Traditionelle Wirtschaftsform und Aerotoxisches Syndrom: Unterschied zwischen den Seiten
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Unter dem Begriff '''aerotoxisches Syndrom''' werden mögliche Gesundheitsschädigungen diskutiert, die durch Verunreinigung der Atemluft in der Kabine von [[Passagierflugzeug]]en ausgelöst werden können. Dabei werden hauptsächlich Probleme in der [[Zapfluft]]-Anlage als mögliche Ursache von Verunreinigungen der Atemluft genannt.<ref> {{Webarchiv|text=Archivlink |url=http://www.aerotoxic.org/ueber-das-aerotoxische-syndrom |wayback=20110925042409}}</ref> Airlines und Flugzeughersteller sowie Behörden sprechen inzwischen von sogenannten „Fume Events“ oder auch „Smell-Events“. Maßgeblich ist jedoch, dass nicht bei jedem solcher Vorfälle unbedingt auch sichtbarer Dunst oder Rauch in Cockpit und Flugzeugkabine auftreten muss. |
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[[Datei:The Teff Harvest, Northern Ethiopia (3131617016).jpg|mini|hochkant=1.3|[[Teff]]hirse-Ernte in Nord-Äthiopien. Die Bewohner dieser trockenen Region sind traditionelle [[Agropastoralismus|Agropastoralisten]], d. h. sie leben von Viehhaltung und Feldbau und verlegen regelmäßig ihren Wohnsitz, wenn die landwirtschaftlichen Flächen keinen Ertrag mehr abwerfen.]] |
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[[Datei:Verteilung der Weltbevölkerung nach Subsistenztätigkeit.png|mini|hochkant=1.3|Geschichtlicher Wandel der Anteile verschiedener Subsistenzweisen an der Weltwirtschaft.]] |
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Das aerotoxische Syndrom gilt als relativ unerforschtes Krankheitsbild, das gegenwärtig noch untersucht wird, obwohl es schon seit dem Ende der 1950er-Jahre bekannt ist.<ref name="welt-6055457">{{Internetquelle | url=http://www.welt.de/wissenschaft/article6055457/Gefaehrliche-Giftschwaden-in-Passagier-Flugzeugen.html | titel=Aerotoxisches Syndrom: Gefährliche Giftschwaden in Passagier-Flugzeugen | autor=Tim van Beveren | werk=[[Die Welt#Online-Ausgabe|welt.de]] | datum=2010-02-01 |zugriff=2018-10-07}}</ref> |
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Als '''traditionelle Wirtschaftsform''' (konkret ''Landwirtschaftsform'') werden verschiedene überlieferte, [[Tradition|tradierte]] [[Wirtschaft#Wirtschaftsformen|wirtschaftliche Strategien]] zur Sicherstellung des [[Lebensunterhalt]]s ihrer Betreiber bezeichnet.<ref name="von Hahn 5–18">Anja von Hahn: ''Traditionelles Wissen indigener und lokaler Gemeinschaften zwischen geistigen Eigentumsrechten und der public domain.'' [[Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht]], Springer, Heidelberg u. a. 2004, ISBN 3-540-22319-3, S. 5–18.</ref><ref>Rudolf Lütgens, Erich Otremba, Edwin Fels: ''Erde und Weltwirtschaft, ein Handbuch der allgemeinen Wirtschaftsgeographie: Die geographischen Grundlagen und Probleme des Wirtschaftslebens. Band 1'' Franckh, Stuttgart 1950. S. 196–208.</ref> Übliche Bezeichnungen sind auch '''traditionelle Bewirtschaftungsform, -Wirtschaftsweise, -Subsistenzstrategie''' oder '''traditionelles landwirtschaftliches Betriebssystem'''.<ref name="Payer">Margarete Payer, Alois Payer (Hrsg.): ''Entwicklungsländerstudien. Teil I: Grundgegebenheiten.'' Kapitel 6: ''Landwirtschaftliche Betriebssysteme.'' HBI Stuttgart, 1998–1999, Fassung vom 7. Februar 2001 (Lehrveranstaltung ''Einführung in Entwicklungsländerstudien;'' [http://www.payer.de/entwicklung/entw06.htm online] auf payer.de).</ref> Die genannten Bezeichnungen werden in den Fächern [[Geographie]], [[Ethnologie]], [[Kulturökologie]], sowie in der [[Archäologie]]<ref name="Biermann 137 ff">Eric Biermann: ''Alt- und Mittelneolithikum in Mitteleuropa. Untersuchungen zur Verbreitung verschiedener Artefakt- und Materialgruppen und zu Hinweisen auf regionale Tradierungen.'' Köln 2001–2003, S. 137 ff ([http://www.rheinland-archäologie.de/biermann2001_2003.pdf PDF-Datei; 11 MB; 683 Seiten] auf rheinland-archäologie.de).</ref> verwendet. |
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Der Begriff stammt aus dem Jahr 1999 und wurde von dem US-amerikanischen Luftfahrtmediziner [[Harry Hoffman]] († 2004), dem australischen Toxikologen [[Chris Winder]] († 2014) und dem französischen Forensiker [[Jean Christophe Balouet]] eingeführt. |
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== Symptomatik == |
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Die jeweilige Bewirtschaftungsform ist gekennzeichnet durch [[Arbeit (Philosophie)|Arbeit]] in ''direkter'' Auseinandersetzung der Menschen mit ihrer [[Natur|natürlichen]] [[Umwelt]] (wovon leben sie?), verbunden mit einer typischen [[Produktion]] von [[Gut (Wirtschaftswissenschaft)|Gütern]] (was stellen sie her?) unter Einbeziehung der [[Sozialstruktur|sozialen Bedingungen]] (wer macht was?) und einer [[Wirkungsgrad|energieeffizienten]] und [[Nachhaltigkeit|nachhaltigen]] Anpassung an die natürliche Umwelt (wie wird die Versorgung sichergestellt?).<ref>[http://www.uni-kassel.de/fb05/fachgruppen/politikwissenschaft/didaktik-der-politischen-bildung-powi/mitarbeiterinnen/dr-dieter-gawora/forschung/forschungsgruppe-traditionelle-voelker-und-gemeinschaften.html ''Dieter Gawora: Forschungsgruppe traditionelle Völker und Gemeinschaften'']. Website der Universität Kassel, FB05 Gesellschaftswissenschaften. Abgerufen am 15. Juni 2013</ref><ref name="von Hahn 47–56">Anja von Hahn: ''Traditionelles Wissen indigener und lokaler Gemeinschaften zwischen geistigen Eigentumsrechten und der public domain.'' Springer, Heidelberg u. a. 2004, ISBN 3-540-22319-3, S. 47–56.</ref> |
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Unter dem Begriff „aerotoxisches Syndrom“ wird eine Reihe von Symptomen zusammengefasst, die bei Betroffenen nach einem sogenannten „Fume Event“ auftreten und klinisch nachweisbar sind. Dazu gehören: Schleimhautreizung, [[Dyspnoe|Atemnot]], [[Herzrhythmusstörung]]en, [[Kopfschmerz]]en, Bauchkrämpfe, [[Myasthenie|Muskelschwäche]], grippeähnliche Symptome, Panikattacken, Störungen des Gleichgewichts und des Ganges, Kribbeln und Taubheitsgefühl. Diese Symptome können, müssen aber nicht sofort eintreten. Sie können sich auch über Tage und Wochen entwickeln oder ganz ausbleiben<ref> {{Webarchiv|text=Archivlink |url=https://www.ufo-online.aero/news/371-der-ufo-smell-event-guide |wayback=20160102024223 }}</ref>. Als offizielles Krankheitsbild ist es bisher nicht anerkannt. Hervorgerufen werden soll es durch die Aufnahme durch Einatmung und über die Haut von erhitzten ([[Pyrolyse|pyrolysierten]]) Stoffen aus den Schmiermitteln und Hydraulikflüssigkeiten, die in der Luftfahrt verwendet werden. |
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== Hintergrund == |
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Traditionelles Wirtschaften ist das Gegenstück zur [[Erwerbswirtschaft]] und vorwiegend auf die [[Selbstversorgung]] von [[Lokale Gemeinschaften|lokalen Gemeinschaften]] und [[Indigene Völker|indigenen Gruppen]] ausgerichtet.<ref name="von Hahn 20–33">Anja von Hahn: ''Traditionelles Wissen indigener und lokaler Gemeinschaften zwischen geistigen Eigentumsrechten und der public domain.'' Springer, Heidelberg u. a. 2004, ISBN 3-540-22319-3, 20–33.</ref> Es ernährte im Jahre 2013 etwa 2,7 bis 3 Milliarden Menschen auf der Erde, über 40 Prozent der Weltbevölkerung.<ref group="D">Berechnungsergebnis</ref> |
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Nahezu alle Verkehrsflugzeuge beziehen die Frischluft für die Kabine mittels einer Zapfluftanlage aus dem [[Verdichter#Turboverdichter|Verdichter]] des [[Turbofan|Triebwerkes]]. Zunächst wurde angenommen, dass nur bei fehlerhafter Abdichtung der Lager im Verdichter Ölpartikel pyrolysiert und dann als Dämpfe in den Luftstrom des Triebwerks und von dort über die Zapfluftanlage in die Kabinenluft gelangen können. Inzwischen erkennen jedoch auch Triebwerkshersteller an, dass es kein komplett öldichtes Triebwerk gibt<ref>{{Webarchiv|url=http://www.vcockpit.de/de/recycled/vc-magazin-auszuege/details/news/aktueller-stand-zur-cabin-air-quality.html |wayback=20160102023050 |text=Aktueller Stand zur Cabin Air Quality}}</ref>. Insbesondere bei Lastwechseln kann Öl aus den Dichtungen im Inneren des Triebwerkes austreten und erhitzt sich im heißen Luftstrom (Pyrolyse)<ref>{{Webarchiv|url=http://www.vcockpit.de/themen-und-positionen/flugsicherheit/safesky-2016/kontaminierte-kabinenluft.html |wayback=20160102023052 |text=Kontaminierte Kabinenluft}}</ref>. Nach Ansicht des britischen Luftfahrtingenieurs Graeme Davidson wird der Austritt von geringen Ölmengen auch dadurch begünstigt, dass Triebwerke heute in der Regel länger zwischen den Wartungsintervallen betrieben werden, als es beispielsweise noch in den 80er Jahren der Fall gewesen ist. Dieses Vorgehen wird seitens der Aufsichtsbehörden geduldet, solange die Triebwerke konstant „monitored“, also die Leistungsdaten überwacht werden. |
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=== Triebwerksöle === |
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Die Bezeichnungen ''[[Subsistenz#Subsistenzstrategie|Subsistenzstrategie, -typ oder -form]]'' (oft auch ohne das [[Adjektiv]] ''traditionell'') werden in der Ethnologie häufig gleichbedeutend verwendet, obwohl damit streng genommen nur der Teilaspekt des ''reinen [[Unterhalt]]s'' benannt wird.<ref name="Hirschberg 360–361">[[Walter Hirschberg]] (Hrsg.): ''Wörterbuch der Völkerkunde.'' Neuausgabe, 2. Auflage. Reimer, Berlin 2005, ISBN 3-496-02650-2, S. 360–361.</ref> |
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Die Triebwerke werden mit einem speziellen [[Öl]] geschmiert, aus dem jedoch, wenn es erhitzt wird, hochgiftige bis nervenschädigende Dämpfe entstehen, die unter Umständen ungefiltert in die Atemluft der Passagierkabine gelangen können. Diese enthalten Stoffe wie [[Phenyl]]-[[Naphthylamin]]e und [[Phosphorsäureester|Organophosphate]], darunter [[Trikresylphosphate|Trikresylphosphat]] (TKP, engl: TCP), die von mehreren [[Toxikologe]]n als hochgefährlich eingestuft wurden.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.wdr.de/tv/markt/sendungsbeitraege/2010/0329/00_aerotoxic.jsp | wayback=20110511193004 | text=Airlines: Gift im Flieger?}}</ref><ref> {{Webarchiv|text=Über das Aerotoxische Syndrom |url=http://www.aerotoxic.org/index.php/ueber-das-aerotoxische-syndrom |wayback=20100818170751}}</ref> Bei einer Untersuchung von im Jahr 2008 heimlich genommenen Proben in Maschinen diverser Fluggesellschaften (überwiegend deutsche Firmen) konnten in 90 Prozent der Proben Rückstände von Trikresylphosphat nachgewiesen werden. Der höchste Wert von 154,9 Mikrogramm Trikresylphosphat wurde auf einer Fläche von 2×2 cm in einer Maschine vom Typ [[Boeing 757]] der [[Condor Flugdienst|Condor]] gemessen. Auch in anderen Maschinen, etwa vom Typ [[BAe 146]] bzw. Avro RJ und Airbus, wurden erhöhte Rückstände von TCP in der Kabine registriert.<ref>''[http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/121/1612179.pdf Kontaminierte Kabinenluft an Bord von Verkehrsflugzeugen (PDF; 63 kB).]'' Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Winfried Hermann, Peter Hettlich, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/12023, 5. März 2009.</ref> Doch nach Ansicht führender Wissenschaftler, wie dem US-amerikanischen Pharmakologen und Neurobiologen Professor Dr. Mohamed B. Abou-Donia ist nicht das TKP, bzw. sein als toxisch bekannter Bestandteil Triorthokresylphosphat (ToKP) ursächlich für die Symptome und Erkrankungen. Vielmehr geht der Wissenschaftler davon aus, dass erst der chemische „Cocktail“ der verschiedenen erhitzten und so veränderten Stoffe zu Schädigungen am menschlichen Organismus führt<ref>https://dibs.duke.edu/scholars/mohamed-abou-donia</ref>. Abou-Donia bezieht sich bei seinen Forschungen zum aerotoxischen Syndrom auch auf die Erkenntnisse, die er und seine Kollegen seinerzeit im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums hinsichtlich der inzwischen als [[Golfkriegssyndrom]] anerkannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei amerikanischen und britischen Kriegsveteranen gewonnen haben. Die Soldaten waren vor ihrem Einsatz im Irak 1991 mit einer Vielzahl von Chemikalien und Präparaten „präventiv“ behandelt worden, darunter auch Organophosphaten. Damals wurde festgestellt, dass, obwohl die einzelnen Stoffe als unbedenklich angesehen wurden, die Verabreichung in Kombination mehrerer dieser Substanzen und darunter auch Organophosphaten sogar zum Tod der Versuchstiere im Labor führen konnte<ref>Mohamed B. Abou-Donia, Kenneth R. Wilmarth: Neurotoxicity resulting from coexposure to pyridostigmine bromide, deet, and permethrin: Implications of gulf war chemical exposures. In: J. Toxicol. Environ. Health. 1996; 48, S. 35–56.</ref>. |
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Laut einer im März 2017 veröffentlichte Studie der [[Europäische Agentur für Flugsicherheit|EASA]] enthalten die zwei darin analysierten neuen Öle und gebrauchten Öle TCP, allerdings wurden keine giftigen Orthotrikresylphosphat-Isomere nachgewiesen. Laut der Studie sind in den Ölen nach der Pyrolyse neuroaktive Substanzen vorhanden, jedoch in einer so geringen Konzentration, dass sie in einer gesunden Lunge keinen Schaden anrichten können. Bei einer zweiten Studie wurde bei 69 Linienflügen mit acht unterschiedlichen Flugzeug- und Triebwerksmustern zwar vereinzelt Kleinstmengen von Trikresylphosphat-Konzentrationen im Nanogrammbereich pro Kubikmeter gemessen, jedoch niemals Orthotrikresylphosphate. Dabei ergaben die Luftmessungen im Dreamliner (bei der [[Boeing 787]] wird auf die Verwendung von Zapfluft verzichtet) überraschenderweise eine ähnliche Schadstoffkonzentration (inkl. TCP) in der Kabine wie in den anderen Flugzeugmustern. Die gemessene Kabinenluftqualität war ähnlich oder besser als die in normalen Innenräumen, wie z. B. in Büros oder Schulen.<ref name="bdl.aero">Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft : {{Webarchiv|url=https://www.bdl.aero/download/2498/bdl-sachstandsbericht-zum-thema-kabinenluft-stand-marz-2017.pdf |wayback=20170805142857 |text=Sachstandsbericht: Qualität der Kabinenluft in Verkehrsflugzeugen{{!}} März 2017 |archiv-bot=2019-03-09 06:51:29 InternetArchiveBot }}, abgerufen am 5. August 2017</ref> |
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''Bisweilen werden auch traditionelle Handwerker oder Kaufleute hinzugerechnet,<ref name="Hirschberg 285">[[Walter Hirschberg]] (Hrsg.): ''Wörterbuch der Völkerkunde.'' Neuausgabe, 2. Auflage. Reimer, Berlin 2005, ISBN 3-496-02650-2, S. 285.</ref> die hier jedoch unberücksichtigt bleiben.'' |
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=== Bluttest (aka „Nebraska-Test“) === |
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== Allgemeine Merkmale == |
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Geringe Mengen von TKP konnten auch im Blut von Passagieren über ein Abbauprodukt nachgewiesen werden.<ref>http://www.aero.de/news/Forscher-weisen-Nervengift-TCP-bei-Flugpassagieren-nach.html ''Kabinenluft, Forscher weisen Nervengift TCP bei Flugpassagieren nach'', in aero.de, Datum: 19. September 2011, Abgerufen: 5. Oktober 2011</ref> Dieser Test, der seinerzeit in ein Forschungsprojekt der [[University of Nebraska|Universität Nebraska]] eingebunden war, wird seit 2013 nicht mehr angeboten. |
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[[Datei:Rice plantation in Java.jpg|mini|Nassreis-Anbau (hier auf Java) ist familiär organisiert, dient der Selbstversorgung und hat eine sehr alte Tradition. Er wird jedoch höchst intensiv betrieben und liegt in sehr dicht besiedelten Gebieten. Es ist daher strittig, ob er zu den traditionellen Wirtschaftsformen gerechnet werden sollte.]] |
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=== Andere gesundheitsbeeinträchtigende Stoffe === |
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Traditionelle Wirtschaftsformen weisen aufgrund der geographischen und klimatischen Unterschiede auf der Welt eine große Vielfalt auf. Dennoch lassen sich eine Reihe gemeinsamer Merkmale feststellen:<ref name="von Hahn 5–18" /> |
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Eine Untersuchung mittels Urinproben von 332 Flugbegleitern und Piloten, die im Auftrag des [[Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung|Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung]] am IPA Institut in Bochum durchgeführt wurde, fand keine Abbausstoffe des als toxisch angesehenen ToKP. Daraus wurde geschlussfolgert, dass die berichteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht von ToKP ausgelöst werden könnten. Allerdings hat der Würzburger Toxikologe [[Dietrich Henschler]] bereits in seinen Studien zu Trikresylphosphat Ende der 1950er Jahre nachgewiesen, dass bei einer Reduktion des giftigen Ortho-Gehalts von TKP die Toxizität der Di- und Mono-ortho-Isomere des TKP um das 5- bis 10-fache ansteigen können<ref>https://www.researchgate.net/publication/36201353_Die_Trikresylphosphatvergiftung_experimentelle_Klarung_von_Problemen_der_Atiologie_und_Pathogenese</ref>. Ungeachtet dessen war aber bemerkenswert, dass in allen genommenen Urinproben signifikant erhöhte [[Metabolit]]<nowiki/>konzentrationen für die Organophosphate TBP ([[Tributylphosphat]]), TCEP ([[Tris(2-chlorethyl)phosphat]]) und TPP ([[Triphenylphosphat]]) im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung festgestellt wurden<ref>[http://bleedfree.eu/wp-content/uploads/2016/01/BG-Verkehr-040613_abstract.pdf T. Weiß, B.Schindler, A.Schütze, H.C. Broding, J.Bünger, C.Felten, J.Hedtmann, T.Brüning in Abstract Branchenkonferenz „Luftqualität in Verkehrsflugzeugen“, Hamburg 4. Juni 2013]</ref>. Als „fragwürdig“ diskutiert wird daher in der Fachwelt auch die Schlussfolgerung der Autoren dieser Studie, die im Auftrag und unter Beteiligung der [[Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft|Berufsgenossenschaft Verkehr]] durchgeführt wurde. Ausweislich der hierzu herangezogenen Methodik<ref>B. Schindler: „Erarbeitung und Anwendung einer analytischen Methode zur Bestimmung der Metabolite von Flammschutzmitteln auf der Basis von Phosphorsäuretriestern in menschlichen Körperflüssigkeiten“, Dissertation, Universität Erlangen-Nürnberg, 2009</ref> war es damit gar nicht möglich zu bestimmen, „ob die beiden Isomere des Kresylphosphates aufgenommen, metabolisiert und mit dem Urin ausgeschieden werden“..."Möglicherweise vorhandene Konzentrationen liegen unterhalb der [[Nachweisgrenze]] von 1,0 μg/l und sind deshalb mit der vorliegenden Methode nicht zu erfassen"<ref>vgl. S. 99, B. Schindler: „Erarbeitung und Anwendung einer analytischen Methode zur Bestimmung der Metabolite von Flammschutzmitteln auf der Basis von Phosphorsäuretriestern in menschlichen Körperflüssigkeiten“, Dissertation, Universität Erlangen-Nürnberg, 2009</ref>. |
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* Ursprüngliche [[Kreislaufwirtschaft]]en mit ausgeglichenem Energieeinsatz und Energieertrag ''(siehe auch: [[Energiefluss]])''<ref>Christian Lauk: ''Sozial-Ökologische Charakteristika von Agrarsystemen. Ein globaler Überblick und Vergleich.'' In: ''Social Ecology Working Paper 78.'' Institute of Social Ecology, Wien 2005. {{ISSN|1726-3816}}. S. 24.</ref> |
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* Schwerpunkt ist die Deckung des Eigenbedarfes ''ohne Überschüsse'' ([[Subsistenzwirtschaft]]), die ebenfalls ein wesentliches Kriterium für die Einstufung einer ''lokalen Gemeinschaft'' ist |
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* wirtschaftliches Handeln ist weitgehend ein Aspekt verwandtschaftlichen Verhaltens und steht damit im krassen Gegensatz zum Gewinnstreben in [[Kapitalismus|kapitalistischen]] [[Marktwirtschaft]]en;<ref name="Halperin">[[Marshall Sahlins]], zitiert bei Rhoda H. Halperin: ''Cultural Economies Past and Present.'' University of Texas Press, Austin 1994, S. 259 (englisch).</ref> dennoch ist eine zunehmend marktorientierte Produktion durch die globalen Einflüsse zu beobachten |
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* Die Bewahrung der Balance zwischen Mensch und Natur spielt eine existentielle Rolle. [[Mythologie]] und [[ethnische Religion]]en spielen – sofern noch vorhanden – in diesem Zusammenhang die Rolle moralischer Instanzen.<ref name="Müller: Schamanismus, S. 11–14, 16–17, 111, 114">Klaus E. Müller: ''Schamanismus. Heiler, Geister, Rituale.'' 4. Auflage, C. H. Beck, München 2010 (Originalausgabe 1997), ISBN 978-3-406-41872-3. S. 11–14, 16–17, 111, 114.</ref> |
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* langsame, nachhaltige und kontinuierliche Anpassung der [[Landnutzung]] an die jeweiligen Standortbedingungen seit Jahrhunderten |
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* Einsatz eines erprobten und gewachsenen [[Traditionelles Wissen|traditionellen Wissens]] |
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* zusätzliche Nutzung ''wilder'' Pflanzen- und Tierarten für die Ernährung, als Medizin, als Rohstoff oder zur Weiterzüchtung domestizierter Arten |
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* große Anzahl nebeneinander eingesetzter, seit Generationen kultivierter und verbesserter traditioneller Pflanzensorten bzw. Nutztier-Rassen |
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* unter der Voraussetzung geringer Bevölkerungsdichten (deutlich unter 100 E/km²) erhalten oder vergrößern die ''[[Extensive Landnutzung|extensiven]] Formen'' traditionellen Wirtschaftens die biologische Vielfalt ([[Biodiversität]])<ref>Erle C. Ellis, [[Navin Ramankutty]]: ''Putting People in the Map. Anthropogenic Biomes of the World.'' In: ''Front Ecological Environment.'' Band 6, Nr. 8, [[Ecological Society of America]], Washington 2008, S. 439–447. (englisch; {{DOI|10.1890/070062}}; [http://ecotope.org/people/ellis/papers/ellis_2008.pdf PDF-Datei; 4 MB; 17 Seiten] auf ecotope.org).</ref><ref name="von Hahn 47–56" /><ref>Reinhard Piechocki: ''Landschaft – Heimat – Wildnis.'' München 2010, ISBN 978-3-406-54152-0, S. ??.<!--SEITE?--></ref> |
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=== Filter === |
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== Gleichwertige Wirtschaftsformen == |
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Filtersysteme für die Reinigung der Kabinenluft sind zwar inzwischen entwickelt und auch behördlich zugelassen<ref>http://bleedfree.eu/wp-content/uploads/2015/10/B757-air-filter-EASA-STC.pdf</ref>, kommen aber in Passagiermaschinen in der Regel nicht zum Einsatz. Derzeit ist ein solches System nur auf Maschinen des Typs BAe 146/Avro Regional Jet bei der [[Swiss]] und auf der Boeing 757 des Frachtunternehmens [[DHL Aviation|DHL]] im Einsatz. Bei größeren Maschinen gibt es offenbar Probleme mit der benötigten Luftdurchsatzmenge in der Passagierkabine. |
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[[Datei:Sámi Frau.JPG|mini|Die erheblichen Leistungen traditioneller Subsistenzwirtschaften finden keinen Eingang in die globalen Wirtschaftsstatistiken, so dass ein verfälschtes Bild entsteht]] |
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== Forensisch-pathologische Untersuchungen an verstorbenen Besatzungsmitgliedern == |
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In der modernen wissenschaftlichen Betrachtung wird jedwede wirtschaftliche Strategie prinzipiell als gleichwertig betrachtet. Dennoch stößt man immer wieder auf Texte, in denen die Wirtschaftsformen in der Abfolge vom Jagen und Sammeln bis hin zur industriellen Produktion als Beleg für eine angebliche [[soziokulturelle Evolution]] vom „rückständigen“ zum „fortschrittlichen“ Wirtschaften angesehen werden. Dem widerspricht jedoch u. a. die Tatsache, dass es zahlreiche Beispiele für Völker gibt, die im Laufe ihrer Geschichte von einer als „höher entwickelt“ betrachteten Subsistenzweise zu einer „niedrigeren“ zurückgekehrt sind.<ref name="Biermann 138">Eric Biermann: ''Alt- und Mittelneolithikum in Mitteleuropa. Untersuchungen zur Verbreitung verschiedener Artefakt- und Materialgruppen und zu Hinweisen auf regionale Tradierungen.'' Köln 2001–2003, S. 138 – Fußnote ([http://www.rheinland-archäologie.de/biermann2001_2003.pdf PDF-Datei; 11 MB; 683 Seiten] auf rheinland-archäologie.de).</ref> |
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=== Der Fall Westgate === |
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Die forensisch-pathologischen Untersuchungen an der Leiche des im Dezember 2012 in Amsterdam verstorbenen britischen Piloten Richard M. Westgate kamen im Juli 2014 zu dem Schluss, dass auch die schleichende Vergiftung durch anhaltende geringe Dosen von pyrolysierten Organophosphaten zu massiven Gesundheitsbeeinträchtigungen führen können. Westgate hatte seinen Körper vor seinem Tod der Wissenschaft vermacht, um so genauere Aufschlüsse über das aerotoxische Syndrom zu gewinnen. Neben dem Absterben von Hirn- und Nervenzellen wurden im Herzmuskelgewebe des Verstorbenen Nachweise für lymphozytäre [[Myokarditis]] festgestellt. Darunter versteht man Schädigungen des Herzmuskelgewebes (siehe Abb. Westgate Microscopy) [[Datei:Westgate Microscopy t-lymphocytes.jpg|links|mini|Westgate Microscopy t-lymphocytes]] |
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Die an den Untersuchungen beteiligten Forscher und Wissenschaftler führen diese Schädigungen auf die länger anhaltenden Exposition mit pyrolysierten Organophosphaten aus der Atemluft im Flugzeug zurück<ref>http://www.welt.de/bin/case-study-130712813.pdf</ref>. Die Untersuchungen sind Bestandteil eines Verfahrens zur Ermittlung der Todesumstände nach britischem Recht unter der Leitung eines Coroners (Leichenbeschauers) ihrer Majestät der Königin. Dieser hat die Kompetenzen eines Untersuchungsrichters und ist von politischen Einflüssen absolut unabhängig. In diesem Fall hat Coroner Stanhope Payne sich am 16. Februar 2015 veranlasst gesehen, sowohl den ehemaligen Arbeitgeber des verstorbenen Piloten ([[British Airways]]) als auch die zivile britische Luftfahrtbehörde ([[Civil Aviation Authority|CAA]]) amtlich über seine Erkenntnisse zu informieren und aufgefordert, unverzüglich Maßnahmen einzuleiten<ref>http://www.judiciary.gov.uk/wp-content/uploads/2015/03/Westgate-2015-0050.pdf</ref>. Solche Maßnahmen haben das Unternehmen und die Behörde unter Berufung auf industrie-eigene Untersuchungen aus den Vorjahren abgelehnt. |
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=== Der Fall Brady === |
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Gleichfalls wird traditionelle Subsistenzproduktion durch die [[Ideologie]] der [[Kapitalismus|kapitalistischen]] Weltwirtschaft seit den 1950er und 60er Jahren mit [[Armut]] gleichgesetzt, da kein geldlicher Überschuss erwirtschaftet wird. Während sich in der Wissenschaft mehr und mehr die Erkenntnis durchsetzt, dass eine weitgehend [[Autarkie|autarke]] Selbstversorgung und Direktvermarktung von Lebensmitteln und Gebrauchsgütern erstrebenswerter ist als Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung, wird dies von Wirtschaft, Politik und [[Entwicklungshilfe]] zumeist weiterhin ignoriert. Nur was über die nationalen und internationalen Märkte in Währungen gehandelt wird, und nur was auf technische Rationalisierung, hohe Stückzahlen, sowie auf Profite ausgerichtet ist, gilt als Wirtschaft. Insofern werden die Ergebnisse der zum Teil erheblichen Subsistenzproduktion der Entwicklungsländer nicht in die üblichen Vergleichsmaßstäbe wie [[Bruttoinlandsprodukt]] oder [[Pro-Kopf-Einkommen]] eingepreist und führen somit zu einem verzerrten Bild, wie arm oder wie reich ein Land sei, wie entwickelt oder unterentwickelt.<ref>Veronika Bennholdt-Thomsen: ''Subsistenzwirtschaft, Globalwirtschaft, Regionalwirtschaft.'' In: Maren A. Jochimsen, Ulrike Knobloch (Hrsg.): ''Lebensweltökonomie in Zeiten wirtschaftlicher Globalisierung.'' Kleine, Bielefeld 2006, S. 65–88.</ref> |
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Das gleiche Team von Ärzten und Wissenschaftlern hat bis Sommer 2015 noch weitere, auf unnatürlich Weise verstorbene Besatzungsmitglieder obduziert und in allen Fällen Hinweise auf gleiche Schädigungen des Herzmuskelgewebes gefunden. Andere hierfür zunächst mögliche Ursachen konnten ausgeschlossen werden. Der letzte Verstorbene war der British-Airways-Flugbegleiter Warren Brady. Hierüber wurde durch Vertreter des Wissenschaftsteams anlässlich einer aufgezeichneten Pressekonferenz in Berlin am 15. Juli 2015 berichtet.<ref>https://www.youtube.com/watch?v=moZFD65FPE4</ref><ref>http://www.austrianwings.info/2015/07/neue-erkenntnisse-zum-aerotoxischen-syndrom/</ref> |
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[[Datei:Brady Microscopy.jpg|mini|Brady Microscopy]] |
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== Vorkommen == |
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== Klassifikation der traditionellen Wirtschaftsformen == |
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Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) hat zu derartigen Vorfällen im Jahr 2014 eine als „Studie“ titulierte Abhandlung veröffentlicht.<ref>[http://www.bfu-web.de/DE/Publikationen/Statistiken/Tabellen-Studien/Tab2014/Studie_Fume_Events_2014.pdf?__blob=publicationFile BFU Studie zum Thema „Fume Events“] (PDF; 3 MB)</ref> Das britische Pendant, die [[Civil Aviation Authority]], hat 2006 1050 Vorfälle von kontaminierter Kabinenluft erfasst, wovon 444 davon auf Flugzeuge des Typs [[Boeing 757]] und 233 weitere auf die [[BAe 146]] entfallen, die damit die am häufigsten betroffenen Flugzeugtypen sind.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.wdr.de/tv/markt/sendungsbeitraege/2010/0329/download/100329-Airlines_Tabelle_plusminus.pdf | wayback=20100821162352 | text=}}</ref> Außer in den bekannten und bemerkten Fällen (fume event) enthält die Kabinenluft auch im normalen Zustand etwas verdampftes Öl,<ref>[https://www.flightglobal.com/news/articles/many-pilots-39medically-impaired39-due-to-toxic-cabin-409456/ David Learmount: ''Many pilots 'medically-impaired' due to toxic cabin air'', in Flightglobal.com, Datum: 26. Februar 2015]</ref> da geringe Mengen jederzeit in die Zapfluft gelangen können.<ref>[https://www.welt.de/wirtschaft/article130716987/Luft-im-Flugzeug-kann-Gehirnzellen-toeten.html Per Hinrichs, Tim van Beveren: ''Luft im Flugzeug kann Gehirnzellen töten'', in Welt.de, Datum: 30. Juli 2014, Abgerufen: 7. August 2014]</ref> |
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Die Erscheinungsformen der [[Landnutzung|Agrar- und Bodennutzungssysteme]] sind außerordentlich vielfältig, alldieweil es schwierig ist, für sie eine Sortierung zu erstellen, der allen Ansprüchen genügt. So wurden Klassifizierungsmodelle nach verschiedenen Ordnungsprinzipien entwickelt, die unterschiedlichen Fragestellungen Rechnung tragen. |
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Eine parlamentarische Anfrage auf Initiative des [[Bündnis 90/Die Grünen]] an die [[Bundesregierung (Deutschland)|Bundesregierung]] ergab im Januar 2015, dass die offizielle Statistik für Vorfälle mit Kabinenluft in Deutschland von dem Flugzeugtyp Boeing 757 angeführt wird, gefolgt mit einigem Abstand von Airbus-Flugzeugen.<ref name="welt-137222328">{{Internetquelle | url=http://www.welt.de/politik/deutschland/article137222328/Airlines-gefaehrden-Passagiere-mit-giftigen-Daempfen.html | titel=Airlines gefährden Passagiere mit giftigen Dämpfen | autor=Tim van Beveren, Per Hinrichs | werk=[[Die Welt#Online-Ausgabe|welt.de]] | datum=2015-02-08 |zugriff=2018-10-07}}</ref> |
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Die hier dargestellte Einteilung der traditionellen Subsistenzstrategien ist in Begrifflichkeit und Sortierung ein Kompromiss aus den folgenden Quellen: ''Wörterbuch der Völkerkunde'',<ref>Walter Hirschberg (Hrsg.): ''Wörterbuch der Völkerkunde.'' Neuausgabe, 2. Auflage. Reimer, Berlin 2005, ISBN 3-496-02650-2: entsprechende Stichworte.</ref> ''Einführung in die Wirtschaftsanthropologie'',<ref name="Moser">Johannes Moser: ''Einführung in die Wirtschaftsanthropologie.'' Institut für Volkskunde/Europäische Ethnologie, Universität München 2008, Folien 39–57.</ref> ''Einführung in Entwicklungsländerstudien: Landwirtschaftliche Betriebssysteme'',<ref name="Payer" /> ''Die Ökozonen der Erde'',<ref>Jürgen Schultz: ''Die Ökozonen der Erde.'' Ulmer, Stuttgart 2008, S. 122–123.</ref> ''Dtv-Atlas Ethnologie''<ref name="dtv-Ethnologie">[[Dieter Haller]]: ''Dtv-Atlas Ethnologie''. 2., vollständig durchgesehene und korrigierte Auflage. dtv, München 2010, ISBN 978-3-423-03259-9, S. 165–169.</ref> und ''Wörterbuch der Ethnologie''.<ref>Bernhard Streck (Hrsg.): ''Wörterbuch der Ethnologie.'' Hammer, Wuppertal 2000: entsprechende Stichworte.</ref> Aus der Literatur lässt sich leider keine exakt einheitliche Klassifikation ableiten. Die Unterschiede werden in den jeweiligen Hauptartikeln erläutert, so dass hier aus Gründen der besseren Verständlichkeit weitgehend darauf verzichtet wird. |
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Im April 2015 berichtete die englische ''[[Daily Mail]]'', dass es – allein von Dezember 2014 bis März 2015 – 167 von Piloten gemeldete Zwischenfälle mit kontaminierter Kabinenluft gab. Davon waren 12 so ernsthaft, dass die Piloten eine vorgezogene Landung durchführten. In zwei Fällen ging sogar eine Notmeldung voraus. |
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Überdies ist zu beachten, dass es sich bei allen benannten Formen um ''Idealtypen'' handelt, die in der Realität häufig fließend ineinander übergehen oder unterschiedlich miteinander kombiniert werden (Beispiele: „Ackerwirtschaft mit eingeschränkter Transhumanz“, „Agrosilvopastorale Betriebssysteme“, „Tierhaltung in Dauerkultur- und Bewässerungssystemen“ u. a.). Der Mensch nutzt immer ''alle'' ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten im Rahmen seiner kulturell geprägten [[Wertvorstellung]]en. |
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Viele ehemalige Piloten und Mitglieder des Flugpersonals klagen darüber, dass sie durch das Aerotoxische Syndrom Langzeiterkrankungen erlitten haben.<ref>http://www.dailymail.co.uk/news/article-3049700/167-cases-toxic-air-planes-just-four-months-Twelve-cases-result-pilots-requesting-priority-landing.html</ref> |
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== Forschungsprogramm == |
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Da die vorherrschenden Techniken der Nahrungsmittelproduktion sowohl die Wirtschaft, als auch die Sozialstrukturen beeinflussen, werden im Folgenden auch einige typische Kulturmerkmale genannt. |
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Die [[Europäische Agentur für Flugsicherheit|EASA]] hat die [[Medizinische Hochschule Hannover|MHH]] und ein Fraunhofer-Institut mit einer Untersuchung über die Schadstoffbelastung von Kabinenluft beauftragt. Untersucht werden soll die Kabinenluft im Normalzustand und bei „fume events“.<ref>[http://www.flightglobal.com/news/articles/easa-awards-contract-for-cabin-air-contamination-research-410302/ David Learmount: ''EASA awards contract for cabin air contamination research'', in Flightglobal.com, Datum: 18. März 2015, Abgerufen: 17. April 2015]</ref> |
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Die Europäische Kommission und die [[Europäische Agentur für Flugsicherheit|EASA]] haben eine Folgestudie zum Thema Kabinenluft initiiert. Die Studie FACTS wird von einem Konsortium aus Forschungseinrichtungen und Industrie ausgeführt. |
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== Extraktive Wirtschaftsformen (Wildbeuter und Feldbeuter) == |
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{{Hauptartikel|Jäger und Sammler}} |
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== Verschiedenes == |
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Wild- und Feldbeuter nutzen die ältesten Subsistenzstrategien der Menschheit, indem sie Wildtiere und -pflanzen direkt nutzen, ohne sie züchterisch oder anbautechnisch zu manipulieren. Diese Wirtschaftsform ist vergleichsweise umweltschonend und nachhaltig, da die Ressourcen nur selektiv genutzt werden.<ref>Walter Hirschberg (Begründer), Wolfgang Müller (Redaktion): ''Wörterbuch der Völkerkunde.'' Neuausgabe, 2. Auflage, Reimer, Berlin 2005. S. 117.</ref> Zur Nahrungsbeschaffung müssen sie im Schnitt nur rund drei Stunden täglich aufwenden; das gilt selbst für sehr karge Regionen.<ref name="Kohl">[[Karl-Heinz Kohl]]: ''Ethnologie – die Wissenschaft vom kulturell Fremden. Eine Einführung.'' 3. Auflage. Beck, München 2012, S. 86–88 (erstveröffentlicht 1993).</ref> Dennoch hatten Wildbeuter zur Ergänzung ihres Speiseplanes seit jeher Beziehungen zu Bodenbauern. Die wenigen Menschen, die heute noch davon leben, stehen nicht selten direkt oder indirekt im Kontakt mit der Weltwirtschaft. Früher wurde extraktives Wirtschaften abwertend im Sinne von „räuberisch aneignend“ verwendet. Wo Jagen und Sammeln heute erwerbswirtschaftlich genutzt wird, spricht man von [[Extraktivismus]]. |
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[[Datei:Aer Turas (EI-CGO), Dublin, February 1993 (03).jpg|mini|Lufteinläufe zur Klimaanlage einer DC-8-63F]] |
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* 2001 wurde in Australien die ''Aviation Organophosphate Information Site'' (AOPIS) gegründet, in der sich Piloten und Besatzungsmitglieder organisieren, die meinen, an einem aerotoxischen Syndrom zu leiden.<ref>{{Webarchiv | url=http://www.aopis.org/ | wayback=20050204211805 | text=www.aopis.org (Aviation Organophosphate Information Site)}}</ref> Eine weitere Gruppe mit ähnlichen Zielen ist ''Aerotoxic Association'', die auch in Deutschland aktiv ist.<ref>{{Webarchiv|url=http://www.aerotoxic.org |wayback=20100819195558 |text=Offizielle Webpräsenz der Aerotoxic Association}}(Archivlink: deutsch, Link: englisch)</ref> |
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* In der Schweiz ist der Internetdienst ''Aerotoxic Team'' ansässig. Hier sind Informationen in Deutsch, Englisch, Holländisch, Französisch und Spanisch verfügbar |
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* In Australien wurden einer Flugbegleiterin 97.000 Euro Schmerzensgeld gezahlt, nachdem sie Öldämpfen ausgesetzt war und seitdem an Atembeschwerden leidet. In Deutschland ist eine ähnliche Klage anhängig.<ref>{{cite news | title="Fliegen nur noch mit Sauerstoffzelt" | date = 2010-08-20 | url = http://www.sueddeutsche.de/reise/flugverkehr-gift-in-der-luft-ex-stewardess-fliegen-nur-noch-mit-sauerstoffzelt-1.988179 | work = Süddeutsche Zeitung GmbH | accessdate = 2012-10-01}}</ref> |
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* Im August 2010 kündigte die Deutsche [[Lufthansa]] aufgrund wachsender Kritik an, dass sie bei ihrem Bordpersonal [[Urin]]proben auf das Nervengift [[Trikresylphosphate|TCP]] untersuchen will.<ref>{{Internetquelle | url=http://www.focus.de/reisen/fliegen/giftige-bordluft-urintest-fuer-lufthansa-crews_aid_541815.html | titel=Giftige Bordluft: Urintest für Lufthansa-Crews | werk=focus.de | datum=2010-08-17| zugriff=2012-10-01}}</ref> |
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* Die [[Douglas DC-8]] (außer bei den DC-8-70ern, bei denen teilweise Zapfluft verwendet wird)<ref>Bernd Vetter: ''Pioniere des Jet-Zeitalters, DC-8'', Gera Mond Verlag, München (2001) ISBN 3-932785-86-X Seite 87–88</ref> und die [[Boeing 787]] sind die einzigen Verkehrsflugzeuge, die die Atemluft nicht durch ein [[Zapfluft]]system einspeisen, so dass eine Kontaminierung der Kabinenluft auf diesem Wege durch Gase von Triebwerksölen unmöglich ist. Dennoch wurden bei Messflügen im Dreamliner ähnliche Schadstoffkonzentration (inkl. TCP) in der Kabine wie in den anderen Flugzeugmustern nachgewiesen.<ref name="bdl.aero" /> |
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* Am medizinischen Zentrum der Universität von Nebraska hat man das weltweit bisher einzige (Stand Oktober 2012) Verfahren entwickelt, mit dem sich anhand einer Blutprobe nachweisen lässt, ob eine Person Triorthokresylphosphat ausgesetzt war. Bei dem Kopiloten, der im November 2011 unter starker Übelkeit, Würgereiz und Blutdruckabfall gelitten hatte, wurde Triorthokresylphosphat im Blut festgestellt.<ref name="zeit1">zeit.de: [http://www.zeit.de/reisen/2012-10/giftige-luft-flugzeug Aerotoxisches Syndrom: Unklarheit über giftige Luft im Flugzeug], Rainer W. During, 10. Oktober 2012</ref> |
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* Besatzungen leiden wegen des ständigen Aufenthaltes in trockener Luft vermehrt an Atemwegsproblemen.<ref name="zeit1" /> |
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* Bisher haben nur die neuen [[Boeing 787]] separate elektrische Kompressoren eingebaut, mit dem Ziel, Gewicht und Kraftstoffverbrauch zu senken. [[Airbus]] entschied sich beim Konkurrenzmodell [[Airbus A350]] für die klassische Methode: sie benötige weniger Wartung.<ref name="zeit1" /> |
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* Am 15. Juli 2015 veröffentlichte der Berliner Luftfahrtjournalist und Filmemacher [[Tim van Beveren]] eine über 120 minütige Filmdokumentation unter dem Titel „[[Ungefiltert eingeatmet – Die Wahrheit über das Aerotoxische Syndrom]]“. |
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* 2016 wurde ein neues elektrisches Klimatisierungssystem der Liebherr-Aerospace Toulouse erfolgreich an einem [[Airbus-A320-Familie|Airbus A320neo]] getestet, bei dem Außen- statt Zapfluft verwendet wird. Dieses System ist aber bisher nur als „Option“ auf Kundenwunsch erhältlich.<ref name="bundestag.de">Bundestag: [http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/116/1811686.pdf Deutscher Bundestag Drucksache18/1168618. Wahlperiode 24. März 2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel, Stephan Kühn (Dresden), Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/11385 – Kontaminierte Kabinenluft in Flugzeugen], abgerufen am 5. August 2017</ref> |
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== Literatur == |
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Die Zusammensetzung der Nahrung ist bei Jägern und Sammlern erheblich von der [[Klimazone]] abhängig und schwankt im Jahresverlauf stark. Einige Untersuchungen bei rezenten Völkern kommen daher auf 60 bis 80 Prozent Sammelnahrung (vorwiegend pflanzlich),<ref>Frank Robert Vivelo: ''Handbuch der Kulturanthropologie Eine grundlegende Einführung.'' Dtv, München 1988, ISBN 3-423-04470-5, S. 74–75.</ref> andere ermittelten als Durchschnittswerte hingegen 65 Prozent tierische Nahrung.<ref>[http://www.mercola.com/article/carbohydrates/paleolithic_diet.htm Interview mit Loren Cordain: The Paleolithic Diet and its Modern Implications]</ref> Die Erkenntnisse der Paläoanthropologie zur Ernährung der Steinzeitmenschen belegen überwiegend pflanzliche Nahrung; Fleischkonsum spielte keine entscheidende Rolle.<ref>[http://www.cast.uark.edu/local/icaes/conferences/wburg/posters/sboydeaton/eaton.htm Boyd Eaton: Evolution, Diet and Health]</ref> |
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* John Hoyte: ''Aerotoxic Syndrome: Aviation’s Darkest Secret'', 272 Seiten, Pilot-Press, Juli 2014, ISBN 0-9929508-0-5 |
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* {{cite journal |author=Schopfer LM, Furlong CE, Lockridge O |title=Development of diagnostics in the search for an explanation of aerotoxic syndrome |journal=[[Anal. Biochem.]] |volume=404 |issue=1 |pages=64–74 |year=2010 |month=September |pmid=20447373 |doi=10.1016/j.ab.2010.04.032 |url=}} |
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* {{cite journal |author=Hale MA, Al-Seffar JA |title=Preliminary report on aerotoxic syndrome (AS) and the need for diagnostic neurophysiological tests |journal=Am J Electroneurodiagnostic Technol |volume=49 |issue=3 |pages=260–79 |year=2009 |month=September |pmid=19891417 |doi= |url=}} |
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* {{cite journal |author=Abeyratne R |title=Forensic aspects of the aerotoxic syndrome |journal=Med Law |volume=21 |issue=1 |pages=179–99 |year=2002 |pmid=12017442 |doi= |url=}} |
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* {{cite journal |author=Gross H |title=[„Aerotoxic syndrome:“ danger caused by hydraulic oil in aircraft?] |language=German |journal=Dtsch. Med. Wochenschr. |volume=135 |issue=19 |pages=p18 |year=2010 |month=May |pmid=20461667 |doi=10.1055/s-0030-1247682 |url=}} |
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* {{cite journal |author= Schwarzer M, Ohlendorf D, Groneberg D A |title= Aerotoxisches Syndrom |language=German |journal= Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie |volume=64 |issue=2 |pages=119–121 |year=2014 |month=3 |doi=10.1007/s40664-014-0023-7 }} |
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* {{cite journal |author=Abou-Donia M.B. |title=Organophosphorus Ester-Induced Chronic Neurotoxicity |journal=[[Archives of Environmental Health]] |volume=58 |issue=1 |pages=484–497 |year=2003 |url=}} |
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* {{cite journal |author=Carletti et al. |title=Reaction of Cresyl Saligenin Phosphate, the Organophosphorus Agent Implicated in Aerotoxic Syndrome, with Human Cholinesterases: Mechanistic Studies Employing Kinetics, Mass Spectrometry, and X-ray Structure Analysis |journal=[[Chem. Res. Toxicol.]] |volume=24 |issue=1 |pages=797–808 |year=2011|url=}} |
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== Weblinks == |
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Es ist sehr schwierig festzustellen, wie viele Menschen weltweit von Jagd- und Sammelwirtschaft leben, da heute vielfach zusätzliche Subsistenzformen genutzt werden. Die Anzahl der Menschen, deren Lebensgrundlage zum größten Teil auf extraktiven Tätigkeiten beruht, liegt maximal bei 3,8 Millionen.<ref name="HGMW">Peter P. Schweitzer, Megan Biesele, Robert K. Hitchcock (Hrsg.): ''Hunters and Gatherers in the Modern World: Conflict, Resistance, and Self-determination.'' Nachdruck, Berghahn Books, New York, Oxford 2006 (Erstauflage 2000), ISBN 9781-57181-102-8. S. 4–11, insbesondere S. 5.</ref><ref group="Anmerkung" name="Anm-1">Zahl korrigiert, denn die Addition der Tabelle auf S. 5 im Buch von "Schweitzer, Biesele, Hitchcock" ergab mit 5,2 Mio. eine fehlerhafte Gesamtsumme, denn Adivasi und Indianer sind bereits in den Gesamtsummen für Südasien und Nordamerika enthalten.</ref> |
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* {{Webarchiv | url=http://www.wdr.de/tv/markt/sendungsbeitraege/2010/0329/00_aerotoxic.jsp | wayback=20110511193004 | text=WDR Bericht über das Aerotoxische Syndrom mit Verhaltensregeln nach Bleed-Air Event und weiteren Links}} |
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* {{Webarchiv | url=http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2011/1006/flugzeug.php5 | wayback=20111008183120 | text=Bericht in der Fernsehsendung Monitor: Ahnungslose Flugpassagiere – Nervengift in der Kabinenluft?}} |
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=== Unspezialisierte Wildbeuter (Jagen, Fischen und Sammeln) === |
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* [[Franziska Badenschier]]: [http://www.zeit.de/reisen/2011-11/tcp-fliegen/seite-1 ''Aerotoxisches Syndrom, Angst vor Nervengift im Flugzeug''], in Zeit Online, Datum: 8. November 2011. Abgerufen am 16. Dezember 2011 |
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[[Datei:Hadzabe Hunters.jpg|mini|Einige [[Hadza]] aus Tansania leben noch heute als unspezialisierte, nomadische Wildbeuter.]] |
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* FAZ ('Motor und Technik', 24. Oktober 2012): [http://www.faz.net/aktuell/technik-motor/umwelt-technik/verunreinigte-kabinenluft-toxische-daempfe-oder-heisse-luft-ueber-den-wolken-11934337.html Toxische Dämpfe oder heiße Luft über den Wolken?] |
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Je nach „natürlichem Angebot“ werden verschiedene Beutetiere, Wildpflanzen und Fische genutzt. Sie leben weitgehend [[Nomade|nomadisch]] in kleinen [[Akephalie|akephal]] (herrschaftslos) organisierten [[Horde]]n von 20 bis 50 Mitgliedern<ref name="dtv-Ethnologie" /> in sehr großen Schweifgebieten abgelegener [[Wildnis]]regionen. Die Anthropologie geht davon aus, dass die Stärke solcher unspezialisierter Jäger- und Sammlergruppen auch in der Vorgeschichte immer unter 100 Köpfen lag. |
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* DIE WELT, 30. Juli 2014: [https://www.welt.de/wirtschaft/article130716987/Luft-im-Flugzeug-kann-Gehirnzellen-toeten.html Luft im Flugzeug kann Gehirnzellen töten] |
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* Berit Gründlers: [http://www.aerotelegraph.com/condor_atemluft_studie_gesundheit ''Neue Studie zur Kabinenluft, Giftige Dämpfe häufiger als gedacht''], in aerotelegraph.com, Datum: 29. Juli 2014, Abgerufen: 1. August 2014 |
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Höchstens 60.000 Menschen leben zu Anfang des 21. Jahrhunderts noch ausschließlich von dieser höchst angepassten Strategie:<ref name="Rakelmann 1991">Georgia A. Rakelmann: ''Anpassungskünstler: Die Buschleute der Kalahari-Wüste.'' In: Peter E. Stüben, [[Valentin Thurn]] (Hrsg.): ''Wüsten-Erde: der Kampf gegen Durst, Dürre und Desertifikation.'' Focus, Gießen 1991, ISBN 3-88349-394-5, S. 31–42 ({{Webarchiv|url=http://www.uni-giessen.de/palaver/safrika/heft2c.htm |wayback=20070927192728 |text=online |archiv-bot=2019-05-19 03:56:33 InternetArchiveBot }} auf uni-giessen.de)</ref> Tendenz weiter fallend. Die Vernichtung der tropischen Regenwälder, die Ausweitung landwirtschaftlicher Nutzflächen<ref name="Kohl" /> und u. a. auch der Tourismus<ref name="Groh">Arnold Groh: ''Kulturwandel durch Reisen: Faktoren, Interdependenzen, Dominanzeffekte.'' In: Christian Berkemeier (Hrsg.): ''Begegnung und Verhandlung. Möglichkeiten eines Kulturwandels durch Reise.'' Lit, Münster 2004, ISBN 3-8258-6757-9, S. 13–31.</ref> gefährden diese Lebensweise enorm. Demgegenüber ist jedoch bei einigen mittlerweile sesshaften, ehemaligen Wildbeutern – in einigen Fällen vom Tourismus initiiert – eine Rückbesinnung ([[Retraditionalisierung]]) auf die traditionelle Nahrungsbeschaffung zu beobachten (z. B. [[Aborigines]] und [[Eskimos]]).<ref name="Kohl" /> |
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* Tim van Beveren: [https://www.welt.de/wissenschaft/article6055457/Gefaehrliche-Giftschwaden-in-Passagier-Flugzeugen.html ''Gefährliche Giftschwaden in Passagier-Flugzeugen''], in Welt Online, 1. Februar 2010, Abgerufen: 6. August 2014 |
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* [http://www.welt.de/bin/bdf-130633341.pdf Protokoll des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften (BDF)] |
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=== Spezialisierte Wildbeuter (Jagen, Fischen und Sammeln) === |
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* [http://www.aph.gov.au/binaries/senate/committee/rrat_ctte/completed_inquiries/1999-02/bae/report/report.pdf Abschlussbericht des Australischen Senats zur Untersuchung BAe 146, 1999–2000 (englisch)] |
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[[Datei:Bowhead Whale 2002-08-10.jpg|mini|[[Inuit]] aus [[Nunavut]] mit harpuniertem [[Grönlandwal]].]] |
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* [http://www.facts.aero FACTS Kabinenluftstudie (englisch)] |
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Vorwiegend werden bestimmte, häufig vorkommende Tierarten genutzt. Dabei handelt es sich vor allem um [[Meeressäuger]] und Fische (z. B. [[Tschuktschen]], [[Eskimo]]) oder Großwildherden (z. B. [[Gwich'in]]: [[Ren#Unterarten|Karibu]]). Am bekanntesten ist dabei wohl die [[Amerikanischer Bison|Bisonjagd]], die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Subsistenzgrundlage der [[Prärieindianer]] bildete. |
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Ursprünglich umfassten ihre Gemeinschaften einige 100 Personen, die in [[Stammesgesellschaft]]en oder [[Häuptlingstum|Häuptlingstümern]] organisiert waren. Aufgrund ihrer [[Sesshaftigkeit]] – und der damit verbundenen leichten Erreichbarkeit für die Marktwirtschaft – gibt es außer einigen Fischern heute keine ethnische Gruppe mehr, die ''nur'' noch als Selbstversorger von spezialisiertem Wildbeutertum lebt. |
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=== Spezialisierte Feldbeuter (Ernten, Jagen und Fischen) === |
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[[Datei:Wildreisernte.jpg|mini|[[Anishinabe]] der Großen Seen ernten [[Wildreis]] vom Kanu aus.]] |
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Massenhaft vorkommende wilde Massenfrüchte wie [[Wildreis]] ([[Anishinabe]], [[Menominee (Volk)|Menominee]] u. a.), [[Kalifornische Schwarzeiche|Schwarzeicheln]] ([[Hoopa]], [[Karok]] u. a.), Knollen oder Samen (z. B. von [[Süßgräser]]n) bildeten früher die Basis der Sammeltätigkeit; aber auch der ungeregelte, vorübergehende Anbau wilder Pflanzen ''(kursorischer Feldbau)'' wie Bananen oder Mangos in den Tropen.<ref>Walter Hirschberg (Hrsg.): ''Wörterbuch der Völkerkunde.'' Neuausgabe, 2. Auflage. Reimer, Berlin 2005, ISBN 3-496-02650-2, S. 123.</ref> |
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Solche spezialisierten Sammler wurden früher „Erntevölker“ genannt. Diese Bezeichnung wird jedoch heute als irreführend betrachtet, da sie mit der Vorstellung einer evolutionären Vorstufe zum Bodenbau verbunden war. Der Begriff „Erntewirtschaft“ hingegen ist unverfänglich. Ihre Lebensweise war vorwiegend sesshaft.<ref>Walter Hirschberg (Hrsg.): ''Wörterbuch der Völkerkunde.'' Neuausgabe, 2. Auflage. Reimer, Berlin 2005, ISBN 3-496-02650-2, S. 97.</ref> |
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Es gibt heute weltweit praktisch keine Bevölkerungsgruppe mehr, die sich schwerpunktmäßig von der Erntewirtschaft ernährt. Einige nutzen die traditionellen Wildpflanzen jedoch zum Teil noch als wichtige Einkommens- oder Nahrungsergänzung. |
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== Nahrungsproduzierende Wirtschaftsformen == |
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Diese Subsistenzweisen gehören zur ''traditionellen [[Landwirtschaft]]''. Sie entstanden etwa ab 10.000 v. Chr. im Rahmen der [[Neolithische Revolution|neolithischen Revolution]]. Übergreifend gilt für alle nachstehend aufgeführten Formen: Je [[Extensive Landnutzung|extensiver]] die Nahrungsproduktion, desto mehr spielen auch [[#Extraktive Wirtschaftsformen (Wildbeuter)|extraktive Anteile]] (Jagen u. Sammeln) eine Rolle. |
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=== Pflanzenbau (Bodenbau) === |
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[[Datei:Stuttgarter Psalter Fol. 256.jpg|mini|Die Landwirtschaft im Frühmittelalter würde man heute als traditionellen Ackerbau bezeichnen]] |
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In der Regel werden jegliche Formen des Anbaus von Pflanzen als [[Pflanzenbau|''Pflanzenbau'' oder ''Pflanzenproduktion'']] bezeichnet. In der Ethnologie wird jedoch häufig der Begriff ''Bodenbau'' als Überbegriff verwendet, um Verwirrungen zwischen den unterschiedlichen Bedeutungen von ''Pflanzbau'' und ''Pflanz'''en'''bau'' zu vermeiden.<ref>Walter Hirschberg (Hrsg.): ''Wörterbuch der Völkerkunde.'' Neuausgabe, 2. Auflage. Reimer, Berlin 2005, ISBN 3-496-02650-2, 54–55.</ref> |
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Es gibt je nach Autor verschiedene Untergliederungen. Häufig wird folgende Unterscheidung vorgenommen: |
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* ''[[#Traditioneller Feldbau (Pflanzbau) und -Gartenbau|Feldbau]]'' ([[Extensive Landnutzung|extensive]] Formen, geringer Aufwand an Technologie, Zeit und Energie; Pflanzerkulturen) |
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* ''[[Ackerbau]]'' ([[Intensive Landnutzung|intensive]] Formen, großer Aufwand an Technologie, Zeit und Energie; [[Bauernhof|Bauernkulturen]] oder [[Agrarindustrie]]) |
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In den meisten Fällen ergänzen ''traditionelle'' Bodenbauern ihre Ernte durch Tierzucht (z. B. Schweine, Ziegen, Hühner). Bis zu 2,5 Mrd. Menschen ernähren sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts von diesen Wirtschaftsformen.<ref name="Frankhauser 2014">Urs Fankhauser: ''Mystery. Lokal, selbstbestimmt und nachhaltig. Weltweite Bedeutung des Family Farming.'' éducation21, Bern 2014, S. 8. [http://www.education21.ch/sites/default/files/uploads/ventuno_d/4/Mystery_landw_D.pdf pdf-Version]</ref> |
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==== Traditioneller Feldbau (Pflanzbau) und Gartenbau ==== |
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[[Datei:FarmingZambia.jpg|mini|Auch heute noch ist das wichtigste Werkzeug des traditionellen Feldbaus die Hacke]] |
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'''Feldbau''' wird mit Handwerkzeugen durchgeführt (daher auch ''[[Hackbau]]'') und ist immer mit einem wiederholten Wechsel der Anbauflächen (Wanderfeldbau, {{enS|shifting cultivation}}) verbunden. Die natürliche Vegetation wird ''nicht'' [[Rodung|gerodet]], sondern ggf. „geschwendet“ – d. h. nur ''oberirdisch'' entfernt, so dass die [[Durchwurzelung|Wurzeln]] und Baumstümpfe im Boden bleiben. Schwendung erfolgt in der Regel im [[Brandrodung|Brandfeldverfahren]]. Eine Düngung findet nur einmalig durch die anfallende Asche statt, die jedoch vor allem den sauren [[pH-Wert]] des Bodens anhebt.<ref name="Schultz">Jürgen Schultz: ''Die Ökozonen der Erde.'' 4., völlig neu bearbeitete Auflage, Ulmer UTB, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8252-1514-9. S. 342–344</ref> Auf der Fläche werden nebeneinander mehrere [[Nutzpflanze]]narten angebaut ([[Mischkultur]]). Gejätet wird in der Regel nicht. Bisweilen wird noch eine Unterscheidung von Feldbau (im engeren Sinne) und Pflanzbau vorgenommen: Beim Feldbau werden Samen in Mulden ausgesät und beim Pflanzbau werden [[Setzling]]e oder [[Steckling]]e auf dem Feld gepflanzt. |
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Der (ergänzende) traditionelle ''[[Gartenbau]]'' hat vermutlich einen noch früheren Ursprung als der Feldbau, da es sich um eine Form des kleinflächigen Bodenbaus in direkter [[Siedlung]]snähe handelt. Die Fläche wird hierfür komplett gerodet und oftmals eingefriedet. Die gesäten oder gesetzten Pflanzen werden einzeln intensiv betreut. Weiterhin werden häufig verschiedene Arten nebeneinander gezogen (Mischkultur): neben [[Nahrungspflanze]]n auch [[Zierpflanze|Zier-]], [[Gewürzpflanze|Gewürz-]], [[Heilpflanze|Heil-]], [[Färbepflanze|Färbe-]] oder [[Faserpflanze|Textilpflanzen]]. In den tropischen Regenwäldern und in [[Oase]]n wird zum Teil ''[[Vertical Farming#Traditioneller Etagenanbau|Etagenbau]]'' betrieben, bei dem Baum-, Strauch- und Bodenfrüchte (z. B. traditionelle Dauerkulturen wie Bananen, Papaya, Mango, Avocado) übereinander genutzt werden. |
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Bei Feldbauern findet man komplexere soziale- und politische Organisationsformen als bei Wildbeutern. Die Bindung an den Boden sowie die Notwendigkeit von vorausschauender Planung und [[Arbeitsteilung]] führten zu Konzepten von [[Territorialitätsprinzip|Territorialität]] (die Beanspruchung von Besitzrechten am Land) aber auch zu [[Soziale Ungleichheit|sozialer Ungleichheit]]. Feldbauern wenden etwa sechs Stunden täglich zur Nahrungsmittelproduktion auf.<ref name="Kohl" /> Die Gesellschaften basieren auf relativ stabilen Verwandtschaftsgruppen (wie z. B. [[Lineage]]s und [[Klan]]s) mit klaren Führungspositionen<ref name="Moser" /> (früher z. B. Häuptlingstum, heute Nationalstaat) |
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Der Feldbau kann wie folgt unterteilt werden: |
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===== Stockwerkanbau ===== |
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Der ''[[Stockwerkanbau]]'' oder auch Etagenanbau ist eine Wirtschaftsform [[Indigene Völker|indigener Völker]] im [[Tropischer Regenwald|tropischen Regenwald]] und in den [[Subtropen]], eine [[Permakultur]], bei der die Anbauflächen sehr lange erhalten bleiben. |
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===== Extensiver Wanderfeldbau (und traditioneller Gartenbau) ===== |
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[[Datei:COLLECTIE TROPENMUSEUM 'Afgeoogste rijstladang in Banandolok de bomen laat men staan velen daarvan slaan spoedig weer uit Tapanoeli' TMnr 10011067.jpg|mini|Vorbereitung eines Feldes im Wald am Ende der Trockenzeit, das anschließend zwei Jahre lang genutzt werden kann (Sumatra, um 1900)]] |
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{{Hauptartikel|Wanderfeldbau}} |
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Alle ein bis vier Jahre – wenn die Bodenfruchtbarkeit nicht mehr ausreicht – findet beim ''Wanderfeldbau'' ein Standortwechsel statt, bei dem ''sowohl'' die Felder ''als auch'' der Wohnort verlegt werden. Die Anbauflächen liegen anschließende einige Jahre brach und verwildern wieder. Auch diese Art der Lebensweise wird zuweilen als „nomadisch“ bezeichnet. |
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Die Größe der Siedlungen umfasst maximal einige hundert Personen. Wanderfeldbau kommt heute nur noch in den Tropen – und dort vorwiegend in den Regenwaldgebieten – vor. Etwa 37 Mio. Menschen sind gegenwärtig davon abhängig.<ref name="Dixon et al. 2001">Dixon et al. (2001) in Cheryl Ann Palm, Stephen A. Vosti, Pedro A. Sanchez, Polly J. Ericksen: ''Slash-and-Burn Agriculture – the search for alternatives.'' Columbia University Press, New York 2005, ISBN 0-231-13450-9. S. 8. [http://www.asb.cgiar.org/PDFwebdocs/Slash-and-Burn%20Agriculture-The-Search-for-Alternatives.pdf pdf-Version]</ref> |
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Der beschleunigte [[Kulturwandel]] durch die Einflüsse der globalen Gesellschaft (u. a. starkes Bevölkerungswachstum, zunehmende [[Überproduktion]] für den Markt, verkürzte Brachezeiten und die „Öffnung“ der Wälder durch die Schneisen des industriellen Holzeinschlages) hat insbesondere aus dieser einstmals angepassten in sehr vielen Fällen eine umweltzerstörende Wirtschaftsform gemacht. |
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Der Wanderfeldbau kann weiter untergliedert werden in die Formen „Urwechselwirtschaft“, „[[Schwendbau]]“ und „[[Brandfeldbau]]“. |
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===== Halbintensiver Landwechselbau (und traditioneller Gartenbau) ===== |
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[[Datei:Woman harvesting wheat, Raisen district, Madhya Pradesh, India ggia version.jpg|mini|Weizenernte von einem Feld in der Savanne von Madhya Pradesh (Indien)]] |
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{{Hauptartikel|Landwechselwirtschaft}} |
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Die Formen der ''Landwechselwirtschaft'' – nicht gleichzusetzen mit ''[[Wechselwirtschaft]]'' – sind durch einen festen Wohnsitz, aber wechselnd genutzte Felder gekennzeichnet. Insofern werden sie auch als Langzeit-[[Brache]]­systeme bezeichnet. Ursprünglich ebenfalls rein subsistenzorientiert und extensiv betrieben, findet heute zunehmend eine ergänzende Marktorientierung statt, so dass diese Wirtschaftsformen als ''semiintensiv'' eingestuft werden. |
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Traditionelle Formen der Landwechselwirtschaft mit [[Dorfgemeinschaft (Ethnologie)|Dorfgemeinschaften]] von rund 100 bis 300 Personen kommen wie der Wanderfeldbau hauptsächlich in den Tropen vor; hier vor allem in den [[Monsunwald|Regenzeitenwäldern]] und [[Savanne]]n. Landwechselbau wird weltweit von über 260 Mio. Menschen betrieben.<ref group="A">Berechnungsergebnis</ref> |
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Sowohl ''[[Regenfeldbau]]'' (in [[humid]]en Regionen) als auch ''[[Trockenfeldbau]]'' (in [[Semiarides Klima|halbariden]] Regionen) finden zum größten Teil im Landwechselverfahren statt. Selten sind Formen der ''[[Fruchtwechselwirtschaft]]'' (Jahreweise wechselnde Anbaufrüchte) oder ''Wechselwirtschaft'' (Wechsel von Bodenbau und anderen Nutzungsformen), die man vor allem aus der Geschichte Europas kennt. |
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===== Intensiver Dauerfeldbau (und traditioneller Gartenbau) ===== |
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{{Hauptartikel|Ackerbau}} |
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Da der Dauerfeldbau von vielen Autoren bereits als Ackerbau bezeichnet und insofern vom Feldbau unterschieden wird, siehe „Traditioneller Ackerbau“ im Folgenden: |
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==== Traditioneller Ackerbau ==== |
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[[Datei:Child and ox ploughing, Laos (1).jpg|mini|Meist wird der Ackerbau durch die Verwendung des Pfluges vom Feldbau abgegrenzt. Bei den traditionellen Formen wird der Pflug noch von Tieren gezogen]] |
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[[Datei:La palmeraie d'El Kantara.jpg|mini|Um 4000 v. Chr. entstand die hocheffiziente Oasenkultur, bei der seither Ackerbau und [[Dauerkultur]]en im [[Stockwerkanbau|Etagenanbau]] miteinander kombiniert werden]] |
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Wie bereits erwähnt, werden auch die traditionellen Formen des Ackerbaues von vielen Autoren bereits der Intensivwirtschaft zugerechnet: In diesem Sinne sind drei Begriffe wesentlich: ''Technikeinsatz, Düngung und permanente Feldnutzung''. Die ursprüngliche Vegetation wird ober- ''und'' unterirdisch gerodet, bevor eine Bearbeitung mit Pfluggeräten stattfindet. Die Aussaat erfolgt in den Saatfurchen und die Felder werden gedüngt. |
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Sesshafter Dauerfeldbau ist grundsätzlich an klimatisch günstige Regionen angepasst, da eine weitgehend permanente Nutzung derselben Flächen stattfindet. Eine Übertragung auf andere Regionen ist möglich, wenn die nachteiligen Naturgegebenheiten durch den Einsatz von Technologien (wie z. B. verschiedener Formen der Bewässerung) überwunden werden. Allerdings ist heute vor allem in den Tropen aufgrund der Marktorientierung in vielen Fällen auch ein unangepasster Übergang zum Dauerfeldbau ''ohne'' entsprechende Maßnahmen zu beobachten. Dies führt zu [[Bodendegradation]] bis hin zur [[Desertifikation]].<ref>Wilfried Büttner: ''Traditionelle Formen der Landnutzung im tropischen Regenwald Afrikas.'' in DIERCKE Geographie - Ausgabe für Gymnasien in Bayern, Schülerband 8. Westermann Schulbuch, Ausgabe 2003, Braunschweig 2006. ISBN 978-3-14-114124-5. S. 76–77 ({{Webarchiv|url=http://f.sbzo.de/onlineanhaenge/files/978-3-14-114124-5-4-l.pdf |wayback=20140512225912 |text=PDF-Datei; 326 kB; 1 Seite |archiv-bot=2019-05-19 03:56:33 InternetArchiveBot }} auf schulbuchzentrum-online.de).</ref> Selbst eine bewusst geplante, „vorsichtige“ Einführung moderner Agrartechniken wird aufgrund der komplexen und schwer kalkulierbaren Folgewirkungen (beschleunigter Kulturwandel) vielfach negativ beurteilt.<ref name="Rothe 38–41" /> |
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Die Abgrenzung von modernen (industriellen) und traditionellen Ackerbauformen ist schwierig. Bisweilen wird die Grenze beim Einsatz motorisierter landwirtschaftlicher Geräte gezogen.<ref name="dtv-Ethnologie" /> Ebenso ist strittig, ob der Dauerfeldbau grundsätzlich noch als traditionelle Wirtschaftsform angesehen werden sollte. Die intensive Ausprägung, das häufig bereits ''vorrangige'' Marktstreben und die großen [[Bevölkerungsdichte]]n sind oftmals nicht [[Ökologie|ökologisch]] [[Nachhaltigkeit|nachhaltig]]; damit werden wesentliche Merkmale dieser Wirtschaftsformen nicht erfüllt. |
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Die sozial sehr unterschiedlich organisierten ''bäuerlichen Ackerbau-Gesellschaften'' bilden heute in der Regel die Basis von [[Staat]]en, da die dichte Besiedlung mit ihren vielschichtigen sozialen Verflechtungen (Arbeitsteilung, Spezialisierungen), die erzielten Überschüsse ([[Mehrprodukt|Surplus]]) und das Marktgeschehen komplexe Kontroll- und Verteilungsmechanismen erfordern.<ref name="dtv-Ethnologie" /> Die aufwändige Produktionsweise erfordert von den Menschen bis zu zehn Stunden tägliche Arbeit.<ref name="Kohl" /> |
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Zum Dauerfeldbau / traditionellen Ackerbau rechnet man u. a. „[[Reis#Reisanbau|verschiedene klassische Reisanbaumethoden]]“, „[[Oase#Oasenwirtschaft|Oasenwirtschaft]]“ und „Kurzzeit-Brachesysteme“. Letztere lösen vielfach die angepassten Formen des Landwechselbaus ab. |
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Mit bis zu 2,2 Mrd. Menschen ist der Dauerfeldbau heute die mit Abstand häufigste Form der klassischen Subsistenzstrategien.<ref group="B">Berechnungsergebnis</ref> |
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=== Tierproduktion (Viehwirtschaft) === |
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[[Datei:Mongolia Herding Life2.JPG|mini|Rund ein Viertel der Landoberfläche ist nicht zum Bodenbau geeignet. Hier sichert die Viehwirtschaft den Lebensunterhalt der Menschen]] |
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''Reine'' Viehwirtschaft setzt eine Produktion voraus, die den Eigenbedarf übersteigt, um Pflanzenprodukte dafür eintauschen oder kaufen zu können. Bisweilen wird auch eine sehr einfache Form des Feldbaus betrieben, bei der an geeigneten Stellen Nutzpflanzen ausgesät werden, die man beim nächsten Besuch erntet, sofern sie zur Fruchtreife gelangt sind. |
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==== Extensive Fernweidewirtschaft ==== |
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[[Datei:Oman 2010 wahiba sands nomads.jpg|mini|Ist das Klima zu trocken oder zu kalt, kann kein Bodenbau betrieben werden. In diesen Gebieten ist die Fernweidewirtschaft seit alters her die Lebensgrundlage der Menschen]] |
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[[Datei:Encampment of nomad.jpg|mini|Neben den Reittieren werden heute oftmals Motorfahrzeuge in der mobilen Viehwirtschaft verwendet]] |
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{{Hauptartikel|Fernweidewirtschaft}} |
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Fernweidewirtschaft (oder „Mobiler [[Pastoralismus]]“) ist ein Überbegriff für ''die'' [[Extensive Tierhaltung|extensiven]] Formen der [[Weidewirtschaft]], bei denen mehrmals im Jahr die Futtergründe gewechselt werden, die zudem in der Regel nicht an einem dauerhaften Wohnsitz des Besitzers liegen. |
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Man schätzt, das 200 bis 500 Mio. Menschen auf der Erde vorwiegend von traditionellen Formen der Fernweidewirtschaft leben. Da diese Wirtschaftsweisen sehr häufig mit Bodenbau kombiniert werden, ist eine genauere Zahl nicht ermittelbar.<ref name="UNEP 2014">''Sustainable Pastoralism and Post 2015 agenda.'' www.unep.org, abgerufen am 9. Dezember 2014 [http://www.unep.org/post2015/Portals/50240/Documents/Sustainable%20Pastoralism%20and%20Post%202015%20agenda.pdf pdf-Version]</ref> |
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Die pastorale Fernweidewirtschaft wird wie folgt untergliedert: |
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===== Hirtennomadische Tierhaltung ===== |
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{{Hauptartikel|Mobile Tierhaltung|Nomadismus}} |
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(Hirten)-Nomadismus ist ein Überbegriff für die traditionellen [[Kultur]]en ''der'' [[Hirtenvolk|Hirtenvölker]] trockener und kalter Wüsten, Steppen und Tundren, die je nach Zustand der Weiden eine wiederkehrende Verlegung ihres mobilen Lagers praktizieren. Die Bezeichnung wird sowohl für die ''Kulturen'', als auch für die ''Wirtschaftsform'' verwendet. „Echter“ ungebundener, rein subsistenzorientierter Nomadismus ist sehr selten geworden und wird wahrscheinlich über kurz oder lang erlöschen.<ref name="Scholz">[[Fred Scholz]]: ''Nomadismus ist tot.'' In: ''Geographische Rundschau.'' Heft 5, 1999, S. 248–255.</ref><ref name="Kiresiewa">Zoritza Kiresiewa: ''Derzeitiger Stellenwert von nationalen und internationalen Projekten im Bereich Nomadismus/Mobile Tierhaltung im Altweltlichen Trockengürtel.'' S. 9–10</ref><ref>Dawn Chatty (Hrsg.): ''Nomadic Societies in the Middle East and North Africa. Facing the 21st Century.'' Koninklijke Brill, Leiden 2006, S. 1ff (englisch).</ref> |
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Ungeachtet dessen ist die nomadische Viehhaltung nach wie vor die einzige erfolgversprechende, umweltschonende und ökologisch nachhaltige Subsistenzstrategie der genannten [[Klimat]]e, weil sie auf dem umfangreichen und in Jahrtausenden gereiften, traditionellem Wissen der Nomadenvölker beruht.<ref>A. Rosati, A. Tewolde, C. Mosconi, World Association for Animal Production (Hrsg.): ''Animal Production and Animal Science Worldwide.'' Wageningen Academic, 2005, S. ?? (englisch).<!--Ort? SEITE?--></ref> Viele Autoren verwenden zur Abgrenzung der [[Modernisierung (Soziologie)|modernisierten]], stärker marktorientierten Fernweidewirtschaft vom Nomadismus mittlerweile die Bezeichnung „Mobile Tierhaltung“. Dies umfasst die verschiedensten Formen mit halbnomadischer bis halbsesshafter, sowie ganzjähriger oder saisonaler Wanderweidewirtschaft – je nach den vorhandenen ökologischen und ökonomischen Bedingungen und Erfordernissen.<ref name="Knipper">Corina Knipper: ''Die räumliche Organisation der linearbandkeramischen Rinderhaltung. Naturwissenschaftliche und archäologische Untersuchungen.'' Geowissenschaftliche Fakultät, Universität Tübingen 2009, S. 102–105</ref> |
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Derzeit kommt es allerdings vielerorts zu einer deutlichen Intensivierung der mobilen Tierhaltung in der Nähe der festen Ansiedlungen und der Verkehrswege: Für die zusätzlich marktorientierte Produktion und infolge steigender Bevölkerungszahlen sind größere Herden und eine schnelle Verfügbarkeit der Tiere erforderlich. Gleichzeitig führt die Anlage von Brunnen und die sesshafte Lebensweise zu erheblich verkürzten Entfernungen der Wanderungen. Dieser Trend wird durch den zunehmenden Einsatz von LKW als Transportmittel für die Tiere oder Trinkwasser weiter verstärkt. Dadurch kommt es zur Bodendegradation. |
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Hirtennomadische Gemeinschaften waren ursprünglich als [[Segmentäre Gesellschaft]]en oder Stämme mit bis zu mehreren zehntausend Menschen organisiert. Noch immer haben die Stammesverbünde – auch innerhalb der Nationalstaaten – eine große Bedeutung. Der tägliche Zeitaufwand zur Nahrungsmittelversorgung lag bei durchschnittlich sieben Stunden.<ref>Marvin Harris: ''Kulturanthropologie. Ein Lehrbuch.'' Campus, Frankfurt 1989, S. 146–147.</ref> |
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Rund 40 Mio. Menschen auf der Erde werden heute zu den mobilen Tierhaltern gerechnet.<ref name="Schlee 2010">[[Günther Schlee]] in Oliver Samson: [http://www.dw.de/nomaden-die-ersten-opfer-des-klimawandels/a-5751778 ''Asien: Nomaden – die ersten Opfer des Klimawandels.''] In: ''[[Deutsche Welle]].'' 6. Juli 2010, abgerufen am 1. September 2014.</ref> |
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===== Saisonelle Wanderung (Transhumanz) ===== |
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[[Datei:Berger pyrenees.jpg|mini|Die Transhumanz ist eine der wenigen traditionellen Wirtschaftsformen, die es in Europa noch gibt]] |
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{{Hauptartikel|Transhumanz}} |
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Wanderweidewirtschaft (Transhumanz) ist eine vorwiegend marktorientierte Strategie unter der Obhut von Hirten mit einem klimabedingten, saisonalen Wechsel der in verschiedenen Höhenstufen liegenden Weidegebiete. In der kalten oder trockenen Jahreszeit weidet das Vieh (zumeist) nah am dauerhaften Wohnort der sesshaften Eigentümer, während es die übrige Zeit auf entfernten Weiden in einer anderen Höhenstufe verbringt (im Regelfall im Gebirge). Die Eigentümer selbst betreiben Ackerbau oder gehen anderen Berufen nach. |
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Man unterscheidet heute vorwiegend zwischen der seltenen [[Transhumanz#Klassische Transhumanz|traditionellen Transhumanz]] und den weitaus häufigeren neuen Formen, die durch eine auf saisonale Wanderungen reduzierte halbnomadische Hütehaltung der ehemals hirtennomadischen Völker entstanden sind. Allerdings wird hier ein Modell angewendet, das nicht an solch trockene Regionen angepasst ist. Diese Entwicklung hat überall eine deutliche Bodendegradation und die Gefahr der Desertifikation (Wüstenbildung) zur Folge. Vor diesem Hintergrund werden diese Formen häufig nicht der Wanderweidewirtschaft, sondern der mobilen Tierhaltung zugeordnet. |
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Ähnlich wie beim Dauerfeldbau ist es strittig, ob die Transhumanz – die in den meisten Fällen seit langem marktorientiert ausgerichtet ist – den traditionellen Wirtschaftsformen zugerechnet werden sollte.<ref>Tobias Kühr: ''Traditionelle Ernährungsweisen in Entwicklungsländern. Typische Ernährungsmängel und Ansätze zur Verbesserung der Ernährungssituation am Beispiel Afrikas.'' Universität Jena 2007, S. 13–14 (Diplomarbeit Ernährungswissenschaft).</ref> Das Gleiche gilt übrigens für die [[Alm (Bergweide)#Almwirtschaft|Almwirtschaft]], die zwar aus historischer Sicht „[[tradition]]ell“ ist, jedoch durch die starke Einbindung in ein intensives, marktorientiertes System nicht im Sinne einer ''traditionellen Subsistenzstrategie''. |
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=== Tier- und Pflanzenproduktion === |
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Sofern beide Strategien ''in etwa gleichem Maße'' zum Lebensunterhalt beitragen, findet eine Zuordnung zu dieser gemischten Strategie statt. Der Oberbegriff lautet hier: |
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==== Extensiver Agropastoralismus ==== |
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{{Hauptartikel|Agropastoralismus}} |
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Wird Landwechselwirtschaft mit Viehhaltung auf Naturweiden (sogenannter „Pastoralismus“, [[#Extensive Fernweidewirtschaft|siehe unten]]) kombiniert, spricht man von ''„Agropastoralismus“''. Während der Getreideanbau in begünstigten Regionen stattfindet und zumeist einige Jahre lang sesshaft betrieben werden kann, erfordert die Viehhaltung in manchen Jahren oder in Trockenräumen bisweilen einen Wechsel des [[Weide (Grünland)|Weidelandes]]. |
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Sehr viele ehemalige Hirtennomaden leben heute als halbnomadische oder halbsesshafte Agropastoralisten, um näher am „globalen Geschehen“ zu sein und um einen Teil ihrer Produkte besser vermarkten zu können. Der überwiegende Teil wird jedoch nach wie vor selbst verbraucht. |
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Weltweit leben 160 bis 460 Mio. Menschen von überlieferten Formen sesshafter oder halbsesshafter Tier- ''und'' Pflanzenproduktion.<ref group="C">Berechnungsergebnis</ref> Da diese Wirtschaftsweisen je nach Erhebung mal dem Bodenbau und mal dem Pastoralismus zugerechnet werden, ist eine genauere Zahl nicht ermittelbar. |
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== Wirtschaft und ökologische Stabilität == |
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[[Datei:Desertificacao.jpg|mini|Geringe Bevölkerungszahlen, große Mobilität und ein umfassendes traditionelles Wissen schützen vor Dürren und Missernten, wie sie heute auf intensiv genutzten Flächen in dafür ungeeigneten Regionen immer wieder auftreten]] |
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[[Datei:Nomads in Badghis Province.jpg|mini|Das mobile Leben der Nomaden ist eine Wirtschaftsstrategie, die mit einem minimalen Energie- und Ressourceneinsatz eine ökologisch angepasste und nachhaltige Versorgung sicherstellt]] |
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Das „Entwicklungsziel“ ([[Klimaxvegetation|Klimax]]) eines Ökosystems steht häufig im Konflikt mit den Zielen modernen Wirtschaftens: Während die natürlichen Prozesse zwangsläufig zu einem Zustand größtmöglicher Stabilität führen, der vor allem durch eine hohe biologische Vielfalt (Biodiversität) gekennzeichnet ist, trachtet der Mensch nach maximaler Produktion von Biomasse, die jedoch meistens zu einer Reduktion der Vielfalt führt. Agrarkulturelle Maßnahmen erfordern einen ständigen Arbeitsaufwand, um die natürliche Entwicklung ([[Sukzession (Biologie)|Sukzession]]) weitgehend zu verhindern. Den Zustand agrarkultureller Ökosysteme ([[Anthrom]]e), die für längere Zeit vom Menschen stabil gehalten werden können, bezeichnet der international bedeutende Ökologe [[Eugene Odum]] als „anthropogenetischen Subklimax“.<ref name="Rothe 57" /> |
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Im Falle traditioneller Wirtschaftsformen führt der Ökosystemansatz jedoch zu einem anderen Bild: Ursprüngliche lokale Gemeinschaften entwickelten sich weit langsamer. Eingriffe in traditionelle Systeme wurden in der Regel mit größerer Umsicht vorgenommen, da die Abhängigkeit von der direkt benachbarten Umwelt weitaus weniger abgemildert werden konnte als unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. Schwerwiegende Fehlentscheidungen waren nicht kompensierbar und die Mitglieder traditioneller Gemeinschaften waren daher gezwungen, ihre Wünsche den Möglichkeiten unterzuordnen. Auf diese Weise war der Mensch harmonisch in die natürlichen Ökosysteme integriert. |
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Weitgehend unveränderte traditionelle Wirtschaftsformen bilden daher stabile und dauerhafte – im ursprünglichen Sinne ''[[Nachhaltigkeit|nachhaltige]]'' – Systeme, die in vielfältiger Weise mit den natürlichen Ökosystemen vernetzt sind.<ref name="Groh" /><ref name="Goldsmith 332 ff" /><ref>Teri C. McLuhan (Hrsg.): ''…Wie der Hauch eines Büffels im Winter.'' 4. Auflage. Hoffman & Campe, Hamburg 1984, ISBN 3-455-08663-2, S. 11–13, 21, 24, 112, 176–177 (erstveröffentlicht 1979).</ref><ref name="Polanyi" /><ref name="Lévi-Strauss">[[Claude Lévi-Strauss]]: ''Das wilde Denken.'' 4. Auflage. Suhrkamp, Frankfurt 1981, ISBN 3-518-07614-0, S. ??.<!--SEITE?--></ref><ref>Hendrik Neubauer (Hrsg.): ''The Survivors. Vom Ureinwohner zum Weltbürger.'' Tandem, 2008, S. 99.<!--Ort?--></ref><ref>Dieter Gawora, Maria Helena de Souza Ide, Romulo Soares Barbosa (Hrsg.): ''Traditionelle Völker und Gemeinschaften in Brasilien.'' Lateinamerika-Dokumentationsstelle, Kassel University Press, Kassel 2011, S. 9 u. a.</ref> Dieser Effekt kehrt sich mehr und mehr um, wenn ein rapider ökonomischer und [[sozialer Wandel]] Probleme schafft, deren Auswirkungen nicht vorhersagbar sind.<ref name="von Hahn 47–56" /><ref name="Moser" /><ref name="Rothe 38–41" /><ref name="Goldsmith 332 ff" /><ref name="Polanyi" /><ref name="Steiner">[[Dieter Steiner]]: [http://www.humanecology.ch/index.php?lng=de&pag=371&spg=373&nav=3&sub=19 ''„Arbeit“ in archaischen Wildbeutergesellschaften.''] In: ''Soziales im engeren Sinne.'' Eigene Website, 1998, abgerufen am 1. September 2014.</ref><ref>Andrew P. Vayda, Christine Padoch: ''Patterns of Resource Use and Human Settlement in Tropical Forests.'' In: F. B. Golley (Hrsg.): ''Tropical Rain Forest Ecosystems.'' Teil A: ''Structure and Function.'' Elsevier, Amsterdam, S. 301–313 (englisch).<!--JAHR?--></ref> |
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Nach den Untersuchungen der Evolutionsökologie sind alle Lebewesen bestrebt, ihr Überleben in der gegebenen Umwelt so zu optimieren, so dass das Überleben mit geringstmöglichem Energieeinsatz und höchster Wahrscheinlichkeit gesichert werden kann. Dieser Ansatz, der unter der Bezeichnung „[[Optimal foraging]]“ (optimale Nahrungsbeschaffung) bekannt wurde, konnte bei [[Wildbeuter]]-Gemeinschaften bewiesen werden: Sie wählen immer zuerst solche Ressourcen, bei dem die gewonnene Nahrungsenergie die aufgewendete Energie für die Beschaffung der Nahrung möglichst weit übersteigt. Erst wenn solche Ressourcen nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen, greifen sie auf Pflanzen oder Tiere zurück, bei denen die Energieausbeute nur noch geringfügig über dem Energieaufwand liegt.<ref>Walter Hirschberg (Hrsg.): ''Wörterbuch der Völkerkunde.'' Neuausgabe, 2. Auflage. Reimer, Berlin 2005, ISBN 3-496-02650-2, S. 412.</ref> Dieses einfache Prinzip trifft selbstverständlich ebenfalls bei Ethnien zu, die traditionelle Formen der [[Mobile Tierhaltung|mobilen Tierhaltung]] oder subsistenzorientierte Landwirtschaft betreiben (obgleich der Aufwand hier in aller Regel deutlich höher liegt als bei den Wildbeutern). Erst die industrialisierte Landwirtschaft hat dieses elementare Prinzip verlassen, indem der Einsatz von zusätzlichen Energieträgern (Holz, Kohle, Erdöl, Wasserkraft, Atomkraft u.v.m.) für den Betrieb von Maschinen immer größer wurde. Der [[Energieverbrauch|Primärenergieaufwand]] der gesamten hochtechnisierten Lebensweise liegt heute für die USA rund 70-mal, für Europa rund 33-mal<ref>''Energy in Sweden 2010, Facts and figures.'' Tabelle 55: ''Regional energy use, 1990 and 2008 (kWh per capita)'' (schwedisch; umgerechnet in kwh und pro Kopf; {{Webarchiv | url=http://webbshop.cm.se/System/TemplateView.aspx?p=Energimyndigheten&view=default&cat=/Broschyrer&id=e0a2619a83294099a16519a0b5edd26f | wayback=20131016045634 | text=online}}).</ref> und für Peru<ref>Zahlen und Fakten: [http://www.bpb.de/wissen/HX3Y1A,0,0,Energieverbrauch_pro_Kopf.html ''Energieverbrauch pro Kopf.''] In: ''[[Bundeszentrale für politische Bildung]].'' 8. Oktober 2010, abgerufen am 1. September 2014.</ref> immerhin noch knapp fünfmal höher als der durchschnittliche [[Energieumsatz]] des menschlichen Körpers.<ref>Hans P. Elmiger: ''Energieverbrauch einst und jetzt – Last oder Chance für die Energiewende?'' Senioren-Universität Luzern, 13. Juni 2013, Folien 7–11 (Vorlesungsfolien; [http://www.sen-uni-lu.ch/media/Referate/Elmiger_Energie-Vortrag%20vom%2013_06_13.pdf PDF-Datei; 2,7 MB; 81 Seiten] auf sen-uni-lu.ch).</ref> Das diese Entwicklung negative Auswirkungen auf den ökologischen Gesamthaushalt haben muss, ist offensichtlich. |
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In den [[Biodiversitätskonvention]] der [[UNO]] wird ausdrücklich auf die Abhängigkeit traditionell wirtschaftender Gemeinschaften von intakten Ökosystemen hingewiesen, denen sie seit alters her alles Lebensnotwendige entnommen haben. Die Konvention erkennt an, dass ihre Lebensweisen in besonderem Maße nachhaltig sind und die biologische Vielfalt nicht verringern. Im Gegensatz zu industrialisierten Gesellschaften, die nicht unmittelbar auf ein bestimmtes Gebiet angewiesen sind, haben solche Gemeinschaften ein direktes Interesse an der Aufrechterhaltung und dem Schutz dieser Ökosysteme, deren Stabilität sie nie gefährdet haben.<ref name="von Hahn 47–56" /> |
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== Heutige Bedeutung und zukünftige Entwicklungen == |
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[[Datei:Ethnic Bamar men, Bagan, Myanmar.jpg|mini|Auf den ersten Blick rückständig, bei näherer Betrachtung angepasst, nachhaltig und effizient – wenn man nicht nur marktwirtschaftlich denkt]] |
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[[Datei:Indigener Markt, Saquisilí, Ecuador 1.jpg|mini|In den Anden werden die Überschüsse traditionell hergestellter Waren auf großen indigenen Märkten verkauft]] |
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Die Völker, die nicht isoliert leben, werden sich nicht dauerhaft gegen die Eingliederung in die Weltwirtschaft widersetzen können; schon allein deshalb, weil sie gar nicht gefragt wurden, ob und wie sie an ihr teilnehmen wollen.<ref name="BMAG">Big Mountain Aktionsgruppe e. V. (Hrsg.): ''Stimmen der Erde.'' Raben, München 1993, S. ??.<!--SEITE?--></ref> So wird zum Beispiel infolge der zunehmenden [[Kommerzialisierung]] der tropischen Landwirtschaft der Wanderfeldbau zunehmend durch großflächig angelegte [[Dauerkultur|Dauer-]] und [[Monokultur]]en ersetzt (Öl- und Kokospalmen, Kakao, Kaffee, Tee, Kautschuk, Gewürze, Bananen oder Zuckerrohr). Viele Bauern, die auch davon profitieren wollen, begeben sich seit den letzten Jahrzehnten in abhängige Arbeitsverhältnisse auf den Plantagen multinationaler Konzerne; die wenigsten sind in der Lage, ihre eigene Produktion weltmarktfähig zu machen. Kommt es dann zum Preisdiktat durch die Abnehmer – wie bei der Banane –, werden die Arbeitsbedingungen für die Plantagenarbeiter immer schlechter und die selbstständigen Bauern sind nicht mehr konkurrenzfähig und verlieren ihre Existenzgrundlage.<ref>''Das Ökosystem der immerfeuchten Tropen.'' In: ''TERRAMethode.'' Klett, S. 46–55, hier S. 52 ([http://www2.klett.de/sixcms/media.php/82/DO03029110_Oekosysteme_046_055.pdf PDF-Datei; 2,1 MB; 5 Seiten]).<!--Autor? Ort?--></ref><ref>Sarah Zierul: ''Billig. Billiger. Banane – Ein Lebensmittel wird verramscht.'' Fernsehdokumentationen für den WDR, 2013.</ref> (Es gibt in diesen Fällen Beispiele für die Rückkehr zur Subsistenzproduktion (etwa aus Tansania), sofern die Gegebenheiten das noch zulassen.)<ref name="Goldsmith 368" /> |
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Die Angehörigen lokaler Gemeinschaften verfügen vielfach über ein reichhaltiges [[Traditionelles Wissen]] über ihre heimische Flora und Fauna. Durch die wirtschaftliche Globalisierung werden diese Menschen immer häufiger Ziel von Forschungsprojekten der Industrienationen, beispielsweise auf der Suche nach neuen Medikamenten oder Nahrungsmittelpflanzen. Leider werden die Urheber dabei massiv übervorteilt oder haben überhaupt keinen Nutzen von den patentierten „Entdeckungen“ der westlichen Welt. Seit Beginn der 1990er Jahre gibt es Bestrebungen zum Schutz solchen Wissens, um die (indigenen) Urheber am Profit aus eventuellen Gewinnen zu beteiligen. Bislang fehlen jedoch noch bindende gesetzliche Grundlagen, so dass die Industrie in aller Regel hohe Gewinne erzielt, während der Nutzen für die ursprünglichen Träger ausbleibt.<ref name="von Hahn 5–18" /> ''(→ siehe auch: [[Biopiraterie]])'' |
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Die Anerkennung traditioneller Wirtschaftsformen ist angesichts der globalen Wirtschaftsideologie ([[#Gleichwertige Wirtschaftsformen|siehe oben]]) enorm schwierig. Der Staat Brasilien macht in dieser Hinsicht – zumindest administrativ – eine Ausnahme. Dort gibt es eine sehr entwickelte Debatte über sogenannte [[Brasilien#„Traditionelle Völker und Gemeinschaften“|„traditionelle Völker und Gemeinschaften“]]. Ausgelöst von den erfolgreichen Protesten der Kautschukzapfer in den 1980er Jahren stellten immer mehr lokale Gemeinschaften entsprechende Forderungen auf den Schutz ihrer Subsistenzinteressen. Dies führte 2007 zum rechtlich bindenden „Dekret für Traditionelle Völker und Gemeinschaften“ (Decreto 6040). Trotz dieser zweifellos positiven Entwicklung setzt die Entwicklungspolitik Brasiliens nach wie vor auf die [[Raubbau (Natur)|zerstörerische Ausbeutung der Naturressourcen]]. |
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== Ethnologische Betrachtungen == |
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=== Allgemeines === |
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[[Datei:Ahu Nau Nau - Easter Island (5956407322).jpg|mini|Die steinernen [[Moai]]-Figuren der Osterinsel legen Zeugnis von einer dramatischen Umweltzerstörung der einstmals komplett bewaldeten Insel ab: Auch traditionelle Systeme waren nie vor Fehlentwicklungen sicher]] |
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In der Ethnologie allgemein anerkannt ist die Kernthese [[Karl Polanyi]]s zu den [[Subsistenzwirtschaft]]en der sogenannten „[[Naturvolk|Naturvölker]]“: Wirtschaft ''dient'' ausschließlich dem Überleben und rangiert hinter den sozialen und kulturellen Erfordernissen. Es gibt daher in den meisten Fällen weder Gewinnstreben noch Lohnarbeit oder Konkurrenz. Selbst in traditionellen Ackerbaukulturen – die durchaus Handel und Märkte kennen –, hat die Wirtschaft keinen prägenden Einfluss auf das alltägliche Leben, wie es in den modernen Gesellschaften üblich ist.<ref>Bernhard Streck (Hrsg.): ''Wörterbuch der Ethnologie.'' Hammer, Wuppertal 2000, S. ??.<!--Stichwort? SEITE?--></ref><ref name="Polanyi">[[Karl Polanyi]]: ''Ökonomie und Gesellschaft''. Suhrkamp, Frankfurt 1979, S. ??.<!--SEITE?--></ref> |
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In Anlehnung an die Philosophie des Ethnologen [[Claude Lévi-Strauss]] repräsentiert das moderne Wirtschaften die „heiße“ Seite des [[Kalte und heiße Kulturen oder Optionen|kulturellen Spektrums]]: Angetrieben von einem uneingeschränkten Glauben an die menschlichen Fähigkeiten und den Willen zu [[Fortschritt]] und Risiko unterliegt es permanenter Veränderung, zunehmender [[Mechanisierung]] und [[Automatisierung]] sowie einer ausschließlich [[markt]]­wirtschaftlich ausgerichteten Zielsetzung. |
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Demgegenüber steht das traditionelle – „kalte“ – Wirtschaften: Es sind die seit vielen Generationen bewährten Versorgungsstrategien, die wenig mechanisiert sind, jedoch effizient an die natürlichen Bedingungen angepasst und vorwiegend auf [[Selbstversorgung]] ausgerichtet. Traditionelle Wirtschaftsformen fußen demnach ursprünglich auf einem Glauben an die Natur und einem Zweifel an den menschlichen Fähigkeiten, so dass hier der Wille zu [[Anpassungsfähigkeit|Anpassung]] und Sicherheit ausschlaggebend für das Handeln ist. Veränderungen wurden früher nur zugelassen, wenn sie einen ''harmonischen'' Nutzen im Gesamtzusammenhang erkennen ließen.<ref>Dietmar Treichel und Claude-Hélène Mayer (Hrsg.): ''Lehrbuch Kultur. Lehr- und Lernmaterialien zur Vermittlung kultureller Kompetenzen.'' Waxmann, Münster 2011, S. 5–37, hier S. ??.<!--genaue SEITE?--></ref> Der Einfluss der modernen Lebensweise führt allerdings häufig zu einem stark beschleunigten [[Kulturwandel]], in dessen Folge diese traditionellen Werte in Frage gestellt werden. Insofern sind fast alle diese Wirtschaftsformen heute bedrohte [[Kulturgut|Kulturgüter]].<ref name="von Hahn 47–56" /> |
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=== Traditionelle Wirtschaft und Weltanschauung === |
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[[Datei:Rentierscheidung bei Nikkaluokta.jpg|mini|Die moderne Rentierzucht in Lappland ist bereits so marktorientiert, dass immer größere Herden auf immer engerem Raum gehalten werden müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben<ref>Nicole Kemper: ''Untersuchungen zum Vorkommen ausgewählter Zooanthroponose-Erreger bei Rentieren unter dem Aspekt der aktuellen Situation der finnischen Rentierwirtschaft.'' Tierärztliche Hochschule Hannover und Universität Kiel 2004, S. 100 (Doktorarbeit).</ref>]] |
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{{Zitat |
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|Text= Ein [[Samen (Volk)|saamischer]] Mythos besagt, dass die Göttin über die Rentierweiden in Bedrängnis geriet, weil die Rentierherden so zahlreich geworden waren, dass sie alle Flechten bis auf den Grund abfraßen, so dass es bald kein Futter mehr gab, die Rentiere zugrunde gingen und für die Menschen eine Zeit des Elends begann. Da kam ihr eine andere Göttin zu Hilfe und schuf den Wolf, den die Saami „Waldhund“ nennen. Dem Menschen aber gab sie den Hund. Fortan lebten sie alle nebeneinander: Mensch, Rentier, Wolf und Hund. Die Saami töteten den Wolf nicht, sie verjagten ihn nur. |
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|Autor= Wolf-Dieter Seiwert |
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|ref= <ref>Wolf-Dieter Seiwert: ''Ethnische Identität und traditionelle Landnutzung der Saami in Russisch-Lappland.'' In: Wolf-Dieter Seiwert (Hrsg.): ''Die Saami. Indigenes Volk am Anfang Europas.'' Deutsch-Russisches Zentrum, Leipzig 2000, S. 104.</ref> |
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Die Ethnologie hat gezeigt, dass traditionell-nachhaltiges Wirtschaften in sehr vielen indigenen Kulturen ''(vor dem Kontakt mit den Europäern)'' als moralische Leitlinie einer „heiligen Erdverbundenheit“ im [[Kulturelles Gedächtnis|kulturellen Gedächtnis]] '' über [[Animismus (Religion)|animistische Weltbilder]], [[Mythen]], [[Rituale]] und [[Tabu]]s'' verankert war<ref name="Goldsmith 332 ff" /><ref name="Lévi-Strauss" /><ref>[[Roy Rappaport]]: ''Ecology, Meaning and Religion''. North Atlantic Books, Richmond 1979, S. ??.<!--SEITE?--></ref> ''(→ siehe auch: [[Wildes Denken]])''. Nach Odum und [[Walter Cannon|Cannon]] verfügen alle stabilen Systeme über Mechanismen, die ihren Gleichgewichtszustand möglichst konstant halten und dabei Schwankungen der Umwelt ausgleichen. Die Anthropologen [[Roy Rappaport]], [[Gerardo Reichel-Dolmatoff]] und Thomas Harding haben unabhängig voneinander festgestellt, dass die Mythen und rituellen Zyklen der sogenannten „[[Naturvolk|Naturvölker]]“ genau diese Aufgabe erfüllen und den Gemeinschaften ermöglichen, sich Veränderungen der Umwelt ''so weit wie möglich'' anzupassen und die Stabilität der Ökosysteme dabei ''so wenig wie möglich'' zu beeinträchtigen.<ref name="Goldsmith 159 ff" /> |
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Diese Erkenntnis darf allerdings nicht dazu führen, Menschen naturangepasster Kulturen generell als „Umweltengel“ hochzustilisieren. Vermutlich hat noch keine Gesellschaft existiert, in der es nicht „Traditionalisten“ ''und'' „Modernisten“ gab, die in Bezug auf Veränderungen eine konträre Meinung hatten. Heute muss man bei lokalen Gruppen, die bereits an der Marktwirtschaft teilnehmen und moderne Wertvorstellungen übernommen haben, davon ausgehen, dass die Erdverbundenheit nur noch bei den Traditionalisten eine Rolle spielt. Die Modernisten hingegen verbleiben nur dann bei den traditionell nachhaltigen Wirtschaftsmethoden, wenn es ihnen kurzfristige Vorteile verschafft. Wo dieses ökonomische Kalkül vorherrscht, nimmt die Umwelt nur so lange keinen Schaden, wie die geringe Besiedlungsdichte, die vorwiegende Selbstversorgung und die Verwendung bescheidener technischer Mittel erhalten bleibt. Der Trend zu einem weiteren Kulturwandel und damit zu intensiverer Naturnutzung ist jedoch meist unvermeidbar.<ref name="von Hahn 47–56" /> |
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== Siehe auch == |
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* [[Traditionelle Wirtschaftsformen im Jemen]] |
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* [[Kulturareal#Kulturareale der Erde: Spiegelbild der Vegetationszonen und traditionellen Landnutzung|Kulturareale der Erde: Spiegelbild der Vegetationszonen und traditionellen Landnutzung]] |
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== Einzelnachweise == |
== Einzelnachweise == |
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<references /> |
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=== Zahlenangaben === |
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'''Ermittlung der im Artikel verwendeten Bevölkerungszahlen je Wirtschaftsform (in Mio. Menschen)''' |
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{| class="wikitable" |
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! style="width:16%" | Wirtschaftsform !! style="width:7%" | von !! style="width:7%" | bis !! style="width:70%" | Zitat / Berechnung |
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| Jäger und Sammler |
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| style="text-align:right" | 0,06 |
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| style="text-align:right" | 3,8 || ''„Um 1500 n. Chr. schrumpfte der Anteil der Sammler und Jäger an der Weltbevölkerung auf 1 Prozent, heute sind es gerade einmal 0,001 Prozent. [...]“'' (bezogen auf 6,2 Mrd. Menschen im Jahr 2000, Tendenz abnehmend, Zahlen auf volle 10.000 gerundet)<ref name="Rakelmann 1991" /> ''„It is extremely difficult to say how many hunter-gatherers there are in the world today. […] Table I.1 contains data on the estimated numbers of hunter-gatherers in the contemporary world. […] Grand Total (Foragers and former foragers) 3.829.500.“''<ref name="HGMW" /><ref group="Anmerkung" name="Anm-1" /> |
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| trad. Bodenbau gesamt |
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| style="text-align:right" | 2.500,0 |
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| style="text-align:right" | 2.500,0 || ''„Über 80 Prozent der ländlichen Bevölkerung in Entwicklungsländern hängen direkt vom Family Farming (Anm.: traditionelle, kleinbäuerliche Landwirtschaft) ab. Dies sind 2,5 Milliarden Menschen. Weltweit gesehen liegt dieser Prozentanteil bei 40 Prozent. [...]“''<ref name="Frankhauser 2014" /> |
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| Shifting cultivation |
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| style="text-align:right" | 300,0 |
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| style="text-align:right" | 300,0 || ''„Giardina et al. (2000) reportet that 300 million people annually practice shifting agriculture […]“''<ref name="Giardina et al. 2000" /> |
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| Wanderfeldbau |
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| style="text-align:right" | 37,0 |
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| style="text-align:right" | 37,0 || ''„Dixon et al. (2001) report that 37 million people, or 2 percent of the agricultural population of the tropics, practice some form of shifting cultivation in about 1 billion ha or 22 percent of the tropical land area. […] These numbers do not include people practicing more intense systems in the humid tropics that were originally established by slash-and-burn practices. […]“''<ref name="Dixon et al. 2001" /> |
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| Landwechselwirtschaft |
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| style="text-align:right" | >260,0 || Berechnung<ref group="A">Berechnungsergebnis</ref> aus<ref name="Giardina et al. 2000" /> und <ref name="Dixon et al. 2001" /> |
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| Dauerfeldbau |
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| style="text-align:right" | 2.200,0 || Berechnung<ref group="B">Berechnungsergebnis</ref> aus<ref name="Frankhauser 2014" /> und <ref name="Giardina et al. 2000" /> |
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| Pastoralismus |
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| style="text-align:right" | 200,0 |
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| style="text-align:right" | 500,0 || ''„Pastoralism is practiced by between 200 and 500 million people worldwide, encompassing nomadic communities, transhumant herders, and agro-pastoralists […]“''<ref name="UNEP 2014" /> |
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| Mobile Tierhaltung |
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| style="text-align:right" | 40,0 |
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| style="text-align:right" | 40,0 || ''„[[Günther Schlee]] vom Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle/Saale […] Seiner Schätzung nach gibt es noch etwa 40 Millionen nomadische Viehzüchter auf der Welt.“''<ref name="Schlee 2010" /> |
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| Agropastoralismus |
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| style="text-align:right" | 460,0 || Berechnung<ref group="C">Berechnungsergebnis</ref> aus<ref name="UNEP 2014" /> und <ref name="Schlee 2010" /> |
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| Trad. Wirtsch.-f. gesamt |
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| style="text-align:right" | 2,7 Mrd. |
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| style="text-align:right" | 3 Mrd. || Berechnung,<ref group="D">Berechnungsergebnis</ref> aus <ref name="Rakelmann 1991" /> <ref name="Frankhauser 2014" /> und <ref name="UNEP 2014" /> |
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:A. gerundet berechnet aus: Giardina et al. (2000)<ref name="Giardina et al. 2000">Giardina et al. (2000) in Christoph Steiner: ''Slash and Char as Alternative to Slash and Burn: Soil Charcoal Amendments Maintain Soil Fertility and Establish a Carbon Sink.'' 1. Auflage, Cuvillier Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-86727-444-9. Kapitel 5.3 Introduction. [http://books.google.de/books?id=f4wP7xyCM7EC&pg=PT76&dq=„slash+and+burn„+shifting+million+people&hl=de&sa=X&ei=MZiGVLLNLYbfasLvgfgG&ved=0CBkQ6AEwAQ#v=onepage&q=million%20people&f=false online bei Google-Books]</ref> abzüglich Dixon et al. (2001)<ref name="Dixon et al. 2001" /> |
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:B. berechnet aus: Frankhauser (2014)<ref name="Frankhauser 2014" /> abzüglich Giardina et al. (2000)<ref name="Giardina et al. 2000" /> |
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:C. berechnet aus: UNEP (2014)<ref name="UNEP 2014" /> abzüglich Schlee (2010).<ref name="Schlee 2010" /> |
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:D. gerundet berechnet aus: Rakelmann (1991)<ref name="Rakelmann 1991" /> zuzüglich Frankhauser (2014).<ref name="Frankhauser 2014" /> und UNEP (2014).<ref name="UNEP 2014" /> |
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=== Weitere Quellen === |
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<ref name="Goldsmith 332 ff">[[Edward Goldsmith]]: ''Der Weg. Ein ökologisches Manifest.'' Bettendorf, München u. a. 1996, ISBN 3-88498-091-2, S. 332 ff.</ref> |
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<ref name="Goldsmith 368">Edward Goldsmith: ''Der Weg. Ein ökologisches Manifest.'' Bettendorf, München u. a. 1996, ISBN 3-88498-091-2, S. 368.</ref> |
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<ref name="Goldsmith 159 ff">Edward Goldsmith: ''Der Weg. Ein ökologisches Manifest.'' Bettendorf, München u. a. 1996, ISBN 3-88498-091-2, S. 159 ff.</ref> |
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<ref name="Rothe 38–41">Franz Rothe: ''Kulturhistorische und kulturökologische Grundlagen der Intensivierungs- und Bewässerungstechniken traditioneller Agrarkulturen in Ostafrika: Ihr Entwicklungshintergrund und ihre Überlebensfähigkeit.'' Philosophischen Fakultät, Universität Freiburg 2004, S. 38–41.</ref> |
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<ref name="Rothe 57">Franz Rothe: ''Kulturhistorische und kulturökologische Grundlagen der Intensivierungs- und Bewässerungstechniken traditioneller Agrarkulturen in Ostafrika: Ihr Entwicklungshintergrund und ihre Überlebensfähigkeit.'' Philosophischen Fakultät, Universität Freiburg 2004, S. 57.</ref> |
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== Anmerkungen == |
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Version vom 9. Juni 2019, 19:56 Uhr
Unter dem Begriff aerotoxisches Syndrom werden mögliche Gesundheitsschädigungen diskutiert, die durch Verunreinigung der Atemluft in der Kabine von Passagierflugzeugen ausgelöst werden können. Dabei werden hauptsächlich Probleme in der Zapfluft-Anlage als mögliche Ursache von Verunreinigungen der Atemluft genannt.[1] Airlines und Flugzeughersteller sowie Behörden sprechen inzwischen von sogenannten „Fume Events“ oder auch „Smell-Events“. Maßgeblich ist jedoch, dass nicht bei jedem solcher Vorfälle unbedingt auch sichtbarer Dunst oder Rauch in Cockpit und Flugzeugkabine auftreten muss.
Das aerotoxische Syndrom gilt als relativ unerforschtes Krankheitsbild, das gegenwärtig noch untersucht wird, obwohl es schon seit dem Ende der 1950er-Jahre bekannt ist.[2] Der Begriff stammt aus dem Jahr 1999 und wurde von dem US-amerikanischen Luftfahrtmediziner Harry Hoffman († 2004), dem australischen Toxikologen Chris Winder († 2014) und dem französischen Forensiker Jean Christophe Balouet eingeführt.
Symptomatik
Unter dem Begriff „aerotoxisches Syndrom“ wird eine Reihe von Symptomen zusammengefasst, die bei Betroffenen nach einem sogenannten „Fume Event“ auftreten und klinisch nachweisbar sind. Dazu gehören: Schleimhautreizung, Atemnot, Herzrhythmusstörungen, Kopfschmerzen, Bauchkrämpfe, Muskelschwäche, grippeähnliche Symptome, Panikattacken, Störungen des Gleichgewichts und des Ganges, Kribbeln und Taubheitsgefühl. Diese Symptome können, müssen aber nicht sofort eintreten. Sie können sich auch über Tage und Wochen entwickeln oder ganz ausbleiben[3]. Als offizielles Krankheitsbild ist es bisher nicht anerkannt. Hervorgerufen werden soll es durch die Aufnahme durch Einatmung und über die Haut von erhitzten (pyrolysierten) Stoffen aus den Schmiermitteln und Hydraulikflüssigkeiten, die in der Luftfahrt verwendet werden.
Hintergrund
Nahezu alle Verkehrsflugzeuge beziehen die Frischluft für die Kabine mittels einer Zapfluftanlage aus dem Verdichter des Triebwerkes. Zunächst wurde angenommen, dass nur bei fehlerhafter Abdichtung der Lager im Verdichter Ölpartikel pyrolysiert und dann als Dämpfe in den Luftstrom des Triebwerks und von dort über die Zapfluftanlage in die Kabinenluft gelangen können. Inzwischen erkennen jedoch auch Triebwerkshersteller an, dass es kein komplett öldichtes Triebwerk gibt[4]. Insbesondere bei Lastwechseln kann Öl aus den Dichtungen im Inneren des Triebwerkes austreten und erhitzt sich im heißen Luftstrom (Pyrolyse)[5]. Nach Ansicht des britischen Luftfahrtingenieurs Graeme Davidson wird der Austritt von geringen Ölmengen auch dadurch begünstigt, dass Triebwerke heute in der Regel länger zwischen den Wartungsintervallen betrieben werden, als es beispielsweise noch in den 80er Jahren der Fall gewesen ist. Dieses Vorgehen wird seitens der Aufsichtsbehörden geduldet, solange die Triebwerke konstant „monitored“, also die Leistungsdaten überwacht werden.
Triebwerksöle
Die Triebwerke werden mit einem speziellen Öl geschmiert, aus dem jedoch, wenn es erhitzt wird, hochgiftige bis nervenschädigende Dämpfe entstehen, die unter Umständen ungefiltert in die Atemluft der Passagierkabine gelangen können. Diese enthalten Stoffe wie Phenyl-Naphthylamine und Organophosphate, darunter Trikresylphosphat (TKP, engl: TCP), die von mehreren Toxikologen als hochgefährlich eingestuft wurden.[6][7] Bei einer Untersuchung von im Jahr 2008 heimlich genommenen Proben in Maschinen diverser Fluggesellschaften (überwiegend deutsche Firmen) konnten in 90 Prozent der Proben Rückstände von Trikresylphosphat nachgewiesen werden. Der höchste Wert von 154,9 Mikrogramm Trikresylphosphat wurde auf einer Fläche von 2×2 cm in einer Maschine vom Typ Boeing 757 der Condor gemessen. Auch in anderen Maschinen, etwa vom Typ BAe 146 bzw. Avro RJ und Airbus, wurden erhöhte Rückstände von TCP in der Kabine registriert.[8] Doch nach Ansicht führender Wissenschaftler, wie dem US-amerikanischen Pharmakologen und Neurobiologen Professor Dr. Mohamed B. Abou-Donia ist nicht das TKP, bzw. sein als toxisch bekannter Bestandteil Triorthokresylphosphat (ToKP) ursächlich für die Symptome und Erkrankungen. Vielmehr geht der Wissenschaftler davon aus, dass erst der chemische „Cocktail“ der verschiedenen erhitzten und so veränderten Stoffe zu Schädigungen am menschlichen Organismus führt[9]. Abou-Donia bezieht sich bei seinen Forschungen zum aerotoxischen Syndrom auch auf die Erkenntnisse, die er und seine Kollegen seinerzeit im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums hinsichtlich der inzwischen als Golfkriegssyndrom anerkannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei amerikanischen und britischen Kriegsveteranen gewonnen haben. Die Soldaten waren vor ihrem Einsatz im Irak 1991 mit einer Vielzahl von Chemikalien und Präparaten „präventiv“ behandelt worden, darunter auch Organophosphaten. Damals wurde festgestellt, dass, obwohl die einzelnen Stoffe als unbedenklich angesehen wurden, die Verabreichung in Kombination mehrerer dieser Substanzen und darunter auch Organophosphaten sogar zum Tod der Versuchstiere im Labor führen konnte[10].
Laut einer im März 2017 veröffentlichte Studie der EASA enthalten die zwei darin analysierten neuen Öle und gebrauchten Öle TCP, allerdings wurden keine giftigen Orthotrikresylphosphat-Isomere nachgewiesen. Laut der Studie sind in den Ölen nach der Pyrolyse neuroaktive Substanzen vorhanden, jedoch in einer so geringen Konzentration, dass sie in einer gesunden Lunge keinen Schaden anrichten können. Bei einer zweiten Studie wurde bei 69 Linienflügen mit acht unterschiedlichen Flugzeug- und Triebwerksmustern zwar vereinzelt Kleinstmengen von Trikresylphosphat-Konzentrationen im Nanogrammbereich pro Kubikmeter gemessen, jedoch niemals Orthotrikresylphosphate. Dabei ergaben die Luftmessungen im Dreamliner (bei der Boeing 787 wird auf die Verwendung von Zapfluft verzichtet) überraschenderweise eine ähnliche Schadstoffkonzentration (inkl. TCP) in der Kabine wie in den anderen Flugzeugmustern. Die gemessene Kabinenluftqualität war ähnlich oder besser als die in normalen Innenräumen, wie z. B. in Büros oder Schulen.[11]
Bluttest (aka „Nebraska-Test“)
Geringe Mengen von TKP konnten auch im Blut von Passagieren über ein Abbauprodukt nachgewiesen werden.[12] Dieser Test, der seinerzeit in ein Forschungsprojekt der Universität Nebraska eingebunden war, wird seit 2013 nicht mehr angeboten.
Andere gesundheitsbeeinträchtigende Stoffe
Eine Untersuchung mittels Urinproben von 332 Flugbegleitern und Piloten, die im Auftrag des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung am IPA Institut in Bochum durchgeführt wurde, fand keine Abbausstoffe des als toxisch angesehenen ToKP. Daraus wurde geschlussfolgert, dass die berichteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht von ToKP ausgelöst werden könnten. Allerdings hat der Würzburger Toxikologe Dietrich Henschler bereits in seinen Studien zu Trikresylphosphat Ende der 1950er Jahre nachgewiesen, dass bei einer Reduktion des giftigen Ortho-Gehalts von TKP die Toxizität der Di- und Mono-ortho-Isomere des TKP um das 5- bis 10-fache ansteigen können[13]. Ungeachtet dessen war aber bemerkenswert, dass in allen genommenen Urinproben signifikant erhöhte Metabolitkonzentrationen für die Organophosphate TBP (Tributylphosphat), TCEP (Tris(2-chlorethyl)phosphat) und TPP (Triphenylphosphat) im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung festgestellt wurden[14]. Als „fragwürdig“ diskutiert wird daher in der Fachwelt auch die Schlussfolgerung der Autoren dieser Studie, die im Auftrag und unter Beteiligung der Berufsgenossenschaft Verkehr durchgeführt wurde. Ausweislich der hierzu herangezogenen Methodik[15] war es damit gar nicht möglich zu bestimmen, „ob die beiden Isomere des Kresylphosphates aufgenommen, metabolisiert und mit dem Urin ausgeschieden werden“..."Möglicherweise vorhandene Konzentrationen liegen unterhalb der Nachweisgrenze von 1,0 μg/l und sind deshalb mit der vorliegenden Methode nicht zu erfassen"[16].
Filter
Filtersysteme für die Reinigung der Kabinenluft sind zwar inzwischen entwickelt und auch behördlich zugelassen[17], kommen aber in Passagiermaschinen in der Regel nicht zum Einsatz. Derzeit ist ein solches System nur auf Maschinen des Typs BAe 146/Avro Regional Jet bei der Swiss und auf der Boeing 757 des Frachtunternehmens DHL im Einsatz. Bei größeren Maschinen gibt es offenbar Probleme mit der benötigten Luftdurchsatzmenge in der Passagierkabine.
Forensisch-pathologische Untersuchungen an verstorbenen Besatzungsmitgliedern
Der Fall Westgate
Die forensisch-pathologischen Untersuchungen an der Leiche des im Dezember 2012 in Amsterdam verstorbenen britischen Piloten Richard M. Westgate kamen im Juli 2014 zu dem Schluss, dass auch die schleichende Vergiftung durch anhaltende geringe Dosen von pyrolysierten Organophosphaten zu massiven Gesundheitsbeeinträchtigungen führen können. Westgate hatte seinen Körper vor seinem Tod der Wissenschaft vermacht, um so genauere Aufschlüsse über das aerotoxische Syndrom zu gewinnen. Neben dem Absterben von Hirn- und Nervenzellen wurden im Herzmuskelgewebe des Verstorbenen Nachweise für lymphozytäre Myokarditis festgestellt. Darunter versteht man Schädigungen des Herzmuskelgewebes (siehe Abb. Westgate Microscopy)

Die an den Untersuchungen beteiligten Forscher und Wissenschaftler führen diese Schädigungen auf die länger anhaltenden Exposition mit pyrolysierten Organophosphaten aus der Atemluft im Flugzeug zurück[18]. Die Untersuchungen sind Bestandteil eines Verfahrens zur Ermittlung der Todesumstände nach britischem Recht unter der Leitung eines Coroners (Leichenbeschauers) ihrer Majestät der Königin. Dieser hat die Kompetenzen eines Untersuchungsrichters und ist von politischen Einflüssen absolut unabhängig. In diesem Fall hat Coroner Stanhope Payne sich am 16. Februar 2015 veranlasst gesehen, sowohl den ehemaligen Arbeitgeber des verstorbenen Piloten (British Airways) als auch die zivile britische Luftfahrtbehörde (CAA) amtlich über seine Erkenntnisse zu informieren und aufgefordert, unverzüglich Maßnahmen einzuleiten[19]. Solche Maßnahmen haben das Unternehmen und die Behörde unter Berufung auf industrie-eigene Untersuchungen aus den Vorjahren abgelehnt.
Der Fall Brady
Das gleiche Team von Ärzten und Wissenschaftlern hat bis Sommer 2015 noch weitere, auf unnatürlich Weise verstorbene Besatzungsmitglieder obduziert und in allen Fällen Hinweise auf gleiche Schädigungen des Herzmuskelgewebes gefunden. Andere hierfür zunächst mögliche Ursachen konnten ausgeschlossen werden. Der letzte Verstorbene war der British-Airways-Flugbegleiter Warren Brady. Hierüber wurde durch Vertreter des Wissenschaftsteams anlässlich einer aufgezeichneten Pressekonferenz in Berlin am 15. Juli 2015 berichtet.[20][21]

Vorkommen
Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) hat zu derartigen Vorfällen im Jahr 2014 eine als „Studie“ titulierte Abhandlung veröffentlicht.[22] Das britische Pendant, die Civil Aviation Authority, hat 2006 1050 Vorfälle von kontaminierter Kabinenluft erfasst, wovon 444 davon auf Flugzeuge des Typs Boeing 757 und 233 weitere auf die BAe 146 entfallen, die damit die am häufigsten betroffenen Flugzeugtypen sind.[23] Außer in den bekannten und bemerkten Fällen (fume event) enthält die Kabinenluft auch im normalen Zustand etwas verdampftes Öl,[24] da geringe Mengen jederzeit in die Zapfluft gelangen können.[25]
Eine parlamentarische Anfrage auf Initiative des Bündnis 90/Die Grünen an die Bundesregierung ergab im Januar 2015, dass die offizielle Statistik für Vorfälle mit Kabinenluft in Deutschland von dem Flugzeugtyp Boeing 757 angeführt wird, gefolgt mit einigem Abstand von Airbus-Flugzeugen.[26]
Im April 2015 berichtete die englische Daily Mail, dass es – allein von Dezember 2014 bis März 2015 – 167 von Piloten gemeldete Zwischenfälle mit kontaminierter Kabinenluft gab. Davon waren 12 so ernsthaft, dass die Piloten eine vorgezogene Landung durchführten. In zwei Fällen ging sogar eine Notmeldung voraus. Viele ehemalige Piloten und Mitglieder des Flugpersonals klagen darüber, dass sie durch das Aerotoxische Syndrom Langzeiterkrankungen erlitten haben.[27]
Forschungsprogramm
Die EASA hat die MHH und ein Fraunhofer-Institut mit einer Untersuchung über die Schadstoffbelastung von Kabinenluft beauftragt. Untersucht werden soll die Kabinenluft im Normalzustand und bei „fume events“.[28]
Die Europäische Kommission und die EASA haben eine Folgestudie zum Thema Kabinenluft initiiert. Die Studie FACTS wird von einem Konsortium aus Forschungseinrichtungen und Industrie ausgeführt.
Verschiedenes

- 2001 wurde in Australien die Aviation Organophosphate Information Site (AOPIS) gegründet, in der sich Piloten und Besatzungsmitglieder organisieren, die meinen, an einem aerotoxischen Syndrom zu leiden.[29] Eine weitere Gruppe mit ähnlichen Zielen ist Aerotoxic Association, die auch in Deutschland aktiv ist.[30]
- In der Schweiz ist der Internetdienst Aerotoxic Team ansässig. Hier sind Informationen in Deutsch, Englisch, Holländisch, Französisch und Spanisch verfügbar
- In Australien wurden einer Flugbegleiterin 97.000 Euro Schmerzensgeld gezahlt, nachdem sie Öldämpfen ausgesetzt war und seitdem an Atembeschwerden leidet. In Deutschland ist eine ähnliche Klage anhängig.[31]
- Im August 2010 kündigte die Deutsche Lufthansa aufgrund wachsender Kritik an, dass sie bei ihrem Bordpersonal Urinproben auf das Nervengift TCP untersuchen will.[32]
- Die Douglas DC-8 (außer bei den DC-8-70ern, bei denen teilweise Zapfluft verwendet wird)[33] und die Boeing 787 sind die einzigen Verkehrsflugzeuge, die die Atemluft nicht durch ein Zapfluftsystem einspeisen, so dass eine Kontaminierung der Kabinenluft auf diesem Wege durch Gase von Triebwerksölen unmöglich ist. Dennoch wurden bei Messflügen im Dreamliner ähnliche Schadstoffkonzentration (inkl. TCP) in der Kabine wie in den anderen Flugzeugmustern nachgewiesen.[11]
- Am medizinischen Zentrum der Universität von Nebraska hat man das weltweit bisher einzige (Stand Oktober 2012) Verfahren entwickelt, mit dem sich anhand einer Blutprobe nachweisen lässt, ob eine Person Triorthokresylphosphat ausgesetzt war. Bei dem Kopiloten, der im November 2011 unter starker Übelkeit, Würgereiz und Blutdruckabfall gelitten hatte, wurde Triorthokresylphosphat im Blut festgestellt.[34]
- Besatzungen leiden wegen des ständigen Aufenthaltes in trockener Luft vermehrt an Atemwegsproblemen.[34]
- Bisher haben nur die neuen Boeing 787 separate elektrische Kompressoren eingebaut, mit dem Ziel, Gewicht und Kraftstoffverbrauch zu senken. Airbus entschied sich beim Konkurrenzmodell Airbus A350 für die klassische Methode: sie benötige weniger Wartung.[34]
- Am 15. Juli 2015 veröffentlichte der Berliner Luftfahrtjournalist und Filmemacher Tim van Beveren eine über 120 minütige Filmdokumentation unter dem Titel „Ungefiltert eingeatmet – Die Wahrheit über das Aerotoxische Syndrom“.
- 2016 wurde ein neues elektrisches Klimatisierungssystem der Liebherr-Aerospace Toulouse erfolgreich an einem Airbus A320neo getestet, bei dem Außen- statt Zapfluft verwendet wird. Dieses System ist aber bisher nur als „Option“ auf Kundenwunsch erhältlich.[35]
Literatur
- John Hoyte: Aerotoxic Syndrome: Aviation’s Darkest Secret, 272 Seiten, Pilot-Press, Juli 2014, ISBN 0-9929508-0-5
- Schopfer LM, Furlong CE, Lockridge O: Development of diagnostics in the search for an explanation of aerotoxic syndrome. In: Anal. Biochem. 404. Jahrgang, Nr. 1, September 2010, S. 64–74, doi:10.1016/j.ab.2010.04.032, PMID 20447373.
- Hale MA, Al-Seffar JA: Preliminary report on aerotoxic syndrome (AS) and the need for diagnostic neurophysiological tests. In: Am J Electroneurodiagnostic Technol. 49. Jahrgang, Nr. 3, September 2009, S. 260–79, PMID 19891417.
- Abeyratne R: Forensic aspects of the aerotoxic syndrome. In: Med Law. 21. Jahrgang, Nr. 1, 2002, S. 179–99, PMID 12017442.
- Gross H: [„Aerotoxic syndrome:“ danger caused by hydraulic oil in aircraft?] In: Dtsch. Med. Wochenschr. 135. Jahrgang, Nr. 19, Mai 2010, S. p18, doi:10.1055/s-0030-1247682, PMID 20461667.
- Schwarzer M, Ohlendorf D, Groneberg D A: Aerotoxisches Syndrom. In: Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie. 64. Jahrgang, Nr. 2, März 2014, S. 119–121, doi:10.1007/s40664-014-0023-7.
- Abou-Donia M.B.: Organophosphorus Ester-Induced Chronic Neurotoxicity. In: Archives of Environmental Health. 58. Jahrgang, Nr. 1, 2003, S. 484–497.
- Carletti et al.: Reaction of Cresyl Saligenin Phosphate, the Organophosphorus Agent Implicated in Aerotoxic Syndrome, with Human Cholinesterases: Mechanistic Studies Employing Kinetics, Mass Spectrometry, and X-ray Structure Analysis. In: Chem. Res. Toxicol. 24. Jahrgang, Nr. 1, 2011, S. 797–808.
Weblinks
- WDR Bericht über das Aerotoxische Syndrom mit Verhaltensregeln nach Bleed-Air Event und weiteren Links ( vom 11. Mai 2011 im Internet Archive)
- Bericht in der Fernsehsendung Monitor: Ahnungslose Flugpassagiere – Nervengift in der Kabinenluft? ( vom 8. Oktober 2011 im Internet Archive)
- Franziska Badenschier: Aerotoxisches Syndrom, Angst vor Nervengift im Flugzeug, in Zeit Online, Datum: 8. November 2011. Abgerufen am 16. Dezember 2011
- FAZ ('Motor und Technik', 24. Oktober 2012): Toxische Dämpfe oder heiße Luft über den Wolken?
- DIE WELT, 30. Juli 2014: Luft im Flugzeug kann Gehirnzellen töten
- Berit Gründlers: Neue Studie zur Kabinenluft, Giftige Dämpfe häufiger als gedacht, in aerotelegraph.com, Datum: 29. Juli 2014, Abgerufen: 1. August 2014
- Tim van Beveren: Gefährliche Giftschwaden in Passagier-Flugzeugen, in Welt Online, 1. Februar 2010, Abgerufen: 6. August 2014
- Protokoll des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften (BDF)
- Abschlussbericht des Australischen Senats zur Untersuchung BAe 146, 1999–2000 (englisch)
- FACTS Kabinenluftstudie (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Archivlink ( vom 25. September 2011 im Internet Archive)
- ↑ Tim van Beveren: Aerotoxisches Syndrom: Gefährliche Giftschwaden in Passagier-Flugzeugen. In: welt.de. 1. Februar 2010, abgerufen am 7. Oktober 2018.
- ↑ Archivlink ( vom 2. Januar 2016 im Internet Archive)
- ↑ Aktueller Stand zur Cabin Air Quality ( vom 2. Januar 2016 im Internet Archive)
- ↑ Kontaminierte Kabinenluft ( vom 2. Januar 2016 im Internet Archive)
- ↑ Airlines: Gift im Flieger? ( vom 11. Mai 2011 im Internet Archive)
- ↑ Über das Aerotoxische Syndrom ( vom 18. August 2010 im Internet Archive)
- ↑ Kontaminierte Kabinenluft an Bord von Verkehrsflugzeugen (PDF; 63 kB). Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Winfried Hermann, Peter Hettlich, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/12023, 5. März 2009.
- ↑ https://dibs.duke.edu/scholars/mohamed-abou-donia
- ↑ Mohamed B. Abou-Donia, Kenneth R. Wilmarth: Neurotoxicity resulting from coexposure to pyridostigmine bromide, deet, and permethrin: Implications of gulf war chemical exposures. In: J. Toxicol. Environ. Health. 1996; 48, S. 35–56.
- ↑ a b Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft : Sachstandsbericht: Qualität der Kabinenluft in Verkehrsflugzeugen| März 2017 ( des vom 5. August 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 5. August 2017
- ↑ http://www.aero.de/news/Forscher-weisen-Nervengift-TCP-bei-Flugpassagieren-nach.html Kabinenluft, Forscher weisen Nervengift TCP bei Flugpassagieren nach, in aero.de, Datum: 19. September 2011, Abgerufen: 5. Oktober 2011
- ↑ https://www.researchgate.net/publication/36201353_Die_Trikresylphosphatvergiftung_experimentelle_Klarung_von_Problemen_der_Atiologie_und_Pathogenese
- ↑ T. Weiß, B.Schindler, A.Schütze, H.C. Broding, J.Bünger, C.Felten, J.Hedtmann, T.Brüning in Abstract Branchenkonferenz „Luftqualität in Verkehrsflugzeugen“, Hamburg 4. Juni 2013
- ↑ B. Schindler: „Erarbeitung und Anwendung einer analytischen Methode zur Bestimmung der Metabolite von Flammschutzmitteln auf der Basis von Phosphorsäuretriestern in menschlichen Körperflüssigkeiten“, Dissertation, Universität Erlangen-Nürnberg, 2009
- ↑ vgl. S. 99, B. Schindler: „Erarbeitung und Anwendung einer analytischen Methode zur Bestimmung der Metabolite von Flammschutzmitteln auf der Basis von Phosphorsäuretriestern in menschlichen Körperflüssigkeiten“, Dissertation, Universität Erlangen-Nürnberg, 2009
- ↑ http://bleedfree.eu/wp-content/uploads/2015/10/B757-air-filter-EASA-STC.pdf
- ↑ http://www.welt.de/bin/case-study-130712813.pdf
- ↑ http://www.judiciary.gov.uk/wp-content/uploads/2015/03/Westgate-2015-0050.pdf
- ↑ https://www.youtube.com/watch?v=moZFD65FPE4
- ↑ http://www.austrianwings.info/2015/07/neue-erkenntnisse-zum-aerotoxischen-syndrom/
- ↑ BFU Studie zum Thema „Fume Events“ (PDF; 3 MB)
- ↑ wdr.de ( vom 21. August 2010 im Internet Archive)
- ↑ David Learmount: Many pilots 'medically-impaired' due to toxic cabin air, in Flightglobal.com, Datum: 26. Februar 2015
- ↑ Per Hinrichs, Tim van Beveren: Luft im Flugzeug kann Gehirnzellen töten, in Welt.de, Datum: 30. Juli 2014, Abgerufen: 7. August 2014
- ↑ Tim van Beveren, Per Hinrichs: Airlines gefährden Passagiere mit giftigen Dämpfen. In: welt.de. 8. Februar 2015, abgerufen am 7. Oktober 2018.
- ↑ http://www.dailymail.co.uk/news/article-3049700/167-cases-toxic-air-planes-just-four-months-Twelve-cases-result-pilots-requesting-priority-landing.html
- ↑ David Learmount: EASA awards contract for cabin air contamination research, in Flightglobal.com, Datum: 18. März 2015, Abgerufen: 17. April 2015
- ↑ www.aopis.org (Aviation Organophosphate Information Site) ( vom 4. Februar 2005 im Internet Archive)
- ↑ Offizielle Webpräsenz der Aerotoxic Association ( vom 19. August 2010 im Internet Archive)(Archivlink: deutsch, Link: englisch)
- ↑ "Fliegen nur noch mit Sauerstoffzelt" In: Süddeutsche Zeitung GmbH, 20. August 2010. Abgerufen am 1. Oktober 2012
- ↑ Giftige Bordluft: Urintest für Lufthansa-Crews. In: focus.de. 17. August 2010, abgerufen am 1. Oktober 2012.
- ↑ Bernd Vetter: Pioniere des Jet-Zeitalters, DC-8, Gera Mond Verlag, München (2001) ISBN 3-932785-86-X Seite 87–88
- ↑ a b c zeit.de: Aerotoxisches Syndrom: Unklarheit über giftige Luft im Flugzeug, Rainer W. During, 10. Oktober 2012
- ↑ Bundestag: Deutscher Bundestag Drucksache18/1168618. Wahlperiode 24. März 2017 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Tressel, Stephan Kühn (Dresden), Peter Meiwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/11385 – Kontaminierte Kabinenluft in Flugzeugen, abgerufen am 5. August 2017