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„Fächerrosette“ – Versionsunterschied

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[[Datei:HöxterFachw.jpg|mini|hochkant=1.3|Geschnitzte, geradlinige Fächerrosetten der [[Weserrenaissance]] (Haus Litto in [[Höxter]])]]
Ziermotiv an [[Fachwerkbau]]ten der [[Renaissance]] vor allem in Deutschland.
'''Fächerrosetten''' oder '''Halbrosetten''' gehören zum Schmuckrepertoire der europäischen und indischen [[Kunst]]. Sie sind abgeleitet aus [[Rosette (Ornamentik)|Vollrosetten]] und können sowohl stehend als auch hängend gestaltet sein. Eine weite Verbreitung als Ziermotiv haben sie an [[Renaissance]]-[[Fachwerkhaus|Fachwerkbauten]] vor allem in Deutschland gefunden.


==Kennzeichen==
== Geschichte ==
[[Datei:Heliodorus-Säule2.jpg|mini|[[Heliodoros-Säule]], bei [[Sanchi]] (um 100 v. Chr.)]]
Die Fächerrosette findet sich in Halb-, Viertel- oder seltener in ganzen Kreisen an der Brüstungszone der Fenster im Bereich der oberen Geschosse und des Giebels. Sie tritt seit der Mitte des 16. Jh. an die Stelle der gotischen [[Fußstrebe]]n und weist eine fächerartige Struktur auf.
[[Datei:Römerturm, Köln.JPG|mini|[[Römerturm (Köln)|Römerturm]], Köln (um 200 n. Chr.)]]
Die Fächerrosette ist als Übertragung des bei den Steinbauten der Renaissance äußerst beliebten Muschelmotivs auf den Fachwerkbau anzusehen. Heute sind die Rosetten oftmals stark farbig gefasst. An einigen Bauten ließ sich allerdings nachweisen, dass diese, in Anlehnung an die Massivbauten, ursprünglich einfarbig gefasst waren.
[[Datei:2012 ravenna 138.jpg|mini|Altar von [[Sant’Apollinare in Classe]], [[Ravenna]]]]
[[Datei:Oviedo - San Miguel de Lillo 4.jpg|mini|[[San Miguel de Lillo]], [[Oviedo]] (um 850)]]
Wie weit Fächerrosetten als Ornament in der Baukunst zurückreichen, ist unklar – antike Beispiele sind jedenfalls kaum bekannt. In der indischen Kunst finden sich Fächerrosetten als [[Lotosblumen|Lotos]]-Abbreviationen und eventuell auch als Symbole der auf- oder untergehenden Sonne beispielsweise an der [[Heliodoros-Säule]] bei [[Sanchi]] bzw. [[Vidisha]] (um 100 v. Chr.) oder an steinernen [[Stupa]]-Zäunen (z. B. Sanchi oder [[Bharhut]]). Einige der frühesten Beispiele Mitteleuropas erscheinen am [[Römerturm (Köln)|Römerturm]] in [[Köln]]. Frühmittelalterliche Fensterrosetten finden sich in den dekorativen Fensterfüllungen der [[Westgotische Architektur|westgotischen]] Kirche [[San Juan de Baños]] bei [[Palencia]] (Kastilien) und der [[Vorromanik|präromanischen]] Kirche von [[San Miguel de Lillo]] bei [[Oviedo]] (Asturien).


==Verbreitung==
== Kennzeichen ==
Die Fächerrosetten der [[Weserrenaissance]] finden sich in Halb- oder Viertelkreisen an den Brüstungszonen der Fenster im Bereich der oberen Geschosse und des Giebels. Erstmals 1532 in [[Halberstadt]] nachgewiesen, tritt sie seit der Mitte des 16. Jahrhunderts zunehmend an die Stelle der gotischen [[Fußstrebe]]n. Ihren Namen erhielt sie von der fächerartigen Struktur im Inneren.
Die Fächerrosette ist vor allem im niederdeutschen Raum sehr verbreitet. Sehr häufig ist dieses Schmuckmotiv an den überreich verzierten Fachwerkhäusern in den Städten des Weserraumes anzutreffen ([[Weserrenaissance]]). Besonders markante Beispiele dieser Region sind:

*Bad Salzuflen, Ober Mühlestraße 1
Die Fächerrosette ist als Übertragung des bei den Steinbauten der [[Renaissance]] äußerst beliebten Muschelmotivs auf den Fachwerkbau anzusehen. Während man beim Massivbau der [[Weserrenaissance]] fast nur die der [[Rocaille]] ähnliche [[Muschelrosette]] verwendete, wurde beim Fachwerk das Rosettenornament stark variiert. Neben der Muschelrosette als getreueste Nachbildung der Steinornamentik trat häufig die geradlinige Fächerrosette auf. Als weitere Abwandlungen finden sich die [[Palmettenrosette|Palmetten-]] und die [[Wirbelrosette]]. Zumeist werden diese Spielarten unter dem Oberbegriff „Fächerrosette“ aufgeführt. Seit dem 20. Jahrhundert sind die Rosetten oftmals stark farbig gefasst. An einigen Bauten ließ sich allerdings nachweisen, dass diese, in Anlehnung an die Massivbauten, durchaus monochrom gefasst sein konnten, bzw. einen steinfarbigen Anstrich aufwiesen.
*Einbeck, Ratswaage (1565)

*Hameln, stiftsherrenhaus (1558)
== Verbreitung ==
*Höxter, Alte Dechanei.
[[Datei:Adhai Din-ka-Jhonpra Window detail (6134516480).jpg|mini|Fächerrosette in einem Fenster der [[Adhai-din-ka-Jhonpra-Moschee]], [[Ajmer]], Indien (um 1200)]]
*Paderborn, Adam und Eva Haus
Fächerrosetten sind bereits in der [[Buddhistische Kunst|frühbuddhistischen Kunst]] Indiens anzutreffen und wurden später auf dem indischen Subkontinent vom Islam übernommen. Aus dem antiken und mittelalterlichen Europa sind nur wenige Beispiele erhalten.
*Stadthagen, Amtspforte (1553)

*Verden, Strukturstraße 7 (1577)
In Deutschland blieb die Fächerrosette weitgehend auf den niederdeutschen Raum beschränkt. Sehr häufig ist dieses Schmuckmotiv an den überreich verzierten Fachwerkhäusern in den Städten des Weserraumes anzutreffen ([[Weserrenaissance]]). Besonders markante Beispiele geschnitzter Fächerrosetten in dieser Region sind:
In Schleswig-Holstein ist das Motiv bereits seltener (Mölln, Lütjenburg) zu finden, zumal der Fachwerkbau in den größeren Städten offenbar keine so große Rolle spielte. Weiter im Süden (Hessen) ist das Motiv nur ausnahmsweise anzutreffen (z.B. in Langsdorf bei Lich). Die Fächerrosette blieb keineswegs auf die großen Bürgerhäuser der Städte beschränkt; sie findet sich z.T. auch an einigen Adelssitzen und Bauernhäusern (Haus Aussel bei [[Wiedenbrück]]; Valepagenhof bei [[Delbrück]], jetzt im [[Westfäliches Freilichtmuseuem|Westfälischen Freilichtmuseum]] Detmold). Auf dem Land hielt sich diese Schmuckform bis weit in das 17. Jahrhundert hinein.
* [[Bad Salzuflen]]: Haus Backs (1532)
* [[Einbeck]]: Ratswaage (1565), [[Altes Rathaus (Einbeck)|Altes Rathaus]] (um 1560)
* [[Hameln]]: [[Stiftsherrenhaus]] (1558)
* [[Höxter]]: Alte [[Dechanei]] (1561)
* [[Paderborn]]: [[Adam-und-Eva-Haus]] (um 1560)
* [[Stadthagen]]: Amtspforte (1553)
* [[Verden]]: [[Fachwerkhaus Strukturstraße 7]] (1577)

Weiter östlich in [[Sachsen-Anhalt]] finden sich mehrere Beispiele in
* [[Quedlinburg]]: [[Breite Straße 53 (Quedlinburg)|Breite Straße 53]], [[Hohe Straße 29 (Quedlinburg)|Hohe Straße 29]], [[Schloßberg 10 (Quedlinburg)|Schlossberg 10]], [[Kunsthoken]]
* [[Stadt Gernrode|Gernrode]]: [[Häuschenstraße 6 (Gernrode)|Häuschenstr. 6]]

In [[Nordrhein-Westfalen]] kommt die Fächerrosette vornehmlich in Ostwestfalen (westlich bis [[Bielefeld]], [[Halle (Westf.)]]), im ehemaligen Fürstentum Lippe und im Hellwegraum vor ([[Soest]], [[Unna]]).

In [[Niedersachsen]] reicht ihre Verbreitung im Südosten bis in den Harz ([[Goslar]], [[Osterode am Harz]]).

In [[Schleswig-Holstein]] ist das Motiv seltener zu finden ([[Mölln]], [[Lütjenburg]]).

In Hessen taucht es ebenfalls nur selten auf (z. B. in [[Langsdorf (Lich)|Langsdorf]] bei [[Lich]]).

In Mecklenburg wurden beim [[Deutsches Haus (Rehna)|Deutschen Haus]] in Rehna in der ersten Bauphase im 16. Jahrhundert Fächerrosetten als Zierelemente verwendet.

Die Fächerrosette blieb keineswegs auf die großen [[Bürgerhaus|Bürgerhäuser]] der Städte beschränkt. Sie findet sich auch an Adelssitzen und Bauernhäusern ([[Haus Aussel]] bei [[Wiedenbrück]]; [[Valepagenhof]] bei [[Delbrück]], jetzt im [[Westfälisches Freilichtmuseum Detmold|Westfälischen Freilichtmuseum Detmold]]). Auf dem Land hielt sich diese Schmuckform bis weit in das 17. Jahrhundert.

[[Datei:10 Downing Street. MOD 45155532.jpg|mini|Eingang zu [[Downing Street 10]], [[London]]]]

== Siehe auch ==
Verglaste Fächerrosetten finden sich manchmal als obere Türzier [[Georgianische Architektur|georgianischer]] und [[Viktorianische Architektur|viktorianischer]] Häuser, darunter auch am Amtssitz des britischen Premierministers in [[Downing Street 10]].

== Literatur ==
* [[G. Ulrich Großmann]]: ''Fachwerk in Deutschland.'' Imhof Verlag, Petersberg 2006, ISBN 3-86568-154-9.
* [[Hans-Günther Bigalke|Hans-Günter Bigalke:]] ''Fachwerkhäuser. Verzierungen an niederdeutschen Fachwerkbauten und ihre Entwicklung in Celle.'' Schlütersche, Hannover 2000, ISBN 3-87706-588-0, S. 283 ff. ([https://books.google.de/books?id=qTaAbnbNtSwC&pg=PA283&dq=Bigalke+in+celle+spiele+f%C3%A4cherrosetten+kaum+eine+rolle&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwi84qTp--WHAxWtgP0HHcKkLzsQ6AF6BAgIEAI#v=onepage&q=Bigalke%20in%20celle%20spiele%20f%C3%A4cherrosetten%20kaum%20eine%20rolle&f=false GoogleBooks])
* [[Wilhelm Hansen (Museumsleiter)|Wilhelm Hansen]], Herbert Kreft: ''Fachwerk im Weserraum''. CW Niemeyer, Hameln 1980, ISBN 3-87585-048-3.

== Weblinks ==
{{Commonscat|Fan-shaped rosettes (ornament)|Fächerrosette}}
* [https://www.rdklabor.de/wiki/F%C3%A4cherrosette ''Fächerrosette – Fotos + Infos''] (RDK-Labor)
* [https://www.fotografie-architektur.de/stockphoto-galerie-2a-q03.html ''Fächerrosetten an Fachwerkhäusern in Quedlinburg – Fotos + Infos'']

[[Kategorie:Fachwerk|Facherrosette]]
[[Kategorie:Ornament (Bauteil)|Facherrosette]]
[[Kategorie:Kultur (Ostwestfalen-Lippe)|Facherrosette]]

Aktuelle Version vom 25. Juli 2025, 11:50 Uhr

Geschnitzte, geradlinige Fächerrosetten der Weserrenaissance (Haus Litto in Höxter)

Fächerrosetten oder Halbrosetten gehören zum Schmuckrepertoire der europäischen und indischen Kunst. Sie sind abgeleitet aus Vollrosetten und können sowohl stehend als auch hängend gestaltet sein. Eine weite Verbreitung als Ziermotiv haben sie an Renaissance-Fachwerkbauten vor allem in Deutschland gefunden.

Heliodoros-Säule, bei Sanchi (um 100 v. Chr.)
Römerturm, Köln (um 200 n. Chr.)
Altar von Sant’Apollinare in Classe, Ravenna
San Miguel de Lillo, Oviedo (um 850)

Wie weit Fächerrosetten als Ornament in der Baukunst zurückreichen, ist unklar – antike Beispiele sind jedenfalls kaum bekannt. In der indischen Kunst finden sich Fächerrosetten als Lotos-Abbreviationen und eventuell auch als Symbole der auf- oder untergehenden Sonne beispielsweise an der Heliodoros-Säule bei Sanchi bzw. Vidisha (um 100 v. Chr.) oder an steinernen Stupa-Zäunen (z. B. Sanchi oder Bharhut). Einige der frühesten Beispiele Mitteleuropas erscheinen am Römerturm in Köln. Frühmittelalterliche Fensterrosetten finden sich in den dekorativen Fensterfüllungen der westgotischen Kirche San Juan de Baños bei Palencia (Kastilien) und der präromanischen Kirche von San Miguel de Lillo bei Oviedo (Asturien).

Die Fächerrosetten der Weserrenaissance finden sich in Halb- oder Viertelkreisen an den Brüstungszonen der Fenster im Bereich der oberen Geschosse und des Giebels. Erstmals 1532 in Halberstadt nachgewiesen, tritt sie seit der Mitte des 16. Jahrhunderts zunehmend an die Stelle der gotischen Fußstreben. Ihren Namen erhielt sie von der fächerartigen Struktur im Inneren.

Die Fächerrosette ist als Übertragung des bei den Steinbauten der Renaissance äußerst beliebten Muschelmotivs auf den Fachwerkbau anzusehen. Während man beim Massivbau der Weserrenaissance fast nur die der Rocaille ähnliche Muschelrosette verwendete, wurde beim Fachwerk das Rosettenornament stark variiert. Neben der Muschelrosette als getreueste Nachbildung der Steinornamentik trat häufig die geradlinige Fächerrosette auf. Als weitere Abwandlungen finden sich die Palmetten- und die Wirbelrosette. Zumeist werden diese Spielarten unter dem Oberbegriff „Fächerrosette“ aufgeführt. Seit dem 20. Jahrhundert sind die Rosetten oftmals stark farbig gefasst. An einigen Bauten ließ sich allerdings nachweisen, dass diese, in Anlehnung an die Massivbauten, durchaus monochrom gefasst sein konnten, bzw. einen steinfarbigen Anstrich aufwiesen.

Fächerrosette in einem Fenster der Adhai-din-ka-Jhonpra-Moschee, Ajmer, Indien (um 1200)

Fächerrosetten sind bereits in der frühbuddhistischen Kunst Indiens anzutreffen und wurden später auf dem indischen Subkontinent vom Islam übernommen. Aus dem antiken und mittelalterlichen Europa sind nur wenige Beispiele erhalten.

In Deutschland blieb die Fächerrosette weitgehend auf den niederdeutschen Raum beschränkt. Sehr häufig ist dieses Schmuckmotiv an den überreich verzierten Fachwerkhäusern in den Städten des Weserraumes anzutreffen (Weserrenaissance). Besonders markante Beispiele geschnitzter Fächerrosetten in dieser Region sind:

Weiter östlich in Sachsen-Anhalt finden sich mehrere Beispiele in

In Nordrhein-Westfalen kommt die Fächerrosette vornehmlich in Ostwestfalen (westlich bis Bielefeld, Halle (Westf.)), im ehemaligen Fürstentum Lippe und im Hellwegraum vor (Soest, Unna).

In Niedersachsen reicht ihre Verbreitung im Südosten bis in den Harz (Goslar, Osterode am Harz).

In Schleswig-Holstein ist das Motiv seltener zu finden (Mölln, Lütjenburg).

In Hessen taucht es ebenfalls nur selten auf (z. B. in Langsdorf bei Lich).

In Mecklenburg wurden beim Deutschen Haus in Rehna in der ersten Bauphase im 16. Jahrhundert Fächerrosetten als Zierelemente verwendet.

Die Fächerrosette blieb keineswegs auf die großen Bürgerhäuser der Städte beschränkt. Sie findet sich auch an Adelssitzen und Bauernhäusern (Haus Aussel bei Wiedenbrück; Valepagenhof bei Delbrück, jetzt im Westfälischen Freilichtmuseum Detmold). Auf dem Land hielt sich diese Schmuckform bis weit in das 17. Jahrhundert.

Eingang zu Downing Street 10, London

Verglaste Fächerrosetten finden sich manchmal als obere Türzier georgianischer und viktorianischer Häuser, darunter auch am Amtssitz des britischen Premierministers in Downing Street 10.

Commons: Fächerrosette – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien