauteil]] u. v. m.) oder gedachte [[Gegenstand]] ([[Laut]]e, [[Gebärde]]n, [[Zeichen]], [[Symbol]] u. v. m.) Teil eines Systems sein. Ein System kann Teilsysteme (Subsysteme) enthalten und selbst Teil eines umfassenderen Systems (Supersystem) sein. Die Art der Komponenten, ihre [[#Ordnung|Ordnung]] und [[#Organisation|Organisation]] bestimmt das räumliche Erscheinungsbild des Systems. |
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** Die (reale oder konstruierte) Ordnung innerhalb von Systemen beruht auf [[Gesetzmäßigkeit]]en, die im Zusammenspiel der Verhaltensmöglichkeiten bestimmte [[Muster]] ergeben, die grundsätzlich zu [[Vorhersagbarkeit|vorhersagbaren]] Wirkungen führen (sofern alle Parameter bekannt sind). Diese Strukturregeln bestimmen den [[Komplexität]]sgrad des Systems. (Siehe auch [[Komplexes System]]) |
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** Die [[Relation|Beziehungen]] zwischen den Komponenten ist [[information]]eller, [[materie]]ller und/oder [[Energie|energetischer]] Natur und wirkt als Wechselwirkung, Beeinflussung und/oder Verknüpfung. Der Grad und/oder die Herstellung oder Erweiterung von Beziehungen wird [[Vernetzung]] genannt. Die [[Kybernetik]] untersucht die Beziehungen und Mechanismen zwischen Systemkomponenten. |
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== Schriften == |
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In unterschiedlichen Fachgebieten werden spezifische Begriffsverwendungen vorgeschlagen, diskutiert und angewendet. |
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*''Hyperbolic manifolds and discrete groups.'' Reprint of the 2001 edition. Modern Birkhäuser Classics. Birkhäuser Boston, Inc., Boston, MA, 2009, ISBN 978-0-8176-4912-8. |
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* mit [[Cornelia Drutu]]: ''Geometric group theory. With an appendix by Bogdan Nica.'' American Mathematical Society. Providence, RI: American Mathematical Society (2018), ISBN 978-1-4704-1104-6 (Hardback), 978-1-4704-4164-7 (E-Book). |
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Viele Systeme haben völlig andersartige Eigenschaften als die Komponenten, aus denen sie bestehen. Wenn sich diese neuen [[Qualität]]en nicht allein aus dem funktionalen Zusammenwirken der Teile – „von unten“ betrachtet – erklären beziehungsweise vorausberechnen lassen, handelt es sich um [[Emergenz|emergente Eigenschaften]]. |
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*''On monodromy of complex projective structures.'' Invent. Math. 119 (1995), no. 1, 243–265. |
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*mit [[Bernhard Leeb|B. Leeb]]: ''On asymptotic cones and quasi-isometry classes of fundamental groups of 3-manifolds.'' Geom. Funct. Anal. 5 (1995), no. 3, 582–603. |
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Sofern ''keine'' Beziehungen der genannten Art zwischen den Teilen eines Ganzen bestehen, handelt es sich ''nicht'' um ein System, sondern um bloße [[Menge (Mathematik)|Mengen]], Haufen oder [[Gemisch|Stoffgemische]]; auch wenn die konstruierte Anordnung der Teile einer bestimmten [[Klassifikation|Systematik]] unterliegt und als „System“ bezeichnet wird (Beispiele: [[Systematik (Biologie)|biologische Systematik]], [[Periodensystem]] der Elemente). |
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*mit [[John Millson (Mathematiker)|J. J. Millson]]: ''On the moduli space of polygons in the Euclidean plane.'' J. Differential Geom. 42 (1995), no. 1, 133–164. |
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*mit J. J. Millson: ''The symplectic geometry of polygons in Euclidean space. ''J. Differential Geom. 44 (1996), no. 3, 479–513. |
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== Begriffs- und Ideengeschichte == |
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*mit B. Leeb: ''Quasi-isometries preserve the geometric decomposition of Haken manifolds.'' Invent. Math. 128 (1997), no. 2, 393–416. |
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=== Antike === |
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*mit J. J. Millson: ''On representation varieties of Artin groups, projective arrangements and the fundamental groups of smooth complex algebraic varieties.'' Inst. Hautes Études Sci. Publ. Math. No. 88 (1998), 5–95 (1999). |
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Die griechischen Ausdrücke σύστημα, σύσταμα, σύστεμα fanden Gebrauch als „Oberbegriff für alle verbandlichen Organisationen, die öffentlichen Gemeinwesen mit eingeschlossen“.<ref>[[Franz Poland]]: ''σύστημα.'' In: Georg Wissowa u. a. (Hrsg.): ''Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft.'' 2. Reihe, 8. Halbband. Metzler, Stuttgart 1932, Sp. 1834–1835.</ref> |
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*mit D. Gallo, [[Albert Marden|A. Marden]]: ''The monodromy groups of Schwarzian equations on closed Riemann surfaces.'' Ann. of Math. (2) 151 (2000), no. 2, 625–704. |
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*mit [[Bruce Kleiner|B. Kleiner]]: ''Hyperbolic groups with low-dimensional boundary.'' Ann. Sci. École Norm. Sup. (4) 33 (2000), no. 5, 647–669. |
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Darüber hinaus wird σύστημα gebraucht |
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*mit [[Mladen Bestvina|M. Bestvina]], B. Kleiner: ''Van Kampen's embedding obstruction for discrete groups.'' Invent. Math. 150 (2002), no. 2, 219–235. |
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* im Bereich der Medizin, z. B. für ein „System“ von Pulsschlägen |
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*mit B. Leeb, J. J. Millson: ''The generalized triangle inequalities in symmetric spaces and buildings with applications to algebra.'' Mem. Amer. Math. Soc. 192 (2008), no. 896, ISBN 978-0-8218-4054-2. |
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* im Bereich der Musiktheorie, z. B. für ein „System“ von Intervallen |
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*''Homological dimension and critical exponent of Kleinian groups.'' Geom. Funct. Anal. 18 (2009), no. 6, 2017–2054. |
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* im Bereich der Literaturtheorie, z. B. in der Bedeutung einer „Komposition“<ref>Fritz-Peter Hager: ''System; Systematik; systematisch, I. Antike.'' In: ''[[Historisches Wörterbuch der Philosophie]].'' Band 10, 1998, S. 824–825.</ref> |
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*''Dirichlet fundamental domains and topology of projective varieties.'' Invent. Math. 194 (2013), no. 3, 631–672. |
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*mit [[János Kollár|J. Kollár]]: ''Fundamental groups of links of isolated singularities.'' J. Amer. Math. Soc. 27 (2014), no. 4, 929–952. |
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An den musiktheoretischen Gebrauch knüpft [[Platon]] in seinem späten [[Platonischer Dialog|Dialog]] ''[[Philebos]]'' an. Er spricht von den vielen „Verbindungen“, welche aus den „Zwischenräumen“ der Töne entstehen und von ebenfalls in Zahlen messbaren „ähnlichen Verhältnissen“ in den Bewegungen des Leibes; zugleich müsse man dabei bedenken, was darin „Eines und Vieles“ ist; durch dieseart Überlegung gelange man zur „Einsicht“, die wegen der Unendlichkeit jedes Begriffs und Dinges aber nie abschließbar sei.<ref>[[Philebos]] 17 d, zit. nach Fritz-Peter Hager: ''System; Systematik; systematisch, I. Antike.'' In: ''Historisches Wörterbuch der Philosophie.'' Band 10, 1998, S. 824–825.</ref> |
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*mit B. Leeb, [[Joan Porti|J.Porti]]: ''Anosov subgroups: Dynamical and geometric characterizations.'' Eur. J. Math. 3 (2017), 808–898. |
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*mit B. Leeb: ''A Morse lemma for quasigeodesics in symmetric spaces and Euclidean buildings.'' Geom. Topol. 22, No. 7, 3827-3923 (2018). |
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Der pseudo-platonische Dialog ''[[Philippos von Opus#Epinomis|Epinomis]]'' bezieht den Terminus σύστημα auf die Zahlen, mit welchen die Gesetze der Sternbahnen erfassbar sind.<ref>Epinomis 991e, zit. nach F.-P. Hager: ''System; Systematik; systematisch, I. Antike.'' In: ''Historisches Wörterbuch der Philosophie.'' Band 10, 1998, S. 824–825.</ref> |
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=== Neuzeit === |
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Seit dem 16. Jahrhundert wird der Systembegriff in verschiedenen Zusammenhängen verwendet, so z. B. bezogen auf die Sphäre der Politik zuerst durch [[Thomas Hobbes]] im Sinne einer ''political entity''.<ref>Thomas Hobbes (2007 [1651]): ''Leviathan.'' ({{Webarchiv|url=http://ebooks.adelaide.edu.au/h/hobbes/thomas/h68l/index.html |wayback=20121020191439 |text=ebooks.adelaide.edu.au |archiv-bot=2023-01-18 01:21:44 InternetArchiveBot }} Kap. XXII/).</ref> |
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== Struktur, Ordnung und Organisation == |
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Insbesondere bei der Untersuchung der ''Komplexität'' von Systemen in den [[Systemwissenschaft]]en, ist eine korrekte [[Begriff]]sverwendung wichtig. Häufig werden die Begriffe [[#Struktur|Struktur]], [[#Ordnung|Ordnung]] und [[#Organisation|Organisation]] unscharf abgegrenzt, synonym genutzt oder verweisen aufeinander ''(vgl. [[Tautologie (Sprache)]])'', sodass die [[Verifizierbarkeit]] der [[Aussagenlogik|Aussagen]] und damit ihre [[Plausibilität]] und ihr Stellenwert in Frage stehen. Demgegenüber können sie wie folgt definiert werden:<ref name="Nönnig">Jörg Rainer Nönnig: ''ARCHITEKTUR SPRACHE KOMPLEXITÄT'', hier Essay III: ''Exkurs: Das Phänomen Komplexität.'' Dissertation an der [[Bauhaus-Universität Weimar]], Weimar 2006, [https://e-pub.uni-weimar.de/opus4/frontdoor/deliver/index/docId/931/file/Noennig_pdfa.pdf PDF], abgerufen am 10. September 2023. S. 73 u. 91 (Struktur), 87–88 (Grundbegriffe u. Verwendung), 87 u. 90–91 (Organisation), 88 u. 98 (Ordnung).</ref> |
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=== Struktur === |
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'''Struktur''' bezeichnet den inneren Aufbau eines Systems; die Art und Weise, wie die Systemkomponenten „räumlich“ und „materiell“ ''(strukturell)'' miteinander verbunden sind. Die Betrachtung der Struktur allein lässt keine Rückschlüsse über die Komplexität der Verknüpfungen oder funktionale Zusammenhänge zu. Dafür ist eine Bewertung der ''Ordnung'' und ''Organisation'' einer Struktur und ihrer jeweiligen Ausprägung notwendig.<ref name="Nönnig" /><ref>Stichwort: ''Struktur'' im [[Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache|digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache]],[https://www.dwds.de/wb/Struktur online] abgerufen am 11. September 2023.</ref> |
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=== Ordnung === |
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'''Ordnung''' steht für die Art und Weise der Beziehungen zwischen den Systemkomponenten einschließlich der Regeln und Gesetzmäßigkeiten, nach denen sie [[Information]]en austauschen. Die Betrachtung der Ordnung eines Systems bzw. einer Struktur zielt eher auf einen ''Zustand'' und auf [[quantitativ]]e Aussagen: So bezieht sich der ''Ordnungsgrad'' auf die Anzahl der möglichen Beziehungen und nicht auf ihre Wirksamkeit.<ref name="Nönnig" /><ref>Stichwort: ''Ordnung'' im [[Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache|digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache]],[https://www.dwds.de/wb/Ordnung online] abgerufen am 11. September 2023.</ref><ref>[[Gerhard Ernst Merk|Gerhard Merk]]: ''Der Begriff "Ordnung".'' [https://www.wiwi.uni-siegen.de/merk/downloads/lehrmittel/ordnung.pdf PDF] abgerufen 11. September 2023, S. 2.</ref> |
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=== Organisation === |
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'''Organisation''' umfasst die Funktionalität der Ordnung: die Wirkungsweise des Informationsaustausches und die Aufrechterhaltung der Funktionszusammenhänge. Die Betrachtung der Organisation eines Systems bzw. einer Struktur zielt eher auf ''Vorgänge'' und auf [[qualitativ]]e Aussagen: So bezieht sich der ''Organisationsgrad'' auf die Zweckdienlichkeit der bestehenden Beziehungen, nicht auf Art und Zahl ihrer Regeln<ref name="Nönnig" /><ref>Stichwort: ''Organisation'' im [[Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache|digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache]],[https://www.dwds.de/wb/Organisation online] abgerufen am 11. September 2023.</ref><ref>[[Gerhard Ernst Merk|Gerhard Merk]]: ''Der Begriff "Ordnung".'' [https://www.wiwi.uni-siegen.de/merk/downloads/lehrmittel/ordnung.pdf PDF] abgerufen 11. September 2023, S. 2.</ref> und [[Selbstorganisation]] ''ist'' der systemimmanente Prozess des Ordnens.<ref>Gabriela Straubinger: ''Komplexität - Wie interdisziplinäre Teams mit komplexen Aufgabenstellungen umgehen.'' Masterarbeit an der [[Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften]], Zürich 2010, [https://digitalcollection.zhaw.ch/bitstream/11475/874/1/ma0018.pdf PDF] abgerufen am 11. September 2023. S. 14–15.</ref> |
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== Systembegriff der Systemtheorie == |
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{{Hauptartikel|Systemtheorie}} |
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Als ''Systemtheorie'' werden Forschungsrichtungen diverser Fachrichtungen zusammenfassend bezeichnet, die komplexe Zusammenhänge durch allgemeine Theorien zum Funktionieren von Systemen überhaupt beschreiben. Als erster definierte um 1950 [[Ludwig von Bertalanffy]] Systeme als Interaktionszusammenhänge, die sich von ihrer Umwelt abgrenzen, die wiederum aus anderen Interaktionszusammenhängen besteht.<ref>Ludwig von Bertalanffy: ''An Outline of General Systems Theory.'' In: ''The British Journal for the Philosophy of Science.'' Nr. 1–2, 1950, S. 134–165, hier: S. 143.</ref> Gemäß in diesem Kontext verbreiteter Grundideen lassen sich Systeme als sich [[Selbstorganisation|selbst organisierende]] Funktionseinheiten verstehen, die ihr Weiterfunktionieren selbst produzieren (vgl. [[Autopoiesis]]) und sich in spezifischer Weise von ihrer Umwelt differenzieren, etwa durch Ausprägung spezifischer Unterscheidungsweisen. |
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Ein Beispiel: Seefahrer setzten bestimmte Tiere auf einer Insel aus, um sie später dort jagen zu können. Dadurch gerät das bis dahin auf der Insel bestehende System aus Tieren und Pflanzen „durcheinander“; ein neues System entsteht. Manchmal entstehen [[Endemit]]en (= Pflanzen oder Tiere, die nur in einer bestimmten, räumlich klar abgegrenzten Umgebung vorkommen). In Disziplinen, die sich mit [[leben]]den [[Organismen]] beschäftigen, der systemischen Psychologie und Biologie wie auch der Soziologie, werden ''lebende'' von anders gearteten Systemen unterschieden.<ref>H.A.: ''Lebende Systeme.'' ([https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/lebende-systeme/8603 spektrum.de] 2000).</ref> |
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== Systembegriff der strukturalen Linguistik == |
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Der strukturalen Linguistik (siehe [[Strukturalismus]]) liegt die Auffassung zugrunde, dass [[Sprache|sprachliche]] Einzelelemente nicht jeweils durch sich selbst in ihrer Bedeutung begründet sind, sondern durch ihre Relationen zu anderen Elementen – wobei deren Ganzheit als ''System'' mit unter anderem dieser allgemeinen Eigenschaft beschrieben wird.<ref>Vgl. z. B. Anton Hügli, Poul Lübcke: ''Philosophielexikon.'' Rowohlt Verlag, Reinbek 1991, s. v. ''System'': „Eine besondere Rolle spielt das S[ystem] in der strukturalen Linguistik […]. S[ystem] meint hier eine Ganzheit von Elementen, die sich zueinander in einem inneren Abhängigkeitsverhältnis befinden, und zwar so, daß ein einzelnes Element nicht durch sich selbst, sondern nur durch die Unterschiede zu anderen Elementen definiert ist.“</ref> |
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== Technik == |
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Für [[Leittechnik]] definiert [[IEC 60050]]-351 ein System als {{"|Text= Menge miteinander in Beziehung stehender Elemente, die in einem bestimmten Zusammenhang als Ganzes gesehen und als von ihrer Umgebung abgegrenzt betrachtet werden. |ref=<ref>DIN IEC 60050-351:2009-06, 351-21-20</ref>}} |
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In der [[ISO 26262#Schlüsselbegriffe der Norm|Funktionalen Sicherheit]] und [[SOTIF#Systembegriff|SOTIF]] wird ein System als Kombination von Sensor oder Signaleingang, Logik (insbesondere mit mikroprozessorgesteuert) und Aktoren oder Signalausgängen definiert. |
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== Literatur == |
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* [[Rudolf Eisler (Philosoph)|Rudolf Eisler]]: ''System.'' In: ''Wörterbuch der philosophischen Begriffe.'' 2. Auflage. Berlin 1904 ([http://www.textlog.de/5158.html Artikel textlog.de]). |
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* F.-P. Hager u. a.: ''System; Systematik; systematisch.'' In: ''[[Historisches Wörterbuch der Philosophie]].'' Band 10, 1998, S. 824–856. |
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* S. Jensen: ''Systemtheorie; System, soziales.'' In: ''Historisches Wörterbuch der Philosophie.'' Band 10, 1998, S. 863–869. |
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* [[Friedrich Kirchner (Philosoph)|Friedrich Kirchner]]: ''System.'' In: ''Wörterbuch der philosophischen Grundbegriffe.'' 1907 ([http://www.textlog.de/2098.html Artikel textlog.de]). |
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* Wolfgang Schrader, Hans-Joachim Höhn: ''System, Systemtheorie.'' In: ''[[Lexikon für Theologie und Kirche]].'' 3. Auflage. Band 9 (2000), Sp. 1216–1220. |
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* R. Schulz: ''System, biologisches.'' In: ''Historisches Wörterbuch der Philosophie.'' Band 10, 1998, S. 856–862. |
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* Geo Siegwart: ''System.'' In: [[Jürgen Mittelstrass]] (Hrsg.): ''Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie.'' Metzler, Stuttgart 1996, Band 4, S. 184 ff. |
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* Karl Steinbacher u. a.: ''System/Systemtheorie.'' In: [[Hans-Jörg Sandkühler]] (Hrsg.): ''Enzyklopädie Philosophie.'' 2 Bände. Meiner, Hamburg 1999, ISBN 3-7873-1629-9, Band 2, S. 1579–1588. |
|||
* Sytse Strijbos, Carl Mitcham: ''Systems and Systems Thinking.'' In: Carl Mitcham (Hrsg.): ''Encyclopedia of science, technology, and ethics.'' Thomson Gale 2005, Band 4, ISBN 0-02-865901-5, S. 1880–1884. |
|||
* Joachim Valentin: Art. ''System – systematisch / Systemtheorie.'' In: [[Albert Franz]] u. a. (Hrsg.): ''Lexikon philosophischer Grundbegriffe der Theologie.'' Herder, Freiburg im Breisgau 2003, S. 394–396. |
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* Michael Matthies: ''Einführung in die Systemtheorie.'' Skriptum, Universität Osnabrück (zum systemtheoretischen Systembegriff S. 2 ff. und 9 ff.; {{Webarchiv |url=http://www.usf.uos.de/archive/~vberding/syswi/skript10.pdf |text=PDF auf uos.de |wayback=20110718111716}}). |
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== Weblinks == |
== Weblinks == |
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*[https://www.math.ucdavis.edu/research/profiles/?fac_id=kapovich Homepage] |
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{{Wiktionary}} |
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* {{DNB-Portal|4058801-4|TEXT=Literatur zum Thema}} |
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== Einzelnachweise == |
== Einzelnachweise == |
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<references /> |
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{{SORTIERUNG:Kapovich, Michael}} |
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[[Kategorie:Mathematiker (20. Jahrhundert)]] |
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[[Kategorie:Russe]] |
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[[Kategorie:US-Amerikaner]] |
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[[Kategorie:Geboren 1963]] |
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[[Kategorie:Mann]] |
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{{Personendaten |
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[[Kategorie:Kybernetik]] |
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|NAME=Kapovich, Michael |
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[[Kategorie:Systemtheorie]] |
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|ALTERNATIVNAMEN=Kapovich, Misha; Kapowitsch, Michail Erikowitsch; Капович, Михаил Эрикович |
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[[Kategorie:System| ]] |
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|KURZBESCHREIBUNG=russisch-US-amerikanischer Mathematiker |
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|GEBURTSDATUM=1963 |
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Version vom 11. September 2023, 17:48 Uhr

Michael Kapovich, auch Misha Kapovich, russisch Михаил Эрикович Капович, Transkription Michail Erikowitsch Kapowitsch, (* 1963) ist ein russisch-US-amerikanischer Mathematiker.
Kapovich wurde 1988 am Institut für Mathematik des sibirischen Zweigs der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften in Nowosibirsk bei Samuil Leibowitsch Kruschkal promoviert (Flache konforme Strukturen auf 3-Mannigfaltigkeiten, Russisch).[1] Er ist Professor an der University of California, Davis, an der er seit 2003 ist.
Er befasst sich mit niedrigdimensionaler Geometrie und Topologie, Kleinschen Gruppen, hyperbolischer Geometrie, geometrischer Gruppentheorie, geometrischer Darstellungstheorie in Liegruppen, Räumen nichtpositiver Krümmung und Konfigurationsräumen von Gelenkmechanismen.
Er war 2006 Invited Speaker auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Madrid (Generalized triangle inequalities and their applications).
Schriften
- Hyperbolic manifolds and discrete groups. Reprint of the 2001 edition. Modern Birkhäuser Classics. Birkhäuser Boston, Inc., Boston, MA, 2009, ISBN 978-0-8176-4912-8.
- mit Cornelia Drutu: Geometric group theory. With an appendix by Bogdan Nica. American Mathematical Society. Providence, RI: American Mathematical Society (2018), ISBN 978-1-4704-1104-6 (Hardback), 978-1-4704-4164-7 (E-Book).
- On monodromy of complex projective structures. Invent. Math. 119 (1995), no. 1, 243–265.
- mit B. Leeb: On asymptotic cones and quasi-isometry classes of fundamental groups of 3-manifolds. Geom. Funct. Anal. 5 (1995), no. 3, 582–603.
- mit J. J. Millson: On the moduli space of polygons in the Euclidean plane. J. Differential Geom. 42 (1995), no. 1, 133–164.
- mit J. J. Millson: The symplectic geometry of polygons in Euclidean space. J. Differential Geom. 44 (1996), no. 3, 479–513.
- mit B. Leeb: Quasi-isometries preserve the geometric decomposition of Haken manifolds. Invent. Math. 128 (1997), no. 2, 393–416.
- mit J. J. Millson: On representation varieties of Artin groups, projective arrangements and the fundamental groups of smooth complex algebraic varieties. Inst. Hautes Études Sci. Publ. Math. No. 88 (1998), 5–95 (1999).
- mit D. Gallo, A. Marden: The monodromy groups of Schwarzian equations on closed Riemann surfaces. Ann. of Math. (2) 151 (2000), no. 2, 625–704.
- mit B. Kleiner: Hyperbolic groups with low-dimensional boundary. Ann. Sci. École Norm. Sup. (4) 33 (2000), no. 5, 647–669.
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- mit B. Leeb, J.Porti: Anosov subgroups: Dynamical and geometric characterizations. Eur. J. Math. 3 (2017), 808–898.
- mit B. Leeb: A Morse lemma for quasigeodesics in symmetric spaces and Euclidean buildings. Geom. Topol. 22, No. 7, 3827-3923 (2018).
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Michael Kapovich im Mathematics Genealogy Project (englisch)
Personendaten | |
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NAME | Kapovich, Michael |
ALTERNATIVNAMEN | Kapovich, Misha; Kapowitsch, Michail Erikowitsch; Капович, Михаил Эрикович |
KURZBESCHREIBUNG | russisch-US-amerikanischer Mathematiker |
GEBURTSDATUM | 1963 |