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„Magdeburger Modell“ – Versionsunterschied

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Als '''Magdeburger Modell''' wurde die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]]-geführte [[Minderheitsregierung]] bezeichnet, die von 1994 bis 2002 in [[Sachsen-Anhalt]] (mit der [[Landeshauptstadt (Deutschland)|Landeshauptstadt]] [[Magdeburg]]) amtierte. Da [[Ministerpräsident]] [[Reinhard Höppner]] über keine eigene Mehrheit im [[Landtag von Sachsen-Anhalt]] verfügte, war er auf die Unterstützung („Tolerierung“) der [[Partei des Demokratischen Sozialismus|PDS]] angewiesen.<ref>{{Internetquelle|url=https://www.welt.de/print-welt/article621620/Das-Magdeburger-Modell-und-andere-Verbiegungen.html|titel=Das Magdeburger Modell und andere Verbiegungen|autor=Ute Semkat|hrsg=|werk=[[Die Welt]]|datum=1998-04-16|sprache=|zugriff=2017-08-06}}</ref> Von 2001 bis 2002 wurde auch in [[Berlin]] übergangsweise nach dem Magdeburger Modell regiert.
Als '''Magdeburger Modell''' wird die Koalitionsregierung bezeichnet, mit welcher [[Reinhard Höppner]] von [[1994]]-[[2002]] in [[Sachsen-Anhalt]] regiert hat.


== Magdeburger Modell in Sachsen-Anhalt ==
Bei der [[Landtag|Landtagswahl 1994]] verfehlte die bisherige [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]-[[Freie Demokratische Partei|FDP]]-[[Koalition]] unter [[Ministerpräsident]] [[Christoph Bergner|Bergner]] ihre Mehrheit, da die FDP die Fünfprozenthürde verfehlte und die CDU nur knapp vor der [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] stärkste Kraft wurde.
Bei der [[Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 1994|Landtagswahl 1994]] in Sachsen-Anhalt verlor die bisherige [[CDU Sachsen-Anhalt|CDU]]/[[Freie Demokratische Partei|FDP]]-[[Koalition (Politik)|Koalition]] ([[Schwarz-gelbe Koalition|''schwarz-gelb'']]) von Ministerpräsident [[Christoph Bergner]] ihre Mehrheit, da die FDP die [[Fünf-Prozent-Hürde in Deutschland|Fünf-Prozent-Hürde]] verfehlte und die CDU nur knapp vor der SPD stärkste Kraft wurde. Auch SPD und [[Bündnis 90/Die Grünen]] erreichten gemeinsam keine Mehrheit der Landtagsmandate. Daher beschlossen die Spitzenkandidaten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Reinhard Höppner und [[Hans-Jochen Tschiche]], eine von der [[Partei des Demokratischen Sozialismus|PDS]] tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden.<ref>{{Internetquelle|url=https://www.fr.de/politik/magdeburger-modell-heidemord-11663517.html|titel=Magdeburger Modell und Heidemord|autor=Bernhard Honnigfort|hrsg=Frankfurter Rundschau GmbH|werk=FR.de|datum=2010-06-18 |sprache= |abruf=2017-08-06}}</ref> Mittels dieser Konstellation wurde Höppner am 21. Juli 1994 im dritten Wahlgang bei mehrheitlicher Stimmenthaltung der Abgeordneten der PDS zum Ministerpräsidenten gewählt und bildete das [[Kabinett Höppner I]].<ref>{{Internetquelle|url=https://padoka.landtag.sachsen-anhalt.de/files/plenum/wp2/001stzg.pdf#page=11|titel=Wahl des Ministerpräsidenten; Vereidigung des Ministerpräsidenten|autor=|hrsg=Landtag von Sachsen-Anhalt|werk=Plenarprotokoll 2/1|seiten=9–26|datum=1994-07-21 |sprache=|format=PDF; 549 kB |abruf=2017-08-06}}</ref>


Das Magdeburger Modell wurde auch nach der [[Landtagswahl in Sachsen-Anhalt 1998|Landtagswahl 1998]] fortgesetzt, obwohl diesmal Bündnis 90/Grüne den erneuten Einzug in den Landtag verfehlte. Die PDS tolerierte daraufhin das [[Kabinett Höppner II]] der SPD gegen die gespaltene [[Opposition (Politik)|Opposition]] aus CDU und [[Deutsche Volksunion|DVU]]. 2002 wurde die Regierung Höppners schließlich von einer CDU/FDP-Koalition des neuen Ministerpräsidenten [[Wolfgang Böhmer]] (CDU) abgelöst.
Rot-Grün als solches erzielte auch keine Mehrheit, so dass Höppner beschloss, eine von der [[Die Linkspartei.|PDS]] tolerierte rot-grüne [[Minderheitsregierung]] zu bilden. Mittels dieser Konstellation wurde Höppner Ministerpräsident.


== Magdeburger Modell in Berlin ==
Nach der Landtagswahl 1998 bildete Höppner eine von der PDS geduldete SPD-Minderheitsregierung, da die Grünen den Wiedereinzug in den Landtag verfehlten.
In Berlin zerbrach im Juni 2001 die seit 1991 bestehende [[Große Koalition]] von CDU und SPD infolge des „[[Berliner Bankenskandal]]s“. Bis zu einer [[Vorgezogene Neuwahl|vorgezogenen Neuwahl]] zum [[Abgeordnetenhaus von Berlin]] regierte [[Klaus Wowereit]] als [[Regierender Bürgermeister von Berlin|Regierender Bürgermeister]] einer [[Übergangsregierung]] aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die ebenfalls auf die Unterstützung der PDS angewiesen war: Zusammen kamen die [[Fraktion (Politik)|Fraktionen]], die Wowereits Minderheitsregierung stützten, auf 60 Sitze im [[Parlament]] gegenüber 76 Sitzen der CDU. Die 33 [[Abgeordneter|Abgeordneten]] der PDS-Fraktion stimmten bei der Wahl des Senats am 16. Juni 2001 mehrheitlich mit SPD und Grünen, sodass alle vorgeschlagenen Kandidaten mit Ergebnissen zwischen 85 und 91 Stimmen gewählt wurden.<ref>{{Internetquelle|url=https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/14/PlenarPr/p14029.pdf#page=5|titel=Wahl des Regierenden Bürgermeisters von Berlin und der Bürgermeister und der weiteren Mitglieder des Senats|autor=|hrsg=Abgeordnetenhaus von Berlin|werk=Plenarprotokoll 14/29|seiten=1613–1620|datum=2001-06-16|sprache=|format=PDF; 208 kB|zugriff=2017-08-06}}</ref>


Nach der [[Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 2001|Abgeordnetenhauswahl vom 21. Oktober 2001]] wurde nach längeren Verhandlungen im Januar 2002 ein [[Rot-rote Koalition|rot-roter]] Mehrheitssenat aus SPD und PDS gebildet und die zuvor lediglich „tolerierende“ PDS war mit drei Senatoren nunmehr aktiv an der Regierung beteiligt.
Insgesamt regierte Höppner acht Jahre lang in einer von der PDS geduldeten Minderheitsregierung, auf Grund des bisher einmaligen Charakters dieser Regierungsform wurde sie, entsprechend der [[Landeshauptstadt]] Sachsen-Anhalts ''[[Magdeburg|Magdeburger]] Modell'' genannt.


== Literatur ==
2002 wurde die Regierung Höppners von einer CDU/FDP-Koalition unter [[Wolfgang Böhmer]] abgelöst.
* Stefan Schieren: ''Fünf Jahre „Magdeburger Modell“. Eine zwiespältige Bilanz'', in: Jürgen Wolf [u. a.] (Hrsg.): ''Geht uns die Luft aus? Perspektiven für das Land'', [[Mitteldeutscher Verlag]], Halle (Saale) 2000, ISBN 3-89812-022-8, S. 29–40. (Jahrbuch für Politik und Gesellschaft in Sachsen-Anhalt)
* [[Christian Starck]]: ''Stabile Minderheitsregierung als heimliche Mehrheitsregierung. Zum „Magdeburger Modell“'', in: [[Jörn Ipsen]] [u. a.] (Hrsg.): ''Recht, Staat, Gemeinwohl. Festschrift für [[Dietrich Rauschning]]'', Heymann, Köln [u. a.] 2001, ISBN 3-452-24672-8, S. 157–172.
* Hendrik Träger / Sven Leunig: ''Ebenenübergreifende Auswirkungen von Koalitionsverhandlungen in den Ländern am Beispiel des „Magdeburger Modells“ (1994)'', in: Julia Oberhofer / [[Roland Sturm]] (Hrsg.): ''Koalitionsregierungen und Parteienwettbewerb in den Ländern'' (= Schriftenreihe des Zentralinstituts für Regionenforschung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Bd. 6), Allitera Verlag, München 2010, ISBN 978-3-86906-142-9, S. 85–104.
* Elrid Wollkopf-Dittmann: ''Das „Magdeburger Modell“. Zwischen parlamentarischem Alltag und öffentlicher Darstellung'', in: Klaus-Bernhard Roy (Hrsg.): ''Wahlen 2002 in Sachsen-Anhalt. Ausgangsbedingungen, Handlungsrahmen, Entscheidungsalternativen'', [[VS Verlag für Sozialwissenschaften|Leske + Budrich]], Opladen 2002, ISBN 3-8100-3509-2, S. 31–46.


== Einzelnachweise ==
[[Kategorie:Politik (Deutschland)]]
<references />

[[Kategorie:Regierungskoalition]]
[[Kategorie:Typ von Regierungskoalition]]
[[Kategorie:Politikgeschichte (Sachsen-Anhalt)]]
[[Kategorie:Kabinett mit SPD-Beteiligung| ]]
[[Kategorie:Kabinett mit Beteiligung von Bündnis 90/Die Grünen| ]]
[[Kategorie:Partei des Demokratischen Sozialismus]]
[[Kategorie:Die Linke]]

Aktuelle Version vom 27. Februar 2025, 14:21 Uhr

Als Magdeburger Modell wurde die SPD-geführte Minderheitsregierung bezeichnet, die von 1994 bis 2002 in Sachsen-Anhalt (mit der Landeshauptstadt Magdeburg) amtierte. Da Ministerpräsident Reinhard Höppner über keine eigene Mehrheit im Landtag von Sachsen-Anhalt verfügte, war er auf die Unterstützung („Tolerierung“) der PDS angewiesen.[1] Von 2001 bis 2002 wurde auch in Berlin übergangsweise nach dem Magdeburger Modell regiert.

Magdeburger Modell in Sachsen-Anhalt

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Bei der Landtagswahl 1994 in Sachsen-Anhalt verlor die bisherige CDU/FDP-Koalition (schwarz-gelb) von Ministerpräsident Christoph Bergner ihre Mehrheit, da die FDP die Fünf-Prozent-Hürde verfehlte und die CDU nur knapp vor der SPD stärkste Kraft wurde. Auch SPD und Bündnis 90/Die Grünen erreichten gemeinsam keine Mehrheit der Landtagsmandate. Daher beschlossen die Spitzenkandidaten von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Reinhard Höppner und Hans-Jochen Tschiche, eine von der PDS tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden.[2] Mittels dieser Konstellation wurde Höppner am 21. Juli 1994 im dritten Wahlgang bei mehrheitlicher Stimmenthaltung der Abgeordneten der PDS zum Ministerpräsidenten gewählt und bildete das Kabinett Höppner I.[3]

Das Magdeburger Modell wurde auch nach der Landtagswahl 1998 fortgesetzt, obwohl diesmal Bündnis 90/Grüne den erneuten Einzug in den Landtag verfehlte. Die PDS tolerierte daraufhin das Kabinett Höppner II der SPD gegen die gespaltene Opposition aus CDU und DVU. 2002 wurde die Regierung Höppners schließlich von einer CDU/FDP-Koalition des neuen Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer (CDU) abgelöst.

Magdeburger Modell in Berlin

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In Berlin zerbrach im Juni 2001 die seit 1991 bestehende Große Koalition von CDU und SPD infolge des „Berliner Bankenskandals“. Bis zu einer vorgezogenen Neuwahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin regierte Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister einer Übergangsregierung aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die ebenfalls auf die Unterstützung der PDS angewiesen war: Zusammen kamen die Fraktionen, die Wowereits Minderheitsregierung stützten, auf 60 Sitze im Parlament gegenüber 76 Sitzen der CDU. Die 33 Abgeordneten der PDS-Fraktion stimmten bei der Wahl des Senats am 16. Juni 2001 mehrheitlich mit SPD und Grünen, sodass alle vorgeschlagenen Kandidaten mit Ergebnissen zwischen 85 und 91 Stimmen gewählt wurden.[4]

Nach der Abgeordnetenhauswahl vom 21. Oktober 2001 wurde nach längeren Verhandlungen im Januar 2002 ein rot-roter Mehrheitssenat aus SPD und PDS gebildet und die zuvor lediglich „tolerierende“ PDS war mit drei Senatoren nunmehr aktiv an der Regierung beteiligt.

  • Stefan Schieren: Fünf Jahre „Magdeburger Modell“. Eine zwiespältige Bilanz, in: Jürgen Wolf [u. a.] (Hrsg.): Geht uns die Luft aus? Perspektiven für das Land, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2000, ISBN 3-89812-022-8, S. 29–40. (Jahrbuch für Politik und Gesellschaft in Sachsen-Anhalt)
  • Christian Starck: Stabile Minderheitsregierung als heimliche Mehrheitsregierung. Zum „Magdeburger Modell“, in: Jörn Ipsen [u. a.] (Hrsg.): Recht, Staat, Gemeinwohl. Festschrift für Dietrich Rauschning, Heymann, Köln [u. a.] 2001, ISBN 3-452-24672-8, S. 157–172.
  • Hendrik Träger / Sven Leunig: Ebenenübergreifende Auswirkungen von Koalitionsverhandlungen in den Ländern am Beispiel des „Magdeburger Modells“ (1994), in: Julia Oberhofer / Roland Sturm (Hrsg.): Koalitionsregierungen und Parteienwettbewerb in den Ländern (= Schriftenreihe des Zentralinstituts für Regionenforschung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Bd. 6), Allitera Verlag, München 2010, ISBN 978-3-86906-142-9, S. 85–104.
  • Elrid Wollkopf-Dittmann: Das „Magdeburger Modell“. Zwischen parlamentarischem Alltag und öffentlicher Darstellung, in: Klaus-Bernhard Roy (Hrsg.): Wahlen 2002 in Sachsen-Anhalt. Ausgangsbedingungen, Handlungsrahmen, Entscheidungsalternativen, Leske + Budrich, Opladen 2002, ISBN 3-8100-3509-2, S. 31–46.

Einzelnachweise

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  1. Ute Semkat: Das Magdeburger Modell und andere Verbiegungen. In: Die Welt. 16. April 1998, abgerufen am 6. August 2017.
  2. Bernhard Honnigfort: Magdeburger Modell und Heidemord. In: FR.de. Frankfurter Rundschau GmbH, 18. Juni 2010, abgerufen am 6. August 2017.
  3. Wahl des Ministerpräsidenten; Vereidigung des Ministerpräsidenten. (PDF; 549 kB) In: Plenarprotokoll 2/1. Landtag von Sachsen-Anhalt, 21. Juli 1994, S. 9–26, abgerufen am 6. August 2017.
  4. Wahl des Regierenden Bürgermeisters von Berlin und der Bürgermeister und der weiteren Mitglieder des Senats. (PDF; 208 kB) In: Plenarprotokoll 14/29. Abgeordnetenhaus von Berlin, 16. Juni 2001, S. 1613–1620, abgerufen am 6. August 2017.