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Evangelium nach Johannes und Villa Klinger: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Villa Klinger 2010 Westansicht.jpg|mini|Villa Ottomar Klinger 2010, Westansicht]]
Das '''Evangelium nach Johannes''', zumeist als '''Johannesevangelium''' oder kurz als Johannes bezeichnet (abgekürzt: ''Joh''), ist das vierte Buch des [[Neues Testament|Neuen Testaments]] der [[Bibel#Christliche Bibel|Bibel]]. Als eines der vier kanonischen [[Evangelium (Buch)|Evangelien]] ist es zentral für den [[Christentum|christlichen Glauben]]. Im Vergleich mit den anderen drei, den [[Synoptische Evangelien|synoptischen Evangelien]], wirkt es in Darstellung und [[Theologie]] sehr eigenständig.


Die '''Villa Ottomar Klinger''' ist ein großbürgerliches Wohnhaus in [[Nové Město pod Smrkem]] in [[Tschechien]]. Die [[Villa]] gehörte zusammen mit der Villa Oskar Klinger (1873–1874) und der Villa Willi Klinger (1903–1904) zu einem Gesamtkomplex von drei Villen der Familie Klinger, der durch einen von [[Hugo Eck]] aus Dresden großzügig und weitläufig gestalteten Park verbunden war. Das Haus steht unter [[Denkmalschutz]], es wurde ab 2001 restauriert und umgenutzt.
Seit dem Mittelalter wird das Johannesevangelium in 21 Kapitel unterteilt.


== Prolog und Aufbau ==
== Geschichte ==
[[Datei:Villa Klinger1.jpg|mini|Villa Ottomar Klinger 1910, Südansicht]]
[[Datei:BambergApocalypseFolio010vWorshipBeforeThroneOfGod-DetailEagle.jpg|mini|Der Adler dient oft als Symbol und [[Ikonographisches Heiligenattribut|Attribut]] für den [[Johannes (Evangelist)|Evangelisten Johannes]], hier in der [[Bamberger Apokalypse]]]]
[[Datei:Villa Klinger Südansicht 2001.jpg|mini|Villa Ottomar Klinger 2001, Südansicht]]
Das Johannesevangelium beginnt nicht mit der Geburt, Kindheit oder [[Taufe Jesu]], sondern mit einem tiefgründigen [[Prolog (Literatur)|Prolog]] in der Form eines strophischen [[Lied]]es ({{BB|Joh|1|1–18}}):
[[Datei:Villa Klinger 2001 Westansicht.JPG|mini|Villa Ottomar Klinger 2001, Westansicht]]


Im 18. Jahrhundert betrieb [[Johann Georg Klinger]] (1708–1764) in Niederehrenberg ein [[Weberei]]geschäft. Später entwickelten aus diesen Wurzeln hauptsächlich [[Ignaz Klinger|Ignaz]], [[Ottomar Klinger|Ottomar]] und [[Oskar Klinger|Oskar von Klinger]] sowie Willi Klinger um 1900 zur Blütezeit von Neustadt an der Tafelfichte Textilfabriken in Böhmen. Ignaz Klinger erlernte bei seinem Vater die [[Leinenweberei]]. Um 1835 leitete er in [[Friedland]] einen Zweigbetrieb der Neustadtler Webefaktorei C. E. Blumrich. Als dieser aufgelöst wurde, ermutigten Garnhändler Klinger, sich selbständig zu machen und boten ihm Kredite an. 1839 gründete er in Neustadt an der Tafelfichte (Neustadtl) ein eigenes Unternehmen, das zunächst Handel trieb und dann mit der Erzeugung von Rohgewebe begann. Nach einigen Jahren verlegte Klinger sich auf die Herstellung von feineren Geweben wie [[Chaly]], [[Batist]], [[Orleans]], [[Mohair]], [[Kaschmirwolle|Kaschmir]] und [[Thibet]]. Die Rohware ließ er unter anderem von Unternehmen in [[Lörrach]] und [[Gera]] [[Ausrüstung (Textil)|ausrüsten]] und aufbereiten. Die [[Reimport|reimportierte]] Ware verkaufte er an Wiener Wolldruckereien sowie an Betriebe in [[Kosmanos]], [[Hodkovice nad Mohelkou|Liebenau]], [[Reichenberg (Böhmen)|Reichenberg]], [[Böhmisch Aicha]], [[Pribram]] und [[Prag]]. Um das Jahr 1844 beschäftigte Klinger 700 Hausweber, 1850 bereits 1.500. 1862 erbaute er in Neustadtl eine Weberei mit 500 Regulator- und [[Jacquardwebstuhl|Jacquard-Webstühlen]]. 1868 wurde der Betrieb erweitert; die ersten 50 mechanischen Webstühle wurden aufgestellt, 1869 weitere 100. Seinen älteren Brüdern, die er anfangs beschäftigt hatte, errichtete Klinger eine Weberei in [[Dittersbach]].
:''Im Anfang ([[Arché|{{lang|grc|ἀρχή]]}}) war das Wort ([[Logos|{{lang|grc|λόγος}}]])''
:''und das Wort war bei [[Gott]],''
:''und das Wort war Gott.''
:''Im Anfang war es bei Gott.''
:''Alles ist durch das Wort geworden''
:''und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.''


Nach Klingers Tod übernahmen die Söhne Oskar, Franz Edmund und Ottomar die Leitung des Unternehmens. Die Herstellung von [[Kammgarn]]-Kleiderstoffen wurde aufgenommen. 1878 wurde eine [[Färberei]] erbaut, 1881 in [[Jungbunzlau]] eine mechanische Weberei gekauft und dort 1886 eine [[Spinnerei]] erbaut, schließlich 1888 in [[Prato (Toskana)|Prato]] (Italien) eine mechanische Weberei mit 1.000 Webstühlen errichtet. Vor dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] hatte das Unternehmen zuletzt 5.000 Beschäftigte, für die bemerkenswerte [[Sozialleistungen]] erbracht wurden. Niederlassungen bestanden in [[Brünn]], [[Budapest]], Prag, [[Wien]], [[Hamburg]], [[Paris]], [[Mailand]], [[Neapel]], [[Alexandrien]], [[Konstantinopel]] und [[New York City|New York]]. Nach dem Ausscheiden von Klingers Söhnen wurden die Werke vom Sohn seines Bruders Oskar geleitet. Zwischen 1918 und 1931 wurden sie dann samt der [[Firma]] „Ignaz Klinger“ verkauft, unter der sie bis 1945 bekannt blieben.
Zielpunkt dieser und der folgenden drei Strophen ist Vers 14:
:''Und das Wort ist Fleisch geworden''
:''und hat unter uns gewohnt''
:''und wir haben seine Herrlichkeit gesehen,''
:''die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater,''
:''voll Gnade und Wahrheit.''


Die Villa, genannt „obere Villa“, ließ [[Ottomar Klinger]] (*&nbsp;24.&nbsp;Dezember 1852 in Neustadtl; †&nbsp;1.&nbsp;Januar 1918 Kosmanos; seit 1908 ''Ottomar Freiherr Klinger von Klingerstorff'')<ref>{{NDB|12|90||Klinger, Ignaz|Erhard Marschner|136054072}}</ref> für sich, seine Frau und die drei Kinder 1888 bis 1891 von dem Architekten [[Eduard Trossin]] im schlossartigen [[Neubarock]]stil erbauen. Die Villa wurde mit italienischem Einfluss und vielen italienischen Baumaterialien repräsentativ ausgestattet und ist in Nordböhmen einzigartig. Sie steht unter Denkmalschutz. Auf ca. 900 m² bebauter Grundfläche wurde die voll unterkellerte Villa mit zwei Geschossen und einem ausgebauten Dachgeschoss mit über 2.700 m² Nutzfläche erstellt. Der Bauplatz liegt gegenüber der Tafelfichte an einem Südhang, aus dem eine Quelle mit besonders weichem Wasser die Villa speist.<ref>Rüdiger Heinelt (Nüsttal): ''400 Jahre Stadt Neustadt an der Tafelfichte.''</ref>
[[Datei:ImAnfangwardasWort.png|mini|250px|Beginn des Johannesevangeliums auf Griechisch]]
Der Prolog erhält einen starken Sprachrhythmus, indem er jeden neuen Begriff im jeweiligen Folgesatz aufgreift, weiterführt und in jeder Strophe einen neuen Gedanken durchführt. Seine Begriffe und Form beziehen sich auf den ersten [[Schöpfungsbericht]] der [[Tora]] ({{B|Gen|1}}), der ebenfalls mit „Im Anfang“ beginnt und Gottes Hinwendung zur Welt als ein ordnendes, die Gegensätze von Licht und Finsternis, Tag und Nacht usw. scheidendes Handeln beschreibt.
So wie dieses auf das Erschaffen des Menschen als [[Gottebenbildlichkeit|Gottes Ebenbild]] zuläuft, so läuft hier alles auf die [[Menschwerdung Gottes|Menschwerdung]] des Wortes zu, durch das Gott alles gemacht hat. Der Prolog legt also das Kommen Jesu Christi als Fleischwerdung des ewigen Wortes aus, das von Anfang an Gottes Wille war und seine Schöpfung vollendet.<ref>Claus Westermann: ''Abriss der Bibelkunde.'' Calwer Verlag, Stuttgart 1979, ISBN 3-7668-0620-3, S. 164 f.</ref>


Nach Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] begann der langsame Verfall der Villa. Es folgten wechselde Nutzungen, zuletzt als Kindergarten. Dadurch und besonders durch über zehn Jahre Leerstand hatte die Villa in ihrer Substanz gelitten. Es drohte ihr vollständiger Verfall.
Der Prolog tritt an die Stelle der Abstammungslisten und Geburtslegenden im [[Lukasevangelium|Lukas-]] und [[Matthäusevangelium]]. Er nimmt wie in einer Ouvertüre<ref>Klaus Wengst: ''Das Johannesevangelium.'' Band 1, S. 43.</ref> die Themen vorweg, die das ganze Evangelium dann ausführt: ''Das Wort ist Fleisch geworden, hat unter uns gewohnt und wir sahen seine Herrlichkeit.'' Dies wird auch als Leseanweisung für die drei Hauptteile verstanden:
* Kapitel 2–12: das Auftreten Jesu vor Zeugen, unterteilt in Kapitel 3–6 (Reden und Wunder) und 7–12 (Streitgespräche mit Gegnern, Scheidung in Gegner und Anhänger)
* Kapitel 13–17: Abschied von den Jüngern, unterteilt in 13 (Fußwaschung), 14–16 (Abschiedsreden), 17 (das hohepriesterliche Gebet Jesu)
* Kapitel 18–21: Verherrlichung durch Passion und Auferstehung, unterteilt in 18–19 (Leiden und Tod), 20–21 (Erscheinungen des Auferstandenen und Sendung der Jünger)


Im Jahre 2001 wurde die Villa Klinger unter Vermittlung des Amtes für Denkmalschutz dem [[Krefeld]]er Unternehmer und Inhaber der CiS-Gruppe, [[Peter M. Wöllner]], verkauft. Sein Unternehmen produziert seit 1992 in [[Ludvíkov pod Smrkem]] und gründete 1997 dort eine Tochtergesellschaft, die CiS SYSTEMS s.r.o. Unter der Leitung der Architekten und Statiker Tomáš und Karel Myslivec aus [[Liberec]] (Reichenberg) erfolgte die Sanierung.
== Inhalt ==
Der erzählerische Rahmen reicht vom Zeugnis [[Johannes der Täufer|Johannes des Täufers]] ({{BB|Joh|1|19}}) über das öffentliche Wirken Jesu ({{BB|Joh|2–12}}) und die [[Offenbarung des Johannes|Offenbarung]] vor seinen Jüngern ({{BB|Joh|14–17}}) bis zu seiner [[Kreuzigung]] ({{BB|Joh|18–19}}) und den Erscheinungen des [[Auferstehung|Auferstandenen]] vor Zeugen ({{BB|Joh|20}}).


Im September 2002 wurde im 1. Obergeschoss eine [[Manufaktur]] von Kabelgarnituren für [[Medizingerät]]e in Betrieb genommen. Weiterhin entstand ein 600 m² großes Lager mit weiteren Nebenräumen im Keller. Bis zum Jahresende zogen auch die Personal- und Finanzbuchhaltung von Ludvíkov pod Smrkem (Lusdorf an der Tafelfichte) in die Villa um. Im Dachgeschoss entstanden Wohnungen für den Betriebsleiter und den [[Geschäftsführer]] sowie Gästezimmer.
Im Zentrum des Johannesevangeliums steht die Botschaft, dass Jesus der [[Sohn Gottes]] sei. Dies gipfelt in Aussagen wie
:''Ich und der Vater sind eins'' ({{BB|Joh|10|30}}).
Dieses hohe Selbstbewusstsein Jesu provoziert den Vorwurf der [[Gotteslästerung]], der von einigen [[Juden]] gegen Jesus erhoben wird und auch handgreiflichen Ausdruck findet in Versuchen, Jesus zu steinigen ({{BB|Joh|10|31–33}}).


In den Jahren 2003 und 2004 wurde das Erdgeschoss saniert. Hier entstanden in repräsentativen Räumen mehrere Büros. Die Restaurierung des [[Stuckatur]]en im Spiegelsaal dauerte trotz Unterstützung der Fachschule für das Bauwesen über ein Jahr. Die Westfassade mit den Figuren an der Vorfahrt wurden restauriert und der eingestürzte Westturm originalgetreu wieder errichtet. Die Zufahrt und das Umfeld der Villa wurden gepflastert sowie der Park wiederhergestellt. Die Restaurierung des [[Vitragenfenster]]s erfolgte durch Zdena Piverková aus Prag.
Dem setzt der johanneische Jesus entgegen, dass er in die Welt gekommen sei, um den Menschen die Nähe Gottes zu vermitteln. Wer an Jesus und seine göttlichen Werke glaube, der glaube damit auch an Gott. In ihm verkörpere sich die [[Gottesliebe|Liebe]] Gottes, die allein den Menschen zu retten vermöge:


2005 wurde der Brunnen vor dem Portal gebaut und die Südfassade restauriert. Das Deckenfresko von [[Adolf Liebscher]] (1857–1919) wurde durch den Maler [[Jiří Látal]] aus [[Litomyšl]] restauriert. 2006 begann die Restaurierung der Nord- und Ostfassade. Das Dach wurde neu mit [[Schiefer]] eingedeckt. 2007 wurde als letzter größerer Bauabschnitt die zerstörte Süd[[Terrasse (Architektur)|terrasse]] [[Rekonstruktion (Architektur)|rekonstruiert]] und die Vorfahrt bekam eine [[Balustrade]].
:''Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.'' ({{BB|Joh|3|16–17}})


Von 2008 bis 2010 wurde der alte Baumbestand gepflegt und kranke Bäume entfernt. 2010 wurde die Manufaktur von Kabelgarnituren in das neu erstandene Werk nach [[Hejnice]] verlagert und weitere administrative Arbeitsplätze (Entwicklung, operativer Einkauf, Auftragsabwicklung, Personal- und Finanzbuchhaltung, IT) in der Villa geschaffen. Somit ist die Villa Klinger heute (2010) Firmensitz der CiS SYSTEMS s.r.o. mit ca. 45 Arbeitsplätzen. 2011 fand eine Aufforstung und Gestaltung des Parks statt. In diesem Zusammenhang wurde auch ein schmiedeeisernes Tor zum Park installiert, das ursprünglich zur ehemaligen Villa Finkgräfe in [[Zeitz]] gehörte.
Den Höhepunkt der Selbstmitteilung Jesu im Johannesevangelium bilden die so genannten Abschiedsreden ({{BB|Joh|14–17}}), in denen Jesus die [[Mystische Erfahrung|Einheit mit Gott]] auch seinen Jüngern verspricht. Der [[Paraklet]] werde ihnen die Erkenntnis bringen:


Hunderte internationale Gäste besuchen jährlich die Villa und lassen sie damit wieder zum gesellschaftlichen Mittelpunkt von [[Nové Město pod Smrkem]] werden.
:''Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir, und ich bin in euch.'' ({{BB|Joh|14|20}})


== Weblinks ==
Schließlich bittet Jesus um dieses Einheitserlebnis für alle, die an ihn glauben.
* http://bydleni.idnes.cz/klingerova-vila-opet-udivuje-svou-nadherou-oprava-trvala-deset-let-1pp-/architektura.asp?c=A100920_190321_liberec-zpravy_alh
* http://liberecky.denik.cz/zpravy_region/byla-to-laska-na-prvni-pohled-a-tak-za-ni-ruci-vsi.html


== Einzelnachweise ==
:''Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast; denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir.'' ({{BB|Joh|17|20–23}})

Nach dem Johannesevangelium führt die Erkenntnis des Einsseins mit Gott dazu, dass der immer unbefriedigte Mensch von seinem unersättlichen Lebensdurst befreit wird:

:''Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.'' ({{BB|Joh|4|13–14}})

Zu dieser Erkenntnis führen vor allem auch die „Zeichen“ Jesu (griechisch σημεῖα). Das sind sieben ausdrücklich so bezeichnete oder als solche verstandene Taten Jesu:
# die Wandlung von Wasser in Wein bei der [[Hochzeit zu Kana]] {{Bibel|Joh|2|1–11}}
# die Heilung des Sohnes des „Königlichen“ {{Bibel|Joh|4|46–54}}
# die Heilung am Teich [[Bethesda]] {{Bibel|Joh|5|1–16}}
# das Speisungswunder am [[See Genezareth]] {{Bibel|Joh|6|1–14}}
# der Seewandel {{Bibel|Joh|6|16–26}}
# die Heilung des Blindgeborenen {{Bibel|Joh|9|1–41}}
# die Auferweckung des [[Lazarus]] {{Bibel|Joh|11|1–44}}.

Die Bedeutung der „Zeichen“ für die Aussageabsicht des Johannesevangeliums wird im vorläufigen Abschlussvers {{BB|Joh|20|31}} hervorgehoben:

:''Diese (Zeichen) aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.''

== Textgestalt und Literarkritik ==
[[Datei:Papyrus 75a.gif|mini|300px|Beginn des Johannesevangeliums im Papyrus [[Papyrus 75|{{PapNT|75}}]], ca. Ende 2. Jahrhundert]]
Nachdem mit den [[Historisch-kritische Methode|historisch-kritischen Methoden]] im 20. Jahrhundert differenzierte Theorien zur Komposition, zu möglichen literarischen Quellen und redaktionellen Überarbeitungen des Evangeliums vorgelegt wurden, wird in den letzten Jahren die literarische Einheit des Johannesevangeliums wieder stärker betont.

Unbestritten gilt der Abschnitt {{BB|Joh|7|53–8,11}} [[Jesus und die Ehebrecherin|mit der Ehebrecherin]] als nicht ursprünglich zum Evangelium gehörig, weil er von den Handschriften vor dem 5. Jahrhundert (u.&nbsp;a. [[Papyrus 66|{{PapNT|66}}]], [[Papyrus 75|{{PapNT|75}}]]) nicht bezeugt ist und auch sprachlich aus dem Rahmen fällt. Daneben wird überwiegend das Kapitel 21 als Nachtrag zum bereits bestehenden Evangelientext (Joh 1–20) identifiziert, weil in {{BB|Joh|20|30–31}} bereits ein ausgesprochener Buchschluss vorliegt und sich der Verfasser von Kapitel 21 deutlich vom Verfasser dieses Schlusswortes abhebt ({{BB|Joh|21|24}}). Von Forschern, die das Kapitel 21 als eine spätere Redaktion ansehen, wird häufig auch die Hervorhebung der Gestalt des Lieblingsjüngers dieser Überarbeitung zugeschrieben.<ref>Vor allem an folgenden Stellen: {{BB|Joh|13|23ff}}, {{BB|Joh|19|26f}}, {{BB|Joh|20|2ff}}; der Lieblingsjünger ist vielleicht auch noch {{BB|Joh|1|35–40}} und {{BB|Joh|18|15f}} gemeint</ref> Es ist also fraglich, ob der Lieblingsjünger überhaupt eine historische Gestalt ist. Die Beantwortung dieser Frage hat erhebliche Konsequenzen für die Identifizierung des Autors des Evangeliums (siehe [[#Verfasser|Verfasser]]).

An weiteren Stellen des Evangeliums hat die historisch-kritische Exegese Kohärenzprobleme im Text festgestellt. So scheint in {{BB|Joh|4–7}} die Abfolge der Aufenthalte Jesu in [[Jerusalem]] und [[Galiläa]] durcheinander geraten zu sein. Diese Unordnung könnte durch einfache Umstellung der Reihenfolge von Kapitel 5 und 6 behoben werden. Des Weiteren schließt anscheinend {{BB|Joh|18|1}} besser an {{BB|Joh|14|31}} an, weil der Aufforderung Jesu zum Fortgehen keine entsprechende Handlung in {{BB|Joh|15|1}} folgt. Wenn es hier nicht nur um (versehentliche) Unordnung geht, schließen Vertreter einer Redaktionshypothese aus diesem Befund, dass ein vorliegender Text von einem Redaktor überarbeitet und erweitert wurde, ohne dass die Nahtstellen unkenntlich gemacht wurden. Andere Forscher halten die Brüche im Text für inhaltlich erklärbar oder sogar für vom Autor beabsichtigte dramaturgische Hinweise und schreiben die Gesamtkomposition dem Evangelisten zu.<ref>Ludger Schenke: ''Das Evangelium nach Johannes.'' S. 237–238.</ref><ref>Friedhelm Wessel: [http://www.arjeh.de/bibel/NT/steht_auf.pdf ''„Steht auf, lasst uns von hier fortgehen“''] (PDF; 124 kB)</ref>

Noch weitgehender sind Theorien, die mit der Aufnahme von Quellenschriften rechnen. Als eine solche Quelle wird vor allem eine Sammlung von Wundererzählungen angesehen, die man deshalb ''„Semeia-Quelle“'' (von griechisch σημεῖον „Zeichen“) genannt hat. Auch wird teilweise angenommen, der Passionsbericht {{BB|Joh|18–19}} habe in einer gewissen Form bereits vorgelegen und sei in das Evangelium eingearbeitet worden. Diese Forschungsrichtung vertritt vor allem der Kommentar von [[Jürgen Becker (Theologe)|Jürgen Becker]], der außerdem in der Tradition [[Rudolf Bultmann]]s von einer umfangreichen „kirchlichen Redaktion“ ausgeht.<ref>Jürgen Becker: ''Das Evangelium nach Johannes.'' 2 Bände.</ref>

Alle diese Theorien nehmen Textvorlagen und Traditionen an, die historisch nicht greifbar sind. Quellenschriften oder ursprünglichere abweichende Textversionen des Evangeliums existieren nicht. Diese Tatsache und die weite Bandbreite der Hypothesen zur Literarkritik des Johannesevangeliums haben die Skepsis gegenüber solchen Lösungen in den letzten Jahren erheblich gesteigert,<ref>Ingo Broer: ''Einleitung in das Neue Testament.'' S. 186.</ref> so dass der neueste deutschsprachige Kommentar zum Johannesevangelium ganz auf die Darstellung redaktionsgeschichtlicher und quellentheoretischer Fragestellungen verzichtet und den Text als literarische Einheit kommentiert.<ref>[[Hartwig Thyen]]: ''Das Johannesevangelium.''</ref> Dies ist Ausdruck einer Tendenz in der exegetischen Forschung zum Johannesevangelium, die literarischen, [[Linguistik|linguistischen]] und [[Texttheorie|texttheoretischen]] Kriterien stärker zu beachten, d.&nbsp;h. die Lektüre unter [[Synchronie|synchronen]] und [[Diachronie|diachronen]] Gesichtspunkten zu betreiben.<ref>Thomas Söding (Hrsg.): ''Johannesevangelium – Mitte oder Rand des Kanons? Neue Standortbestimmungen.''</ref>

== Verhältnis zu den synoptischen Evangelien ==
Die Frage der Abhängigkeit oder Unabhängigkeit des Johannesevangeliums von den drei [[Synoptische Evangelien|synoptischen Evangelien]] (Matthäus, Markus und Lukas) wurde in der Geschichte der Auslegung des vierten Evangeliums höchst unterschiedlich beurteilt und ist auch in der aktuellen Forschung ungeklärt und umstritten,<ref>Ingo Broer: ''Einleitung in das Neue Testament.'' S. 198, stellt die radikale Unterschiedlichkeit der Auffassungen dar und kommt zu dem Schluss, die Behandlung dieser Frage stelle daher „kein Ruhmesblatt für die neutestamentliche Exegese dar“.</ref> wobei zahlreiche Exegeten mittlerweile wieder von einer Kenntnis zumindest des Markusevangeliums ausgehen.<ref>Vgl. dazu und zur Geschichte dieser Frage ausführlich Jörg Frey: ''Das Vierte Evangelium auf dem Hintergrund der älteren Evangelientradition. Zum Problem: Johannes und die Synoptiker.'' In: Thomas Söding (Hrsg.): ''Johannesevangelium – Mitte oder Rand des Kanons? Neue Standortbestimmungen.'' S. 60–118.</ref> Das Verhältnis zu den synoptischen Evangelien ist deshalb schwer zu bestimmen, weil das Johannesevangelium einerseits in Aufbau, Sprache, Stil und Stoff erhebliche Unterschiede zu den Synoptikern aufweist, andererseits aber an zahlreichen Stellen den gleichen Inhalt bietet oder zumindest ähnliche Strukturen erkennen lässt. Folgende Übersichten stellen die wichtigsten Gegensätze und Gemeinsamkeiten dar:

=== Gemeinsamkeiten mit den Synoptikern ===
{| class="wikitable" width="700" style="background:#F8F8FF;"
|- class="hintergrundfarbe5"
! width="18%"| Johannes || width="62%" style="background:#CCC;"| Abschnitt || width="20%"| Synoptiker
|-
| {{BB|Joh|4|46–54}} || style="background:#E6E6FA;"| Heilung des Sohnes eines Königlichen|| {{B|Lk|7|1–10}}
|-
| {{BB|Joh|6|1–21}} || style="background:#E6E6FA;"| Speisung der Fünftausend und Jesu Wandel über den See || {{B|Mk|6|32–52}}
|-
| {{BB|Joh|12|12–15}} || style="background:#E6E6FA;"| Einzug in Jerusalem ||{{B|Mk|11|1–10}}
|-
| {{BB|Joh|13|1–30}} || style="background:#E6E6FA;"| Letztes Mahl und Kennzeichnung Judas als „Überlieferer“ || {{B|Mk|14|12–21}}
|-
| {{BB|Joh|18|2–12}} || style="background:#E6E6FA;"| Die Verhaftung Jesu im Garten Gethsemane || {{B|Mk|14|43–53}}
|-
| {{BB|Joh|18|12ff}} || style="background:#E6E6FA;"| Die Vernehmung vor dem jüdischen Hohen Rat, die Verhandlung vor Pilatus und die Kreuzigung || {{B|Mk|14|53ff}}
|}

=== Besonderheiten des Johannesevangeliums ===
{| class="wikitable" width="700" style="background:#E6E6FA;"
|-
! style="background:#CCC;"| Merkmal
|-
| Der [[Prolog (Literatur)|Prolog]] des Johannesevangeliums ({{BB|Joh|1|1–18}}) ist in seiner hymnisch-reflektierenden Art einzigartig.
|-
| Die Auferweckung des [[Lazarus]] von den Toten wird nur im Johannesevangelium erzählt und erhält dort als letztes und größtes „Zeichen“ Jesu besonderes Gewicht ({{BB|Joh|11}}).
|-
| Auffällig sind die häufigen und langen Reden Jesu, vor allem die ''Abschiedsreden'', die sich ohne größere Unterbrechungen über fast fünf Kapitel erstrecken ({{BB|Joh|13–17}}).
|-
| Die Reden Jesu drehen sich häufig um seine eigene Person ([[Evangelienschlüssel#Ausrufe und Selbstoffenbarungen|„Ich-bin“-Worte]]) und verwenden intensive [[Metapher]]n („lebendiges Wasser“, „Licht der Welt“, „Brot des Lebens“).
|}

=== Unterschiede zu den Synoptikern ===
{| class="wikitable toptextcells" width="700" style="background:#F8F8FF;"
|- class="hintergrundfarbe5"
! width="36%"| Johannes || width="28%" style="background:#CCC;"| Thema || width="36%"| Synoptiker
|-
|<br />Jesus spricht in längeren meditativ-theologischen Reden.
| style="text-align:center; background:#E6E6FA;"| <span style="color:#666666;">'''Sprechweise Jesu'''</span><br />
Es liegen verschiedene Sprechsituationen (öffentlich/Jüngerkreis) und Adressatenkreise vor.
|<br />Bei den Synoptikern spricht Jesus in kurzen Sätzen und Gleichnissen.
|-
|<br />Mehrere längere Aufenthalte in Jerusalem werden erwähnt, die nur jeweils kurz durch Reisen nach Galiläa unterbrochen sind. Jesus wirkt vor allem in Jerusalem.
| style="text-align:center; background:#E6E6FA;"| <span style="color:#666666;">'''Reisen Jesu'''</span>
|<br />Jesus begibt sich mehrmals von Galiläa nach Jerusalem.
|-
|<br />Bei Johannes steht die Tempelaustreibung programmatisch am Anfang, im zweiten Kapitel seines Evangeliums. ({{BB|Joh|2|13–22}}).
| style="text-align:center; background:#E6E6FA;"| <span style="color:#666666;">'''Jesu [[Tempelreinigung|Vertreibung der Händler und Geldwechsler aus dem Tempel]]'''</span>
|<br />Laut den Synoptikern geschieht die Tempelaustreibung gegen Ende des Wirkens Jesu ({{B|Mk|11|15–18}}) als Anstoß für seine Gegner und Ursache für seine Beseitigung.
|-
|<br />Jesus verzichtet bei Johannes ausdrücklich auf eine Bitte um Verschonung vor dem Leiden ({{BB|Joh|12|27}}, {{BB|Joh|18|11}}).
| style="text-align:center; background:#E6E6FA;"| <span style="color:#666666;">'''Jesus in Gethsemane'''</span>
|<br />Bei den Synoptikern bittet Jesus Gott, den Kelch an ihm vorübergehen zu lassen ({{B|Mk|14|36}})
|-
|<br />Das „Es ist vollbracht!“ gleicht einem Triumphruf'' (Ende des Psalm 22 – Vers 32c)''
| style="text-align:center; background:#E6E6FA;"| <span style="color:#666666;">'''Jesu letztes Wort am Kreuz'''</span>
|<br />Jesus klagt über seine Gottverlassenheit ''(Beginn des Psalm 22 – Vers 2)''
|-
|<br />Jesu Todestag ist der [[Rüsttag]] des siebentägigen [[Pessach]]festes (der 14. [[Nisan (Monat)|Nisan]]).
| style="text-align:center; background:#E6E6FA;"| <span style="color:#666666;">'''Die zeitliche Abfolge der Erzählung von Jesu Leiden'''</span>
|<br />Bei den Synoptikern ist der Todestag Jesu der erste volle Festtag des Festes (15. Nisan)
|}

Bereits im [[Altertum]] wurde wegen dieser Unterschiede der historische Wahrheitsgehalt der Evangelien bestritten, etwa in der Schrift „Contra Christianos“ des [[Porphyrios]]. Sie geben bis heute Gegnern des Christentums Anlass zu Kritik. Die Widersprüche sind aber auch in der innerkirchlichen und exegetischen Diskussion eine andauernde Herausforderung.<ref>Jörg Frey: ''Das Vierte Evangelium auf dem Hintergrund der älteren Evangelientradition. Zum Problem: Johannes und die Synoptiker.'' In: Thomas Söding (Hrsg.): ''Johannesevangelium – Mitte oder Rand des Kanons? Neue Standortbestimmungen.'' S.&nbsp;61–64.</ref>

Unterschiede und Gemeinsamkeiten machen ein klares Urteil über die Beziehung des Evangeliums zu den Synoptikern unmöglich. Viele Exegeten nehmen an, dass der Evangelist das [[Evangelium nach Markus|Markusevangelium]] und vielleicht auch&nbsp;– vor allem im Passionsbericht&nbsp;– das [[Evangelium nach Lukas|Lukasevangelium]] gekannt hat oder diese Kenntnis bei seinen Lesern voraussetzt. Die synoptischen Evangelien werden jedoch nicht erkenntlich als Quellen oder schriftliche Vorlagen verwendet, auch nicht dort, wo das Johannesevangelium den gleichen Stoff bietet. Es stellt vielmehr übereinstimmendes Traditionsmaterial sehr eigenständig dar. Daher vermuten einige wenige Forscher sogar, Johannes habe möglicherweise Zugang zu Quellen oder Traditionen besessen, die unabhängig vom Markusevangelium als dem ältesten Evangelium waren und sehen daher eine Priorität des Johannesevangeliums, die sich teilweise auch auf die Datierung bezieht (Frühdatierung).<ref>Siehe den Überblick bei Jörg Frey: ''Das Vierte Evangelium auf dem Hintergrund der älteren Evangelientradition. Zum Problem: Johannes und die Synoptiker.'' In: Thomas Söding (Hrsg.): ''Johannesevangelium – Mitte oder Rand des Kanons? Neue Standortbestimmungen.'' S.&nbsp;71–76.</ref>

Angesichts dieser Forschungslage bleibt lediglich festzustellen: Das Johannesevangelium will weder als Ergänzung noch als Korrektur der synoptischen Evangelien gelesen werden, sondern vor allem als eigenständiges Werk.

== Verfasser ==
{{Hauptartikel|Johannes (Evangelist)}}
[[Datei:correggio 024.jpg|mini|Der Evangelist Johannes mit dem Adler als Symbol (Corregio, 1520)]]

Die bereits in den ältesten Textzeugnissen seit dem Ende des 2. Jahrhunderts (P<sup>66</sup>, P<sup>75</sup>) vorhandene Überschrift „Evangelium nach Johannes“ nennt einen „Johannes“ als Verfasser des Evangeliums. Diese Überschrift wird jedoch kaum ursprünglich sein, da sie mit der Präposition „nach“ den Begriff [[Evangelium (Buch)|Evangelium]] als Gattungsbegriff verwendet und so die parallele Existenz mehrerer Evangelien in einer Sammlung voraussetzt.<ref>[[Hartwig Thyen]]: ''Das Johannesevangelium.'' S. 2.</ref> Bei den zwei genannten Handschriften handelt es sich um Sammlungen. Als Einzeltexte identifizierbare Handschriften des Johannesevangeliums existieren nicht.

=== Der Lieblingsjünger ===
Das Evangelium selbst nennt keinen Namen eines Verfassers. Allerdings wird ein [[Jünger]] Jesu hervorgehoben als der „Jünger, den Jesus liebte“ ({{BB|Joh|19|26}} und {{BB|Joh|21|20–24}}). Von diesem wird in Joh 19,25–27 gesagt, dass er unmittelbar bei der [[Kreuzigung]] zugegen war. Außerdem wird in diesem Zusammenhang den Augenzeugen des Geschehens eine besondere Zeugnisfunktion beigemessen ({{BB|Joh|19|35}}). Am Ende des Evangeliums in {{BB|Joh|21|24}} benennt der Text den Lieblingsjünger ausdrücklich als seinen Autor:
:''Das ist der Jünger, der von diesen Dingen zeugt und der dies geschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist''.

=== Der Apostel Johannes ===
[[Datei:Westfälischer Meister 003.jpg|mini|Der Evangelist Johannes (Westfälischer Meister, 1260)]]

Die christliche Tradition hat den namenlosen Lieblingsjünger mit dem [[Apostel Johannes]] identifiziert, da von den drei Jüngern, die Jesus nach dem übereinstimmenden Zeugnis der Evangelien besonders nahestanden – [[Simon Petrus|Petrus]], [[Jakobus der Ältere|Jakobus]], Johannes – Jakobus schon im Jahr 44 getötet wurde {{Bibel|Apg|12|2}} und Petrus ausdrücklich von dem Lieblingsjünger unterschieden wird ({{B|Joh|13|15f}}; {{BB|Joh|21|20}}).

Diese Tradition kann sich auch darauf berufen, dass der Autor nicht nur gute Kenntnis der jüdischen Festzeiten, Sitten und Gebräuche hatte, sondern auch Details über [[Jerusalem]] ({{BB|Joh|5|2}}) vor der Zerstörung durch die römischen Heere im Jahre 70 kannte, die archäologisch als zutreffend gelten können.

Auch die nachbiblische Überlieferung berichtet von Johannes als dem Verfasser des vierten Evangeliums. [[Irenäus von Lyon]] (120–202) war in seiner Jugend ein Schüler von [[Polykarp von Smyrna]] (69–155), der&nbsp;– so schreibt Irenäus&nbsp;– seinerseits ein Schüler des Apostel Johannes war. Dieser habe bis in die Zeit [[Trajan]]s (98–117) in [[Ephesus]] gelebt und dort nach Matthäus, Markus und Lukas seinerseits ein Evangelium herausgegeben:

:''Zuletzt gab Johannes, der Jünger des Herrn, der auch an seiner Brust ruhte, selbst das Evangelium heraus, als er sich in Ephesus in der Asia aufhielt'' (Irenäus, Adversus Haereses III 1,1, zitiert auch bei Eusebius, Historia Ecclesiastica V 8,4)

Aus diesen Gründen hat die christliche Tradition den [[Apostel Johannes]] als Verfasser angenommen. Diese Position wird heute von vielen, insbesondere [[Biblizismus|biblizistischen]] und [[evangelikal]]en Autoren vertreten. Damit wäre mindestens eines der vier Evangelien auf einen direkten Augenzeugen des Erdenwirkens Jesu zurückzuführen und seine Darstellung der Ereignisse als weitgehend authentisch anzusehen. Hinzu kommt, dass dieser Verfasser nicht nur als Autor der [[Briefe des Johannes|Johannesbriefe]], sondern auch der [[Offenbarung des Johannes]] angesehen wird, also des gesamten in der Tradition so genannten „Corpus Johanneum“.

=== Der Presbyter Johannes ===
Eine andere Auffassung sieht eine weitere Person, den [[Johannes der Presbyter|Presbyter (Ältesten) Johannes]] als wahrscheinlichen Verfasser des Corpus Johanneum an. Dieser wäre nach einem Zeugnis des Bischofs [[Papias von Hierapolis]] (ca. 130; gem. [[Eusebius von Cäsarea]], hist. eccl. 3,39,4) als „Jünger des Herrn“ deutlich von dem Apostel Johannes, dem Zebedaiden, unterschieden und in 2 Joh 1,1 und 3 Joh 1,1 ausdrücklich als Verfasser der Johannesbriefe genannt worden. Das würde nach Inhalt, Sprache und Stilmitteln der Briefe den gleichen Verfasser auch für das Johannesevangeliums nahelegen.<ref>S. M. Hengel, Die johanneische Frage, 79ff.321ff; W.G. Kümmel, Einleitung in das NT, 19.A., 1978, 206ff; P. Stuhlmacher, Biblische Theologie des Neuen Testaments, Bd. 2, 203ff zur Person des Presbyters Johannes.</ref> Der Titel „ὁ πρεσβύτερος“ („ho presbyteros“) ist dabei besser gesichert als der Name „Johannes“. Er ist nicht mit dem stets pluralisch begegnendem Presbyter-Titel zu verwechseln, sondern meint ein ad personam beanspruchtes Lehramt.<ref>Folker Siegert: ''Das Evangelium des Johannes in seiner ursprünglichen Gestalt. Wiederherstellung und Kommentar.'' S. 62–81. „Johannes ‚der Senior‘ als Autor“.</ref>

Nach dieser Theorie käme der Apostel Johannes als Verfasser des Johannesevangeliums nicht in Frage und auch nicht als der Lieblingsjünger (siehe {{BB|Joh|21|24}}). Dazu wird darauf hingewiesen, dass der Apostel Johannes im Evangelium niemals mit Namen genannt oder als Verfasser und „geliebter Jünger“ bezeichnet wird. Auch würden die im Evangelium erzählten Szenen nicht zu den aus den Synoptikern bekannten Erzählungen passen und die anspruchsvollen Sprach- und Stilmerkmale einen schreibungewandten Fischer aus Galiläa ausschließen.

Es ist auch versucht worden, den Presbyter Johannes als Verfasser des Evangeliums mit der hinter dem Kunstnamen „Lazarus“ versteckten Gestalt ({{BB|Joh|11}}) zu identifizieren, da er im Evangelium viermal als derjenige bezeichnet wird, den Jesus „liebte“ ({{BB|Joh|11,3.5.11.36}}).<ref>S. R. Nordsieck, Johannes, 3ff.120ff; G. Keil, Johannesevangelium, 175f.180f.240ff; A. Stimpfle, Blinde sehen, 128f.143f; M.W.G. Stibbe, John as Storyteller, 81ff u.a. zur Identifikation mit dem „Lazarus“. Auch R. Steiner sah in Lazarus den Lieblingsjünger.</ref> Die Forschung zum Johannesevangelium ist diesen Interpretationen allerdings nur vereinzelt gefolgt.

=== Redaktion und johanneische Schule ===

Mit seinen 1820 veröffentlichten Argumenten gegen die Autorschaft des Apostels Johannes (''Probabilia ...'') löste [[Karl Gottlieb Bretschneider]] eine intensive Diskussion aus. Die aktuelle historisch-kritische Exegese meint in Bezug auf die Verfasserfrage, dass eindeutige Aussagen zur Identifizierung einer bestimmten historischen Gestalt weder aus dem Evangelium noch aus der frühchristlichen Geschichte getroffen werden können, und hält es für unwahrscheinlich, dass der Apostel Johannes der Autor war. Was die Gestalt des Lieblingsjüngers betrifft, so taucht diese nur im Evangelium selbst auf, so dass ihre Historizität strittig sei.<ref>James H. Charlesworth: ''The Beloved Disciple. Whose Witness Validates the Gospel of John?''</ref> Angesichts der ausgearbeiteten umfangreichen Monologe Jesu, der fortgeschrittenen theologischen Reflexion und der vielen Abweichungen von der synoptischen Tradition wird häufig bestritten, dass es sich um Darstellungen eines Augenzeugen handeln könne.<ref>Udo Schnelle: ''Das Evangelium nach Johannes.'' S. 5.</ref> Zudem rechnet man weithin nicht mit einem einzelnen Autor, sondern mindestens mit einem weiteren Verfasser, der das Kapitel 21 angefügt und damit erst die Tradition des Lieblingsjüngers als Autor begründet habe.

In diesem Zusammenhang wird manchmal von einer [[Johanneischer Kreis|johanneischen Schule]] oder johanneischen Gemeinde gesprochen, die sich auf die Autorität eines herausragenden Mitglieds stütze, das wegen seiner Nähe zu Jesus selbst für die Authentizität des Textes stehe. Dass es eine johanneische Schule gab, legen die späten [[Briefe des Johannes|Johannesbriefe]] des Neuen Testaments nahe, die eine ähnliche [[Terminologie]] wie das Evangelium verwenden.

Mit dem Lieblingsjünger werde im Text eine apostolische Gestalt neben oder sogar über die Autorität des [[Simon Petrus|Petrus]] gesetzt ({{BB|Joh|13|23–28}}, {{BB|Joh|21|7.20–23}}) und damit eine alternative Tradition begründet.<ref>Ingo Broer: ''Einleitung in das Neue Testament.'' S. 192–195.</ref> Diese stehe nicht in Konkurrenz zur Tradition einer beginnenden strukturierten Kirche unter der Leitung des Petrus ({{BB|Joh|21|15–18}}), sondern ergänze sie um die ungebundenere, weitgehend gestalt- und ortlose Tradition in den Dimensionen der Liebe und des Geistes, die für das johanneische Christentum prägend sind.<ref>Klaus Wengst: ''Das Johannesevangelium.'' Band 2, S. 326 f.</ref>

Mit Berufung auf diese Autorität sei in der johanneischen Gemeinde der Text tradiert und dabei auch überarbeitet worden. Für eine solche Gruppenperspektive spreche auch der Hinweis am Schluss des Evangeliums: „''wir'' wissen, dass sein Zeugnis wahr ist“ ({{BB|Joh|21|24}}). Angesichts der sprachlichen und theologischen Geschlossenheit des Endtextes wird dieser Vorgang der Aneignung und Auseinandersetzung mit dem Text heute auch bisweilen bezeichnet mit dem Begriff ''Relecture'' („Neu-“, „Wieder-“ oder „Weiterlesen“),<ref>Jean Zumstein: ''Ein gewachsenes Evangelium. Der Relecture-Prozess bei Johannes.'' In: Thomas Söding (Hrsg.): ''Johannesevangelium – Mitte oder Rand des Kanons? Neue Standortbestimmungen.'' S. 9–37.</ref> der darauf hinweist, dass die Überarbeitungen weniger im Rahmen eines Konkurrenz- oder Korrekturmodells, wie es die älteren Quellen- und Redaktionsmodelle nahelegten, sondern in einem ''Prozess'' der ''Reflexion'' unter einer gemeinsamen Lektüre vorstellbar seien. Historisch ließen sich also höchstens die Linien dieses Lektüreprozesses, nicht aber die dahinter stehenden Personen oder gar Autoren identifizieren.

== Datierung ==
[[Datei:Papyrus52sw.jpg|mini|[[Papyrus P52|{{PapNT|52}}]] ([[recto]]) als ältestes Textzeugnis des Johannesevangeliums (vermutlich 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts)]]

=== Papyrus {{PapNT|52}} ===
Das älteste bislang gefundene Textzeugnis für das Johannesevangelium und für das Neue Testament überhaupt ist das [[Papyrus]]fragment [[Papyrus P52|{{PapNT|52}}]].<ref>[http://www.bibelausstellung.de/abtlg05.htm ''Qumran- und Bibelausstellung Sylt'']</ref> Das Fragment wurde 1920 auf einem ägyptischen Markt erworben und stammt wahrscheinlich auch aus Ägypten. Es ist wenige Quadratzentimeter groß und enthält auf der Vorderseite Teile der Verse 31–33, auf der Rückseite Fragmente der Verse 37–38 des 18. Kapitels des Evangeliums. Aufbewahrt wird es in der [[John Rylands Library]] in Manchester.<ref>[http://enriqueta.man.ac.uk/luna/servlet/detail/ManchesterDev~93~3~22986~100256:St-John-Fragment enriqueta.man.ac.uk]</ref>
Der Herausgeber C. H. Roberts datiert es aufgrund der Schriftart etwa auf das Jahr 125. Es sind in der Forschung auch frühere Datierungen ab etwa 100 genannt worden. Neuerdings werden solche Ansätze bezweifelt, da eine Bestimmung allein aufgrund der Schriftart ungenau sei. Der Text stamme wohl eher aus der Zeit zwischen 130 und 150 oder nach vereinzelten Meinungen sogar erst aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts. Jedenfalls bildet dieses Fragment den wichtigsten äußeren Anhaltspunkt für die Datierung des Johannesevangeliums. Wenn man damit rechnet, dass der Text noch eine Zeit brauchte, um bis nach Ägypten zu gelangen, wird man eine Abfassungszeit jedenfalls vor 130 annehmen können. Damit werden die historisch-kritischen Theorien über eine Entstehung des Evangeliums in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts – so lehrte die [[Tübinger Schule]] im 19. Jahrhundert – hinfällig.

=== Datierung um 90–100 n. Chr. ===
Heutzutage datieren Vertreter der historisch-kritischen Schule das Johannesevangelium aus inneren Gründen meist auf das Ende des ersten Jahrhunderts.<ref>William MacDonald: ''Kommentar zum Neuen Testament.'' 2. Auflage. CLV, Bielefeld 1997, S. 340–341.</ref><ref>[[Frederick F. Bruce]]: ''The New Testament Documents: Are They Reliable?'' InterVarsity Press, 1981, ISBN 978-0-8028-2219-2, S. 7.</ref> Als frühestes Datum kommen für viele Exegeten die Jahre nach 80 in Frage, da das Johannesevangelium eine fortgeschrittene Entfremdung vom synagogalen Judentum dokumentiere ({{BB|Joh|9|22}}, {{BB|Joh|12|42}}, {{BB|Joh|16|2}}) und auf den so genannten „Synagogenausschluss“ für Abtrünnige historisch zurückblicke.<ref>Petr Pokorný, Ulrich Heckel: ''Einleitung in das Neue Testament. Seine Literatur und Theologie im Überblick.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-148011-9, S. 584.</ref> Nach [[Udo Schnelle]] wird von {{BB|Joh|11|48}} die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 bereits vorausgesetzt.<ref>Udo Schnelle: ''Einleitung in das Neue Testament.'' 4. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, S. 520.</ref>

=== Frühdatierung ===
Einige Forscher geben auch frühere Daten an, so zum Beispiel [[William F. Albright|W. F. Albright]] vor 80, [[John A.T. Robinson]] vor 70, ebenso [[Carsten Peter Thiede]]. Auch [[Klaus Berger (Theologe)|Klaus Berger]] vertritt die Ansicht, das Johannesevangelium sei früh entstanden. In seinem Buch ''Im Anfang war Johannes''<ref>[[Klaus Berger (Theologe)|Klaus Berger]]: ''Im Anfang war Johannes. Datierung und Theologie des vierten Evangeliums.''</ref> versucht er, die übliche Datierung zu widerlegen. Ein zentrales Argument ist dabei die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70, die keinen Niederschlag im Johannesevangelium gefunden habe (auch nicht in {{BB|Joh|2|19}} und {{BB|Joh|11|48}}), obwohl dieses Ereignis Christen wie Juden erschüttert haben müsse.<ref>[[Klaus Berger (Theologe)|Klaus Berger]]: ''Im Anfang war Johannes. Datierung und Theologie des vierten Evangeliums.'' S. 84–90.</ref> Der vermeintliche Antijudaismus und die entwickelte Christologie und Theologie sind für ihn keine zwingenden Argumente für eine Spätdatierung. Das Wort vom Synagogenbann deutet er im Sinne der allgemeinen Verfolgung. Es gehe um ein Anfangsstadium, in dem die Trennung von der Synagoge gerade von dieser selbst vollzogen werde.<ref>[[Klaus Berger (Theologe)|Klaus Berger]]: ''Im Anfang war Johannes. Datierung und Theologie des vierten Evangeliums.'' S. 83.</ref> Daher datiert Berger das Johannesevangelium in die Zeit zwischen 67 und 70.<ref>[[Klaus Berger (Theologe)|Klaus Berger]]: ''Im Anfang war Johannes. Datierung und Theologie des vierten Evangeliums.'' S. 94.</ref> Grundsätzlich lässt sich die Hypothese der Frühdatierung nicht ausschließen,<ref>Michael Labahn, Manfred Lang: ''Johannes und die Synoptiker.'' In: Jörg Frey, Udo Schnelle (Hrsg.): ''Kontexte des Johannesevangeliums.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2004, ISBN 3-16-148303-0, S. 478.</ref> sie wird jedoch mehrheitlich abgelehnt.<ref>Petr Pokorný, Ulrich Heckel: ''Einleitung in das Neue Testament. Seine Literatur und Theologie im Überblick''. Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-148011-9, S. 547, S. 584.</ref>

== Entstehungsort ==
Nach dem frühchristlichen Zeugnis des [[Irenäus von Lyon]] wurde das Evangelium in [[Ephesus]] geschrieben.<ref>Irenäus, Adv Haer III 1,1, zitiert auch bei Eusebius, Hist Eccl V 8,4; vgl. oben</ref> Dieser Hinweis hat bis heute viele Befürworter gefunden. Allerdings ist ihm auch widersprochen worden unter Hinweis auf folgende Beobachtungen im Text, die eher auf eine Lokalisierung im palästinischen Raum hinweisen:
* der Verfasser kennt sich topografisch sehr gut in [[Jerusalem]] und [[Palästina (Region)|Palästina]] aus,
* das Evangelium beschreibt zutreffend und detailliert jüdische Feste und Gebräuche,
* der Verfasser verwendet ein stark [[semitisch]]-[[Hebräische Sprache|hebräisch]] geprägtes [[Griechische Sprache|Griechisch]].
Die im Johannesevangelium andererseits durchgehend zu beobachtende kontroverse Haltung zu „den Juden“&nbsp;– womit näherhin die jüdische Führung gemeint ist&nbsp;– macht deutlich, dass die johanneische Gemeinde wohl durchaus konfliktreichen Kontakt zu jüdischen Gemeinden hatte. Eine solche Situation ist kaum wahrscheinlich für die Zeit Jesu, wohl aber für die Situation nach dem Jahr 70, als sich das Judentum nach dem Sieg der Römer über die aufständischen Juden und der Zerstörung des Tempels neu sammelte und gegen äußere Bedrohungen und Irritationen wappnete. [[Klaus Wengst]] hat diese Situation zum Ausgangspunkt genommen für eine historische Einordnung der ''johanneischen Gemeinde''. Er lokalisiert die Gemeinde in den südlichen Gebieten des Königreichs von [[Agrippa II.]], d.&nbsp;h. im nördlichen Ostjordanland, östlich des Sees Genezareth in [[Batanäa]], der [[Gaulanitis]] und der [[Trachonitis]],<ref>[[Klaus Wengst]]: ''Bedrängte Gemeinde und verherrlichter Christus. Ein Versuch über das Johannesevangelium.''</ref> wo die jüdische Sammlung vor allem stattfand. Dieser Theorie ist widersprochen worden mit dem Hinweis, Wengst habe die religionsgeschichtliche Situation zwischen aufstrebendem Christentum und sich neu konsolidierendem Judentum zwar richtig beschrieben, daraus lasse sich aber keine Lokalisierung zwingend ableiten. Die beschriebene Konfliktsituation könne an jedem Ort des Aufeinandertreffens von christlichen Gemeinden mit Synagogen auftreten&nbsp;– z.&nbsp;B. auch in [[Ephesus]], wo nachweislich jüdische und christliche Gemeinden existierten. Die Frage des Entstehungsortes des Evangeliums ist also weiterhin nicht sicher zu beantworten.

== „Die Juden“ ==
Das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Juden bzw. Judäern (Ιουδαίοι) ist äußerst ambivalent. Einerseits wird Jesus ausdrücklich als Jude dargestellt ({{BB|Joh|4|9}}) und grundsätzlich festgestellt: „Das Heil kommt von den Juden“ ({{BB|Joh|4|22}}). Andererseits werden massive Konfliktsituationen zwischen Jesus und „den Juden“ geschildert, die den Eindruck erwecken können, hier handele es sich um eine grundsätzliche Feindschaft. Diese Spannweite der Auseinandersetzung mit dem Judentum geht weit über die Darstellung in den anderen Evangelien hinaus, die lediglich einige Streitgespräche zwischen Jesus und vor allem den Pharisäern schildern. Allen Evangelien gemeinsam ist die Darstellung der jüdischen Führung als den Betreibern der Auslieferung Jesu an die [[Römisches Reich|Römer]] zur [[Kreuzigung]] ({{BB|Joh|18}}).

Die kritische Darstellung „der Juden“ im Johannesevangelium ist in der Geschichte des Christentums oft als Anlass für [[Judenfeindlichkeit|judenfeindliche]] Haltungen und Aktionen genommen worden. Dabei wurden einseitig die negativen Darstellungen gegenüber den positiven in den Vordergrund gerückt und zu Pauschalverurteilungen des jüdischen Volkes missbraucht.

[[Datei:Gross St Martin Grablegungsgruppe.jpg|mini|300px|Skulptur der Grablegung Jesu (1509) mit [[Nikodemus]] (links) und [[Josef von Arimathäa]] (rechts), die durch hebräische Kleidungsinschriften als Juden dargestellt werden]]
Die Konflikte zwischen Jesus und „den Juden“ liegen im Johannesevangelium vor allem begründet im jüdischen Unverständnis für die spirituelle Dimension Jesu, der als „das Wort Gottes“ ({{BB|Joh|1|1}}) einen unmittelbaren Zugang zu Gott vermittelt. Diese Darstellung zeichnet sich bereits als Grundlinie ab in der nächtlichen Begegnung zwischen dem Pharisäer [[Nikodemus]] und Jesus ({{BB|Joh|3|1–21}}). Nikodemus wird hier als Vertreter einer religiösen Führungsschicht gezeigt, die sich auf materielle Gegebenheiten und Traditionen beruft und geistigen Verhältnissen („ihr müsst von neuem geboren werden“ {{BB|Joh|3|7}}) gegenüber verständnislos ist. Wo Nikodemus noch als dialogbereit gezeichnet wird und sich zu einem Anhänger Jesu entwickelt ({{BB|Joh|19|38–40}}), führen andere Streitgespräche zwischen Jesus und „den Juden“ über das [[Sabbat]]gebot ({{BB|Joh|5|16–18}}) oder die genealogische Herkunft der Juden ({{BB|Joh|8|39–59}}) zu Konflikten, die in versuchten [[Steinigung]]en Jesu münden und letztlich zur Auslieferung Jesu an die Römer führen. Zuspitzungen wie z.&nbsp;B. die Aussage, die jüdischen Gegner Jesu hätten „den Teufel zum Vater“ ({{BB|Joh|8|44}}) erwachsen aus solchen konkret geschilderten Konfliktsituationen und dürfen daher nicht als generelle Aussagen über das Judentum verstanden werden.<ref>So z.&nbsp;B. Maria Neubrand: ''Das Johannesevangelium und „die Juden“. Antijudaismus im vierten Evangelium?'' In: ''ThGL'' 99, 2009, S. 205–217 ([http://www.thf-paderborn.de/fileadmin/neues-testament/Das_Johannesevangelium_und_die_Juden_PDF_ThGl_2.09.pdf PDF; 312 kB], abgerufen am 26. Oktober 2013).</ref>

In den vom Johannesevangelium geschilderten Auseinandersetzungen mit dem Judentum spiegelt sich für historisch-kritische Exegeten die Situation nach dem Ausschluss der Christen aus der [[Synagoge]] (nach 70).<ref>So vor allem [[Klaus Wengst]]: ''Bedrängte Gemeinde und verherrlichter Christus. Ein Versuch über das Johannesevangelium.''</ref> Johannes beschreibt damit wohl historisch zutreffend die Grundlinien des Konflikts zwischen dem aufstrebenden Christentum und dem sich nach der Katastrophe des [[Jüdischer Krieg|jüdischen Krieges]] wieder konsolidierenden Judentum. In diesem Zusammenhang sind auch die guten Kenntnisse des Johannesevangeliums über jüdische Riten und Traditionen und den jüdischen Festkalender hervorzuheben. Diese erklären sich am ehesten aus einer großen Nähe zu jüdisch-biblischen Traditionen.

== Siehe auch ==
* [[Johannes-Passion]]
* [[Apokryphon des Johannes]]
* [[Das Johannes-Evangelium|Das Johannes-Evangelium (Film)]]
* [[Historische Jesusforschung]]

== Anmerkungen ==
<references />
<references />


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== Literatur ==
=== Einleitung ===
* Ulrich Busse: ''Das Johannesevangelium: Bildlichkeit, Diskurs und Ritual. Mit einer Bibliographie über den Zeitraum 1986–1998'' (= ''Bibliotheca Ephemeridum theologicarum Lovaniensium.'' Band 162). Peeters, Leuven u.&nbsp;a. 2002, ISBN 90-429-1100-X.
* Joachim Kügler: ''Das Johannesevangelium.'' In: Martin Ebner, Stefan Schreiber (Hrsg.): ''Einleitung in das Neue Testament.'' Kohlhammer, Stuttgart 2008, ISBN 3-17-018875-5, S. 208–228.
* Ingo Broer: ''Einleitung in das Neue Testament''. Studienausgabe, Würzburg 2006, ISBN 3-429-02846-9, S. 181–228.
* Ludger Schenke: ''Das Johannesevangelium: Einführung – Text – dramatische Gestalt'' (= ''Kohlhammer-Urban-Taschenbücher.'' Band 446). Kohlhammer, Stuttgart 1992, ISBN 3-17-011926-5.
* Hartwig Thyen: Artikel ''Johannesevangelium''. In: ''[[Theologische Realenzyklopädie]].'' Nr. 17, 1988, S. 200–225.
* Raymond E. Brown: ''An Introduction to the Gospel of John''. Edited, updated, introduced and concluded by Francis J. Moloney. The Anchor Bible Reference Library. Doubleday, New York u.&nbsp;a. 2003, ISBN 0-385-50722-4.

=== Kommentare ===
* Charles K. Barrett: ''Das Evangelium nach Johannes.'' KEK Sonderband, Vandenhoek und Ruprecht, Göttingen 1990, ISBN 3-525-51623-1 ([http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs2/object/display/bsb00049207_00003.html Online-Ausgabe im Projekt Digi20]).
* [[Jürgen Becker (Theologe)|Jürgen Becker]]: ''Das Evangelium nach Johannes''. (= ''Ökumenischer Taschenbuchkommentar zum Neuen Testament.'' Band 4/1–2; = ''Gütersloher Taschenbücher Siebenstern.'' Band 505/506). 3. Auflage. 2 Bände, Gütersloher Verlagshaus Mohn u.&nbsp;a., Gütersloh 1991.
* [[Johannes Beutler]]: ''Das Johannesevangelium. Kommentar''. Herder, Freiburg 2013, ISBN 978-3-451-30779-9.
* [[Rudolf Bultmann]]: ''Das Evangelium des Johannes.'' KEK 2, Göttingen 1941.
* Günther Keil: ''Das Johannesevangelium. Ein philosophischer und theologischer Kommentar.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997, ISBN 3-525-53642-9.
* [[Werner de Boor]]: ''Das Evangelium des Johannes''. [[Wuppertaler Studienbibel]] NT, [[R. Brockhaus Verlag|Brockhaus]], Wuppertal 1994.
* [[Ernst Haenchen]]: ''Das Johannesevangelium – ein Kommentar.'' Aus den nachgelassenen Manuskripten herausgegeben von Ulrich Busse mit einem Vorwort von James M. Robinson. Mohr, Tübingen 1980, ISBN 3-16-143102-2.
* [[Gerhard Maier]]: ''Johannes-Evangelium.'' 2 Bände, Edition C Bibelkommentar 6/7, Hänssler, Neuhausen-Stuttgart 1996.
* Ludger Schenke: ''Johannes: Kommentar.'' Patmos-Verlag, Düsseldorf 1998, ISBN 3-491-77950-2.
* [[Adolf Schlatter]]: ''Der Evangelist Johannes. Wie er spricht, denkt und glaubt. Ein Kommentar zum vierten Evangelium.'' 4. Auflage. Calwer Verlag, Stuttgart 1975, ISBN 3-7668-0195-3.
* Udo Schnelle: ''Das Evangelium nach Johannes'' (= ''Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament.'' Band 4). Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 1998, ISBN 3-374-01673-1.
* Benedikt Schwank: ''Evangelium nach Johannes. Praktischer Kommentar.'' 3. Auflage. EOS-Verlag, St. Ottilien 2007, ISBN 978-3-8306-7270-8.
* Folker Siegert: ''Das Evangelium des Johannes in seiner ursprünglichen Gestalt. Wiederherstellung und Kommentar'' (= ''Schriften des [[Institutum Judaicum Delitzschianum]] (SIJD).'' Band 7). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-50147-4.
* [[Michael Theobald]]: ''Das Evangelium nach Johannes. Kapitel 1–12.'' Regensburger Neues Testament, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2009, ISBN 978-3-7917-2062-3.
* [[Hartwig Thyen]]: ''Das Johannesevangelium'' (= ''Handbuch zum Neuen Testament.'' Band 6). Mohr-Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148485-1.
* Sjef van Tilborg: ''Das Johannes-Evangelium. Ein Kommentar für die Praxis.'' Überarbeitet von Rainer Dillmann und Detlev Dormeyer. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2005, ISBN 3-460-33128-3.
* [[Klaus Wengst]]: ''Das Johannesevangelium'' (= ''Theologischer Kommentar zum Neuen Testament.'' Band 4). 2 Bände, Kohlhammer, Stuttgart 2004.
** Band 1: ''Kapitel 1–10.'' 2. durchgesehene und ergänzte Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2004, ISBN 3-17-018198-X.
** Band 2: ''Kapitel 11–21.'' 2. durchgesehene und ergänzte Auflage. Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-17-019815-9.
* [[Ulrich Wilckens]]: ''Das Evangelium nach Johannes'' (= ''[[Das Neue Testament deutsch|NTD]].'' Band 4). 18. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, ISBN 3-525-51379-8 ([http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs2/object/display/bsb00048509_00001.html Online-Ausgabe der 17. Auflage im Projekt Digi20]).

=== Studien zu Einzelfragen ===
;Verfasser, Datierung, mögliche Quellen
* Gilbert Van Belle: ''The Signs Source in the Fourth Gospel. Historical Survey and Critical Evaluation of the Semeia Hypothesis'' (= ''Bibliotheca Ephemeridum theologicarum Lovaniensium.'' Band 116). University Press, Leuven u.&nbsp;a. 1994, ISBN 90-6186-624-3.
* James H. Charlesworth: ''The Beloved Disciple. Whose Witness Validates the Gospel of John?'' Trinity Press Intl., Valley Forge 1995, ISBN 1-56338-135-4.
* [[Klaus Berger (Theologe)|Klaus Berger]]: ''Im Anfang war Johannes. Datierung und Theologie des vierten Evangeliums.'' 3. Auflage. Kaiser/Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2004, ISBN 3-579-05201-2.
* Reinhard Nordsieck: ''Johannes: Zur Frage nach Verfasser und Entstehung des vierten Evangeliums.'' Neukirchener, Neukirchen 1998, ISBN 3-7887-1670-3.
* [[Martin Hengel]]: ''Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch'' (= ''Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament.'' Band 67). Mit einem Beitrag zur Apokalypse von Jörg Frey. Mohr, Tübingen 1993, ISBN 3-16-145836-2.
* [[John A. T. Robinson]], Hans-Joachim Schulz (Hrsg.): ''Johannes – das Evangelium der Ursprünge.'' Brockhaus, Wuppertal 1999, ISBN 3-417-29433-9. (Frühdatierung)
* [[Eugen Ruckstuhl]], [[Peter Dschulnigg]]: ''Stilkritik und Verfasserfrage im Johannesevangelium. Die johanneischen Sprachmerkmale auf dem Hintergrund des Neuen Testaments und des zeitgenössischen hellenistischen Schrifttums'' (= ''Novum Testamentum et orbis antiquus.'' Band 17). Universitätsverlag, Freiburg (CH) 1991, ISBN 3-7278-0740-7.
* Wilhelm Wilkens: ''Die Entstehungsgeschichte des vierten Evangeliums''. Evangelischer Verlag, Zollikon 1958.

;Johannesevangelium und Johannesbriefe
* [[Walter Schmithals]]: ''Johannesevangelium und Johannesbriefe. Forschungsgeschichte und Analyse'' (= ''[[Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft|BZNW]].'' Band 64). de Gruyter, Berlin u.&nbsp;a. 1992, ISBN 3-11-013560-4. (Forschungsgeschichte)
* Moon-Geoung Kim: ''Zum Verhältnis des Johannesevangeliums zu den Johannesbriefen. Zur Verfasserschaft der „johanneischen“ Schriften in der Forschung'' (= ''Europäische Hochschulschriften.'' Reihe 23, Band 761). Lang, Frankfurt am Main u.&nbsp;a. 2003, ISBN 3-631-51046-2.
* Thomas Söding (Hrsg.): ''Johannesevangelium – Mitte oder Rand des Kanons? Neue Standortbestimmungen'' (= ''Quaestiones disputatae.'' Band 203). Herder, Freiburg im Breisgau 2003, ISBN 3-451-02203-6.

;Verhältnis zu den synoptischen Evangelien
* Goran Blaskovic: ''Johannes und Lukas. Eine Untersuchung zu den literarischen Beziehungen des Johannesevangeliums zum Lukasevangelium'' (= ''Dissertationen, Theologische Reihe.'' Band 84). EOS-Verlag, St. Ottilien 2000, ISBN 3-8306-7019-2.
* A. Denaux (Hrsg.): ''John and the Synoptics'' (= ''BEThL.'' Band 101). Leuven 1992.
* Peter Leander Hofrichter: ''Modell und Vorlage der Synoptiker. Das vorredaktionelle „Johannesevangelium“'' (= ''Theologische Texte und Studien.'' Band 6). 2. Auflage. Olms, Hildesheim u.&nbsp;a. 2001, ISBN 3-487-10371-0.
* Peter Leander Hofrichter (Hrsg.): ''Für und wider die Priorität des Johannesevangeliums. Symposion in Salzburg am 10. März 2000'' (= ''Theologische Texte und Studien.'' Band 9). Olms, Hildesheim u.&nbsp;a. 2002, ISBN 3-487-11692-8.
* Manfred Lang: ''Johannes und die Synoptiker. Eine redaktionsgeschichtliche Analyse von Joh 18–20 vor dem markinischen und lukanischen Hintergrund'' (= ''Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments.'' Band 182). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-53866-9.
* D. Moody Smith: ''John among the Gospels. The Relationship in Twentieth-Century Research''. Fortress Press, Minneapolis 1992, ISBN 0-8006-2530-7.
* [[Michael Theobald]]: ''Herrenworte im Johannesevangelium'' (= ''Herders biblische Studien.'' Band 34). Herder, Freiburg im Breisgau u.&nbsp;a. 2002, ISBN 3-451-27494-9.
* Lawrence M. Wills: ''The Quest of the Historical Gospel. Mark, John, and the Origins of the Gospel Genre''. Routledge, London u.&nbsp;a. 1997, ISBN 0-415-15093-0.

;Soziologische Hintergründe
* Anthony J. Blasi: ''A Sociology of Johannine Christianity'' (= ''Texts and Studies in Religion.'' Band 69). Mellen, Lewiston NY u.&nbsp;a. 1997, ISBN 0-7734-8753-0.
* Celestino G. Lingad: ''The Problems of Jewish Christians in the Johannine Community.'' Tesi gregoriana, Serie Teologia 73. Ed. Pontificia Università Gregoriana, Rom 2001, ISBN 88-7652-887-3.
* Klaus Wengst: ''Bedrängte Gemeinde und verherrlichter Christus. Ein Versuch über das Johannesevangelium'' (= ''Kaiser-Taschenbücher.'' Band 114). 4. Auflage. Christian-Kaiser-Verlag, München 1992, ISBN 3-459-01924-7.

=== Literarische Struktur, Texttheorie und [[Metapher|Metaphorik]] ===
* Eugen Ruckstuhl: ''Die literarische Einheit des Johannesevangeliums'' (= ''Novum testamentum et orbis antiquus.'' Band 5). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1987, ISBN 3-525-53904-5.
* R. Alan Culpepper: ''Anatomy of the Fourth Gospel. A Study in Literary Design''. Fortress Press, Philadelphia Repr. 1996, ISBN 0-8006-2068-2. (Pionier der narrativen Exegese des JohEv)
* Fernando F. Segovia (Hrsg.): ''What is John? Readers and Readings of the Fourth Gospel'' (= ''Society of Biblical Literature Symposium Series.'' Band 3). Scholars Press, Atlanta GA 1996, ISBN 0-7885-0239-5.
* Patrick Chatelion Counet: ''John, a Postmodern Gospel. Introduction to Deconstructive Exegesis Applied to the Fourth Gospel'' (= ''Biblical Interpretation Series.'' Band 44). Brill, Leiden u.&nbsp;a. 2000, ISBN 90-04-11661-3.
* James L. Resseguie: ''The Strange Gospel. Narrative Design and Point of View in John'' (= ''Biblical Interpretation Series.'' Band 56). Brill, Leiden u&nbsp;.a. 2001, ISBN 90-04-12206-0.
* Tobias Nicklas: ''Ablösung und Verstrickung. „Juden“ und Jüngergestalten als Charaktere der erzählten Welt des Johannesevangeliums und ihre Wirkung auf den impliziten Leser'' (= ''Regensburger Studien zur Theologie.'' Band 60). Lang, Frankfurt am Main u.&nbsp;a. 2001, ISBN 3-631-37615-4.
* Klaus Scholtissek: ''In ihm sein und bleiben. Die Sprache der Immanenz in den johanneischen Schriften'' (= ''Herders Biblische Studien.'' Band 21). Herder, Freiburg im Breisgau 2001, ISBN 3-451-27096-X.
* Otto Schwankl: ''Licht und Finsternis. Ein metaphorisches Paradigma in den johanneischen Schriften'' (= ''Herders Biblische Studien.'' Band 5). Herder, Freiburg im Breisgau u.&nbsp;a. 1995, ISBN 3-451-23624-9.
* Craig R. Koester: ''Symbolism in the Fourth Gospel. Meaning, Mystery, Community''. 2. Auflage. Fortress Press, Minneapolis MN 2003, ISBN 0-8006-3594-9.

=== Ausgewählte theologische Themen ===
'''Gottesbild'''
* Edith Zingg: ''Das Reden von Gott als „Vater“ im Johannesevangelium'' (= ''Herders Biblische Studien.'' Band 48). Herder, Freiburg Freiburg im Breisgau u.&nbsp;a. 2006, ISBN 3-451-28950-4.
* Adele Reinhartz (Hrsg.): ''God the Father in the Gospel of John''. Semeia 85. Soc. of Biblical Literature, Atlanta GA 1999.
* Marianne Meye Thompson: ''The God of the Gospel of John''. Eerdmans, Grand Rapids 2001, ISBN 0-8028-4734-X.
* Daniel Rathnakara Sadananda: ''The Johannine Exegesis of God. An Exploration into the Johannine Understanding of God'' (= ''[[Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft|BZNW]].'' Band 121). de Gruyter, Berlin u.&nbsp;a. 2004, ISBN 3-11-018248-3.

'''[[Christologie]]'''
* [[Udo Schnelle]]: ''[[Doketismus|Antidoketische]] Christologie im Johannesevangelium'' (= ''Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments.'' Band 144). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1987, ISBN 3-525-53823-5.
* William Loader: ''The Christology of the Fourth Gospel. Structure and Issues'' (= ''Beiträge zur biblischen Exegese und Theologie.'' Band 23). 2. Auflage. Lang, Frankfurt am Main u.&nbsp;a. 1992, ISBN 3-631-44943-7.
* [[Johanna Rahner]]: ''„Er aber sprach vom Tempel seines Leibes“. Jesus von Nazaret als Ort der Offenbarung Gottes im vierten Evangelium'' (= ''Bonner biblische Beiträge.'' Band 117). Philo, Bodenheim 1998, ISBN 3-8257-0097-6.
* Johannes Frühwald-König: ''Tempel und Kult. Ein Beitrag zur Christologie des Johannesevangeliums'' (= ''Biblische Untersuchungen.'' Band 27). Pustet, Regensburg 1998, ISBN 3-7917-1581-X.
* Joachim Kügler: ''Der andere König. Religionsgeschichtliche Perspektiven auf die Christologie des Johannesevangeliums'' (= ''Stuttgarter Bibelstudien.'' Band 178). Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1999, ISBN 3-460-04781-X.
* Markus Sasse: ''Der Menschensohn im Evangelium nach Johannes'' (= ''Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter.'' Band 35). Francke, Tübingen/Basel 2000, ISBN 3-7720-2827-6.
* Tobias Kriener: ''„Glauben an Jesus“ – ein Verstoß gegen das zweite Gebot? Die johanneische Christologie und der jüdische Vorwurf des Götzendienstes'' (= ''Neukirchener theologische Dissertationen und Habilitationen.'' Band 29). Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2001, ISBN 3-7887-1816-1.

'''[[Kreuzestheologie]]'''
* Thomas Knöppler: ''Die theologia crucis des Johannesevangeliums. Das Verständnis des Todes Jesu im Rahmen der johanneischen Inkarnations- und Erhöhungschristologie'' (= ''Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament.'' Band 69). Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1994, ISBN 3-7887-1501-4.
* Herbert Kohler: ''Kreuz und Menschwerdung im Johannesevangelium. Ein exegetisch hermeneutischer Versuch zur johanneischen Kreuzestheologie'' (= ''Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments.'' Band 72). Theologischer Verlag Zürich, Zürich 1987, ISBN 3-290-12072-4.

'''[[Eschatologie]]'''
* Jörg Frey: ''Die johanneische Eschatologie''. 3 Bände, Mohr Siebeck, Tübingen 1997–2000.
** Band 1: ''Ihre Probleme im Spiegel der Forschung seit Reimarus'' (= ''Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament.'' Band 96). Mohr Siebeck, Tübingen 1997, ISBN 3-16-146716-7.
** Band 2: ''Das johanneische Zeitverständnis'' (= ''Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament.'' Band 110). Mohr Siebeck, Tübingen 1998, ISBN 3-16-146845-7.
** Band 3: ''Die eschatologische Verkündigung in den johanneischen Texten'' (= ''Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament.'' Band 117). Mohr Siebeck, Tübingen 2000, ISBN 3-16-147088-5.
* Axel Hammes: ''Der Ruf ins Leben. Eine theologisch-hermeneutische Untersuchung zur Eschatologie des Johannesevangeliums mit einem Ausblick auf ihre Wirkungsgeschichte'' (= ''Bonner Biblische Beiträge.'' Band 112). Philo-Verlag, Bodenheim 1997, ISBN 3-8257-0060-7.

'''Liebe im Johannesevangelium'''
* Enno Edzard Popkes: ''Die Theologie der Liebe Gottes in den johanneischen Schriften. Zur Semantik der Liebe und zum Motivkreis des Dualismus'' (= ''Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament.'' Reihe 2, Band 197). Mohr Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148669-2.
* Jörg Augenstein: ''Das Liebesgebot im Johannesevangelium und in den Johannesbriefen'' (= ''Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament.'' H. 134 = Folge 7, H. 14). Kohlhammer, Stuttgart u.&nbsp;a. 1993, ISBN 3-17-012687-3.
Religion is scheißen langweilig

=== Beziehung zum Judentum und zum Alten Testament ===
* Reimund Bieringer u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Anti-Judaism and the Fourth Gospel. Papers of the Leuven Colloquium, 2000'' (= ''Jewish and Christian Heritage Series.'' Band 1). Royal Van Gorcum, Assen 2001, ISBN 90-232-3712-9.
* Manfred Diefenbach: ''Der Konflikt Jesu mit den „Juden“. Ein Versuch zur Lösung der johanneischen Antijudaismus-Diskussion mit Hilfe des antiken Handlungsverständnisses''. (= ''Neutestamentliche Abhandlungen.'' N. F. Band 41). Aschendorff, Münster 2002, ISBN 3-402-04789-6.
* Raimo Hakola: ''Identity Matters. John, the Jews and Jewishness'' (= ''Supplements to Novum Testamentum.'' Band 118). Brill, Leiden u.&nbsp;a. 2005, ISBN 90-04-14324-6.
* Michael Labahn; Klaus Scholtissek; Angelika Strotmann (Hrsg.): ''Israel und seine Heilstraditionen im Johannesevangelium. FS Johannes Beutler.'' Schöningh, Paderborn 2004, ISBN 3-506-77917-6 ([http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00044936_00002.html Online-Ausgabe im Projekt Digi20]).
* Dietrich Neuhaus (Hrsg.): ''Teufelskinder oder Heilsbringer – die Juden im Johannes-Evangelium'' (= ''Arnoldshainer Texte.'' Band 64). 2. Auflage. Haag + Herchen, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-86137-074-3.
* [[Rudolf Pesch]]: ''Antisemitismus in der Bibel? Das Johannesevangelium auf dem Prüfstand''. Sankt-Ulrich-Verlag, Augsburg 2005, ISBN 3-936484-44-9.
* Andreas Obermann: ''Die christologische Erfüllung der Schrift im Johannesevangelium. Eine Untersuchung zur johanneischen Hermeneutik anhand der Schriftzitate'' (= ''Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament.'' Reihe 2, Band 83). Mohr, Tübingen 1996, ISBN 3-16-146530-X.
* Adele Reinhartz: ''Freundschaft mit dem geliebten Jünger. Eine jüdische Lektüre des Johannesevangeliums''. TVZ, Zürich 2005, ISBN 3-290-17358-5.

=== Rezeptionsgeschichte ===
* Seán P. Kealy: ''John’s Gospel and the History of Biblical Interpretation''. Mellen Biblical Press, Lewiston NY u.&nbsp;a. 2002.
* Michael Mees: ''Die frühe Rezeptionsgeschichte des Johannesevangeliums am Beispiel von Textüberlieferung und Väterexegese'' (= ''Forschung zur Bibel.'' Band 72). Echter-Verlag, Würzburg 1994, ISBN 3-429-01604-5.
* [[Glenn W. Most]]: ''Der Finger in der Wunde. Die Geschichte des ungläubigen Thomas.'' Beck Verlag, München 2007, ISBN 978-3-406-55619-7.
* Titus Nagel: ''Die Rezeption des Johannesevangeliums im 2. Jahrhundert. Studien zur vorirenäischen Aneignung und Auslegung des vierten Evangeliums in christlicher und christlich-gnostischer Literatur'' (= ''Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte.'' Band 2). Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2000, ISBN 3-374-01821-1.
* Markus Enders, [[Rolf Kühn (Philosoph)|Rolf Kühn]], Christoph Bruns: ''„Im Anfang war der Logos…“ Studien zur Rezeptionsgeschichte des Johannesprologs von der Antike bis zur Gegenwart'' (= ''Forschungen zur europäischen Geistesgeschichte.'' Band 11). Herder, Freiburg im Breisgau u.&nbsp;a. 2011, ISBN 978-3-451-34020-8.

=== Spirituelle, tiefenpsychologische und interreligiöse Auslegungen ===
* [[Anselm Grün]]: ''Jesus – Tür zum Leben. Das Evangelium des Johannes''. Kreuz Verlag, Stuttgart/Zürich 2002, ISBN 3-7831-2107-8.
* Helmut Hark: ''Unser tiefstes Lebensgeheimnis. Die Spiritualität des Johannes-Evangeliums''. Kösel, München 2004, ISBN 3-466-36644-5.
* [[Eugen Drewermann]]: ''Das Johannesevangelium. Bilder einer neuen Welt''. 2 Bände, Patmos, Düsseldorf 2003.
** Band 1: ''Joh 1–10.'' Patmos, Düsseldorf 2003, ISBN 3-491-50102-4.
** Band 2: ''Joh 11–21.'' Patmos, Düsseldorf 2003, ISBN 3-491-50103-2.
* [[Benedikt Schwank]]: ''Evangelium nach Johannes''. Erläutert für die Praxis. 2. erweiterte Auflage. EOS-Verlag, St. Ottilien 1998, ISBN 3-88096-291-X.
* [[Wolfgang Feneberg]]: ''Mystik und Politik Jesu. Ein Kommentar zu Johannes 1–12 im Gespräch der Religionen''. Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2004, ISBN 3-460-33167-4.

== Weblinks ==
{{Commonscat|Gospel of John|{{PAGENAME}}}}

'''Das Johannesevangelium im Internet lesen oder anhören:'''
{{Wikisource|Κατά Ιωάννην|Κατά Ιωάννην|lang=el}}
{{Wikisource|Das Newe Testament Deutzsch/Joh|Lutherbibel von 1522}}
* [http://www.bibleserver.com/text/LUT/Johannes1 Luther 1984] (Diese und über 40 andere aktuelle und historische Übersetzungen bei [[Bibleserver.com]].)
* [http://johannes.textbibel.de/ Die 21 Kapitel des Johannesevangeliums zum Lesen und zum Anhören am Computer] (''Textbibel.de'')
* [http://www.schlachter2000.de/schlachter2000/johan.html Lesung: Schlachter 2000] Audio-Bibel, Sprecher: [[Hanno Herzler]]

'''Übersichten und weiterführende Darlegungen:'''
* Klaus Vogler: [http://www.reformiert-online.net/t/de/bildung/bibelkunde/nt/lek6/index.jsp Einführung ins Johannesevangelium: Verfasser, Verhältnis zu den Synoptikern, Entstehungszeit, -ort, Gliederung] vom Netzwerk der Reformierten Kirchen
* Wieland Willker: [http://www-user.uni-bremen.de/~wie/TCG/TC-John.pdf A textual commentary on the Gospel of John] (Detaillierter textkritischer Kommentar der ca. 300 wichtigsten Varianten des griechischen Urtextes; PDF; 2,22 MB)
* Klaus-Michael Bull: [http://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/neues-testament/evangelien/johannes/ Das Johannesevangelium] (Deutsche Bibelgesellschaft bibelwissenschaft.de)

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[[Kategorie:Buch des Neuen Testaments|Evangelium Nach 4]]
[[Kategorie:Villa in Tschechien|Klinger]]
[[Kategorie:Evangelium|Johannes]]
[[Kategorie:Nationales Kulturdenkmal (Tschechien)]]
[[Kategorie:Johannes (Evangelist)]]
[[Kategorie:Erbaut in den 1880er Jahren]]
[[Kategorie:Bauwerk im Okres Liberec]]
[[Kategorie:Kulturdenkmal im Okres Liberec]]
[[Kategorie:Nové Město pod Smrkem]]

Version vom 7. Januar 2016, 12:29 Uhr

Villa Ottomar Klinger 2010, Südansicht
Villa Ottomar Klinger 2010, Westansicht

Die Villa Ottomar Klinger ist ein großbürgerliches Wohnhaus in Nové Město pod Smrkem in Tschechien. Die Villa gehörte zusammen mit der Villa Oskar Klinger (1873–1874) und der Villa Willi Klinger (1903–1904) zu einem Gesamtkomplex von drei Villen der Familie Klinger, der durch einen von Hugo Eck aus Dresden großzügig und weitläufig gestalteten Park verbunden war. Das Haus steht unter Denkmalschutz, es wurde ab 2001 restauriert und umgenutzt.

Geschichte

Villa Ottomar Klinger 1910, Südansicht
Villa Ottomar Klinger 2001, Südansicht
Villa Ottomar Klinger 2001, Westansicht

Im 18. Jahrhundert betrieb Johann Georg Klinger (1708–1764) in Niederehrenberg ein Webereigeschäft. Später entwickelten aus diesen Wurzeln hauptsächlich Ignaz, Ottomar und Oskar von Klinger sowie Willi Klinger um 1900 zur Blütezeit von Neustadt an der Tafelfichte Textilfabriken in Böhmen. Ignaz Klinger erlernte bei seinem Vater die Leinenweberei. Um 1835 leitete er in Friedland einen Zweigbetrieb der Neustadtler Webefaktorei C. E. Blumrich. Als dieser aufgelöst wurde, ermutigten Garnhändler Klinger, sich selbständig zu machen und boten ihm Kredite an. 1839 gründete er in Neustadt an der Tafelfichte (Neustadtl) ein eigenes Unternehmen, das zunächst Handel trieb und dann mit der Erzeugung von Rohgewebe begann. Nach einigen Jahren verlegte Klinger sich auf die Herstellung von feineren Geweben wie Chaly, Batist, Orleans, Mohair, Kaschmir und Thibet. Die Rohware ließ er unter anderem von Unternehmen in Lörrach und Gera ausrüsten und aufbereiten. Die reimportierte Ware verkaufte er an Wiener Wolldruckereien sowie an Betriebe in Kosmanos, Liebenau, Reichenberg, Böhmisch Aicha, Pribram und Prag. Um das Jahr 1844 beschäftigte Klinger 700 Hausweber, 1850 bereits 1.500. 1862 erbaute er in Neustadtl eine Weberei mit 500 Regulator- und Jacquard-Webstühlen. 1868 wurde der Betrieb erweitert; die ersten 50 mechanischen Webstühle wurden aufgestellt, 1869 weitere 100. Seinen älteren Brüdern, die er anfangs beschäftigt hatte, errichtete Klinger eine Weberei in Dittersbach.

Nach Klingers Tod übernahmen die Söhne Oskar, Franz Edmund und Ottomar die Leitung des Unternehmens. Die Herstellung von Kammgarn-Kleiderstoffen wurde aufgenommen. 1878 wurde eine Färberei erbaut, 1881 in Jungbunzlau eine mechanische Weberei gekauft und dort 1886 eine Spinnerei erbaut, schließlich 1888 in Prato (Italien) eine mechanische Weberei mit 1.000 Webstühlen errichtet. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte das Unternehmen zuletzt 5.000 Beschäftigte, für die bemerkenswerte Sozialleistungen erbracht wurden. Niederlassungen bestanden in Brünn, Budapest, Prag, Wien, Hamburg, Paris, Mailand, Neapel, Alexandrien, Konstantinopel und New York. Nach dem Ausscheiden von Klingers Söhnen wurden die Werke vom Sohn seines Bruders Oskar geleitet. Zwischen 1918 und 1931 wurden sie dann samt der Firma „Ignaz Klinger“ verkauft, unter der sie bis 1945 bekannt blieben.

Die Villa, genannt „obere Villa“, ließ Ottomar Klinger (* 24. Dezember 1852 in Neustadtl; † 1. Januar 1918 Kosmanos; seit 1908 Ottomar Freiherr Klinger von Klingerstorff)[1] für sich, seine Frau und die drei Kinder 1888 bis 1891 von dem Architekten Eduard Trossin im schlossartigen Neubarockstil erbauen. Die Villa wurde mit italienischem Einfluss und vielen italienischen Baumaterialien repräsentativ ausgestattet und ist in Nordböhmen einzigartig. Sie steht unter Denkmalschutz. Auf ca. 900 m² bebauter Grundfläche wurde die voll unterkellerte Villa mit zwei Geschossen und einem ausgebauten Dachgeschoss mit über 2.700 m² Nutzfläche erstellt. Der Bauplatz liegt gegenüber der Tafelfichte an einem Südhang, aus dem eine Quelle mit besonders weichem Wasser die Villa speist.[2]

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann der langsame Verfall der Villa. Es folgten wechselde Nutzungen, zuletzt als Kindergarten. Dadurch und besonders durch über zehn Jahre Leerstand hatte die Villa in ihrer Substanz gelitten. Es drohte ihr vollständiger Verfall.

Im Jahre 2001 wurde die Villa Klinger unter Vermittlung des Amtes für Denkmalschutz dem Krefelder Unternehmer und Inhaber der CiS-Gruppe, Peter M. Wöllner, verkauft. Sein Unternehmen produziert seit 1992 in Ludvíkov pod Smrkem und gründete 1997 dort eine Tochtergesellschaft, die CiS SYSTEMS s.r.o. Unter der Leitung der Architekten und Statiker Tomáš und Karel Myslivec aus Liberec (Reichenberg) erfolgte die Sanierung.

Im September 2002 wurde im 1. Obergeschoss eine Manufaktur von Kabelgarnituren für Medizingeräte in Betrieb genommen. Weiterhin entstand ein 600 m² großes Lager mit weiteren Nebenräumen im Keller. Bis zum Jahresende zogen auch die Personal- und Finanzbuchhaltung von Ludvíkov pod Smrkem (Lusdorf an der Tafelfichte) in die Villa um. Im Dachgeschoss entstanden Wohnungen für den Betriebsleiter und den Geschäftsführer sowie Gästezimmer.

In den Jahren 2003 und 2004 wurde das Erdgeschoss saniert. Hier entstanden in repräsentativen Räumen mehrere Büros. Die Restaurierung des Stuckaturen im Spiegelsaal dauerte trotz Unterstützung der Fachschule für das Bauwesen über ein Jahr. Die Westfassade mit den Figuren an der Vorfahrt wurden restauriert und der eingestürzte Westturm originalgetreu wieder errichtet. Die Zufahrt und das Umfeld der Villa wurden gepflastert sowie der Park wiederhergestellt. Die Restaurierung des Vitragenfensters erfolgte durch Zdena Piverková aus Prag.

2005 wurde der Brunnen vor dem Portal gebaut und die Südfassade restauriert. Das Deckenfresko von Adolf Liebscher (1857–1919) wurde durch den Maler Jiří Látal aus Litomyšl restauriert. 2006 begann die Restaurierung der Nord- und Ostfassade. Das Dach wurde neu mit Schiefer eingedeckt. 2007 wurde als letzter größerer Bauabschnitt die zerstörte Südterrasse rekonstruiert und die Vorfahrt bekam eine Balustrade.

Von 2008 bis 2010 wurde der alte Baumbestand gepflegt und kranke Bäume entfernt. 2010 wurde die Manufaktur von Kabelgarnituren in das neu erstandene Werk nach Hejnice verlagert und weitere administrative Arbeitsplätze (Entwicklung, operativer Einkauf, Auftragsabwicklung, Personal- und Finanzbuchhaltung, IT) in der Villa geschaffen. Somit ist die Villa Klinger heute (2010) Firmensitz der CiS SYSTEMS s.r.o. mit ca. 45 Arbeitsplätzen. 2011 fand eine Aufforstung und Gestaltung des Parks statt. In diesem Zusammenhang wurde auch ein schmiedeeisernes Tor zum Park installiert, das ursprünglich zur ehemaligen Villa Finkgräfe in Zeitz gehörte.

Hunderte internationale Gäste besuchen jährlich die Villa und lassen sie damit wieder zum gesellschaftlichen Mittelpunkt von Nové Město pod Smrkem werden.

Einzelnachweise

  1. Erhard Marschner: Klinger, Ignaz. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 90 (Digitalisat).
  2. Rüdiger Heinelt (Nüsttal): 400 Jahre Stadt Neustadt an der Tafelfichte.

Koordinaten: 50° 55′ 57,7″ N, 15° 13′ 49,5″ O