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Messunsicherheit und Satzkunde: Unterschied zwischen den Seiten

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Der Begriff '''Satzkunde''' (syn. [[Satzlehre]]) bezeichnet:
Die '''Messunsicherheit''' des [[Schätzer|Schätzwertes]] oder ''[[Schätzer]]s'' einer [[Physikalische Größe|physikalischen Größe]] grenzt einen [[Wertebereich]] ein, innerhalb dessen der [[Wahrer Wert|wahre Wert]] der [[Messgröße]] liegen sollte. Das Ergebnis einer [[Messung]] ist erst durch Schätzer ''und'' Messunsicherheit definiert. Die Messunsicherheit ist positiv, sie wird ohne [[Vorzeichen]] angegeben. Messunsicherheiten sind selbst Schätzer.


* in der Grammatik die Lehre vom Aufbau korrekter Sätze, siehe [[Syntax]]
Die Messunsicherheit gibt eine Abschätzung der [[Messgenauigkeit]] eines [[Messwert]] zur Erstellung [[Messergebnis]]ses für eine bestimmte [[Messgröße]]. Sinn und Ziel des Schätzens von Messunsicherheites ist es, Intervalle festzulegen, die die wahren Werte der Messgrößen einschliessen oder "lokalisieren".
* in der Logik und Philosophie die Lehre von Aussagesätzen und deren Beziehung zueinander in Schlussregeln, siehe [[Aussagenlogik]]
* in der Musiktheorie die Lehre von den Regeln, denen ein musikalischer Satz zu gehorchen hat, siehe [[Tonsatz]]


==Begriff==
== Siehe auch ==
* [[Satz]]
In aller Regel legt die Messunsicherheit einen zum Schätzwert der Messgröße symmetrisch liegenden Wertebereich fest, wobei der Schätzwert von bekannten systematischen Fehlern befreit worden ist. (Bekannte systematische Messfehler sind nicht Gegenstand der Fehlerrechnung.) Das [[Messergebnis]] ist durch einen Ausdruck der Form
<center>


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Schätzwert <math>\pm</math> Messunsicherheit

</center>
gegeben. Der so definierte Bereich (das ''Intervall'') hat die Länge der doppelten Messunsicherheit.

Wo der wahre Wert innerhalb des so definierten Intervalls liegt, bleibt indessen unbekannt. <!--Der wahre Wert der Messgröße kann prinzipiell an jeder Stelle des so definierten Intervalls liegen, ist also keinesfalls etwa in der Intervallmitte zu suchen – dort liegt der Schätzwert des wahren Wertes.-->

==Ermitteln der Messunsicherheit==
Betrachten wir zunächst die praktischen Seite und fragen:

'''Wie schätze ich eine Messunsicherheit? '''

Im Bereich des gesetzlichen Messwesens und des Kalibrierdienstes wird empfohlen, Messunsicherheiten nach DIN (Leitfaden zur Angabe der Messunsicherheit beim Messen) festzulegen.

Die „klassische“ [[Fehlerrechnung|Gaußsche Fehlerrechnung]] behandelt ausschließlich [[Zufall|zufällige]] [[Messfehler]]. Indessen hatte schon [[Carl Friedrich Gauß]] auf die Existenz und Bedeutung so genannter [[unbekannte systematische Messfehler|unbekannter systematischer Messfehler]] hingewiesen. Das sind zeitkonstante, nach Betrag '''und''' Vorzeichen unbekannte Störgrößen, die in der Regel in einer mit den zufälligen Fehlern vergleichbaren Größenordnung liegen.- Störgrößen, die nach Betrag und Vorzeichen bekannt sind, sind nicht Gegenstand der Fehlerrechnung.

Der von der [[International Organization for Standardization|ISO]] international empfohlene „[[GUM (Norm)|Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement (GUM)]]“ (auf Deutsch etwa: ''Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit bei Messungen'') erweitert die klassische Gaußsche Fehlerrechnung durch Einbeziehen besagter "unbekannter systematischer Messfehler". GUM-Empfehlung und DIN-Norm stimmen inhaltlich überein.

Unabhängig davon und zeitgleich mit DIN/GUM ist ein alternatives Konzept zum Schätzen von Messunsicherheiten entwickelt worden, das unbekannte systematische Fehler so behandelt, wie sich physiklaisch darstellen, nämlich als zeitkonstante Störgrößen, was naturgemäß zu anderen Messunsicherheiten führt.

==Struktur der Messunsicherheit==
Nach DIN/GUM werden zeitkonstante unbekannte systematische Fehler mittels einer postulierten Rechteckdichte „randomisiert“, also formal den zufälligen Fehlern gleichgestellt. Im Sinne dieser Interpretation bleibt die Messunsicherheit ihrem Wesen nach eine [[Streuung]], die den wahren Wert der [[Messgröße]] mit einer gewissen [[Wahrscheinlichkeit]] einschließen sollte. Infolge der veränderten Fehlersituation (normalverteilte zufällige und „randomisierte“, z.B. rechteckverteilte systematische Fehler sind zu kombinieren) lässt sich diese Wahrscheinlichkeit allerdings nicht mehr spezifizieren, d.h. weder, wie klassischerweise üblich, mit Hilfe der [[Students t-Verteilung|Student'schen Dichte]] noch auf andere Weise (siehe [[#Beispiel|Beispiel]] unten).

Die zu DIN/GUM alternative Methode zum Schätzen von Messunsicherheiten weist unbekannten systematischen Messfehlern keine postulierte Verteilungsdichte zu. Folglich ist die Messunsicherheit keine [[Streuung]] mehr. Vielmehr setzt sie sich '''additiv''' aus zwei Komponenten zusammen, von denen die eine dem Einfluss zufälliger und die andere dem Einfluss unbekannter systematischer Messfehler Rechnung trägt.

Von der Messunsicherheit wird vor allem verlangt, dass sie <!--''sicher'' sei, d.&nbsp;h. --> den wahren Wert der Messgröße auch '''tatsächlich''' einschließe. DIN/GUM stellt der <math>1 \sigma</math>- Messunsicherheit, die, wie Rechnersimulationen zeigen, zu niedrig ausfällt, eine sogenannte erweiterte Messunsicherheit zur Seite. Da ein dem Student-Faktor äquivalenter Erweiterungsfaktor nicht existiert, multipliziert DIN/GUM die <math>1 \sigma</math>-Unsicherheit mit einem <!--[[ad hoc]] definierten --> Erweiterungsfaktor <math>k_P</math>. Es wird empfohlen, <math>k_P=2</math> zu setzen. Dieser Faktor ist letztlich aus praxisorientierten Überlegungen hervorgegangen, dennoch kann der Experimentator nicht sicher sein, ob so definierte Unsicherheitsintervalle die wahren Werte der Messgrößen tatsächlich lokalisieren.

Die alternative Methode trägt dem Einfluss unbekannter systematischer Fehler mittels worst-case Abschätzungen Rechnung und ist so in der Lage, die kleinstmöglichen Messunsicherheiten festzulegen, die den wahren Wert der Messgröße "quasi sicher" lokalisieren. (Der Begriff "quasi sicher" wird im Rahmen des Beispiels, unten, erläutert.)

So festgelegten Messunsicherheiten unterscheiden sich in der Regel nicht allzusehr von den erweiterten Messunsicherheiten nach DIN/GUM. Probleme könnte es allerdings bei Messungen höchster Präzision geben, wie bei der Festgelegung der Fundamentalkonstanten der Physik.
Davon unabhängig ist festzustellen, dass die alternative Methode konzeptionell einfacher und übersichtlicher ist, was naturgemäß daran liegt, dass sie auf weniger Voraussetzungen beruht. Konsequenterweise sind ihre Messunsicherheiten robuster.

Beide Vorgehensweisen setzen [[Drift#Physik.2C_Elektrotechnik_und_Telekommunikation|driftfrei]] und ''statistisch stationär'' arbeitende Messapparaturen und zumindest approximativ [[Normalverteilung|normalverteilt]]e zufällige Messfehler voraus.

==Beispiel==
In Frage stehe die Unsicherheit des arithmetischen Mittels aus <math>n</math>
Wiederholungsmessungen <math>x_1</math>, <math>x_2</math>, <math>\ldots</math>, <math>x_n</math>.

Den Messwerten liege das [[Fehlermodell]]
<center>
<math>x_l=x_0+\varepsilon_l+f ;\quad l=1,2,\ldots,n</math>
</center>
zugrunde; <math>x_0</math> bezeichnet den wahren Wert der Messgröße,
<math>\varepsilon_l</math> den zufälligen Messfehler und <math>f</math> den unbekannten systematischen Messfehler. Die zufälligen Fehler sollen normalverteilt sein, der unbekannte systematische Fehler liege im Intervall <math>-f_s \leq f \leq f_s</math>.

Der am häufigsten verwendete Schätzwert des unbekannten wahren Wertes <math>x_0</math> ist das arithmetische Mittel
<center>
<math>\bar{x}=\frac{1}{n}\sum\limits_{l=1}^nx_l</math>
</center>
Die empirische [[Varianz]] der <math>n</math> Wiederholungsmessungen
<center>
<math>s^2=\frac{1}{n-1}\sum\limits_{l=1}^n(x_l-\bar{x})^2</math>
</center>
beschreibt allein die statistische Streuung der Messdaten - der systematische Fehler <math>f</math> hebt sich aus der Differenz <math>x_l-\bar{x} </math> heraus.

Nach dem GUM ist das Messergebnis
<center>
<math>\bar{x}\pm u_{\bar{x}};\quad u_{\bar{x}}=k_p
\sqrt{\frac{s^2}{n}+\frac{f_s^2}{3}}</math>;
</center>
hierin ist <math>u_{\bar{x}}</math> die Messunsicherheit. Der Erweiterungsfaktor <math>k_P</math> geht aus der [[Faltung (Mathematik)|Faltung]] der Normalverteilung mit der Rechteckverteilung hervor. Da die Parameter der Normalverteilung nicht bekannt sind, ist die Faltung praktisch nicht durchführbar.
Dennoch läßt sich festhalten, dass <math>k_P=1</math> in aller Regel zu niedrige Messunsicherheiten liefert, während <math>k_P=2</math> zumindest im Rahmen elementarer Fehlerverknüpfungen in der Regel ein ausreichendes Maß an Messsicherheit zur Verfügung stellen wird. Allerdings kann die Metrologie mehr verlangen als diese im Grenzbereich des qualitativen Schließens liegenden Aussagen - insbesondere, wenn es um Messungen höchster Genauigkeit geht.

Die alternative Vorgehensweise liefert
<center>
<math>\bar{x}\pm u_{\bar{x}}; \quad
u_{\bar{x}}=\frac{t_P}{\sqrt{n}}\;s_x+f_{s}</math>.
</center>
Hierin ist <math>t_P</math> der Student-Faktor, bezogen auf die Wahrscheinlichkeit <math>P</math>. Diese letztere Wahrscheinlichkeitsaussage gilt indessen ''nicht'' für die Unsicherheit <math>u_{\bar{x}}</math>.

Wie das Einsetzen der Fehlergleichung in das arithmetische Mittel zeigt,
<center>
<math>\bar{x}=x_0+\frac{1}{n}\sum\limits_{l=1}^n \varepsilon_l +f</math>,
</center>
streut das Mittel <math>\bar{x}</math> um einen Wert, der gegenüber dem wahren Wert <math>x_0</math> um den systematischen Fehler <math>f</math>. verschoben ist, nämlich um den Erwartungswert
<center>
<math>x_0+f</math>.
</center>
Die Unsicherheitskomponente
<center>
<math>\pm \frac{t_P}{\sqrt{n}}\;s_x</math>
</center>
bringt nichts Anderes zum Ausdruck als das klassische Student'sche Konfidenzintervall. Zu berücksichtigen ist aber weiterhin der
durch systematische Fehler bedingte Unsicherheitsanteil. Da nicht bekannt ist, wo <math>f</math> im Intervall <math>-f_s \leq f \leq f_s</math> liegt, wird <math>f</math> durch <math>f_s</math> geschätzt, also im Sinne des ungünstigsten Falles (worst-case). Das <math>\pm</math> Vorzeichen von <math>u_{\bar{x}}</math> sorgt dafür, dass letztlich beide Intervallgrenzen <math>\pm f_s</math> zum Tragen kommen. Bei Hinzunahme der rein empirischen Beobachtung, dass experimentelle Daten im allgemeinen jedenfalls nicht so stark streuen, wie nach der Normalverteilung eigentlich zulässig, kommt der Urheber der GUM-alternativen Methode zur Aussage, die Messunsicherheit schließe den wahren Wert „quasi-sicher“ oder „fast sicher“ ein - obwohl Rechnersimulationen durchaus Nichtlokalisierungen zeigen.

Nach allem unterscheiden sich die miteinander konkurrierend Modelle durch ihren Anspruch, die wahren Wert der Messgröße lokalisieren zu wollen. Während DIN/GUM jedenfalls primär die wahren Werte der Messgrößen nicht lokalisieren will, erklärt das alternative die Lokalisierung wahrer Werte als a priori vorrangig. Entsprechned dieser differierenden Prämisse ist das Literaturverzeichnins in zwei Gruppen gegliedert worden.


==Siehe auch==
[[Fehler]], [[Fehlerrechnung]], [[Messfehler]], [[Messgerätefehler]]

== Literatur ==

Ansatz, der primär die wahren Werte der Messgrössen nicht lokalisieren will:

* [[DIN]] 1319, Beuth-Verlag
* DIN, Dt. Institut für Normung e.V. (Hrsg.): ''Leitfaden zur Angabe der Messunsicherheit beim Messen.'' 1. Auflage. Beuth Verlag GmbH, Berlin 1995, ISBN 3-410-13405-0
* DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: Vornorm DIN V ENV 13005 "Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen; Deutsche Fassung ENV 13005:1999", Ausgabe: 1999-06
* Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement, ISO, International Organization for
Standardization
* Weise, Klaus ; Wöger, Wolfgang: Meßunsicherheit und Meßdatenauswertung. Weinheim: Wiley-VCH 1999. ISBN 3-527-29610-7


Ansatz, der primär die wahren Werte der Messgrössen lokalisieren will:

* Grabe M.:tm Technisches Messen(1) Gedanken zur Revision der Fehlerrechnung '''67''' (2000) 283-288
* Grabe,M.: Neue Formalismen zum Schätzen von Meßunsicherheiten - Ein Beitrag zum Verknüpfen und
Fortpflanzen von Meßfehlern '''69''' (2002) 142-150
*Grabe, M.: Neue Formalismen zum Schätzen von Meßunsicherheiten - Ausgleoich nach kleinsten Quadraten '''9''' (2005) 531-540
* Grabe, M.: Measurement Uncertainties in Science and Technology, Springer <!--April--> 2005. ISBN 3-540-20944-1



== Weblinks ==
* http://www.uncertainty.de Homepage Dr. Michael Grabe
* [http://physics.nist.gov/Pubs/guidelines/contents.html ''Guidelines for Evaluating and Expressing the Uncertainty of NIST Measurement Results'' (GUM), Ausgabe von 1994, englisch]
*[http://www.iqo.uni-hannover.de/ap/versuche/regeln/2_Fehlerrechnung.pdf Uni Hannover: Messungen und Messabweichungen]

[[Kategorie:Messtechnik]]

Version vom 15. Juli 2006, 11:02 Uhr

Der Begriff Satzkunde (syn. Satzlehre) bezeichnet:

  • in der Grammatik die Lehre vom Aufbau korrekter Sätze, siehe Syntax
  • in der Logik und Philosophie die Lehre von Aussagesätzen und deren Beziehung zueinander in Schlussregeln, siehe Aussagenlogik
  • in der Musiktheorie die Lehre von den Regeln, denen ein musikalischer Satz zu gehorchen hat, siehe Tonsatz

Siehe auch

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