Pirelli und Carl Diem: Unterschied zwischen den Seiten
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{{Dieser Artikel|befasst sich mit dem italienischen Unternehmen Pirelli. Für weitere Bedeutungen siehe [[Pirelli (Begriffsklärung)]].}} |
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[[Datei:WP Carl Diem.jpg|miniatur|Carl Diem (porträtiert von [[Emil Stumpp]], 1930)]] |
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 102-05459, Winterolympiade, Theodor Lewald und Carl Diem.jpg|miniatur|Carl Diem (rechts) mit [[Theodor Lewald]] bei der Winterolympiade 1928]] |
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'''Carl Diem''' (* [[24. Juni]] [[1882]] in [[Würzburg]]; † [[17. Dezember]] [[1962]] in [[Köln]]) war ein deutscher Sportfunktionär und -wissenschaftler. Er war Mitinitiator des [[Olympischer Fackellauf|olympischen Fackellaufs]] in der Neuzeit und gab mit anderen den Anstoß zur Gründung der ersten Sporthochschule der Welt in [[Berlin]]. |
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== Kindheit und Jugend == |
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{{Infobox_Unternehmen |
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Diems Familie zog 1887 von Würzburg nach Berlin, wo Diems Vater, der mit einem Herrenkonfektionsgeschäft gescheitert war, einen Neuanfang wagen wollte. Dort lebte die Familie beengt in ärmlichen Verhältnissen. Nachdem sein Vater nach einem weiteren wirtschaftlichen Rückschlag ohne seine Familie nach Amerika ausgewandert war, verließ Diem, der ohnehin kein besonders guter Schüler war, vorzeitig das Gymnasium, um für den Unterhalt der Familie zu sorgen.<ref>M. Breuer, 2008, S. 17</ref> |
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| Name = Pirelli & C. SpA |
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| Logo = [[Datei:Logo Pirelli.svg|250px|Logo]] |
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| Unternehmensform = [[Aktiengesellschaft (Italien)|Società per azioni]] (Aktiengesellschaft) |
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| ISIN = IT0004623051 |
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| Gründungsdatum = [[1872]] |
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| Sitz = {{ITA|Ziel=Mailand}} |
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| Leitung = [[Marco Tronchetti Provera]] (Präsident und Vorstandsvorsitzender) |
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| Mitarbeiterzahl = 30.813 (2007) |
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| Umsatz = 6,5 Mrd. Euro (2007) |
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| Bilanzsumme = |
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| Branche = [[Reifen]]industrie |
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| Produkte = [[Autoreifen]], [[Motorradreifen]] |
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| Homepage = [http://www.pirelli.de www.pirelli.de] [http://www.pirelli.ch www.pirelli.ch] [http://www.pirelli.at www.pirelli.at] |
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Nach verschiedenen kaufmännischen Ausbildungen und Tätigkeiten, die ihn nicht zufriedenstellten, meldete er sich 1904 als [[Einjährig-Freiwilliger]] zum Militär, wurde aber zu seiner Enttäuschung danach nicht als Berufssoldat übernommen.<ref>M. Breuer, 2008, S. 18</ref> Nun widmete Diem sich ganz dem Sport. Seine Militärzeit blieb jedoch prägend für sein weiteres Leben; in beiden Weltkriegen meldete er sich bei erster Gelegenheit als Freiwilliger, im [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] sogar 1944 mit über 60 Jahren noch zum [[Volkssturm]]. Auch zog er oft Parallelen zwischen sportlichem und kriegerischem Kampf und verwies auf den Nutzen des Sports für die Heranbildung künftiger Soldaten. |
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'''Pirelli''' & C. SpA ist ein [[Italien|italienischer]] [[Reifen]]- und ehemaliger [[Kabel]]hersteller mit Sitz in [[Mailand]]. Die Firma machte 2007 einen Umsatz von 6,5 Milliarden Euro und beschäftigte 2007 mehr als 30.813 Mitarbeiter. |
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== Karriere als Sportfunktionär == |
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== Pirelli Konzern == |
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[[Datei:Stamps of Germany (BRD) 1968, MiNr 565.jpg|miniatur|hochkant|[[Briefmarken-Jahrgang 1968 der Deutschen Bundespost|Briefmarke 1968]]]] |
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Hervorgegangen ist der eigentliche Pirelli-Konzern aus der [[1872]] von [[Giovanni Battista Pirelli]] gegründeten Gummiwarenfabrik. Mit einer kleinen Belegschaft wurden telegraphische Leitungen, Unterseekabel und Fahrradreifen produziert. Im Jahre 1901 startete dann die Produktion von Autoreifen. |
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[[Datei:Gedenktafel Olympischer Platz 4 (West) Carl Diem.jpg|miniatur|Gedenktafel am Olympischen Platz 4, in [[Berlin-Westend]]]] |
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=== Kaiserreich === |
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1899 gründete Diem den Sportverein [[Berliner Sport-Club|SC Marcomannia Berlin]]. Zu den [[Olympische Zwischenspiele 1906|Olympischen Zwischenspielen 1906]] in [[Athen]] fuhr er als Mannschaftsbegleiter der deutschen Mannschaft, finanziert von mehreren Zeitungen, für die er berichtete. Die sportjournalistische Tätigkeit setzte er danach weiter fort.<ref name="Breuer-S19">M. Breuer, 2008, S. 19</ref> 1908 wurde er Vorsitzender der „Deutschen Sportbehörde für Athletik“. Ab 1911 gehörte er zur Bundesleitung des [[Jungdeutschlandbund]]es, des Dachverbands aller Jugendorganisationen.<ref>''Militärgeschichtliche Mitteilungen''. Karlsruhe 1917, S. 120</ref> 1913 begründete er die Verleihung des „[[Deutsches Sportabzeichen|Deutschen Sportabzeichens]]“, welches bis heute vergeben wird und für das er als einer der Ersten die Prüfung ablegte. |
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1981 erzielte Pirelli weltweit einen Umsatz von 1,95 Milliarden US-Dollar und hatte einen Weltmarktanteil von 6,5 Prozent. 1985 ordnete der Pirelli-Konzern seine Produktionsaktivitäten neu. Das 1872 gegründete und damals noch am Stadtrand Mailands befindliche Stammwerk „Bicocca“ lag mittlerweile im Zentrum der stark gewachsenen italienischen Metropole. Die Produktion wurde deshalb ausgelagert und Bicocca zum neuen Technologie- und Grundlagen-Forschungszentrum umgestaltet. In diesem Zusammenhang wurde auch der deutsche Pirelli-Standort in [[Breuberg]] im Odenwald von einer reinen Produktionsanlage für alle Reifentypen zum Haupt-Produktions- und Entwicklungszentrum für PKW-Breit- und Ultra-High-Performance-Bereifungen umgewandelt. |
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Zu den [[Olympische Sommerspiele 1912|Olympischen Spielen 1912]] reiste er als Kapitän der deutschen Mannschaft nach [[Stockholm]] und führte die Mannschaft ins Stadion. Während der Spiele wurde die Ausrichtung der nächsten [[Olympische Sommerspiele 1916|Olympischen Spiele 1916]] nach Berlin vergeben. Auf Vorschlag des Vorsitzenden [[Victor von Podbielski]] wurde Diem im November 1912 vom „Deutschen Reichsausschusses für Olympische Spiele“ (DRAfOS) zum Generalsekretär für die Olympischen Spiele gewählt.<ref name="Breuer-S19" /> Der hauptamtliche Sportfunktionär meldete sich trotz seiner verantwortungsvollen Position bei Beginn des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] freiwillig zum Fronteinsatz. Wegen des Krieges fanden die Spiele jedoch schließlich ohnehin nicht statt. Der DRAfOS wurde 1917 in [[Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen]] (DRAfL) umbenannt und Diem zu seinem Generalsekretär ernannt.<ref>M. Breuer, 2008, S. 20</ref> |
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Im Jahr 1986 übernahm Pirelli die Reifenaktivitäten von [[Metzeler]] und konzentrierte die Marke auf den Bereich [[Motorradreifen]]. 1988 übernahm man den [[Vereinigte Staaten|US-amerikanischen]] Reifenhersteller ''Armstrong'' und weitete seine Aktivitäten damit auch auf den [[nordamerika]]nischen Markt aus. 1991 wurde die Sparte Landwirtschaftsreifen in ein [[Joint Venture]] mit dem [[Schweden|schwedischen]] Konzern [[Trelleborg AB]] eingebracht, der den Bereich 2001 vollständig übernahm und auch heute noch die Lizenzrechte für die Marke Pirelli Landwirtschaftsreifen innehat. |
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=== Weimarer Republik === |
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Von 1990 bis 1993 versuchte Pirelli die deutsche [[Continental AG]] zu übernehmen. Dementsprechend gab es ein großes Medienecho. Die Continental AG versuchte die feindliche Übernahme zu verhindern. Dies gelang, da eine Abwehrfront unter Federführung der Deutschen Bank eine [[Sperrminorität]] erwarb und Pirelli nach langem Kampf die Liquidität ausging. |
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1920 fanden erstmals die von ihm initiierten „[[Bundesjugendspiele#Geschichte|Reichsjugendwettkämpfe]]“ statt, die Vorläufer der heutigen [[Bundesjugendspiele]]. 1920 wirkte er maßgeblich an der Gründung der [[Deutsche Hochschule für Leibesübungen|Deutschen Hochschule für Leibesübungen]] in Berlin mit und wurde Prorektor dieser ersten Sporthochschule der Welt. Als Sportfunktionär war er bei den Olympischen Spielen [[Olympische Sommerspiele 1928|1928]] und [[Olympische Sommerspiele 1932|1932]] Missionschef der deutschen Olympiamannschaften.<ref name="Klee108">[[Ernst Klee]]: ''Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945''. Zweite aktualisierte Auflage. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2005, S. 108–109.</ref> 1930 ermöglichte er [[Sepp Herberger]] mit einer Ausnahmegenehmigung das Studium an der Sporthochschule ohne Abitur. Carl Diem als Angestellter hätte im Sport keine Wirksamkeit entfalten können, wenn ihm nicht [[Theodor Lewald]], sein Chef immer wieder unterstützt hätte.<ref>[[Arnd Krüger]]: ''Theodor Lewald. Sportführer ins Dritte Reich.'' Bartels & Wernitz, Berlin 1975, ISBN 3-87039-954-6</ref> |
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=== NS-Staat === |
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Diems Rolle in der [[Zeit des Nationalsozialismus]] ist bis heute umstritten. Einerseits wurde er 1934 von den [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] als „politisch unzuverlässig“ eingestuft (wohl auch wegen der jüdischen Verwandten seiner Ehefrau). 1933 endete bereits seine Stellung als DRAfL-Generalsekretär. Im selben Jahr verlor er seinen Posten als Prorektor der Sporthochschule, weil er sich weigerte, in die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] einzutreten. |
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Die Pirelli Deutschland GmbH produziert als Tochtergesellschaft des weltweit tätigen Pirelli-Konzerns PKW- und Motorradreifen für den High- und Ultra-High-Performance-Bereich. Die Produktion für PKW-Reifen in Deutschland findet am Standort [[Breuberg]] statt. Die dort produzierten Reifen werden in erster Linie an die Automobilhersteller für die Erstausrüstung geliefert. Zusätzlich wird ein großer Teil der Reifen für den Ersatzmarkt hergestellt. |
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Andererseits hatte er während der NS-Zeit wichtige und prominente Funktionen inne und beteiligte sich an Propagandaaktionen. |
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Die Wurzeln der heutigen Pirelli Deutschland GmbH liegen im Jahre 1903, als sich der Erfinder des Laufstreifenprofils für Fahrradreifen, [[Friedrich Veith]] (1860–1908), selbstständig machte und die Veith & Co. in [[Sandbach (Breuberg)|Sandbach]] im [[Odenwald]] gründete. Im Jahr 1906 wurde hieraus die ''Veithwerke Aktiengesellschaft''. Mit der Produktion von [[Reifen]] und Schläuchen für Fahrräder, Motorräder und Automobilen konnte die Anzahl der Mitarbeiter bis 1939 auf 1000 gesteigert werden. |
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Als Generalsekretär des Organisationskomitees war er seit 1933 maßgeblich an Planung und Durchführung der [[Olympische Sommerspiele 1936|Olympischen Spiele 1936]] in Berlin beteiligt.<ref name="Klee108" /> Nach einer Idee von [[Alfred Schiff]] initiierte er zusammen mit [[Theodor Lewald]] erstmals den Olympischen Fackellauf von [[Griechenland]] zur jeweiligen Austragungsstätte – dieser Brauch ist bis heute erhalten. Von 1936 bis 1945 hatte er die Leitung des Internationalen Olympischen Instituts (IOI) in Berlin inne. Seine Veröffentlichungen von 1938 bis 1945 erschienen zu etwa einem Drittel in nationalsozialistischen Publikationen. 1939 wurde er vom [[Reichssportführer]] mit der Leitung der Auslandsabteilung des [[Reichsbund für Leibesübungen|NSRL]] betraut. Diem war häufig mit Sportberichten in der von [[Joseph Goebbels]] kontrollierten Wochenzeitung [[Das Reich]] (1940–1945) vertreten.<ref>[http://www.muensterschezeitung.de/lokales/muenster/Historiker-Thamer-legt-Umbenennung-nahe;art993,995736 ''Historiker Thamer legt Umbenennung nahe''], in: [[Münstersche Zeitung]] vom 11. August 2010, abgerufen am 15. Dezember 2011.</ref> In einem Aufsatz im ''Reichssportblatt'' vom 25. Juni 1940 rühmte er „mit atemloser Spannung und steigender Bewunderung diesen Sturmlauf, diesen Siegeslauf“ durch Frankreich, stand „staunend vor den Taten des Heeres“ und schrieb, dass „der sportliche Geist, in dem Deutschlands Jungmannschaft aufgewachsen ist“, erst den „Sturmlauf durch Polen, Norwegen, Holland, Belgien und Frankreich“, den „Siegeslauf in ein besseres Europa“ ermöglichte. Auch Sätze wie „Sport ist freiwilliges Soldatentum“ stammen von Carl Diem. Noch am 18. März 1945 rief er Mitglieder der [[Hitlerjugend]] in einer ''flammenden Rede''<ref>[http://anstageslicht.de/index.php?UP_ID=1&NAVZU_ID=16&STORY_ID=2&M_STORY_ID=8&B_STORY_ID=11 ''Gericht bestätigt „Opfer-Rede“ vor Hitlerjugend – Wird Halle umbenannt?''] In: ''[[Main-Post]]'', 22. Januar 2002</ref> im Kuppelsaal des [[Olympiagelände Berlin|Berliner Olympiageländes]] zu einem „finalen Opfergang für den Führer“ auf:<ref>Zitat bei Ernst Klee: ''Das Personenlexikon zum Dritten Reich.'' Fischer Taschenbuch, 2005, S. 109.</ref> Diem zitierte in seiner Rede den Dichter [[Tyrtaios]]: ''Schön ist der Tod, wenn der edle Krieger für das Vaterland ficht, für das Vaterland stirbt''.<ref>Wolfgang Bausch: [http://www.sportunterricht.de/lksport/diem.html ''Bis zum letzten Hauch. Carl Diem und seine Rolle in der Nazizeit – warum der deutsche Sport sich mit einer kritischen Bewertung seines Übervaters so schwer tut''.]</ref> In den folgenden Tagen kamen in der Nähe des [[Reichssportfeld]]es und an den [[Pichelsberg|Pichelsdorfer Brücken]]<ref name="focus" /> beidseitig der [[Heerstraße (Berlin)#Scholzplatz bis Pichelsdorfer Straße|Heerstraße]] hunderte Jugendliche bei dem Versuch um, sowjetische [[Panzer]]verbände mit [[Handfeuerwaffe]]n und [[Panzerfaust|Panzerfäusten]] aufzuhalten.<ref name="focus">[http://www.focus.de/politik/deutschland/vor-50-jahren-teil-1-kinder-sollten-den-fuehrer-retten_aid_151513.html ''Vor 50 Jahren. Kinder sollten den Führer retten''.] In: ''[[Focus]]'', 15. April 1995: </ref> |
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Diem war dem NS-Staat in vielen Ämtern dienstbar und wusste seit Sommer 1943 vom [[Holocaust]]. Er hielt an seinen Ämtern fest, die sportpolitischen und allgemeinpolitischen Aufgaben dienten.<ref>Frank Becker in einem Interview vom 18. Oktober 2012 ([http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/content.php?nav_id=4027 ''„Diem ist mit Hindenburg zu vergleichen“'']) bei [[L.I.S.A. – Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung|L.I.S.A.]].</ref> |
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Nach dem Zweiten Weltkrieg ging 1946 die Produktion der Veith Gummiwerke GmbH wieder weiter. 1963 erwarb der Konzern Pirelli durch Aktienkäufe die Mehrheitsbeteiligung an der Veith-Gummiwerke GmbH mit der gleichzeitigen Umwandlung in die Veith-Pirelli GmbH. 1986 wurden schließlich bei einer Neuorganisation der Pirelli-Tochterfirmen in Deutschland die Pirelli Reifenwerke (PRW) gegründet, die zusammen mit den anderen in Deutschland tätigen Pirelli-Firmen unter dem Dach der Pirelli Deutschland GmbH verwaltet werden. |
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=== Nachkriegszeit === |
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Nach Kriegsende wurde Diems mehrere Bände umfassende Schrift ''Olympische Flamme'' (Deutscher Archiv-Verlag, Berlin 1942) in der [[Sowjetische Besatzungszone|Sowjetischen Besatzungszone]] auf die [[Liste der auszusondernden Literatur]] gesetzt.<ref>[http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-d.html Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, Liste der auszusondernden Literatur, Buchstabe D, S. 72–90], abgerufen am 15. Dezember 2011.</ref> |
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Durch die Übernahme der Kabelproduktion von [[Siemens]] in [[Neustadt bei Coburg]] und weiteren Produktionsstätten in Großbritannien war Pirelli eine zeitlang der größte europäische Hersteller von Energie- und Telekommunikationskabeln. |
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Am 12. April 1947 wurde Diem zum Rektor der von ihm gegründeten [[Deutsche Sporthochschule Köln|Deutschen Sporthochschule in Köln]] ernannt. Dieses Amt bekleidete er bis zu seinem Tod 1962. Von 1950 bis 1953 war er zusätzlich Sportreferent im [[Bundesministerium des Innern|Bundesinnenministerium]].<ref name="Klee108" /> Diem bot 1947 [[Sepp Herberger]] das Amt des Fußballlehrers an, das dieser bis 1957 an der Sporthochschule ausübte. 1951 begleitete Diem als Chefredakteur die Gründung der Zeitschrift [[Olympisches Feuer (Zeitschrift)|Olympisches Feuer]], eines Magazins des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG). |
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Nach vergeblicher Suche nach einem Interessenten für die Kabelsparte, der die Zustimmung der [[Kartellbehörde]]n erlangen könnte, wurde die Kabelproduktion Mitte 2005 vollständig an die neu gegründete Firma [[Prysmian]] verkauft, um weitere bedeutende Investitionen im Reifensektor zu finanzieren. |
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Carl Diem hinterließ 60.000 Briefe und 12.000 Seiten Tagebücher, die im Carl und Liselott Diem-Archiv an der Sporthochschule Köln zugänglich sind. |
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=== Breitband === |
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Zu den vor der Hitlerjugend formulierten Positionen hat sich Diem bis zu seinem Tod nicht mehr öffentlich geäußert. |
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Seit dem Jahr 2000 betätigt sich Pirelli auch im Bereich der [[Breitband-Internetzugang|schnellen Datenverbindungen]]. |
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== Privatleben == |
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1930 heiratete Diem die Sportpädagogin [[Liselott Diem|Liselott Bail]];<ref>Franz Lotz: ''Eine Frau für jedes Wetter – Zum 70. Geburtstag von Liselott Diem''. In: Zeitschrift [[Deutscher Tischtennis Sport|DTS]], 1976/18, S. 18</ref> aus der Ehe gingen vier Kinder (geboren 1931, 1932, 1935 und 1941) hervor. |
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[[Prelios]] (ehemals ''Pirelli & C. Real Estate SpA'') ist eine Wohnungsbaugesellschaft, und war eine ehemalige Tochtergesellschaft der Pirelli & C. SpA. |
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Seit Oktober 2010 ist sie als eigenständige Gesellschaft an der Börse gelistet. |
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== Ehrungen == |
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* 1953: [[Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland|Großes Verdienstkreuz]] der Bundesrepublik Deutschland |
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Im Mai 2010 wurde bekannt, dass Pirelli plant den Konzern aufzuspalten. So soll die bisherige Holdinggesellschaft Pirelli & C. SpA ausschließlich die Reifenproduktion beinhalten, während die Pirelli Real Estate (Pirelli RE) separat an der Börse gelistet werden soll. |
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Die bisherige Beteiligung an der Pirelli & C. SpA von 58 % an der Pirelli RE soll dabei komplett an die Aktionäre der Pirelli RE SpA abgegeben werden.. |
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== Andenken == |
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In den ersten Jahren nach Diems Tod überwog die Würdigung von Diems Verdiensten um den deutschen Sport. Zahlreiche Sportanlagen (zum Beispiel in [[Bad Bentheim]], [[Iserlohn]] und [[Wadersloh]]) und Straßen (zum Beispiel in [[Furtwangen]] und [[Stadtlohn]]) sind heute noch nach ihm benannt. Erst gegen Ende des letzten Jahrhunderts wurde im Licht zeitgeschichtlicher Forschung Diems Rolle im Nationalsozialismus zunehmend kritisch betrachtet. „Von öffentlicher Reue [Anm.: Carl Diems zu seiner Rolle im Nationalsozialismus] ist nichts bekannt, von ernsthaften Zweifeln renommierter Historiker an Diems Rolle im Nationalsozialismus ebenso wenig.“<ref name="spiegel">[http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,501387,00.html ''Denkmalsturz. Sporthochschule verliert im Namensstreit um Carl Diem''.] [[Der Spiegel|Unispiegel]], 22. August 2007, abgerufen am 15. Dezember 2011.</ref> |
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Pirelli ist Hauptsponsor des italienischen Fußballklubs [[Inter Mailand]] und liefert darüber hinaus die Einheitsreifen für die [[Fédération Internationale de Motocyclisme|FIM]] [[Superbike-Weltmeisterschaft]] und die [[Fédération Internationale de l’Automobile|FIA]] [[Rallye-Weltmeisterschaft]]. Zudem beliefert Pirelli seit 2011 die [[Formel 1]] und die [[GP2-Serie]] mit Einheitsreifen.<ref>[http://www.motorsport-total.com/f1/news/2010/06/FIA-Weltrat_Pirelli_erhaelt_den_Zuschlag_10062313.html FIA-Weltrat: Pirelli erhält den Zuschlag] (Motorsport-Total.com am 23. Juni 2010)</ref> Die Schweizer Niederlassung Pirelli Tyre (Suisse) SA ist auch Rückensponsor des Schweizer Fußballklubs [[FC Basel]] sowie Sponsor des schweizerischen Ski-Verbands Swiss Ski. |
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Nach teilweise leidenschaftlichen und sehr kontrovers geführten Diskussionen wurden zuvor nach Diem benannte Straßen (zum Beispiel 1996 in [[Mülheim an der Ruhr]],<ref>''Vom Adlerhorst bis Zwischen den Gärten''. Straßennamen in Mülheim-Ruhr</ref> 2007 in [[Aachen]], 2009 in [[Pulheim]] und 2010 in [[Münster (Westfalen)|Münster]]<ref>Andreas Rüttenauer: [http://www.taz.de/!62342/ ''Krieg der Expertisen''.] In: ''[[die tageszeitung|taz]]'', 6. Dezember 2010</ref>), Schulen (Grundschule [[Ritterhude]]; 4. Gesamtoberschule [[Berlin-Spandau]], heute Heinrich-Böll-Oberschule), Hallen (zum Beispiel 2001 in [[Berlin-Steglitz]] oder 2004 in seiner Geburtsstadt Würzburg) nun umbenannt.<ref>[http://cosmic3.rrz.uni-hamburg.de/webcat/sportwiss/dvs/dvs_info/vol11n2/kontakte.pdf DVS-Information 2/1996, S. 42] (PDF; 46 kB)</ref> Die am vormaligen Carl-Diem-Weg in Köln gelegene Deutsche Sporthochschule unterlag im Rechtsstreit gegen die 2008 erfolgte Umbenennung der Straße in „Am Sportpark Müngersdorf“.<ref name="spiegel" /> |
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== Kalender == |
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Seit dem Jahre [[1964]] gibt das Unternehmen den jährlich in einer begrenzten Auflage erscheinenden [[Pirelli-Kalender]] in Auftrag, welcher aufgrund seiner geringen Stückzahl nicht käuflich zu erwerben ist, sondern nur an ausgesuchte Freunde und Kunden des Unternehmens herausgegeben wird. Daher ist der Kalender sehr begehrt und auch von enormem Wert für den Besitzer. |
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Auch der Carl-Diem-Schild, den der [[Deutscher Leichtathletik-Verband|Deutsche Leichtathletik Verband]] seit 1962 an verdiente Funktionäre vergibt, wurde am 23. Februar 2001 in DLV-Ehrenschild umbenannt.<ref>Durch DLV-Verbandsratsbeschluss am 23. Februar 2001 in Dortmund Umbenennung in DLV-Ehrenschild, siehe [http://www.blv-archiv.de/EhrungenDLV.htm Ehrungen durch den Deutschen Leichtathletik-Verband] im BLV-Archiv, abgerufen am 15. Dezember 2011.</ref> Eine nach ihm benannte Medaille der Stadt Würzburg wird nicht mehr vergeben. Die 1952 vom [[Deutscher Sportbund|Deutschen Sportbund]] für hervorragende deutschsprachige sportwissenschaftliche Arbeiten gestiftete und seit 1953 alle zwei Jahre verliehene ''Carl Diem-Plakette'' wurde weiterhin verliehen.<ref>[http://www.uni-leipzig.de/~sportfak/pdf/DS/Informationen_wissenschaftspreis.pdf#search=%22%22Carl%20Diem%20Plakette%22%22 Wettbewerb um den Wissenschaftspreis des Deutschen Sportbundes (Carl-Diem-Plakette) 2005 / 2006] (PDF) abgerufen 15. Dezember 2011.</ref> Seit 2006 hat der DOSB seine Namensplakette, mit der an Carl Diem erinnert wurde, durch den ''DOSB-Wissenschaftspreis'' ersetzt.<ref>[http://www.dosb.de/index.php?id=8679 Dokumentation der Festakademie des DOSB-Wissenschaftspreises] abgerufen 15. Dezember 2011.</ref> |
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== Film == |
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Pirelli hat einen aufwendigen Werbefilm mit dem Titel „The Call“ mit [[John Malkovich]] und [[Naomi Campbell]] produziert. Der Film ist bislang nur online zu sehen (siehe [[#Weblinks|Weblinks]]) und stellt den Pirelli-Leitspruch ''Power is nothing without control'' als sakralen Kampf zwischen Gut und Böse dar. Selbst die katholische Kirche hat nach Pirelliangaben keine Einwände gegen den Werbegag. |
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== Schriften == |
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Aktuell ist ein neuer Kurzfilm namens „Mission Zero“ mit [[Uma Thurman]] in der Hauptrolle am Start. Regie führte [[Kathryn Bigelow]]. Im Internet zu sehen: [http://www.pirellifilm.com/thefilm/index.jsp Mission Zero] |
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* ''Olympische Flamme.'' 3 Bände, Berlin 1936. (gilt als wichtiges Zeitdokument nationalsozialistischer Sportpropaganda) |
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* ''Asiatische Reiterspiele. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte der Völker.'' Deutscher Archiv-Verlag, Berlin 1941 |
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* ''Körpererziehung bei Goethe.'' Frankfurt am Main 1948. |
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* ''[[Lord Byron]] als Sportsmann.'' Köln 1950. |
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* ''Ein Leben für den Sport.'' Ratingen o.J. [1974]. |
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== Literatur == |
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* Frank Becker: ''Den Sport gestalten. Carl Diems Leben (1882–1962).'' Universitätsverlag Rhein-Ruhr, Duisburg 2009. Band 1: ''Kaiserreich.'' ISBN 978-3-940251-44-2. Band 3: ''NS-Zeit.'' ISBN 978-3-940251-42-8. |
|||
* [[Wolfgang Benz]] (Hrsg.): ''Erinnerungspolitik oder kritische Forschung? Der Streit um Carl Diem.'' Schwerpunktthema in: ''[[Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (1953)|Zeitschrift für Geschichtswissenschaft]]'', 59. Jg., 2011, Heft 3; [http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/zeitschriften/id=95&count=1&recno=1&ausgabe=6083 Inhaltsverzeichnis] |
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* Meike Breuer: [http://www-brs.ub.ruhr-uni-bochum.de/netahtml/HSS/Diss/BreuerMeike/diss.pdf ''Sport zwischen Kampf und Spiel – der Sportbegriff in den Werken von Carl Diem.''] (PDF; 1,4 MB) Dissertation, Ruhr-Universität, Bochum 2008 |
|||
* [[Arnd Krüger]]: ''Theodor Lewald. Sportführer ins Dritte Reich''. Bartels & Wernitz, Berlin 1975, ISBN 3-87039-954-6 |
|||
* Michael Krüger (Hrsg.): ''Erinnerungskultur im Sport: Vom kritischen Umgang mit Carl Diem, Sepp Herberger und anderen Größen des deutschen Sports.'' LIT-Verlag, Münster 2012, ISBN 978-3-643-11677-2, [http://books.google.de/books?id=FHiOoVqwTqsC Voransicht books.google.de]. |
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* {{Literatur |
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|Autor=Achim Laude, Wolfgang Bausch |
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|Titel=Der Sportführer. Die Legende um Carl Diem |
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|Verlag=Verlag Die Werkstatt |
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|Ort=Göttingen |
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|Jahr=2000 |
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|ISBN=3-89533-295-X}} |
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* Ralf Schäfer: ''Militarismus, Nationalismus, Antisemitismus. Carl Diem und die Politisierung des bürgerlichen Sports im Kaiserreich.'' (Dissertation) Metropol, Berlin 2011, ISBN 978-3-940938-67-1 |
|||
* [[Horst Ueberhorst]]: ''Das Kontinuitätsproblem in der deutschen Sportgeschichte. Carl Diem, [[Guido von Mengden]], [[Karl Ritter von Halt]].'' In: Rainer Eisfeld, Ingo Müller (Hrsg.): ''Gegen Barbarei. Essays [[Robert W. Kempner]] zu Ehren.'' Athenäum, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-610-08537-1, S. 360–384. |
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== Weblinks == |
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* {{DNB-Portal|118525336}} |
|||
* [http://www.culda.de/ Carl und Liselott Diem-Archiv] |
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* {{LeMO|DiemCarl}} |
|||
* [http://web.archive.org/web/20070928010608/http://www.dshs-koeln.de/kurier/Kurier_Forum_Diem.pdf Zur Rolle Carl Diems im Nationalsozialismus] (PDF; 2,73 MB) |
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* [http://www.gbg-koeln.de/diem/index.htm Preisgekröntes Schulprojekt zum Thema Carl Diem] |
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* [http://www.aussichten-online.de/diem-monitor.html Monitor-Beitrag] vom 26. Oktober 1995 |
|||
* [http://www.digitalis.uni-koeln.de/Lichter/lichter65-70.pdf Ausführliche Literatur zum Sport 1933–1945] (PDF; 841 kB) Bis 1988 einschl.; nicht nur die Diem-NS-Linie, sondern auch jüdische Sport-Organisationen |
|||
* [http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/content.php?nav_id=4027 ''Diem ist mit Hindenburg zu vergleichen''.] Interview mit Frank Becker bei [[L.I.S.A. – Das Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung|L.I.S.A.]] |
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== Einzelnachweise == |
== Einzelnachweise == |
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<references /> |
<references /> |
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{{Normdaten|PND=118525336|LCCN=n/83/217891|VIAF=47553516}} |
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== Weblinks == |
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{{commonscat}} |
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* [http://www.pirelli.com/ Webpräsenz von Pirelli] |
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* [http://www.pirellifilm.com/ Pirelli-Film ''The Call''] |
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Version vom 10. Dezember 2013, 14:33 Uhr



Carl Diem (* 24. Juni 1882 in Würzburg; † 17. Dezember 1962 in Köln) war ein deutscher Sportfunktionär und -wissenschaftler. Er war Mitinitiator des olympischen Fackellaufs in der Neuzeit und gab mit anderen den Anstoß zur Gründung der ersten Sporthochschule der Welt in Berlin.
Kindheit und Jugend
Diems Familie zog 1887 von Würzburg nach Berlin, wo Diems Vater, der mit einem Herrenkonfektionsgeschäft gescheitert war, einen Neuanfang wagen wollte. Dort lebte die Familie beengt in ärmlichen Verhältnissen. Nachdem sein Vater nach einem weiteren wirtschaftlichen Rückschlag ohne seine Familie nach Amerika ausgewandert war, verließ Diem, der ohnehin kein besonders guter Schüler war, vorzeitig das Gymnasium, um für den Unterhalt der Familie zu sorgen.[1]
Nach verschiedenen kaufmännischen Ausbildungen und Tätigkeiten, die ihn nicht zufriedenstellten, meldete er sich 1904 als Einjährig-Freiwilliger zum Militär, wurde aber zu seiner Enttäuschung danach nicht als Berufssoldat übernommen.[2] Nun widmete Diem sich ganz dem Sport. Seine Militärzeit blieb jedoch prägend für sein weiteres Leben; in beiden Weltkriegen meldete er sich bei erster Gelegenheit als Freiwilliger, im Zweiten Weltkrieg sogar 1944 mit über 60 Jahren noch zum Volkssturm. Auch zog er oft Parallelen zwischen sportlichem und kriegerischem Kampf und verwies auf den Nutzen des Sports für die Heranbildung künftiger Soldaten.
Karriere als Sportfunktionär

Kaiserreich
1899 gründete Diem den Sportverein SC Marcomannia Berlin. Zu den Olympischen Zwischenspielen 1906 in Athen fuhr er als Mannschaftsbegleiter der deutschen Mannschaft, finanziert von mehreren Zeitungen, für die er berichtete. Die sportjournalistische Tätigkeit setzte er danach weiter fort.[3] 1908 wurde er Vorsitzender der „Deutschen Sportbehörde für Athletik“. Ab 1911 gehörte er zur Bundesleitung des Jungdeutschlandbundes, des Dachverbands aller Jugendorganisationen.[4] 1913 begründete er die Verleihung des „Deutschen Sportabzeichens“, welches bis heute vergeben wird und für das er als einer der Ersten die Prüfung ablegte.
Zu den Olympischen Spielen 1912 reiste er als Kapitän der deutschen Mannschaft nach Stockholm und führte die Mannschaft ins Stadion. Während der Spiele wurde die Ausrichtung der nächsten Olympischen Spiele 1916 nach Berlin vergeben. Auf Vorschlag des Vorsitzenden Victor von Podbielski wurde Diem im November 1912 vom „Deutschen Reichsausschusses für Olympische Spiele“ (DRAfOS) zum Generalsekretär für die Olympischen Spiele gewählt.[3] Der hauptamtliche Sportfunktionär meldete sich trotz seiner verantwortungsvollen Position bei Beginn des Ersten Weltkriegs freiwillig zum Fronteinsatz. Wegen des Krieges fanden die Spiele jedoch schließlich ohnehin nicht statt. Der DRAfOS wurde 1917 in Deutscher Reichsausschuss für Leibesübungen (DRAfL) umbenannt und Diem zu seinem Generalsekretär ernannt.[5]
Weimarer Republik
1920 fanden erstmals die von ihm initiierten „Reichsjugendwettkämpfe“ statt, die Vorläufer der heutigen Bundesjugendspiele. 1920 wirkte er maßgeblich an der Gründung der Deutschen Hochschule für Leibesübungen in Berlin mit und wurde Prorektor dieser ersten Sporthochschule der Welt. Als Sportfunktionär war er bei den Olympischen Spielen 1928 und 1932 Missionschef der deutschen Olympiamannschaften.[6] 1930 ermöglichte er Sepp Herberger mit einer Ausnahmegenehmigung das Studium an der Sporthochschule ohne Abitur. Carl Diem als Angestellter hätte im Sport keine Wirksamkeit entfalten können, wenn ihm nicht Theodor Lewald, sein Chef immer wieder unterstützt hätte.[7]
NS-Staat
Diems Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus ist bis heute umstritten. Einerseits wurde er 1934 von den Nationalsozialisten als „politisch unzuverlässig“ eingestuft (wohl auch wegen der jüdischen Verwandten seiner Ehefrau). 1933 endete bereits seine Stellung als DRAfL-Generalsekretär. Im selben Jahr verlor er seinen Posten als Prorektor der Sporthochschule, weil er sich weigerte, in die NSDAP einzutreten.
Andererseits hatte er während der NS-Zeit wichtige und prominente Funktionen inne und beteiligte sich an Propagandaaktionen. Als Generalsekretär des Organisationskomitees war er seit 1933 maßgeblich an Planung und Durchführung der Olympischen Spiele 1936 in Berlin beteiligt.[6] Nach einer Idee von Alfred Schiff initiierte er zusammen mit Theodor Lewald erstmals den Olympischen Fackellauf von Griechenland zur jeweiligen Austragungsstätte – dieser Brauch ist bis heute erhalten. Von 1936 bis 1945 hatte er die Leitung des Internationalen Olympischen Instituts (IOI) in Berlin inne. Seine Veröffentlichungen von 1938 bis 1945 erschienen zu etwa einem Drittel in nationalsozialistischen Publikationen. 1939 wurde er vom Reichssportführer mit der Leitung der Auslandsabteilung des NSRL betraut. Diem war häufig mit Sportberichten in der von Joseph Goebbels kontrollierten Wochenzeitung Das Reich (1940–1945) vertreten.[8] In einem Aufsatz im Reichssportblatt vom 25. Juni 1940 rühmte er „mit atemloser Spannung und steigender Bewunderung diesen Sturmlauf, diesen Siegeslauf“ durch Frankreich, stand „staunend vor den Taten des Heeres“ und schrieb, dass „der sportliche Geist, in dem Deutschlands Jungmannschaft aufgewachsen ist“, erst den „Sturmlauf durch Polen, Norwegen, Holland, Belgien und Frankreich“, den „Siegeslauf in ein besseres Europa“ ermöglichte. Auch Sätze wie „Sport ist freiwilliges Soldatentum“ stammen von Carl Diem. Noch am 18. März 1945 rief er Mitglieder der Hitlerjugend in einer flammenden Rede[9] im Kuppelsaal des Berliner Olympiageländes zu einem „finalen Opfergang für den Führer“ auf:[10] Diem zitierte in seiner Rede den Dichter Tyrtaios: Schön ist der Tod, wenn der edle Krieger für das Vaterland ficht, für das Vaterland stirbt.[11] In den folgenden Tagen kamen in der Nähe des Reichssportfeldes und an den Pichelsdorfer Brücken[12] beidseitig der Heerstraße hunderte Jugendliche bei dem Versuch um, sowjetische Panzerverbände mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten aufzuhalten.[12]
Diem war dem NS-Staat in vielen Ämtern dienstbar und wusste seit Sommer 1943 vom Holocaust. Er hielt an seinen Ämtern fest, die sportpolitischen und allgemeinpolitischen Aufgaben dienten.[13]
Nachkriegszeit
Nach Kriegsende wurde Diems mehrere Bände umfassende Schrift Olympische Flamme (Deutscher Archiv-Verlag, Berlin 1942) in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[14]
Am 12. April 1947 wurde Diem zum Rektor der von ihm gegründeten Deutschen Sporthochschule in Köln ernannt. Dieses Amt bekleidete er bis zu seinem Tod 1962. Von 1950 bis 1953 war er zusätzlich Sportreferent im Bundesinnenministerium.[6] Diem bot 1947 Sepp Herberger das Amt des Fußballlehrers an, das dieser bis 1957 an der Sporthochschule ausübte. 1951 begleitete Diem als Chefredakteur die Gründung der Zeitschrift Olympisches Feuer, eines Magazins des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG).
Carl Diem hinterließ 60.000 Briefe und 12.000 Seiten Tagebücher, die im Carl und Liselott Diem-Archiv an der Sporthochschule Köln zugänglich sind. Zu den vor der Hitlerjugend formulierten Positionen hat sich Diem bis zu seinem Tod nicht mehr öffentlich geäußert.
Privatleben
1930 heiratete Diem die Sportpädagogin Liselott Bail;[15] aus der Ehe gingen vier Kinder (geboren 1931, 1932, 1935 und 1941) hervor.
Ehrungen
- 1953: Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland
Andenken
In den ersten Jahren nach Diems Tod überwog die Würdigung von Diems Verdiensten um den deutschen Sport. Zahlreiche Sportanlagen (zum Beispiel in Bad Bentheim, Iserlohn und Wadersloh) und Straßen (zum Beispiel in Furtwangen und Stadtlohn) sind heute noch nach ihm benannt. Erst gegen Ende des letzten Jahrhunderts wurde im Licht zeitgeschichtlicher Forschung Diems Rolle im Nationalsozialismus zunehmend kritisch betrachtet. „Von öffentlicher Reue [Anm.: Carl Diems zu seiner Rolle im Nationalsozialismus] ist nichts bekannt, von ernsthaften Zweifeln renommierter Historiker an Diems Rolle im Nationalsozialismus ebenso wenig.“[16]
Nach teilweise leidenschaftlichen und sehr kontrovers geführten Diskussionen wurden zuvor nach Diem benannte Straßen (zum Beispiel 1996 in Mülheim an der Ruhr,[17] 2007 in Aachen, 2009 in Pulheim und 2010 in Münster[18]), Schulen (Grundschule Ritterhude; 4. Gesamtoberschule Berlin-Spandau, heute Heinrich-Böll-Oberschule), Hallen (zum Beispiel 2001 in Berlin-Steglitz oder 2004 in seiner Geburtsstadt Würzburg) nun umbenannt.[19] Die am vormaligen Carl-Diem-Weg in Köln gelegene Deutsche Sporthochschule unterlag im Rechtsstreit gegen die 2008 erfolgte Umbenennung der Straße in „Am Sportpark Müngersdorf“.[16]
Auch der Carl-Diem-Schild, den der Deutsche Leichtathletik Verband seit 1962 an verdiente Funktionäre vergibt, wurde am 23. Februar 2001 in DLV-Ehrenschild umbenannt.[20] Eine nach ihm benannte Medaille der Stadt Würzburg wird nicht mehr vergeben. Die 1952 vom Deutschen Sportbund für hervorragende deutschsprachige sportwissenschaftliche Arbeiten gestiftete und seit 1953 alle zwei Jahre verliehene Carl Diem-Plakette wurde weiterhin verliehen.[21] Seit 2006 hat der DOSB seine Namensplakette, mit der an Carl Diem erinnert wurde, durch den DOSB-Wissenschaftspreis ersetzt.[22]
Schriften
- Olympische Flamme. 3 Bände, Berlin 1936. (gilt als wichtiges Zeitdokument nationalsozialistischer Sportpropaganda)
- Asiatische Reiterspiele. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte der Völker. Deutscher Archiv-Verlag, Berlin 1941
- Körpererziehung bei Goethe. Frankfurt am Main 1948.
- Lord Byron als Sportsmann. Köln 1950.
- Ein Leben für den Sport. Ratingen o.J. [1974].
Literatur
- Frank Becker: Den Sport gestalten. Carl Diems Leben (1882–1962). Universitätsverlag Rhein-Ruhr, Duisburg 2009. Band 1: Kaiserreich. ISBN 978-3-940251-44-2. Band 3: NS-Zeit. ISBN 978-3-940251-42-8.
- Wolfgang Benz (Hrsg.): Erinnerungspolitik oder kritische Forschung? Der Streit um Carl Diem. Schwerpunktthema in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 59. Jg., 2011, Heft 3; Inhaltsverzeichnis
- Meike Breuer: Sport zwischen Kampf und Spiel – der Sportbegriff in den Werken von Carl Diem. (PDF; 1,4 MB) Dissertation, Ruhr-Universität, Bochum 2008
- Arnd Krüger: Theodor Lewald. Sportführer ins Dritte Reich. Bartels & Wernitz, Berlin 1975, ISBN 3-87039-954-6
- Michael Krüger (Hrsg.): Erinnerungskultur im Sport: Vom kritischen Umgang mit Carl Diem, Sepp Herberger und anderen Größen des deutschen Sports. LIT-Verlag, Münster 2012, ISBN 978-3-643-11677-2, Voransicht books.google.de.
- Achim Laude, Wolfgang Bausch: Der Sportführer. Die Legende um Carl Diem. Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2000, ISBN 3-89533-295-X.
- Ralf Schäfer: Militarismus, Nationalismus, Antisemitismus. Carl Diem und die Politisierung des bürgerlichen Sports im Kaiserreich. (Dissertation) Metropol, Berlin 2011, ISBN 978-3-940938-67-1
- Horst Ueberhorst: Das Kontinuitätsproblem in der deutschen Sportgeschichte. Carl Diem, Guido von Mengden, Karl Ritter von Halt. In: Rainer Eisfeld, Ingo Müller (Hrsg.): Gegen Barbarei. Essays Robert W. Kempner zu Ehren. Athenäum, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-610-08537-1, S. 360–384.
Weblinks
- Literatur von und über Carl Diem im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Carl und Liselott Diem-Archiv
- Vorlage:LeMO
- Zur Rolle Carl Diems im Nationalsozialismus (PDF; 2,73 MB)
- Preisgekröntes Schulprojekt zum Thema Carl Diem
- Monitor-Beitrag vom 26. Oktober 1995
- Ausführliche Literatur zum Sport 1933–1945 (PDF; 841 kB) Bis 1988 einschl.; nicht nur die Diem-NS-Linie, sondern auch jüdische Sport-Organisationen
- Diem ist mit Hindenburg zu vergleichen. Interview mit Frank Becker bei L.I.S.A.
Einzelnachweise
- ↑ M. Breuer, 2008, S. 17
- ↑ M. Breuer, 2008, S. 18
- ↑ a b M. Breuer, 2008, S. 19
- ↑ Militärgeschichtliche Mitteilungen. Karlsruhe 1917, S. 120
- ↑ M. Breuer, 2008, S. 20
- ↑ a b c Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Zweite aktualisierte Auflage. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2005, S. 108–109.
- ↑ Arnd Krüger: Theodor Lewald. Sportführer ins Dritte Reich. Bartels & Wernitz, Berlin 1975, ISBN 3-87039-954-6
- ↑ Historiker Thamer legt Umbenennung nahe, in: Münstersche Zeitung vom 11. August 2010, abgerufen am 15. Dezember 2011.
- ↑ Gericht bestätigt „Opfer-Rede“ vor Hitlerjugend – Wird Halle umbenannt? In: Main-Post, 22. Januar 2002
- ↑ Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer Taschenbuch, 2005, S. 109.
- ↑ Wolfgang Bausch: Bis zum letzten Hauch. Carl Diem und seine Rolle in der Nazizeit – warum der deutsche Sport sich mit einer kritischen Bewertung seines Übervaters so schwer tut.
- ↑ a b Vor 50 Jahren. Kinder sollten den Führer retten. In: Focus, 15. April 1995:
- ↑ Frank Becker in einem Interview vom 18. Oktober 2012 („Diem ist mit Hindenburg zu vergleichen“) bei L.I.S.A..
- ↑ Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone, Liste der auszusondernden Literatur, Buchstabe D, S. 72–90, abgerufen am 15. Dezember 2011.
- ↑ Franz Lotz: Eine Frau für jedes Wetter – Zum 70. Geburtstag von Liselott Diem. In: Zeitschrift DTS, 1976/18, S. 18
- ↑ a b Denkmalsturz. Sporthochschule verliert im Namensstreit um Carl Diem. Unispiegel, 22. August 2007, abgerufen am 15. Dezember 2011.
- ↑ Vom Adlerhorst bis Zwischen den Gärten. Straßennamen in Mülheim-Ruhr
- ↑ Andreas Rüttenauer: Krieg der Expertisen. In: taz, 6. Dezember 2010
- ↑ DVS-Information 2/1996, S. 42 (PDF; 46 kB)
- ↑ Durch DLV-Verbandsratsbeschluss am 23. Februar 2001 in Dortmund Umbenennung in DLV-Ehrenschild, siehe Ehrungen durch den Deutschen Leichtathletik-Verband im BLV-Archiv, abgerufen am 15. Dezember 2011.
- ↑ Wettbewerb um den Wissenschaftspreis des Deutschen Sportbundes (Carl-Diem-Plakette) 2005 / 2006 (PDF) abgerufen 15. Dezember 2011.
- ↑ Dokumentation der Festakademie des DOSB-Wissenschaftspreises abgerufen 15. Dezember 2011.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Diem, Carl |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Sportfunktionär und -wissenschaftler, Urheber des olympischen Fackellaufs |
GEBURTSDATUM | 24. Juni 1882 |
GEBURTSORT | Würzburg |
STERBEDATUM | 17. Dezember 1962 |
STERBEORT | Köln |