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„Unruhen in Frankreich 2023“ – Versionsunterschied

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== Spendenaktionen ==
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Nachdem für die Familie des Getöteten ein Spendenkonto eingerichtet wurde, richtete Jean Messiha, der Gründer des rechten [[Think Tank]]s ''Institut Apollon'',<ref>{{Internetquelle |url=https://www.cnews.fr/france/2022-04-28/jean-messiha-explique-son-depart-de-reconquete-je-reprends-mes-activites |titel=Jean Messiha explique son départ de Reconquête : «Je reprends mes activtées intellectuelles à l'institut Apollon» |werk=CNews |datum=2022-04-28 |abruf=2023-07-03 |sprache=fr}}</ref> und Unterstützer des rechtsextremen Politikers [[Éric Zemmour]] ([[Reconquête]]), ein Spendenkonto für den tatverdächtigen Polizisten ein.<ref name="n-tv0207">{{Internetquelle |autor=n-tv NACHRICHTEN |url=https://www.n-tv.de/panorama/Franzosen-ueberschuetten-Polizisten-mit-Geld-article24232828.html |titel=Franzosen überschütten Polizisten mit Geld |sprache=de |abruf=2023-07-02}}</ref><ref>[https://www.lefigaro.fr/actualite-france/mort-de-nahel-une-cagnotte-de-soutien-au-policier-auteur-du-tir-depasse-les-200-000-20230701 ''Mort de Nahel : une cagnotte de soutien au policier auteur du tir dépasse les 200.000 €''], [[Le Figaro]], 1. Juli 2023 (französisch)</ref>
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== Weblinks ==

Version vom 3. Juli 2023, 05:37 Uhr

Schriftzug im Stadtteil Planoise von Besançon

Die Tötung von Nahel Merzouk durch einen Polizisten ereignete sich am 27. Juni 2023 im Pariser Vorort Nanterre und führte in den darauffolgenden Tagen zu landesweiten Protesten, Ausschreitungen und Gewaltakten.

Am Morgen des 27. Juni 2023 versuchten in Nanterre zwei Verkehrspolizisten auf Motorrädern, den 17-jährigen algerisch-französischen Jugendlichen Nahel Merzouk anzuhalten, der in einem Mercedes AMG mit polnischem Kennzeichen unterwegs war und keinen Führerschein hatte. Laut Polizei entzog er sich durch Überfahren einer roten Ampel dem Versuch, ihn zu kontrollieren; ein Stau habe die zwanzigminütige Verfolgungsjagd beendet und eine Kontrolle ermöglicht.[1] Laut der Polizei hatte sich Nahel Merzouk geweigert, der Anordnung Folge zu leisten, innerhalb einer Straßenkontrolle anzuhalten (refus d’obtempérer). Er habe stattdessen in Richtung der Polizisten beschleunigt und sei dann im Rahmen der Notwehr von dem Polizisten erschossen worden. Videoaufnahmen einer Passantin, die in den Sozialen Medien veröffentlicht wurden, widersprechen dieser Darstellung: die beiden Polizisten hatten mit Merzouk gesprochen; dann fuhr Merzouk los; ein Polizist gab einen Schuss auf ihn ab; dieser traf seinen Brustkorb. Er starb kurz darauf.[1] Der Fall sorgt für große Aufregung und entfachte eine erneute Debatte über Polizeigewalt und Rassismus in der französischen Polizei. Seitdem kommt es in vielen Orten Frankreichs zu Protesten und Gewaltausbrüchen.

Nahel Merzouk

Nahel Merzouk war polizeibekannt, unter anderem wegen fünfmaligen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (seit 2021, zuletzt eine Woche vor seinem Tod). In seiner Gerichtsakte, die 15 Eintragungen bzw. Fälle umfasst, sind auch die Verwendung falscher Nummernschilder, das Fahren ohne Versicherung, der Verkauf und Konsum von Drogen[2][3] und Hehlerei dokumentiert.[4] Er war nicht vorbestraft,[5] hätte aber im September 2023 vor Gericht erscheinen müssen.[4]

Polizist

Der Polizist, der den tödlichen Schuss abgegeben hat, Florian M., war zum Zeitpunkt der Tat 38 Jahre alt und diente zuvor in Afghanistan. Er ist wegen vorsätzlicher Tötung angeklagt und wurde am 29. Juni 2023 in Untersuchungshaft genommen.

Hergang

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Nanterre bemerkten zwei Motorradfahrer der Polizei (Direction de l’ordre public et de la circulation (DOPC)) nach Übernahme ihrer Schicht einen Mercedes-Benz AMG der A-Klasse mit polnischem Kennzeichen, der mit hoher Geschwindigkeit auf der Busspur fuhr und von einer Person in offensichtlich jungem Alter gesteuert wurde. Die Motorradfahrer aktivierten ihre Sondersignalanlagen und forderten den Fahrer an einer roten Ampel auf, zu parken. Der Fahrer überfuhr dann die rote Ampel. Die Polizisten verfolgten das Auto und meldeten den Vorfall. Der Fahrer des Fahrzeugs beging mehrere Verkehrsverstöße, gefährdete einen Fußgänger und einen Radfahrer. Wegen eines Staus musste das Fahrzeug schließlich anhalten. Die abgestiegenen Polizisten befahlen dem Fahrer stehenzubleiben, richteten ihre Waffen auf ihn und forderten ihn auf, die Zündung auszuschalten.[6] Als er der polizeilichen Aufforderung nicht Folge leistete, sondern anfuhr, gab einer der beiden Polizisten einen tödlichen Schuss ab. Das Fahrzeug fuhr noch ein Stück weiter und kollidierte mit einem Stadtmöbel. Die hinten sitzende Person wurde beim Aussteigen aus dem Wagen festgenommen; der Beifahrer flüchtete. Der Polizist, der den Schuss abgegeben hatte, leistete dem Fahrer Erste Hilfe. Der Tod wurde um 9:15 Uhr festgestellt.[7]

Nach ersten Angaben der Polizei hatte ein Beamter einen Schuss abgegeben, während der junge Autofahrer auf ihn zugefahren war. Diese Version, die die Gewerkschaft Unité SGP Police-Force Ouvrière unter Berufung auf Notwehr übernommen hatte, wurde obsolet, nachdem ein Video in den sozialen Medien veröffentlicht wurde, das zeigt, dass die Beamten an der Fahrertür des Wagens lehnten, als dieses anfuhr und das Auto dabei gegen den Polizisten stieß.

Der den Schuss abgebende Polizist wurde in Untersuchungshaft genommen, mit dem Vorwurf, dass die Voraussetzungen für den Waffeneinsatz nicht erfüllt gewesen seien.[8]

Ausschreitungen

Brennender Pkw in Champigny-sur-Marne (30. Juni 2023)

Es kam noch am selben Tag zu gewalttätigen Ausschreitungen. Diese weiteten sich bald auf mehrere französische Städte und auch auf die belgische Hauptstadt Brüssel aus. Bei den Unruhen wurden bis Ende Juni 522 Polizisten verletzt und 875 Menschen festgenommen.[9] Daraufhin entschied die Regierung unter Präsident Emmanuel Macron, bis zu 45.000 zusätzliche Polizisten zu mobilisieren. Macron erklärte, dass der Schuss des Polizisten nicht zu erklären oder entschuldigen sei.[10] Von Seiten der Opposition wurde der Regierung vorgeworfen, zu schwach zu regieren, unter anderem da diese sich weigerte, einen Ausnahmezustand zu verhängen.[11] Die Großmutter des 17-Jährigen rief die Randalierenden zur Ruhe auf und sagte, sie nutzen Merzouk als Vorwand.[12]

Auch in der Nacht zum 1. Juli kam es erneut zu Gewalt, Bränden und Plünderungen; z. B. in Lyon, Marseille und Grenoble,[13] 1311 Menschen wurden festgenommen.[14] Dem französischen Innenministerium zufolge sind in jener Nacht 1350 Autos ausgebrannt und es habe 2650 Brände auf öffentlichen Straßen gegeben.[15] Jedoch nahmen nach der Beerdigung von Nahel Merzouk die Proteste ab.[16]

Zusätzlich zu den Hunderten von Verletzten starben bei den Unruhen zwei Menschen, ein unbeteiligter Mann durch einen Schuss, der aus den Reihen von Plünderern abgeben wurde, und ein Jugendlicher, der vom Dach eines Supermarktes stürzte.[17][18][19]

In der fünften Nacht von gewalttätigen Ausschreitungen vom 1. auf den 2. Juli kam es mit einem brennenden Auto zu einem Angriff auf das Haus des Bürgermeisters in L’Haÿ-les-Roses, Vincent Jeanbrun, wobei dessen Frau und seiner beiden Kinder auf der Flucht mit Feuerwerkskörpern angegriffen wurden. Seine Frau und eines seiner Kinder erlitten Verletzungen.[20][21] Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen Mordversuchs auf.[22] Außerdem wurde das Auto des Bürgermeisters in Brand gesteckt.[23]

Spendenaktionen

Nachdem für die Familie des Getöteten ein Spendenkonto eingerichtet wurde, richtete Jean Messiha, der Gründer des rechten Think Tanks Institut Apollon,[24] und Unterstützer des rechtsextremen Politikers Éric Zemmour (Reconquête), ein Spendenkonto für den tatverdächtigen Polizisten ein. Die gesellschaftskonservative Zeitung "Le Figaro" berichtete Messiha habe mit der Aktion in Konkurrenz zu dem Spendenaufruf treten zu wollen. Er prahle damit, mehr Geld erhalten zu haben als jene, die für die Mutter des getöteten Jungen sammelten.[12][25]

Commons: Tötung von Nahel Merzouk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Niklas Bender: Wie aber hältst du’s mit der Repression? (FAZ, online bei faz.net). Zitat: Bereits ein Dutzend Mal war er festgenommen worden, wegen Fahrens ohne Führerschein und Versicherung, Verwendens falscher Nummernschilder, Drogenbesitzes, Hehlerei und Widerstands gegen die Staatsgewalt – und gleich vier Mal wegen des Nichtbefolgens polizeilicher Anordnungen.
  2. INFO EUROPE 1 - Mort de Nahel: l'adolescent connu pour 15 mentions au fichier des antécédents judiciaires. 28. Juni 2023, abgerufen am 1. Juli 2023 (französisch).
  3. A Nanterre, un ado de 17 ans tué par la police lors d’un contrôle routier: ce que l’on sait des faits. 27. Juni 2023, abgerufen am 1. Juli 2023 (französisch). (ado ist eine Abkürzung für adolescent)
  4. a b Niklas Bender (FAZ): Wie aber hältst du’s mit der Repression? online bei faz.net (1. Juli 2023)
  5. France shooting: Who was Nahel M, shot by French police in Nanterre? In: BBC News. 29. Juni 2023 (bbc.com [abgerufen am 1. Juli 2023]).
  6. lefigaro.fr Mort de Nahel : le récit de la course-poursuite, minute par minute 29. Juni 2023
  7. Mort de Nahel: le procureur de Nanterre détaille le déroulé des faits. Abgerufen am 1. Juli 2023 (französisch).
  8. Mort de Nahel, 17 ans, à Nanterre : Ouverture d'une information judiciaire pour homicide volontaire, les conditions d'usage de l'arme du policier n'étaient "pas réunies" indique le procureur, L’Indépendant online, 29. Juni 2023.
  9. Emeutes en France: 875 interpellations, selon un nouveau bilan Emeutes en France: Emmanuel Macron reporte sa visite en Allemagne, prévue ce dimanche, CNews, 1. Juli 2023 (französisch)
  10. "Nicht zu erklären und nicht zu entschuldigen". In: tagesschau.de. 29. Juni 2023, abgerufen am 2. Juli 2023.
  11. Laura Kayali und Paul de Villepin: France braces for more violence with armored vehicles, extra cops deployed. Politico, 30. Juni 2023, abgerufen am 2. Juli 2023 (englisch).
  12. a b n-tv NACHRICHTEN: Franzosen überschütten Polizisten mit Geld. Abgerufen am 2. Juli 2023.
  13. Wieder Plünderungen und brennende Autos, tagesschau.de, 1. Juli 2023.
  14. Weitere Unruhen in Frankreich - Beerdigung am Nachmittag, stern.de, 1. Juli 2023.
  15. Bei Unruhen in Frankreich über 1300 Autos ausgebrannt, SWI swissinfo.ch, 1. Juli 2023.
  16. Benoit Van Overstraeten and Horaci Garcia: Sporadic violence, but calmer night in France after family buries teenager. Reuters, 15. April 2013, abgerufen am 2. Juli 2023 (englisch).
  17. Mort de Nahel: en Guyane, un homme décède en marge des émeutes, Huffington Post, 30. Juni 2023.
  18. Un jeune homme qui participait aux émeutes est mort, INFO RTL, 30. Juni 2023 (französisch)
  19. Emeutes dans les banlieues: le jeune homme blessé durant une attaque est décédé, Nice-Matin, 30. Juni 2023 (französisch)
  20. French PM slams 'particularly shocking' attack on mayor's home. In: France 24. 2. Juli 2023, abgerufen am 2. Juli 2023 (englisch).
  21. Paris riots: Suburban mayor's wife hurt as rioters attack their home. In: BBC News. 2. Juli 2023, abgerufen am 2. Juli 2023 (englisch).
  22. Frankreich: Randalierer attackieren Haus eines Kommunalpolitikers. In: deutschlandfunk.de. 2. Juli 2023, abgerufen am 3. Juli 2023.
  23. Krawalle in Frankreich - Haus eines Bürgermeisters angegriffen – Frau und Kind verletzt. In: srf.ch. 2. Juli 2023, abgerufen am 3. Juli 2023.
  24. Jean Messiha explique son départ de Reconquête : «Je reprends mes activtées intellectuelles à l'institut Apollon». In: CNews. 28. April 2022, abgerufen am 3. Juli 2023 (französisch).
  25. Mort de Nahel : une cagnotte de soutien au policier auteur du tir dépasse les 200.000 €, Le Figaro, 1. Juli 2023 (französisch)