„Sigma-Faktoren“ – Versionsunterschied
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'''Sigma-Faktoren''' ('''σ-Faktoren''') sind [[Bakterien|bakterielle]] [[Protein]]e, welche für die [[Transkriptionsinitiation|Initiation der Transkription]] notwendig sind. |
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In der Regel sind Sigma-Faktoren in der Zelle an die [[RNA-Polymerase]] gebunden. Eine vollständige bakterielle Polymerase mit gebundenem Sigma-Faktor wird oft auch als [[Holoenzym]] bezeichnet. Sie besteht aus sechs Untereinheiten (α<sub>2</sub>ββ’ωσ). Das Minimal- oder Coreenzym dagegen ist nicht an die σ-Untereinheit gebunden. In anderen Zusammenhängen ist die Bedeutung von Holoenzym allerdings oft eine andere. |
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Der Sigma-Faktor bindet an die [[Pribnow-Box]] des Promotors und erhöht damit drastisch die Bindungswahrscheinlichkeit der [[Polymerase]] an dieser Stelle, denn die Polymerase kann sich auch so locker an die [[Desoxyribonukleinsäure|DNA]] binden (allerdings ohne zu transkribieren). Nun wird unter Einbau von Nukleotiden die [[Elongation]] gestartet, wobei der Sigma-Faktor abgespalten wird. |
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Sigma-Faktoren weisen eine hohe Affinität zur [[Pribnow-Box]] und der -35-Sequenz des [[Promotor (Genetik)|Promotors]] auf. Damit erhöht sie die Bindewahrscheinlichkeit des Polymerase-Holoenzyms an die Startstelle des [[Offener Leserahmen|offenen Leserahmens]] der DNA. Auch ohne Sigma-Faktor kann die RNA-Polymerase an die DNA binden, doch es kommt nicht zur [[Transkription (Biologie)|Transkription]]. Wenn das Polymerase-Holoenzym den offenen Komplex bildet und die Transkription beginnt, wird der Sigma-Faktor abgespalten. |
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Abhängig von den Umweltbedingungen [[Genexpression|exprimieren]] Bakterien in der Regel mehrere verschiedene Sigma-Faktoren, die im Allgemeinen unterschiedliche Promotorspezifitäten aufweisen. Hierdurch wird die Transkription spezieller Gene zur Anpassung an die Umweltbedingungen vermittelt. Es sind zwei Klassen von Sigma-Faktoren bekannt. Eine Klasse mit vielen Vertretern weist [[Homologie (Genetik)|Homologien]] zum Faktor Sigma-70 der Bakterienspezies ''[[Escherichia coli]]'' auf. Eine kleinere Familie – bei den meisten Bakterien mit nur einem einzigen Vertreter – ist homolog zum ''E. coli''-Faktor Sigma-54. Diese unterscheidet sich sowohl strukturell als auch im Mechanismus der [[Transkriptionsinitiation]] stark von der Sigma-70-Familie. Sigma-Faktoren werden durch ihre [[Molekülmasse]] charakterisiert. Der Faktor σ<sup>70</sup> zum Beispiel beschreibt den Sigma-Faktor mit einer Molekülmasse von 70 [[Dalton (Einheit)|kDa]]. |
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'''Sigma-Faktoren aus'' E. coli'':''' |
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! Sigma-Faktor !! Gen !! Erkennungssequenz (-35) !! Erkennungssequenz (-10) !!Expression |
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| σ<sup>19</sup> || ''FecI'' || <span style="font-family:monospace;">AAGGAAAAT</span> |||| Eisentransport |
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| σ<sup>24</sup> || ''rpoE'' || <span style="font-family:monospace;">GAACTT</span> ||<span style="font-family:monospace;">TCTGA</span>|| bei Zellhüllstress |
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* '''Sigma 70''' ist der Haushalts- (''Housekeeping-'') Sigma-Faktor von ''E. coli'', der die Transkription jener Gene einleitet, deren Genprodukte unter gewöhnlichen Umweltbedingungen benötigt werden. |
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* '''Sigma 32''' ist der Hitzeschock-Sigma-Faktor in ''E. coli'', der vom Gen ''rpoH'' codiert wird. Erhöht sich die Temperatur in der Zelle, wird der Faktor vermehrt synthetisiert. Durch die erhöhte Sigma-32-Konzentration in der Zelle bindet das Protein mit hoher Wahrscheinlichkeit an das Polymerase-Core-Enzym. Dadurch werden [[Hitzeschockprotein]]e exprimiert, die der Zelle helfen, die erhöhten Temperaturen zu überleben. Zu ihnen gehören zum Beispiel [[Chaperon (Protein)|Chaperone]], [[Protease]]n und DNA-Reparaturenzyme. |
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* '''Sigma 54''' wird durch das Gen ''rpoN'' codiert und bei Stickstoffmangel hergestellt. Das Sigma 54-Holoenzym aktiviert unter anderem die Expression der [[Glutamin]]synthetase, die das Schlüsselenzym für die Stickstoff-Assimilierung darstellt. |
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* '''Sigma 38''' ist der Sigma-Faktor der generellen Stressantwort in ''E. coli''. Bei Stressfaktoren wie Kohlenstoffmangel, Aminosäuremangel oder [[Azidose|Übersäuerung]] wird die Sigma 38-Expression hochreguliert. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Bakterienkultur in die stationäre Phase übergeht. Unter Sigma 38 werden Proteine exprimiert, die die Zelle vor schädigenden Umwelteinflüssen schützen. |
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== Literatur == |
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* Richard R. Burgess, Larry Anthony: ''How sigma docks to RNA polymerase and what sigma does.'' In: ''[[Current Opinion in Microbiology]].'' Bd. 4, Nr. 2, 2001, {{ISSN|1369-5274}}, S. 126–131, PMID 11282466, [[doi:10.1016/S1369-5274(00)00177-6]]. |
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* [[Georg Fuchs (Biologe)|Georg Fuchs]] (Hrsg.): ''Allgemeine Mikrobiologie.'' 8., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Thieme, Stuttgart u. a. 2007, ISBN 978-3-13-444608-1. |
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* Tanja M. Gruber, Carol A. Gross: ''Multiple sigma subunits and the partitioning of bacterial transcription space.'' In: ''[[Annual Review of Microbiology]].'' Bd. 57, 2003, S. 441–466, PMID 14527287, [[doi:10.1146/annurev.micro.57.030502.090913]]. |
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* John D. Helmann, Michael J. Chamberlin: ''Structure and function of bacterial sigma factors.'' In: ''[[Annual Review of Biochemistry]].'' Bd. 57, 1988, S. 839–872, PMID 3052291, [[doi:10.1146/annurev.bi.57.070188.004203]]. |
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* [[Rolf Knippers]]: ''Molekulare Genetik.'' 9., komplett überarbeitete Auflage. Thieme, Stuttgart u. a. 2006, ISBN 3-13-477009-1. |
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* Mark S. B. Paget, John D. Helmann: ''The σ<sup>70</sup> family of sigma factors.'' In: ''[[Genome Biology]].'' Bd. 4, Nr. 1, 2003, 203, PMID 12540296 [[doi:10.1186/gb-2003-4-1-203]] (Volltextzugriff). |
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== Weblinks == |
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{{Commonscat|Sigma factors|Sigma-Faktoren}} |
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[[Kategorie:Transkriptionsfaktor| SigmaFaktoren]] |
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Aktuelle Version vom 16. September 2024, 15:59 Uhr
Sigma-Faktoren (σ-Faktoren) sind bakterielle Proteine, welche für die Initiation der Transkription notwendig sind.
In der Regel sind Sigma-Faktoren in der Zelle an die RNA-Polymerase gebunden. Eine vollständige bakterielle Polymerase mit gebundenem Sigma-Faktor wird oft auch als Holoenzym bezeichnet. Sie besteht aus sechs Untereinheiten (α2ββ’ωσ). Das Minimal- oder Coreenzym dagegen ist nicht an die σ-Untereinheit gebunden. In anderen Zusammenhängen ist die Bedeutung von Holoenzym allerdings oft eine andere.
Sigma-Faktoren weisen eine hohe Affinität zur Pribnow-Box und der -35-Sequenz des Promotors auf. Damit erhöht sie die Bindewahrscheinlichkeit des Polymerase-Holoenzyms an die Startstelle des offenen Leserahmens der DNA. Auch ohne Sigma-Faktor kann die RNA-Polymerase an die DNA binden, doch es kommt nicht zur Transkription. Wenn das Polymerase-Holoenzym den offenen Komplex bildet und die Transkription beginnt, wird der Sigma-Faktor abgespalten.
Abhängig von den Umweltbedingungen exprimieren Bakterien in der Regel mehrere verschiedene Sigma-Faktoren, die im Allgemeinen unterschiedliche Promotorspezifitäten aufweisen. Hierdurch wird die Transkription spezieller Gene zur Anpassung an die Umweltbedingungen vermittelt. Es sind zwei Klassen von Sigma-Faktoren bekannt. Eine Klasse mit vielen Vertretern weist Homologien zum Faktor Sigma-70 der Bakterienspezies Escherichia coli auf. Eine kleinere Familie – bei den meisten Bakterien mit nur einem einzigen Vertreter – ist homolog zum E. coli-Faktor Sigma-54. Diese unterscheidet sich sowohl strukturell als auch im Mechanismus der Transkriptionsinitiation stark von der Sigma-70-Familie. Sigma-Faktoren werden durch ihre Molekülmasse charakterisiert. Der Faktor σ70 zum Beispiel beschreibt den Sigma-Faktor mit einer Molekülmasse von 70 kDa.
Sigma-Faktoren aus E. coli:
Sigma-Faktor | Gen | Erkennungssequenz (-35) | Erkennungssequenz (-10) | Expression |
---|---|---|---|---|
σ70 | rpoD | TTGACA | TATAATg | unter normalen Bedingungen |
σ32 | rpoH | CTTGAAA | CCCCATNT | bei Hitzestress |
σ54 | rpoN | CTGGCAC | TTGCA | bei Stickstoffmangel |
σ28 | rpoF | TAAA | GCCGATAA | Flagellenexpression |
σ38 | rpoS | CCGGCG | generelle Stressantwort | |
σ19 | FecI | AAGGAAAAT | Eisentransport | |
σ24 | rpoE | GAACTT | TCTGA | bei Zellhüllstress |
- Sigma 70 ist der Haushalts- (Housekeeping-) Sigma-Faktor von E. coli, der die Transkription jener Gene einleitet, deren Genprodukte unter gewöhnlichen Umweltbedingungen benötigt werden.
- Sigma 32 ist der Hitzeschock-Sigma-Faktor in E. coli, der vom Gen rpoH codiert wird. Erhöht sich die Temperatur in der Zelle, wird der Faktor vermehrt synthetisiert. Durch die erhöhte Sigma-32-Konzentration in der Zelle bindet das Protein mit hoher Wahrscheinlichkeit an das Polymerase-Core-Enzym. Dadurch werden Hitzeschockproteine exprimiert, die der Zelle helfen, die erhöhten Temperaturen zu überleben. Zu ihnen gehören zum Beispiel Chaperone, Proteasen und DNA-Reparaturenzyme.
- Sigma 54 wird durch das Gen rpoN codiert und bei Stickstoffmangel hergestellt. Das Sigma 54-Holoenzym aktiviert unter anderem die Expression der Glutaminsynthetase, die das Schlüsselenzym für die Stickstoff-Assimilierung darstellt.
- Sigma 38 ist der Sigma-Faktor der generellen Stressantwort in E. coli. Bei Stressfaktoren wie Kohlenstoffmangel, Aminosäuremangel oder Übersäuerung wird die Sigma 38-Expression hochreguliert. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Bakterienkultur in die stationäre Phase übergeht. Unter Sigma 38 werden Proteine exprimiert, die die Zelle vor schädigenden Umwelteinflüssen schützen.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Richard R. Burgess, Larry Anthony: How sigma docks to RNA polymerase and what sigma does. In: Current Opinion in Microbiology. Bd. 4, Nr. 2, 2001, ISSN 1369-5274, S. 126–131, PMID 11282466, doi:10.1016/S1369-5274(00)00177-6.
- Georg Fuchs (Hrsg.): Allgemeine Mikrobiologie. 8., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Thieme, Stuttgart u. a. 2007, ISBN 978-3-13-444608-1.
- Tanja M. Gruber, Carol A. Gross: Multiple sigma subunits and the partitioning of bacterial transcription space. In: Annual Review of Microbiology. Bd. 57, 2003, S. 441–466, PMID 14527287, doi:10.1146/annurev.micro.57.030502.090913.
- John D. Helmann, Michael J. Chamberlin: Structure and function of bacterial sigma factors. In: Annual Review of Biochemistry. Bd. 57, 1988, S. 839–872, PMID 3052291, doi:10.1146/annurev.bi.57.070188.004203.
- Rolf Knippers: Molekulare Genetik. 9., komplett überarbeitete Auflage. Thieme, Stuttgart u. a. 2006, ISBN 3-13-477009-1.
- Mark S. B. Paget, John D. Helmann: The σ70 family of sigma factors. In: Genome Biology. Bd. 4, Nr. 1, 2003, 203, PMID 12540296 doi:10.1186/gb-2003-4-1-203 (Volltextzugriff).