Zum Inhalt springen

Heidelberg in römischer Zeit und Siebengemeinden (Burgenland): Unterschied zwischen den Seiten

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Unterschied zwischen Seiten)
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Sebbot (Diskussion | Beiträge)
Kategorie:Römische Befestigungsanlage (Germania Superior) umbenannt in Kategorie:Römische Befestigungsanlage (Germania superior): http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia%3AWikiProjekt_Kategorien%2FDiskussionen%2F2011%2FApril%2
 
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
 
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:PaulEsterhazy.jpg|mini|Paul Fürst Esterhazy (1635–1713)]]
[[Datei:Heidelberg in römischer Zeit.png|miniatur|hochkant=2|Karte Heidelbergs in römischer Zeit]]
Unter dem Begriff '''Siebengemeinden''' ([[Hebräische Sprache|hebr.]] ''Schewa Kehilot'') auch ''Esterházysche Sieben-Gemeinden''<ref>[http://www.vhs-burgenland.at/home/Geschichte_und_Zeitgeschichte_files/09kobersdorf.pdf Jüdische Gemeinde Kobersdorf] (PDF; 895&nbsp;kB) abgerufen am 5. Mai 2014.</ref> werden ehemals [[Kehilla|jüdische Gemeinden]] im heutigen [[Burgenland|Nord- und Mittelburgenland]] zusammengefasst, die unter der [[Esterházy]]schen Herrschaft im damaligen [[Ungarn]] entstanden. Die Siebengemeinden sind:
* [[Eisenstadt]]
* [[Mattersburg|Mattersdorf]]
* [[Kobersdorf]]
* [[Lackenbach]]
* [[Frauenkirchen]]
* [[Kittsee]]
* [[Deutschkreutz]]


Oft werden sie in der landesgeschichtlichen Auseinandersetzung jenen Gemeinden gegenübergestellt, die sich unter dem Schutz der Familie [[Batthyány]] im Gebiet des heutigen Südburgenlandes herausgebildet haben. Zu diesen zählen [[Rechnitz]], [[Schlaining]] und [[Güssing]]. Eine weitere ehemalige jüdische Gemeinde im Landessüden ist [[Oberwart]], wohin die Mehrzahl der Schlaininger Juden in der Zwischenkriegszeit abgewandert sind.
Im Gebiet der heutigen Stadt '''Heidelberg''' befand sich bereits '''in römischer Zeit''' eine Siedlung. Das [[Römisches Reich|römische]] [[Heidelberg]] – sein damaliger Name ist unbekannt – bestand aus einem um 70 n.&nbsp;Chr. gegründeten [[Römisches Militärlager|Kastell]] im heutigen Stadtteil [[Neuenheim]] und einer Zivilsiedlung ([[Vicus]]), die sich um das Kastell herum bildete. Das ursprünglich hölzerne Militärlager wurde um das Jahr 90 durch ein Steinkastell ersetzt. Seit 80/90 führte zunächst eine hölzerne, ab ca. 200 schließlich eine auf Steinpfeilern gegründete Brücke über den [[Neckar]]. Auch nachdem die Besatzung des Heidelberger Kastells um das Jahr 135 abgezogen worden war, florierte die Zivilsiedlung dank ihrer günstigen verkehrsgeografischen Lage weiterhin und entwickelte sich zu einem prosperierenden [[Töpferei]]zentrum. Dennoch blieb Heidelberg stets im Schatten des benachbarten Lopodunum (heute [[Ladenburg]]), das zu jener Zeit der Hauptort der Region war. Als Folge der [[Alamannen]]einfälle wurde das römische Heidelberg im 3. Jahrhundert aufgegeben.


Zu den Siebengemeinden gehörte ursprünglich auch [[Neufeld an der Leitha|Neufeld]] als achte Gemeinde. Sie wurde 1739 durch einen herrschaftlichen Erlass, gegen den kein Einspruch möglich war, aufgelöst. Die Bezeichnung „Acht Gemeinden“ findet sich in den Urkunden nicht.
== Topografie und Name ==
[[Datei:Rhein-Neckar in römischer Zeit.png|miniatur|Heidelberg und Umgebung in römischer Zeit]]


== Entstehung der Gemeinden ==
Heidelberg liegt am Ausgang des Neckars aus dem [[Odenwald]] in die [[Oberrheinische Tiefebene]]. Rund 20 Kilometer vor der Mündung des Neckars in den [[Rhein]] gelegen, gehört Heidelberg zum rechtsrheinischen Gebiet. Die Lage am Kreuzungspunkt des Neckars und der am Gebirgsrand verlaufenden [[Bergstraße]] ist verkehrsgeografisch äußerst günstig. Während die [[Heidelberger Altstadt|Altstadt]], die Keimzelle der heutigen Stadt, zu Füßen des [[Heidelberger Schloss|Schlosses]] zwischen Fluss und Bergen eingezwängt liegt, mied man vor dem Mittelalter das enge und hochwassergefährdete Flusstal und zog die dank der [[Löss]]böden fruchtbare Ebene als Siedlungsplatz vor. Auch der 440 Meter hohe [[Heiligenberg (Heidelberg)|Heiligenberg]], der sich gegenüber der Altstadt am Rand des Odenwaldes erhebt, hat wegen seiner günstigen Schutzlage seit Jahrtausenden Menschen angezogen. Das römerzeitliche Heidelberg lag knapp zwei Kilometer westlich der Altstadt in der Ebene am Nordufer des Neckars im heutigen Stadtteil [[Neuenheim]]. Auch das gegenüberliegende Neckarufer in [[Bergheim (Heidelberg)|Bergheim]] war in römischer Zeit besiedelt.
Die ersten jüdischen Siedler gab es in diesen Gemeinden vereinzelt schon im [[14. Jahrhundert]] und [[15. Jahrhundert]],<ref name="regiowiki">[http://regiowiki.at/wiki/Geschichte_der_Juden_im_Burgenland Geschichte der Juden im Burgenland], Webseite regiowiki.at, abgerufen am 8. Februar 2015.</ref> doch das jüdische Leben erblühte in diesen Dörfern erst, als [[Paul I. Fürst Esterházy]] nach 1670 Juden aufnahm, die von [[Leopold I. (HRR)|Leopold I.]] aus [[Wien]] vertrieben worden waren. Rund 3000 Personen, die sich vorwiegend zum [[Orthodoxes Judentum|orthodoxen Judentum]] bekannten, siedelten in den Siebengemeinden. Die Frömmsten unter ihnen lebten in Mattersdorf und Deutschkreutz, wo sich bedeutende [[Jeschiwa|Jeschiwot]] befanden. In Mattersdorf wirkte unter anderem auch der große [[Rabbiner]] [[Moses Sofer]].


Für den Schutz durch die Esterházy mussten sie an den jeweiligen Fürsten Schutzgebühren bezahlen. Im Gegenzug dazu nannten sie sich selbst stolz als ''Hochfürstlich Esterházy Schutzjuden''.<ref>[http://bavaria-wien.at/download/maximaler_abend_skriptum.pdf Juden im Burgenland] (PDF; 858&nbsp;kB) in Allerlei über das Burgenland Seite 4 abgerufen am 28. Februar 2010.</ref>
Der Name des römerzeitlichen Heidelbergs ist unbekannt. Ob die Römer ein altes [[Keltische Sprachen|keltisches]] Toponym übernahmen oder dem Ort einen [[latein]]ischen Namen gaben, kann nicht gesagt werden. Vorschläge wie ''Traiectum ad Nicrem'' („Neckarübergang“; in Analogie zu ''Traiectum ad Mosam'', heute [[Maastricht]])<ref>Tilmann Bechert: ''Die Frühzeit bis zu den Karolingern'', in: Elmar Mittler (Hrsg.): ''Heidelberg. Geschichte und Gestalt'', Heidelberg 1996, S. 31.</ref> müssen als rein spekulativ gelten. Das vom antiken Geographen [[Claudius Ptolemäus|Ptolemaeus]] als Standort eines Kastells erwähnte ''Rufiana'' wird heute jedenfalls mit [[Rheingönheim|Ludwigshafen-Rheingönheim]] in Verbindung gebracht, während das ebenfalls vorgeschlagene ''Piri Mons'' der Name eines unbekannten Berges im rechtsrheinischen Gebiet, möglicherweise des Heidelberger Heiligenbergs, jedoch nicht der Siedlung an der Stelle Heidelbergs ist.


== Zerstörung der Gemeinden durch den Nationalsozialismus ==
== Geschichte ==
[[Datei:PortschyTobias.jpg|mini|Gauleiter Tobias Portschy]]
=== Vorrömische Zeit ===
Die sieben Gemeinden fielen der [[Holocaust|Judenverfolgung]] während der Zeit der [[Österreich in der Zeit des Nationalsozialismus|nationalsozialistischen Herrschaft]] zum Opfer. Ihre Zerstörung ist untrennbar mit dem Namen des [[Gauleiter]]s [[Tobias Portschy]] verbunden, der das Burgenland bereits im November 1938 als ''judenfrei'' erklärte, nachdem die jüdischen Bewohner gezwungen worden waren, ihre Heimat binnen weniger Tage aufzugeben.<ref name="regiowiki" /> Viele wurden Opfer einer [[Arisierung|wilden Arisierungswelle]], bei der sich Parteiangehörige, Mitläufer oder auch Nachbarn bereicherten. Natürlich gab es auch Fälle, wo die Vertriebenen von ehemaligen nichtjüdischen Nachbarn und Freunden unterstützt wurden.<ref name="regiowiki" /> Die Menschen verfrachtete man nach Wien und überließ sie dort vorerst ihrem Schicksal, wo Wiener Juden für ihre vertriebenen Glaubensbrüdern eine provisorische Unterbringung organisierten. Etwa zwei Drittel der burgenländischen Juden gelang es, die Galgenfrist, die ihnen die Weltgeschichte bis zum Beginn des Holocaust noch ließ, zu nutzen. Sie wanderten
Das Gebiet des heutigen Heidelberg ist schon seit der [[Jungsteinzeit]] dauerhaft besiedelt. Vorgänger der Römer im Heidelberger Raum waren während der [[La-Tène-Zeit]] die [[Kelten]]. Der Überlieferung der antiken Autoren Ptolemaeus und [[Publius Cornelius Tacitus|Tacitus]] nach handelte es sich bei den keltischen Bewohnern des südwestdeutschen Raums um Angehörige des Volksstamms der [[Helvetier]]. Im 5. Jahrhundert v.&nbsp;Chr. gründeten die Kelten auf dem Gipfel des Heiligenbergs eine befestigte Stadt ([[Oppidum (Kelten)|Oppidum]]). Zwei Jahrhunderte später wurde die Höhensiedlung aus ungeklärtem Grund aufgegeben. In der Ebene zu Füßen des Berges befanden sich beiderseits des Neckars zahlreiche keltische Kleinsiedlungen. Im 1. Jahrhundert v.&nbsp;Chr. gaben die Helvetier unter dem Druck des vordringenden [[Germanen|germanischen]] Stamms der [[Sueben]] unter [[Ariovist]] ihre angestammten Wohnsitze auf. In Heidelberg wird dies am abrupten Abbrechen von archäologischen Funden aus der Spätlatènezeit ersichtlich.<ref>Bechert 1996, S. 28.</ref>
nach [[London]], [[Manchester]], [[New York City|New York]], [[Ramat Gan]], [[Tel Aviv]], [[Budapest]], [[Buenos Aires]], [[Shanghai]] oder anderen Orten aus. Alle anderen wurden ab 1939 in die [[Ghetto]]s und [[Konzentrationslager]] des Ostens wie [[Riga]], [[KZ Buchenwald|Buchenwald]], [[Ungvár]], [[Miskolc]], [[Kielce]], [[Minsk]], [[Nisko]], [[Izbica]] oder [[Opole]] deportiert und dort ermordet.


Von den ehemaligen Synagogen blieb nur die [[Synagoge Kobersdorf]] und eine Privatsynagoge im heutigen [[Österreichisches Jüdisches Museum|Österreichischen Jüdischen Museum]] in Eisenstadt erhalten. Die anderen Synagogen des Burgenlandes wurden von den Nationalsozialisten zerstört.
=== Neckarsueben ===
Nach ihrer Massenauswanderung versuchten die Helvetier in [[Gallien]] Fuß zu fassen. Dies diente [[Gaius Iulius Caesar]] als Anlass für den [[Gallischer Krieg|Gallischen Krieg]]. 58 v.&nbsp;Chr. schlugen die Römer unter Caesar die Helvetier bei [[Bibracte]], eroberten bis 51 v.&nbsp;Chr. Gallien und drangen so bis zum Rhein vor. Das als [[Agri decumates]] bekannte Gebiet östlich des Rheins blieb fast ein Jahrhundert lang weitgehend unbesiedelt und wird von Ptolemaeus als „helvetische Einöde“ beschrieben. Nachdem der unter [[Augustus]] begonnene Versuch der Eroberung von [[Magna Germania]] gescheitert war, bauten die Römer zur Zeit des Kaisers [[Tiberius]] ab 17 n.&nbsp;Chr. den Rhein als Außengrenze aus und begannen, im rechtsrheinischen Gebiet zum Schutz der Rheingrenze romtreue germanische Volksgruppen anzusiedeln. Am Unterlauf des Neckars ließ sich ein Teilstamm der Sueben nieder. Die Neckarsueben erhielten den Status einer [[Civitas]] und wurden so in das römische Verwaltungssystem eingegliedert. Hauptort der ''Civitas Ulpia Sueborum Nicrensium'' war Lopodunum, das heutige [[Ladenburg]].


== Folgen ==
Die Neckarsueben behielten anfangs ihre [[Elbgermanen|elbgermanische]] Kultur bei und siedelten in eigenen Dorfgemeinschaften. In Heidelberg lassen sich neckarsuebische Dörfer in den heutigen Stadtteilen Bergheim, [[Wieblingen]] und [[Kirchheim (Heidelberg)|Kirchheim]] nachweisen.<ref>Renate Ludwig: ''Kelten, Kastelle, Kurfürsten'', Stuttgart 1997, S. 37.</ref> Unter dem Einfluss der römischen Kultur wurden die Neckarsueben bis ins 2. Jahrhundert romanisiert.
Von den rund 4000 Juden des Burgenlandes, dazu zählten auch die jüdischen Bewohner der drei südlichen Gemeinden sowie einzelne Familien in mehr als 100 burgenländischen Dörfern, fielen mindestens 1300 dem Holocaust zu Opfer.<ref name="regiowiki" /> Nach dem Krieg kehrte nur eine Handvoll Überlebender oder Vertriebener in ihre alte Heimat zurück. In den Gemeinden lebt heute nicht mehr als ein Dutzend Menschen jüdischen Glaubens.


An die mehr als 300 Jahre dauernde jüdische Geschichte der Siebengemeinde erinnern heute nur mehr die erhalten gebliebenen Friedhöfe, die stark renovierungsbedürftige [[Synagoge]] von Kobersdorf sowie das 1972 gegründete [[Österreichisches Jüdisches Museum|Österreichische Jüdische Museum]] in Eisenstadt.
=== Heidelberg als Teil des Römischen Reichs ===
[[Datei:Römische Expansion in Südwestdeutschland.png|miniatur|Römische Expansion in Südwestdeutschland]]


<gallery>
Die endgültige Eingliederung Heidelbergs in das Römische Reich und der Bau des römischen Kastells erfolgten unter Kaiser [[Vespasian]] (69–79). Nachdem dieser aus den Wirren des [[Vierkaiserjahr]]s als Sieger hervorgegangen war und im Jahre 70 den [[Bataveraufstand]] am Niederrhein niedergeschlagen hatte, ließ er 73/74 die [[Kinzig (Schwarzwald)#Die historische Römerstraße|Kinzigtalstraße]] anlegen, um den Anmarschweg von der [[Donau]] an den Mittel- und Niederrhein zu verkürzen. Zur gleichen Zeit wurde die römische Außengrenze auch am nördlichen Oberrhein nach Osten vorgeschoben. Die Römer ersetzten die neckarsuebischen Milizen durch eigene Truppen und legten zur Sicherung der Grenze mehrere Kastelle an: Außer in Heidelberg entstanden in Aquae ([[Baden-Baden]]), Lopodunum (Ladenburg) und [[Groß-Gerau]] neue Kastelle.
Deutschkreutz - Israelitischer Friedhof (03).jpg|Jüdischer Friedhof Deutschkreutz
ÖsterreichischesJüdischesMuseum.Eisenstadt.11A.JPG|Österreichisches Jüdisches Museum in Eisenstadt
Juedischer Friedhof Frauenkirchen 2.jpg|Jüdischer Friedhof Frauenkirchen
Kittsee jüdischer Friedhof-13.jpg|Jüdischer Friedhof Kittsee
Jüdischer Friedhof Kobersdorf.jpg|Jüdischer Friedhof Kobersdorf
Kobersdorf-ehemalige-Synagoge-nah-(041006).gif|[[Synagoge Kobersdorf]]
Jüdischer Friedhof 67009 in A-7322 Lackenbach.jpg|Jüdischer Friedhof Lackenbach
Mattersburg - Jüdischer Friedhof (01).jpg|Jüdischer Friedhof Mattersburg
</gallery>


== Bekannte Persönlichkeiten ==
In Heidelberg wurde das erste Kastell, das sogenannte Ostkastell, schon nach wenigen Jahren aufgegeben und einige hundert Meter weiter westlich verlegt. Das im Jahre 74 erbaute hölzerne Westkastell wurde durch einen Brand zerstört und um das Jahr 90 durch ein Steinkastell an gleicher Stelle ersetzt. Eine erste [[Jochbrücke|Pfahljochbrücke]] über den Neckar wurde um 80/90 erbaut.<ref>Ludwig 1997, S. 44 ff.</ref> Um das Kastell herum entstanden beiderseits des Neckars Ansiedlungen (Vici), die dank der verkehrsgeografisch günstigen Lage Heidelbergs bald anwuchsen und wirtschaftlich prosperierten.
* [[Julius Deutsch]], geb. 1884 in Lackenbach - gest. 1968 in Wien, Politiker, Mitbegründer des [[Republikanischer Schutzbund|Republikanischen Schutzbundes]]
* [[Karl Goldmark]], 1830–1915, aufgewachsen in Deutschkreutz, Komponist
* [[Ruwen Hirschler]] aus Lackenbach, Förderer des jungen [[Franz Liszt]]
* [[Joseph Joachim]], geb. 1831 in Kittsee - gest. 1907 in Berlin, Geiger
* [[Sándor Wolf]], geb. 1871 in Eisenstadt - gest. 1946 in Haifa, Weinhändler und Gründer des [[Landesmuseum Burgenland|Landesmuseums Burgenland]]


== Einzelnachweise ==
Im Jahre 85 wurden die ober- und niederrheinischen Heeresbezirke in zivile [[Römische Provinz|Provinzen]] umgewandelt. Dadurch wurde Heidelberg zu einem Teil der Provinz [[Germania superior]] (Obergermanien), deren Hauptstadt [[Mogontiacum]] (Mainz) war. Als Reaktion auf einen Aufstand des Provinzstatthalters [[Lucius Antonius Saturninus|Saturninus]] in Mogontiacum hielten die Römer es für nötig, die Verkehrssituation zwischen Rhein und Donau weiter zu verbessern. Daher wurde wohl zwischen 100 und 120, gleichzeitig mit dem Bau des [[Neckar-Odenwald-Limes]], eine neue Militärstraße zwischen Mogontiacum und [[Augusta Vindelicorum]] (Augsburg) angelegt. Dieser Weg führte auch über Heidelberg und querte hier den Neckar.
<references />

Im 2. Jahrhundert wurde die römische Grenze durch den Bau des [[Obergermanisch-Raetischer Limes|Obergermanisch-Raetischen Limes]] erneut vorgeschoben. Um 135 wurde die zuvor in Heidelberg stationierte Einheit abgezogen und an den Limes nach [[Butzbach]] in die [[Wetterau]] verlegt. Die Zivilsiedlung prosperierte aber auch nach dem Abzug der Soldaten. Die alte hölzerne Brücke wurde um das Jahr 200 durch eine Steinpfeilerkonstruktion ersetzt.

=== Germaneneinfälle und Abzug der Römer ===
Im 3. Jahrhundert erlebte das Römische Reich eine schwerwiegende [[Reichskrise des 3. Jahrhunderts|Reichskrise]], als äußere Bedrohungen und innere Unruhen das römische Staatswesen erschütterten. Im Osten sahen sich die Römer durch das persische [[Sassanidenreich]] bedroht, an der Donau übten die [[Goten]] Druck aus, und am Rhein kam es zum Ansturm der [[Alamannen]]. Im Jahr 233 überrannte dieser Germanenstamm erstmals den Limes und führte einen Raubzug in römisches Territorium. Den römischen Kaisern gelang es trotz mehrerer Feldzüge gegen die Alamannen nicht, die Lage zu stabilisieren, so dass sich in den nächsten Jahrzehnten in Obergermanien Überfälle und Brandschatzungen häuften. Zugleich mit der Usurpation des [[Postumus]], der 260 ein [[Imperium Galliarum|gallisches Sonderreich]] gründete, kam es zu einem verheerenden Einfall von Alamannen, [[Franken (Volk)|Franken]] und [[Juthungen]]. Um 260/70 mussten die Römer den Limes aufgeben und zogen sich an den Rhein und die Donau zurück. Zwar gelang Kaiser [[Diokletian]] (284–305) die Konsolidierung des Römischen Reiches, doch war das rechtsrheinische Provinzgebiet endgültig verloren.

Auch Heidelberg war von den alamannischen Überfällen betroffen. Archäologisch lässt sich nachweisen, dass der Vicus um die Mitte des 3. Jahrhunderts mehrmals abbrannte – vermutlich als Folge der Brandschatzung durch die Alamannen. Als Reaktion auf die Einfälle wurden die Tortürme des Steinkastells verstärkt. Zeugnisse der Krisensituation sind auch die Funde eines Keramik- und Metalldepots in einem römischen Keller sowie eines Münzschatzes, der in den 30er Jahren des 3. Jahrhunderts aus Furcht vor den Germanen am Westtor des Kastells vergraben und nie wieder gehoben wurde.<ref>Ludwig 1997, S. 104 ff.</ref> Ein [[Meilenstein]] aus dem Jahr 253<ref>{{CIL|13|09111}}.</ref> ist das späteste bekannte römische Inschriftenzeugnis in Heidelberg und (zusammen mit einem weiteren Meilenstein aus Lopodunum) überhaupt im rechtsrheinischen Gebiet.<ref>[[Hans Ulrich Nuber]]: ''Staatskrise im 3. Jahrhundert. Die Aufgabe der rechtsrheinischen Gebiete'', in: ''Imperium Romanum – Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau'', Stuttgart 2005, hier S. 442.</ref> Spätestens mit dem Abzug der Römer vom Limes wurde der Militärstandort in Heidelberg endgültig aufgegeben.<ref>Ludwig 1997, S. 49.</ref>

=== Nachrömische Zeit ===
Mit dem Abzug der Legionäre wanderte auch die römische Bevölkerung in linksrheinisches Gebiet aus. Die Alamannen begannen, das neu gewonnene Land zu besiedeln, wovon in Heidelberg Grabfunde aus dem 4. und 5. Jahrhundert zeugen.<ref>Ludwig 1997, S. 108.</ref> Das römische Kastell und der Vicus wurden aber aufgegeben und auch die Brücke verfiel. Anders als im benachbarten Lopodunum, wo die Römer noch im 4. Jahrhundert einen [[Burgus]] als militärischen Brückenkopf in rechtsrheinischem Gebiet errichteten, erneuerten die Römer ihre Präsenz in Heidelberg nicht. Die ältesten Stadtteile Heidelbergs gehen auf Dorfgründungen aus der Zeit der [[Fränkische Landnahme|fränkischen Landnahme]] im 6. Jahrhundert zurück, während die eigentliche Stadt erst im Mittelalter zu Füßen des Schlosses gegründet wurde und erstmals 1196 erwähnt wird. Somit besteht im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Städten, deren Geschichte in die Antike zurückreicht, keine Kontinuität zwischen römerzeitlichem und heutigem Heidelberg.

== Das römerzeitliche Heidelberg ==
=== Kastell ===
In Heidelberg lässt sich eine Abfolge mehrerer römischer [[Römische Militärlager|Kastelle]] nachweisen. Die ersten Anlagen waren aus Holz gebaut. Daher hatten sie keine allzu lange Lebensdauer und mussten alle 10–15 Jahre erneuert werden. Im östlichen Bereich Neuenheims lassen sich vier aufeinanderfolgende Holzkastelle nachweisen.<ref>Bechert 1996, S. 31.</ref> Das sogenannte Ostkastell befand sich zu beiden Seiten der heutigen Ladenburger Straße zwischen Kepler- und Werderstraße. Das Ausfalltor ([[Porta praetoria]]) an der Südseite war direkt auf die Neckarbrücke ausgerichtet. Schon während der Regierungszeit Kaiser Vespasians (69–79) wurde das Ostkastell aufgegeben und planiert. Aus ungeklärtem Grund verlegten die Römer den Standort des Kastells rund 500 Meter nach Westen. Die ersten drei Westkastelle waren ebenfalls aus Holz gebaut.<ref>Bechert 1996, S. 32 f.</ref>

[[Datei:Heidelberg Römerkastell Lageplan.png|miniatur|Lageplan des Steinkastells]]

Um das Jahr 90 wurde die Holzkonstruktion durch ein steinernes Kastell ersetzt. Es befand sich in etwa im Bereich der heutigen Straßenzüge Posseltstraße, Kastellweg, Gerhart-Hauptmann-Straße und Furchgasse und hatte eine fast quadratische Form mit 176 bzw. 178 Metern Seitenlänge. Die aus [[Buntsandstein]]quadern erbaute Lagermauer war etwa 5 Meter hoch, 1,80–2,20 Meter stark. Hinter der Mauer war ein Erdwall aufgeschüttet, vor ihr lag ein 5–8 Meter breiter und 3,50 Meter tiefer [[Spitzgraben]]. An der Mauer befanden sich vier trapezförmige Ecktürme und 16 Zwischentürme. Das Heidelberger Kastell war nach dem typischen Schema römischer Militärlager angelegt: An jeder der vier Seiten befand sich ein Tor, an dessen Stelle der Graben unterbrochen war und das durch zwei massive Steintürme geschützt wurde. Den Lagermittelpunkt bildete das Stabsgebäude (Principia) mit Schreibstuben, Waffenkammern und Fahnenheiligtum. Vom Stabsgebäude führte die [[Via praetoria]], die Hauptachse des rechtwinkligen Straßennetzes, zur Porta praetoria im Süden. Die beiden Seitentore (Porta principalis dextra und sinistra) wurden durch die [[Via principalis]] verbunden. Rechtwinklig zu dieser verlief die Via decumana zum Nordtor, der Porta decumana. Die Soldaten waren in [[Baracke]]n untergebracht, die mit zehn Wohneinheiten für je acht Soldaten und einer separaten Wohnung für den [[Centurio]] jeweils für eine [[Zenturie]] Platz boten. Die Baracken waren ebenso wie die Stallanlagen in [[Fachwerkbauweise]] errichtet. Aus Stein gebaut waren das Wohnhaus des Kommandanten ([[Prätorium|Praetorium]]) samt Badeanlage, ein Speichergebäude ([[Horreum]]) und vermutlich auch das Lazarett ([[Valetudinarium]]).<ref>Ludwig 1997, S. 46.</ref>

Der Fund der beinernen Endverstärkung eines [[Bogen (Waffe)|Bogens]] im Bereich des Ostkastells legt nahe, dass in Heidelberg zeitweise eine Einheit von Bogenschützen stationiert war. Da Pfeil und Bogen bei den Römern nicht gebräuchlich waren, müsste es sich um [[Auxiliartruppen]] aus [[Syrien]], [[Thrakien]] oder [[Spanien]] gehandelt haben.<ref>Ludwig 1997, S. 45.</ref> Funde von [[Ziegelstempel]]n sowie einer Weiheinschrift und eines eisernen Axtstempels belegen, dass im Westkastell nacheinander zwei [[Kohorte]]n von Auxiliartruppen stationiert waren: die Cohors XXIIII Voluntariorum Civium Romanorum und die Cohors II Augusta Cyrenaica Equitata. Letztere bestand aus 380 Fußsoldaten und 120 Reitern und verdankte ihren Namen Kriegstaten in der [[Kyrenaika|Cyrenaica]] im heutigen Libyen. Um 135 wurde diese Einheit abgezogen und an den Limes nach [[Butzbach]] verlegt.<ref>Ludwig 1997, S. 47 ff.</ref>

=== Vicus ===
Nach Gründung des Heidelberger Kastells entstanden um dieses herum kleinere Zivilsiedlungen ([[Vicus|Vici]]). Zu Beginn des 2. Jahrhunderts wuchsen die Lagerdörfer an und verschmolzen zu einem großen Vicus beiderseits des Neckars. Auch nach dem Abzug der Garnison aus dem Kastell existierte der Vicus fort und erlebte sogar eine ausgesprochene Blütezeit. Dennoch entwickelte Heidelberg nie einen städtischen Charakter und blieb stets in Schatten des nahegelegenen Lopodunum (Ladenburg), das zwar auch nie den rechtlichen Status eines [[Municipium]] erlangte, aber dank [[Basilika]], [[Forum (Platz)|Forum]] und [[Theater der römischen Antike|Theater]] deutlich urban geprägt war.

Der Vicus erstreckte sich entlang der Landstraße und nahm eine recht große Fläche von ca. 30 [[Hektar]] ein.<ref>[[Klaus Kortüm]]: ''Städte und kleinstädtische Siedlungen. Zivile Strukturen im Hinterland des Limes'', in: ''Imperium Romanum – Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau'', Stuttgart 2005, hier S. 154.</ref> Das Erscheinungsbild des Vicus wurde von den für Obergermanien typischen [[Streifenhaus (römisch)|Streifenhäusern]] geprägt. Diese Gebäude waren in Fachwerkbauweise, ab dem 2. Jahrhundert auch aus Stein erbaut und zeichneten sich durch ihren schmalen Grundriss aus: Die stets zur Straße hin ausgerichtete Schmalseite war nur 6–12 Meter breit, während die Länge des Hauses bis zu 38 Meter betragen konnte. Neben Wohngebäuden, Geschäften und Werkstätten gab es im Vicus auch öffentliche Bauten wie mehrere [[Tempel]] und ein [[Thermen|Badehaus]].<ref>Ludwig 1997, S. 61 f.</ref> Die Wasserversorgung der Siedlung wurde wohl durch eine [[Druckleitung]] aus Tonröhren gewährleistet.<ref>Meinrad N. Filgis: ''Wasser und Abwasser. Infrastruktur für Soldaten und Bürger'', in: ''Imperium Romanum – Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau'', Stuttgart 2005, hier S. 193.</ref>

Die Einwohner des römerzeitlichen Vicus lebten vor allem von Handel und Handwerk. Wegen der reichen Tonvorkommen im Gebiet des heutigen [[Ziegelhausen]] wurde in Heidelberg [[Töpferei]] betrieben. Das zum Brennen benötigte Holz konnte im Odenwald gewonnen und über den Neckar [[Flößerei|herbeigeflößt]] werden, die verkehrsgünstige Lage erleichterte den Vertrieb. So entwickelte sich der Vicus von Heidelberg zu einem bedeutenden Töpferzentrum. Insgesamt sind 60 [[Töpferofen|Töpferöfen]] nachgewiesen worden. Von anderen Erwerbszweigen zeugen die Werkzeuge von Schmieden, Schreinern, Gerbern, Malern, Maurern, Zimmermännern und Fleischern, die in Heidelberg gefunden worden sind.<ref>Ludwig 1997, S. 74 ff.</ref>

Der Heidelberger Vicus ist größtenteils überbaut worden, sodass viel archäologische Substanz zerstört worden ist. Größere Flächengrabungen konnten nie stattfinden, einzig im Bereich der Ladenburger Straße 80–84 wurden vier Streifenhäuser ausgegraben.<ref>Ludwig 1997, S. 62.</ref>

=== Neckarbrücke ===
[[Datei:Neckarwiese Römerbrücke.JPG|miniatur|Jeweils ein Gedenkstein auf beiden Seiten des Flusses markiert heute die Stelle der Römerbrücke.]]
[[Datei:Roman and modern drive shoes for bridge building.jpg|miniatur|Römische [[Pfahlschuh]]e (zwei links)]]

Die römische Neckarbrücke querte den Fluss an der Stelle einer schon in vorgeschichtlicher Zeit begangenen Furt etwa auf der Höhe der heutigen Keplerstraße auf Neuenheimer Seite bzw. der Thibautstraße am Bergheimer Ufer. Die erste Brücke wurde spätestens um 80/90 errichtet.<ref>Ludwig 1997, S. 44.</ref> Vielleicht entstand sie aber auch schon zur Zeit Kaiser [[Nero]]s (54–68), als die Römer Heidelberg noch nicht dauerhaft in ihr Reich eingegliedert hatten, aber schon strategische Vorposten rechts des Rheins eingerichtet hatten.<ref>Bechert 1996, S. 32.</ref> Diese erste Konstruktion war eine hölzerne [[Pfahljochbrücke]]. Um das Jahr 200 wurde sie durch eine Steinpfeilerbrücke ersetzt.

Die Römerbrücke bestand aus einem hölzernen Oberbau, der auf sieben Steinpfeilern ruhte, und besaß eine Länge von 260 Metern. Die Fahrbahn dürfte ebenso wie die zur Brücke führende Fernstraße neun Meter breit gewesen sein und lag zehn Meter über dem mittleren Wasserstand. Die Pfeiler standen im Abstand von 34,50 Metern zueinander und hatten einen Grundriss von 15,80 Metern Länge und 7,20 Metern Breite. Die Buntsandsteinquader des Pfeilers waren auf [[Pfahlrost]]en gegründet, die aus Eichenpfählen mit eisernen [[Pfahlschuh]]en bestanden. Auf dem mittleren Pfeiler befand sich ein [[Neptun (Mythologie)|Neptun]]-Heiligtum. Dessen Altar nennt den Namen des Baumeisters der Brücke, Valerius Paternus.<ref>{{CIL|13|06403}}; [[Helmut Castritius]], [[Manfred Clauss]], Leo Hefner: ''Die Römischen Steininschriften des Odenwaldes (RSO).'' Beiträge zur Erforschung des Odenwaldes 2, Breuberg-Neustadt 1977, S.&nbsp;237–308. Nr.&nbsp;152.</ref> Am Ufer flussabwärts der Brücke ist eine Kaimauer nachgewiesen, die auf einen Hafen hinweist. Am südlichen Brückenkopf befand sich eine [[Benefiziarier]]station, welche die [[Legio VIII Augusta]] nach dem Abzug der Garnison aus dem Heidelberger Kastell um das Jahr 150 zum Schutz der Brücke eingerichtet hatte.<ref>Ludwig 1997, S. 65 ff.</ref>

Der Altar des Neptun-Heiligtums wurde 1876 im Neckar gefunden. Ein Jahr später wurden erstmals die hölzernen Pfeilerfundamente, die bei Niedrigwasser aus dem Fluss ragten, untersucht. Das nördliche [[Widerlager (Brückenbau)|Widerlager]] der Brücke wurde 1894 angeschnitten. Im Zuge der Absenkung des Flussbetts im Jahr 1972 wurden insgesamt 43 Eichenpfähle der Pfeilergründungen geborgen.

=== Religion ===
[[Datei:Mithrasrelief-Neuenheim.JPG|miniatur|links|Relief mit Stiertötungsszene (Mithräum I, 2. Jhd.)]]

In Heidelberg sind zahlreiche Weihungen und religiöse Denkmäler aus der Römerzeit gefunden worden, die belegen, dass neben römischen Göttern wie [[Jupiter (Mythologie)|Jupiter]], [[Minerva]], [[Neptun (Mythologie)|Neptun]], [[Fortuna (Mythologie)|Fortuna]], [[Herakles|Hercules]] oder [[Vulcanus]] auch orientalische Gottheiten wie [[Mithras]] sowie die keltisch-germanischen Götter [[Cimbrianus]] und [[Visucius]] verehrt wurden.<ref>Bechert 1996, S. 35.</ref> Ein Zeugnis für die Vermischung der [[Römische Religion|römischen Religion]] mit einheimischen Glaubensvorstellungen sind auch mehrere in Heidelberg gefundene [[Jupitergigantensäule]]n. Diese auf einer Säule stehenden Darstellungen des Jupiter, der einen [[Gigant (Mythologie)|Giganten]] niederreitet, waren typisch für die Nordwestprovinzen. Sie gehörten meist zu kleineren Heiligtümern, in denen neben Jupiter auch andere Gottheiten verehrt wurden.

Auf dem Gipfel des Heiligenbergs befand sich ein Kultbezirk mit mehreren Tempeln und einer Jupitergigantensäule. Eines der Kultgebäude wurde 1983 unter den Ruinen des mittelalterlichen [[Michaelskloster (Heidelberg)|Michaelsklosters]] ausgegraben. Wie die bei den Ausgrabungen entdeckten [[Votivgabe]]n beweisen, wurde in diesem Gebäude der Gott Merkur verehrt. Seine Gleichsetzung mit Cimbrianus bzw. Visucius (sog. [[Interpretatio Romana]]) könnte auf eine Verbindung mit einem älteren keltischen Heiligtum an gleicher Stelle hinweisen. Auch das Michaelskloster steht in einer gewissen Kontinuität zu dem römischen Tempel, da der [[Michael (Erzengel)|Erzengel Michael]] ebenso wie Merkur als Begleiter der Toten ins Jenseits gilt.<ref>Ludwig 1997, S. 132 ff.</ref>

Ab dem 2. Jahrhundert verbreiteten sich in Heidelberg vor allem unter Kaufleuten und Soldaten verschiedene orientalische [[Mysterienkult]]e, allen voran der [[Mithraismus]]. In Heidelberg befanden sich zwei größere Mithras-Heiligtümer ([[Mithräum|Mithräen]]). In dem 1838 an der Neuenheimer Landstraße 80 entdeckten Mithräum I wurden mehrere Reliefbilder gefunden, welche verschiedene zentrale Motive der mithräischen Ikonografie darstellen. Abgebildet sind Mithras, der einen mythischen Stier tötet ([[Tauroktonie]]), Mithras mit dem Sonnengott [[Sol (Gott)|Sol]] und ein reitender Mithras.

=== Totenkult ===
Die Römer bestatteten ihre Toten stets außerhalb der Siedlungen. Daher befanden sich auch in Heidelberg die Friedhöfe entlang der Ausfallstraßen im Westen von Neuenheim und im Süden von Bergheim. Mit über 1400 Gräbern ist das Neuenheimer Gräberfeld, das sich auf einer Länge von 450 Metern beiderseits der Landstraße nach Lopodunum erstreckte, eines der größten im römischen Deutschland. Der Friedhof ist äußerst gut erhalten, da sein Gebiet lange landwirtschaftlich genutzt wurde und unter der schützenden Humusschicht unangetastet blieb. Als die [[Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg|Universität Heidelberg]] in den 1950er und 60er Jahren im [[Neuenheimer Feld]] einen neuen Campus baute, wurde das [[Gräberfeld]] durch systematische Flächengrabungen archäologisch erschlossen. Die Grabfunde datieren aus der Zeit zwischen dem späten 1. Jahrhundert und der Wende zum 3. Jahrhundert. Warum der Friedhof schon ein halbes Jahrhundert früher als der Vicus aufgegeben wurde, ist unklar.<ref>Andreas Hensen, Renate Ludwig: ''Reise ins Jenseits. Totenehrung und Bestattung im Südwesten'', in: ''Imperium Romanum – Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau'', Stuttgart 2005, hier S. 376 ff.</ref> [[Feuerbestattung|Brandbestattungen]] waren in Heidelberg wie in den meisten Provinzen des Reiches vorherrschend, doch kam ab dem Ende des 2. Jahrhundert, wie wiederum in vielen Teilen des römischen Reiches auch die Sitte der [[Körperbestattung]] verstärkt auf. Je nach den Vermögensverhältnissen des Verstorbenen wurden die Gräber durch einfache Holztafeln oder repräsentative Grabbauten aus Stein markiert. Ein besonders monumentales Beispiel ist ein ca. 25 Meter hohes, reich geschmücktes [[Pfeilergrabmal]] aus der Zeit um 200, das 1896 in [[Rohrbach (Heidelberg)|Rohrbach]] entdeckt wurde. Es lag an einer weithin sichtbaren Stelle an der römischen Fernstraße südlich von Heidelberg und gehörte zum Friedhof einer nahegelegenen [[Villa rustica]].<ref>Ludwig 1997, S. 93–98.</ref>

== Forschungsgeschichte ==
Zu den ersten Gelehrten, die sich mit der römischen Geschichte Heidelbergs beschäftigten, gehörte [[Philipp Melanchthon]]. Der Philologe und Reformator versuchte 1508, die römischen Inschriften, die in den Mauern der Klöster auf dem Heiligenberg eingelassen waren, zu entziffern. Der Historiker [[Marquard Freher]] berichtete 1613 in seinem Werk ''Origines Palatinae'' über Funde aus der Römerzeit. 1838 wurde das Mithräum von Neuenheim entdeckt. Der Philologe [[Friedrich Creuzer]], der zu jener Zeit an der Universität Heidelberg wirkte, veröffentlichte eine Abhandlung über den Fund. Systematische archäologische Untersuchungen erfolgten in Heidelberg ab der Mitte des 19. Jahrhunderts unter Leitung von [[Karl Pfaff (Archäologe)|Karl Pfaff]] und wurden nach dem Ersten Weltkrieg von [[Ernst Wahle]] weitergeführt. Um die in Heidelberg ausgegrabenen Fundstücke auszustellen, kaufte die Stadt Heidelberg das [[Palais Morass]] auf, in dem 1908 das [[Kurpfälzisches Museum der Stadt Heidelberg|Kurpfälzische Museum]] untergebracht wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg widmete sich [[Berndmark Heukemes]] der Erforschung des römischen Heidelberg und konnte die antiken Hinterlassenschaften vor der Zerstörung durch den Bauboom der 1950er und 60er Jahre dokumentieren.<ref>Ludwig 1997, S. 12 f.</ref>

Anders als etwa in [[Mainz]] oder [[Trier]] ''([[Augusta Treverorum]])'' sind in der heutigen Stadt praktisch keine Reste des antiken Heidelbergs zu sehen. Die Einzelfunde der Grabungen sind größtenteils im Kurpfälzischen Museum der Stadt Heidelberg und im [[Badisches Landesmuseum|Badischen Landesmuseum]] in [[Karlsruhe]] ausgestellt.

== Siehe auch ==
* [[Geschichte Heidelbergs]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* Hans Eichner: ''Kahn & Engelmann. Eine Familien-Saga.'' Picus, Wien 2000, ISBN 3-85452-437-4, S. 163–169. (neben historischen Angaben gibt der Autor eine autobiographische Schilderung des Lebens in den Sieben Gemeinden um 1900)
* [[Tilmann Bechert]]: ''Die Frühzeit bis zu den Karolingern''. In: [[Elmar Mittler]] (Hrsg.): ''Heidelberg. Geschichte und Gestalt''. Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter, 1996. S. 20–37. ISBN 3-9215-2446-6
* ''Tobias Portschy - Biographie eines Nationalsozialisten - Die Jahre bis 1945.'' Land Burgenland Buch, 2006, ISBN 3-901517-53-7.
* Renate Ludwig: ''Archäologie am Unteren Neckar''. Katalog zur Ausstellung „Archäologie in Heidelberg“. Hrsg.: Kurpfälzisches Museum der Stadt Heidelberg. Stuttgart: Theiss, 1997. ISBN 3-8062-1241-4
* ''Grenz-Setzungen im Zusammenleben -Verortungen jüdischer Geschichte in der ungarischen/österreichischen Provinz am Beispiel Oberwart/Felsöör.'' (= Schriften des Centrums für Jüdische Studien. Band 20). Studienverlag Bozen-Innsbruck-Wien 2011, ISBN 978-3-7065-5104-5.
* ''Imperium Romanum – Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau.'' Begleitband zur Ausstellung des Landes Baden-Württemberg im Kunstgebäude Stuttgart 1. Oktober 2005 bis 8. Januar 2006. Hrsg. Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg. Stuttgart: Theiss, 2005. ISBN 3-8062-1945-1


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://regiowiki.at/wiki/Geschichte_der_Juden_im_Burgenland Geschichte der Juden im Burgenland]
* http://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/rhein/hd/km/archaeol/index_rom.htm
* [http://www.hagalil.com/galluth/ungarn3.htm Juden in Ungarn]

* [http://www.fpe.ch/stammbaum/urkunden.htm Urkunden und Akten zur Geschichte der Juden in Eisenstadt]
== Einzelnachweise ==
<references />

{{Exzellent|10. Mai 2008|45859960}}


[[Kategorie:Heidelberg]]
[[Kategorie:Jüdische Geschichte (Österreich)]]
[[Kategorie:Geschichte deutscher Städte]]
[[Kategorie:Geschichte des Burgenlandes]]
[[Kategorie:Römischer Vicus]]
[[Kategorie:Römische Befestigungsanlage (Germania superior)]]
[[Kategorie:Germania superior]]

Version vom 21. September 2015, 14:40 Uhr

Paul Fürst Esterhazy (1635–1713)

Unter dem Begriff Siebengemeinden (hebr. Schewa Kehilot) auch Esterházysche Sieben-Gemeinden[1] werden ehemals jüdische Gemeinden im heutigen Nord- und Mittelburgenland zusammengefasst, die unter der Esterházyschen Herrschaft im damaligen Ungarn entstanden. Die Siebengemeinden sind:

Oft werden sie in der landesgeschichtlichen Auseinandersetzung jenen Gemeinden gegenübergestellt, die sich unter dem Schutz der Familie Batthyány im Gebiet des heutigen Südburgenlandes herausgebildet haben. Zu diesen zählen Rechnitz, Schlaining und Güssing. Eine weitere ehemalige jüdische Gemeinde im Landessüden ist Oberwart, wohin die Mehrzahl der Schlaininger Juden in der Zwischenkriegszeit abgewandert sind.

Zu den Siebengemeinden gehörte ursprünglich auch Neufeld als achte Gemeinde. Sie wurde 1739 durch einen herrschaftlichen Erlass, gegen den kein Einspruch möglich war, aufgelöst. Die Bezeichnung „Acht Gemeinden“ findet sich in den Urkunden nicht.

Entstehung der Gemeinden

Die ersten jüdischen Siedler gab es in diesen Gemeinden vereinzelt schon im 14. Jahrhundert und 15. Jahrhundert,[2] doch das jüdische Leben erblühte in diesen Dörfern erst, als Paul I. Fürst Esterházy nach 1670 Juden aufnahm, die von Leopold I. aus Wien vertrieben worden waren. Rund 3000 Personen, die sich vorwiegend zum orthodoxen Judentum bekannten, siedelten in den Siebengemeinden. Die Frömmsten unter ihnen lebten in Mattersdorf und Deutschkreutz, wo sich bedeutende Jeschiwot befanden. In Mattersdorf wirkte unter anderem auch der große Rabbiner Moses Sofer.

Für den Schutz durch die Esterházy mussten sie an den jeweiligen Fürsten Schutzgebühren bezahlen. Im Gegenzug dazu nannten sie sich selbst stolz als Hochfürstlich Esterházy Schutzjuden.[3]

Zerstörung der Gemeinden durch den Nationalsozialismus

Gauleiter Tobias Portschy

Die sieben Gemeinden fielen der Judenverfolgung während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft zum Opfer. Ihre Zerstörung ist untrennbar mit dem Namen des Gauleiters Tobias Portschy verbunden, der das Burgenland bereits im November 1938 als judenfrei erklärte, nachdem die jüdischen Bewohner gezwungen worden waren, ihre Heimat binnen weniger Tage aufzugeben.[2] Viele wurden Opfer einer wilden Arisierungswelle, bei der sich Parteiangehörige, Mitläufer oder auch Nachbarn bereicherten. Natürlich gab es auch Fälle, wo die Vertriebenen von ehemaligen nichtjüdischen Nachbarn und Freunden unterstützt wurden.[2] Die Menschen verfrachtete man nach Wien und überließ sie dort vorerst ihrem Schicksal, wo Wiener Juden für ihre vertriebenen Glaubensbrüdern eine provisorische Unterbringung organisierten. Etwa zwei Drittel der burgenländischen Juden gelang es, die Galgenfrist, die ihnen die Weltgeschichte bis zum Beginn des Holocaust noch ließ, zu nutzen. Sie wanderten nach London, Manchester, New York, Ramat Gan, Tel Aviv, Budapest, Buenos Aires, Shanghai oder anderen Orten aus. Alle anderen wurden ab 1939 in die Ghettos und Konzentrationslager des Ostens wie Riga, Buchenwald, Ungvár, Miskolc, Kielce, Minsk, Nisko, Izbica oder Opole deportiert und dort ermordet.

Von den ehemaligen Synagogen blieb nur die Synagoge Kobersdorf und eine Privatsynagoge im heutigen Österreichischen Jüdischen Museum in Eisenstadt erhalten. Die anderen Synagogen des Burgenlandes wurden von den Nationalsozialisten zerstört.

Folgen

Von den rund 4000 Juden des Burgenlandes, dazu zählten auch die jüdischen Bewohner der drei südlichen Gemeinden sowie einzelne Familien in mehr als 100 burgenländischen Dörfern, fielen mindestens 1300 dem Holocaust zu Opfer.[2] Nach dem Krieg kehrte nur eine Handvoll Überlebender oder Vertriebener in ihre alte Heimat zurück. In den Gemeinden lebt heute nicht mehr als ein Dutzend Menschen jüdischen Glaubens.

An die mehr als 300 Jahre dauernde jüdische Geschichte der Siebengemeinde erinnern heute nur mehr die erhalten gebliebenen Friedhöfe, die stark renovierungsbedürftige Synagoge von Kobersdorf sowie das 1972 gegründete Österreichische Jüdische Museum in Eisenstadt.

Bekannte Persönlichkeiten

Einzelnachweise

  1. Jüdische Gemeinde Kobersdorf (PDF; 895 kB) abgerufen am 5. Mai 2014.
  2. a b c d Geschichte der Juden im Burgenland, Webseite regiowiki.at, abgerufen am 8. Februar 2015.
  3. Juden im Burgenland (PDF; 858 kB) in Allerlei über das Burgenland Seite 4 abgerufen am 28. Februar 2010.

Literatur

  • Hans Eichner: Kahn & Engelmann. Eine Familien-Saga. Picus, Wien 2000, ISBN 3-85452-437-4, S. 163–169. (neben historischen Angaben gibt der Autor eine autobiographische Schilderung des Lebens in den Sieben Gemeinden um 1900)
  • Tobias Portschy - Biographie eines Nationalsozialisten - Die Jahre bis 1945. Land Burgenland Buch, 2006, ISBN 3-901517-53-7.
  • Grenz-Setzungen im Zusammenleben -Verortungen jüdischer Geschichte in der ungarischen/österreichischen Provinz am Beispiel Oberwart/Felsöör. (= Schriften des Centrums für Jüdische Studien. Band 20). Studienverlag Bozen-Innsbruck-Wien 2011, ISBN 978-3-7065-5104-5.