„Cauchyscher Integralsatz“ – Versionsunterschied
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Der '''cauchysche Integralsatz''' (nach [[Augustin Louis Cauchy]]) ist einer der wichtigsten Sätze der [[Funktionentheorie]]. Er handelt von [[Kurvenintegral]]en für [[Holomorphe Funktion|holomorphe]] (auf einer [[Offene Menge|offenen Menge]] komplex-differenzierbare) Funktionen. Im Kern besagt er, dass zwei dieselben Punkte verbindende [[Weg (Mathematik)|Wege]] das gleiche Wegintegral besitzen, falls die Funktion überall zwischen den zwei Wegen holomorph ist. Der Satz gewinnt seine Bedeutung unter anderem daraus, dass man ihn zum Beweis der [[Cauchysche Integralformel|cauchyschen Integralformel]] und des [[Residuensatz]]es benutzt. |
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Der '''Cauchysche Integralsatz''' ist eine der Voraussetzungen, um die Cauchysche Integralformel beweisen zu können. |
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Die erste Formulierung des Satzes stammt von [[1814]], als Cauchy ihn für rechteckige Gebiete bewies. Dies verallgemeinerte er in den nächsten Jahren, allerdings setzte er dabei den [[Jordanscher Kurvensatz|jordanschen Kurvensatz]] als selbstverständlich voraus. Moderne Beweise kommen durch das [[Lemma von Goursat]] ohne diese tiefgreifende Aussage aus der [[Topologie (Mathematik)|Topologie]] aus. |
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Die ''Cauchysche Integralformel'' ist eines der zentralen Ergebnisse der [[Funktionentheorie]]. Sie besagt, dass die Werte einer [[Glossar mathematischer Attribute#holomorph|holomorphen]] Funktion ''f'' bereits durch ihre Werte auf einer geschlossenen Kurve <math> \gamma </math> bestimmt sind. (In der älteren Literatur - z.B. Lehrbücher um [[1970]] herum - findet man den Begriff '''analytisch''' anstatt holomorph.) |
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== Der Satz == |
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Für ihren Beweis (und das Verständnis) wird die [[Definition]] der Windungszahl <math> n( \gamma, a) </math> benötigt : |
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Der Integralsatz wurde in zahlreichen Versionen formuliert. |
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=== Cauchyscher Integralsatz für Elementargebiete === |
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<math> n( \gamma, a) = \frac{1}{2\pi i} \int_{\gamma}^{ } \frac{dz}{z - a} </math> |
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Sei <math>D\subseteq\mathbb{C}</math> ein [[Elementargebiet]], also ein Gebiet, auf dem jede [[holomorphe Funktion]] <math>f\colon D\to\mathbb{C}</math> eine [[Stammfunktion]] besitzt. [[Sterngebiet]]e sind beispielsweise Elementargebiete. Der Cauchysche Integralsatz besagt nun, dass |
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: <math>\oint\limits_\gamma f(z)\, \mathrm dz = 0</math> |
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für jede [[Kurve (Mathematik)#Geschlossene Kurven|geschlossene Kurve]] <math>\gamma \colon [a,b]\to D</math> (wobei <math>a, b \in \R</math> und <math>a < b</math>). Für das Integralzeichen mit Kreis siehe [[Kurvenintegral#Notation für Kurvenintegrale von geschlossenen Kurven|Notation für Kurvenintegrale von geschlossenen Kurven]]. |
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Ist <math>D</math> kein Elementargebiet, so ist die Aussage falsch. Zum Beispiel ist <math> f\colon z\mapsto\tfrac 1z</math> auf dem Gebiet <math>\mathbb C\setminus\{0\}</math> holomorph, dennoch verschwindet <math>\textstyle \oint_\gamma f(z)\, dz</math> nicht über jede geschlossene Kurve. Beispielsweise gilt |
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Man beschränkt sich dabei auf eine [[Kreis (Geometrie)|Kreisscheibe]], in der eine geschlossene stetig differenzierbare Kurve <math> \gamma </math> gegeben ist, a sei ein Punkt nicht auf <math> \gamma </math>. Die Voraussetzungen an die Kurve implizieren die Existenz des [[Integralrechnung|Integral]]s. |
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: <math>\;\oint\limits_{\partial U_r(0)}\frac{1}{z} \, \mathrm dz=2\pi\mathrm i\neq 0</math> |
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für die einfach durchlaufene Randkurve einer Kreisscheibe um <math>0</math> mit positivem Radius <math>r</math>. |
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=== Cauchyscher Integralsatz (Homotopie-Version) === |
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Sei f(z) holomorph in einer offenen Kreisscheibe, dann gilt für jede geschlossene Kurve <math> \gamma </math> in dieser Kreisscheibe (die stückweise differenzierbar ist) |
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Ist <math>D\subseteq\mathbb C</math> offen und sind <math>\alpha,\beta\colon[0,1]\to D</math> zwei zueinander [[homotop]]e Kurven in <math>D</math>, dann ist |
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und für jeden Punkt ''a'' der nicht auf dieser Kurve liegt die Cauchysche Integralformel: |
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: <math>\int\limits_{\alpha }f(z)\, dz=\int\limits_{\beta }f(z)\, dz</math> |
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für jede holomorphe Funktion <math>f\colon D\to\mathbb C</math>. |
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Ist <math>D</math> ein [[einfach zusammenhängend]]es Gebiet, dann verschwindet das Integral nach der Homotopie-Version für jede geschlossene Kurve, d. h. <math>D</math> ist ein [[Elementargebiet]]. |
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<math> n( \gamma, a) * f(a) = \frac{1}{2 \pi i} \int_{\gamma}^{ } \frac{f(z) dz}{z - a} </math> |
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Bei erneuter Betrachtung des obigen Beispiels bemerkt man, dass <math>\mathbb C\setminus\{0\}</math> ''nicht'' einfach zusammenhängend ist. |
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Zum Beweis wird der ''Cauchysche Integralsatz'' verwendet: |
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=== Cauchyscher Integralsatz (Homologie-Version) === |
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Sei f(z) holomorph in einer offenen Kreisscheibe, dann gilt für jede geschlossene Kurve in dieser Kreisscheibe (die stückweise differenzierbar ist): |
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Ist <math>D\subseteq\mathbb C</math> ein Gebiet und <math>\Gamma</math> ein [[Zyklus (Funktionentheorie)|Zyklus]] ''in'' <math>D</math>, dann verschwindet |
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<math> |
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\ |
: <math>\int\limits_\Gamma f(z)\, dz</math> |
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genau dann für jede holomorphe Funktion <math>f\colon D\to\mathbb C</math>, wenn <math>\Gamma</math> [[nullhomolog]] in <math>D</math> ist. |
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</math> |
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== Isolierte Singularitäten == |
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Die Cauchysche Integralformel beweist man durch Anwendung des Integralsatzes auf die Funktion |
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=== Windungszahl des Integrationsweges === |
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Es sei <math>D\subseteq\mathbb C</math> ein Gebiet, <math>a\in D</math> ein [[innerer Punkt]] und <math>f\colon D\setminus\{a\}\to\mathbb{C}</math> holomorph. Sei <math>U:=U_r(a)\setminus\{a\}\subset D</math> eine [[punktierte Umgebung]], auf der <math>f</math> holomorph ist. Sei ferner <math>\gamma</math> eine vollständig in <math>D</math> verlaufende geschlossene [[Kurve (Mathematik)|Kurve]], die <math>a</math> genau einmal positiv orientiert umläuft, d. h. für die [[Umlaufzahl (Mathematik)|Umlaufzahl]] gilt <math>\operatorname{ind}_{\gamma}(a)=1</math> (insbesondere liegt <math>a</math> nicht auf <math>\gamma</math>). Mit dem Integralsatz gilt nun |
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: <math>\oint\limits_\gamma f(z)\, dz = \oint\limits_{\partial U} f(z)\, dz.</math> |
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Durch Verallgemeinerung auf beliebige Umlaufzahlen von <math>\gamma</math> erhält man |
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:<math>\oint\limits_\gamma f(z)\, dz=\operatorname{ind}_{\gamma}(a) \oint\limits_{\partial U}f(z)\, dz.</math> |
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Mithilfe der Definition des [[Residuum (Funktionentheorie)|Residuums]] ergibt sich sogar |
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: <math>\frac{1}{2\pi\mathrm{i}}\oint_\gamma f(z)\, dz=\operatorname{ind}_{\gamma}(a)\operatorname{Res}_a f(z).</math> |
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Der [[Residuensatz]] ist eine Verallgemeinerung dieser Vorgehensweise auf mehrere [[isolierte Singularität]]en und auf Zyklen. |
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=== Beispiel === |
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<math> |
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Es wird im Folgenden das Integral <math>\;\oint\limits_{\partial U(a)}\frac{1}{(z-a)^n}\mathrm{d}z</math> mit <math>n\in\mathbb{Z}</math> bestimmt. Wähle als Integrationsweg <math>\partial U(a)=\partial U_{r}(a)</math> einen Kreis mit Radius <math>r</math> um <math>a</math>, also |
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F(z) := \frac{f(z) - f(a)}{z - a} |
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: <math>z=\gamma(t)=a+re^{2\pi\mathrm{i}t}\quad\Rightarrow\quad\mathrm{d}z=\frac{\partial\gamma}{\partial t}\mathrm{d}t=2\pi ire^{2\pi\mathrm{i}t}\mathrm{d}t</math> |
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Daraus folgt: |
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: <math>\begin{align}\;\oint\limits_{\partial U_{r}(a)}\frac{1}{(z-a)^{n}}\mathrm{d}z & =\int\limits_{0}^{1}\frac{2\pi\mathrm{i}re^{2\pi\mathrm{i}t}}{r^{n}e^{2\pi n\mathrm{i}t}}\mathrm{d}t=2\pi\mathrm{i}r^{1-n}\int\limits_{0}^{1}e^{2\pi\mathrm{i}t(1-n)}\mathrm{d}t=\begin{cases} 2\pi\mathrm{i}[t]_{0}^{1} & \mbox{für}\ n=1\\ \frac{r^{1-n}}{1-n}[e^{2\pi\mathrm{i}t(1-n)}]_{0}^{1} & \mbox{für}\ n\neq 1\end{cases}\\ |
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& =\begin{cases} 2\pi\mathrm{i} & \mbox{für}\ n=1\\ 0 & \mbox{für}\ n\neq 1\end{cases}=2\pi\mathrm{i}\delta_{n,1}\end{align}</math> |
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Da man jede Funktion <math>f(z)</math>, die auf einem Kreisring um <math>a</math> [[Holomorphe Funktion|holomorph]] ist, in eine [[Laurent-Reihe]] entwickeln kann, <math>f(z)=\sum_{n=-\infty}^{\infty}c_{n}(z-a)^{n}</math>, ergibt sich bei der Integration um <math>a</math>: |
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: <math>\;\oint\limits_{\partial U(a)}f(z)\mathrm{d}z=\oint\limits_{\partial U(a)}\sum_{n=-\infty}^{\infty}c_{n}(z-a)^{n}\mathrm{d}z=\sum_{n=-\infty}^{\infty}c_{n}\oint\limits_{\partial U(a)}(z-a)^{n}\mathrm{d}z |
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</math> |
</math> |
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Nun lässt sich obiges Ergebnis anwenden: <math>\;\oint\limits_{\partial U_{r}(a)}(z-a)^{n}\mathrm{d}z=2\pi\mathrm{i}\delta_{n,-1}</math> |
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: <math>\;\oint\limits_{\partial U(a)}f(z)\mathrm{d}z=\sum_{n=-\infty}^{\infty}c_{n}2\pi\mathrm{i}\delta_{n,-1}=2\pi\mathrm{i}\,c_{-1}=2\pi\mathrm{i}\,\text{Res}_{a}(f) |
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</math>, |
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wobei der Entwicklungskoeffizient <math>c_{-1}</math> [[Residuum (Funktionentheorie)|Residuum]] genannt wird. |
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== Herleitung == |
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und man verwendet folgenden Hilfssatz ('''Lemma'''): |
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Folgende Herleitung, die allerdings die '''stetige''' komplexe Differenzierbarkeit voraussetzt, |
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führt das komplexe Integral auf reelle zweidimensionale Integrale zurück. |
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Sei <math>z=x+iy\in\mathbb{C}</math> mit <math>x,y\in\mathbb{R}</math> und <math>f(z)=f(x,y)=u(x,y)+iv(x,y)\in\mathbb{C}</math> mit <math>u,v\in\mathbb{R}</math>. Dann gilt für das Integral entlang der Kurve <math>\gamma(z)</math> in der [[Komplexe Zahl|komplexen Ebene]], bzw. für das äquivalente Linienintegral entlang der Kurve |
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Die punktweise differenzierbare geschlossene Kurve enthalte nicht den Punkt a, dann ist der Wert des Integrals |
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:<math>C(x,y)=\begin{pmatrix}\Re(\gamma(z))\\ \Im(\gamma(z))\end{pmatrix}=\begin{pmatrix}\Re(\gamma(x,y))\\ \Im(\gamma(x,y))\end{pmatrix}</math> |
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in der reellen Ebene <math>\mathbb{R}^{2}</math> |
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<math> |
: <math> \begin{align} |
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\underset{\gamma\subset\mathbb{C}}{\int}f(z)\, dz & =\underset{C\subset\mathbb{R}^{2}}{\int}f(x,y)\,(dx+idy)=\underset{C\subset\mathbb{R}^{2}}{\int}\begin{pmatrix}f(x,y)\\ if(x,y)\end{pmatrix}\cdot\begin{pmatrix}dx\\ dy\end{pmatrix}\\ |
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\int_{\gamma}^{ } \frac{dz}{z - a} |
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& =\underset{C\subset\mathbb{R}^{2}}{\int}\begin{pmatrix}u(x,y)\\ -v(x,y)\end{pmatrix}\cdot\begin{pmatrix}dx\\ dy\end{pmatrix}+i\underset{C\subset\mathbb{R}^{2}}{\int}\begin{pmatrix}v(x,y)\\ u(x,y)\end{pmatrix}\cdot\begin{pmatrix}dx\\ dy\end{pmatrix} |
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</math> |
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\end{align}</math> |
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Damit wurde das komplexe Kurvenintegral durch zwei reelle Kurvenintegrale ausgedrückt. |
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Für eine geschlossene Kurve <math>C=\partial S</math>, die ein [[einfach zusammenhängend]]es Gebiet S berandet, lässt sich der [[Gaußscher Integralsatz|Integralsatz von Gauß]] (hier wird die Stetigkeit der [[Partielle Ableitung|partiellen Ableitungen]] verwendet) anwenden |
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: <math>\begin{align} |
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\underset{\gamma\subset\mathbb{C}}{\oint}f(z)\, dz & =\underset{S\subset\mathbb{R}^{2}}{\int}\begin{pmatrix}\partial_{x}\\ \partial_{y}\end{pmatrix}\cdot\begin{pmatrix}u\\ -v\end{pmatrix}dxdy+i\underset{S\subset\mathbb{R}^{2}}{\int}\begin{pmatrix}\partial_{x}\\ \partial_{y}\end{pmatrix}\cdot\begin{pmatrix}v\\ u\end{pmatrix}dxdy\\ |
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& =\underset{S\subset\mathbb{R}^{2}}{\int}\left\{ \partial_{x}u-\partial_{y}v\right\} dxdy+i\underset{S\subset\mathbb{R}^{2}}{\int}\left\{ \partial_{x}v+\partial_{y}u\right\} dxdy |
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\end{align}</math> |
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bzw. alternativ der [[Satz von Stokes]] |
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: <math>\begin{align} |
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\underset{\gamma\subset\mathbb{C}}{\oint}f(z)\, dz & =\underset{S\subset\mathbb{R}^{2}}{\int}\left[\begin{pmatrix}\partial_{x}\\ \partial_{y}\\ 0\end{pmatrix}\times\begin{pmatrix}u\\ -v\\ 0\end{pmatrix}\right]_{3}dxdy+i\underset{S\subset\mathbb{R}^{2}}{\int}\left[\begin{pmatrix}\partial_{x}\\ \partial_{y}\\ 0\end{pmatrix}\times\begin{pmatrix}v\\ u\\ 0\end{pmatrix}\right]_{3}dxdy\\ |
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& =\underset{S\subset\mathbb{R}^{2}}{\int}\left\{ -\partial_{x}v-\partial_{y}u\right\} dxdy+i\underset{S\subset\mathbb{R}^{2}}{\int}\left\{ \partial_{x}u-\partial_{y}v\right\} dxdy |
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\end{align}</math> |
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Ist die Funktion <math>f(z)</math> in S [[komplex differenzierbar]], müssen dort die [[Cauchy-Riemannsche partielle Differentialgleichungen|Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen]] |
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:<math>\partial_{x}u=\partial_{y}v</math> und <math>\partial_{x}v=-\partial_{y}u</math> |
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gelten, sodass die obigen Integranden (egal ob in der Gauß- oder Stokes-Version) verschwinden: |
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:<math>\underset{\gamma}{\oint}f(z)\, dz=0</math> |
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Somit ist der cauchysche Integralsatz für holomorphe Funktionen auf einfach zusammenhängenden Gebieten bewiesen. |
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=== Cauchyscher Integralsatz mit Wirtinger-Kalkül und Satz von Stokes === |
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Der '''cauchysche Integralsatz''' ergibt sich als leichte Folgerung aus dem [[Satz von Stokes]], wenn man den [[Wirtinger-Kalkül]] zum Einsatz bringt<ref>{{Literatur |Autor=[[Klaus Jänich]] |Titel=Einführung in die Funktionentheorie |Auflage=2. |Verlag=Springer-Verlag |Ort=Berlin (u. a.) |Datum=1980 |ISBN=3-540-10032-6 |Seiten=19–20}}</ref>. Dabei wird zum Beweis des Integralsatzes die Berechnung des [[Kurvenintegral]]s verstanden als [[Integralrechnung|Integration]] der [[Komplexe Differentialform|komplexwertigen Differentialform]] |
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: <math>\omega = f(z) dz </math> |
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über die [[Kurve (Mathematik)#Geschlossene Kurven|geschlossene Kurve]] <math>C </math>, die das [[einfach zusammenhängend]]e und von <math>C=\partial S</math> [[Rand (Topologie)|berandete]] [[Gebiet (Mathematik)|Gebiet]] <math> S</math> umläuft. |
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Der [[Wirtinger-Kalkül]] besagt nun, dass das [[Differential (Mathematik)|Differential]] <math>df </math> die Darstellung |
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: <math>df = \frac {\partial f}{\partial z} dz + \frac {\partial f}{\partial \bar {z}} {d\bar z} </math> |
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hat, woraus unmittelbar |
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: <math>d{\omega} = df \wedge dz = { \frac {\partial f}{\partial z} dz } \wedge dz + { \frac {\partial f}{\partial \bar {z}} {d\bar z} } \wedge dz </math> |
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folgt.<ref>{{Literatur |Autor=[[Klaus Jänich]] |Titel=Einführung in die Funktionentheorie |Auflage=2. |Verlag=Springer-Verlag |Ort=Berlin (u. a.) |Datum=1980 |ISBN=3-540-10032-6 |Seiten=15, 20}}</ref> |
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Nun ist zunächst grundsätzlich |
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:<math>dz \wedge dz = 0 </math> |
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Weiterhin bedeutet die vorausgesetzte [[Holomorphie]]bedingung für <math> f </math> nach dem [[Wirtinger-Kalkül]] nichts weiter als |
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: <math> \frac {\partial f}{\partial \bar {z}} = 0 </math> , |
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was unmittelbar |
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: <math> { \frac {\partial f}{\partial \bar {z}} {d\bar z} } \wedge dz = 0 </math> |
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nach sich zieht.<ref>{{Literatur |Autor=[[Klaus Jänich]] |Titel=Einführung in die Funktionentheorie |Auflage=2. |Verlag=Springer-Verlag |Ort=Berlin (u. a.) |Datum=1980 |ISBN=3-540-10032-6 |Seiten=16, 20}}</ref> |
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Insgesamt ergibt sich also: |
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: <math>d{\omega} = 0</math> |
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und damit schließlich mittels [[Satz von Stokes]]: |
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: <math> \int\limits_{C} f(z) dz = \int\limits_{\partial S} \omega = \int\limits_S \mathrm{d} \omega = \int\limits_S \mathrm{0} = 0 </math> |
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==== Anmerkung ==== |
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Es lässt sich mit Hilfe des [[Lemma von Goursat|Integrallemmas von Goursat]] zeigen, dass sich aus der komplexen Differenzierbarkeit allein – also ohne die zusätzliche Annahme der Stetigkeit der Ableitungen! – bereits der cauchysche Integralsatz und dann auch die Existenz aller höheren Ableitungen ergibt. Dieser Zugang zum cauchyschen Integralsatz umgeht den Satz von Stokes und ist unter didaktischen Gesichtspunkten vorzuziehen. |
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== Folgerungen == |
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Der Cauchysche Integralsatz ermöglicht unmittelbar [[Fundamentalsatz der Algebra#Direkter Beweis mittels des Cauchyschen Integralsatzes|Beweise]] des [[Fundamentalsatz der Algebra|Fundamentalsatzes der Algebra]], welcher besagt, dass jedes komplexe [[Polynom]] über <math>\Complex</math> in Linearfaktoren zerfällt, d. h., dass der Körper der komplexen Zahlen [[Algebraischer Abschluss|algebraisch abgeschlossen]] ist. |
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== Literatur == |
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ein ganzzahliges Vielfaches von <math> 2 \pi i </math> |
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* Kurt Endl, [[Wolfgang Luh]]: ''Analysis.'' Band 3: ''Funktionentheorie, Differentialgleichungen.'' 6. überarbeitete Auflage. Aula-Verlag, Wiesbaden 1987, ISBN 3-89104-456-9, S. 143, Satz 4.7.3 |
|||
* Wolfgang Fischer, [[Ingo Lieb]]: ''Funktionentheorie.'' 7. verbesserte Auflage. Vieweg, Braunschweig u. a. 1994, ISBN 3-528-67247-1, S. 57, Kapitel 3, Satz 1.4 (''Vieweg-Studium. Aufbaukurs Mathematik'' 47). |
|||
* [[Günter Bärwolff]]: ''Höhere Mathematik für Naturwissenschaftler und Ingenieure.'' 2. Auflage, 1. korrigierter Nachdruck. Spektrum Akademischer Verlag, München u. a. 2009, ISBN 978-3-8274-1688-9. |
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* {{Literatur |
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|Autor=[[Klaus Jänich]] |
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|Titel=Einführung in die Funktionentheorie |
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|Auflage=2. |
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|Verlag=Springer-Verlag |
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|Ort=Berlin (u. a.) |
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|Datum=1980 |
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|ISBN=3-540-10032-6}} |
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== Einzelnachweise == |
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Dieser Hilfssatz wird zur Definition der Windungszahl verwendet welche die in die Cauchysche Integralformel eingeht. |
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<references /> |
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[[Kategorie:Funktionentheorie]] |
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<math> n( \gamma, a) = \frac{1}{2\pi i} \int_{\gamma}^{ } \frac{dz}{z - a} </math> |
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[[Kategorie:Satz (Mathematik)]] |
Aktuelle Version vom 4. Februar 2025, 18:43 Uhr
Der cauchysche Integralsatz (nach Augustin Louis Cauchy) ist einer der wichtigsten Sätze der Funktionentheorie. Er handelt von Kurvenintegralen für holomorphe (auf einer offenen Menge komplex-differenzierbare) Funktionen. Im Kern besagt er, dass zwei dieselben Punkte verbindende Wege das gleiche Wegintegral besitzen, falls die Funktion überall zwischen den zwei Wegen holomorph ist. Der Satz gewinnt seine Bedeutung unter anderem daraus, dass man ihn zum Beweis der cauchyschen Integralformel und des Residuensatzes benutzt.
Die erste Formulierung des Satzes stammt von 1814, als Cauchy ihn für rechteckige Gebiete bewies. Dies verallgemeinerte er in den nächsten Jahren, allerdings setzte er dabei den jordanschen Kurvensatz als selbstverständlich voraus. Moderne Beweise kommen durch das Lemma von Goursat ohne diese tiefgreifende Aussage aus der Topologie aus.
Der Satz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Integralsatz wurde in zahlreichen Versionen formuliert.
Cauchyscher Integralsatz für Elementargebiete
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sei ein Elementargebiet, also ein Gebiet, auf dem jede holomorphe Funktion eine Stammfunktion besitzt. Sterngebiete sind beispielsweise Elementargebiete. Der Cauchysche Integralsatz besagt nun, dass
für jede geschlossene Kurve (wobei und ). Für das Integralzeichen mit Kreis siehe Notation für Kurvenintegrale von geschlossenen Kurven.
Ist kein Elementargebiet, so ist die Aussage falsch. Zum Beispiel ist auf dem Gebiet holomorph, dennoch verschwindet nicht über jede geschlossene Kurve. Beispielsweise gilt
für die einfach durchlaufene Randkurve einer Kreisscheibe um mit positivem Radius .
Cauchyscher Integralsatz (Homotopie-Version)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ist offen und sind zwei zueinander homotope Kurven in , dann ist
für jede holomorphe Funktion .
Ist ein einfach zusammenhängendes Gebiet, dann verschwindet das Integral nach der Homotopie-Version für jede geschlossene Kurve, d. h. ist ein Elementargebiet.
Bei erneuter Betrachtung des obigen Beispiels bemerkt man, dass nicht einfach zusammenhängend ist.
Cauchyscher Integralsatz (Homologie-Version)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ist ein Gebiet und ein Zyklus in , dann verschwindet
genau dann für jede holomorphe Funktion , wenn nullhomolog in ist.
Isolierte Singularitäten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Windungszahl des Integrationsweges
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es sei ein Gebiet, ein innerer Punkt und holomorph. Sei eine punktierte Umgebung, auf der holomorph ist. Sei ferner eine vollständig in verlaufende geschlossene Kurve, die genau einmal positiv orientiert umläuft, d. h. für die Umlaufzahl gilt (insbesondere liegt nicht auf ). Mit dem Integralsatz gilt nun
Durch Verallgemeinerung auf beliebige Umlaufzahlen von erhält man
Mithilfe der Definition des Residuums ergibt sich sogar
Der Residuensatz ist eine Verallgemeinerung dieser Vorgehensweise auf mehrere isolierte Singularitäten und auf Zyklen.
Beispiel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es wird im Folgenden das Integral mit bestimmt. Wähle als Integrationsweg einen Kreis mit Radius um , also
Daraus folgt:
Da man jede Funktion , die auf einem Kreisring um holomorph ist, in eine Laurent-Reihe entwickeln kann, , ergibt sich bei der Integration um :
Nun lässt sich obiges Ergebnis anwenden:
- ,
wobei der Entwicklungskoeffizient Residuum genannt wird.
Herleitung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Folgende Herleitung, die allerdings die stetige komplexe Differenzierbarkeit voraussetzt, führt das komplexe Integral auf reelle zweidimensionale Integrale zurück.
Sei mit und mit . Dann gilt für das Integral entlang der Kurve in der komplexen Ebene, bzw. für das äquivalente Linienintegral entlang der Kurve
in der reellen Ebene
Damit wurde das komplexe Kurvenintegral durch zwei reelle Kurvenintegrale ausgedrückt.
Für eine geschlossene Kurve , die ein einfach zusammenhängendes Gebiet S berandet, lässt sich der Integralsatz von Gauß (hier wird die Stetigkeit der partiellen Ableitungen verwendet) anwenden
bzw. alternativ der Satz von Stokes
Ist die Funktion in S komplex differenzierbar, müssen dort die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen
- und
gelten, sodass die obigen Integranden (egal ob in der Gauß- oder Stokes-Version) verschwinden:
Somit ist der cauchysche Integralsatz für holomorphe Funktionen auf einfach zusammenhängenden Gebieten bewiesen.
Cauchyscher Integralsatz mit Wirtinger-Kalkül und Satz von Stokes
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der cauchysche Integralsatz ergibt sich als leichte Folgerung aus dem Satz von Stokes, wenn man den Wirtinger-Kalkül zum Einsatz bringt[1]. Dabei wird zum Beweis des Integralsatzes die Berechnung des Kurvenintegrals verstanden als Integration der komplexwertigen Differentialform
über die geschlossene Kurve , die das einfach zusammenhängende und von berandete Gebiet umläuft.
Der Wirtinger-Kalkül besagt nun, dass das Differential die Darstellung
hat, woraus unmittelbar
folgt.[2]
Nun ist zunächst grundsätzlich
Weiterhin bedeutet die vorausgesetzte Holomorphiebedingung für nach dem Wirtinger-Kalkül nichts weiter als
- ,
was unmittelbar
nach sich zieht.[3]
Insgesamt ergibt sich also:
und damit schließlich mittels Satz von Stokes:
Anmerkung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es lässt sich mit Hilfe des Integrallemmas von Goursat zeigen, dass sich aus der komplexen Differenzierbarkeit allein – also ohne die zusätzliche Annahme der Stetigkeit der Ableitungen! – bereits der cauchysche Integralsatz und dann auch die Existenz aller höheren Ableitungen ergibt. Dieser Zugang zum cauchyschen Integralsatz umgeht den Satz von Stokes und ist unter didaktischen Gesichtspunkten vorzuziehen.
Folgerungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Cauchysche Integralsatz ermöglicht unmittelbar Beweise des Fundamentalsatzes der Algebra, welcher besagt, dass jedes komplexe Polynom über in Linearfaktoren zerfällt, d. h., dass der Körper der komplexen Zahlen algebraisch abgeschlossen ist.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kurt Endl, Wolfgang Luh: Analysis. Band 3: Funktionentheorie, Differentialgleichungen. 6. überarbeitete Auflage. Aula-Verlag, Wiesbaden 1987, ISBN 3-89104-456-9, S. 143, Satz 4.7.3
- Wolfgang Fischer, Ingo Lieb: Funktionentheorie. 7. verbesserte Auflage. Vieweg, Braunschweig u. a. 1994, ISBN 3-528-67247-1, S. 57, Kapitel 3, Satz 1.4 (Vieweg-Studium. Aufbaukurs Mathematik 47).
- Günter Bärwolff: Höhere Mathematik für Naturwissenschaftler und Ingenieure. 2. Auflage, 1. korrigierter Nachdruck. Spektrum Akademischer Verlag, München u. a. 2009, ISBN 978-3-8274-1688-9.
- Klaus Jänich: Einführung in die Funktionentheorie. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin (u. a.) 1980, ISBN 3-540-10032-6.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Klaus Jänich: Einführung in die Funktionentheorie. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin (u. a.) 1980, ISBN 3-540-10032-6, S. 19–20.
- ↑ Klaus Jänich: Einführung in die Funktionentheorie. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin (u. a.) 1980, ISBN 3-540-10032-6, S. 15, 20.
- ↑ Klaus Jänich: Einführung in die Funktionentheorie. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin (u. a.) 1980, ISBN 3-540-10032-6, S. 16, 20.