Photosynthese und Jüdische Gemeinde Horkheim: Unterschied zwischen den Seiten
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Eine '''jüdische Gemeinde''' in [[Horkheim]], einem Stadtteil von [[Heilbronn]] im nördlichen [[Baden-Württemberg]], hat nach dem Nachweis einzelner Juden bis zurück ins 17. Jahrhundert insbesondere ab dem 18. Jahrhundert bestanden. Die [[Kehillah|Gemeinde]] hatte um 1771 ihre größte Mitgliederzahl und ging dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Abwanderung merklich zurück. |
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[[Datei:Plagiomnium affine laminazellen.jpeg|miniatur|hochkant=1.5|Bei den Landpflanzen findet Photosynthese in den [[Chloroplast]]en statt, hier in der [[Blattspreite]] des [[Laubmoos]]es ''[[Plagiomnium affine]]''.]] |
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Die '''Photosynthese''' oder '''Fotosynthese''' ([[Altgriechische Sprache|altgriechisch]] {{lang|grc|φῶς}} ''phōs'' „Licht“ und {{lang|grc|σύνθεσις}} ''sýnthesis'' „Zusammensetzung“) ist die mit Hilfe von den [[Lichtabsorption|lichtabsorbierenden]] Farbstoffen [[Chlorophyll]] oder [[Bakteriochlorophyll]] [[Licht]]energie in [[chemische Energie]] umgewandelt. Diese wird dann unter anderem zum Aufbau energiereicher organischer Verbindungen – sehr oft [[Kohlenhydrate]] - aus energiearmen, anorganischen Stoffen, hauptsächlich aus [[Kohlenstoffdioxid]] ''CO<sub>2</sub>'' ''([[Kohlenstoffdioxid-Assimilation]])'' und Wasser ''H<sub>2</sub>O'', verwendet. Da die energiereichen organischen Stoffe zu Bestandteilen des Lebewesens werden, bezeichnet man deren Synthese als [[Assimilation (Biologie)|Assimilation]]. |
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== Geschichte == |
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Man unterscheidet zwischen ''oxygener'' und ''anoxygener'' Photosynthese. Bei der oxygenen wird molekularer [[Sauerstoff]] (O<sub>2</sub>) erzeugt, bei der anoxygenen nicht. Bei der anoxygenen Photosynthese können statt Sauerstoff andere anorganische Stoffe entstehen, beispielsweise elementarer [[Schwefel]] (''S''). |
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Die Herrschaftsverhältnisse in Horkheim sind bestimmend für das Entstehen und die Entwicklung der jüdischen Gemeinde. Da das Dorf ab 1504 zu [[Württemberg]] gehörte, dem [[Amt Weinsberg]] unterstellt, und Juden bis 1811 nicht zugelassen wurden, gab es in dieser Zeit nur auf der [[Burg Horkheim]] Juden im Ort. |
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Auf dem Burgbereich wechselten sich folgende Eigentümer ab, die bis 1806 das [[Kurpfalz|pfälzische]] [[Lehnswesen|Lehen]] innehatten: [[Laemmlin|Lemlin]], von [[Seibold (Adelsgeschlecht)|Seibold]], von Engelbronn, von Schütz und Buhl. |
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Die oxygene Photosynthese ist der bedeutendste [[Biogeochemie|biogeochemische]] Prozess der Erde und auch einer der ältesten. Sie treibt durch die Bildung organischer Stoffe mittels [[Sonnenenergie]] direkt und indirekt nahezu alle bestehenden [[Ökosystem]]e an, da sie anderen Lebewesen energiereiche Baustoff- und Energiequellen liefert. Der erzeugte Sauerstoff selbst dient zur Energiegewinnung in der [[Aerobe Atmung|aeroben Atmung]] als [[Oxidationsmittel]], so dass sich wegen der oxygenen Photosynthese höher entwickelte Lebensformen bilden konnten. Aus dem Sauerstoff wird außerdem die schützende [[Ozonschicht]] aufgebaut. |
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Der älteste Nachweis über einzelne Juden im Ort stammt von 1692, als unter dem Geschlecht der Seibold Juden in der Horkheimer Burg aufgenommen wurden. Der württembergische [[Vogt]] zu [[Weinsberg]] verfolgte die Annahmen von [[Judenregal|Schutzjuden]] in der Burg mit Unwillen und Schikanen, so zum Beispiel bei der Gewährung des freien Durchzugs durch Württemberg, der mit jährlichen Abgaben bezahlt werden musste. Die meisten Juden lebten schutzgeldfrei, weil sie oder ihre Vorfahren Wohnungen oder eingefallene Gebäude auf dem Burgareal auf ihre Kosten renoviert oder neue Häuser gebaut hatten. |
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== Überblick == |
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Die Photosynthese kann in drei Schritte unterteilt werden: |
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[[File:Heilbronn-Horkheim, Bauprojekt Synagoge.jpg|thumb|Bauplan der Synagoge Horkheim]] |
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# Zuerst wird die [[Strahlungsenergie|elektromagnetische Energie]] in Form von Licht geeigneter Wellenlänge unter Verwendung von [[Farbstoff]]en (Chlorophylle, [[Phycobiline]], [[Carotinoide]]) absorbiert. |
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Als der neue Besitzer der Burg ab 1748, [[Johann Heinrich Buhl]], gegen alte Vereinbarungen versuchte, mehr Abgaben von den Juden zu erlangen, schwand das Interesse der Juden, am Ort zu bleiben. Deshalb sank ihre Zahl in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ständig. Die Juden wanderten in das [[Oberes Schloss (Talheim)|Schmidbergsche Schlösschen]] zur [[Jüdische Gemeinde Talheim|Jüdischen Gemeinde Talheim]] und zur [[Jüdische Gemeinde Sontheim|Jüdischen Gemeinde Sontheim]] ab. |
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# Direkt hieran anschließend erfolgt im zweiten Schritt eine Umwandlung der elektromagnetischen Energie in [[chemische Energie]] durch Übertragung von [[Elektron]]en, die durch die Lichtenergie in einen energiereichen Zustand versetzt wurden ([[Redoxreaktion]]) (siehe [[Phototrophie]]). |
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# Im letzten Schritt wird diese chemische Energie zur Synthese energiereicher organischer Verbindungen verwendet, die den Lebewesen sowohl im [[Baustoffwechsel]] für das [[Wachstum (Biologie)|Wachstum]] als auch im [[Energiestoffwechsel]] für die Gewinnung von Energie dienen. |
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Nachdem die Burg Horkheim Anfang des 19. Jahrhunderts württembergisches Lehen geworden war und Juden sich im Dorf niederlassen durften, erreichte die jüdische Gemeinde 1858 mit 72 Personen ihre Höchstzahl, ging dann jedoch – überwiegend aufgrund von Abwanderung nach Heilbronn – bis 1933 auf vier Personen zurück. |
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Die ersten beiden Schritte werden als ''Lichtreaktion'' bezeichnet und laufen bei Pflanzen im [[Photosystem I]] und [[Photosystem II]] ab. Der letzte Schritt ist eine weitgehend lichtunabhängige Reaktion. |
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Die Horkheimer Juden wurden 1832 eine Filialgemeinde von Sontheim und hatten dort dann auch ihr Begräbnis auf dem [[Jüdischer Friedhof Sontheim|Jüdischen Friedhof Sontheim]], das sie zuvor auf dem [[Jüdischer Friedhof Affaltrach|Jüdischen Friedhof Affaltrach]] hatten. |
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Die Synthese der energiereichen organischen Stoffe geht überwiegend von der Kohlenstoffverbindung [[Kohlenstoffdioxid]] (CO<sub>2</sub>) aus. Für die Verwertung von CO<sub>2</sub> muss dieses [[Reduktion (Chemie)|reduziert]] werden. Als [[Reduktionsmittel]] (Reduktans, Elektronendon(at)oren) dienen die Elektronen oxidierbarer Stoffe: [[Wasser]] (H<sub>2</sub>O), elementarer, molekularer [[Wasserstoff]] (H<sub>2</sub>), [[Schwefelwasserstoff]] (H<sub>2</sub>S), zweiwertige Eisenionen (Fe<sup>2+</sup>) oder einfache organische Stoffe (wie [[Säuren]] und [[Alkohole]], z. B. [[Essigsäure|Acetat]] bzw. [[Ethanol]]). Darüber hinaus können die Elektronen auch aus der Oxidation einfacher Kohlenhydrate gewonnen werden. Welches Reduktans verwendet wird, hängt vom Organismus ab, von seinen [[Enzyme]]n, die ihm zur Nutzung der Reduktantien zur Verfügung stehen. |
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== Nationalsozialistische Verfolgung == |
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''1941/42 wurden der Viehhändler Max Meier, seine Frau, Tochter und Schwester nach [[Ghetto Riga|Riga]] bzw. [[KZ Theresienstadt|Theresienstadt]] deportiert und ermordet.'' (Angerbauer/Frank, S. 115) |
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Das [[Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945|Gedenkbuch des Bundesarchivs]] verzeichnet 11 in Horkheim geborene jüdische Bürger, die dem [[Holocaust|Völkermord des nationalsozialistischen Regimes]] zum Opfer fielen.<ref>{{cite web |
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|title = Gedenkbuch - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 - 1945 |
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| accessdate = 2009-10-29 |
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| url = http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html#frmResults |
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}}</ref> |
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== Persönlichkeiten == |
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Die Familie Victor kam aus Horkheim, wo sie mit Pelzen und Fellen handelte. [[Julius Victor]] (* 15. Juni 1838; † 30. August 1887) erwarb am 3. Juli 1862 das [[Bürgerrecht]] von Heilbronn und konnte damals ein Vermögen von 3000 Gulden nachweisen. Bereits 1868 machten sich dann die ''Gebr. Victor'' (Julius, Joseph und Victor) in Heilbronn selbstständig. Aus diesem Unternehmen entwickelte sich die ''[[Lederfabrik Heilbronn|Lederfabrik Gebr. Victor]]'' in Heilbronn. |
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[[Max Horkheimer]] (1895–1973), Sohn einer jüdischen Fabrikantenfamilie in [[Zuffenhausen]], stammt möglicherweise von Juden aus Horkheim ab. |
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== Gemeindeentwicklung == |
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|+ anorganische [[Elektronendonator|Elektronendon(at)oren]] der Photosynthese |
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! Jahr !! Gemeindemitglieder |
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! Elektronendon(at)or |
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! Photosynthese-Form |
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! Vorkommen |
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| [[Eisen#Wertigkeiten und Oxidationsstufen|Eisen-II-Ionen]] (Fe<sup>2+</sup>) |
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| anoxygene Photosynthese |
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| [[Purpurbakterien]]<ref>Madigan MT, Martinko JM: ''Brock Mikrobiologie''. München, 2006: 613-614 ISBN 3-8273-7187-2</ref> |
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| 1749 || align="center" | 17 Personen |
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| [[Nitrite|Nitrit]] (NO<sub>2</sub><sup>−</sup>) |
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| anoxygene Photosynthese |
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| Purpurbakterien<ref>Griffin BM, Schott J, Schink B: ''Nitrite, an electron donor for anoxygenic photosynthesis''. In: ''Science'' 316 (2007): 1870 {{doi|10.1126/science.1139478}}</ref> |
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| [[Schwefel|elementarer Schwefel]] (S<sup>0</sup>) |
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| anoxygene Photosynthese |
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| Purpurbakterien<ref>Madigan MT, Martinko JM: ''Brock Mikrobiologie''. München, 2006: 613-614 ISBN 3-8273-7187-2</ref> |
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| [[Schwefelwasserstoff]] (H<sub>2</sub>S) |
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| anoxygene Photosynthese |
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| [[grüne Nichtschwefelbakterien]],<ref>Madigan MT, Martinko JM: ''Brock Mikrobiologie''. München, 2006: 621 ISBN 3-8273-7187-2</ref> [[grüne Schwefelbakterien]],<ref>Madigan MT, Martinko JM: ''Brock Mikrobiologie''. München, 2006: 613-614 ISBN 3-8273-7187-2</ref> Purpurbakterien<ref>Madigan MT, Martinko JM: ''Brock Mikrobiologie''. München, 2006: 456 ISBN 3-8273-7187-2</ref> |
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| [[Thiosulfate|Thiosulfat]] (S<sub>2</sub>O<sub>3</sub><sup>2−</sup>) |
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| anoxygene Photosynthese |
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| Purpurbakterien<ref>Madigan MT, Martinko JM: ''Brock Mikrobiologie''. München, 2006: 613-614 ISBN 3-8273-7187-2</ref> |
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| [[Wasser]] (H<sub>2</sub>O) |
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| oxygene Photosynthese |
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| [[Cyanobakterien]],<ref>Madigan MT, Martinko JM: ''Brock Mikrobiologie''. München, 2006: 444-447 ISBN 3-8273-7187-2</ref> [[Prochlorococcus marinus|Prochlorophyta]],<ref>Madigan MT, Martinko JM: ''Brock Mikrobiologie''. München, 2006: 447 ISBN 3-8273-7187-2</ref> fast alle [[Phototrophie#Phototrophe Eukaryoten|phototrophen Eukaryoten]]<ref>Madigan MT, Martinko JM: ''Brock Mikrobiologie''. München, 2006: 448-449 ISBN 3-8273-7187-2</ref> |
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| [[Wasserstoff]] (H<sub>2</sub>) |
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| anoxygene Photosynthese |
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| grüne Nichtschwefelbakterien<ref>Madigan MT, Martinko JM: ''Brock Mikrobiologie''. München, 2006: 621 ISBN 3-8273-7187-2</ref> |
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=== Allgemeine Photosynthesegleichung === |
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Die Gesamtreaktion der Photosynthese lässt sich im Fall von CO<sub>2</sub> als Ausgangsstoff allgemein und vereinfacht mit den folgenden Summengleichungen formulieren, in denen <CH<sub>2</sub>O> für die gebildeten energiereichen organischen Stoffe steht. |
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Mit einem Reduktans, das durch Abgabe von Wasserstoff (H) reduziert, wie Wasser (H<sub>2</sub>O), [[Schwefelwasserstoff]] (H<sub>2</sub>S) und elementarer, molekularer [[Wasserstoff]] (H<sub>2</sub>), (alle hier mit dem allgemeinen Ausdruck <H> symbolisiert): |
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:<math>\mathrm{CO_{2} + 4<\!H\!>\ \xrightarrow{Licht}{} <\!CH_{2}O\!> + \ H_{2}O}</math> |
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Mit einem Reduktans, das durch Abgabe von Elektronen (e<sup>−</sup>) reduziert, wie zweiwertige Eisenionen (Fe<sup>2+</sup>) und [[Nitrit]] (NO<sub>2</sub><sup>−</sup>): |
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:<math>\mathrm{CO_{2} + 4\;e^- + 4\;H^+ \xrightarrow{Licht}{} <\!CH_{2}O\!> + \ H_{2}O}</math> |
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Manche Bakterien verwenden Kohlenhydrate als Reduktans, wie beispielsweise Lactat, das Anion der [[Milchsäure]]:<ref>David L. Nelson und Michael M. Cox: ''Lehninger Principles of Biochemistry''. 5. Auflage. Freeman, New York, NY 2008, ISBN 978-0-7167-7108-1; S. 761</ref> |
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:<math>\mathrm{2\ Lactat + CO_{2} \xrightarrow{Licht}{} <\!CH_{2}O\!> + H_{2}O + 2\ Pyruvat}</math> |
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Die Gesamtreaktion der Photosynthese mit Wasser oder Schwefelwasserstoff als Reduktans kann auch durch die folgende allgemeine, vereinfachte Summengleichung formuliert werden: |
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:<math>\mathrm{CO_{2} + 2\;H_{2}A\ \xrightarrow{Licht}{} <\!CH_{2}O\!> + \ 2\;A + H_{2}O}</math> |
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Als allgemeine Formulierung steht hier H<sub>2</sub>A für das Reduktans H<sub>2</sub>O bzw. H<sub>2</sub>S. |
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Alle Algen und grünen Landpflanzen verwenden ausschließlich Wasser (H<sub>2</sub>O) als Reduktans H<sub>2</sub>A. Auch [[Cyanobakterien]] verwenden überwiegend Wasser als Reduktans. Der Buchstabe A steht in diesem Fall für den im Wasser gebundenen Sauerstoff (O). Er wird als Oxidationsprodukt des Wassers bei der sogenannten oxygenen Photosynthese als elementarer, molekularer Sauerstoff (O<sub>2</sub>) freigesetzt. Der gesamte in der [[Erdatmosphäre]] und [[Hydrosphäre]] vorkommende Sauerstoff wird durch [[#Oxygene Photosynthsese|oxygene Photosynthese]] gebildet. |
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Die photosynthetischen Bakterien (''[[Chloroflexi|Chloroflexaceae]]'', ''[[Chlorobiaceae]]'', ''[[Chromatiaceae]]'', ''[[Heliobacteria]]'', ''Chloracidobacterium''<ref>Bryant, DA. ''et al''. ''Candidatus Chloracidobacterium thermophilum: An aerobic phototrophic acidobacterium''. In: ''[[Science]]'', '''317'''; 523–526 (2007).</ref>) können ein viel größeres Spektrum an Reduktantien nutzen, vorwiegend nutzen sie jedoch Schwefelwasserstoff (H<sub>2</sub>S). Auch viele Cyanobakterien können Schwefelwasserstoff als Reduktans verwenden. Da in diesem Fall A für den im Schwefelwasserstoff gebundenen Schwefel steht, wird bei dieser Art der bakteriellen Photosynthese elementarer Schwefel (S) und kein Sauerstoff freigesetzt. Diese Form der Photosynthese wird deshalb [[#Anoxygene Photosynthese|anoxygene Photosynthese]] genannt. |
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Einige Cyanobakterien können auch zweiwertige Eisenionen als Reduktans nutzen. |
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Auch wenn bei oxygener und anoxygener Photosynthese unterschiedliche Reduktantien verwendet werden, so ist doch beiden Prozessen gemein, dass durch deren [[Oxidation]] [[Elektron]]en gewonnen werden. Unter Ausnutzung dieser mit Lichtenergie auf ein hohes Energieniveau (niedriges [[Redoxpotential]]) gebrachten Elektronen werden die energiereichen Verbindungen [[Adenosintriphosphat|ATP]] und [[Nicotinamidadenindinukleotidphosphat|NADPH]] gebildet, mittels derer aus CO<sub>2</sub> energiereiche organische Stoffe synthetisiert werden können. |
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Der bei der Synthese der energiereichen organischen Verbindungen benötigte [[Kohlenstoff]] kann aus Kohlenstoffdioxid (CO<sub>2</sub>) oder aus einfachen organischen Verbindungen (z. B. Acetat) gewonnen werden. Im ersten Fall spricht man von [[Photoautotrophie]]. Der weitaus größte Teil der phototrophen Organismen ist photoautotroph. Zu den photoautotrophen Organismen gehören z. B. alle grünen Landpflanzen und Algen. Bei ihnen ist eine phosphorylierte Triose das primäre Syntheseprodukt und dient als Ausgangsmaterial für den nachfolgenden Aufbau von Bau- und [[Reservestoffe]]n (d. h. verschiedenen Kohlenhydraten). Photoautotrophe treiben mit ihrem Photosynthese-Stoffwechsel (direkt und indirekt) nahezu alle bestehenden [[Ökosystem]]e an, da sie mit dem Aufbau organischer Verbindungen aus anorganischem CO<sub>2</sub> anderen Lebewesen energiereiche Baustoff- und Energiequellen liefern. Werden einfache, organische Verbindungen als Ausgangsstoffe genutzt, bezeichnet man diesen Prozess, der nur bei Bakterien vorkommt, als [[Photoheterotrophie]]. |
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== Absorption von Lichtenergie == |
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[[Datei:Engelmannscher Bakterienversuch.svg|miniatur|hochkant=1.2|'''oben''': Absorptionssprektren von <span style="color:green;">Chlorophyll ''a'', ''b''</span> und <span style="color:orange;">β-Carotin</span>. Mit der Absorption korreliert die <span style="color:red;">Photosyntheserate</span> (photosynthetisches Wirkspektrum).<br />'''unten''': Engelmannscher Bakterienversuch (nicht maßstabsgetreue Grafik). Das Lichtspektrum eines Prismas wurde auf einen Fadenthallus einer Grünalge (''[[Oedogonium]]'') projiziert. Im roten und blauen Bereich sammeln sich hierbei besonders viele aerophile, aktiv schwimmende Bakterien (rote Kugeln) an. Durch die abschirmende Wirkung der Carotinoide im blauen Bereich ist das photosynthetische Wirkspektrum dort geringer als im roten Bereich.<ref>Elmar Weiler, Lutz Nover, Wilhelm Nultsch: ''Allgemeine und molekulare Botanik''. Thieme Verlag, Stuttgart 2008. ISBN 978-3-13-147661-6; S. 261</ref>]] |
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Die Energie des Lichtes wird bei phototrophen Organismen durch Farbstoffe eingefangen. In grünen Pflanzen sowie Cyanobakterien sind es [[Chlorophyll]]e, in anderen Bakterien Bakteriochlorophylle. Licht von unterschiedlichen [[Wellenlänge]]nbereichen wird durch diese Farbstoffe absorbiert. Die sogenannte [[Grünlücke]] führt dabei zur charakteristischen grünen Farbe. Der spektrale Optimalbereich für die Photosynthese wurde durch den [[Engelmannscher Bakterienversuch|Engelmannschen Bakterienversuch]] erstmals experimentell bestimmt. Die Licht-absorbierenden Farbstoffe werden auch ''[[Chromophor]]e'' genannt. Bilden diese Komplexe mit umgebenden Proteinen, werden diese auch als ''[[Pigment (Biologie)|Pigmente]]'' bezeichnet. |
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Trifft Licht auf ein Pigment, so geht das Chromophor in einen angeregten Zustand über. Je nachdem, wie die [[Konjugation (Chemie)|konjugierten]] [[Doppelbindung]]en des Chromophors aufgebaut sind, unterscheidet sich die Energie für solch eine Anregung und damit das Absorptionsspektrum. Bei den in Pflanzen vorkommenden Chlorophyllen ''a'' und ''b'' werden hauptsächlich blaues und rotes Licht absorbiert, grünes Licht dagegen nicht. Das durch Licht angeregte Chlorophyll kann sein angeregtes Elektron nun auf einen anderen Stoff, einen Elektronenakzeptor übertragen, es verbleibt ein positiv geladenes Chlorophyllradikal (Chl<sup>•+</sup>) übrig. Das übertragene Elektron kann über eine [[Elektronentransportkette]] schließlich über weitere Elektronenüberträger zum Chlorophyllradikal zurückgelangen. Auf diesem Wege transloziert das Elektron Protonen durch die Membran ([[Protonenpumpe]]), somit wird die Lichtenergie in ein elektrisches und osmotisches Potential umgesetzt ([[chemiosmotische Kopplung]]). |
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=== Lichtsammelkomplexe === |
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[[Datei:Chloroplasts - diffusion of photons.svg|miniatur|Lichtsammelkomplex mit Licht absorbierenden und emittierenden [[Carotinoide]]n sowie zentralen Chlorophyllmolekülen]] |
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{{Hauptartikel|Lichtsammelkomplex}} |
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Eine Photosynthese durch einfache Pigmente wäre relativ ineffizient, da diese dem Licht nur eine geringe Fläche entgegenstellen würde und zudem nur in einem engen Wellenlängenbereich absorbieren würde. Durch die Anordnung von chlorophyllhaltigen ''Lichtsammelkomplexen'' zu Antennen um ein gemeinsames Reaktionszentrum wird sowohl der Querschnitt vergrößert, als auch das Absorptionsspektrum verbreitert. Die eng benachbarten Chromophore in den Antennen geben die Lichtenergie von einem Pigment zum anderen weiter. Diese definierte Menge ([[Quant]]) Anregungsenergie bezeichnet man auch als [[Exziton]]. Die Exzitone gelangen schließlich in wenigen Pikosekunden in das Reaktionszentrum. Der Exzitonentransfer erfolgt vermutlich innerhalb eines Lichtsammelkomplexes durch delokalisierte Elektronen und zwischen einzelnen Lichtsammelkomplexen strahlungslos durch den [[Förster-Resonanzenergietransfer|Förster-Mechanismus]]. |
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In Pflanzen bilden die Lichtsammelkomplexe eine Zentralantenne (''core'') und eine äußere Antenne und sind zusammen mit dem Reaktionszentrum in die [[Thylakoide|Thylakoidmembran]] eingebettet. Als Chromophore dienen aber nicht nur [[Chlorophyll]] ''a'' und ''b'', sondern auch [[Carotinoide]] und [[Xanthophylle]]. Diese schützen zum einen die Antenne, falls ein Chlorophyllmolekül einen schädlichen [[Triplettzustand]] ausbildet. Zum anderen erhöhen diese Chromophore den Wellenlängenbereich zum Einfangen von Licht. |
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In Cyanobakterien sind die Antennen von außen auf die Thylakoidmembran aufgelagert. Die Antennenkomplexe werden [[Phycobilisomen]] genannt, deren [[Phycobiline|Phycobilinproteine]] insbesondere grünes Licht absorbieren. |
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[[Grüne Schwefelbakterien]] und [[Grüne Nichtschwefelbakterien]] verwenden für ihre anoxygene Photosynthese sogenannte [[Chlorosom]]en. Diese sind längliche, [[Lipide|lipidähnliche]] Partikel, die auf der [[Zytoplasma|cytoplasmatischen]] Seite der Membran liegen und in Verbindung mit dem photosynthetischen Reaktionszentrum stehen.<ref>Georg Fuchs (Hrsg.), Thomas Eitinger, Erwin Schneider; Begründet von Hans. G. Schlegel: ''Allgemeine Mikrobiologie''. 8. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 3-13-444608-1; S. 425.</ref> Sie sind besonders effektive Lichtsammler. |
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== Oxygene Photosynthese == |
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[[Datei:Thylakoid membrane.svg|miniatur|hochkant=2.5|Die [[Photosystem]]e einer Pflanze als vereinfachte Darstellung. Bei allen grünen Pflanzen, Algen sowie Cyanobakterien sind beide Photosyntheseapparate funktionell hintereinander geschaltet. Abkürzungen: PS = Photosystem; PQH<sub>2</sub> = reduziertes Plastochinon; PC = Plastocyanin; Fd = Ferredoxin; Fp = Ferredoxin-NADP-Reduktase]] |
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Die grünen Pflanzen, [[Algen]] und [[Cyanobakterien]] nutzen die Energie des Lichts, um Energie in Form von [[Adenosintriphosphat]] (ATP) zu speichern und als Reduktionsmittel Elektronen aus Wasser zu gewinnen. Wasser (H<sub>2</sub>O) wird oxidiert, indem ihm Elektronen entzogen werden, und dabei werden molekularer Sauerstoff (O<sub>2</sub>) und Protonen (H<sup>+</sup>) freigesetzt ([[Photolyse]] des Wassers). Diese Form der Photosynthese wird wegen der Freisetzung von Sauerstoff ([[Oxygenium]]) als ''oxygene Photosynthese'' bezeichnet. Die gewonnenen Elektronen werden dabei über eine Reihe von Elektronenüberträgern in der Thylakoidmembran auf den finalen Akzeptor [[NADPH|NADP<sup>+</sup>]] übertragen, welche im Stoffwechsel des Organismus vor allem für den Aufbau von Kohlenhydraten („Dunkelreaktion“) notwendig sind. |
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:<math>\mathrm{2\ H_2O + 2\ NADP^+ \xrightarrow{Lichtenergie} O_2 + 2\ NADPH/H^+}</math> |
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:<small>Teilgleichung Spaltung des Wassers durch Licht</small> |
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Während dieses Vorgangs werden gleichzeitig Protonen in das Lumen der Thylakoide transportiert. Durch den entstehenden [[Protonengradient|Protonen-Konzentrationsunterschied]] (elektrochemischer Gradient) wird das Enzym ATP-Synthase angetrieben, welches ATP aus ADP und Phosphat bildet und regeneriert (Photophosphorylierung): |
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:<math>\mathrm{3\ ADP + 3\ P_i \xrightarrow{ATP-Synthase} 3\ ATP + 3\ H_2O}</math> |
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:<small>Teilgleichung ATP-Synthese, dabei wird Wasser freigesetzt</small> |
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Die oben angegebene Zahl der entstehenden ATP-Moleküle von 3 ATP pro 2 H<sub>2</sub>O ergibt sich indirekt aus dem Energiebedarf des [[Calvin-Zyklus]] („Dunkelreaktion“). Ob tatsächlich genau drei Moleküle ATP aus der Spaltung von zwei Molekülen Wasser gebildet werden, ist unbekannt. Um einerseits Wasser oxidieren und andererseits NADP<sup>+</sup> reduzieren zu können, sind zwei verschiedene ''Photosysteme'' hintereinander geschaltet, deren Redoxpotentiale durch Absorption von Licht geändert werden. Photosystem II stellt ein starkes Oxidationsmittel zur Oxidation von Wasser bereit, während an Photosystem I ein starkes Reduktionsmittel zur Reduktion von NADP<sup>+</sup> erzeugt wird. Diese Reaktion wird gemeinhin als „Lichtreaktion“ bezeichnet, da dieser Teil der Photosynthese direkt von Licht abhängig ist. |
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In der Gesamtbilanz werden in der Lichtreaktion ein Molekül Sauerstoff gebildet, zwei Moleküle NADP zu NADPH reduziert und etwa drei Moleküle ADP zu ATP phosphoryliert: |
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:<math>\mathrm{2\ H_2O + 2\ NADP^+ + 3\ ADP + 3\ P_i \xrightarrow{Lichtreaktion} O_2 + 2\ NADPH/H^+ + 3\ ATP + 3\ H_2O}</math> |
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:<small>Teilgleichung „Lichtreaktion“</small> |
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Oder allgemeiner für die Spaltung von 12 Wassermolekülen: |
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:<math>\mathrm{12\ H_2O \ \xrightarrow{h \nu} \ 24\ [H] + 6\ O_2}</math> |
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:<small>vereinfachte Teilgleichung „Lichtreaktion“, [H] stellt ein [[Reduktionsäquivalent]] dar</small> |
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Das bei der Lichtreaktion gewonnene Reduktionsmittel (NADPH) und die ebenfalls dabei gewonnene Energiequelle (ATP) werden anschließend im sogenannten Calvin-Zyklus („Dunkelreaktion“) verwendet, in dem Kohlenhydrate aus Kohlenstoffdioxid aufgebaut werden. Das NADPH wird dabei für die Reduktion von 1,3-Bisphosphoglycerat zu [[Glycerinaldehyd-3-phosphat]] verwendet. |
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:<math>\mathrm{6\ CO_2 + 24\ [H] \longrightarrow C_6H_{12}O_6 + 6\ H_2O}</math> |
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:<small>vereinfachte Teilgleichung „Dunkelreaktion“</small> |
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Der freigesetzte Sauerstoff stammt also nicht aus dem fixierten CO<sub>2</sub>, sondern aus Wasser. Daher stehen in der folgenden ersten Summengleichung auf der linken Seite 12 Wassermoleküle, rechts 6 O<sub>2</sub>-Moleküle. In der Gesamtgleichung der oxygenen Photosynthese dient [[Glucose]] (C<sub>6</sub>H<sub>12</sub>O<sub>6</sub>) als Beispiel, sie stellt das primäre Produkt dar: |
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:<math>\begin{matrix}\mathrm{6\; CO_2 + 12\; H_2O \quad \xrightarrow{h \nu} \;C_6H_{12}O_6 + 6\; O_2 + 6\; H_2O} \qquad \Delta H^0 = + 2 870\ \frac{\mathrm{kJ}}{\mathrm{mol}}\end{matrix}</math> |
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:<small>vereinfachte Brutto-Reaktionsgleichung für die oxygene Photosynthese</small> |
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:<math>\begin{matrix}\mathrm{6\; CO_2 + 6\; H_2O \quad \xrightarrow{h \nu} \;C_6H_{12}O_6 + 6\; O_2} \qquad \Delta H^0 = + 2 870\ \frac{\mathrm{kJ}}{\mathrm{mol}}\end{matrix}</math> |
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:<small>vereinfachte Netto-Reaktionsgleichung für die oxygene Photosynthese</small> |
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: Aus Kohlenstoffdioxid und Wasser entstehen – durch Energiezufuhr (Licht) – Traubenzucker ([[Glucose]]) und Sauerstoff. |
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:<small>Wortgleichung für die oxygene Photosynthese</small> |
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Oxygene Photosynthese wird von Cyanobakterien und allen eukaryotischen phototrophen Lebewesen betrieben. Beispiele hierfür sind neben allen grünen Pflanzen auch zahlreiche einzellige Algen ([[Protisten]]). Die Bedeutung dieses Vorgangs liegt in der Primärproduktion von organischen Stoffen, die [[Heterotrophie|chemoheterotrophen]] Lebewesen als Energie- und Baustoffquelle dienen, und in der Bildung von Sauerstoff, der für alle obligat [[aerob]]en Lebewesen lebensnotwendig ist und auf der Erde fast ausschließlich durch oxygene Photosynthese gebildet wird. |
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=== Lineare (nicht-zyklische) Photophosphorylierung === |
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[[Datei:Lichtreaktion-z-schema.svg|miniatur|hochkant=2|Das Z-Schema der Lichtreaktion in der oxygenen Photosynthese]] |
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Bei Organismen mit oxygener Photosynthese sind die zwei membranintegralen [[Photosystem]]e II und I in Serie geschaltet. Ähnlich der Atmungskette sind die beiden Photosysteme durch eine Elektronentransportkette verbunden, die neben dem kleinen Molekül [[Plastochinon]] auch einen weiteren membranintegralen Proteinkomplex ([[Cytochrom-b6f-Komplex|Cytochrom-''b''<sub>6</sub>''f''-Komplex]]) und das kleine Protein [[Plastocyanin]] umfasst. Werden die Redoxpotentiale aller an der Reaktion beteiligten Redoxpartner aufgetragen, ergibt sich eine Art Zick-Zack-Verlauf, der an ein gedrehtes „Z“ erinnert (Z-Schema, vgl. Abbildung). |
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Die für den Elektronentransfer in den Reaktionszentren der Photosysteme benötigte Anregungsenergie wird in Form von Strahlung vor allem durch die [[Lichtsammelkomplexe]] aufgenommen, die neben Chlorophyll-''a'' auch Chlorophyll-''b'' und [[Carotinoide]] enthalten, die in einem weiten Bereich des sichtbaren Wellenlängenspektrums absorbieren (vgl. [[#Absorption von Lichtenergie|obiges]] Spektrum). Bei Absorption eines roten Lichtquants wechselt das Molekül in den angeregten Energiezustand S<sub>1</sub>, bei Absorption eines blauen Lichtquants in den Zustand S<sub>2</sub> mit höherer Energie. Nur der S<sub>1</sub>-Zustand ist für die Photochemie nutzbar. Jedoch kann unter Abgabe der überschüssigen Energie als Wärme (interne Konversion) vom S<sub>2</sub> auf das S<sub>1</sub>-Niveau gewechselt werden, was auch höherenergetische Lichtquanten nutzbar macht.<ref name="Barber">Barber, J. (2009): ''Photosynthetic energy conversion: natural and artificial''. In: ''Chem Soc Rev''. '''38'''(1); 185–196; PMID 19088973; {{DOI|10.1039/b802262n}}</ref> |
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Durch [[Förster-Resonanzenergietransfer|strahlungslosen Energietransfer]] kann die Energie der Anregungszustände zwischen eng benachbarten Chlorophyll-Molekülen bis zu den Reaktionszentren der Photosysteme übertragen werden. Der Rückfall auf das Ausgangsniveau S<sub>0</sub> erfolgt unter Abgabe von Energie, wobei die Art der Abgabe abhängig von der Effizienz des jeweiligen Prozesses ist. |
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Mit einer Quantenausbeute von etwa 85 % der Anregungsenergie wird in den offenen Reaktionszentren von Photosystem II eine Ladungstrennung durchgeführt, bei der ein Elektron von den gepaarten Chlorophyll-''a''-Molekülen (''special pair'', [[P680]]) auf einen primären Akzeptor, ein [[Phäophytine|Phäophytin]] (Phe) der D1-Untereinheit, transferiert wird. Von dort gelangt es über das fest gebundene [[Plastochinon]] Q<sub>A</sub> (D2-Untereinheit) auf ein locker gebundenes Plastochinon (Q<sub>B</sub>) (D1-Untereinheit).<ref>Hans W. Heldt, Birgit Piechulla: ''Pflanzenbiochemie''. 4. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2008; ISBN 978-3-8274-1961-3; S. 88</ref> Nach Aufnahme von zwei Elektronen und Protonierung durch H<sup>+</sup> aus dem [[Stroma]] wird Q<sub>B</sub> als Plastochinol (''auch'' Plastohydrochinol, PQH<sub>2</sub>) in die Membranmatrix entlassen, in der es frei diffundieren kann. Ein kürzlich entdecktes drittes Plastochinon (Q<sub>C</sub>) vermittelt dabei den Austausch von Q<sub>B</sub> mit den Chinonpool der Membran.<ref>Guskov, A. ''et al.'' (2009): ''Cyanobacterial photosystem II at 2.9-A resolution and the role of quinones, lipids, channels and chloride''. In: ''Nat Struct Mol Biol''. 16(3); 334-342; PMID 19219048; {{DOI|10.1038/nsmb.1559}}</ref> |
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Das verbleibende oxidierte P680<sup>•+</sup>-Radikal, welches mit einem Redoxpotential von mehr als +1 V <ref name="Rappaport:2002">Rappaport ''et al'' (2002): ''Kinetics and pathways of charge recombination in photosystem II''. In: [[Biochemistry]] '''41''' (26); S. 8518–8527; PMID 12081503</ref> ein sehr starkes Oxidationsmittel ist, wird durch einen Tyrosinrest (Tyr<sub>z</sub>) reduziert. Dieser wird wiederum durch den Mangan-Cluster des [[#Sauerstoffproduzierender Komplex|wasserspaltenden Komplexes]] regeneriert.<ref name="Dau:2004">Dau ''et al''. (2004): ''The structure of the manganese complex of Photosystem II in its dark-stable S 1-state—EXAFS results in relation to recent crystallographic data''. In: Phys Chem Chem Phys '''6''' (20) pp. 4781–4792</ref><ref name="Ferreira:2004">Ferreira ''et al''. (2004): ''Architecture of the photosynthetic oxygen-evolving center''. In: Science '''303''' (5665); S. 1831–1838; PMID 14764885</ref> |
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PQH<sub>2</sub> diffundiert in der Thylakoidmembran zu dem Cytochrom-''b''<sub>6</sub>''f''-Komplex. Der Komplex nimmt eine zentrale Rolle in der Elektronentransportkette ein und vermittelt zwei aufeinanderfolgende Elektronenübergänge. Das erste Elektron wird PQH<sub>2</sub> durch das [[Rieske-Protein]], ein [[Eisen-Schwefel-Cluster|2-Eisen-2-Schwefel-Protein]], entzogen. Dieses Protein verdankt seinen Namen dem Entdecker [[John S. Rieske]], der 1964 das Protein mit Mitarbeitern isolieren konnte.<ref>Rieske, JS., Maclennan, DH. und Coleman, R. (1964): ''Isolation and properties of an iron-protein from the (reduced coenzyme Q)-cytochrome C reductase complex of the respiratory chain''. In: [[Biochemical and Biophysical Research Communications]] 15(4); 338-344; {{DOI|10.1016/0006-291X(64)90171-8}}</ref> Die membranintegrale ''b''-Untereinheit des Cytochrom-''b''<sub>6</sub>-Komplexes enthält zwei [[Cytochrome]] des ''b''-Typs. Diese übertragen das zweite Elektron vom Semichinon-Radikal PQH<sup>•−</sup> auf ein Plastochinon, welches durch H<sup>+</sup> aus dem Stroma protoniert wird (Q-Zyklus<ref name="Mitchell:1975">Mitchell (1975): ''Protonmotive redox mechanism of Cytochrome-b-c1 complex in respiratory-chain - protonmotive ubiquinone cycle''. In: [[FEBS Lett]] '''56''' (1) pp. 1-6</ref> <ref name="Baniulis:2008">Baniulis ''et al'' (2008): ''Structure-function of the cytochrome b6f complex''. In: Photochem Photobiol '''84''' (6) pp. 1349–1358, PMID 19067956</ref>). Die PQH<sub>2</sub>-Reoxidation am Cytochrom-''b''<sub>6</sub>''f''-Komplex ist mit einer Dauer von etwa 5 ms der langsamste und somit ratenlimitierende Schritt der Elektronentransportkette.<ref name="Haehnel:1984">Haehnel (1984): ''Photosynthetic Electron Transport in Higher Plants''. In: Annu Rev Plant Biol '''35''' pp. 659-693</ref><ref name="Baniulis:2008" /><ref name="Hope:2000">Hope (2000): ''Electron transfers amongst cytochrome f, plastocyanin and photosystem I: kinetics and mechanisms''. In: Biochim Biophys Acta '''1456''' (1) pp. 5-26; PMID 10611452</ref> Begründet ist dies wahrscheinlich in der notwendigen Konformationsänderung des Rieske-Proteins und der eingeschränkten Diffusion des PQH<sub>2</sub> zum aktiven Zentrum des Komplexes, das sich in einer tief eingesenkten Tasche befindet.<ref name="Baniulis:2008" /> |
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In Summa wird PQH<sub>2</sub> zu PQ reoxidiert, ein Elektron wird im Q-Zyklus recycelt und ein Elektron wird schließlich auf das Protein [[Plastocyanin]] (PC), das jeweils ein Elektron aufnehmen kann, übertragen. Bei dieser Weitergabe wird außerdem pro Elektron ein Proton aus dem Stroma der Chloroplasten in das Thylakoidlumen transloziert. |
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Plastocyanin ist ein wasserlösliches [[kupfer]]haltiges Protein, dessen Kupferatom zwischen den Oxidationsstufen Cu<sup>I</sup> und Cu<sup>II</sup> wechselt und somit ein Elektron aufnehmen und wieder abgeben kann. Es diffundiert dabei im Lumen des Thylakoiden. Von seiner Funktion ähnelt es dem [[Cytochrom c|Cytochrom ''c'']] der Atmungskette. In einigen Cyanobakterien und Algen wird Plastocyanin durch die Variante [[Cytochrom c6|Cytochrom ''c''<sub>6</sub>]] ersetzt. |
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Das vom Cyt-''b''<sub>6</sub>''f''-Komplex freigesetzte reduzierte Plastocyanin gelangt schließlich an den ''Photosystemkomplex I'' (PS I). PS I enthält auch ein Chlorophyll-Molekülpaar und besitzt ein Absorptionsmaximum bei etwa 700 nm und ein Redoxpotential E'<sup>0</sup>=+0,45 V. Wie P680 im PS II wird das Chlorophyll-''a''-Paar im Reaktionszentrum in einen energetisch höheren Zustand versetzt (E'<sup>0</sup>=−1,3 V) und gibt ein Elektron ab. Dabei entsteht ein positives Chlorophyllradikal (Chl-a<sup>•+</sup>), das ein Elektron aus dem angedockten Plastocyanin aufnimmt und dadurch zu Chl-''a'' reduziert wird. PC kann nach Abgabe des Elektrons wieder durch den Cyt-''b''<sub>6</sub>''f''-Komplex reduziert werden. |
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Das Elektron, das durch das Chlorophyll-''a''-Molekül abgegeben wurde, trifft zunächst auf einen ersten Akzeptor, A<sub>0</sub>. Man geht davon aus, dass es sich hierbei um ein besonderes Chlorophyll handelt.<ref>David L. Nelson und Michael M. Cox: ''Lehninger Principles of Biochemistry''. 5. Auflage. Freeman, New York, NY 2008, ISBN 978-0-7167-7108-1; S. 753</ref> Dieses ist ein ungewöhnlich starkes Reduktionsmittel und reduziert ein festgebundenes [[Phyllochinon]] (Q, auch A<sub>1</sub>). Von dort wird das Elektron an ein [[Eisen-Schwefel-Cluster|Eisen-Schwefel-Zentrum]] übertragen (F<sub>x</sub>) und gelangt über weitere Eisen-Schwefel-Zentren (F<sub>A</sub>, F<sub>B</sub>) schließlich auf [[Ferredoxin]] (Fd). Dieses befindet sich an der Stromaseite der Thylakoidmembran. Das reduzierte Fd bindet an einer [[Ferredoxin-NADP-Reduktase]] und reduziert NADP<sup>+</sup> zu NADPH. |
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Der Elektronentransport ist an eine Protonentranslokation vom Stroma in das Lumen gekoppelt. Pro vollständig von Wasser auf NADPH übertragenem Elektron werden drei Protonen ins Lumen transloziert. <ref name="Sacksteder:2000">Sacksteder ''et al'' (2000): ''The proton to electron stoichiometry of steady-state photosynthesis in living plants: A proton-pumping Q cycle is continuously engaged''. In: [[Proc Natl Acad Sci U S A]] '''97''' (26) pp. 14283-14288; PMID 11121034</ref> Es entsteht somit ein Protonen-Konzentrationsunterschied (ΔpH), sowie ein elektrisches Feld über der Thylakoidmembran, die in Summe protonmotorische Kraft Δμ<sub>H+</sub> (engl. ''proton motive force'') genannt wird. Die protonmotorische Kraft wird entsprechend Peters Mitchells chemiosmotischer Theorie durch die [[ATP-Synthase]] genutzt, um mit Hilfe von 14 Protonen drei ATP aus ADP und anorganischem [[Phosphat]] zu erzeugen.<ref name="Mitchell:1961">Mitchell (1961): ''Coupling of phosphorylation to electron and hydrogen transfer by a chemi-osmotic type of mechanism''. In: Nature '''191''' (4784) pp. 144–148</ref><ref name="Seelert:2000">Seelert ''et al'': ''Structural biology. Proton-powered turbine of a plant motor''. In: Nature '''405''' (6785) pp. 418–419; PMID 10839529</ref><ref name="Junge:2005">Junge und Nelson (2005): ''Structural biology. Nature's rotary electromotors''. In: Science '''308''' (5722) pp. 642–644; PMID 15860615</ref> Dieser Vorgang wird auch ''Photophosphorylierung'' genannt. In der Bilanz werden durch den linearen Elektronentransport unter Berücksichtigung des Q-Zyklus je Elektron drei Protonen transportiert. Da zur Erzeugung von drei ATP nicht etwa 12, sondern 14 Protonen nötig sind, werden ATP und NADPH nicht etwa in einem Verhältnis von 3:2=1,5, sondern in einem festen Verhältnis von 9:7=1,3 erzeugt. |
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=== Sauerstoffproduzierender Komplex === |
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[[Datei:Manganese cluster in the oxygen-evolving complex.svg|miniatur|hochkant=1.2|Mögliche Anordnung des Mn<sub>4</sub>CaO<sub>5</sub>-Clusters. Die genaue Geometrie der Atome im Zentrum ist noch nicht ganz geklärt, wird aber von einer Reihe von Aminosäuren der D1- bzw. CP43-Untereinheit komplexiert.<ref>Robertazzi, A., Galstyan, A. und Knapp, EW. (2014): ''Reprint of PSII manganese cluster: protonation of W2, O5, O4 and His337 in the S1 state explored by combined quantum chemical and electrostatic energy computations.'' In: ''Biochim Biophys Acta''. 1837(9); 1389–1394; {{DOI|10.1016/j.bbabio.2014.07.008}}; PMID 25065862</ref>. Möglicherweise ist O5 das eine bei der Wasserspaltung beteiligte Wassermolekül.<ref name="Suga" />]] |
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[[Datei:Kok-cycle.svg|miniatur|hochkant=1.2|“Kok-Zyklus“ des ManganCa-Clusters. Der Grundzustand S<sub>0</sub> ist die reduzierteste Form, es werden schrittweise Elektronen an ein reaktives Tyrosin abgegeben. Die Deprotonierungsreaktionen sind nicht eingezeichnet. Beim S<sub>2</sub>-S<sub>3</sub>-Übergang stammt das Elektron wahrscheinlich nicht von einem der Manganatome.<ref name="Sauer">Sauer, K., Yano, J. und Yachandra, VK. (2008): ''X-Ray spectroscopy of the photosynthetic oxygen-evolving complex''. In: ''[[Coord Chem Rev]]''. '''252'''(3–4); 318–335; PMID 19190720; {{PMC|2387253}}</ref> Im Dunkeln liegt der S<sub>1</sub>-Zustand vor.<ref>Sproviero, EM. ''et al.'' (2008): ''Quantum mechanics/molecular mechanics study of the catalytic cycle of water splitting in photosystem II''. In: ''J Am Chem Soc''. '''130'''(11); 3428–3442; PMID 18290643; {{DOI|10.1021/ja076130q}}.</ref>]] |
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Die Elektronenlücke des Chlorophyllradikals im Reaktionszentrum des PS II muss noch geschlossen werden. Hierbei werden die Elektronen aus Wasser (E'<sup>0</sup>=+0,82 V) bezogen. An dieser „Wasserspaltung“ sind ein [[Tyrosin]]rest der D1-Untereinheit (Tyr161 = Tyr<sub>Z</sub>) und ein [[Mangan]]-Cluster beteiligt. Das Chl ''a''-Radikal entzieht ein Elektron diesem reaktiven Tyrosinrest, was dadurch selbst zu einem Tyrosinradikal oxidiert wird. Damit das Tyrosinradikal wieder reduziert wird, benötigt es ein Elektron aus einem besonderen [[Metallkomplex]], dem Mangan-Calcium-Cluster. |
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Der Mangan-Calcium-Cluster (Mn<sub>4</sub>CaO<sub>5</sub>) ist der wichtigste Bestandteil des sauerstoffproduzierenden Komplexes („''oxygen-evolving complex''“, OEC). Der Cluster ist im Wesentlichen aus vier Manganatomen, einem [[Calcium]]atom und einem peripheren [[Chlor]]atom aufgebaut. Diese ungewöhnliche Zusammensetzung von fünf Metallatomen ist äußerst selten. Es ist nur ein Beispiel einer [[CO-Monohydrogenase]] bekannt, bei dem andere Metallatome ([[Eisen|Fe]], [[Nickel|Ni]]) über [[Schwefel]]brücken eine ähnliche Zusammenstellung aufweisen.<ref>Dobbek, H. ''et al.'' (2001): ''Crystal structure of a carbon monoxide dehydrogenase reveals a [Ni-4Fe-5S] cluster''. In: ''Science'' '''293'''(5533); 1281–1285; PMID 11509720; {{DOI|10.1126/science.1061500}}.</ref> Funktionell kann das Calciumatom durch ein [[Strontium]]atom und das essentielle Chloratom durch ein [[Brom]]atom ersetzt werden.<ref>Pushkar, Y. ''et al.'' (2008): ''Structural changes in the Mn<sub>4</sub>Ca cluster and the mechanism of photosynthetic water splitting''. In: ''Proc Natl Acad Sci USA'' '''105'''(6); 1879–1884; PMID 18250316; {{PMC|2542863}}</ref><ref name="Sauer" /> |
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Die genaue Geometrie der Metallatome ist trotz intensiver Studien noch nicht ganz geklärt. Möglicherweise liegen die Metallatome mit Sauerstoffatomen wie in der Abbildung rechts vor und werden von verschiedenen Aminosäuren der D1- bzw. CP43-Untereinheit [[Komplexchemie|komplexiert]].<ref name="Suga">Suga, M. ''et al.'' (2014): ''Native structure of photosystem II at 1.95 Å resolution viewed by femtosecond X-ray pulses.'' In: ''Nature'' PMID 25470056; {{DOI|10.1038/nature13991}}</ref><ref>Debus, RJ (2015): ''FTIR studies of metal ligands, networks of hydrogen bonds, and water molecules near the active site Mn4CaO5 cluster in Photosystem II.'' In: ''Biochim Biophys Acta'' 1847(1); 19–34; PMID 25038513; {{DOI|10.1016/j.bbabio.2014.07.007}}</ref> Hierbei sind alle Manganatome von sechs Molekülen koordiniert und zwei Moleküle Wasser binden an Manganatom Nr. 4 (Mn4). |
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Der Mn<sub>4</sub>CaO<sub>5</sub>-Cluster funktioniert wie eine Art [[Batterie (Elektrotechnik)|Batterie]]. Nach und nach geben drei Manganionen jeweils ein Elektron ab und wechseln zwischen den [[Oxidationsstufe]]n Mn<sup>III</sup> und Mn<sup>IV</sup> (vgl. Abbildung). Dadurch können verschiedene Oxidationsstufen des Clusters (S<sub>0</sub> bis S<sub>4</sub>) erreicht werden. Da die Elektronen im Cluster stark [[Delokalisierung|delokalisiert]] sind, ist das Nennen einer genauen Oxidationsstufe der Manganatome jedoch erschwert. Es wurde diskutiert, dass das vierte Manganatom im S<sub>4</sub>-Zustand eine formale Oxidationsstufe von V erreicht.<ref name="Barber">Barber, J. (2008): ''Photosynthetic generation of oxygen''. In: ''Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci''. '''363'''(1504); 2665–2674; PMID 18468983.</ref> Wahrscheinlicher ist indes, dass sich ein Oxoradikal bildet (vgl. Abbildung).<ref name="Sauer" /><ref name="Conlan">Conlan, B. (2008): ''Designing photosystem II: molecular engineering of photo-catalytic proteins''. In: ''Photosynth Res''. '''98'''(1–3); 687–700; PMID 18777102; {{DOI|10.1007/s11120-008-9355-5}}.</ref> 2014 konnten Wissenschaftler mit Hilfe einer speziellen Anwendung von [[Röntgenstrahlung]]-[[Freie-Elektronen-Laser|Freie-Elektronen-Röntgenlasern]] (serielle Femtosekunden-Röntgenstrukturanalyse) Bilder der unterschiedlichen Anregungszustände des Photosystems II aufnehmen.<ref>[http://www.pflanzenforschung.de/de/journal/journalbeitrage/kamera-laeuft-forscher-filmen-photosystem-ii-bei-der-ar-10281 Kamera läuft! Forscher filmen Photosystem II bei der Arbeit] Redaktion Pflanzenforschung.de; vom 23. Juli 2014, abgerufen am 28. Oktober 2014</ref> Auch zu diesem Zeitpunkt ist der genaue Oxidationszustand noch nicht eindeutig geklärt. Es wird postuliert, dass das Sauerstoffatom Nr. 5 (O5) nicht als Oxoligand (O<sub>2</sub><sup>−</sup>) vorliegt, sondern als Wassermolekül während des S<sub>0</sub>-Zustandes und als [[Hydroxidion]] (OH<sup>−</sup>) während des S<sub>1</sub>-Zustandes. Ferner soll es eines der beiden Wassermoleküle sein, die im Zuge der Wasserspaltung zur Sauerstoffbildung dienen.<ref name="Suga" /> |
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Erst wenn vier Elektronen an das Tyr<sub>Z</sub> abgegeben wurden (S<sub>4</sub>), wird Sauerstoff gebildet und freigesetzt und der reduzierte Zustand (S<sub>0</sub>) ist wieder erreicht. Dieser Zyklus wird auch als „Kok-Zyklus“ bezeichnet.<ref>Kok, B., Forbush, B. und McGloin, M. (1970): ''Cooperation of charges in photosynthetic O<sub>2</sub> evolution-I. A linear four step mechanism''. In: ''Photochem Photobiol''. '''11'''(6); 457–475; PMID 5456273; {{DOI|10.1111/j.1751-1097.1970.tb06017.x}}.</ref> Für das Freisetzen eines Moleküls Sauerstoffs werden insgesamt vier Exzitone benötigt, was die Untersuchungen von [[Pierre Joliot]] und [[Bessel Kok (Wissenschaftler)|Bessel Kok]] ergeben haben. |
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Vermutlich würde ein schrittweises Oxidieren des Wassers viele [[reaktive Sauerstoffspezies]] (ROS) freisetzen. Mit dem oben geschilderten Mechanismus wird dieses Risiko also minimiert. Das Besondere an diesem Enzym ist jedoch nicht die Tatsache, dass es Sauerstoff freisetzt ([[Katalase]]n könnten dies auch tun), sondern dass es zwischen zwei Wassermolekülen eine O–O-Bindung ausbildet.<ref name="Conlan" /> |
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=== Zyklische Photophosphorylierung === |
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Der zyklische Elektronentransport in der Lichtreaktion erfolgt nur beim [[Photosystem I]]. Dabei werden die Elektronen vom Ferredoxin (Fd) nicht an die NADP<sup>+</sup>-Reduktase weitergegeben, sondern zurück zum Cytochromkomplex geführt, wodurch sie wiederum zum [[Photosystem I]] gelangen und zum Reaktionszentrum zurückgelangen. Dadurch wird kein NADPH<sup /> gebildet, sondern ausschließlich ATP. Da es sich dabei um einen Kreislauf handelt, heißt dieser Vorgang auch ''zyklische Photophosphorylierung''. |
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[[C4-Pflanze|C<sub>4</sub>-Pflanzen]] haben einen erhöhten ATP-Bedarf und könnten somit die zyklische Photophosphorylierung intensiver nutzen als [[C3-Pflanze|C<sub>3</sub>-Pflanzen]]. |
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=== Pseudozyklischer Elektronentransport === |
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Im nicht-zyklischen Elektronentransport gibt Ferredoxin (Fd) sein Elektron auf NADP<sup>+</sup> ab, so dass NADPH entsteht. Durch den hohen Reduktionsgrad besteht aber auch die Möglichkeit, dass das Elektron an Sauerstoff (O<sub>2</sub>) übertragen wird. Dabei entsteht das Superoxidradikal in der sogenannten ''Mehler-Reaktion''.<ref>Hans W. Heldt, Birgit Piechulla: ''Pflanzenbiochemie''. 4. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2008; ISBN 978-3-8274-1961-3; S. 103ff.</ref> Sie wurde nach den Arbeiten von Alan H. Mehler benannt:<ref>Mehler, AH. (1951): ''Studies on reactions of illuminated chloroplasts: I. Mechanism of the reduction of oxygen and other hill reagents''. In: ''[[Arch Biochem Biophys]]'' '''33'''(1); 65–77; PMID 14857775; {{DOI|10.1016/0003-9861(51)90082-3}}</ref><ref>Mehler, AH. und Brown, AH. (1952): ''Studies on reactions of illuminated chloroplasts. III. Simultaneous photoproduction and consumption of oxygen studied with oxygen isotopes''. In: ''Arch Biochem Biophys'' '''38'''(1); 365–370; PMID 12997112; {{DOI|10.1016/0003-9861(52)90042-8}}</ref> |
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:<math> \mathrm{Fd_{red} + O_2 \xrightarrow{Mehler\text{-}Reaktion} \ Fd_{ox} + O^{.-}_2} </math> |
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Dieses Radikal gehört zu den hoch [[Reaktive Sauerstoffspezies|reaktiven Sauerstoffspezies]] (ROS) und kann Proteine, Membranen sowie DNA schädigen. Daher wird dieses zunächst mit einer [[Superoxiddismutase]] ({{EC|1.15.1.1}}) zu Sauerstoff und [[Wasserstoffperoxid]] (H<sub>2</sub>O<sub>2</sub>) [[Disproportionierung|disproportioniert]]. Die Reaktion kann aber auch spontan ablaufen: |
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:<math> \mathrm{2\ O^{.-}_2 + 2\ H^+ \xrightarrow{Superoxiddismutase} \ O_2 + H_2O_2} </math> |
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Wasserstoffperoxid ist ebenfalls eine ROS und wird durch eine in den Thylakoidmembranen vorhandene [[Ascorbat-Peroxidase]] ({{EC|1.11.1.11}}) unschädlich gemacht. Bei dieser Entgiftung wird [[Ascorbat]] zu Monodehydroascorbat oxidiert, während H<sub>2</sub>O<sub>2</sub> zu Wasser reduziert wird. Durch vorhandenes Ferredoxin wird Monodehydroascorbat wieder zu Ascorbat regeneriert. In der Bilanz ergibt sich damit: |
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:<math> \mathrm{2\ Fd_{red} + H_2O_2 \xrightarrow{Ascorbat} 2\ Fd_{ox} + 2\ H_2O} </math> |
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und damit insgesamt: |
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:<math> \mathrm{4\ Fd_{red} + O_2 \longrightarrow 4\ Fd_{ox} + 2\ H_2O} </math> |
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Aus der Wasserspaltung am PS II werden normalerweise vier Elektronen freigesetzt und auf Ferredoxin übertragen. Diese werden nun im Verlauf der Mehler-Reaktion wiederum zur Wasserbildung verwendet, so dass man von einem ''pseudozyklischen Elektronentransport'' spricht. Wie im zyklischen Elektronentransport werden die Elektronen nicht auf NADP<sup>+</sup> übertragen. Dieser Zyklus wurde in der Literatur auch als ''Wasser-Wasser-Zyklus'' (''water-water cycle'') bezeichnet: Ein Molekül Wasser wird gespalten und später ein anderes wieder erzeugt.<ref name="Asada">Asada, K. (2000): ''The water-water cycle as alternative photon and electron sinks''. In: ''Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci''. '''355'''(1402); 1419–1431; PMID 11127996; {{PMC|1692883|PDF}}.</ref> In der Gesamtbilanz wird also formal die Wasserspaltung des PS II umgekehrt und keine Reduktionsäquivalente aufgebaut. |
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Die Mehler-Reaktion tritt v. a. dann auf, wenn viel reduziertes NADPH und damit auch viel reduziertes Ferredoxin vorliegt. Beim pseudozyklischen Elektronentransport wird wie beim zyklischen nur ein Protonengradient im Q-Zyklus erzeugt, so dass ATP generiert wird. Normalerweise fehlt unter diesen Bedingungen aber ADP zum Aufbau von ATP, so dass nur ein hoher Protonengradient entsteht. Überschüssige Anregungsenergie kann damit leicht in Wärme umgewandelt werden. Möglicherweise dient dies als „Überlaufventil“ unter hohen Lichtstärken und schützt dabei das Photosystem II nicht nur in Pflanzen, sondern auch in allen photosynthetisch aktiven Algen und Cyanobakterien.<ref>Hackenberg, C. ''et al''. (2009): ''Photorespiratory 2-phosphoglycolate metabolism and photoreduction of O2 cooperate in high-light acclimation of Synechocystis sp. strain PCC 6803''. In: ''Planta'' 230(4); 625–637; PMID 19578872; {{PMC|2729987|PDF}}.</ref> Dies setzt aber voraus, dass genügend Ascorbat vorliegt.<ref name="Asada" /> |
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Zwei Moleküle Monodehydroascorbat können aber auch zu Ascorbat und [[Ascorbinsäure#Dehydroascorbinsäure|Dehydroascorbat]] disproportionieren. Um Dehydroascorbat zu regenerieren, wird [[Glutathion]] oxidiert, welches wiederum durch eine [[Glutathion-Reduktase]] ({{EC|1.8.1.7}}) reduziert wird. Dabei wird NADPH verbraucht. Formal ändert dies aber nichts an der oben beschriebenen Gesamtbilanz. |
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=== Regulation des Elektronentransports der oxygenen Photosynthese === |
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Werden Elektronen oder Anregungszustände unkontrolliert auf Sauerstoff übertragen, kann es zu Schädigungen etwa des Photosyntheseapparates, der Membransysteme und der Proteine kommen. Eine Regulation des Elektronentransports ist deshalb äußerst wichtig. Nicht zuletzt muss er auch auf den Bedarf der Pflanze an NADPH und ATP angepasst werden. Langfristige, auf transkriptionaler Ebene staffindende Regulationsmechanismen werden in diesem Abschnitt nicht beleuchtet, finden aber definitiv statt. |
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==== Laterale Ungleichverteilung der Photosynthesekomplexe in der Thylakoidmembran ==== |
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[[Datei:Chloroplast.svg|miniatur|hochkant=2|Aufbau eines [[Chloroplast]]en. Hierbei liegen die Thylakoidmembranen entweder in gestapelter ('''7''') oder in ungestapelter ('''8''') Form vor. 1: äußere Hüllmembran; 2: Intermembranraum ; 3: innere Hüllmembran; 4: Stroma; 5: Thylakoidlumen; 6: Thylakoidmembran; 7: Granum; 8: Thylakoid; 9: [[Stärke]]körper; 10: plastidäres [[Ribosom]]; 11: plastidäre [[Desoxyribonukleinsäure|DNS]]; 12: [[Plastoglobulus]]]] |
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Die Photosynthesekomplexe PS II, Cytochrom-''b''<sub>6</sub>''f'' und PS I sind in die Thylakoidmembran eingebettet. Die Photosysteme sind dabei jedoch lateral nicht gleichmäßig verteilt. PS II befindet sich wegen seiner Interaktion mit den Lichtsammelkomplexen in den gestapelten Bereichen des Thylakoiden ([[Thylakoid#Granum|Granalamellen]]), die stromale Seite von PS I muss für die NADP<sup>+</sup>-Reduktion frei zugänglich sein und befindet sich deshalb in Bereichen, die dem Stroma exponiert sind. Dazu gehören ungestapelte Bereiche (Stromalamellen, Nr. 8 in rechter Abbildung), sowie die Randbereiche des Granastapels (''margins'' und ''end membranes''). Auch die [[ATP-Synthase]] benötigt Platz auf der Stromaseite der Membran und ist somit nur in diesen Bereichen zu finden.<ref name="Albertsson:2001">Albertsson (2001): ''A quantitative model of the domain structure of the photosynthetic membrane''. In: ''Trends Plant Sci'' '''6'''(8) S. 349-58</ref> |
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Die räumliche Trennung der beiden Photosysteme soll des Weiteren ein unkontrolliertes Überfließen (''spillover'') der [[Exziton]]en vom PS-II- zum PS-I-Komplex verhindern. Während nämlich Exzitonen höchst effizient von den Antennen zum PS I abfließen (''funnel trap''), kann die Anregungsenergie sogar aus dem PS II wieder herausspringen (''shallow trap''). Daher würden bei einer direkten Nachbarschaft der beiden Photosynthesekomplexe die Exzitonen auf Kosten des PS II häufiger dem PS I zugeschlagen werden. |
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==== Umverteilung der Lichtsammelkomplexe LHC-II (''state transitions'') ==== |
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Unter bestimmten Umständen können die Photosysteme unterschiedlich stark angeregt werden, da sie unterschiedliche Absorptionsspektren besitzen. Perzipiert wird dieser Zustand von der Pflanze über den Redoxzustand des Plastochinon-Pools. |
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* Im Schwachlicht, wenn die beiden Photosysteme noch nicht an ihrer Kapazitätsgrenze arbeiten, wird PS I stärker angeregt als PS II. Daher kommt es zu einer Umverteilung der Lichtsammelkomplexe LHC-II vom PS I hin zum PS II, um der ungleichmäßigen Anregung entgegenzusteuern. PS II wird dadurch stärker angeregt. |
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* Wird dagegen PS II stärker angeregt als PS I, akkumuliert reduziertes Plastochinol in der Thylakoidmembran. Durch den geänderten Redoxzustand des Plastochinon-Pools wird eine [[Proteinkinase]] aktiviert. Dies hat zur Folge, dass LHC-II-Komplexe phosphoryliert werden und von PS II zu PS I migrieren. Dadurch wird PS I bei der Lichtanregung bevorzugt. |
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Die Umverteilung der LHCs wird ''state transitions'' (engl., etwa „Zustandswechsel“) genannt: Sind alle LHC-II mit PS II assoziiert, liegt Zustand 1 (''state 1'') vor. Sind sie jedoch mit PS I assoziiert, liegt Zustand 2 vor (''state 2'').<ref>Shapiguzov, A. ''et al.'' (2010): ''The PPH1 phosphatase is specifically involved in LHCII dephosphorylation and state transitions in Arabidopsis.''. In: PNAS 9;107(10); 4782–4787; PMID 20176943; [http://www.pnas.org/content/107/10/4782.full.pdf+html PDF] (freier Volltextzugriff, engl.)</ref> |
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==== Thermische Dissipation überschüssiger Energie ==== |
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Unter bestimmten Umständen wird mehr NADPH und ATP erzeugt, als von der Dunkelreaktion verbraucht werden kann. Dies kann beispielsweise bei hoher Lichtintensität der Fall sein, oder auch bei hohen Temperaturen oder [[Trockenstress]], wenn die [[Spaltöffnungen]] geschlossen werden, um den Wasserverlust zu drosseln. Damit ist auch die Aufnahme von CO<sub>2</sub> reduziert, sodass die Dunkelreaktion durch die CO<sub>2</sub>-Konzentration limitiert und verlangsamt wird. Bei niedrigen Temperaturen ist vor allem die enzymatische Aktivität des Stoffwechsels verlangsamt, die Elektronentransfers in der Lichtreaktion jedoch kaum, sodass ATP und NADPH im Überschuss erzeugt werden. Da der Elektronentransportkette in diesen Fällen kein Akzeptor für die gewonnen Elektronen zur Verfügung steht, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für die Bildung [[Reaktive Sauerstoffspezies|reaktiver Sauerstoffspezies]] (ROS), die den Photosyntheseapparat und die Zelle beschädigen können. |
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Um die überschüssige Energie abzuleiten, tritt [[Zeaxanthin]] als Teil des [[Xanthophyllzyklus]] in Aktion. Hierbei bindet Zeaxanthin an eine Untereinheit des LHC-II-Komplexes und kann die Energie angeregter Chlorophyllmoleküle aufnehmen und als Wärme abgeben.<ref>Caroline Bowsher, Martin W. Steer, Alyson K. Tobin: ''Plant Biochemistry''. Garland Pub, New York, NY 2008, ISBN 978-0-8153-4121-5; S. 89.</ref> Etwa 50–70 % aller absorbierten Photonen wird auf diese Weise in Wärme überführt.<ref>Hans W. Heldt, Birgit Piechulla: ''Pflanzenbiochemie''. 4. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2008; ISBN 978-3-8274-1961-3; S. 110</ref> Bei Kieselalgen wird anstatt Zeaxanthin [[Diatoxanthin]] in einem ähnlichen Zyklus verwendet. |
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Zur Beseitigung überschüssiger Lichtenergie trägt neben den oben genannten Reaktionen insbesondere bei Trockenstress auch die Reassimilation des durch [[Photorespiration]] freigesetzten CO<sub>2</sub> bei, der Anteil der einzelnen Prozesse am Verbrauch der Lichtenergie variiert allerdings in Abhängigkeit vom untersuchten Blattgewebe (Palisaden- oder Schwammparenchym), von der untersuchten Pflanzenart und vom Typ des Stoffwechsels (C<sub>3</sub>- oder C<sub>4</sub>-Pflanze).<ref>R. Scheuermann, K. Biehler, T. Stuhlfauth & H. P. Fock (1991): [http://link.springer.com/article/10.1007%2FBF00035840 ''Simultaneous gas exchange and fluorescence measurements indicate differences in the response of sunflower, bean and maize to water stress''.] In: ''Photosynthesis Research'' 27(3): 189-197, {{DOI|10.1007/BF00035840|Problem=2012}}.</ref> |
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== Anoxygene Photosynthese == |
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Viele phototrophe Bakterien betreiben eine anoxygene Photosynthese. Hierbei ist ein einziges Photosystem involviert, entweder eines mit einem Reaktionszentrum des pflanzlichen Typs I (PS I) oder Typs II (PS II). Im Gegensatz zu [[Cyanobakterien]] und phototrophen [[Eukaryoten]] enthalten die Reaktionszentren ''Bakterio''chlorophylle. Wie bei der oxygenen Photosynthese wird dieses Chlorophyllenpaar (''special pair'') durch Lichtenergie angeregt, wodurch sein Redoxpotential stark abfällt. Dadurch gibt das angeregte Bakteriochlorophyllpaar sein Elektron an einem primären Akzeptor ab. Je nach Reaktionszentrum ist der erste stabile Elektronenakzeptor entweder ein Eisen-Schwefel-Protein (PS I) oder ein [[Chinon]] (PS II). Von dort wird es über einen Q-Zyklus schließlich zurück zum Reaktionszentrum geleitet (zyklischer Elektronentransport). Bei diesem Vorgang wird ein Protonenkonzentrationsunterschied aufgebaut, durch den eine [[ATPase]] betrieben wird. Da zwar ATP, aber kein [[Reduktionsmittel]] aufgebaut wird, muss letzteres aus externen Elektronendonatoren (anorganische oder organische Verbindungen) gebildet werden. |
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Neben diesem zyklischen Elektronentransport gibt es auch einen nicht-zyklischen, durch den Reduktionsmittel direkt gebildet werden. Um die dadurch entstehende Elektronenlücke zu füllen, werden externe Elektronendonatoren verwendet, beispielsweise H<sub>2</sub>S, zweiwertige [[Eisen]]-Ionen (Fe<sup>2+</sup>) oder Nitrit (NO<sub>2</sub><sup>−</sup>)<ref>Griffin BM, Schott J, Schink B (2007): ''Nitrite, an electron donor for anoxygenic photosynthesis''. In: ''Science'' '''316'''(5833); S. 1870; PMID 17600210; {{DOI|10.1126/science.1139478}}.</ref> Hierbei entstehen elementarer Schwefel (S), dreiwertige Eisenionen (Fe<sup>3+</sup>) bzw. Nitrat (NO<sub>3</sub><sup>−</sup>) als Reaktionsprodukte. |
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Das [[Redoxpotential]] des [[Bakteriochlorophyll]]-Pigmentes reicht für eine Wasserspaltung nicht aus. Dementsprechend fehlt ein wasserspaltender Komplex (vgl. oben). Wasser kann also bei der anoxygenen Photosynthese nicht als Elektronenquelle verwendet werden und somit kann auch kein molekularer Sauerstoff entstehen. |
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=== Anoxygene Photosynthese des Typs II === |
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[[Datei:Anoxygene Photosynthese P870 final.svg|miniatur|hochkant=2|Lichtreaktion bei anoxygener Photosynthese mit einem Chinon als erster stabiler Elektronenakzeptor. Für Einzelheiten bitte Text beachten.]] |
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[[Datei:Photoreaction center of Rhodopseudomonas viridis.png|miniatur|hochkant=1|Reaktionszentrum aus ''R. viridis''.]] |
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[[Grüne Nichtschwefelbakterien]] (Chloroflexi) und [[Purpurbakterien]] (Schwefelpurpurbakterien und schwefelfreie Purpurbakterien) verwenden bei der anoxygenen Photosynthese ein Reaktionszentrum des Typs II. Das Absorptionsmaximum des Bakteriochlorophylls ''a'' bzw. ''b'' im Zentrum liegt bei 870 nm. Gelangt dieses durch Lichtenergie in einen angeregten Zustand, fällt sein Standardredoxpotential E'<sup>0</sup> von +0,6 V auf −0,8 V stark ab. Es gibt sein Elektron auf ein [[Phäophytine|Bakteriophäophytin]] ab. Von dort gelangt es über ein fest gebundenes [[Menachinon]] (Q<sub>A</sub>) schließlich auf ein assoziiertes Chinon (Q<sub>B</sub>, E'<sup>0</sup>=+0,0 V). Falls dieses durch zwei Elektronen zum Chinol reduziert wird, verlässt es den PS II-Komplex und diffundiert in der Membran zu einem [[Cytochrom-c-Reduktase|Cytochrom ''bc''<sub>1</sub>]]-Komplex. Während des Q-Zyklus werden die Elektronen auf diesen Komplex übertragen, dabei wird ein Protongradient (Δμ<sub>H+</sub>) aufgebaut. Dieser betreibt eine ATPase, wodurch ATP gebildet wird. Das Elektron im Cytochrom ''bc''<sub>1</sub>-Komplex gelangt von dort auf ein Cytochrom ''c'' (Cyt ''c<sub>2</sub>''), was membranassoziiert im Cytoplasma zum Reaktionszentrum zurückdiffundiert. Dort wird die Elektronenlücke durch Oxidation des Cyt ''c''<sub>2</sub> geschlossen, ein neuer zyklischer Elektronentransport kann beginnen.<ref>Georg Fuchs (Hrsg.), Thomas Eitinger, Erwin Schneider; Begründet von Hans. G. Schlegel: ''Allgemeine Mikrobiologie''. 8. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 3-13-444608-1; S. 432.</ref> |
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Um Reduktionsmittel zu bilden, oxidieren [[schwefelfreie Purpurbakterien]] (''[[Rhodospirillum]]'', ''[[Rhodobacter]]'') und Grüne Nichtschwefelbakterien (z. B. ''Chloroflexus'') organische Verbindungen; sie wachsen damit photoorganothroph. Grüne Nichtschwefelbakterien können zudem Wasserstoff (H<sub>2</sub>) als Elektronendonator nutzen, sie sind daher auch photolithotroph. |
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Das Chinon kann seine Elektronen aber auch in einem nicht-zyklischen Elektronentransport auf NAD(P)<sup>+</sup> übertragen, was eine NADH-Chinon-Oxidoreduktase katalysiert. Jedoch ist das Redoxpotential des Chinons zu hoch, um NAD(P)<sup>+</sup> (E'<sup>0</sup>=−0,32 V) direkt zu reduzieren. Daher wird für diesen revertierten (rückläufigen) Elektronentransport Energie in Form der protonenmotorischen Kraft Δμ<sub>H+</sub> angezapft. Da das Elektron aus dem Kreislauf entnommen wurde, verbleibt das Bakteriochlorophyll ''a'' im Reaktionszentrum zunächst als positiv geladenes Radikal. Um diese Lücke zu schließen, werden Elektronen aus externen Quellen verwendet. [[Schwefelpurpurbakterien]] (z. B. ''[[Chromatium]]'', ''[[Ectothiorhodospira]]'') oxidieren hierzu H<sub>2</sub>S zu Schwefel, welcher intra- oder extrazellulär abgelagert wird.<ref>Katharina Munk (Hrsg.): ''Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie''. Thieme Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-13-144861-3; S. 341</ref> |
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Bei ''[[Rhodopseudomonas viridis]]'', einem Purpurbakterium, sind die Kinetiken der Elektronenübertragung bekannt.<ref>David L. Nelson und Michael M. Cox: ''Lehninger Principles of Biochemistry''. 5. Auflage. Freeman, New York, NY 2008, ISBN 978-0-7167-7108-1; S. 751</ref> Nach Anregung des Bakteriochlorophyllenpaares gelangt das Elektron nach 3 ps auf das Bakteriophäophytin. Von dort wird es nach 200 ps auf das Menachinon Q<sub>A</sub> transferiert und gelangt von dort relativ langsam (6 µs) zum Ubichinon Q<sub>B</sub>. Die Elektronenlücke im Bakteriochlorophyllenpaar des Reaktionszentrums wird durch Cytochrom ''c''<sub>2</sub> nach 0,27 µs geschlossen. |
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=== Anoxygene Photosynthese des Typs I === |
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[[Datei:Anoxygene Photosynthese P840.svg|miniatur|hochkant=2|Lichtreaktion bei anoxygener Photosynthese mit einem Eisen-Schwefel-Zentrum als erster stabiler Elektronenakzeptor. Für Einzelheiten bitte Text beachten.]] |
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[[Grüne Schwefelbakterien]] (z. B. ''[[Chlorobium]]'') bzw. auch ''[[Heliobacteriaceae]]'' (''Heliobacterium'') verfügen über ein Reaktionszentrum des Typs I. Bei ersteren liegt ein Bakteriochlorophyll ''a'' mit einem Absorptionsmaximum von 840 nm, bei Heliobakterien ein Bakteriochlorophyll ''g'' mit 798 nm vor.<ref>Katharina Munk (Hrsg.): ''Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie''. Thieme Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-13-144861-3; S. 343</ref><ref name="Fuchs_434">Georg Fuchs (Hrsg.), Thomas Eitinger, Erwin Schneider; Begründet von Hans. G. Schlegel: ''Allgemeine Mikrobiologie''. 8. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 3-13-444608-1; S. 434</ref> Im zyklischen Elektronentransport gelangt das Bakteriochlorophyll ''a'' (E'<sup>0</sup>=+0,3 V) nach Anregung durch Licht in einen energetisch höheren Zustand (E'<sup>0</sup>=−1,2 V) und gibt sein Elektron an ein weiteres Bakteriochlorophyll ab. Von dort gelangt es über ein fest gebundenes [[Menachinon]] und diverse Eisen-Schwefel-Zentren (F<sub>x</sub>, F<sub>A</sub>/F<sub>B</sub>, E'<sup>0</sup>=−0,5 V) auf Ferredoxin (Fd). Fd gibt sein Elektron an in der Membran lokalisiertes Menachinon ab, welches in einen Q-Zyklus eingespeist wird. Hierbei wird ein Protonenkonzentrationsunterschied an der Membran aufgebaut. Über einen Cyt ''bc''<sub>1</sub>-Komplex wird schließlich eine Tetracytochromeinheit (Cyt ''c''<sub>553</sub>) reduziert, welche zur PS I zurückkehrt, um die Elektronenlücke im Reaktionszentrum zu schließen.<ref name="Fuchs_434" /> |
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Auch hier besteht die Möglichkeit eines nichtzyklischen Elektronentransportes: Wenn die Elektronen vom Eisen-Schwefel-Zentrum auf ein [[Ferredoxin]] übertragen werden, gelangen sie von dort auf NAD(P)<sup>+</sup>. Dieses katalysiert eine Ferredoxin-NADP<sup>+</sup>-Oxidoreduktase. Da das Redoxpotential des Fd niedriger ist als das von NAD(P)<sup>+</sup>, kann diese Reaktion ohne Energieaufwand ablaufen. Um die entstandene Elektronenlücke beim Bakteriochlorophyll im nicht-zyklischen Elektronentransport zu füllen, oxidieren beispielsweise Grüne Schwefelbakterien H<sub>2</sub>S zu Schwefel. |
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Bei Heliobakterien ist kein Weg bekannt CO<sub>2</sub> zu fixieren. Sie besitzen kein [[RuBisCO]] bzw. keine [[ATP-Citrat-Lyase]] (für den [[Reduktiver Citratzyklus|reduktiven Citratzyklus]]), sondern vergären organische Verbindungen wie [[Pyruvat]], [[Lactat]], [[Butyrat]] und [[Acetat]].<ref>Heinnickel, M. und Golbeck, JH. (2007): ''Heliobacterial photosynthesis''. In: ''Photosynth Res''. '''92'''(1); 35–53; PMID 17457690; {{DOI|10.1007/s11120-007-9162-4}}.</ref> Manche Stämme können auch mit Zuckern und mit Ethanol wachsen. Damit wachsen sie [[Heterotrophie|heterotroph]]. |
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=== Anoxygene Photosynthese in der Tiefsee === |
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Die meisten photosynthetisch aktiven Organismen nutzen die einfallende Sonnenstrahlung als Lichtenergie, weshalb die Photosynthese hauptsächlich an der Erdoberfläche stattfindet. An einem etwa 2.500 Meter tiefen [[Schwarzer Raucher|schwarzen Raucher]] am [[Ostpazifischer Rücken|ostpazifischen Rücken]] wurde ein Grünes Schwefelbakterium entdeckt, das eine anoxygene Photosynthese mit Schwefelwasserstoff oder Schwefel als Reduktans betreibt. In dieser Tiefe gelangt kein Sonnenlicht zu den Bakterien. Seine äußerst lichtempfindlichen [[Chlorosom]]en vermögen aber die schwache [[Infrarotstrahlung]] der hydrothermalen Quelle aufzufangen und für die Photosynthese nutzbar zu machen.<ref>J. T. Beatty ''et al''.: ''An obligately photosynthetic bacterial anaerobe from a deep-sea hydrothermal vent''. In: ''[[Proc Natl Acad Sci USA]]'' Vol. 102, Nr. 26, 2005, S. 9306–9310. PMID 15967984; [http://www.pnas.org/content/102/26/9306.full.pdf+html PDF] (Volltextzugriff, engl.)</ref><ref>{{Internetquelle | url=http://www.stern.de/wissen/natur/bakterien-photosynthese-in-der-tiefsee-542081.html | titel=Photosynthese in der Tiefsee | zugriff=2011-01-08}}</ref> |
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== Kohlenstoffdioxid-Assimilation == |
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{{Hauptartikel|Kohlenstoffdioxid-Assimilation}} |
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Die in der Lichtreaktion gewonnenen Reduktionsäquivalente und ATP werden zum Aufbau von Kohlenhydraten genutzt. Die dabei ablaufenden Vorgänge werden daher auch als '''Sekundärreaktion der Photosynthese''' bezeichnet. Da sie nicht direkt vom Licht abhängig sind, werden sie auch als '''Dunkelreaktion''' bezeichnet. Diese Bezeichnung ist aber irreführend. Sie entspricht zwar der Tatsache, dass die Prozesse getrennt von der „Lichtreaktion“ der Photosynthese ablaufen und ''per se'' auch kein Licht benötigen. Da sie jedoch ATP und NADPH aus der Lichtreaktion benötigen, findet die Dunkelreaktion nicht im Dunkeln statt und ist zumindest indirekt vom Licht abhängig. Zudem sind einige der involvierten Enzyme nur im Licht aktiv. |
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Für die Kohlenstoffdioxidassimilation gibt es verschiedene Möglichkeiten:<ref>Georg Fuchs (Hrsg.), Thomas Eitinger, Erwin Schneider; Begründet von Hans. G. Schlegel: ''Allgemeine Mikrobiologie''. 8. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 3-13-444608-1; S. 411</ref> |
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=== Calvin-Zyklus === |
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{{Hauptartikel|Calvin-Zyklus}} |
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Alle Organismen mit ''oxygener Photosynthese'' sowie auch einige Mikroorganismen mit anoxygener Photosynthese (Purpurbakterien) können Kohlenstoffdioxid im sogenannten [[Calvin-Zyklus]] fixieren. Als Wesensmerkmal kondensiert hierbei CO<sub>2</sub> an [[Ribulose-1,5-bisphosphat]] (RubP), was durch das Enzym Ribulose-1,5-bisphosphat-Carboxylase/-Oxygenase ([[RuBisCO]]) katalysiert wird. Durch folgende Reduktionen unter Verbrauch von NADPH und ATP wird Glycerinaldehyd-3-phosphat (G3P) aufgebaut. Die Reaktionen finden bei Pflanzen in den Stroma der [[Chloroplasten]] statt. Die an diesem Prozess beteiligten Enzyme sind sauerstoffunempfindlich. Jedoch neigt RuBisCO dazu, Sauerstoff anstatt Kohlenstoffdioxid zu verwenden ([[Photorespiration]]), was die Effizienz der Kohlenstoffdioxidfixierung verringert. Aus G3P wird Stärke und Fructose aufgebaut. |
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Die meisten Pflanzen gehören dabei zum Stoffwechseltyp der [[C3-Pflanzen|C<sub>3</sub>-Pflanzen]], deren erstes nachweisbares Zwischenprodukt im Stoffwechsel drei Kohlenstoffatome (G3P) enthält. [[C4-Pflanzen|C<sub>4</sub>-Pflanzen]] haben sich anatomisch und vom Stoffwechseltyp an starke Sonneneinstrahlung angepasst und sind in dem Bereich leistungsfähiger. Dabei findet eine räumlich getrennte CO<sub>2</sub>-Vorfixierung statt. [[Crassulaceen-Säurestoffwechsel|CAM-Pflanzen]] haben dagegen CO<sub>2</sub>-Fixierung zeitlich vorgelagert und können nachts in Regionen großer Trockenheit ihre Stomata öffnen. |
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=== Reduktiver Citratzyklus === |
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{{Hauptartikel|Reduktiver Citratzyklus}} |
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Im Zuge der ''anoxygenen Photosynthese'' bei grünen Schwefelbakterien bzw. grünen Nichtschwefelbakterien wird CO<sub>2</sub> durch den reduktiven Citratzyklus bzw. den [[3-Hydroxypropionatzyklus|Hydroxypropionatzyklus]] assimiliert. |
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=== Heliobakterien === |
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[[Heliobakterien]] sind nicht photoautotroph, sie assimilieren nicht CO<sub>2</sub> phototroph. Sie gewinnen Energie in Form von ATP durch anoxygene Photosynthese und leben photoorganotroph: Sie benötigen organische Verbindungen (z. B. Gärprodukte) und bauen daraus Zellmaterial auf. |
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== Energiebilanz == |
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Für die Quantifizierung des Effekts der Photosynthese im Verhältnis zur aufgewendeten Energie gibt es verschiedene Größen. |
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Der [[Wirkungsgrad]] ist das Verhältnis der Zunahme des Energiegehalts bei der Synthese des Photosyntheseprodukts zu der für die Photosynthese aufgewendeten Lichtenergie, er ist also ein dimensionsloser Quotient (0–1 oder 0–100 %). Auch andere Größen für das Photosyntheseprodukt (z. B. Masse oder Stoffmenge) können zum Energieaufwand ins Verhältnis gesetzt werden. Die erhaltenen Größen bezeichnet man als [[Effektivität]], deren Maßeinheit der gewählten Größe für das Photosyntheseprodukt entspricht (z. B. Gramm je [[Joule]] bzw. [[Mol]] je Joule). |
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Soll der primäre Effekt der Photosynthese eines [[Chloroplasten]] oder eines Mikroorganismus dargestellt werden, so wird der Energiegehalt (Maßeinheit Joule), die Masse (Maßeinheit Gramm) oder die Stoffmenge (Maßeinheit Mol) eines der ersten Syntheseprodukte, in der Regel Glucose, eingesetzt. Für Betrachtungen einer ganzen Pflanze, einer [[Pflanzengesellschaft]], einer Mikroorganismenpopulation oder für globale Betrachtungen ist es günstig, die Masse der gesamten gebildeten [[Biotrockenmasse]] (oder des in ihr enthaltenen Kohlenstoffs) einzusetzen. |
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Bei der Frage, welchen Energiegehalt das zur Verfügung stehende Licht hat, gibt es verschiedene Ansatzpunkte. Entweder wird die Energie des gesamten Spektrums der Einstrahlung von der Sonne berücksichtigt. Oder es wird nur der Teil des Spektrums für die Berechnungen herangezogen, der prinzipiell für die Photosynthese nutzbar ist. Dieser Anteil der Strahlung stellt die [[Photosynthetisch_aktive_Strahlung|photosynthetisch nutzbare Strahlung]] dar (englisch „photosynthetically active radiation“, Abkürzung „PAR“). Je nach angenommenem Wellenlängenbereich beträgt die Energie der PAR 40 bis 50 Prozent derjenigen der gesamten Einstrahlung. Bei Pflanzen und Algen wird – je nach Autor – teils der Wellenlängenbereich von 360 bis 720 nm angenommen, teils der von 360 bis 700 nm und teils der von 400 bis 700 nm.<ref>Andreas Bresinsky ''et al''. ''Strasburger - Lehrbuch der Botanik''. A. a. O.; S. 317</ref> |
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Der theoretische [[Wirkungsgrad]] <math>\eta</math> der Photosynthese ergibt sich aus dem Verhältnis der gewonnenen chemischen Energie <math>E_\mathrm{chem}</math> zu der absorbierten Energie der elektromagnetischen Strahlung <math>E_\mathrm{abs}</math>: <center><math>\eta = \frac {E_\mathrm{chem}} {E_\mathrm{abs}}</math></center> |
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== Energiebilanz bei Pflanzen und anderen Organismen mit oxygener Photosynthese == |
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=== Wirkungsgrad === |
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Um aus 6 Mol CO<sub>2</sub> im Calvin-Zyklus 1 Mol Kohlenhydrat <small>D</small>-Glucose aufzubauen, werden unter Standardbedingungen 2872 kJ benötigt:<ref>Elmar Weiler ''et al.'': ''Allgemeine und molekulare Botanik''. a. a. O. S. 279</ref> |
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* <math>\mathrm{6\ CO_2\ +\ 12\ H_2O\ \longrightarrow\ C_6H_{12}O_6\ + 6\ O_2\ + 6\ H_2O\ \qquad \Delta G^{0\,'}=\;+2872~\rm kJ/mol}</math> |
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Die benötigte Energie wird durch NADPH + H<sup>+</sup> und ATP bereitgestellt, die bei der Primärreaktion durch Licht entstehen. |
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Durch Photolyse von Wasser werden je Mol O<sub>2</sub> 2 Mol NADPH + H<sup>+</sup> gebildet. Die gebildete Menge ATP je Mol O<sub>2</sub> hängt vom Q-Zyklus ab und beträgt ohne Q-Zyklus 2 Mol und bei vollständigen Q-Zyklus 3 Mol. Bezogen auf die Bildung von einem Molekül Glucose müssen also 12 Mol NADPH und 12 Mol bzw. 18 Mol ATP in der Sekundärreaktion zur Verfügung stehen. |
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Die molare [[Gibbs-Energie|freie Standardbildungsenthalpie]] für NADPH + H<sup>+</sup> beträgt: |
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* <math>\mathrm{\Delta G^{0\,'}=\;+220{,}0~\rm kJ/mol}</math> |
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Die molare freie Standardbildungsenthalpie für ATP aus ADP + P<sub>i</sub> beträgt: |
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* <math>\mathrm{\Delta G^{0\,'}=\;+30{,}5~\rm kJ/mol}</math> |
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Daher liegt der Ertrag der endergonischen Lichtreaktion je Mol O<sub>2</sub> zwischen: |
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* <math>\mathrm{E_{chem_1} = 12\ mol \cdot 220{,}0~\rm kJ/mol + 12\ mol \cdot 30{,}5~\rm kJ/mol\ =\ 3006{,}0~\rm kJ}</math> |
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* <math>\mathrm{E_{chem_2} = 12\ mol \cdot 220{,}0~\rm kJ/mol + 18\ mol \cdot 30{,}5~\rm kJ/mol\ =\ 3189{,}0~\rm kJ}</math> |
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Sowohl <math>{E_{chem_1}}</math> als auch <math>{E_{chem_2}}</math> liegen über der molaren freien Standardbildungsenthalpie für die CO<sub>2</sub>-Fixierung von 2872 kJ/mol. |
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In der endergonischen Lichtreaktion müssen dafür an den beiden Photosystemen jeweils 4 [[Exziton]]e als Anregungsenergie absorbiert werden, also mindestens 4 Mol Photonen mit einer Wellenlänge von 680 nm am PS II und mindestens ebenso viele mit einer Wellenlänge von 700 nm am PS I. Die Energie der Photonen beträgt: |
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* <math>\mathrm{E(\lambda = 680\ nm)\ =\ 175{,}9~\rm kJ}</math> |
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* <math>\mathrm{E(\lambda = 700\ nm)\ =\ 170{,}9~\rm kJ}</math> |
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Experimentell wurde anhand der [[Quantenausbeute]] jedoch ein Bedarf von 9 bis 10 Photonen ermittelt.<ref>Katharina Munk (Hrsg.): ''Grundstudium Biologie. Botanik''. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2001, S. 6-6, ISBN 3-8274-0909-8</ref> Da 6 Mol Wasser gespalten werden, um 1 Mol Glucose zu bilden, liegt die absorbierte elektromagnetische Energie daher zwischen: |
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* <math>\mathrm{E_{abs_1} = \frac {175{,}9\ kJ + 170{,}9\ kJ} 2 \cdot 9 \cdot 6 = 9363{,}6 ~ kJ}</math> |
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* <math>\mathrm{E_{abs_2} = \frac {175{,}9\ kJ + 170{,}9\ kJ} 2 \cdot 10 \cdot 6 = 10404{,}0~kJ}</math> |
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Daraus ergeben sich für den Wirkungsgrad Werte zwischen: |
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* <math>\mathrm{\eta_1 = \frac {E_{chem_1}} {E_{abs_2}} = \frac {3006{,}0\ kJ} {10404{,}0\ kJ} \approx 0{,}29\ \mathrel{\widehat{=}}\ 29\ %}</math> |
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* <math>\mathrm{\eta_2 = \frac {E_{chem_2}} {E_{abs_1}} = \frac {3189{,}0\ kJ} {9363{,}6\ kJ} \approx 0{,}34\ \mathrel{\widehat{=}}\ 34\ %}</math> |
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Da in natürlicher Umgebung – also im Sonnenlicht – nicht nur Photonen des roten Teils des Spektrums einstrahlen, liegt der tatsächliche (Brutto)-Wirkungsgrad bei maximal 20 %.<ref>Munk, Katharina (Hrsg.): ''Grundstudium Biologie. Botanik''. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2001, S. 5-27, ISBN 3-8274-0909-8.</ref> |
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=== Nettoprimärproduktion === |
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Die Effektivität der Photosynthese bezogen auf das gesamte auf die Erde einfallende Sonnenlicht lässt sich wie folgt angeben:<ref name="lin43">Hermann Linder: ''Biologie''. Schroedel; 21., neubearb. Auflage 1998; ISBN 3-507-10580-2; S. 43</ref> |
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{| style="margin-left:1em;" |
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|width=600|Gesamteinstrahlung |
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|valign=bottom|100 % |
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|- |
|- |
||
| 1895 || align="center" | 25 Personen |
|||
|davon die Hälfte absorbiert, der Rest wird durchgelassen oder am Blatt reflektiert |
|||
|- |
|||
|valign=bottom|50 % |
|||
| 1933 || align="center" | 4 Personen |
|||
|- |
|- |
||
|davon 3,2 % in die Bruttoprimärproduktion, der Rest in Wärme umgewandelt |
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|1,6 % |
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|davon schließlich die Hälfte als Nettoprimärproduktion, die andere Hälfte wird in der Atmung verbraucht |
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|valign=bottom|0,8 % |
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Von der Pflanze wird also nur ein kleiner Teil der auftreffenden Sonnenenergie genutzt, um Kohlenstoffdioxid in der Nettoprimärproduktion zu Zellmaterial aufzubauen. Da ein Teil der Energie verwendet wird, um den Metabolismus aufrechtzuerhalten, wird der oben abgeschätzte (Brutto-)Wirkungsgrad von 20 % noch weiter reduziert. Daher sinkt der (Netto)-Wirkungsgrad auf maximal 1 bis 2 %, abhängig von den vorherrschenden Umweltbedingungen.<ref name="Barber" /> |
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Die gesamte jährliche Nettoprimärproduktion wird auf 1,54·10<sup>11</sup> Tonnen pflanzlicher Biomasse (Trockenmasse) geschätzt. |
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Ein [[Hektar]] [[Laubwald]] baut etwa pro Jahr 12 Tonnen organische Stoffe in der Nettoprimärproduktion auf.<ref name="lin43" /> Diese [[Biomasse]] entspricht einem Energiegehalt von 230·10<sup>9</sup> Joule. |
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Die tatsächliche Effektivität unter Feldbedingungen ist jedoch aus verschiedenen Gründen geringer, unter anderem wegen suboptimaler Kohlenstoffdioxidkonzentration. |
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=== Abhängigkeit von abiotischen Faktoren === |
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Die Photosynthese ist von einigen abiotischen Faktoren abhängig, die sich auch gegenseitig beeinflussen.<ref name="wn309-311">Wilhelm Nultsch: ''Allgemeine Botanik''. Georg Thieme Verlag; 10., neu bearbeitete Auflage 1996. ISBN 3-13-383310-3; S. 309-311</ref> Dabei gilt das [[Minimumgesetz|Gesetz des Minimums]]: Wenn einer der Faktoren begrenzend wird, drosselt er das gesamte System. Um die Photosynthese zu quantifizieren, kann man die sogenannte Photosyntheserate definieren. Sie wird entweder als die Menge produzierten Sauerstoffs oder Glucose pro Zeit gemessen. Sie kann auch als CO<sub>2</sub>-Aufnahme pro Zeit angegeben werden. |
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Wachstum und Ertrag bei [[Kulturpflanze]]n werden durch Berücksichtigung unten genannter Faktoren in [[Gewächshaus]]kulturen gesteigert.<ref>T. Stuhlfauth and H. P. Fock (1990): ''Effect of whole season CO<sub>2</sub> enrichment on the cultivation of a medicinal plant, Digitalis lanata''. In: ''J Agronomy & Crop Science'' 164(3), 168-173; {{DOI|10.1111/j.1439-037X.1990.tb00803.x}}</ref> |
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==== Kohlenstoffdioxid ==== |
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Da in der Photosynthese Kohlenstoffdioxid fixiert wird, ist diese von einer ausreichend hohen Konzentration abhängig. In der heutigen [[Erdatmosphäre]] beträgt die CO<sub>2</sub>-Konzentration 0,038 Volumen-% (Vol.-%). In einem 1 m<sup>3</sup> Luft sind bei Raumtemperatur damit 13 bis 18 mmol CO<sub>2</sub>. Die CO<sub>2</sub>-Konzentration in wässrigen Lösungen entspricht etwa 10 µmol/l, dieser Wert kann auch für das Cytosol angenommen werden. Da [[C3-Pflanze|C<sub>3</sub>-Pflanzen]] diese Konzentration nicht aktiv erhöhen können, ist dort der CO<sub>2</sub>-Level ein begrenzender Faktor für die Photosynthese. [[C4-Pflanze|C<sub>4</sub>-Pflanzen]] reichern ATP-abhängig CO<sub>2</sub> in den Mesophyllzellen an (~ 70 µmol/l). Damit sind diese von der CO<sub>2</sub>-Menge in der Atemluft nicht so abhängig wie C<sub>3</sub>-Pflanzen. |
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[[Datei:Photosynthese CO2-Konzentration.svg|miniatur|hochkant=2.0|Abhängigkeit der Photosyntheserate von der CO<sub>2</sub>-Menge in der Luft bei C<sub>3</sub>- (grün) bzw. C<sub>4</sub>-Pflanzen (rot). Der CO<sub>2</sub>-Kompensationspunkt Γ ist der Schnittpunkt mit der [[Kartesisches Koordinatensystem|Abszisse]]. Dieser ist bei C<sub>4</sub>-Pflanzen niedriger als bei C<sub>3</sub>-Pflanzen.]] |
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Die Photosyntheserate von C<sub>3</sub>-Pflanzen erhöht sich mit steigender CO<sub>2</sub>-Konzentration der Luft (vgl. Abbildung rechts).<ref name="Lüttge472">[[Ulrich Lüttge]], Manfred Kluge, Gabriela Bauer: ''Botanik''. 5. vollst. überarb. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2005; ISBN 978-3-527-31179-8; S. 472f.</ref> Erst bei ausreichend hohem CO<sub>2</sub>-Gehalt übertrifft sie dann die Photosyntheserate der C<sub>4</sub>-Pflanzen. Unter atmosphärischen Bedingungen (0,03 Vol.-%) ist die Photosynthese bei C<sub>3</sub>-Pflanzen der von C<sub>4</sub>-Pflanzen immer unterlegen und suboptimal. Falls die CO<sub>2</sub>-Konzentration zu stark fällt, übersteigt der Kohlenstoffverlust der [[Aerobe Atmung|Atmung]] den Kohlenstoffgewinn der Photosynthese. Der Punkt, an dem sich Atmung und Photosynthese, also CO<sub>2</sub>-Fixierung und Entstehung, in der Waage halten, ist der [[CO2-Kompensationspunkt|CO<sub>2</sub>-Kompensationspunkt]] Γ. Dieser Punkt liegt bei C<sub>3</sub>-Pflanzen bei Γ<sub>C3</sub> = 0,005 bis 0,010 Vol.-% CO<sub>2</sub>- Konzentration, eine Sättigung der Photosyntheserate ist bei 0,05 bis 0,10 Vol.-% zu beobachten.<ref name="Lüttge472" /> Bei C<sub>4</sub>-Pflanzen liegt Γ<sub>C4</sub> bei 0,001 Vol.-%. Durch ihre CO<sub>2</sub>-Pumpe können diese Pflanzen somit auch bei einem sehr niedrigen CO<sub>2</sub>-Level Photosynthese betreiben. |
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Die lokale CO<sub>2</sub>-Konzentration in bodennahen Luftschichten kann durch [[Dünger|Düngung]] mit [[Kompostierung|Kompost]] erhöht werden.<ref name="Linder 48-49">Hermann Linder: ''Biologie''. Schroedel; 21., neubearb. Auflage 1998; ISBN 3-507-10580-2; S. 48-49</ref> Hierbei verwerten Mikroorganismen das organische Material, so dass u. a. CO<sub>2</sub> freigesetzt wird. In [[Gewächshaus|Gewächshäusern]] wird die CO<sub>2</sub>-Konzentration durch Begasung erhöht und führt über eine gesteigerte Photosynthese zu vermehrter Biomasseausbeute.<ref>T. Stuhlfauth and H. P. Fock, Effect of whole season CO<sub>2</sub> enrichment on the cultivation of a medicinal plant, Digitalis lanata, J. Agronomy & Science 164, 168-173 (1990) {{DOI|10.1111/j.1439-037X.1990.tb00803.x}}</ref> Jedoch darf die Lichtintensität nicht zum begrenzenden Faktor werden (vgl. nächsten Abschnitt).<ref>Ulrich Lüttge, Manfred Kluge und Gabriela Bauer. ''Botanik''. Wiley-VCH; 5. vollst. überarb. Auflage 2005; ISBN 978-3-527-31179-8.</ref> |
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Eine zu hohe CO<sub>2</sub>-Konzentration (über 1 Vol.%) kann den Pflanzen schaden.<ref>Ulrich Lüttge und Manfred Kluge:'' Botanik - Die einführende Biologie der Pflanzen''. Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA; 6. aktualisierte Auflage 2012; ISBN 978-3527331925; S. 498.</ref> |
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==== Licht ==== |
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Als lichtbetriebener Prozess hängt die Photosynthese naturgemäß in erster Linie von der Lichtstärke ab. Je höher diese ist, desto höher ist auch die Photosyntheserate einer Pflanze. Daher folgen die Blätter einer Pflanze dem [[Sonnenstand]] und sind möglichst senkrecht zum Licht ausgerichtet. Auch die Stellung der Chloroplasten wird für eine optimale Photosynthese ausgelegt. Bei Schwachlicht, zum Beispiel bei starker Bewölkung, ist die Breitseite der Chloroplasten dem Licht ausgesetzt, während dies unter Starklicht die Schmalseite ist. Diese Reorientierung wird durch das [[Cytoskelett]] vermittelt.<ref>Andreas Bresinsky, Christian Körner, Joachim W. Kadereit, G. Neuhaus und Uwe Sonnewald: ''Strasburger - Lehrbuch der Botanik''. 36. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2008, S. 315, ISBN 978-3-8274-1455-7.</ref> |
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Bei zunehmender Bestrahlung zeigen C<sub>3</sub>-Pflanzen eine Sättigung der Photosyntheserate. Infolgedessen bringt eine weitere Erhöhung der Lichtstärke keine zusätzliche Steigerung der Photosyntheserate. Dieser Punkt ist der [[Lichtsättigungspunkt]].<ref>Hermann Linder: ''Biologie''. 21., neubearb. Auflage. Schroedel Verlag, 1998, S. 45, ISBN 3-507-10580-2.</ref> Der Grund dafür ist die begrenzende Konzentration an CO<sub>2</sub> in der Atmosphäre. Diese ist mit 0,03 Vol.-% bei C<sub>3</sub>-Pflanzen suboptimal (vgl. Abschnitt oben). C<sub>4</sub>-Pflanzen sind jedoch im Vergleich zu C<sub>3</sub>-Pflanzen nicht von der atmosphärischen CO<sub>2</sub>-Konzentration abhängig. Daher erfährt ihre Photosyntheserate bei Erhöhung der Lichtintensität – selbst im vollen [[Sonnenlicht]] – keine Sättigung und ist immer lichtlimitiert. |
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[[Datei:Photosynthese Lichtmenge.svg|miniatur|hochkant=2.0|Abhängigkeit der Photosyntheserate (Ordinate) von der zur Verfügung stehenden Lichtmenge (Abszisse) bei Sonnen- bzw. Schattenpflanzen. Der Lichtsättigungspunkt wird von Schattenpflanzen wesentlich schneller erreicht, ihr Lichtkompensationspunkt liegt auch niedriger. Im positiven Bereich der Ordinate findet eine Netto-Photosynthese statt, während im negativen Bereich eine Netto-Atmung auftritt.]] |
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An niedrigere Lichtstärken sind die so genannten „[[Schattenpflanze]]n“, an höhere die sog. „[[Sonnenpflanze]]n“ angepasst. Auch innerhalb ein und derselben Pflanze kann es zu einer analogen Differenzierung der Blattform kommen. So gibt es in der [[Buche]] beispielsweise dicke, kleine [[Sonnenblatt|Sonnenblätter]], während die dünnen, großen [[Schattenblatt|Schattenblätter]] sich in Bodennähe bei geringeren Lichtintensitäten befinden.<ref name="Linder 48-49" /><ref name="Turrel:1934">Turrell (1934): ''The area of the internal exposed surface of dicotyledon leaves''. In: ''American Journal of Botany'' '''23'''(4), 255-264</ref> Auch das [[Palisadenparenchym]] ist bei den Sonnenblättern vielschichtiger, so dass die starke Sonnenstrahlung ausgenutzt werden kann. |
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Sonnenpflanzen (bzw. Sonnenblätter) wie [[Echte Brunnenkresse|Kresse]] haben erst bei hohen Lichtstärken eine hohe Photosyntheserate, die Lichtsättigung erfolgt viel später als bei Schattenpflanzen (bzw. Schattenblättern). Letztere, beispielsweise [[Sauerklee]], können bereits bei geringeren Lichtintensitäten Photosynthese betreiben. Jedoch ist diese niedriger als bei Sonnenpflanzen, da die Lichtsättigung schnell erreicht wird (vgl. auch Abbildung). |
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Bei niedrigen Lichtstärken läuft die Photosynthese mit sehr geringer Effizienz ab, so dass der Kohlenstoffgewinn (und die Erzeugung von Sauerstoff) geringer ist als der Kohlenstoffverlust (und Sauerstoffverbrauch) in der Atmung. Der Punkt, an dem sich Photosynthese und Atmung in der Waage halten, ist der [[Lichtkompensationspunkt]].<ref name="wn309-311" /> Dieser ist bei C<sub>4</sub>-Pflanzen am höchsten, gefolgt von Sonnenpflanzen. Schattenpflanzen haben aber den geringsten Lichtkompensationspunkt und können infolgedessen auch bei sehr niedrigen Lichtintensitäten noch Netto-Photosynthese betreiben. |
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Eine zu hohe Lichtmenge kann zu Schäden (''[[Photodestruktion]]'') und damit zu einer Verminderung der Photosyntheserate führen. Dies ist beispielsweise der Fall bei Schattenpflanzen, die plötzlich der prallen Sonne ausgesetzt werden. Auch das Sonnenlicht bei niedrigen Temperaturen kann wegen der verminderten Enzymaktivität zu Schäden führen. |
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==== Wasserversorgung und Luftfeuchtigkeit ==== |
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Wasser geht zwar in die Photosynthesegleichung ein, ist für die biochemische Reaktion indes immer in ausreichenden Mengen vorhanden. Es wird geschätzt, dass 1875 km³ Wasser pro Jahr in der Photosynthese umgesetzt werden.<ref>Ulrich Lüttge, Manfred Kluge, Gabriela Bauer: ''Botanik''. 5. vollst. überarb. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2005; ISBN 978-3-527-31179-8; S. 318</ref> Jedoch erfolgt der CO<sub>2</sub>-Einstrom in die Blätter durch die [[Spaltöffnung]]en, die – je nach [[Luftfeuchtigkeit]] oder Wasserversorgung des Blattes – offen oder geschlossen vorliegen. Dadurch wirkt sich die Luftfeuchtigkeit wie auch die Wasserversorgung der höheren Pflanzen über die Wurzeln ([[Wasserstress]], [[Trockenstress]])<ref>B. Steuer, T. Stuhlfauth and H. P. Fock: The efficiency of water use in water stressed plants is increased due to ABA induced stomatal closure, Photosynthesis Research 18:327-336 (1988) {{doi|10.1007/BF00034837}}</ref> auf die Photosyntheseleistung aus: Bei Trockenheit sind die Spaltöffnungen durch die Schließzellen geschlossen, um die Pflanze vor Austrocknung zu schützen. Dadurch gelangt aber auch kaum noch CO<sub>2</sub> in das Blatt, so dass es zum limitierenden Faktor wird. C<sub>4</sub>-Pflanzen sind durch ihre CO<sub>2</sub>-Anreicherung nicht so stark betroffen wie C<sub>3</sub>-Pflanzen (vgl. oben). Eine spezielle Anpassung an Wassermangel ist der [[Crassulaceen-Säurestoffwechsel]] bei den sogenannten CAM-Pflanzen. |
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Durch künstliche Bewässerung kann die Luftfeuchtigkeit und damit die Photosyntheserate erhöht werden.<ref name="Linder 48-49" /> |
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==== Temperatur ==== |
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{| class="wikitable float-right" style="text-align:center" |
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|+ Photosynthetische Temperaturbereiche verschiedener Pflanzenarten<ref>Ulrich Lüttge, Manfred Kluge, Gabriela Bauer: ''Botanik''. 5. vollst. überarb. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2005; ISBN 978-3-527-31179-8; S. 472</ref> |
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|- valign="bottom" |
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|- class="hintergrundfarbe6" |
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| width="86" height="14" | Pflanzentyp |
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| width="128" | Mindesttemperatur |
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| width="60" | Temperaturoptimum |
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| width="60" | Temperaturmaximum |
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|- valign="bottom" |
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| height="13" | C<sub>4</sub>-Pflanze |
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| 5 bis 7°C |
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| 35 bis 45°C |
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| 50 bis 60°C |
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|- valign="bottom" |
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| height="13" | C<sub>3</sub>-Pflanze |
|||
| −2 bis 0°C |
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| 20 bis 30°C |
|||
| 40 bis 50°C |
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|- valign="bottom" |
|||
| height="13" | Sonnenpflanze |
|||
| −2 bis 0°C |
|||
| 20 bis 30°C |
|||
| 40 bis 50°C |
|||
|- valign="bottom" |
|||
| height="13" | Schattenpflanze |
|||
| −2 bis 0°C |
|||
| 10 bis 20°C |
|||
| 40 bis 50°C |
|||
|- valign="bottom" |
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| height="13" | Immergrüne [[Tropischer Regenwald|tropische]] Laubbäume |
|||
| 0 bis 5°C |
|||
| 25 bis 30°C |
|||
| 45 bis 50°C |
|||
|- valign="bottom" |
|||
| height="13" | Laubbäume [[Gemäßigte Zone|gemäßigter Breiten]] |
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| −3 bis −1°C |
|||
| 15 bis 25°C |
|||
| 40 bis 45°C |
|||
|- valign="bottom" |
|||
| height="13" | [[Kiefernartige|Nadelbäume]] |
|||
| −5 bis −3°C |
|||
| 10 bis 25°C |
|||
| 35 bis 40°C |
|||
|- valign="bottom" |
|||
| height="14" | [[Flechte]]n |
|||
| −15 bis −10°C |
|||
| 5 bis 15°C |
|||
| 20 bis 30°C |
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|} |
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Bei der Photosynthese handelt es sich zum Teil um biochemische Reaktionen. Wie jede (bio)chemische Reaktion ist diese auch von der Temperatur abhängig – im Gegensatz zu den photochemischen Prozessen. Erst ab einer Mindesttemperatur kann die Photosynthese ablaufen, sie beträgt bei frostharten Pflanzen beispielsweise −1 °C.<ref>Hermann Linder: ''Biologie''. 21., neubearb. Auflage. Schroedel Verlag, 1998; S. 48-49, ISBN 3-507-10580-2</ref> (vgl. auch untenstehende Tabelle<ref name="Lüttge472" />). Mit steigender Temperatur nimmt die Photosyntheserate zu. Nach der [[Jacobus Henricus van ’t Hoff|van ’t Hoff’schen]] [[RGT-Regel]] verdoppelt sich hierbei allgemein die [[Kinetik (Chemie)|Reaktionsgeschwindigkeit]] bei einer Temperaturerhöhung um 10 °C. Die Photosynthese erreicht schließlich ein Temperaturoptimum. Bei den Pflanzen in unseren Breiten liegen die Optima bei 20 bis 30 °C. Bei thermophilen Cyanobakterien liegt das Temperaturoptimum aber bei 70 °C. |
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Nach Erreichen dieses Optimums fällt die Photosyntheseleistung wegen der beginnenden [[Denaturierung (Biochemie)|Denaturierung]] der Proteine der für die Photosynthese zuständigen Enzyme wieder ab und kommt schließlich ganz zum Erliegen. |
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==== Chlorophyllgehalt ==== |
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Durch den hohen Chlorophyllgehalt in den Zellen wird dieser nie zum begrenzenden Faktor in der Photosynthese.<ref>Andreas Bresinsky, Christian Körner, Joachim W. Kadereit, G. Neuhaus und Uwe Sonnewald: ''Strasburger - Lehrbuch der Botanik''. 36. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2008, S. 315, ISBN 978-3-8274-1455-7</ref> Es sind nur gewisse Variationen von Sonnen- und Schattenpflanzen beobachtbar. Letztere haben einen höheren Chlorophyllgehalt als Sonnenpflanzen und besonders große [[Thylakoid#Granum|Grana]]. Auch die größeren Antennen der Schattenpflanzen weisen ein höheres Chlorophyll ''a''/''b''-Verhältnis als Sonnenpflanzen auf. Dies schließt die [[Grünlücke]] etwas besser. |
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== Bedeutung == |
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[[Datei:Seawifs global biosphere 2002.png|miniatur|hochkant=2|Verteilung und Menge an Chlorophyll in der Biosphäre im Jahre 2002.]] |
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Unter den derzeitigen Bedingungen der solaren Energieeinstrahlung werden pro Jahr etwa 123 Milliarden Tonnen Kohlendioxid von Pflanzen gebunden, davon werden 60 Milliarden Tonnen durch pflanzliche [[Atmung]] wieder in die Atmosphäre freigesetzt, der Rest wird als [[Biomasse]] gebunden oder in den Erdboden eingetragen.<ref name="USDE">[[US Department of Energy]]: ''Carbon Cycling and Biosequestration. Integrating Biology and Climate Through Systems Science. Report from the March 2008 Workshop.'' 2008. [http://genomicscience.energy.gov/carboncycle/report/CarbonCycle012609LR.pdf PDF] (16 MB).</ref> Die Photosynthese treibt direkt oder indirekt alle biogeochemischen Kreisläufe in allen bestehenden Ökosystemen der Erde an. Selbst die [[lithotroph]]en [[Lebensgemeinschaft]]en an [[hydrothermal]]en Quellen, welche anorganische Verbindungen geothermalen Ursprungs als Energiequelle verwenden und vom Licht der Sonne völlig abgeschnitten sind, sind auf den Sauerstoff, das Nebenprodukt der Photosynthese, angewiesen. |
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Gegenwärtig sind die terrestrischen Pflanzen verantwortlich für einen Großteil der photosynthetischen [[Primärproduktion]]. Im Vergleich ist die Biomasse der [[Meer|marinen]] Primärproduzenten sehr gering und stellt nur 0,2 % der globalen Biomasse dar. Jedoch ist der [[metabolisch]]e Umsatz mariner photosynthetischer Mikroorganismen bis zu 700-mal schneller im Vergleich zu [[terrestrisch]]en Pflanzen. Somit tragen die marinen Primärproduzenten trotz ihrer geringen Biomasse zur globalen Primärproduktion 55 Milliarden Tonnen Trockenmasse je Jahr bei.<ref name="Häder">Donat-Peter Häder (Hrsg.): ''Photosynthese''. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 1999, ISBN 3-13-115021-1; S. 257</ref> Die terrestrischen Pflanzen tragen jährlich 120 Milliarden Tonnen Trockenmasse bei. |
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Die globale CO<sub>2</sub>-Fixierung erfolgt fast ausschließlich durch den Prozess der oxygenen Photosynthese, durch Pflanzen und photosynthetische Bakterien. Photosynthetische aerobe Bakterien im Meer besitzen einen Anteil von 2 bis 5 % an der marinen Photosynthese.<ref>Z. S. Kolber, C. L. Van Dover, R. A. Niederman, P. G. Falkowski: ''Bacterial photosynthesis in surface waters of the open ocean.'' In: ''Nature.'' Band 407, Nummer 6801, September 2000, S. 177–179, {{ISSN|0028-0836}}. {{DOI|10.1038/35025044}}. PMID 11001053.</ref> Die Bedeutung der anoxygenen Photosynthese für die globale CO<sub>2</sub>-Fixierung liegt unter 1 %. Hierfür sind zwei Gründe ausschlaggebend. Zum einen kommen phototrophe Schwefelbakterien, welche die dominierende Gruppe unter den anoxygenen phototrophen Organismen in den Ökosystemen darstellen, nur in einigen [[limnisch]]en und marinen Gezeitenzonen in hohen Dichten vor. Die für diese Organismen in Frage kommenden Ökosysteme tragen auch nur mit etwa 4 % zur globalen Primärproduktion bei. In Seen mit phototrophen Schwefelbakterien liegt zudem der Anteil an der Primärproduktion durch die anoxygene Photosynthese bei etwa 29 %. Daher wird entsprechend aktuellen Forschungsergebnissen angenommen, dass die anoxygene Photosynthese weniger als 1 % zur globalen Primärproduktion beisteuert. Der zweite limitierende Faktor für den Beitrag der anoxygenen Photosynthese zur globalen Primärproduktion liegt in der Abhängigkeit dieser Organismen von reduzierten [[Schwefel]]verbindungen. Diese Verbindungen entstehen beim anaeroben Abbau von organischen Verbindungen zu CO<sub>2</sub> mit [[Sulfat]]; die sogenannte bakterielle [[Sulfatreduktion]]. Da dieser organische Kohlenstoff zuvor schon durch eine oxygene Photosynthese fixiert wurde, erfolgt bei der Photosynthese auf der Grundlage bakteriogener Schwefelverbindungen keine Nettozunahme an organischen Verbindungen für die höheren trophischen Stufen in der Nahrungskette. Aus diesem Grund wurde dafür von [[Norbert Pfennig]] 1978 der Begriff der „sekundären Primärproduktion“ eingeführt. Anoxygen phototrophe Organismen können daher nur die Verluste an organischen Verbindungen, die bei der Mineralisation entstehen, kompensieren. Eine Ausnahme hiervon bilden die geothermalen Schwefelquellen, da hier die reduzierten Schwefelverbindungen aus abiotischen Quellen stammen. |
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Bei der oxygenen Photosynthese spielt neben der CO<sub>2</sub>-Fixierung auch die Bildung von Sauerstoff eine wichtige Rolle. Auf der Erde liegt der elementare, molekulare Sauerstoff (Dioxygen, O<sub>2</sub>) gasförmig in der [[Erdatmosphäre]] und gelöst in den Gewässern vor. Der Sauerstoff entstammt zu etwa 99 % aus der Photosynthese.<ref>Volker Storch, Ulrich Welsch, Michael Wink: ''Evolutionsbiologie'', Springer, 2013. ISBN 9783642328367. S. 93.</ref> Ohne die oxygene Photosynthese könnten [[aerob]]e Organismen wie Menschen und Tiere nicht leben, da sie ihn für die Atmung benötigen. |
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* Auch alle fossilen Rohstoffe und Energiespeicher wie [[Braunkohle]], [[Steinkohle]] und [[Erdöl]] sind Folgeprodukte der Photosynthese. |
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* In der [[Stratosphäre]] wird aus Dioxygen (O<sub>2</sub>) [[Ozon|Ozon (O<sub>3</sub>)]] gebildet, welches einen Großteil der für Lebewesen schädlichen [[UV-Strahlung]] absorbiert.<ref name="Häder" /> Erst dadurch ist Leben an Land möglich geworden. |
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* Durch Beschattung und [[Verdunstung]] bewirkt die Vegetation ein ausgeglicheneres [[Klima]]. |
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== Evolution == |
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Aufgrund der Bedeutung der Photosynthese für das Leben auf der Erde hat sich die Wissenschaft schon sehr früh mit der Entstehung und Entwicklung der Photosynthese befasst. Zur Klärung dieser Frage wurden Daten aus unterschiedlichen Fachdisziplinen wie [[Geologie]], [[Biogeochemie]], [[vergleichende Biochemie]] und [[molekulare Evolution]] gesammelt. Dennoch bleibt die Beantwortung dieser Frage eine wissenschaftliche Herausforderung und sie ist bis heute nicht abschließend geklärt. Teilweise wird sogar die Auffassung vertreten, dass die zur Beantwortung notwendigen Spuren gar nicht mehr existieren, da die Photosynthese schon sehr früh in der Entwicklung des Lebens und der Erde entstanden ist und ihre Spuren im Laufe der Zeit verloren gingen. |
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Sicher ist jedoch, dass die anoxygene Photosynthese vor der oxygenen aufgetreten ist. Die anoxygene Photosynthese könnte sich vor etwa 3,5 Milliarden Jahren ([[Jahrmilliarde|Ga]]) etabliert haben.<ref name="Nisbet">Nisbet, EG. und Nisbet, RE. (2008): ''Methane, oxygen, photosynthesis, rubisco and the regulation of the air through time''. In: ''Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci''. '''363'''(1504); 2745–2754; PMID 18487133.</ref> Nach einer anderen Schätzung wurde bereits vor 3,8 Ga eine Photosynthese mit Wasserstoff (H<sub>2</sub>) als Reduktionsmittel durchgeführt.<ref name="Olson">Olson, JM. (2006): ''Photosynthesis in the Archean era''. In: ''Photosynth Res''. '''88'''(2); 109–117; PMID 16453059; {{DOI|10.1007/s11120-006-9040-5}}.</ref><ref>Andrew D. Czaja et al.: ''Biological Fe oxidation controlled deposition of banded iron formation in the ca. 3770 Ma Isua Supracrustal Belt (West Greenland).'' In: ''Earth and Planetary Science Letters.'' Band 363, 2013, S. 192–203, [[doi:10.1016/j.epsl.2012.12.025]]</ref> Vor 3,4 Ga wurde Photosynthese mit H<sub>2</sub>S, vor 3,0 Ga auch mit Fe<sup>2+</sup> als Reduktionsmittel betrieben (von Protocyanobakterien und Proteobakterien). |
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Von großem Interesse ist die Bestimmung der Epoche, in der oxygene Photosynthese von [[Protocyanobakterien]] durchgeführt wurde. Dies wird in der Wissenschaft noch kontrovers diskutiert, es zeichnet sich aber mehrheitlich die Meinung ab, dass die oxygene Photosynthese bereits gut etabliert gewesen sein muss, als sich die nahezu anoxische Atmosphäre mit Sauerstoff anreicherte [[Große Sauerstoffkatastrophe|(''Great Oxidation Event'')]]. Dieser Zeitpunkt der atmosphärischen Sauerstoffanreicherung liegt vermutlich zwischen 2,3 bis 2,4 Ga vor der Gegenwart.<ref name="Buick">Buick, R. (2008): ''When did oxygenic photosynthesis evolve?'' In: ''Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci''. '''363'''(1504); 2731–2743; PMID 18468984.</ref><ref name="Olson" /> |
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Aus diesem Ereignis kann man aber nicht schließen, wann die oxygene Photosynthese begann. Denn der erste biochemisch erzeugte Sauerstoff ist aller Wahrscheinlichkeit nicht in die Atmosphäre gelangt, sondern für die Oxidation von gelösten Stoffen (unter anderem von Fe<sup>2+</sup>) verbraucht worden.<ref name="Buick" /> |
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Um den Zeitpunkt einzugrenzen, werden verschiedene Hinweise (Marker) aus drei Hauptrichtungen angeführt: [[Stromatolithen]], Mikrofossilien und chemische [[Markermoleküle]]. |
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Stromatolithen sind laminierte Kalksteine aus alternierenden Schichten aus [[Biofilm]] (Biomatten) und [[Sedimente und Sedimentgesteine|Sedimentablagerungen]]. Stromatolithen lassen sich durch [[Fossilien]]funde ab - 2,8 Ga belegen. Es gibt aber auch Hinweise für bis zu 3,1–3,5 Ga alte Stromatolithen .<ref name="Olson" /> In einigen dieser fossilen Stromatolithen lassen sich Strukturen erkennen, welche als Reste von fadenförmigen Bakterien gedeutet wurden, die den phototrophen Cyanobakterien ähneln, welche sich in den [[rezent]]en Stromatolithen nachweisen lassen. Aber weder der [[biogen]]e Ursprung dieser Mikrofossilien noch deren Aktivität als oxygene Phototrophe noch die biogene Entstehung der meisten Stromatolithen ist gesichert.<ref>R. Buick: ''Life in the Archean''. In: Dereck Briggs und Peter R. Crowther: ''Paleobiology II''. Wiley Blackwell, Oxford 2001, ISBN 978-0-632-05149-6; S. 13–21.</ref> |
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Neben nicht ganz zuverlässigen [[phylogenetisch]]en Befunden an phototrophen Mikroorganismen (siehe unten) werden auch Markermoleküle analysiert. Diese sind spezielle Kohlenwasserstoffe, das Vorkommen redoxsensitiver Metalle ([[Molybdän|Mo]], [[Rhenium|Re]]) und die Zusammensetzung spezifischer, isotopischer Systeme.<ref name="Buick" /> Einzigartige Kohlenwasserstoffmarker für Cyanobakterien sind [[Terpene#Pentacyclische|Hopane]], es werden aber auch [[Steran]]e untersucht. Aus der isotopen Zusammensetzung von [[Uran]]-[[Thorium]]-[[Blei]] kann eingeschätzt werden, ob anoxische oder oxische Bedingungen vorlagen: So bildet unter oxischen Bedingungen nur das Uran lösliche Oxide und ist damit „beweglicher“. |
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Aus den gesammelten Daten lässt sich folgender Zeitplan abschätzen:<ref name="Buick" /> |
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* vor 3,8 Ga: möglicherweise erste Spuren von lokalen Sauerstoffanreicherungen im Boden (U-Th-Pb-Messungen); diese müssen aber nicht unbedingt auf das Vorhandensein erster oxygener Photosynthese deuten |
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* vor 3,2 Ga: erste Zeichen von oxygener Photosynthese im heutigen Australien: dicke, nicht-[[pyrit]]ische, [[kerogen]]-reiche schwarze [[Tonschiefer|Schiefer]] |
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* vor 2,72 Ga: Stromatolithen in Seensedimentschichten weisen auf eine etablierte oxygene Photosynthese hin |
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* vor 2,5 Ga: Mo-, Re-Marker weisen auf einen O<sub>2</sub>-Schub hin |
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* vor 2,45 Ga: zahlreiche Sterane und Hopane zeigen, dass oxygene Photosynthese etabliert ist |
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* vor 2,3 Ga: oxygene Photosynthese zweifelsfrei etabliert, O<sub>2</sub>-Konzentration in der Atmosphäre stark angestiegen |
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Dennoch wird der oben genannte Zeitplan auch kritisiert und der Zeitpunkt für die Entstehung der oxygenen Photosynthese zum Zeitpunkt der Makganyene-[[Eiszeit]] (vor etwa 2,2 Ga) eingeordnet.<ref name="Kopp">Kirschvink, JL, und Kopp, RE. (2008): ''Palaeoproterozoic ice houses and the evolution of oxygen-mediating enzymes: the case for a late origin of photosystem II''. In: ''Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci''. '''363'''(1504); 2755–2765; PMID 18487128.</ref> Dies liegt daran, dass sich beispielsweise [[Wasserstoffperoxid]] (H<sub>2</sub>O<sub>2</sub>) im Eis sammelt und später in größeren Mengen freigesetzt werden kann. H<sub>2</sub>O<sub>2</sub> und auch O<sub>2</sub> werden durch abiotische, photochemische Prozesse mittels [[UV-Licht]] aus Wasser erzeugt. Ferner ist es möglich, dass Hopane auch durch anoxygene Phototrophe gebildet werden. |
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Eine früher verwendete Methode war auch die Analyse der [[Isotop]]enzusammensetzung von Kohlenstoff. Diese lässt Rückschlüsse darauf ziehen, ob CO<sub>2</sub> biotisch fixiert wurde. Ausschlaggebend ist hierfür das Schlüsselenzym der oxygenen Photosynthese, RubisCO. Bei der Assimilation von C aus CO<sub>2</sub> während der Photosynthese erfolgt eine Diskriminierung des schwereren aber stabilen <sup>13</sup>C-Kohlenstoffisotops, während das leichtere <sup>12</sup>C-Kohlenstoffisotop verstärkt durch die RuBisCO eingebaut wird. Dadurch ist in organischen Stoffen gebundener Kohlenstoff im Vergleich zu Kohlenstoff in anorganischen Stoffen ärmer an <sup>13</sup>C. Messungen an organischen und anorganischen Kohlenstoffverbindungen aus 3,5–3,8 Ga alten Sedimenten ergaben ein δ<sup>13</sup>C von −27 bis +7 ‰ für den organischen Anteil und +0,4 bis +2,6 ‰ für den anorganischen Anteil.<ref>Schidlowski, M. ''et al''. (1983): ''Isotopic inferences of ancient biochemistries: Carbon, sulfur, hydrogen, and nitrogen''. In: Schopf, J.W. (Hrsg.): ''Earth's Earliest Biosphere: Its Origin and Evolution'' Prince-ton, New Jersey, Princeton University Press; ISBN 978-0-691-02375-5</ref> Da sich diese Werte sehr gut mit den heutigen Messungen decken, wurde dies lange für einen Hinweis auf eine erste biogene CO<sub>2</sub>-Fixierung angesehen. Ob es sich hierbei allerdings um eine photosynthesegetriebene CO<sub>2</sub>-Fixierung handelte, kann aus den Daten nicht abgeleitet werden, da auch chemolithotrophe CO<sub>2</sub>-Fixierer ähnliche δ<sup>13</sup>C-Werte aufweisen. Damit ist diese Methode für die Datierung der Photosynthese ungeeignet. |
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=== Photosynthesesysteme === |
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Ein Vergleich des Genoms von fünf Bakterienarten, die jeweils eine der fünf Grundtypen bakterieller Photosynthese darstellen, ergab, dass sich die Bestandteile der Photosyntheseapparate zunächst bei verschiedenen Bakterien unabhängig voneinander entwickelt haben und durch [[Horizontaler Gentransfer|horizontalen Gentransfer]] (HGT) zusammengesetzt wurden.<ref>Raymond J, Zhaxybayeva O, Gogarten JP, Gerdes SY, Blankenship RE (2002): ''Whole-genome analysis of photosynthetic prokaryotes''. In: ''Science'' '''298'''(5598); 1616–1620; PMID 12446909; {{DOI|10.1126/science.1075558}}.</ref> Ein Vergleich der Gene, die diese Bakterien gemeinsam haben, mit den Genomen anderer, zur Photosynthese nicht fähigen Bakterien ergab, dass die meisten der Photosynthese-Gene auch bei diesen vorkommen. Ob ''Chloroflexus'' dabei als erster Organismus durch HGT photoautotroph wurde, steht zur Debatte. Als guter Kandidat für eine erste Photoautotrophie zählen mittlerweile ausgestorbene Protocyanobakterien (bzw. Procyanobakterien oder Pro-Protocyanobakterien), anoxygene Vorläufer der heutigen Cyanobakterien.<ref name="Mulkidjanian" /> Diese könnten Gene infolge des HGT an ''Heliobacilli'', ''Chloroflexi'', Purpurbakterien und ''Chlorobi'' weitergegeben haben. |
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Aus Sequenzdaten allein kann nicht geschlossen werden, welche Bakterienart als erste Photosynthese betrieben hatte.<ref>Pennisi, E. (2002): Evolutionary biology. Bacteria shared photosynthesis genes. In: ''Science'' '''298'''(5598); 1538–1539; PMID 12446882; {{DOI|10.1126/science.298.5598.1538b}}.</ref><ref name="Mulkidjanian">Mulkidjanian AY, Koonin EV, Makarova KS, Mekhedov SL, Sorokin A, Wolf YI, Dufresne A, Partensky F, Burd H, Kaznadzey D, Haselkorn R, Galperin MY (2006): ''The cyanobacterial genome core and the origin of photosynthesis''. In: ''Proc Natl Acad Sci USA'' '''103'''(35); 13126–13131; PMID 16924101; {{PMC|1551899}}</ref> Hierfür müssen Daten aus weiteren (unabhängigen) Quellen (siehe Abschnitt oben) herangezogen werden. |
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== Technik == |
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* Ein Versuch, Licht in technischen Anlagen nutzbar zu machen, ist beispielsweise die [[Grätzel-Zelle]]. Ziel ist es, [[organische Solarzelle]]n mit hohem Wirkungsgrad zur Stromerzeugung herzustellen.<ref>[http://www.dfg.de/dfg_magazin/aus_der_wissenschaft/archiv/herausforderung_energieforschung/energiequellen_mit_zukunft/index.html Energiequellen mit Zukunft] ([[Deutsche Forschungsgemeinschaft|DFG]])</ref> Hierbei wird zwar wie bei der Photosynthese die Lichtenergie mittels organischer Stoffe nutzbar gemacht, es wird jedoch anders als bei der Photosynthese keine Synthese von Stoffen betrieben. |
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* Algen werden in Bioreaktoren ([[Algenreaktor]]en) kultiviert. Dadurch können industriell [[CO2-Abscheidung und -Speicherung|CO<sub>2</sub> sequestriert]] sowie Nahrungsmittel und Brennstoffe produziert werden. |
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== Siehe auch == |
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* [[Chemosynthese]] |
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== Literatur == |
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* Katharina Munk (Hrsg.): ''Taschenlehrbuch Biologie: Mikrobiologie''. Thieme Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-13-144861-3. |
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* [[Hans W. Heldt]], Birgit Piechulla: ''Pflanzenbiochemie''. 4. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2008; ISBN 978-3-8274-1961-3. |
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* Caroline Bowsher, Martin W. Steer, Alyson K. Tobin: ''Plant Biochemistry''. Garland Pub, New York, NY 2008, ISBN 978-0-8153-4121-5. |
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* David L. Nelson und Michael M. Cox: ''Lehninger Principles of Biochemistry''. 5. Auflage. Freeman, New York, NY 2008, ISBN 978-0-7167-7108-1. |
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* Georg Fuchs (Hrsg.), Thomas Eitinger, Erwin Schneider; Begründet von Hans. G. Schlegel: ''Allgemeine Mikrobiologie''. 8. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 3-13-444608-1. |
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* Neil A. Campbell: ''Biologie''. Spektrum Lehrbuch, 6. Auflage, Herausgegeben von J. Markl. Spektrum Verlag, Heidelberg, Berlin 2003, ISBN 3-8274-1352-4. |
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* Donat-Peter Häder (Hrsg.): ''Photosynthese''. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 1999, ISBN 3-13-115021-1. |
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* Andreas Bresinsky, Christian Körner, Joachim W. Kadereit, G. Neuhaus, Uwe Sonnewald: ''Strasburger - Lehrbuch der Botanik''. 36. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8274-1455-7. |
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* Ulrich Lüttge, Manfred Kluge, Gabriela Bauer: ''Botanik''. 5. vollst. überarb. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2005; ISBN 978-3-527-31179-8. |
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* Peter H. Raven, Ray F. Evert, Susan E. Eichhorn: ''Biologie der Pflanzen''. 4. Auflage. Gruyter, Berlin, New York 2006; ISBN 978-3-11-018531-7. |
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* Elmar Weiler, Lutz Nover, Wilhelm Nultsch: ''Allgemeine und molekulare Botanik''. Thieme Verlag, Stuttgart 2008. ISBN 978-3-13-147661-6. |
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* M. F. Hohmann-Marriott, R. E. Blankenship: ''Evolution of photosynthesis''. In: ''[[Annu Rev Plant Biol]]''. Vol. 62, 2011, S. 515–548. PMID 21438681; {{DOI|10.1146/annurev-arplant-042110-103811}} |
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== Weblinks == |
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{{Commonscat|Photosynthesis|Photosynthese}} |
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{{Wiktionary}} |
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* [http://www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d24/24.htm Botanik online: Photosynthese] |
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* [http://wwwueb.asuch.cas.cz/ps/ps.htm Photosynthetica] wissenschaftliche Zeitschrift auf Englisch |
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* [http://www.springer.com/life+sciences/plant+sciences/journal/11120 Photosynthesis Research] wissenschaftliche Zeitschrift auf Englisch |
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* [http://www.jayhosler.com/jshblog/?p=937 Originelle Einführung in Form eines Comics] (englisch) |
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* [http://www.pflanzenforschung.de/journal/aktuelles/photosynthese-raetsel-um-elektronenkreislauf-gelueftet Enzym für zyklische Photophosphorylierung identifiziert] |
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== Einzelnachweise == |
== Einzelnachweise == |
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<references /> |
<references /> |
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== Literatur == |
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* [[Wolfram Angerbauer]], Hans Georg Frank: ''Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte, Schicksale, Dokumente''. Landkreis Heilbronn, Heilbronn 1986 (''Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn''. Band 1), S. 110–115 |
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* [[Hans Franke (Autor)|Hans Franke]]: ''Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn. Vom Mittelalter bis zur Zeit der nationalsozialistischen Verfolgungen (1050–1945).'' Stadtarchiv Heilbronn, Heilbronn 1963, ISBN 3-928990-04-7 (''Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn''. Band 11), S. 204–206 ([https://stadtarchiv.heilbronn.de/fileadmin/daten/stadtarchiv/online-publikationen/03-vr-11-franke-juden-in-heilbronn.pdf PDF, 1,2 MB]). |
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* [[Joachim Hahn (Pfarrer)|Joachim Hahn]] und Jürgen Krüger: ''Synagogen in Baden-Württemberg''. Band 2: Joachim Hahn: ''Orte und Einrichtungen''. Theiss, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8062-1843-5 (''Gedenkbuch der Synagogen in Deutschland''. Band 4), S. 195–196 |
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Version vom 18. Juni 2015, 16:57 Uhr
Eine jüdische Gemeinde in Horkheim, einem Stadtteil von Heilbronn im nördlichen Baden-Württemberg, hat nach dem Nachweis einzelner Juden bis zurück ins 17. Jahrhundert insbesondere ab dem 18. Jahrhundert bestanden. Die Gemeinde hatte um 1771 ihre größte Mitgliederzahl und ging dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Abwanderung merklich zurück.
Geschichte
Die Herrschaftsverhältnisse in Horkheim sind bestimmend für das Entstehen und die Entwicklung der jüdischen Gemeinde. Da das Dorf ab 1504 zu Württemberg gehörte, dem Amt Weinsberg unterstellt, und Juden bis 1811 nicht zugelassen wurden, gab es in dieser Zeit nur auf der Burg Horkheim Juden im Ort.
Auf dem Burgbereich wechselten sich folgende Eigentümer ab, die bis 1806 das pfälzische Lehen innehatten: Lemlin, von Seibold, von Engelbronn, von Schütz und Buhl.
Der älteste Nachweis über einzelne Juden im Ort stammt von 1692, als unter dem Geschlecht der Seibold Juden in der Horkheimer Burg aufgenommen wurden. Der württembergische Vogt zu Weinsberg verfolgte die Annahmen von Schutzjuden in der Burg mit Unwillen und Schikanen, so zum Beispiel bei der Gewährung des freien Durchzugs durch Württemberg, der mit jährlichen Abgaben bezahlt werden musste. Die meisten Juden lebten schutzgeldfrei, weil sie oder ihre Vorfahren Wohnungen oder eingefallene Gebäude auf dem Burgareal auf ihre Kosten renoviert oder neue Häuser gebaut hatten.

Als der neue Besitzer der Burg ab 1748, Johann Heinrich Buhl, gegen alte Vereinbarungen versuchte, mehr Abgaben von den Juden zu erlangen, schwand das Interesse der Juden, am Ort zu bleiben. Deshalb sank ihre Zahl in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ständig. Die Juden wanderten in das Schmidbergsche Schlösschen zur Jüdischen Gemeinde Talheim und zur Jüdischen Gemeinde Sontheim ab.
Nachdem die Burg Horkheim Anfang des 19. Jahrhunderts württembergisches Lehen geworden war und Juden sich im Dorf niederlassen durften, erreichte die jüdische Gemeinde 1858 mit 72 Personen ihre Höchstzahl, ging dann jedoch – überwiegend aufgrund von Abwanderung nach Heilbronn – bis 1933 auf vier Personen zurück.
Die Horkheimer Juden wurden 1832 eine Filialgemeinde von Sontheim und hatten dort dann auch ihr Begräbnis auf dem Jüdischen Friedhof Sontheim, das sie zuvor auf dem Jüdischen Friedhof Affaltrach hatten.
Nationalsozialistische Verfolgung
1941/42 wurden der Viehhändler Max Meier, seine Frau, Tochter und Schwester nach Riga bzw. Theresienstadt deportiert und ermordet. (Angerbauer/Frank, S. 115)
Das Gedenkbuch des Bundesarchivs verzeichnet 11 in Horkheim geborene jüdische Bürger, die dem Völkermord des nationalsozialistischen Regimes zum Opfer fielen.[1]
Persönlichkeiten
Die Familie Victor kam aus Horkheim, wo sie mit Pelzen und Fellen handelte. Julius Victor (* 15. Juni 1838; † 30. August 1887) erwarb am 3. Juli 1862 das Bürgerrecht von Heilbronn und konnte damals ein Vermögen von 3000 Gulden nachweisen. Bereits 1868 machten sich dann die Gebr. Victor (Julius, Joseph und Victor) in Heilbronn selbstständig. Aus diesem Unternehmen entwickelte sich die Lederfabrik Gebr. Victor in Heilbronn.
Max Horkheimer (1895–1973), Sohn einer jüdischen Fabrikantenfamilie in Zuffenhausen, stammt möglicherweise von Juden aus Horkheim ab.
Gemeindeentwicklung
Jahr | Gemeindemitglieder |
---|---|
1744 | 12 Personen |
1749 | 17 Personen |
1771 | 89 Personen |
1789 | 8 Familien |
1828 | 54 Personen |
1841 | 64 Personen |
1858 | 72 Personen |
1867 | 32 Personen |
1895 | 25 Personen |
1933 | 4 Personen |
Einzelnachweise
- ↑ Gedenkbuch - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 - 1945. Abgerufen am 29. Oktober 2009.
Literatur
- Wolfram Angerbauer, Hans Georg Frank: Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte, Schicksale, Dokumente. Landkreis Heilbronn, Heilbronn 1986 (Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn. Band 1), S. 110–115
- Hans Franke: Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn. Vom Mittelalter bis zur Zeit der nationalsozialistischen Verfolgungen (1050–1945). Stadtarchiv Heilbronn, Heilbronn 1963, ISBN 3-928990-04-7 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn. Band 11), S. 204–206 (PDF, 1,2 MB).
- Joachim Hahn und Jürgen Krüger: Synagogen in Baden-Württemberg. Band 2: Joachim Hahn: Orte und Einrichtungen. Theiss, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-8062-1843-5 (Gedenkbuch der Synagogen in Deutschland. Band 4), S. 195–196