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„Eltern-Kind-Entfremdung“ – Versionsunterschied

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'''Eltern-Kind-Entfremdung''' ('''EKE'''), auch '''elterliches Entfremdungssyndrom''' (engl. '''Parental Alienation Syndrome''' ('''PAS''') nach Gardner 1985, '''Parental Alienation''' nach Garrity & Baris 1991 etc.) beschreibt eine von mehreren Autoren über einen längeren Zeitraum unabhängig voneinander beobachtete und unterschiedlich bezeichnete Persönlichkeitsstörung, bei der ein Kind infolge einer konflikthaften Trennung der Eltern dauerhaft und zu Unrecht einen [[Elternschaft|Elternteil]] herabsetzt und beleidigt.
'''Eltern-Kind-Entfremdung''' ('''EKE'''), auch '''elterliches Entfremdungssyndrom''' (engl. '''Parental Alienation Syndrome''' ('''PAS'''), beschreibt eine von [[Richard Gardner]] 1985 formulierte Störung, bei der ein Kind, dessen Eltern [[Scheidung|geschieden]] sind, dauerhaft und zu Unrecht einen [[Elternschaft|Elternteil]] herabsetzt und beleidigt. Eine Reihe von Faktoren seien für dieses Verhalten verantwortlich, so Gardner, unter anderem die Indoktrinierung seitens des betreuenden Elternteils (fast ausschließlich als Teil von Sorgerechtsstreitigkeiten) und der Wunsch des Kindes, den getrennt lebenden Elternteil abzuwerten.<ref name=Gardner2001>{{cite journal |last=Gardner |first=RA |authorlink=Richard Gardner |title=Parental Alienation Syndrome (PAS): Sixteen Years Later |year=2001 |journal=Academy Forum |volume=45 |issue=1 |url=http://www.fact.on.ca/Info/pas/gard01b.htm |pages= 10–12 |accessdate=2009-03-31}}</ref> Dagegen ist die Ablehnung eines Elternteils durch das Kind, die rational begründbar in Folge eines [[Kindesmissbrauch]]s oder einer tatsächlichen [[Vernachlässigung]] entstanden ist, keine Eltern-Kind-Entfremdung.<ref name=Hoult2006/><ref>{{cite journal |last=Gardner |first=RA |title=Recommendations for Dealing with Parents who Induce a Parental Alienation Syndrome in their Children |journal=Journal of Divorce & Remarriage |year=1998 |volume=28 |issue=3/4 |pages=1–21 |doi=10.1300/J087v28n03_01}}</ref>


Die bekannteste Beschreibung ist die von [[Richard Gardner]] aus dem Jahre 1985. Eine Reihe von Faktoren seien für dieses Verhalten verantwortlich, so Gardner, unter anderem die Diffamierung und Herabsetzung des nicht betreuenden Elternteils seitens des betreuenden Elternteils und die daraus resultierende Ablehnung des getrennt lebenden Elternteils durch das Kind.<ref name=Gardner2001>{{cite journal |last=Gardner |first=RA |authorlink=Richard Gardner |title=Parental Alienation Syndrome (PAS): Sixteen Years Later |year=2001 |journal=Academy Forum |volume=45 |issue=1 |url=http://www.fact.on.ca/Info/pas/gard01b.htm |pages= 10–12 |accessdate=2009-03-31}}</ref>
Gardners Theorie und diesbezügliche Forschung wurden extensiv kritisiert und die EKE wird weder von Ärzten noch Juristen als Störung anerkannt.<ref name=Bernet2008>{{cite journal |last=Bernet |first=W |title=Parental Alienation Disorder and DSM-V |journal=The American Journal of Family Therapy |volume=36 |issue=5 |year=2008 |pages=349–366 |doi=10.1080/01926180802405513}}</ref><ref name=Faller1998>{{cite journal |last=Faller |first=KC |year=1998 |title=The parental alienation syndrome: What is it and what data support it? |journal=Child Maltreatment |volume=3 |issue=2 |pages=100–115 |url=http://www.leadershipcouncil.org/docs/Faller1998.pdf |format=pdf |doi=10.1177/1077559598003002005}}</ref><ref name=Bruch2001>{{cite journal |last=Bruch |first=CS |year=2001 |title=Parental Alienation Syndrome and Parental Alienation: Getting It Wrong in Child Custody Cases |journal=Family Law Quarterly |volume=35 |issue=527 |pages=527–552 |url=http://www.law.ucdavis.edu/faculty/Bruch/files/fam353_06_Bruch_527_552.pdf |format=pdf}}</ref><ref name=Wood1994>{{cite journal |last=Wood |first=CL |year=1994 |title=The parental alienation syndrome: a dangerous aura of reliability |journal=Loyola of Los Angeles Law Review |volume=29 |pages=1367–1415 |url=http://fact.on.ca/Info/pas/wood94.htm |accessdate=2008-04-12}}</ref><ref name=Hoult2006>{{cite journal |last=Hoult |first=JA |year=2006 |title=The Evidentiary Admissibility of Parental Alienation Syndrome: Science, Law, and Policy |journal=Children's Legal Rights Journal |volume=26 |issue=1 |url=http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=910267}}</ref> Eine Fachjury sowie das [[Court of Appeal (England und Wales)]] haben die EKE unter [[Beweisverbot]] gestellt. Das kanadische Justizministerium hat sich gegen die Verwendung der EKE als Beweismittel ausgesprochen, allerdings tauchte die EKE in einigen Familienrechtstreitigkeiten in den [[Vereinigte Staaten von Amerika|Vereinigten Staaten]] auf.<ref name=Fortin2003>{{Cite book|last=Fortin |first=Jane |title=Children's Rights and the Developing Law |publisher=[[Cambridge University Press]] |year=2003 |pages=[http://books.google.ca/books?id=etLxpQQQgocC&pg=PA263 263] |isbn=9780521606486}}</ref><ref name=Bainham2005>{{Cite book|last=Bainham |first=Andrew |title=Children: The Modern Law |publisher=Jordans |year=2005 |pages=[http://books.google.ca/books?id=FIFWXhTi5AYC&pg=PA161 161] |isbn=9780853089391}}</ref> Die EKE wird weder im [[Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders]] der [[American Psychiatric Association]] noch in der [[Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme|Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme]] der [[WHO]] als Störung klassifiziert.


Dagegen ist die Ablehnung eines Elternteils durch das Kind, die rational begründbar in Folge eines [[Kindesmissbrauch]]s oder einer tatsächlichen [[Vernachlässigung]] entstanden ist, keine Eltern-Kind-Entfremdung.<ref name=Hoult2006/><ref>{{cite journal |last=Gardner |first=RA |title=Recommendations for Dealing with Parents who Induce a Parental Alienation Syndrome in their Children |journal=Journal of Divorce & Remarriage |year=1998 |volume=28 |issue=3/4 |pages=1–21 |doi=10.1300/J087v28n03_01}}</ref>
== Eigenschaften und Symptome ==

Das elterliche Entfremdungssyndrom wurde 1985 zum ersten Mal von dem US-amerikanischen [[Kinder- und Jugendpsychiatrie|Kinderpsychiater]] [[Richard Gardner|Richard A. Gardner]] so bezeichnet und beschrieben.<ref name=Gardner2001/> Gardner beschrieb das elterliche Entfremdungssyndrom als die Beschäftigung des Kindes damit, einen Elternteil zu kritisieren und abzuwerten.<ref name="Ackerman">{{Cite book|last=Ackerman, Ph.D |first=Marc J. |title=Clinician's Guide to Child Custody Evaluations |publisher=John Wiley and Sons, |year=2002 |pages=73–82 |isbn=9780471150916 |url=http://books.google.com/?id=q9E_rg94Cs4C&pg=PA73}}</ref> Laut Gardner tritt das Syndrom dann auf, wenn im Kontext eines Sorgerechtstreits ein Elternteil bewusst oder unbewusst versucht, das Kind vom anderen Elternteil zu entfremden.<ref name="jaffe">{{Cite book|last=Jaffe |first=Peter G. |coauthors=Lemon, Nancy K. D., Poisson, Samantha E. |title=Child Custody & Domestic Violence |publisher=SAGE Publications |year=2002 |pages=52–54 |isbn=9780761918264 |url=http://books.google.com/?id=bbZmp7ALOq4C&pg=PA52}}</ref> Gardner zufolge äußert sich das Syndrom in Form von [[Richard Gardner#Gardners Definition des Parental Alienation Syndrome .28PAS.29|acht Symptomen]], die sich im Verhalten des Kindes zeigen. Diese Symptome sind Hass und Abwertung eines Elternteils durch das Kind; schwache, absurde, oder alberne Begründungen für diesen Hass und diese Abwertung; Fehlen der üblichen Ambivalenz gegenüber dem entfremdeten Elternteil; starkes Bestehen des Kindes darauf, dass es allein seine Entscheidung war, einen Elternteil abzulehnen; reflexartige Unterstützung des bevorzugeten Elternteils während des Sorgerechtstreits; Fehlen von Schuldgefühlen bezüglich des Verhaltens gegenüber dem entfremdeten Elternteil; Gebrauch von Redewendungen und Szenarien des bevorzugten Elternteils; Abwertung nicht nur des entfremdeten Elternteils, sondern auch dessen Familie und Freunde.<ref name="Baker2007">{{cite journal |last=Baker |first=AJL |year=2007 |title=Knowledge and Attitudes About the Parental Alienation Syndrome: A Survey of Custody Evaluators |journal=American Journal of Family Therapy |volume=35 |issue=1 |pages=1–19 |doi=10.1080/01926180600698368}}</ref><ref name=Gardner2002>{{cite journal |last=Gardner |first=RA |year=2002 |title=Denial of the Parental Alienation Syndrome Also Harms Women |journal=American Journal of Family Therapy |volume=30 |issue=3 |pages=191–202 |doi=10.1080/019261802753577520}}</ref><ref name=Walker2004>{{cite journal |title=A Critical Analysis of Parental Alienation Syndrome and Its Admissibility in the Family Court |journal=Journal of Child Custody |last=Walker |first=LEA |coauthors=Brantley KL; Rigsbee JA |volume=1 |issue=2 |year=2004 |doi= 10.1300/J190v01n02_03 |pages=47–74}}</ref> Diese acht Faktoren wurden allerdings nicht von Experten in dem Bereich erforscht.<ref name=Bow2009>{{cite journal |last=Bow |first=JN |coauthors=Gould JW; Flens JR |year=2009 |title=Examining Parental Alienation in Child Custody Cases: A Survey of Mental Health and Legal Professionals |journal=The American Journal of Family Therapy |volume=37 |issue=2 |pages=127–145 |doi=10.1080/01926180801960658}}</ref>
Die Eltern-Kind-Entfremdung ist seit mindestens 60 Jahren in der psychiatrischen Fachliteratur beschrieben, ohne allerdings so benannt oder weiter beachtet zu werden.<ref name=Stephens2009>{{cite journal |last=Stephens |first=Richard |authorlink=Richard Stephens |title=The Long History Of PAS |url=http://glennsacks.com/blog/?=3825 |accessdate=2011-06}}</ref>

Erst in jüngster Zeit findet die Eltern-Kind-Entfremdung verstärkt Beachtung, da vermehrt erwachsene Scheidungskinder mit teilweise erheblichen psychischen und psychosomatischen Störungen in die Praxen der Therapeuten kommen.<ref name=Boch-Galhau2012>{{cite book |last=von Boch-Galhau |first=Wilfrid
|title=Parental Alienation und Parental Alienation Syndrome/Disorder: Eine ernstzunehmende Form von psychischer Kindesmisshandlung -mit Fallbeispielen- |publisher=VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung |year=2012 |isbn=90783861351788}}</ref>

Inzwischen ist die Eltern-Kind-Entfremdung in einigen Ländern bereits justiziabel.
In Brasilien wurde zum Beispiel 2010 ein Gesetz (LAW 12318) zum Thema "Parental Alienation" erlassen, mit dem elterliches Entfremdungsverhalten sanktioniert wird. <ref name=LAW12318>http://www.planalto.gov.br/ccivil_03/_Ato2007-2010/2010/Lei/L12318.htm</ref>

Auch bei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wurde das EKE in mehreren Entscheidungen berücksichtigt.

== Eigenschaften und Symptome nach Gardner (1985) ==
Der US-amerikanische [[Kinder- und Jugendpsychiatrie|Kinderpsychiater]] [[Richard Gardner|Richard A. Gardner]] beschrieb 1985 das elterliche Entfremdungssyndrom als die Beschäftigung des Kindes damit, einen Elternteil zu kritisieren und abzuwerten.<ref name=Gardner2001/><ref name="Ackerman">{{Cite book|last=Ackerman, Ph.D |first=Marc J. |title=Clinician's Guide to Child Custody Evaluations |publisher=John Wiley and Sons, |year=2002 |pages=73–82 |isbn=9780471150916 |url=http://books.google.com/?id=q9E_rg94Cs4C&pg=PA73}}</ref> Laut Gardner tritt das Syndrom dann auf, wenn im Kontext eines Sorgerechtstreits ein Elternteil bewusst oder unbewusst versucht, das Kind vom anderen Elternteil zu entfremden.<ref name="jaffe">{{Cite book|last=Jaffe |first=Peter G. |coauthors=Lemon, Nancy K. D., Poisson, Samantha E. |title=Child Custody & Domestic Violence |publisher=SAGE Publications |year=2002 |pages=52–54 |isbn=9780761918264 |url=http://books.google.com/?id=bbZmp7ALOq4C&pg=PA52}}</ref> Gardner zufolge äußert sich das Syndrom in Form von [[Richard Gardner#Gardners Definition des Parental Alienation Syndrome .28PAS.29|acht Symptomen]], die sich im Verhalten des Kindes zeigen. Diese Symptome sind Hass und Abwertung eines Elternteils durch das Kind; schwache, absurde, oder alberne Begründungen für diesen Hass und diese Abwertung; Fehlen der üblichen Ambivalenz gegenüber dem entfremdeten Elternteil; starkes Bestehen des Kindes darauf, dass es allein seine Entscheidung war, einen Elternteil abzulehnen; reflexartige Unterstützung des bevorzugeten Elternteils während des Sorgerechtstreits; Fehlen von Schuldgefühlen bezüglich des Verhaltens gegenüber dem entfremdeten Elternteil; Gebrauch von Redewendungen und Szenarien des bevorzugten Elternteils; Abwertung nicht nur des entfremdeten Elternteils, sondern auch dessen Familie und Freunde.<ref name="Baker2007">{{cite journal |last=Baker |first=AJL |year=2007 |title=Knowledge and Attitudes About the Parental Alienation Syndrome: A Survey of Custody Evaluators |journal=American Journal of Family Therapy |volume=35 |issue=1 |pages=1–19 |doi=10.1080/01926180600698368}}</ref><ref name=Gardner2002>{{cite journal |last=Gardner |first=RA |year=2002 |title=Denial of the Parental Alienation Syndrome Also Harms Women |journal=American Journal of Family Therapy |volume=30 |issue=3 |pages=191–202 |doi=10.1080/019261802753577520}}</ref><ref name=Walker2004>{{cite journal |title=A Critical Analysis of Parental Alienation Syndrome and Its Admissibility in the Family Court |journal=Journal of Child Custody |last=Walker |first=LEA |coauthors=Brantley KL; Rigsbee JA |volume=1 |issue=2 |year=2004 |doi= 10.1300/J190v01n02_03 |pages=47–74}}</ref><ref name=Bow2009>{{cite journal |last=Bow |first=JN |coauthors=Gould JW; Flens JR |year=2009 |title=Examining Parental Alienation in Child Custody Cases: A Survey of Mental Health and Legal Professionals |journal=The American Journal of Family Therapy |volume=37 |issue=2 |pages=127–145 |doi=10.1080/01926180801960658}}</ref>


Gardner unterscheidet drei Stufen von EKE, eine milde, eine mittlere und eine schwere. Die Anzahl und das Ausmaß der acht Symptome nehmen im Verlauf der Stufen zu.<ref name="Gardner2006">{{Cite book|last=Gardner |first=Richard A. |title=The International Handbook of Parental Alienation Syndrome: Conceptual, Clinical And Legal Considerations |editor=Gardner, Richard A.; Sauber, S. Richard; Lorandos, Demosthenes |publisher=Charles C. Thomas |date=2006 |pages=5–11 |chapter=Introduction |isbn=978-0398076474}}</ref> Als schwache Entfremdung gilt, wenn das Kind zwar gegen den entfremdeten, getrennt lebenden Elternteil eingestellt ist, es aber die Besuche des getrennt lebenden Elternteils wenig oder überhaupt nicht ablehnt. Die mittlere Stufe des Syndroms äußert sich in mehr Ablehnung von Besuchen und deutlich negativer Einstellung gegenüber dem entfremdeten Elternteil. Gardner empfiehlt in solchen Fällen, dass der betreuende Elternteil das Sorgerecht behält falls er es unterlässt, das Kind vom getrennt lebenden Elternteil zu entfremden. Falls die Entfremdung fortgeführt wird, so empfiehlt Gardner die Übertragung des Sorgerechts auf den entfremdeten Elternteil sowie eine Therapie zur Verbesserung der Beziehung zwischen dem Kind und dem entfremdeten Elternteil. In schweren Fällen weist das Kind alle acht Symptome auf und weigert sich, den entfremdeten Elternteil zu besuchen, bis hin zu Drohungen, fortzulaufen oder Selbstmord zu begehen, falls die Besuche fortgesetzt werden. Gardner empfiehlt, das Kind aus dem Haus des betreuenden, bevorzugten Elternteils zu entfernen und es in einem Heim unterzubringen bis das Kind bei dem entfremdeten Elternteil einziehen kann. Zusätzlich befürwortet Gardner eine therapeutische Behandlung des Kindes.<ref name="Gardner2001"/><ref name="Walker2004"/><ref name="Gardner2006"/> Gardners empfohlene Interventionen für die mittlere und schwere Stufe des Syndroms, einschließlich der gerichtlich angeordneten Übergabe des Kindes an den entfremdeten Elternteil, wurden kritisiert, unter anderem als exzessive Strafmaßnahmen gegen das Kind und den betreuenden Elternteil.<ref name="Bala2007">{{cite journal |last=Bala |first=Nicholas |coauthors=Fidler, Barbara-Jo; Goldberg, Dan; Houston, Claire |date=2007 |title=Alienated Children and Parental Separation: Legal Responses in Canada's Family Courts |journal=Queen's Law Journal |volume=38 |pages=79–138 |url= https://litigation-essentials.lexisnexis.com/webcd/app?action=DocumentDisplay&crawlid=1&doctype=cite&docid=33+Queen%27s+L.J.+79&srctype=smi&srcid=3B15&key=5bca75c8720e3f0c59fad9c34a46e5dc}}</ref><ref name="Johnston2004">{{cite journal |last=Johnston |first=JR |coauthors=Kelly JB |date=2004 |title=Rejoinder to Gardner's Commentary on Kelly and Johnston's 'The Alienated Child: A Reformulation of Parental Alienation Syndrome' |journal=Family Court Review |volume=42 |issue=4 |pages=622–628 |doi=10.1111/j.174-1617.2004.tb01328.x |url=http://www3.interscience.wiley.com/journal/118817173/abstract?CRETRY=1&SRETRY=0}}</ref> Mit der Zeit revidierte Gardner seine Ansichten und sprach sich weniger befürwortend für die aggressivsten Interventionen aus.<ref name="Bala2007"/>
Gardner unterscheidet drei Stufen von EKE, eine milde, eine mittlere und eine schwere. Die Anzahl und das Ausmaß der acht Symptome nehmen im Verlauf der Stufen zu.<ref name="Gardner2006">{{Cite book|last=Gardner |first=Richard A. |title=The International Handbook of Parental Alienation Syndrome: Conceptual, Clinical And Legal Considerations |editor=Gardner, Richard A.; Sauber, S. Richard; Lorandos, Demosthenes |publisher=Charles C. Thomas |date=2006 |pages=5–11 |chapter=Introduction |isbn=978-0398076474}}</ref> Als schwache Entfremdung gilt, wenn das Kind zwar gegen den entfremdeten, getrennt lebenden Elternteil eingestellt ist, es aber die Besuche des getrennt lebenden Elternteils wenig oder überhaupt nicht ablehnt. Die mittlere Stufe des Syndroms äußert sich in mehr Ablehnung von Besuchen und deutlich negativer Einstellung gegenüber dem entfremdeten Elternteil. Gardner empfiehlt in solchen Fällen, dass der betreuende Elternteil das Sorgerecht behält falls er es unterlässt, das Kind vom getrennt lebenden Elternteil zu entfremden. Falls die Entfremdung fortgeführt wird, so empfiehlt Gardner die Übertragung des Sorgerechts auf den entfremdeten Elternteil sowie eine Therapie zur Verbesserung der Beziehung zwischen dem Kind und dem entfremdeten Elternteil. In schweren Fällen weist das Kind alle acht Symptome auf und weigert sich, den entfremdeten Elternteil zu besuchen, bis hin zu Drohungen, fortzulaufen oder Selbstmord zu begehen, falls die Besuche fortgesetzt werden. Gardner empfiehlt, das Kind aus dem Haus des betreuenden, bevorzugten Elternteils zu entfernen und es in einem Heim unterzubringen bis das Kind bei dem entfremdeten Elternteil einziehen kann. Zusätzlich befürwortet Gardner eine therapeutische Behandlung des Kindes.<ref name="Gardner2001"/><ref name="Walker2004"/><ref name="Gardner2006"/> Gardners empfohlene Interventionen für die mittlere und schwere Stufe des Syndroms, einschließlich der gerichtlich angeordneten Übergabe des Kindes an den entfremdeten Elternteil, wurden kritisiert, unter anderem als exzessive Strafmaßnahmen gegen das Kind und den betreuenden Elternteil.<ref name="Bala2007">{{cite journal |last=Bala |first=Nicholas |coauthors=Fidler, Barbara-Jo; Goldberg, Dan; Houston, Claire |date=2007 |title=Alienated Children and Parental Separation: Legal Responses in Canada's Family Courts |journal=Queen's Law Journal |volume=38 |pages=79–138 |url= https://litigation-essentials.lexisnexis.com/webcd/app?action=DocumentDisplay&crawlid=1&doctype=cite&docid=33+Queen%27s+L.J.+79&srctype=smi&srcid=3B15&key=5bca75c8720e3f0c59fad9c34a46e5dc}}</ref><ref name="Johnston2004">{{cite journal |last=Johnston |first=JR |coauthors=Kelly JB |date=2004 |title=Rejoinder to Gardner's Commentary on Kelly and Johnston's 'The Alienated Child: A Reformulation of Parental Alienation Syndrome' |journal=Family Court Review |volume=42 |issue=4 |pages=622–628 |doi=10.1111/j.174-1617.2004.tb01328.x |url=http://www3.interscience.wiley.com/journal/118817173/abstract?CRETRY=1&SRETRY=0}}</ref> Mit der Zeit revidierte Gardner seine Ansichten und sprach sich weniger befürwortend für die aggressivsten Interventionen aus.<ref name="Bala2007"/>


Gardners Theorie und diesbezügliche Forschung wurden anfänglich extensiv kritisiert. Lange Zeit wurde die EKE weder von Ärzten noch Juristen als Störung anerkannt beziehungsweise bagatellisiert.<ref name=Bernet2008>{{cite journal |last=Bernet |first=W |title=Parental Alienation Disorder and DSM-V |journal=The American Journal of Family Therapy |volume=36 |issue=5 |year=2008 |pages=349–366 |doi=10.1080/01926180802405513}}</ref><ref name=Faller1998>{{cite journal |last=Faller |first=KC |year=1998 |title=The parental alienation syndrome: What is it and what data support it? |journal=Child Maltreatment |volume=3 |issue=2 |pages=100–115 |url=http://www.leadershipcouncil.org/docs/Faller1998.pdf |format=pdf |doi=10.1177/1077559598003002005}}</ref><ref name=Bruch2001>{{cite journal |last=Bruch |first=CS |year=2001 |title=Parental Alienation Syndrome and Parental Alienation: Getting It Wrong in Child Custody Cases |journal=Family Law Quarterly |volume=35 |issue=527 |pages=527–552 |url=http://www.law.ucdavis.edu/faculty/Bruch/files/fam353_06_Bruch_527_552.pdf |format=pdf}}</ref><ref name=Wood1994>{{cite journal |last=Wood |first=CL |year=1994 |title=The parental alienation syndrome: a dangerous aura of reliability |journal=Loyola of Los Angeles Law Review |volume=29 |pages=1367–1415 |url=http://fact.on.ca/Info/pas/wood94.htm |accessdate=2008-04-12}}</ref><ref name=Hoult2006>{{cite journal |last=Hoult |first=JA |year=2006 |title=The Evidentiary Admissibility of Parental Alienation Syndrome: Science, Law, and Policy |journal=Children's Legal Rights Journal |volume=26 |issue=1 |url=http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=910267}}</ref> Eine Fachjury sowie das [[Court of Appeal (England und Wales)]] hatten die EKE unter [[Beweisverbot]] gestellt. Das kanadische Justizministerium hatte sich gegen die Verwendung der EKE als Beweismittel ausgesprochen, allerdings tauchte die EKE bereits in einigen Familienrechtstreitigkeiten in den [[Vereinigte Staaten von Amerika|Vereinigten Staaten]] auf.<ref name=Fortin2003>{{Cite book|last=Fortin |first=Jane |title=Children's Rights and the Developing Law |publisher=[[Cambridge University Press]] |year=2003 |pages=[http://books.google.ca/books?id=etLxpQQQgocC&pg=PA263 263] |isbn=9780521606486}}</ref><ref name=Bainham2005>{{Cite book|last=Bainham |first=Andrew |title=Children: The Modern Law |publisher=Jordans |year=2005 |pages=[http://books.google.ca/books?id=FIFWXhTi5AYC&pg=PA161 161] |isbn=9780853089391}}</ref> Die EKE wird weder im [[Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders]] der [[American Psychiatric Association]] noch in der [[Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme|Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme]] der [[WHO]] als Störung klassifiziert.

Das EKE ist allerdings bereits unter ICD-10:Z63 erfasst (Andere Kontaktanlässe mit Bezug auf den engeren Familienkreis inkl. Probleme in der Beziehung zu den Eltern oder angeheirateten Verwandten). Damit ist eine explizite eigene Erwähnung nicht unbedingt erforderlich.


== Folgen für das Kind ==
== Folgen für das Kind ==
{{Belege fehlen}}
{{Neutralität}}
{{Neutralität}}
Für das Kind können sich erhebliche psychische Schäden ergeben; manche Psychologen bezeichnen die EKE als eine Form von [[Kindesmisshandlung]] oder [[Emotionaler Missbrauch|emotionalem]] [[Kindesmissbrauch]].<ref>C. Heyne: ''Die sanfte Gewalt: Narzißtischer Mißbrauch''; in: Diess: ''Täterinnen – offene und versteckte Aggression von Frauen'', München, 1996.</ref>
Für das Kind können sich erhebliche psychische Schäden ergeben; manche Psychologen bezeichnen die EKE als eine Form von [[Kindesmisshandlung]] oder [[Emotionaler Missbrauch|emotionalem]] [[Kindesmissbrauch]].<ref>C. Heyne: ''Die sanfte Gewalt: Narzißtischer Mißbrauch''; in: Diess: ''Täterinnen – offene und versteckte Aggression von Frauen'', München, 1996.</ref>
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== Rezeption ==
== Rezeption ==
Das Syndrom wird weder von der [[American Medical Association]] noch von der [[American Psychiatric Association]] anerkannt.<ref name=Hoult2006/><ref name=Dallam1999>{{Cite book |last=Dallam |first=SJ |year=1999 |editors=St. Charles E; Crook L |title=Expose: The failure of family courts to protect children from abuse in custody disputes |publisher=Our Children Our Children Charitable Foundation |chapter=The Parental Alienation Syndrome: Is It Scientific? |url= http://www.leadershipcouncil.org/1/res/dallam/3.html}}</ref><ref name=Caplan2004>{{Cite book |last=Caplan |first=PJ |title=Bias in psychiatric diagnosis |editor=Caplan PJ; Cosgrove L |publisher=Rowman & Littlefield |year=2004 |pages=[http://books.google.ca/books?id=6XPLguPHzHoC&pg=PA62 62] |chapter=What is it that's being called Parental Alienation Syndrome |isbn=9780765700018 }}</ref><ref name=Comeford2009>{{Cite book |last=Comeford |first=L |title=Encyclopedia of Gender and Society |editor=O'Brien J |publisher=SAGE Publications |date=2009 |volume=1 |pages = [http://books.google.ca/books?id=_nyHS4WyUKEC&pg=PA285 285] |chapter=Fatherhood Movements |isbn=9781412909167}}</ref> Die [[American Psychological Association]] (APA) gab keine Stellungnahme zu dem Syndrom ab, äußerte allerdings Bedenken aufgrund fehlender bekräftigender Daten.<ref name=APA1996>{{Cite web|title=APA Statement on Parental Alienation Syndrome |url=http://www.apa.org/news/press/releases/2008/01/pas-syndrome.aspx |publisher=[[American Psychological Association]] |year=1996 |location=Washington, DC |accessdate=2009-03-31}}</ref> Darüber hinaus wies die APA darauf hin, dass das Syndrom in Sorgerechtsfragen als ein Mittel eingesetzt wird, um das Sorgerecht an Väter zu vergeben, die in der Vergangenheit gewalttätig waren.<ref>{{Cite web |title=American Psychological Association Presidential Task Force on Violence And The Family |url=http://www.apa.org/pi/pii/familyvio/issue5.html |archiveurl=http://web.archive.org/web/20000307233013/www.apa.org/pi/pii/familyvio/issue5.html |archivedate=2000-03-07 |publisher=[[American Psychological Association]] |year=1996| accessdate=2012-01-15}}</ref> Andere Kommentatoren teilen diese Besorgnis.<ref name=Bruch2001/><ref name=Sparta2006>{{Cite book|last=Sparta |first=SN |coauthors=Koocher GP |title=Forensic Mental Health Assessment of Children and Adolescents |publisher=[[Oxford University Press]] |year=2006 |pages=[http://books.google.ca/books?id=6bmBtQ2Zl-IC&pg=PA83 83], [http://books.google.ca/books?id=6bmBtQ2Zl-IC&pg=PA219 219–221] |isbn=9780195145847}}</ref> Der United States National Council of Juvenile and Family Court Judges lehnt das Syndrom sowie dessen Verwendung in Sorgerechtsfragen ab.<ref name=Ottaman2008>{{Cite book|last=Ottaman|first=A|coauthors=Lee R|title=Encyclopedia of Interpersonal Violence|editor=Edleson JL; Renzetti, CM|publisher=SAGE Publications |year=2008|pages=[http://books.google.ca/books?id=BOKAMXEA_jQC&pg=PA252 252]|chapter=Fathers' rights movement|isbn=978-1412918008}}</ref>
Das Syndrom wurde lange Zeit weder von der [[American Medical Association]] noch von der [[American Psychiatric Association]] anerkannt.<ref name=Hoult2006/><ref name=Dallam1999>{{Cite book |last=Dallam |first=SJ |year=1999 |editors=St. Charles E; Crook L |title=Expose: The failure of family courts to protect children from abuse in custody disputes |publisher=Our Children Our Children Charitable Foundation |chapter=The Parental Alienation Syndrome: Is It Scientific? |url= http://www.leadershipcouncil.org/1/res/dallam/3.html}}</ref><ref name=Caplan2004>{{Cite book |last=Caplan |first=PJ |title=Bias in psychiatric diagnosis |editor=Caplan PJ; Cosgrove L |publisher=Rowman & Littlefield |year=2004 |pages=[http://books.google.ca/books?id=6XPLguPHzHoC&pg=PA62 62] |chapter=What is it that's being called Parental Alienation Syndrome |isbn=9780765700018 }}</ref><ref name=Comeford2009>{{Cite book |last=Comeford |first=L |title=Encyclopedia of Gender and Society |editor=O'Brien J |publisher=SAGE Publications |date=2009 |volume=1 |pages = [http://books.google.ca/books?id=_nyHS4WyUKEC&pg=PA285 285] |chapter=Fatherhood Movements |isbn=9781412909167}}</ref> Die [[American Psychological Association]] (APA) äußerte Bedenken aufgrund fehlender bekräftigender Daten.<ref name=APA1996>{{Cite web|title=APA Statement on Parental Alienation Syndrome |url=http://www.apa.org/news/press/releases/2008/01/pas-syndrome.aspx |publisher=[[American Psychological Association]] |year=1996 |location=Washington, DC |accessdate=2009-03-31}}</ref> Darüber hinaus wies die APA darauf hin, dass das Syndrom in Sorgerechtsfragen als ein Mittel eingesetzt wird, um das Sorgerecht an Väter zu vergeben, die in der Vergangenheit gewalttätig waren.<ref>{{Cite web |title=American Psychological Association Presidential Task Force on Violence And The Family |url=http://www.apa.org/pi/pii/familyvio/issue5.html |archiveurl=http://web.archive.org/web/20000307233013/www.apa.org/pi/pii/familyvio/issue5.html |archivedate=2000-03-07 |publisher=[[American Psychological Association]] |year=1996| accessdate=2012-01-15}}</ref> <ref name=Bruch2001/><ref name=Sparta2006>{{Cite book|last=Sparta |first=SN |coauthors=Koocher GP |title=Forensic Mental Health Assessment of Children and Adolescents |publisher=[[Oxford University Press]] |year=2006 |pages=[http://books.google.ca/books?id=6bmBtQ2Zl-IC&pg=PA83 83], [http://books.google.ca/books?id=6bmBtQ2Zl-IC&pg=PA219 219–221] |isbn=9780195145847}}</ref> Der United States National Council of Juvenile and Family Court Judges lehnte das Syndrom sowie dessen Verwendung in Sorgerechtsfragen ab.<ref name=Ottaman2008>{{Cite book|last=Ottaman|first=A|coauthors=Lee R|title=Encyclopedia of Interpersonal Violence|editor=Edleson JL; Renzetti, CM|publisher=SAGE Publications |year=2008|pages=[http://books.google.ca/books?id=BOKAMXEA_jQC&pg=PA252 252]|chapter=Fathers' rights movement|isbn=978-1412918008}}</ref>

Das elterliche Entfremdungssyndrom wurde trotz der Bemühungen Gardners und anderer Verfechter des Syndroms<ref name=Gardner2002/><ref name="Rotstein2010">{{cite news |url=http://www.post-gazette.com/pg/10046/1036018-114.stm |title=Mental health professionals getting update on definitions |last=Rotstein |first=Gary |date=2010-02-15 |work=Pittsburgh Post-Gazette |accessdate=2010-03-02}}</ref> nicht in die aktuelle vierte Auflage des [[Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders|Diagnostischen und Statistischen Handbuchs Psychischer Störungen]] (DSM) aufgenommen.<ref name=Hoult2006/><ref name=Dallam1999/><ref name=Caplan2004/><ref name= Comeford2009/>


Auf dem "Canadian Symposium For Parental Alienation Syndrome" im Mai 2011 <ref>http://cspas.ca/press_montreal.shtml</ref> wurde allerdings bekannt gegeben, dass die APA inzwischen ernsthaft erwägt, das Parental Alienation Syndrome in die kommende Ausgabe DSM-5 aufzunehmen, die voraussichtlich im Jahre 2013 erscheinen wird.<ref>http://www.prlog.org/11463120-american-psychiatric-association-reviews-the-science-recognition-of-parental-alienation-disorder.html</ref>
Das elterliche Entfremdungssyndrom wurde trotz der Einflussnahme Gardners und anderer Verfechter des Syndroms<ref name=Gardner2002/><ref name="Rotstein2010">{{cite news |url=http://www.post-gazette.com/pg/10046/1036018-114.stm |title=Mental health professionals getting update on definitions |last=Rotstein |first=Gary |date=2010-02-15 |work=Pittsburgh Post-Gazette |accessdate=2010-03-02}}</ref> nicht in die aktuelle vierte Auflage des [[Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders|Diagnostischen und Statistischen Handbuchs Psychischer Störungen]] (DSM) aufgenommen.<ref name=Hoult2006/><ref name=Dallam1999/><ref name=Caplan2004/><ref name= Comeford2009/> Ein 2010 erschienener Entwurf der fünften Auflage des DSM schloss das Syndrom ebenfalls aus.<ref name="Rotstein2010"/>


Gardner war anfangs der Ansicht, dass Mütter in 90 % der Fälle für die Entfremdung verantwortlich seien, später behauptete er allerdings, dass Mütter und Väter mit gleicher Wahrscheinlichkeit entfremden.<ref name=Jaffe2002/><ref name=Gardner2002/><ref>{{Cite book|author=Baker AJL |title=Adult children of parental alienation syndrome: breaking the ties that bind |publisher=W. W. Norton & Company |location=New York |year=2007 |isbn=0-393-70519-6}}</ref> Das elterliche Entfremdungssyndrom wurde in seiner ursprünglichen Formulierung, in der hauptsächlich Mütter den entfremdenden Elternteil darstellten, von Väterrechtsgruppen befürwortet, weil es Vätern ermöglichte, die Abneigung des Kindes zu erklären und ihren ehemaligen Partnerinnen Schuld zuzuweisen.<ref name="Bala2007"/><ref name="Ottaman2008"/> Das elterliche Entfremdungssyndrom ist als [[Sexismus|sexistisch]] beschrieben worden, weil Väter unter Anführung des Syndroms legitime Ängste und Bedenken hinsichtlich Kindesmissbrauch diskreditieren können.<ref name=Sparta2006>{{Cite book|last=Sparta |first=SN |coauthors=Koocher GP |title=Forensic Mental Health Assessment of Children and Adolescents |publisher=[[Oxford University Press]] |year=2006 |pages=[http://books.google.ca/books?id=6bmBtQ2Zl-IC&pg=PA83 83], [http://books.google.ca/books?id=6bmBtQ2Zl-IC&pg=PA219 219–221] |isbn=9780195145847}}</ref> Frauengruppen sind der Meinung, dass das elterliche Entfremdungssyndrom Missbrauchstätern die Behauptung erleichtere, Missbrauchsbeschuldigungen durch Mutter oder Kind seien das Ergebnis von Gehinrwäsche.<ref name="Bala2007"/> Gardner selbst stellte fest, dass das elterliche Entfremdungssyndrom zunehmend als entlastentes Manöver vor Gericht missbraucht wird,<ref name="Gardner2001b">{{cite journal |last=Gardner |first=Richard |title=Commentary on Kelly and Johnston's The Alienated Child: A Reformulation of Parental Alienation Syndrome |journal=Family Court Review |volume=42 |issue=4 |pages=611–21 |year=2004 |format=pdf |url= http://coleur.googlepages.com/GardnerrRichardACommentaryonKellyand.pdf |doi=10.1177/1531244504268711}}</ref> widersprach aber dem Vorwurf des Sexismus mit der Erklärung, die revidierte Beschreibung des Syndroms gehe davon aus, dass Mütter und Väter gleich häufig entfremden.<ref name="Gardner2001b"/>
Gardner war anfangs der Ansicht, dass Mütter in 90 % der Fälle für die Entfremdung verantwortlich seien, später behauptete er allerdings, dass Mütter und Väter mit gleicher Wahrscheinlichkeit entfremden.<ref name=Jaffe2002/><ref name=Gardner2002/><ref>{{Cite book|author=Baker AJL |title=Adult children of parental alienation syndrome: breaking the ties that bind |publisher=W. W. Norton & Company |location=New York |year=2007 |isbn=0-393-70519-6}}</ref> Das elterliche Entfremdungssyndrom wurde in seiner ursprünglichen Formulierung, in der hauptsächlich Mütter den entfremdenden Elternteil darstellten, von Väterrechtsgruppen befürwortet, weil es Vätern ermöglichte, die Abneigung des Kindes zu erklären und ihren ehemaligen Partnerinnen Schuld zuzuweisen.<ref name="Bala2007"/><ref name="Ottaman2008"/> Das elterliche Entfremdungssyndrom ist als [[Sexismus|sexistisch]] beschrieben worden, weil Väter unter Anführung des Syndroms legitime Ängste und Bedenken hinsichtlich Kindesmissbrauch diskreditieren können.<ref name=Sparta2006>{{Cite book|last=Sparta |first=SN |coauthors=Koocher GP |title=Forensic Mental Health Assessment of Children and Adolescents |publisher=[[Oxford University Press]] |year=2006 |pages=[http://books.google.ca/books?id=6bmBtQ2Zl-IC&pg=PA83 83], [http://books.google.ca/books?id=6bmBtQ2Zl-IC&pg=PA219 219–221] |isbn=9780195145847}}</ref> Frauengruppen sind der Meinung, dass das elterliche Entfremdungssyndrom Missbrauchstätern die Behauptung erleichtere, Missbrauchsbeschuldigungen durch Mutter oder Kind seien das Ergebnis von Gehinrwäsche.<ref name="Bala2007"/> Gardner selbst stellte fest, dass das elterliche Entfremdungssyndrom zunehmend als entlastentes Manöver vor Gericht missbraucht wird,<ref name="Gardner2001b">{{cite journal |last=Gardner |first=Richard |title=Commentary on Kelly and Johnston's The Alienated Child: A Reformulation of Parental Alienation Syndrome |journal=Family Court Review |volume=42 |issue=4 |pages=611–21 |year=2004 |format=pdf |url= http://coleur.googlepages.com/GardnerrRichardACommentaryonKellyand.pdf |doi=10.1177/1531244504268711}}</ref> widersprach aber dem Vorwurf des Sexismus mit der Erklärung, die revidierte Beschreibung des Syndroms gehe davon aus, dass Mütter und Väter gleich häufig entfremden.<ref name="Gardner2001b"/>


=== Wissenschaftlicher Status ===
=== Wissenschaftlicher Status ===
An Gardners Beschreibung des elterlichen Entfremdungssyndroms ist verschiedentlich Kritik geübt worden. Kritiker argumentieren vor allem, dass Gardners Theorie keine wissenschaftlichen Basis hat<ref name="Emery2005">{{cite journal |last=Emery |first=RE |title=Parental Alienation Syndrome: Proponents bear the burden of proof |journal=Family Court Review |volume=43 |issue=1 |pages=8–13 |year=2005 |format=pdf |url=http://www.ncdsv.org/images/PASProponentsBeartheBurdenofProof_Emery_2005.pdf}}</ref><ref name="bond2008">{{cite journal |last=Bond |first=Richard |date=2008 |title= The Lingering Debate Over the Parental Alienation Syndrome Phenomenon |journal = Journal of Child Custody |volume=4 |issue=1 |pages=37–54}}</ref><ref name="Martindale2008">{{Cite book|author=Martindale, David; Gould, Jonathan W. |title=The Art and Science of Child Custody Evaluations |publisher=The Guilford Press |location=New York |year=2007 |isbn=1-59385-488-9}}</ref> und dass es sich um eine [[Hypothese]] handelt, für welche bisher ungenügend Beweise vorgelegt wurden.<ref name="Hoult2006"/><ref name="Emery2005"/><ref name= "Martindale2008"/> Die ersten Publikationen zum Thema erschienen in [[Selbstverlag|Selbstverlagen]] und wurden nicht im Rahmen eines [[Peer-Review]]-Prozesses beurteilt.<ref name=Warshak2001>{{cite journal |last=Warshak |first=RA |year=2001 |title=Current controversies regarding parental alienation syndrome |journal=American Journal of Forensic Psychology |volume=19 |pages=29–59 |format=pdf |url=http://www.rhfinc.org.au/docs/controversies.pdf |issue=3}}</ref> Spätere Ergebnisse wurden zwar in Fachzeitschriften mit Peer-Review veröffentlicht, allerdings handelte es sich bei der Mehrzahl dieser Ergebnisse um [[Anekdotische Evidenz|anekdotische Evidenz]] in Form von [[Fallstudie|Fallstudien]].<ref name= Ackerman2001>{{Cite book|author=Ackerman MJ |title=Clinician's guide to child custody evaluations |publisher=[[John Wiley & Sons]] |location=New York |year=2001 |pages=[http://books.google.ca/books?id=q9E_rg94Cs4C&pg=PA73 73–82] |isbn=0-471-39260-X}}</ref><ref>{{cite journal |url= http://www.ndaa.org/publications/newsletters/update_volume_16_number_6_2003.html |title=Parental Alienation Syndrome: What Professionals Need to Know Part 1 of 2 Update |volume=16 |issue=6 |year=2003 |last=Ragland |first=ER |coauthors=Fields H |journal=American Prosecutors Research Institute Newsletter}}</ref> Darüber hinaus fehle es der beschränkten Forschung zu dem Thema an [[Reliabilität]] und [[Validität]].<ref name=Bruch2001/><ref name=Wood1994/> Das Fehlen von objektiver Forschung, [[Replikation (Versuch)|Replikationsuntersuchungen]], [[Falsifikation|Falsifizierbarkeit]], und unabhängigen Veröffentlichungen führte zu der Behauptung, das Syndrom sei [[Pseudowissenschaft]].<ref name="Faller1998"/><ref name="Emery2005"/><ref name= "bond2008"/> Verfechter des elterlichen Entfremdungssyndroms stimmen zu, dass umfangreiche, systematische Kontrollstudien notwendig sind, um die Validität und Reliabilität des Syndroms zu erforschen.<ref name="Warshak2001"/><ref name="Baker2007"/><ref name="Warshak2003">{{cite journal |last=Warshak |first=Richard A. |title=Bringing sense to Parental Alienation: A Look at the Disputes and the Evidence |journal=Family Law Quarterly |volume=37 |issue=2 |pages=273–301}}</ref>
An Gardners Beschreibung des elterlichen Entfremdungssyndroms ist verschiedentlich Kritik geübt worden. Kritiker argumentieren vor allem, dass Gardners Theorie keine wissenschaftlichen Basis hat<ref name="Emery2005">{{cite journal |last=Emery |first=RE |title=Parental Alienation Syndrome: Proponents bear the burden of proof |journal=Family Court Review |volume=43 |issue=1 |pages=8–13 |year=2005 |format=pdf |url=http://www.ncdsv.org/images/PASProponentsBeartheBurdenofProof_Emery_2005.pdf}}</ref><ref name="bond2008">{{cite journal |last=Bond |first=Richard |date=2008 |title= The Lingering Debate Over the Parental Alienation Syndrome Phenomenon |journal = Journal of Child Custody |volume=4 |issue=1 |pages=37–54}}</ref><ref name="Martindale2008">{{Cite book|author=Martindale, David; Gould, Jonathan W. |title=The Art and Science of Child Custody Evaluations |publisher=The Guilford Press |location=New York |year=2007 |isbn=1-59385-488-9}}</ref> und dass es sich um eine [[Hypothese]] handelt, für welche bisher ungenügend Beweise vorgelegt wurden.<ref name="Hoult2006"/><ref name="Emery2005"/><ref name= "Martindale2008"/> Die ersten Publikationen zum Thema erschienen in [[Selbstverlag]]en und wurden nicht im Rahmen eines [[Peer-Review]]-Prozesses beurteilt.<ref name=Warshak2001>{{cite journal |last=Warshak |first=RA |year=2001 |title=Current controversies regarding parental alienation syndrome |journal=American Journal of Forensic Psychology |volume=19 |pages=29–59 |format=pdf |url=http://www.rhfinc.org.au/docs/controversies.pdf |issue=3}}</ref> Spätere Ergebnisse wurden zwar in Fachzeitschriften mit Peer-Review veröffentlicht, allerdings handelte es sich bei der Mehrzahl dieser Ergebnisse um [[Anekdotische Evidenz|anekdotische Evidenz]] in Form von [[Fallstudie]]n.<ref name= Ackerman2001>{{Cite book|author=Ackerman MJ |title=Clinician's guide to child custody evaluations |publisher=[[John Wiley & Sons]] |location=New York |year=2001 |pages=[http://books.google.ca/books?id=q9E_rg94Cs4C&pg=PA73 73–82] |isbn=0-471-39260-X}}</ref><ref>{{cite journal |url= http://www.ndaa.org/publications/newsletters/update_volume_16_number_6_2003.html |title=Parental Alienation Syndrome: What Professionals Need to Know Part 1 of 2 Update |volume=16 |issue=6 |year=2003 |last=Ragland |first=ER |coauthors=Fields H |journal=American Prosecutors Research Institute Newsletter}}</ref> Darüber hinaus fehle es der beschränkten Forschung zu dem Thema an [[Reliabilität]] und [[Validität]].<ref name=Bruch2001/><ref name=Wood1994/> Das Fehlen von objektiver Forschung, [[Replikation (Versuch)|Replikationsuntersuchungen]], [[Falsifikation|Falsifizierbarkeit]], und unabhängigen Veröffentlichungen führte zu der Behauptung, das Syndrom sei [[Pseudowissenschaft]].<ref name="Faller1998"/><ref name="Emery2005"/><ref name= "bond2008"/> Verfechter der elterlichen Entfremdungssyndroms stimmen zu, dass umfangreiche, systematische Kontrollstudien notwendig sind, um die Validität und Reliabilität des Syndroms zu erforschen.<ref name="Warshak2001"/><ref name="Baker2007"/><ref name="Warshak2003">{{cite journal |last=Warshak |first=Richard A. |title=Bringing sense to Parental Alienation: A Look at the Disputes and the Evidence |journal=Family Law Quarterly |volume=37 |issue=2 |pages=273–301}}</ref>


Die theoretische Fundierung des Syndroms ist als unvollständig, simplifizierend, und fehlerhaft bezeichnet worden, insbesondere weil der Ansatz mehrere Faktoren ignoriert, die auch zur Entfremdung und der [[Bindungstheorie|Auflösung der Bindungen]] zwischen einem Elternteil und Kind beitragen können.<ref name=Warshak2001/><ref name=Jaffe2002>{{Cite book|last=Jaffe |first=PG |coauthors=Lemon NKD; Poisson SE |title=Child Custody & Domestic Violence |publisher=SAGE Publications |year=2002 |pages=[http://books.google.ca/books?id=bbZmp7ALOq4C&pg=PA52 52–54] |isbn=9780761918264}}</ref><ref name=Sparta2006/><ref name= Ackerman2001/><ref name=Waldron1996>{{cite journal |last=Waldron |first=KH |coauthors=Joanis DE |url= http://fact.on.ca/Info/pas/waldron.htm |title=Understanding and Collaboratively Treating Parental Alienation Syndrome |journal=American Journal of Family Law |volume=10 |pages= 121–133 |year=1996}}</ref> Andere Kritikpunkte sind, dass das Syndrom die normale Reaktion des Kindes auf die Scheidung der Eltern mit [[Psychose]] gleichsetzt, die negativen Auswirkungen von Eltern-Kind-Entfremdung übertreibt und Interventionen vorschlägt, die ungenügend erforscht sind und gefährdend sein können.<ref name=Bruch2001/><ref name=Drozd2009>{{Cite book|last=Drozd |first=L |title=The Scientific Basis of Child Custody Decisions, 2nd Edition |editor= Galatzer-Levy RM; Kraus L & Galatzer-Levy J |publisher=[[John Wiley & Sons]] |date=2009 |chapter=Rejection in cases of abuse or alienation in divorcing families |isbn=9780470038581 |pages=[http://books.google.ca/books?id=_-z0OIjyPyEC&pg=PA403 403–416]}}</ref> Gardner wird vorgeworfen, er habe eine diffuse Häufung von Verhaltensweisen als [[Syndrom]] bezeichnet, obwohl es dafür keine angemessene wissenschaftliche Grundlage gibt.<ref name=Warshak2001/><ref name=Caplan2004/> Verfechter des elterlichen Entfremdungssyndroms sind ebenfalls der Meinung, dass die Bezeichnung als Syndrom unangemessen sein kann, weil der Begriff "Syndrom" mehr wissenschaftliche Anerkennungswürdigkeit unterstellt als die Eltern-Kind-Entfremdung derzeit verdient.<ref name="Ackerman"/><ref name="Bala2007"/><ref name="Warshak2003"/>
Die theoretische Fundierung des Syndroms ist als unvollständig, simplifizierend, und fehlerhaft bezeichnet worden, insbesondere weil der Ansatz mehrere Faktoren ignoriert, die auch zur Entfremdung und der [[Bindungstheorie|Auflösung der Bindungen]] zwischen einem Elternteil und Kind beitragen können.<ref name=Warshak2001/><ref name=Jaffe2002>{{Cite book|last=Jaffe |first=PG |coauthors=Lemon NKD; Poisson SE |title=Child Custody & Domestic Violence |publisher=SAGE Publications |year=2002 |pages=[http://books.google.ca/books?id=bbZmp7ALOq4C&pg=PA52 52–54] |isbn=9780761918264}}</ref><ref name=Sparta2006/><ref name= Ackerman2001/><ref name=Waldron1996>{{cite journal |last=Waldron |first=KH |coauthors=Joanis DE |url= http://fact.on.ca/Info/pas/waldron.htm |title=Understanding and Collaboratively Treating Parental Alienation Syndrome |journal=American Journal of Family Law |volume=10 |pages= 121–133 |year=1996}}</ref> Andere Kritikpunkte sind, dass das Syndrom die normale Reaktion des Kindes auf die Scheidung der Eltern mit [[Psychose]] gleichsetzt, die negativen Auswirkungen von Eltern-Kind-Entfremdung übertreibt und Interventionen vorschlägt, die ungenügend erforscht sind und gefährdend sein können.<ref name=Bruch2001/><ref name=Drozd2009>{{Cite book|last=Drozd |first=L |title=The Scientific Basis of Child Custody Decisions, 2nd Edition |editor= Galatzer-Levy RM; Kraus L & Galatzer-Levy J |publisher=[[John Wiley & Sons]] |date=2009 |chapter=Rejection in cases of abuse or alienation in divorcing families |isbn=9780470038581 |pages=[http://books.google.ca/books?id=_-z0OIjyPyEC&pg=PA403 403–416]}}</ref> Gardner wird vorgeworfen, er habe eine diffuse Häufung von Verhaltensweisen als [[Syndrom]] bezeichnet, obwohl es dafür keine angemessene wissenschaftliche Grundlage gibt.<ref name=Warshak2001/><ref name=Caplan2004/> Verfechter des elterlichen Entfremdungssyndroms sind ebenfalls der Meinung, dass die Bezeichnung als Syndrom unangemessen sein kann, weil der Begriff "Syndrom" mehr wissenschaftliche Anerkennungswürdigkeit unterstellt als die Eltern-Kind-Entfremdung derzeit verdient.<ref name="Ackerman"/><ref name="Bala2007"/><ref name="Warshak2003"/>


== Gebrauch des Begriffs im Sorge- und Umgangsrechtsstreit ==
== Gebrauch des Begriffs im Sorge- und Umgangsrechtsstreit ==
In Deutschland haben sich bisher nur vereinzelte Familiengerichte mit dem Problem beschäftigt. Mit dem Erstarken der Väterrechtsbewegung wird das elterliche Entfremdungssyndrom immer häufiger innerhalb von [[Umgangsrecht]]sstreitigkeiten thematisiert.<ref>Zitelmann, Maud (2006): "Kindeswohl unf Kindesrechte in Gerichtsverfahren bei häuslicher Gewalt". In: Barbara Kavemann; Ulrike Kreyssig (Hrsg.) (2006): [http://books.google.de/books?id=xqlGslesBagC&pg=PA155 ''Handbuch Kinder und häusliche Gewalt'']. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage, Wiesbaden, S. 154-155. ISBN 978-3-531-15377-3.</ref> Väterorganisationen bezeichnen die EKE als eine ''andere Form von Kindesmissbrauch''.
In Deutschland haben sich bisher nur vereinzelte Familiengerichte mit dem Problem beschäftigt. Mit dem Erstarken der Väterrechtsbewegung wird das elterliche Entfremdungssyndrom immer häufiger innerhalb von [[Umgangsrecht]]sstreitigkeiten thematisiert.<ref>Zitelmann, Maud (2006): "Kindeswohl unf Kindesrechte in Gerichtsverfahren bei häuslicher Gewalt". In: Barbara Kavemann; Ulrike Kreyssig (Hrsg.) (2006): [http://books.google.de/books?id=xqlGslesBagC&pg=PA155 ''Handbuch Kinder und häusliche Gewalt'']. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage, Wiesbaden, S. 154-155. ISBN 978-3-531-15377-3.</ref>.


Jedoch kann die Wahrnehmung des abgelehnten Elternteils auch zu Fehlinterpretationen und damit zu einer unberechtigten [[Pathologisierung]] des ehemaligen Partners und dessen Beziehung zum Kind führen.<ref name="fichtner">Fichtner, Jörg (2008): [http://books.google.de/books?id=mAXvFdEEuz4C&pg=PA207 "Unter falscher Flagge. Die ganz neue Väterlichkeit durch Mutterdenunziation"]. In: Andrea Geier; Ursula Kocher (Hrsg.) (2008): ''Wider die Frau: zu Geschichte und Funktion misogyner Rede''. Köln: Böhlau, S. 207-228. ISBN 978-3-412-15304-5.</ref> Selten herrscht Einigkeit darüber, ob die Ablehnungsgefühle des Kindes selbstentwickelt oder durch den [[Sorgerecht|sorgeberechtigten]] Elternteil entstanden sind. Der Väterrechtsbewegung wird vorgeworfen, das Kindeswohl mit den Interessen des getrennt lebenden Elternteils, meist des Vaters, zu verwechseln und Mütterlichkeit anzugreifen.<ref name="fichtner"/> Auf Drängen der Väterrechtsbewegung wurde das Besuchsinteresse des getrennt lebenden Elternteils in ein "Umgangsrecht des Kindes" umgeschrieben.<ref>Schwab, Dieter (1997): "Wandlungen der 'Gemeinsamen Elterlichen Sorge'". In: Schilken, Eberhard; Becker-Eberhard, Ekkehard; Gerhardt, Walter (Hrsg.): Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag, 19. November 1997. Bielefeld: Gieseking, S. 717-728. ISBN 9783769405415.</ref>
Jedoch kann die Wahrnehmung des abgelehnten Elternteils auch zu Fehlinterpretationen und damit zu einer unberechtigten [[Pathologisierung]] des ehemaligen Partners und dessen Beziehung zum Kind führen.<ref name="fichtner">Fichtner, Jörg (2008): [http://books.google.de/books?id=mAXvFdEEuz4C&pg=PA207 "Unter falscher Flagge. Die ganz neue Väterlichkeit durch Mutterdenunziation"]. In: Andrea Geier; Ursula Kocher (Hrsg.) (2008): ''Wider die Frau: zu Geschichte und Funktion misogyner Rede''. Köln: Böhlau, S. 207-228. ISBN 978-3-412-15304-5.</ref> Selten herrscht Einigkeit darüber, ob die Ablehnungsgefühle des Kindes selbstentwickelt oder durch den [[Sorgerecht|sorgeberechtigten]] Elternteil entstanden sind. Der Väterrechtsbewegung wird vorgeworfen, das Kindeswohl mit den Interessen des getrennt lebenden Elternteils, meist des Vaters, zu verwechseln und Mütterlichkeit anzugreifen.<ref name="fichtner"/> Auf Drängen der Väterrechtsbewegung wurde das Besuchsinteresse des getrennt lebenden Elternteils in ein "Umgangsrecht des Kindes" umgeschrieben.<ref>Schwab, Dieter (1997): "Wandlungen der 'Gemeinsamen Elterlichen Sorge'". In: Schilken, Eberhard; Becker-Eberhard, Ekkehard; Gerhardt, Walter (Hrsg.): Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag, 19. November 1997. Bielefeld: Gieseking, S. 717-728. ISBN 9783769405415.</ref>
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== Literatur ==
== Literatur ==
* Richard A. Gardner: ''Das elterliche Entfremdungssyndrom (Parental Alienation Syndrome, PAS) : Anregungen für gerichtliche Sorge- und Umgangsregelungen ; eine empirische Untersuchung.'' VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin 2002, ISBN 3-86135-117-X
* Richard A. Gardner: ''Das elterliche Entfremdungssyndrom (Parental Alienation Syndrome, PAS) : Anregungen für gerichtliche Sorge- und Umgangsregelungen ; eine empirische Untersuchung.'' VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin 2002, ISBN 3-86135-117-X
* Wilfrid von Boch-Galhau: ''Parental Alienation und Parental Alienation Syndrome/Disorder: Eine ernstzunehmende Form von psychischer Kindesmisshandlung -mit Fallbeispielen-'' VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 2012, ISBN 9078-3-86135-178-8
* William Bernet: Parental Alienation DSM-V und ICD-11. Charles C. Thomas Publisher, Springfield, Illinois, USA 2011, ISBN-10: 0398079455
* Gabriele ten Hövel: ''Liebe Mama, böser Papa : Eltern-Kind-Entfremdung nach Trennung und Scheidung: Das PAS-Syndrom.'' Kösel Verlag, München 2003, ISBN 3-466-30628-0
* Gabriele ten Hövel: ''Liebe Mama, böser Papa : Eltern-Kind-Entfremdung nach Trennung und Scheidung: Das PAS-Syndrom.'' Kösel Verlag, München 2003, ISBN 3-466-30628-0
* Kerstin Förster: ''Hinter der Fassade ... : Wie werden Interessen von Kindern in Deutschland tatsächlich gewahrt?'' Athelas-Verlag, Dresden 2004, ISBN 3-9809652-0-1
* Kerstin Förster: ''Hinter der Fassade ... : Wie werden Interessen von Kindern in Deutschland tatsächlich gewahrt?'' Athelas-Verlag, Dresden 2004, ISBN 3-9809652-0-1

Version vom 26. Juli 2012, 22:25 Uhr

Eltern-Kind-Entfremdung (EKE), auch elterliches Entfremdungssyndrom (engl. Parental Alienation Syndrome (PAS) nach Gardner 1985, Parental Alienation nach Garrity & Baris 1991 etc.) beschreibt eine von mehreren Autoren über einen längeren Zeitraum unabhängig voneinander beobachtete und unterschiedlich bezeichnete Persönlichkeitsstörung, bei der ein Kind infolge einer konflikthaften Trennung der Eltern dauerhaft und zu Unrecht einen Elternteil herabsetzt und beleidigt.

Die bekannteste Beschreibung ist die von Richard Gardner aus dem Jahre 1985. Eine Reihe von Faktoren seien für dieses Verhalten verantwortlich, so Gardner, unter anderem die Diffamierung und Herabsetzung des nicht betreuenden Elternteils seitens des betreuenden Elternteils und die daraus resultierende Ablehnung des getrennt lebenden Elternteils durch das Kind.[1]

Dagegen ist die Ablehnung eines Elternteils durch das Kind, die rational begründbar in Folge eines Kindesmissbrauchs oder einer tatsächlichen Vernachlässigung entstanden ist, keine Eltern-Kind-Entfremdung.[2][3]

Die Eltern-Kind-Entfremdung ist seit mindestens 60 Jahren in der psychiatrischen Fachliteratur beschrieben, ohne allerdings so benannt oder weiter beachtet zu werden.[4]

Erst in jüngster Zeit findet die Eltern-Kind-Entfremdung verstärkt Beachtung, da vermehrt erwachsene Scheidungskinder mit teilweise erheblichen psychischen und psychosomatischen Störungen in die Praxen der Therapeuten kommen.[5]

Inzwischen ist die Eltern-Kind-Entfremdung in einigen Ländern bereits justiziabel. In Brasilien wurde zum Beispiel 2010 ein Gesetz (LAW 12318) zum Thema "Parental Alienation" erlassen, mit dem elterliches Entfremdungsverhalten sanktioniert wird. [6]

Auch bei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wurde das EKE in mehreren Entscheidungen berücksichtigt.

Eigenschaften und Symptome nach Gardner (1985)

Der US-amerikanische Kinderpsychiater Richard A. Gardner beschrieb 1985 das elterliche Entfremdungssyndrom als die Beschäftigung des Kindes damit, einen Elternteil zu kritisieren und abzuwerten.[1][7] Laut Gardner tritt das Syndrom dann auf, wenn im Kontext eines Sorgerechtstreits ein Elternteil bewusst oder unbewusst versucht, das Kind vom anderen Elternteil zu entfremden.[8] Gardner zufolge äußert sich das Syndrom in Form von acht Symptomen, die sich im Verhalten des Kindes zeigen. Diese Symptome sind Hass und Abwertung eines Elternteils durch das Kind; schwache, absurde, oder alberne Begründungen für diesen Hass und diese Abwertung; Fehlen der üblichen Ambivalenz gegenüber dem entfremdeten Elternteil; starkes Bestehen des Kindes darauf, dass es allein seine Entscheidung war, einen Elternteil abzulehnen; reflexartige Unterstützung des bevorzugeten Elternteils während des Sorgerechtstreits; Fehlen von Schuldgefühlen bezüglich des Verhaltens gegenüber dem entfremdeten Elternteil; Gebrauch von Redewendungen und Szenarien des bevorzugten Elternteils; Abwertung nicht nur des entfremdeten Elternteils, sondern auch dessen Familie und Freunde.[9][10][11][12]

Gardner unterscheidet drei Stufen von EKE, eine milde, eine mittlere und eine schwere. Die Anzahl und das Ausmaß der acht Symptome nehmen im Verlauf der Stufen zu.[13] Als schwache Entfremdung gilt, wenn das Kind zwar gegen den entfremdeten, getrennt lebenden Elternteil eingestellt ist, es aber die Besuche des getrennt lebenden Elternteils wenig oder überhaupt nicht ablehnt. Die mittlere Stufe des Syndroms äußert sich in mehr Ablehnung von Besuchen und deutlich negativer Einstellung gegenüber dem entfremdeten Elternteil. Gardner empfiehlt in solchen Fällen, dass der betreuende Elternteil das Sorgerecht behält falls er es unterlässt, das Kind vom getrennt lebenden Elternteil zu entfremden. Falls die Entfremdung fortgeführt wird, so empfiehlt Gardner die Übertragung des Sorgerechts auf den entfremdeten Elternteil sowie eine Therapie zur Verbesserung der Beziehung zwischen dem Kind und dem entfremdeten Elternteil. In schweren Fällen weist das Kind alle acht Symptome auf und weigert sich, den entfremdeten Elternteil zu besuchen, bis hin zu Drohungen, fortzulaufen oder Selbstmord zu begehen, falls die Besuche fortgesetzt werden. Gardner empfiehlt, das Kind aus dem Haus des betreuenden, bevorzugten Elternteils zu entfernen und es in einem Heim unterzubringen bis das Kind bei dem entfremdeten Elternteil einziehen kann. Zusätzlich befürwortet Gardner eine therapeutische Behandlung des Kindes.[1][11][13] Gardners empfohlene Interventionen für die mittlere und schwere Stufe des Syndroms, einschließlich der gerichtlich angeordneten Übergabe des Kindes an den entfremdeten Elternteil, wurden kritisiert, unter anderem als exzessive Strafmaßnahmen gegen das Kind und den betreuenden Elternteil.[14][15] Mit der Zeit revidierte Gardner seine Ansichten und sprach sich weniger befürwortend für die aggressivsten Interventionen aus.[14]


Gardners Theorie und diesbezügliche Forschung wurden anfänglich extensiv kritisiert. Lange Zeit wurde die EKE weder von Ärzten noch Juristen als Störung anerkannt beziehungsweise bagatellisiert.[16][17][18][19][2] Eine Fachjury sowie das Court of Appeal (England und Wales) hatten die EKE unter Beweisverbot gestellt. Das kanadische Justizministerium hatte sich gegen die Verwendung der EKE als Beweismittel ausgesprochen, allerdings tauchte die EKE bereits in einigen Familienrechtstreitigkeiten in den Vereinigten Staaten auf.[20][21] Die EKE wird weder im Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders der American Psychiatric Association noch in der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO als Störung klassifiziert.

Das EKE ist allerdings bereits unter ICD-10:Z63 erfasst (Andere Kontaktanlässe mit Bezug auf den engeren Familienkreis inkl. Probleme in der Beziehung zu den Eltern oder angeheirateten Verwandten). Damit ist eine explizite eigene Erwähnung nicht unbedingt erforderlich.

Folgen für das Kind

Für das Kind können sich erhebliche psychische Schäden ergeben; manche Psychologen bezeichnen die EKE als eine Form von Kindesmisshandlung oder emotionalem Kindesmissbrauch.[22] Das Kind hat schon einen Elternteil verloren und fürchtet, auch noch den erziehenden und betreuenden Elternteil zu verlieren; dies ist für ein Kind fatal. Es hat kaum eine andere Wahl, als sich ganz dem betreuenden Elternteil zuzuwenden und – wenn dieser es verlangt – den umgangsberechtigten Elternteil ebenfalls kompromisslos abzulehnen. Häufig wird es gezwungen, die Liebe zum Umgangsberechtigten zu verleugnen. Oft spielt das Kind dann eine Doppelrolle: es sagt z. B. der Mutter, dass es nicht zum Vater will, dann spielt es höchst vergnügt und liebevoll mit dem Vater und sagt später der Mutter, wie schlecht der Umgang verlaufen sei. Die meisten Kinder sind mit diesen unter Druck entstandenen Rollenspielen überfordert. Durch die Fokussierung auf das Beziehungsproblem kann es zu einer 'Vernachlässigung des Kindes' dahingehend kommen, dass die Probleme des Kindes nicht erkannt oder falsch interpretiert werden. Das Kind kann dann unnötige seelische Belastungen erfahren - wenn beispielsweise die Abwesenheit des auswärtigen Elternteils als persönliche Ablehnung erlebt wird, ohne dass dies durch den erziehenden Elternteil bearbeitet wird. Im schlimmsten Fall bezieht der erziehende Elternteil das Kind bewusst - oder unbewusst durch die eigene seelische Überforderung - in die Paar-Auseinandersetzung parteilich mit ein.

Dies führt häufig zu psychischen Auffälligkeiten beim Kind. Beispiele:

  • Das unselbstständige, objektiv abhängige Kind kann sich auch ohne aktive Manipulation mit dem – im Paarkonflikt – subjektiv leidenden versorgenden Elternteil übermäßig identifizieren (da es die Emotionen des abwesenden Elternteils im Zusammenleben nicht wahrnehmen kann) und es kann sich eine dem Stockholm-Syndrom vergleichbare Identifikation ergeben, die zur sachlich unbegründeten Entfremdung vom abwesenden Elternteil führt.
  • Das unselbstständige, objektiv abhängige Kind kann durch aktive bewusste oder unbewusste Manipulation durch den versorgenden Elternteil von diesem in seinen Gefühlen in einen seelischen Druck gelangen, der zu einer Identifikation mit dem Aggressor führt, durch die das Kind – im Versuch, den versorgenden Elternteil zu legitimieren – den abwesenden Elternteil (objektiv unbegründet) ablehnt.
  • Ein Kind kann aber – bei entsprechender Bindung an den abwesenden Elternteil – durchaus auch paradox reagieren und, sich mit diesem identifizierend, den versorgenden Elternteil und seine Handlungen ablehnen.

Rezeption

Das Syndrom wurde lange Zeit weder von der American Medical Association noch von der American Psychiatric Association anerkannt.[2][23][24][25] Die American Psychological Association (APA) äußerte Bedenken aufgrund fehlender bekräftigender Daten.[26] Darüber hinaus wies die APA darauf hin, dass das Syndrom in Sorgerechtsfragen als ein Mittel eingesetzt wird, um das Sorgerecht an Väter zu vergeben, die in der Vergangenheit gewalttätig waren.[27] [18][28] Der United States National Council of Juvenile and Family Court Judges lehnte das Syndrom sowie dessen Verwendung in Sorgerechtsfragen ab.[29]

Das elterliche Entfremdungssyndrom wurde trotz der Bemühungen Gardners und anderer Verfechter des Syndroms[10][30] nicht in die aktuelle vierte Auflage des Diagnostischen und Statistischen Handbuchs Psychischer Störungen (DSM) aufgenommen.[2][23][24][25]

Auf dem "Canadian Symposium For Parental Alienation Syndrome" im Mai 2011 [31] wurde allerdings bekannt gegeben, dass die APA inzwischen ernsthaft erwägt, das Parental Alienation Syndrome in die kommende Ausgabe DSM-5 aufzunehmen, die voraussichtlich im Jahre 2013 erscheinen wird.[32]

Gardner war anfangs der Ansicht, dass Mütter in 90 % der Fälle für die Entfremdung verantwortlich seien, später behauptete er allerdings, dass Mütter und Väter mit gleicher Wahrscheinlichkeit entfremden.[33][10][34] Das elterliche Entfremdungssyndrom wurde in seiner ursprünglichen Formulierung, in der hauptsächlich Mütter den entfremdenden Elternteil darstellten, von Väterrechtsgruppen befürwortet, weil es Vätern ermöglichte, die Abneigung des Kindes zu erklären und ihren ehemaligen Partnerinnen Schuld zuzuweisen.[14][29] Das elterliche Entfremdungssyndrom ist als sexistisch beschrieben worden, weil Väter unter Anführung des Syndroms legitime Ängste und Bedenken hinsichtlich Kindesmissbrauch diskreditieren können.[28] Frauengruppen sind der Meinung, dass das elterliche Entfremdungssyndrom Missbrauchstätern die Behauptung erleichtere, Missbrauchsbeschuldigungen durch Mutter oder Kind seien das Ergebnis von Gehinrwäsche.[14] Gardner selbst stellte fest, dass das elterliche Entfremdungssyndrom zunehmend als entlastentes Manöver vor Gericht missbraucht wird,[35] widersprach aber dem Vorwurf des Sexismus mit der Erklärung, die revidierte Beschreibung des Syndroms gehe davon aus, dass Mütter und Väter gleich häufig entfremden.[35]

Wissenschaftlicher Status

An Gardners Beschreibung des elterlichen Entfremdungssyndroms ist verschiedentlich Kritik geübt worden. Kritiker argumentieren vor allem, dass Gardners Theorie keine wissenschaftlichen Basis hat[36][37][38] und dass es sich um eine Hypothese handelt, für welche bisher ungenügend Beweise vorgelegt wurden.[2][36][38] Die ersten Publikationen zum Thema erschienen in Selbstverlagen und wurden nicht im Rahmen eines Peer-Review-Prozesses beurteilt.[39] Spätere Ergebnisse wurden zwar in Fachzeitschriften mit Peer-Review veröffentlicht, allerdings handelte es sich bei der Mehrzahl dieser Ergebnisse um anekdotische Evidenz in Form von Fallstudien.[40][41] Darüber hinaus fehle es der beschränkten Forschung zu dem Thema an Reliabilität und Validität.[18][19] Das Fehlen von objektiver Forschung, Replikationsuntersuchungen, Falsifizierbarkeit, und unabhängigen Veröffentlichungen führte zu der Behauptung, das Syndrom sei Pseudowissenschaft.[17][36][37] Verfechter der elterlichen Entfremdungssyndroms stimmen zu, dass umfangreiche, systematische Kontrollstudien notwendig sind, um die Validität und Reliabilität des Syndroms zu erforschen.[39][9][42]

Die theoretische Fundierung des Syndroms ist als unvollständig, simplifizierend, und fehlerhaft bezeichnet worden, insbesondere weil der Ansatz mehrere Faktoren ignoriert, die auch zur Entfremdung und der Auflösung der Bindungen zwischen einem Elternteil und Kind beitragen können.[39][33][28][40][43] Andere Kritikpunkte sind, dass das Syndrom die normale Reaktion des Kindes auf die Scheidung der Eltern mit Psychose gleichsetzt, die negativen Auswirkungen von Eltern-Kind-Entfremdung übertreibt und Interventionen vorschlägt, die ungenügend erforscht sind und gefährdend sein können.[18][44] Gardner wird vorgeworfen, er habe eine diffuse Häufung von Verhaltensweisen als Syndrom bezeichnet, obwohl es dafür keine angemessene wissenschaftliche Grundlage gibt.[39][24] Verfechter des elterlichen Entfremdungssyndroms sind ebenfalls der Meinung, dass die Bezeichnung als Syndrom unangemessen sein kann, weil der Begriff "Syndrom" mehr wissenschaftliche Anerkennungswürdigkeit unterstellt als die Eltern-Kind-Entfremdung derzeit verdient.[7][14][42]

Gebrauch des Begriffs im Sorge- und Umgangsrechtsstreit

In Deutschland haben sich bisher nur vereinzelte Familiengerichte mit dem Problem beschäftigt. Mit dem Erstarken der Väterrechtsbewegung wird das elterliche Entfremdungssyndrom immer häufiger innerhalb von Umgangsrechtsstreitigkeiten thematisiert.[45].

Jedoch kann die Wahrnehmung des abgelehnten Elternteils auch zu Fehlinterpretationen und damit zu einer unberechtigten Pathologisierung des ehemaligen Partners und dessen Beziehung zum Kind führen.[46] Selten herrscht Einigkeit darüber, ob die Ablehnungsgefühle des Kindes selbstentwickelt oder durch den sorgeberechtigten Elternteil entstanden sind. Der Väterrechtsbewegung wird vorgeworfen, das Kindeswohl mit den Interessen des getrennt lebenden Elternteils, meist des Vaters, zu verwechseln und Mütterlichkeit anzugreifen.[46] Auf Drängen der Väterrechtsbewegung wurde das Besuchsinteresse des getrennt lebenden Elternteils in ein "Umgangsrecht des Kindes" umgeschrieben.[47]

Da Eltern-Kind-Entfremdung als Syndrom nur dann vorliegt, wenn die Entfremdung vom anderen Elternteil verursacht wurde, und wenn sie nicht aufgrund von Missbrauch oder anderen rational begründbaren Ursachen entstanden ist, ist der bloße Hinweis auf eine Distanzierung für eine Diagnose nicht ausreichend. Deshalb sollte eine Diagnose – wie bei jeder medizinischen Problematik – nur von erfahrenen Fachkräften gestellt werden.

Gegebenenfalls kommt eine Strafverfolgung des verursachenden Elternteils wegen Körperverletzung in Frage.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c RA Gardner: Parental Alienation Syndrome (PAS): Sixteen Years Later. In: Academy Forum. 45. Jahrgang, Nr. 1, 2001, S. 10–12 (on.ca [abgerufen am 31. März 2009]).
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  3. RA Gardner: Recommendations for Dealing with Parents who Induce a Parental Alienation Syndrome in their Children. In: Journal of Divorce & Remarriage. 28. Jahrgang, Nr. 3/4, 1998, S. 1–21, doi:10.1300/J087v28n03_01.
  4. Richard Stephens: The Long History Of PAS. (glennsacks.com [abgerufen am Juni 2011]).
  5. Wilfrid von Boch-Galhau: Parental Alienation und Parental Alienation Syndrome/Disorder: Eine ernstzunehmende Form von psychischer Kindesmisshandlung -mit Fallbeispielen-. VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 2012, ISBN 90783861351788(?!).
  6. http://www.planalto.gov.br/ccivil_03/_Ato2007-2010/2010/Lei/L12318.htm
  7. a b Marc J. Ackerman, Ph.D: Clinician's Guide to Child Custody Evaluations. John Wiley and Sons,, 2002, ISBN 978-0-471-15091-6, S. 73–82 (google.com).
  8. Peter G. Jaffe, Lemon, Nancy K. D., Poisson, Samantha E.: Child Custody & Domestic Violence. SAGE Publications, 2002, ISBN 978-0-7619-1826-4, S. 52–54 (google.com).
  9. a b AJL Baker: Knowledge and Attitudes About the Parental Alienation Syndrome: A Survey of Custody Evaluators. In: American Journal of Family Therapy. 35. Jahrgang, Nr. 1, 2007, S. 1–19, doi:10.1080/01926180600698368.
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  12. JN Bow, Gould JW; Flens JR: Examining Parental Alienation in Child Custody Cases: A Survey of Mental Health and Legal Professionals. In: The American Journal of Family Therapy. 37. Jahrgang, Nr. 2, 2009, S. 127–145, doi:10.1080/01926180801960658.
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  14. a b c d e Nicholas Bala, Fidler, Barbara-Jo; Goldberg, Dan; Houston, Claire: Alienated Children and Parental Separation: Legal Responses in Canada's Family Courts. In: Queen's Law Journal. 38. Jahrgang, 2007, S. 79–138 (lexisnexis.com).
  15. JR Johnston, Kelly JB: Rejoinder to Gardner's Commentary on Kelly and Johnston's 'The Alienated Child: A Reformulation of Parental Alienation Syndrome'. In: Family Court Review. 42. Jahrgang, Nr. 4, 2004, S. 622–628, doi:10.1111/j.174-1617.2004.tb01328.x (wiley.com).
  16. W Bernet: Parental Alienation Disorder and DSM-V. In: The American Journal of Family Therapy. 36. Jahrgang, Nr. 5, 2008, S. 349–366, doi:10.1080/01926180802405513.
  17. a b KC Faller: The parental alienation syndrome: What is it and what data support it? In: Child Maltreatment. 3. Jahrgang, Nr. 2, 1998, S. 100–115, doi:10.1177/1077559598003002005 (leadershipcouncil.org [PDF]).
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  21. Andrew Bainham: Children: The Modern Law. Jordans, 2005, ISBN 978-0-85308-939-1, 161.
  22. C. Heyne: Die sanfte Gewalt: Narzißtischer Mißbrauch; in: Diess: Täterinnen – offene und versteckte Aggression von Frauen, München, 1996.
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  25. a b L Comeford: Encyclopedia of Gender and Society. Hrsg.: O'Brien J. Band 1. SAGE Publications, 2009, ISBN 978-1-4129-0916-7, Fatherhood Movements, 285.
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  31. http://cspas.ca/press_montreal.shtml
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  34. Baker AJL: Adult children of parental alienation syndrome: breaking the ties that bind. W. W. Norton & Company, New York 2007, ISBN 0-393-70519-6.
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  38. a b Martindale, David; Gould, Jonathan W.: The Art and Science of Child Custody Evaluations. The Guilford Press, New York 2007, ISBN 1-59385-488-9.
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  40. a b Ackerman MJ: Clinician's guide to child custody evaluations. John Wiley & Sons, New York 2001, ISBN 0-471-39260-X, 73–82.
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  45. Zitelmann, Maud (2006): "Kindeswohl unf Kindesrechte in Gerichtsverfahren bei häuslicher Gewalt". In: Barbara Kavemann; Ulrike Kreyssig (Hrsg.) (2006): Handbuch Kinder und häusliche Gewalt. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften/ GWV Fachverlage, Wiesbaden, S. 154-155. ISBN 978-3-531-15377-3.
  46. a b Fichtner, Jörg (2008): "Unter falscher Flagge. Die ganz neue Väterlichkeit durch Mutterdenunziation". In: Andrea Geier; Ursula Kocher (Hrsg.) (2008): Wider die Frau: zu Geschichte und Funktion misogyner Rede. Köln: Böhlau, S. 207-228. ISBN 978-3-412-15304-5.
  47. Schwab, Dieter (1997): "Wandlungen der 'Gemeinsamen Elterlichen Sorge'". In: Schilken, Eberhard; Becker-Eberhard, Ekkehard; Gerhardt, Walter (Hrsg.): Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag, 19. November 1997. Bielefeld: Gieseking, S. 717-728. ISBN 9783769405415.

Literatur

  • Richard A. Gardner: Das elterliche Entfremdungssyndrom (Parental Alienation Syndrome, PAS) : Anregungen für gerichtliche Sorge- und Umgangsregelungen ; eine empirische Untersuchung. VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, Berlin 2002, ISBN 3-86135-117-X
  • Wilfrid von Boch-Galhau: Parental Alienation und Parental Alienation Syndrome/Disorder: Eine ernstzunehmende Form von psychischer Kindesmisshandlung -mit Fallbeispielen- VWB Verlag für Wissenschaft und Bildung, 2012, ISBN 9078-3-86135-178-8
  • William Bernet: Parental Alienation DSM-V und ICD-11. Charles C. Thomas Publisher, Springfield, Illinois, USA 2011, ISBN-10: 0398079455
  • Gabriele ten Hövel: Liebe Mama, böser Papa : Eltern-Kind-Entfremdung nach Trennung und Scheidung: Das PAS-Syndrom. Kösel Verlag, München 2003, ISBN 3-466-30628-0
  • Kerstin Förster: Hinter der Fassade ... : Wie werden Interessen von Kindern in Deutschland tatsächlich gewahrt? Athelas-Verlag, Dresden 2004, ISBN 3-9809652-0-1
  • Amy J. L. Baker: Adult Children of Parental Alienation Syndrome. Breaking the Ties that Bind. W. W. Norton & Company, New York, London 2007. A Norton Professional Book ISBN 978-0-393-70519-5
  • Carol S. Bruch: Parental Alienation Syndrome und Parental Alienation : Wie man sich in Sorgerechtsfällen irren kann. In: FamRZ:Zeitschrift für das gesamte Familienrecht. Bd. 49 (2002), Nr. 19, S. 1304-1315, ISSN 0044-2410
  • Ursula Schröder (Sampels): " Auswirkungen auf Trennungskinder und Entstehen des sog. PA-Syndroms. " In: [FamRZ]: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Heft 10 (2000), S. 592 ff.