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„Preußischer Staatsrat (1921–1933)“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Berlin Herrenhaus 1900.jpg|mini|hochkant=1.3|[[Bundesratsgebäude (Berlin)|Preußisches Herrenhaus]], Sitz des Preußischen Staatsrats von 1921 bis 1933]]
Der '''preußische Staatsrat''' war zwischen 1817 und 1918 eine Beratungsinstanz des Throns des Königreichs Preußen (Verordnungen vom 20. März 1817 und 6. Jan. 1848) sowie zwischen 1920 und 1933 die Zweite Kammer des Parlaments des Freistaats Preußen (Art. 31 Preußische Verfassung).


Der '''Preußische Staatsrat''' war im [[Freistaat Preußen]] von 1921 bis 1933 die [[Zweikammersystem|Zweite Kammer]] neben dem [[Preußischer Landtag|Preußischen Landtag]], festgelegt in Art. 31 der [[Preußische Verfassung (1920)|Preußischen Verfassung von 1920]].
== Königreich Preußen ==


== Vorgeschichte ==
[[Bild:Berlin Stadtschloss.jpg|thumb|300px|Berliner Stadtschloss (historische Ansicht), in welchem der Staatsrat zwischen 1817 und 1885 (?) in einem eigens eingerichteten Saal, dem Staatsratssaal, tagte]] Der frühe bzw. ursprüngliche Staatsrat war bis [[1848]] eine wichtige Institution innerhalb der preußischen Regierung, deren Bedeutung jedoch mit der Entwicklung des [[Konstitutionalismus]] nahezu verschwand. Seine Aufgabe war die Beratung des [[König von Preußen|Königs]] in allen die [[Regierung]], [[Gesetzgebung]] und [[Verwaltung]] betreffenden Aufgaben. Seine Beschlussfähigkeit umfasste allerdings lediglich Empfehlungen und Gutachten. Alleiniges [[Exekutivorgan]] blieben der [[König]] und das [[Kabinett]]. Der Staatsrat trat im nach ihm benannten Staatsratssaal des [[Berliner Stadtschloss|Berliner Stadtschlosses]] zusammen.
{{Hauptartikel|Preußischer Staatsrat (1817–1918)}}
Ihm gehörten neben den volljährigen preußischen [[Prinz|Prinzen]] von Amtes wegen die wichtigsten preußischen Staatsbeamten an: der [[Staatskanzler (Preußen)|Staatskanzler]] (als Präsident des Staatsrats, sofern der König nicht selber den Vorsitz inne hatte), die [[Feldmarschall|Feldmarschälle]] (sofern sie in Berlin anwesend waren!), die preußischen Staatsminister, der Staatssekretär des Ministeriums des Königlichen Hofes (als Protokollführer und Schriftwart), der Generalpostmeister, der Chef des Obertribunals, der erste Präsident der Oberrechnungskammer, der Königliche Geheime Kabinetsrat und der Militärberichterstatter des Königs.
Der Staatsrat war in [[Königreich Preußen|Preußen]] innerhalb der [[Exekutive]] bis 1848 eine wichtige Institution, seine Bedeutung schwand jedoch mit der Entwicklung des [[Konstitutionalismus]]. Der Staatsrat verfertigte Gutachten und sprach Empfehlungen aus. Die Entscheidungsmacht lag allein bei König und [[Regierung|Kabinett]].
Einer besonderen Berufung bedürften die Militärgouverneure und die [[Oberpräsident|Oberpräsidenten]] der [[Preußische Provinzen|Provinzen]].
Außerdem konnte der König eine weitere, unbegrenzte Zahl an [[Staatsbeamter|Staatsbeamten]] zu [[Staatsrat (Beamter)|Staatsräten]] ernennen.


Mit der zunehmenden Konstitutionalisierung und der damit verbundenen Forderung nach [[Gewaltentrennung]] wurde der Fortbestand des Staatsrats in Frage gestellt. Die [[Preußische Verfassung (1848/1850)|Preußische Verfassung von 1850]] sah den Staatsrat nicht mehr vor. Mit dem Erlass vom 12. Januar 1852 wurde eine Wiederbelebung versucht. Im konstitutionellen Staat fand der Staatsrat aber keinen rechten Platz. Auch der 1884 gemachte Wiederbelebungsversuch und die Übertragung des Vorsitzes auf [[Friedrich III. (Deutsches Reich)|Kronprinz Friedrich Wilhelm]] hatten keinen nennenswerten Erfolg. Er schlief letztendlich ein.
Innerhalb des Staatsrats wurden Fachausschüsse geschaffen:
1) Für die auswärtigen Angelegenheiten
2) Für das Kriegswesen
3) Für die [[Justiz]]
4) Für die Finanzen]
5) Für den [[Handel]] und die Gewerbe
6) Für die Gegenstände der Ministerien des Innern und der [[Polizei]]
7) Für den [[Kultus]] und die öffentliche Erziehung

Mit der zunehmenden [[Konstitutionalisierung]] und der damit verbundenen Forderung nach nicht-königlichen Entscheidungsträgern bzw. der [[Gewaltenteilung]] wurde der Staatsrat in seiner Existenz in Frage gestellt. Durch die [[Preußische Verfassung|Verfassung von 1850]] verlor der Staatsrat seine Funktion in sofern, dass er nicht mehr in ihr erwähnt wurde. Aus diesem Grund wurde mit dem Erlass vom 12. Januar [[1852]] eine Wiederbelebung versucht. Vermutlich bewährte er sich im neu konstitutionalisierten Staat aber nicht. Auch der [[1884]] gemachte Wiederbelebungsversuch und die Übertragung des Vorsitzes auf den damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm hatten keinen nennenswerten Erfolg.


== Freistaat Preußen ==
== Freistaat Preußen ==
=== Allgemeines ===
Mit der Verabschiedung der [[Preußische Verfassung (1920)|Preußischen Verfassung vom 30. November 1920]] wurde durch den Artikel 31 der Staatsrat als Organ zur Beteiligung der [[Preußische Provinzen|Provinzen]] bei der [[Gesetzgebung]] eingerichtet. Auf diese Weise erhielt der Freistaat ein [[Föderalismus|föderatives]] Element. Ansonsten aber blieb Preußen ein [[Einheitsstaat]], die Provinzen waren also keine [[Gliedstaat]]en.

Als Oberhaus des Preußischen Parlaments trat der Staatsrat im Gebäude des ehemaligen [[Preußisches Herrenhaus|Preußischen Herrenhauses]] in der [[Leipziger Straße (Berlin)|Leipziger Straße in Berlin]] zusammen, dem heutigen [[Bundesratsgebäude (Berlin)|Bundesratsgebäude]].

Der Staatsrat setzte sich aus von den [[Provinziallandtag (Preußen)|Provinziallandtagen]] entsandten Mitgliedern zusammen. Jeder Bürger über 25 Jahren konnte gewählt werden. Die Zahl der Gesandten einer Provinz hing von der Bevölkerungszahl ab, jede Provinz entsandte grundsätzlich mindestens 3 Vertreter (Ausnahme: [[Hohenzollernsche Lande]]: 1 Vertreter), ansonsten entfiel auf 500.000 Einwohner je eine Stimme, und auf einen Rest von mindestens 250.000 Einwohnern entfiel eine weitere Stimme.

Ebenso wie der [[Reichsrat (Deutschland)|Reichsrat]] im Reich hatte der Staatsrat gegenüber dem [[Preußischer Landtag|Landtag]] lediglich ein Einspruchsrecht. Sein Einspruch konnte mit [[Zweidrittelmehrheit]] des Landtags zurückgewiesen werden. Außerdem verfügte er über ein indirektes Initiativrecht: Vorschläge gingen an das [[Preußisches Staatsministerium|Staatsministerium]] und mussten von diesem an den Landtag weitergereicht werden. Alle Staatsausgaben, die über den Haushaltsplan hinausgingen, bedurften der Zustimmung des Staatsrates. Zu allen den Landtag und damit die Gesetzgebung betreffenden Angelegenheiten hatte der Staatsrat ein Äußerungsrecht. Gegenüber dem Staatsministerium besaß er ein Auskunftsrecht.

Einberufen wurde der Staatsrat vom Vorsitzenden, dem Präsidenten, und zwar auf Wunsch sämtlicher Vertreter einer Provinz, eines Fünftels aller Mitglieder oder des Staatsministeriums.

Das Amt des Staatsratspräsidenten bekleidete von 1921 bis 1933 der [[Köln]]er Oberbürgermeister [[Konrad Adenauer]] ([[Deutsche Zentrumspartei|Zentrum]]).

=== Vertreter der Provinzen im preußischen Staatsrat ===
Etwa einen knappen Monat nach den Terminen der Provinziallandtagswahlen fanden die Wahlen der Mitglieder des preußischen Staatsrates durch die Provinziallandtage (an unterschiedlichen Wahlterminen) statt. In der folgenden Liste werden jeweils die Wahltage zu den Provinziallandtagswahlen angegeben.

{| class="wikitable" style="width:100%;"
! style="width:15%;" | Wahltag
! style="width:9%;" | Anzahl
! style="width:9%;" | AG<sup>1</sup>
! style="width:9%;" | [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]
! style="width:9%;" | [[Deutsche Zentrumspartei|Z]]
! style="width:9%;" | [[Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands|USPD]]
! style="width:9%;" | [[Deutsche Demokratische Partei|DDP]]
! style="width:9%;" | [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]]
! style="width:9%;" | [[Deutsch-Hannoversche Partei|DHP]]
! style="width:9%;" | [[Reichspartei des Deutschen Mittelstandes|WP]]
! style="width:9%;" | [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]]
|- style="text-align:center;"
| 21.2.1921
| 79
| 26
| 20
| 20
| 6
| 3
| 3
| 1
|
|
|- style="text-align:center;"
| 16.10.1921
| 79
| 26
| 21
| 20
| 5
| 3
| 3
| 1
|
|
|- style="text-align:center;"
| 19.11.1922
| 77
| 26
| 20
| 19
| 5
| 3
| 3
| 1
|
|
|- style="text-align:center;"
| 29.11.1925
| 81
| 32
| 24
| 17
|
| 2
| 5
|
| 1
|
|- style="text-align:center;"
| 17.11.1929
| 81
| 28
| 22
| 19
|
| 3
| 6
|
| 3
|
|- style="text-align:center;"
| 12.3.1933
| 80
| 6
| 8
| 12
|
|
|
|
|
| 54
|-
|}

<sup>1</sup> AG: Preußische Arbeitsgemeinschaft im Staatsrat: [[Deutschnationale Volkspartei|DNVP]], [[Deutsche Volkspartei|DVP]] und weitere bürgerliche und rechte Parteien

Die stellvertretenden und die ordentlichen Mitglieder des Staatsrates finden sich in der [[Liste der Mitglieder des Preußischen Staatsrates (1921–1933)]].

=== Staatsrat gegen Staatsministerium ===
Der Artikel 31 der Preußischen Verfassung von 1920 besagte: ''„Zur Vertretung der Provinzen bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Staates wird ein Staatsrat gebildet.“'' Staatsratspräsident wurde [[Konrad Adenauer]], der Kölner Oberbürgermeister. Als Politiker der katholischen [[Deutsche Zentrumspartei|Zentrumspartei]] stand er der Staatsregierung ([[Preußisches Staatsministerium|Staatsministerium]]) reserviert gegenüber. Gegenüber dem SPD-[[Ministerpräsident]]en [[Otto Braun]] vertrat er die Auffassung, die Staatsregierung behandle den Staatsrat nicht der Bedeutung nach, die ihm nach der Verfassung zukomme.


Braun und die gesamte Regierung wiederum waren anderer Ansicht: Braun befürchtete Eingriffe in seine [[Richtlinienkompetenz]] als Ministerpräsident, die übrigen Minister, auch die des Zentrums, befürchteten eine mögliche Verwässerung der demokratischen Reformen durch die konservativen [[Ostelbien|ostelbischen]] Provinzen.
[[bild:Foto(43).jpg|thumb|250px|Das Preußische Herrenhaus als Amtssitz des Preußischen Staatsrats von 1920 bis 1933.]] Mit der Verabschiedung der Preußischen Verfassung vom 30. November 1920 wurde durch den Artikel 31 ein Organ zur Vertretung der [[Preußische Provinzen|Provinzen]] bei der [[Gesetzgebung]] geschaffen. Als 2. Kammer des Preußischen Parlaments trat der Staatsrat im ehemaligen [[Preußisches Herrenhaus|Preußischen Herrenhaus]] in der Leipziger Straße in Berlin zusammen.


So entwickelte sich eine Rivalität zwischen beiden Politikern und ihren Staatsorganen, die bis in die frühen 1930er-Jahre zu einer Blockadehaltung des Staatsrats führte. Adenauer brachte seine Sache schon 1922 vor den [[Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich]]. Dieser führte 1923 schließlich einen Vergleich herbei, nachdem Adenauer einen Großteil seiner Forderungen zurückgenommen hatte. Der „Kleinkrieg“ Adenauers gegen Braun dürfte die Staatsregierung zumindest geschwächt, wenn nicht sogar ihr Schaden zugefügt haben.
Der Staatsrat setzte sich aus von den [[Provinziallandtag|Provinziallandtagen]] entsandten Mitgliedern zusammen. Jeder Bürger über 25 Jahren konnte gewählt werden. Die Zahl der Gesandten einer Provinz hing von der Bevölkerungsgröße ab, jede Provinz entsandte grundsätzlich mindestens 3 Vertreter (Ausnahme: [[Hohenzollern-Sigmaringen]]: 1 Vertreter), ansonsten entfiel auf 500.000 Einwohner je eine Stimme und ein Rest von mindestens 250.000 Einwohnern wurde einem vollen Stimmanspruch gleichgesetzt.
Ebenso wie der "Große Bruder", der [[Reichsrat (Deutschland)|Deutsche Reichsrat]], hatte der Staatsrat gegenüber dem [[Preußischer Landtag|Landtag]] lediglich ein Einspruchsrecht (mit 2/3-Mehrheit des Landtags überstimmbar), sowie ein mittelbares Initiativrecht (Vorschläge gingen an das [[Preußisches Staatsministerium|Staatsministerium]] und mussten von ihm an den Landtag weitergereicht werden). Alle Haushaltsausgaben, die über den gesetzten Etat des Staatsministeriums hinausgingen, bedürften ebenso der Zustimmung des Staatsrates. Zu allen den Landtag und damit die Gesetzgebung betreffenden Angelegenheiten hatte der Staatsrat ein Kommentarrecht. Gegenüber dem [[Preußisches Staatsministerium|Staatsministerium]] existierte das Informationsrecht.


=== Politisches Ende 1932 und Umwidmung 1933 ===
Einberufen wurde der Staatsrat vom Vorsitzenden, dem Präsidenten, und zwar auf Wunsch sämtlicher Vertreter einer [[Preußische Provinzen|Provinz]], eines Fünftels aller Mitglieder oder des [[Preußisches Staatsministerium|Staatsministeriums]].


Die Landtagswahl vom 24. April [[1932]], die keine Regierungsmehrheit erbrachte, nahm auch dem Staatsrat weitgehend seine Wirkungsmöglichkeit. Gesetzes- und Haushaltsbeschlüsse konnten nicht mehr durchgeführt werden. Der „[[Preußenschlag]]“ vom 20. Juli [[1932]], bei dem die auf [[Paul von Hindenburg|Hindenburg]] gestützte nationalkonservative [[Kabinett Papen|Reichsregierung]] aus überwiegend Parteilosen – auf Grundlage einer [[Notverordnung]] des Reichspräsidenten (der ein klarer Gegner von [[Otto Braun]]s Politik war) – das Exekutivrecht in [[Preußen]] übernahm, ließ auch dem Staatsrat kaum noch Aktionsraum. Nach der [[Preußen contra Reich|Klage der Staatsregierung und zweier Landtagsfraktionen]] vor dem [[Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich]] entschied dieser: Die Notverordnung hätte der von Otto Braun geführten Landesregierung zwar nicht die Vertretung Preußens im Reichsrat oder sonst gegenüber Reich oder Preußischem Landtag entziehen dürfen, sei aber verfassungsgemäß, soweit sie den [[Reichskanzler]] zum [[Reichskommissar]] für Preußen bestellte und diesen ermächtigte, preußischen Landesministern vorübergehend Amtsbefugnisse zu entziehen und diese Befugnisse selbst zu übernehmen oder anderen Reichskommissaren zu übertragen.
Das Amt des Staatsratspräsidenten wurde zwischen [[1921]] und [[1933]] vom [[Köln|Kölner]] Oberbürgermeister [[Konrad Adenauer]] ([[Zentrum]]) ausgeübt.


[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-S01144, Berlin, Gustav Gründgens als 'Hamlet'.jpg|miniatur|190px|Preußischer Staatsrat von [[Hermann Göring|Göring]]s Gnaden: Staatsschauspieler [[Gustaf Gründgens]] 1936 als Hamlet]]
== Staatsrat gegen Staatsministerium ==
Am 4. Februar [[1933]] beantragte Landtagspräsident [[Hanns Kerrl]] ([[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]]) aus machtpolitischem Interesse an einer vorgezogenen Landtagswahl eine Selbstauflösung des [[Preußischer Landtag|Landtages]], die von den verbleibenden demokratischen Mandatsträgern ([[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]], [[Deutsche Zentrumspartei]], [[Deutsche Staatspartei|DStP]]) jedoch verweigert wurde und mangels Mehrheit nicht zustande kam. Das für die Auflösung notwendige [[Dreimännerkollegium]] aus Landtags-, Minister- und Staatsratspräsident fasste verständlicherweise ebenfalls keinen solchen Beschluss, da eine Neuwahl Braun und langfristig auch [[Konrad Adenauer|Adenauer]] mit größter Wahrscheinlichkeit ihrer Ämter beraubt hätte und Kerrl deswegen keine Mehrheit für seinen Antrag zustande brachte.
[[Bild:Staatsratspräsident-Adenauer.jpg|thumb|Staatsratspräsident Konrad Adenauer während einer Staatsratssitzung, um 1923]] [[Bild:Otto-Braun-Otto-Wels-Carl-Severing-1932.jpg|thumb|300px|[[Otto Braun]] (links), [[Otto Wels]] (Mitte) und der preußische Innenminister [[Carl Severing]], [[SPD]], [[1932]]]]


Kerrl wandte sich daraufhin an [[Reichspräsident]] [[Paul von Hindenburg|Hindenburg]], der mit einer Notverordnung am 6. Februar 1933 rechtswidrig Braun seiner verbliebenen Kompetenzen beraubte und durch den Reichskommissar für Preußen, [[Franz von Papen]], ersetzte. Adenauer blieb im Amt. Als das Dreimännerkollegium erneut zusammen trat, verließ Adenauer den Raum vor der Abstimmung, wohl in der Überzeugung, damit eine Beschlussfassung juristisch unmöglich gemacht zu haben. Papen und Kerrl dagegen interpretierten im Interesse ihrer Zielsetzung Adenauers Aktion als Enthaltung und beschlossen die Auflösung des Landtags; die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens begegnet beträchtlichen Zweifeln.
Der Artikel 31 der [[Preußische Verfassung|Preußischen Verfassung]] besagte: ''"Zur Vertretung der Provinzen bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Staates wird ein Staatsrat gebildet."'' Der Staatsratspräsident, [[Konrad Adenauer]], Oberbürgermeister von [[Köln]] und zuvor durch [[Rheinische Republik|seperatistische Bestrebungen]] sowie generelle antipreußische Denkauffassungen aufgefallener Zentrumspolitker, vertrat gegenüber dem [[Ministerpräsident|Ministerpräsidenten]] [[Otto Braun]] stets die Auffassung, die bestehenden Rechte des Staatsrates würden dem Mitwirkungsrecht in der Verfassungsdefinition dieses Gremiums nicht genügend Rechnung tragen. Da Braun und das gesamte [[Preußisches Staatsministerium|Staatsministerium]] anderer Ansicht waren (Braun sah darin einen Einschnitt in seine [[Richtlinienkompetenz]] als [[Ministerpräsident]], die übrigen Minister, auch die des [[Zentrum|Zentrums]], befürchteten eine mögliche Verwässerung der demokratischen Reformen durch die konservativen ostelbischen Provinzen), entwickelte sich eine Rivalität zwischen beiden Politikern und ihren Gremien, die bis in die frühen 1930er-Jahre zu einer Blockadehaltung des Staatsrats führte. Adenauer brachte seine Sache 1922 vor den [[Preußischer Staatsgerichtshof|Preußischen Staatsgerichtshof]]. Dieser führte 1923 schließlich einen Vergleich herbei, nachdem Adenauer einen Großteil seiner Forderungen zurück genommen hatte.


Bei der parallel zur Reichstagswahl stattfindenden Neuwahl am 5. März erreichte die NSDAP die notwendige Mehrheit, um ein preußisches [[Ermächtigungsgesetz]] zu verabschieden, das dem Reichskanzler jedwede Vollmacht über das Land gab. Damit waren dem Staatsrat seine kolegislative und seine koexekutive Funktion endgültig genommen. Bei den im selben Monat stattfindenden Wahlen zu den Provinziallandtagen konnte sich die NSDAP ebenfalls die Mehrheit der Sitze im Staatsrat sichern. Am 26. April wählte das Gremium [[Robert Ley]], den Reichsorganisationsleiter der NSDAP, zum Nachfolger von Adenauer. Mit dem preußischen „Gesetz über den Staatsrat“ vom 8. Juli 1933 wurde der Staatsrat in seiner bisherigen Funktion aufgelöst.
Mit Sicherheit hat der Kleinkrieg [[Konrad Adenauer|Adenauers]] gegen [[Otto Braun|Braun]] die [[Freistaat Preußen|preußischen Demokratie]] zumindest beeinträchtigt, wenn nicht sogar ihr geschadet.


{{Hauptartikel|Preußischer Staatsrat (ab 1933)}}
== Politisches Ende 1932 und Auflösung 1933 ==
Gleichzeitig mit der Auflösung des alten Staatsrates wurde eine gleichnamige neue Institution geschaffen. Der Staatsrat bestand nun aus Mitgliedern kraft Amtes und solchen, die [[Hermann Göring]] in seiner Funktion als preußischer Ministerpräsident ernannte, um sie mit dem Staatsrats-Titel auszuzeichnen.


== Tagungsort ==
Sein politisches Ende erlebte der Staatsrat mit der [[Landtagswahl]] vom 24. April [[1932]], die keine Regierungsmehrheit erbrachte, womit Gesetzes- und Haushaltsbeschlüsse nicht mehr durchgeführt werden konnten, und dem "[[Preußenschlag]]" vom 20. Juli [[1932]], bei dem die [[Franz von Papen|Reichsregierung]] das Exekutivrecht in [[Preußen]] auf Anordnung des [[Paul von Hindenburg|Reichspräsidenten]] (der ein klarer Gegner von [[Otto Braun|Otto Brauns]] Politik war) übernahm. Nach der Klage [[Otto Braun|Otto Brauns]] vor dem [[Reichsgericht]] blieb er als Ministerpräsident zwar im Amt, die Gesetzesrechte jedoch hatte der [[Reichskommissar]] für Preußen (im Amt des [[Reichskanzler|Reichskanzlers]]) inne. Die Kommunalwahlen 1932 bescherten dem Staatsrat ein gros nationalsozialistischer Politiker; tatsächlich nutzte die NSDAP das Entsendungsrecht gezielt, um ihre Funktionsträger legal in ein bezahltes Amt und damit nach Berlin zu bringen.
Der Preußische Staatsrat tagte zwischen 1921 und 1933 im [[Bundesratsgebäude (Berlin)|Preußischen Herrenhaus]] in der Leipziger Straße. Nach dem Zweiten Weltkrieg beherbergte es einen Teil der [[Akademie der Wissenschaften der DDR]]. Seit dem Jahr 2000 dient das sanierte und wieder mit einem Plenarsaal ausgestattete Gebäude als Sitz des [[Bundesrat (Deutschland)|Bundesrat]]s.


== Mitglieder ==
Am 4. Februar [[1933]] beantragte der [[NSDAP]]-Landtagspräsident [[Hanns Kerrl]] aus machtpolitischem Interesse an einer vorgezogenen Landtagswahl eine Selbstauflösung des [[Preußischer Landtag|Landtages]], die von den verbliebenden demokratischen Mandatsträgern ([[SPD]], [[Zentrum]], [[Deutsche Staatspartei|DStP]]) jedoch verweigert wurde und mangels Mehrheit nicht zu Stande kam. Das für die Auflösung notwendige "[[Dreimännerkollegium]]" aus Landtags-, Minister- und Staatsratspräsident fasste verständlicherweise ebenfalls keinen solchen (notwendigerweise einstimmigen) Beschluss, da eine Neuwahl [[Otto Braun|Braun]] und langfristig auch [[Konrad Adenauer|Adenauer]] mit größter Wahrscheinlichkeit ihrer Ämter beraubt hätte. [[Hanns Kerrl|Kerrl]] wandte sich darauf hin an [[Reichspräsident]] [[Paul von Hindenburg|Hindenburg]], der mit einer [[Notverordnung]] am 6. Februar 1933 rechtswiedrigerweise [[Otto Braun|Braun]] seiner verbliebenen Kompetenzen beraubte und durch den [[Reichskommissar]] für Preußen, [[Franz von Papen]], ersetzte. [[Konrad Adenauer|Adenauer]] wurde aus unbekannten Gründen im Amt belassen. Als das [[Dreimännerkollegium]] erneut zusammen trat, verließ [[Konrad Adenauer|Adenauer]] den Raum vor der Abstimmung, wohl in der Überzeugung, damit eine Beschlussfassung juristisch unmöglich gemacht zu haben. [[Franz von Papen|Papen]] und [[Hanns Kerrl|Kerrl]] dagegen interpretierten rechtswidrig [[Konrad Adenauer|Adenauers]] Aktion als Enthaltung und beschlossen ebenso rechtswidrig die Auflösung des [[Preußischer Landtag|Landtags]]. Bei der parallel zur Reichstagswahl stattfindenden Neuwahl am 5. März erreichte die [[NSDAP]] die notwendige Mehrheit, um ein preußisches [[Ermächtigungsgesetz]] zu verabschieden, das den [[Reichskanzler]] zu jedweder Vollmacht über das Land berechtigte. Damit waren dem Staatsrat seine con-legislative und seine con-exekutive Funktion endgültig genommen. Mit dem "Gesetz zur Umgestaltung der Länder" vom 7. Oktober 1933 wurden Staatsrat und [[Preußischer Landtag|Landtag]] aufgelöst.
Die Mitglieder sind in der [[Liste der Mitglieder des Preußischen Staatsrates (1921–1933)]] aufgeführt.


== Literatur ==
Das Staatsratsgebäude (bis heute noch als "Herrenhaus" bezeichnet) wurde ab [[1934]] von der "[[Stiftung Preußenhaus]]" unter [[Hermann Göring]] dazu genutzt, eine historische Kontinuität von Preußentum und [[Nationalsozialismus]] zu propagieren und zu lehren. Kurzzeitig nutze der neugegründtete [[Volksgerichtshof]] die Büroräume. Mit der Nutzung des Abgeordnetenhauses als "[[Haus der Flieger]]" zogen einige von [[Hermann Göring|Görings]] untergeordneten Referate und Behörden in das Haus. Im Plenarsaal allerdings wurde bis 1999 nie wieder ein Beschluss gefasst, als der [[Bundesrat]] das Gebäude bezog.
* [[Joachim Lilla]]: ''Der Preußische Staatsrat 1921–1933. Ein biographisches Handbuch. Mit einer Dokumentation der im „Dritten Reich“ berufenen Staatsräte'' (= ''Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien.'' Band 13). Droste, Düsseldorf 2005, ISBN 3-7700-5271-4.
* [[Hans Schneider (Jurist)|Hans Schneider]]: ''Der preussische Staatsrat 1817–1918. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte Preußens.'' C. H. Beck, München 1952 (Zugleich: Berlin, Wirtschaftshochschule, Habil.-Schr., 1939/1940).
* [[Friedrich Giese (Rechtswissenschaftler)|Friedrich Giese]]: ''Staatsrat'', in: [[Kurt Jagow]], [[Paul Herre]]: ''Politisches Handwörterbuch''. Koehler, Leipzig 1923, Band 2, S. 701 f.


{{Normdaten|TYP=k|GND=254319-9|VIAF=154217192}}
==Literatur==
* [[Joachim Lilla]]: ''Der Preußische Staatsrat. Ein biographisches Handbuch'', Reihe ''Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien'', Band 13, Droste Verlag, Düsseldorf, 2005


[[Kategorie:Preußischer Staatsrat (1921–1933)| ]]
==Mitglieder==
[[Kategorie:Gegründet 1921]]
* siehe [http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Preu%C3%9Fischer_Staatsrat Mitglieder-Kategorie]
[[Kategorie:Preußen]]
[[Kategorie:Aufgelöst 1933]]
[[Kategorie:Landtag (Preußen)|Staatsrat]]

Aktuelle Version vom 3. April 2024, 22:38 Uhr

Preußisches Herrenhaus, Sitz des Preußischen Staatsrats von 1921 bis 1933

Der Preußische Staatsrat war im Freistaat Preußen von 1921 bis 1933 die Zweite Kammer neben dem Preußischen Landtag, festgelegt in Art. 31 der Preußischen Verfassung von 1920.

Der Staatsrat war in Preußen innerhalb der Exekutive bis 1848 eine wichtige Institution, seine Bedeutung schwand jedoch mit der Entwicklung des Konstitutionalismus. Der Staatsrat verfertigte Gutachten und sprach Empfehlungen aus. Die Entscheidungsmacht lag allein bei König und Kabinett.

Mit der zunehmenden Konstitutionalisierung und der damit verbundenen Forderung nach Gewaltentrennung wurde der Fortbestand des Staatsrats in Frage gestellt. Die Preußische Verfassung von 1850 sah den Staatsrat nicht mehr vor. Mit dem Erlass vom 12. Januar 1852 wurde eine Wiederbelebung versucht. Im konstitutionellen Staat fand der Staatsrat aber keinen rechten Platz. Auch der 1884 gemachte Wiederbelebungsversuch und die Übertragung des Vorsitzes auf Kronprinz Friedrich Wilhelm hatten keinen nennenswerten Erfolg. Er schlief letztendlich ein.

Freistaat Preußen

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Mit der Verabschiedung der Preußischen Verfassung vom 30. November 1920 wurde durch den Artikel 31 der Staatsrat als Organ zur Beteiligung der Provinzen bei der Gesetzgebung eingerichtet. Auf diese Weise erhielt der Freistaat ein föderatives Element. Ansonsten aber blieb Preußen ein Einheitsstaat, die Provinzen waren also keine Gliedstaaten.

Als Oberhaus des Preußischen Parlaments trat der Staatsrat im Gebäude des ehemaligen Preußischen Herrenhauses in der Leipziger Straße in Berlin zusammen, dem heutigen Bundesratsgebäude.

Der Staatsrat setzte sich aus von den Provinziallandtagen entsandten Mitgliedern zusammen. Jeder Bürger über 25 Jahren konnte gewählt werden. Die Zahl der Gesandten einer Provinz hing von der Bevölkerungszahl ab, jede Provinz entsandte grundsätzlich mindestens 3 Vertreter (Ausnahme: Hohenzollernsche Lande: 1 Vertreter), ansonsten entfiel auf 500.000 Einwohner je eine Stimme, und auf einen Rest von mindestens 250.000 Einwohnern entfiel eine weitere Stimme.

Ebenso wie der Reichsrat im Reich hatte der Staatsrat gegenüber dem Landtag lediglich ein Einspruchsrecht. Sein Einspruch konnte mit Zweidrittelmehrheit des Landtags zurückgewiesen werden. Außerdem verfügte er über ein indirektes Initiativrecht: Vorschläge gingen an das Staatsministerium und mussten von diesem an den Landtag weitergereicht werden. Alle Staatsausgaben, die über den Haushaltsplan hinausgingen, bedurften der Zustimmung des Staatsrates. Zu allen den Landtag und damit die Gesetzgebung betreffenden Angelegenheiten hatte der Staatsrat ein Äußerungsrecht. Gegenüber dem Staatsministerium besaß er ein Auskunftsrecht.

Einberufen wurde der Staatsrat vom Vorsitzenden, dem Präsidenten, und zwar auf Wunsch sämtlicher Vertreter einer Provinz, eines Fünftels aller Mitglieder oder des Staatsministeriums.

Das Amt des Staatsratspräsidenten bekleidete von 1921 bis 1933 der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer (Zentrum).

Vertreter der Provinzen im preußischen Staatsrat

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Etwa einen knappen Monat nach den Terminen der Provinziallandtagswahlen fanden die Wahlen der Mitglieder des preußischen Staatsrates durch die Provinziallandtage (an unterschiedlichen Wahlterminen) statt. In der folgenden Liste werden jeweils die Wahltage zu den Provinziallandtagswahlen angegeben.

Wahltag Anzahl AG1 SPD Z USPD DDP KPD DHP WP NSDAP
21.2.1921 79 26 20 20 6 3 3 1
16.10.1921 79 26 21 20 5 3 3 1
19.11.1922 77 26 20 19 5 3 3 1
29.11.1925 81 32 24 17 2 5 1
17.11.1929 81 28 22 19 3 6 3
12.3.1933 80 6 8 12 54

1 AG: Preußische Arbeitsgemeinschaft im Staatsrat: DNVP, DVP und weitere bürgerliche und rechte Parteien

Die stellvertretenden und die ordentlichen Mitglieder des Staatsrates finden sich in der Liste der Mitglieder des Preußischen Staatsrates (1921–1933).

Staatsrat gegen Staatsministerium

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Der Artikel 31 der Preußischen Verfassung von 1920 besagte: „Zur Vertretung der Provinzen bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Staates wird ein Staatsrat gebildet.“ Staatsratspräsident wurde Konrad Adenauer, der Kölner Oberbürgermeister. Als Politiker der katholischen Zentrumspartei stand er der Staatsregierung (Staatsministerium) reserviert gegenüber. Gegenüber dem SPD-Ministerpräsidenten Otto Braun vertrat er die Auffassung, die Staatsregierung behandle den Staatsrat nicht der Bedeutung nach, die ihm nach der Verfassung zukomme.

Braun und die gesamte Regierung wiederum waren anderer Ansicht: Braun befürchtete Eingriffe in seine Richtlinienkompetenz als Ministerpräsident, die übrigen Minister, auch die des Zentrums, befürchteten eine mögliche Verwässerung der demokratischen Reformen durch die konservativen ostelbischen Provinzen.

So entwickelte sich eine Rivalität zwischen beiden Politikern und ihren Staatsorganen, die bis in die frühen 1930er-Jahre zu einer Blockadehaltung des Staatsrats führte. Adenauer brachte seine Sache schon 1922 vor den Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich. Dieser führte 1923 schließlich einen Vergleich herbei, nachdem Adenauer einen Großteil seiner Forderungen zurückgenommen hatte. Der „Kleinkrieg“ Adenauers gegen Braun dürfte die Staatsregierung zumindest geschwächt, wenn nicht sogar ihr Schaden zugefügt haben.

Politisches Ende 1932 und Umwidmung 1933

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Die Landtagswahl vom 24. April 1932, die keine Regierungsmehrheit erbrachte, nahm auch dem Staatsrat weitgehend seine Wirkungsmöglichkeit. Gesetzes- und Haushaltsbeschlüsse konnten nicht mehr durchgeführt werden. Der „Preußenschlag“ vom 20. Juli 1932, bei dem die auf Hindenburg gestützte nationalkonservative Reichsregierung aus überwiegend Parteilosen – auf Grundlage einer Notverordnung des Reichspräsidenten (der ein klarer Gegner von Otto Brauns Politik war) – das Exekutivrecht in Preußen übernahm, ließ auch dem Staatsrat kaum noch Aktionsraum. Nach der Klage der Staatsregierung und zweier Landtagsfraktionen vor dem Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich entschied dieser: Die Notverordnung hätte der von Otto Braun geführten Landesregierung zwar nicht die Vertretung Preußens im Reichsrat oder sonst gegenüber Reich oder Preußischem Landtag entziehen dürfen, sei aber verfassungsgemäß, soweit sie den Reichskanzler zum Reichskommissar für Preußen bestellte und diesen ermächtigte, preußischen Landesministern vorübergehend Amtsbefugnisse zu entziehen und diese Befugnisse selbst zu übernehmen oder anderen Reichskommissaren zu übertragen.

Preußischer Staatsrat von Görings Gnaden: Staatsschauspieler Gustaf Gründgens 1936 als Hamlet

Am 4. Februar 1933 beantragte Landtagspräsident Hanns Kerrl (NSDAP) aus machtpolitischem Interesse an einer vorgezogenen Landtagswahl eine Selbstauflösung des Landtages, die von den verbleibenden demokratischen Mandatsträgern (SPD, Deutsche Zentrumspartei, DStP) jedoch verweigert wurde und mangels Mehrheit nicht zustande kam. Das für die Auflösung notwendige Dreimännerkollegium aus Landtags-, Minister- und Staatsratspräsident fasste verständlicherweise ebenfalls keinen solchen Beschluss, da eine Neuwahl Braun und langfristig auch Adenauer mit größter Wahrscheinlichkeit ihrer Ämter beraubt hätte und Kerrl deswegen keine Mehrheit für seinen Antrag zustande brachte.

Kerrl wandte sich daraufhin an Reichspräsident Hindenburg, der mit einer Notverordnung am 6. Februar 1933 rechtswidrig Braun seiner verbliebenen Kompetenzen beraubte und durch den Reichskommissar für Preußen, Franz von Papen, ersetzte. Adenauer blieb im Amt. Als das Dreimännerkollegium erneut zusammen trat, verließ Adenauer den Raum vor der Abstimmung, wohl in der Überzeugung, damit eine Beschlussfassung juristisch unmöglich gemacht zu haben. Papen und Kerrl dagegen interpretierten im Interesse ihrer Zielsetzung Adenauers Aktion als Enthaltung und beschlossen die Auflösung des Landtags; die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens begegnet beträchtlichen Zweifeln.

Bei der parallel zur Reichstagswahl stattfindenden Neuwahl am 5. März erreichte die NSDAP die notwendige Mehrheit, um ein preußisches Ermächtigungsgesetz zu verabschieden, das dem Reichskanzler jedwede Vollmacht über das Land gab. Damit waren dem Staatsrat seine kolegislative und seine koexekutive Funktion endgültig genommen. Bei den im selben Monat stattfindenden Wahlen zu den Provinziallandtagen konnte sich die NSDAP ebenfalls die Mehrheit der Sitze im Staatsrat sichern. Am 26. April wählte das Gremium Robert Ley, den Reichsorganisationsleiter der NSDAP, zum Nachfolger von Adenauer. Mit dem preußischen „Gesetz über den Staatsrat“ vom 8. Juli 1933 wurde der Staatsrat in seiner bisherigen Funktion aufgelöst.

Gleichzeitig mit der Auflösung des alten Staatsrates wurde eine gleichnamige neue Institution geschaffen. Der Staatsrat bestand nun aus Mitgliedern kraft Amtes und solchen, die Hermann Göring in seiner Funktion als preußischer Ministerpräsident ernannte, um sie mit dem Staatsrats-Titel auszuzeichnen.

Der Preußische Staatsrat tagte zwischen 1921 und 1933 im Preußischen Herrenhaus in der Leipziger Straße. Nach dem Zweiten Weltkrieg beherbergte es einen Teil der Akademie der Wissenschaften der DDR. Seit dem Jahr 2000 dient das sanierte und wieder mit einem Plenarsaal ausgestattete Gebäude als Sitz des Bundesrats.

Die Mitglieder sind in der Liste der Mitglieder des Preußischen Staatsrates (1921–1933) aufgeführt.

  • Joachim Lilla: Der Preußische Staatsrat 1921–1933. Ein biographisches Handbuch. Mit einer Dokumentation der im „Dritten Reich“ berufenen Staatsräte (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band 13). Droste, Düsseldorf 2005, ISBN 3-7700-5271-4.
  • Hans Schneider: Der preussische Staatsrat 1817–1918. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte Preußens. C. H. Beck, München 1952 (Zugleich: Berlin, Wirtschaftshochschule, Habil.-Schr., 1939/1940).
  • Friedrich Giese: Staatsrat, in: Kurt Jagow, Paul Herre: Politisches Handwörterbuch. Koehler, Leipzig 1923, Band 2, S. 701 f.