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„Karoline von Günderrode“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Porträt von Karoline von Günderrode, 1797.jpg|alternativtext=Gemälde, das Karoline von Günderrode im Profil zeigt|mini|Karoline von Günderrode, 1797, Historisches Museum Frankfurt]]
'''Karoline''' Friederike Louise Maximiliane '''von Günderode''' (* [[11. Februar]] [[1780]] in [[Karlsruhe]]; † [[26. Juli]] [[1806]] in [[Winkel]] am [[Rhein]]; auch: Günderrode) war eine [[Deutsche Sprache|deutsche]] [[Dichter]]in.


'''Karoline Friederike Louise Maximiliane von Günderrode''' (* [[11. Februar]] [[1780]] in [[Karlsruhe]]; † [[26. Juli]] [[1806]] in [[Winkel (Rheingau)|Winkel]]) war eine [[Deutsche Sprache|deutsche]] [[Dichter]]in der [[Romantik]].
[[Bild:Karoline von guenderode.jpg|thumb|Karoline von Günderode, Anonymes Gemälde, um 1800
Historisches Museum, Frankfurt am Main]]


== Leben und Werk ==
=== Herkunft ===
Karoline von Günderrode wurde am 11. Februar 1780 in Karlsruhe als ältestes Kind eines badischen Regierungsrates geboren. Sie verlor ihren Vater, den Hofrat und Schriftsteller [[Hector Wilhelm von Günderrode]], im Alter von sechs Jahren. Die Mutter, Luise Sophie Victorie Auguste Henriette Friedrike, geb. von Günderrode aus dem Frankfurter Zweig (1759–1819), zog daraufhin mit ihren fünf Töchtern und ihrem Sohn nach [[Hanau]].


Die Familie [[Günderrode (Adelsgeschlecht)|Günderrode]] gehörte seit dem 16. Jahrhundert zu den führenden [[Patrizier]]geschlechtern von [[Frankfurt am Main]], die sich in der [[Ganerbschaft]] [[Alten Limpurg]] zusammengeschlossen hatten. Karolines Bruder war der spätere Senator und Ältere Bürgermeister der [[Freie Stadt Frankfurt|Freien Stadt Frankfurt]], [[Friedrich Carl Hector Wilhelm von Günderrode]].
==Kindheit und Jugend==
Die Günderrodes schrieben sich stets mit doppeltem „r“, was später gelegentlich missachtet wurde – daher die häufig zu lesende Namensform ''Günderode'' – und erst seit den 1970er Jahren wieder Eingang in die Literatur fand.


=== Kindheit und Jugend ===
Um [[1800]] befand sich Europa in innerem und äußeren Aufruhr. Auch die frühen Jahre von Karoline von Günderode waren unruhig. Am [[11. Februar]] [[1780]] in [[Karlsruhe]] als ältestes Kind eines badischen Regierungsrates aus kleinem Adel geboren, verlor sie den Vater, den Hofrat und Schriftsteller [[Hector Wilhelm von Günderode]], im Alter von sechs Jahren. Der Senator [[Hektor Wilhelm von Günderode]] war ihr Bruder. Nach dem frühen Tod des Vaters 1786 ließ sich die Familie in [[Hanau]] nieder. Die Kindheit fristete sie mit der Mutter, [[Louise von Günderode]], und ihren beiden Geschwistern in beengten Verhältnissen. Ihre frühen Jahre sind von einem gerichtlichen Streit gezeichnet, den sie mit der Mutter um das Erbe führte. Mit siebzehn wurde Karoline »Stiftsfräulein« auf dem evangelischen [[Cronstettischen Adeligen Damenstift]] in [[Frankfurt am Main]]. Man hielt sie dort zu einem »sittsamen Lebenswandel« an. Doch unter dem schwarzen Ordenskleid mit der langer Schleppe, dem weißem Kragen und dem Ordenskreuz regte sich ein unbändiges Freiheitsbedürfnis.
Nach dem Tod des Vaters 1786 erhielt Karolines Mutter eine Pension von 300 Gulden im Monat, was nicht ausreichte, um sich und die sechs Kinder standesgemäß zu erhalten. Sie zog deshalb mit ihnen nach Hanau, wo Verwandte sie unterstützten. Karoline missbilligte den ausschweifenden Lebensstil, den ihre Mutter in Hanau an den Tag legte, weil damit das Erbe verbraucht wurde, das auch den Kindern zustand. Karoline kümmerte sich um ihre jüngeren Geschwister, während die Mutter sich dem Leben bei Hofe widmete. Es kam vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Frauen und schließlich zum Kontaktabbruch.<ref>{{Literatur |Autor=Laura Maierhofer |Titel=Karoline von Günderrode und Friedrich Creuzer: Der Brief als Medium einer romantischen Liebe. Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz |Ort=Graz |Datum=2016 |Seiten=8 f. |Online=https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/1369428}}</ref>
Wie eine Gefangene kam sich die junge Karoline im Damenstift vor. Die [[Französische Revolution]] begeisterte sie. Ihre Liebesgeschichten hielten sie in Atem. Schon früh zeichneten sich die Themen ab, die sie ein Leben lang beschäftigen sollten: Gefangenschaft und Frei¬heit, Liebe und Tod.
Ihre erste große Liebe wurde [[Carl von Savigny]], später der bedeutendste Jurist seiner Zeit und Minister des »romantischen Königs« Friedrich Wilhelm IV. Savigny war damals Jurastudent und führte das junge Mädchen in den Kreis der Romantiker ein. »Ich liebe, wünsche, glaube, hoffe wieder, und vielleicht stärker als jemals«, gestand die Neunzehnjährige einer Freundin. Savigny ahnte nicht, daß seine Verehrerin Gedichte schrieb. Sie hatte allen Grund, es zu verbergen.
»Das Reich, in dem wir zusammentrafen, senkte sich herab wie eine Wolke, die sich öffnete um uns in ein verborgenes Paradies aufzunehmen«, erinnerte sich [[Bettina von Arnim]] später in ihrem Buch ‘‘Die Günderode‘‘ an die gemeinsame Zeit. Doch die Freundschaft mit Bettina sollte kurz vor Karolines Tod abrupt abreißen.


Auf Betreiben der Mutter wurde Karoline mit siebzehn Jahren als Stiftsdame des evangelischen [[Cronstetten Stiftung|Cronstetten-Hynspergischen Adeligen]] [[Frauenstift|Damenstift]] in Frankfurt am Main angenommen.<ref>{{Internetquelle |autor=Martin Glaubrecht |url=https://www.deutsche-biographie.de/sfz24490.html |titel=Günderrode, Caroline von |werk=Deutsche Biographie |abruf=2023-07-20}}</ref> Das Stift sicherte mittellosen weiblichen Angehörigen der Alten-Limpurger Familien den materiellen Lebensunterhalt. Die Stiftsdamen waren zu einem „sittsamen Lebenswandel“ angehalten. Karoline war die mit Abstand Jüngste unter ihnen. Sie studierte im Stift Philosophie, Geschichte, Literatur und Mythologie und entwickelte eine tiefe Sehnsucht nach einem erfüllten, selbstbestimmten Leben. Sie las viel, u.&nbsp;a. [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]], [[Friedrich Schiller|Schiller]], [[Novalis]], [[Jean Paul]], [[Friedrich Schlegel|Schlegel]], [[Friedrich Hölderlin|Hölderlin]], [[Immanuel Kant|Kant]], [[Johann Gottlieb Fichte|Fichte]] und [[Johann Gottfried Herder|Herder]]. Von der umfangreichen Lektüre inspiriert, begann sie selbst zu dichten, außerdem führte sie Arbeitshefte zu den Themen [[Geographie]], [[Verslehre|Metrik]] und [[Physiognomik]].<ref name=":0">{{Internetquelle |autor=Renate Wiggershaus |url=https://www.fr.de/kultur/literatur/wissbegierig-ihre-zeit-11654001.html |titel=Zu wissbegierig für ihre Zeit |werk=Frankfurter Rundschau |datum=2006-07-26 |abruf=2023-07-20}}</ref> Die [[Französische Revolution]] begeisterte sie. Ihre [[Liebesroman|Liebesgeschichten]] hielten sie in Atem. Schon früh zeichneten sich die Themen ab, die sie ein Leben lang beschäftigen sollten: Gefangenschaft und Freiheit, Liebe und Tod.


[[Datei:2014-32 Stehling 02p-042 Trages Guenderrode Haus.JPG|Karoline-von-Günderrode-Haus;<br />im [[Hof Trages]], dem Hofgut von<br />[[Friedrich Carl von Savigny]] im<br />hessischen [[Somborn (Freigericht)|Freigericht-Somborn]]|mini]]
==»Sappho der Romantik«==
Ihre erste große Liebe wurde [[Friedrich Carl von Savigny]], später der bedeutendste Jurist seiner Zeit und Minister des „Romantikers auf dem Thron“, König [[Friedrich Wilhelm IV.]] Savigny war damals Jurastudent und führte das junge Mädchen in den Kreis der Romantiker ein. „Ich liebe, wünsche, glaube, hoffe wieder, und vielleicht stärker als jemals“, gestand die Neunzehnjährige einer Freundin. Savigny ahnte nicht, dass seine Verehrerin Gedichte schrieb. Sie hatte allen Grund, es zu verbergen.<ref>''Der Blick, der träumt. Wo Karoline von Günderrode und Friedrich Carl von Savigny einander küssten.'' In: ''[[Frankfurter Allgemeine Zeitung|FAZ]].'' 4. August 2012, S. 47.</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Florian Balke |url=https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/veste-otzberg-der-blick-der-traeumt-11843488.html |titel=Der Blick, der träumt |hrsg=FAZ |datum=2012-08-03 |sprache=de |abruf=2022-11-02}}</ref>


„Das Reich, in dem wir zusammentrafen, senkte sich herab wie eine Wolke, die sich öffnete um uns in ein verborgenes Paradies aufzunehmen“,<ref>Gustav Konrad (Hrsg.): ''Bettina von Arnim: Werke und Briefe.'' Bd. 2, Frechen/Köln 1959–1963, S. 49.</ref> erinnerte sich [[Bettina von Arnim]] später in ihrem Buch ''Die Günderode'' an die gemeinsame Zeit. Die enge Freundschaft zu der ebenfalls sehr wissensdurstigen Bettina von Arnim brach Karoline von Günderrode kurz vor ihrem Tod abrupt ab, da ihr Geliebter [[Friedrich Creuzer]] die [[Brentano]]-Familie nicht schätzte.
Als Karoline mit 24 Jahren unter dem Pseudonym »Tian« ihr erstes Buch, ‘‘Gedichte und Phantasien‘‘, veröffentlichte, schrieb [[Goethe]] an die Dichterin: »Diese Gedichte sind eine wirklich seltsame Erschei¬nung.« Auch der zwei Jahre ältere [[Clemens Brentano]] war über¬rascht: »Ich kann es immer noch nicht ver¬ste¬hen, wie sie Ihr ernsthaftes poetisches Talent vor mir verbergen konnten«.
Brentano wurde kurz darauf berühmt. Das Werk von Karoline von Günderode aber steht bis heute im Schatten ihres Lebens. Dabei schrieb sie einige der schönsten Gedichte der europäischen Romantik, so das todessüchtige ‘‘Hochroth‘‘. Ihre Dichtungen sind schwermütig und kühn, dabei aber eingängig. Schon im neunzehnten Jahrhundert nannte man Karoline von Günderode die »Sappho der Romantik«.
Karolines Dichtungen bringen nicht nur den Konflikt zum Ausdruck, in dem sich eine liebende Frau damals befand, die zugleich ihr eigenen Ideen zu verwirklichen suchte, sie nehmen auch das Ende ihres hochgespannten Lebens vorweg:


Karoline klagte zeit ihres Lebens über Kopf- und Augenschmerzen. Die Beschreibung ihrer zeitweiligen Sehstörungen lassen eine Erkrankung am [[Glaukom|Grünen Star]] möglich erscheinen.
In die heitre freie Bläue /
In die unbegränzte Weite /
Will ich wandeln, will ich wallen /
Nichts soll meine Schritte fesslen. //


=== „Sappho der Romantik“ ===
Leichte Bande sind mir Ketten /
Als Karoline von Günderrode mit 24 Jahren unter dem Pseudonym „Tian“ ihr erstes Buch, ''Gedichte und Phantasien'', veröffentlichte, schrieb Goethe an [[Heinrich Karl Eichstädt|Heinrich Carl Abraham Eichstädt]] über die ihm zugesandten Gedichte samt Rezension: „Diese Gedichte sind wirklich eine seltsame Erscheinung und die Recension brauchbar.“<ref>[http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Briefe/1804 Goethe, Johann Wolfgang {{!}} Briefe {{!}} 1804], auf zeno.org</ref> Auch der zwei Jahre ältere [[Clemens Brentano]] war überrascht: „Ich kann es immer noch nicht verstehen, wie Sie Ihr ernsthaftes poetisches Talent vor mir verbergen konnten“.
Und die Heimat wird zum Kerker. /
Darum fort und fort ins Weite /
Aus dem engen dumpfen Leben.


Clemens Brentano wurde kurz darauf berühmt. Das Werk Karolines von Günderrode steht bis heute im Schatten ihres Lebens. Dabei schrieb sie einige der schönsten Gedichte der europäischen Romantik, so das [[Todessehnsucht|todessehnsüchtige]] ''Hochroth''. Ihre Dichtungen sind schwermütig, kühn und eingängig. Schon im neunzehnten Jahrhundert nannte man Karoline von Günderrode die „[[Sappho]] der Romantik“.
Die ungewöhnliche Erscheinung der Stiftsdame und Poetin war schon den Zeitgenossen ein Rätsel. Auch ihre Poesie schreckte in ihrer Bedingungslosigkeit viele Leser ab. Karolines Dichtung erschien »etwas zu kühn und männlich«, wie die Vorsteherin eines Heidelberger Mädchen¬pensionats urteilte.
Man zweifelte an ihrer Weiblichkeit. Denn Karoline von Günderode widersprach den Vorstellungen der damaligen Zeit, wie eine Frau sich zu verhalten — und wie sie zu dichten habe.
»Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglückseligkeit«, bekannte sie schon mit einundzwanzig Jahren. »Nur das Wilde, Große, Glänzende gefällt mir. Es ist ein unse¬liges, aber un¬verbesserliches Mißverhältnis in meiner Seele; und es wird und muß so bleiben, denn ich bin ein Weib und habe Begierden wie ein Mann, ohne Männerkraft. Darum bin ich so wechselnd und uneins mit mir.«


Günderrodes Dichtungen bringen den Konflikt zum Ausdruck, in dem sich eine liebende Frau damals befand, die zugleich ihre eigenen Ideen zu verwirklichen suchte; sie nehmen auch das Ende ihres hochgespannten Lebens vorweg:
==Die große Liebe==


{{Zitat
Auf einem Ausflug zum [[Stift Neuburg]] bei [[Heidelberg]] lernte Karoline den bedeutenden Philologen und Mythenforscher [[Friedrich Creuzer]] (1771 - 1853) und seine dreizehn Jahre ältere Frau kennen. Nun erhielten ihre Lebensthemen einen Schub — und auch ihre Kon¬flikte.
|Text=In die heitre freie Bläue<br />In die unbegränzte Weite<br />Will ich wandeln, will ich wallen<br />Nichts soll meine Schritte fesseln.<br /><br />Leichte Bande sind mir Ketten<br />Und die Heimat wird zum Kerker.<br />Darum fort und fort ins Weite<br />Aus dem engen dumpfen Leben.}}<ref>Günderrode, Karoline von: ''Sämtliche Werke und ausgewählte Studien: historisch-kritische Ausgabe''. Hrsg. von Walter Morgenthaler. Basel: Stroemfeld/Roter Stern, 1990. S. 392–393. [[iarchive:samtlichewerkeun0000gund_e5l5/page/392/mode/2up|online]]</ref>
Karoline und Creuzer versprachen einander bis in den Tod zu lieben. »Den Verlust Deiner Liebe könnte ich nicht ertragen«, schrieb die junge Frau dem Forscher in einem ihrer Briefe, die zu den schönsten Liebesbriefen der deutschen Literatur gehören.
[[Carl von Savigny]] heiratete Brentanos Schwester Gunda, [[Clemens Brentano]] führte [[Sophie Mereau]] heim. Doch Karoline von Günderode konnte sich ein Leben als Professorengattin nicht vorstellen. Und Creuzer bemängelte: »Lina schickt sich zur Ehe nicht…«
Der Gelehrte spielte mit dem Gedanken an eine [[ménage à trois]]. »Mein Frau sollte bei uns zu bleiben wünschen — als Mutter, als Führerin unseres Hauswesens. Frei und poetisch sollte Ihr Leben sein«, schlug er Karoline vor. Es war Zeit neuer Entwürfe des Zusammenlebens. So steht Creuzers Utopie in Beziehung zu den revolutionären Vorstellungen, wie sie zur gleichen Zeit in Frankreich [[Henri de Saint-Simon]] und sein Freundeskreis zu leben versuchten.
Karoline von Günderode beschäftigte sich unter dem Einfluß von Creuzer mit dem Studium früher, auch [[Matriarchat|matriarchaler Gesellschaften]]. Auch darin war sie ihrer Zeit voraus. In Männerkleidung wollte sie Creuzers Vorlesungen besuchen, um dem Geliebten nahe zu sein.


Die ungewöhnliche Erscheinung der Stiftsdame und Poetin war schon den Zeitgenossen ein Rätsel. Auch die Bedingungslosigkeit ihrer Poesie irritierte viele ihrer Leser. Günderrodes Dichtung erschien „etwas zu kühn und männlich“, wie Karoline Rudolphi, die Vorsteherin eines Heidelberger Mädchenpensionats urteilte.<ref>Ulrike Landfester: ''Selbstsorge als Staatskunst: Bettine von Arnims politisches Werk.'' Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, S. 205.</ref> Man zweifelte an ihrer Weiblichkeit. Karoline von Günderrode verstieß offenbar gegen Konventionen der damaligen Zeit, wie eine Frau sich zu verhalten und wie sie zu dichten habe.


„Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglückseligkeit“, bekannte sie 1801 in einem Brief an [[Kunigunde von Savigny|Kunigunde Brentano]] mit einundzwanzig Jahren. „Nur das Wilde, Große, Glänzende gefällt mir. Es ist ein unseliges, aber unverbesserliches Mißverhältnis in meiner Seele; und es wird und muß so bleiben, denn ich bin ein Weib und habe Begierden wie ein Mann, ohne Männerkraft. Darum bin ich so wechselnd und uneins mit mir.“<ref>{{Literatur |Autor=Birgit Weißenborn |Titel="Ich sende Dir ein zärtliches Pfand". Die Briefe der Karoline von Günderrode |Verlag=Insel Verlag |Ort=Frankfurt am Main |Datum=1992 |Seiten=234 |Online=https://archive.org/details/ichsendedireinza0000gund/page/234}}</ref>
==Tod==


=== Die große Liebe ===
Doch als Creuzer erkrankte und seine Frau ihn gesundpflegte, schwor er ihr, sich von seiner jungen Geliebten zu trennen. Im Juli [[1806]] erhielt Karoline die Nachricht.
Auf einem Ausflug zur [[Abtei Neuburg]] bei [[Heidelberg]] lernte Karoline den bedeutenden Philologen und Mythenforscher [[Friedrich Creuzer]] und seine dreizehn Jahre ältere Frau kennen. Nun erhielten ihre Lebensthemen einen Schub&nbsp;– und auch ihre Konflikte. Creuzer schätzte ihre Dichtung und half ihr, diese zu verlegen. Günderrode und Creuzer versprachen sich, einander bis in den Tod zu lieben. „Den Verlust Deiner Liebe könnte ich nicht ertragen“, schrieb die junge Frau dem Forscher in einem ihrer Briefe, die von manchem als die schönsten Liebesbriefe der deutschen Literatur angesehen werden.
Schon lange besaß sie einen Dolch mit silbernem Griff. Von einem Chirurgen hatte sie sich Rat geholt, wie er am besten gegen sich selbst zu führen sei. Aus unglücklicher Liebe, aber auch belastet von dem unlösbaren Konflikt zwischen ihrem Freiheitsbedürfnis und der Frauenrolle der damaligen Zeit erdolchte sie sich selbst am Flußufer in [[Winkel am Rhein]].
Am nächsten Tag fand man ihre Leiche im Wasser. »Ein tiefe Wunde, nicht ganz ein Zoll lang; der Stich zwischen 4. und 5. Rippe in die linke [[Herzkammer]] eingedrungen«, vermerkt das ärztliche Protokoll.
[[Friedrich Creuzer]] tat alles, damit Karolines postumes Werk ‘‘Melete‘‘ nicht publiziert wurde. Er kommt als »Eusebio« in dem Buch vor und wünschte, nicht erkannt zu werden: »Die Unterdrückung dieser Schrift ist durchaus nötig.« Erst hundert Jahre nach dem Tod der Dichterin konnte ‘‘Melete‘‘ veröffentlicht werden.


Friedrich Carl von Savigny indes heiratete Clemens Brentanos Schwester Kunigunde (Gunda), Clemens Brentano heiratete [[Sophie Mereau]]. Doch Karoline von Günderrode konnte sich ein Leben als Professorengattin nicht vorstellen. Und Friedrich Creuzer bemängelte: „Lina schickt sich zur Ehe nicht…“


Der Gelehrte spielte mit dem Gedanken an eine [[ménage à trois]]. „Meine Frau sollte bei uns zu bleiben wünschen&nbsp;– als Mutter, als Führerin unseres Hauswesens. Frei und poetisch sollte Ihr Leben sein“, schlug er Günderrode vor. Es war die Zeit neuer Entwürfe des Zusammenlebens. So steht Creuzers Utopie in Beziehung zu den revolutionären Vorstellungen, wie sie zur gleichen Zeit in Frankreich [[Henri de Saint-Simon]] und sein Freundeskreis zu leben versuchten. Von einigen Kennern der Zeit wird sie gleichwohl als Charakterschwäche eingestuft&nbsp;– der kränkliche Friedrich Creuzer hatte nicht den Mut, sich von seiner Frau zu trennen.
==Erkrankung==


Karoline von Günderrode beschäftigte sich unter Creuzers Einfluss mit dem Studium früher, auch [[Matriarchat|matriarchaler]] Gesellschaften. Auch darin war sie ihrer Zeit voraus. In Männerkleidung wollte sie Creuzers Vorlesungen besuchen, um dem Geliebten so nah wie möglich zu sein.
Günderode klagte Zeit ihres Lebens über Kopf- und Augenschmerzen. Die Beschreibung ihrer zeitweiligen Sehstörungen lassen einen Erkrankung am [[Schwarzen Star]] möglich erscheinen.


=== Tod ===
[[Datei: Guenderrode-grabmal-winkel-2023.jpg|mini|alt=steinernes Grabmal, das in eine Friedhofsmauer eingelassen ist, mit kleinem Kiesbeet|Grab der Karoline von Günderrode in Winkel (Rheingau)]]


Als Creuzer erkrankte<ref>{{Literatur |Autor=Hans Peter Buohler |Titel=Günderrode, Karoline von |Sammelwerk=Verfasser-Datenbank |Verlag=De Gruyter |Ort=Berlin / New York |Datum=2012 |Online=https://www.degruyter.com/database/VDBO/entry/vdbo.killy.2134/html}}</ref> und seine Frau ihn gesund pflegte,<ref>{{Literatur |Autor=Hyacinth Holland |Titel=Günderrode, Caroline von |Sammelwerk=Allgemeine Deutsche Biographie |Band=10 |Datum=1879 |Seiten=126 |Online=https://www.deutsche-biographie.de/pnd118543202.html#adbcontent}}</ref> schwor er ihr, sich von seiner jungen Geliebten zu trennen. Am 26. Juli 1806 erhielt Karoline die Nachricht.
==Historische Bedeutung==


Bereits nach dem Tod ihrer Lieblingsschwester Charlotte 1801 hatte sich Karoline auf der Frankfurter Ostermesse einen Dolch gekauft.<ref name=":0" /> Von einem Chirurgen hatte sie sich Rat geholt, wie er am besten gegen sich selbst zu führen sei. Aus unglücklicher Liebe erdolchte sie sich selbst am Flussufer in [[Winkel (Rheingau)|Winkel]] im [[Rheingau-Taunus-Kreis|Rheingau]]. Am nächsten Tag fand man ihre Leiche im Wasser. „Eine tiefe Wunde, nicht ganz ein Zoll lang; der Stich zwischen 4. und 5. Rippe in die linke [[Herzkammer]] eingedrungen“, vermerkt das ärztliche Protokoll. Bestattet wurde sie an der Friedhofsmauer<ref>{{Literatur |Autor=Laura Maierhofer |Titel=Karoline von Günderrode und Friedrich Creuzer: Der Brief als Medium einer romantischen Liebe. Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz |Ort=Graz |Datum=2016 |Seiten=78 |Online=https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/1369428}}</ref> der Winkeler Pfarrkirche St. Walburga.
Trotz ihres außerordentlichen Lebensgeschichte ist Karoline von Günderode kein isoliertes Phänomen. Man kann sie im Kontext zu Zeitgenossen wie Bettina von Arnim sehen, zwischen die Zerrissenen der Epoche, [[Ferdinand Raimund]], [[Hölderlin]], [[Kleist]] und [[Lord Byron]] — aber auch in Beziehung zu Künstlerinnen wie [[Rosalbe Carriera]] und [[Elisabeth Vigée-Lebrun]], [[Angelica Kaufmann]] und späteren Frauenfiguren wie der ebenfalls früh verstorbenen russischen Malerin [[Marie Bashkirtseff]].


Friedrich Creuzer ließ das sich zum Zeitpunkt von Günderrodes Tod in Druck befindliche Werk ''Melete'' einstampfen. 1896 wurde der Fund von 4 Druckbögen und einem Korrekturbogen des Manuskripts bekannt gemacht.<ref>{{Literatur |Titel=Friedrich Creuzer und Karoline von Günderode. Briefe und Dichtungen |Hrsg=Erwin Rohde |Verlag=Winter |Ort=Heidelberg |Datum=1896}}</ref> Die Fragmente wurden von [[Johann Friedrich Heinrich Schlosser]] in dessen Stift Neuburg aufbewahrt. Im selben Jahr und 1899 folgten Teilausgaben von Stücken aus Melete. Erst 1906, 100 Jahre nach dem Tod der Dichterin, konnte eine vollständige Ausgabe der erhalten gebliebenen Fragmente von ''Melete'' veröffentlicht werden.<ref>{{Literatur |Autor=Walter Morgenthaler |Titel=Karoline von Günderrode. Sämtliche Werke und ausgewählte Studien. Historisch-kritische Ausgabe |Hrsg=Walter Morgenthaler |Band=3: Kommentar |Verlag=Stroemfeld / Roter Stern |Ort=Frankfurt / Basel |Datum=1990 |Seiten=163-165}}</ref>


==Rezeption heute==
== Wirkung ==
=== Historische Bedeutung ===
Trotz ihrer außerordentlichen Lebensgeschichte ist Karoline von Günderrode kein isoliertes Phänomen. Sie kann im Kontext mit Zeitgenossen wie [[Bettina von Arnim]], zwischen den „Zerrissenen“ der Epoche wie [[Ferdinand Raimund]], [[Friedrich Hölderlin]], [[Heinrich von Kleist]] und [[George Gordon Byron|Lord Byron]], aber auch in Beziehung zu Künstlerinnen wie [[Rosalba Carriera]] und [[Elisabeth Vigée-Lebrun]], [[Angelika Kauffmann]] und später lebenden Frauen wie der ebenfalls früh verstorbenen russischen Malerin [[Marie Bashkirtseff]] gesehen werden.


=== Rezeption heute ===
Schon seit langem finden Lebensgeschichten von Frauen des frühen neunzehnten Jahrhunderts große Beachtung. Bücher wie [[Ingeborg Drewitz]]' ‘‘Bettina von Arnim‘‘ und [[Carola Stern|Carola Sterns]] Biographien von [[Rahel Varnhagen]] und [[Dorothea Schlegel]] werden nicht nur vom weiblichen Publikum verschlungen. [[Hans Magnus Enzensberger]] hat unter dem Titel ‘‘Requiem für eine romantische Frau‘‘ den Briefwechsel zwischen [[Auguste Bußmann]] und [[Clemens Bren¬tano]] herausgegeben; er wurde zu einem der erfolgreichsten Bände der [[Die Andere Bibliothek|Anderen Bibliothek]]. Auch [[Sigrid Damm|Sigrid Damms]] ‘‘Recherche‘‘-Roman‘‘ Christiane und Goethe‘‘ ist hier zu nennen.
Schon seit langem finden Lebensgeschichten von Frauen des frühen neunzehnten Jahrhunderts große Beachtung, beginnend mit dem Theaterstück von [[Albert Steffen]] ''Caroline von Günderrode. Eine Tragödie aus der Zeit der deutschen Romantik''. Bücher wie [[Ingeborg Drewitz]]’ ''Bettina von Arnim'' und [[Carola Stern]]s Biographien über [[Rahel Varnhagen]] und [[Dorothea Schlegel]] werden nicht nur vom weiblichen Publikum verschlungen. [[Hans Magnus Enzensberger]] hat unter dem Titel ''Requiem für eine romantische Frau'' den Briefwechsel zwischen [[Auguste Bußmann]] und [[Clemens Brentano]] herausgegeben; er wurde zu einem der erfolgreichsten Bände der [[Die Andere Bibliothek|Anderen Bibliothek]] und 1998 von Dagmar Knöpfel verfilmt. Auch [[Sigrid Damm]]s „Recherche“-Roman ''Christiane und Goethe'' ist hier zu nennen.
Karoline von Günderode, die im Alter von 26 Jahren von eigener Hand starb, ist eine der schillernsten Figuren der deutschen Romantik. Ihr Zwiespalt zwischen Liebe und Freiheitsdrang spiegelt die Situation der Frau in der bürgerlichen Elite um 1800 und wirft auch ein Licht auf die späteren [[Emanzipation|Emanzipationsbewegungen]].
Die Radikalität, mit der sie ihr Gefühl auszuleben versuchte, hat schon ihre Zeitgenossen fasziniert. Nach ihrem Tod erschienen immer wieder Auswahlbände ihres poetischen Werks und vor allem ihrer Briefe. In den siebziger Jahren wurde Karoline zu einer Identifikationsfigur der Frauenbewegung. In der [[Sammlung Luchterhand]] erschien die Anthologie ‘‘Der Schatten eines Traumes‘‘. [[Christa Wolf]] steuerte einen Essay zu diesem Band bei und machte Karoline von Günderode zu einer Protagonistin ihres Romans ‘‘Kein Ort, nirgends‘‘. Allerdings erfährt man hier viel über [[Christa Wolf]] und wenig über Karoline; so wie schon [[Bettine von Arnim]] die Dichterin zum Medium ihrer eigenen Weltsicht gemacht hate.
Mit der von [[Walther Morgenthaler]] veranstalte¬ten historisch-kritischen Gesamtausgabe liegt seit kurzem ein zuverlässiger Text vor. Dennoch gibt es bis heute weder ein gültiges Standardwerk, noch eine ausführliche Biographie dieser bedeutenden Dichterin — die eine in ihrer Radikalität repräsentative Frauengestalt der [[Romantik]] ist. Sie verkörpert in Leben und Werk Genie, Einsamkeit, Liebe und Tod einer Frau um 1800 und kann in ihrem spezifisch weiblichen Freiheitsdrang als eine Vorgängerin der Emanzipationsbewegungen betrachtet werden: »O, welche schwere Verdammnis, die angeschaffenen Flügel nicht bewegen zu können!« Ihr literarisches Werk wird derzeit wiederentdeckt.


Die Radikalität, mit der Karoline ihr Gefühl auszuleben versuchte, faszinierte schon ihre Zeitgenossen. Nach ihrem Tod erschienen mehrfach Auswahlbände ihres poetischen Werks und vor allem ihrer Briefe. In den 1970er Jahren wurde Karoline zu einer Identifikationsfigur der Frauenbewegung. In der „Sammlung Luchterhand“ erschien die Anthologie ''Der Schatten eines Traumes. Gedichte, Prosa, Briefe, Zeugnisse von Zeitgenossen'', herausgegeben von [[Christa Wolf]]. Wolf verfasste darin einen sehr genauen und zugleich einfühlsamen Essay über Günderrode. Zeitgleich machte Wolf Karoline von Günderrode zu einer Protagonistin ihrer Erzählung ''[[Kein Ort. Nirgends]]'', in der es zu einer fiktiven Begegnung der Günderrode mit [[Heinrich von Kleist]] kommt, da die Schicksale der beiden dichtenden Zeitgenossen gewisse Parallelen aufweisen.


Neben der von [[Walter Morgenthaler (Literaturwissenschaftler)|Walter Morgenthaler]] herausgegebenen historisch-kritischen Gesamtausgabe liegt seit Februar 2006 durch [[Dagmar von Gersdorff]] eine ausführliche Biographie von Günderrodes, die eine in ihrer Radikalität repräsentative Frauengestalt der Romantik ist, vor. Sie verkörpert in Leben und Werk Genie, Einsamkeit, Liebe und Tod einer Frau um 1800 und kann in ihrem spezifisch weiblichen Freiheitsdrang als eine Vorgängerin der [[Liberalismus|Liberalisierungsbewegung]] betrachtet werden: „O, welche schwere Verdammnis, die angeschaffenen Flügel nicht bewegen zu können!“
==Werke==


Noch heute ist ein kleines Haus auf [[Hof Trages]] nach ihr benannt. Sie pflegte dort zu wohnen, wenn sie sich mit den Arnims, Brentanos und Savignys traf, mit denen sie befreundet war.
* ''"Gedichte, Prosa, Briefe"'', Hrsg. von Hannelore Schlaffer, Stuttgart 1998, ISBN 3-15-009722-3
* ''"Der Schatten eines Traumes : Gedichte, Prosa, Briefe, Zeugnisse von Zeitgenossen"'', Hrsg. von Christa Wolf, München 1997, ISBN 3-423-12376-1


In der Oper ''Kleist'' von [[Rainer Rubbert]] und [[Tanja Langer]] kommt es zu einer fiktiven Begegnung von Günderrode und Kleist.
* Karoline von Günderrode. Sämtliche Werke und ausgewählte Studien. Historisch-Kritische Ausgabe. Herausgegeben von Walter Morgenthaler. Basel; Frankfurt/Main: Stroemfeld/Roter Stern. Band 1: Texte. Hg. v. Walter Morgenthaler unter Mitarb. v. Karin Obermeier und Marianne Graf. 1990. Band 2: Varianten und ausgewählte Studien. Hg. v. Walter Morgenthaler. 1991. Band 3: Kommentar. Hg. v. Walter Morgenthaler unter Mitarb. v. Karin Obermeier und Marianne Graf. 1991.


Auf der Rückseite des letzten [[Bargeld der Deutschen Mark#Der Fünf-Mark-Schein|5-DM-Scheins]] (BBk III, 1990) ist ihre Unterschrift als Faksimile in der unteren rechten Ecke dargestellt.


Im Film [[Heimat 3]] von [[Edgar Reitz]] kommt mit dem [[Günderodehaus]] bei [[Oberwesel]] ein fiktives Wohnhaus der Dichterin vor.
==Literatur==


== Ausgaben ==
* [[Christa Wolf]]: ''Kein Ort. Nirgends'' (Roman über die Günderode), Berlin, Weimar 1979, ISBN 3-423-08321-2
* Walter Morgenthaler (Hrsg.): ''Sämtliche Werke und ausgewählte Studien. Historisch-Kritische Ausgabe.'' Stroemfeld / Roter Stern, Basel / Frankfurt am Main 1990–1991, ISBN 3-87877-970-4. (Neuauflage 2006, ISBN 3-87877-964-X)
** Band 1: ''Texte.'' 1990.
** Band 2: ''Varianten und ausgewählte Studien.'' 1991.
** Band 3: ''Kommentar.'' 1991.
* ''Werke und Briefe''. 5 Bände Bd. 1–4 hrsg. von Gustav Konrad. Bd. 5 hrsg. von Joachim Müller. Frechen/Köln 1959–1963.
* [[Hannelore Schlaffer]] (Hrsg.): ''Gedichte, Prosa, Briefe.'' Stuttgart 1998, ISBN 3-15-009722-3.
* [[Christa Wolf]] (Hrsg.): ''Der Schatten eines Traumes. Gedichte, Prosa, Briefe, Zeugnisse von Zeitgenossen.'' [[Buchverlag Der Morgen]] Berlin 1979. (Neuauflage München 1997, ISBN 3-423-12376-1)


== Literatur ==
* [[Bettine von Arnim]]: Die Günderode. suhrkamp taschenbuch st 2341, 1. Auflage 1994
; Sachliteratur
* [[Dagmar von Gersdorff]]: ''„Die Erde ist mir Heimat nicht geworden.“ Das Leben der Karoline von Günderrode''. Insel, Frankfurt am Main 2006.
* {{NDB|7|261|262|Günderrode, Caroline Friederike Louise Maximiliane|Martin Glaubrecht|118543202}}
* Markus Hille: ''Karoline von Günderrode'' (= ''Rowohlts Monographien''). Rowohlt, Reinbek 1999, ISBN 3-499-50441-3.
* {{ADB|10|126|126|Günderrode, Caroline von|[[Hyacinth Holland]]|ADB:Günderrode, Caroline von}}
* Margarete Lazarowicz: ''Karoline von Günderrode. Porträt einer Fremden'' (= ''Europäische Hochschulschriften.'' I.923). Peter Lang, Frankfurt am Main 1986.
* [[Christa Wolf]] (Hrsg.): ''Karoline von Günderode<!--sic!-->. Der Schatten eines Traums. Gedichte, Prosa, Briefe, Zeugnisse von Zeitgenossen.'' Der Morgen, Berlin 1981. (häufige Neuauflagen, auch in der BRD. Darin von Wolf als Autorin: ''K. v. G.'' dieses wieder in Marlis Gerhardt (Hrsg.): ''Essays berühmter Frauen.'' Insel, Frankfurt 1997, ISBN 3-458-33641-9, S. 137–169)
* Rainer Brüning: ''Karoline von Günderrode. Dichterin, 1780-1806''. In: Lebensbilder aus Baden-Württemberg, Bd. 22 (2007), S. 153–181.
* Hans Peter Buohler: ''Karoline von Günderrode.'' In: ''Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraums.'' Begr. von [[Walther Killy]], hrsg. von [[Wilhelm Kühlmann]] u. a. Zweite, vollst. überarb. Auflage. Band 4, de Gruyter, Berlin / New York 2009, ISBN 978-3-11-021389-8, S. 500–502.
* [[Ursula Krechel]]: ''Schwester der Erde und des Lufthauchs: Karoline von Günderrode.'' In: ''Stark und Leise. Pionierinnen.'' Random House, München 2017, ISBN 978-3-442-71538-1, S. 29–48.
* Ute Weinmann: ''Karoline von Günderrode : eine Annäherung an die Lebensgeschichte der Dichterin und an ihre Spuren in Winkel ab 1806'', Wiesbaden : Reichert Verlag, 2023, ISBN 978-3-7520-0725-1
* Friederike Middelhoff, Martina Wernli: ''Noch Zukunft haben: zum Werk Karoline von Günderodes.'' J.B.Metzler Verlag, Stuttgart 2024, ISBN 978-3-662-67901-2

; Belletristische Literatur und Dramen
* [[Bettine von Arnim]]: ''Die Günderode''. Briefroman. 1840 (Digitalisat und Volltext [http://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840 Bd. 1], [http://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840 Bd. 2])
* Tina Reuter: ''Waisen des Lebens.'' [[St. Wendel]] 2008, ISBN 978-3-9812149-3-2 (das Leben von Günderrodes als Stiftsdame als Motiv in einem Briefroman)
* Waltraud Schade: ''Tod am Rhein. Ein Schauspiel''. Books on Demand, Norderstedt 2006, ISBN 3-8334-5442-3.
* Waltraud Schade: ''Bettine Brentano und Karoline von Günderrode. Ein Gespräch''. Frank & Timme, Berlin 2006, ISBN 3-86596-081-2.
* [[Albert Steffen]]: ''Karoline von Günderrode. Drama in fünf Akten.'' Schöne Wissenschaften, Dornach 1946.
* [[Christa Wolf]]: ''[[Kein Ort. Nirgends]].'' Aufbau, Berlin 1979, ISBN 3-423-08321-2. (Erzählung über eine mögliche, aber fiktive Begegnung der Günderrode mit [[Heinrich von Kleist]])


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* {{PND|118543202}}
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{{Wikisource}}
* [http://gutenberg.spiegel.de/autoren/guendero.htm Kurzbiographie und Texte im Projekt Gutenberg-DE]
{{Wikiquote}}
* [http://www.dichterinnen.de/ Biographie]
* {{DNB-Portal|118543202}}
* {{Zeno-Autor|Literatur/M/Günderrode,+Karoline+von}}
* {{PGDA|227}}
* [http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/karoline-von-guenderrode Biografie, Literatur & Quellen zu Karoline von Günderrode] auf FemBio.org des Institutes für Frauen-Biographieforschung
* {{Webarchiv |url=http://www.ub.fu-berlin.de/service_neu/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/autorg/guenderrode.html |text=Kommentierte Linksammlung der Universitätsbibliothek der FU Berlin |wayback=20131011165056}} ([[Ulrich Goerdten]])
* Norgard Kohlhagen: [http://www.dichterinnen.de/Guenderrode/ ''Caroline von Günderrode (1780–1806) „O, welche schwere Verdammnis, die angeschaffnen Flügel nicht bewegen zu können!“'']; auf: dichterinnen.de
* {{LAGIS|ref=nein|DB=HBN|ID=118543202|titel=Günderrode, Karoline Friederike Louise Maximiliane Freiin von|datum=2023-02-11}}


== Einzelnachweise ==
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<references />
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[[eo:Karoline VON GÜNDERODE]]

Aktuelle Version vom 6. Juli 2025, 19:14 Uhr

Gemälde, das Karoline von Günderrode im Profil zeigt
Karoline von Günderrode, 1797, Historisches Museum Frankfurt

Karoline Friederike Louise Maximiliane von Günderrode (* 11. Februar 1780 in Karlsruhe; † 26. Juli 1806 in Winkel) war eine deutsche Dichterin der Romantik.

Karoline von Günderrode wurde am 11. Februar 1780 in Karlsruhe als ältestes Kind eines badischen Regierungsrates geboren. Sie verlor ihren Vater, den Hofrat und Schriftsteller Hector Wilhelm von Günderrode, im Alter von sechs Jahren. Die Mutter, Luise Sophie Victorie Auguste Henriette Friedrike, geb. von Günderrode aus dem Frankfurter Zweig (1759–1819), zog daraufhin mit ihren fünf Töchtern und ihrem Sohn nach Hanau.

Die Familie Günderrode gehörte seit dem 16. Jahrhundert zu den führenden Patriziergeschlechtern von Frankfurt am Main, die sich in der Ganerbschaft Alten Limpurg zusammengeschlossen hatten. Karolines Bruder war der spätere Senator und Ältere Bürgermeister der Freien Stadt Frankfurt, Friedrich Carl Hector Wilhelm von Günderrode. Die Günderrodes schrieben sich stets mit doppeltem „r“, was später gelegentlich missachtet wurde – daher die häufig zu lesende Namensform Günderode – und erst seit den 1970er Jahren wieder Eingang in die Literatur fand.

Kindheit und Jugend

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Nach dem Tod des Vaters 1786 erhielt Karolines Mutter eine Pension von 300 Gulden im Monat, was nicht ausreichte, um sich und die sechs Kinder standesgemäß zu erhalten. Sie zog deshalb mit ihnen nach Hanau, wo Verwandte sie unterstützten. Karoline missbilligte den ausschweifenden Lebensstil, den ihre Mutter in Hanau an den Tag legte, weil damit das Erbe verbraucht wurde, das auch den Kindern zustand. Karoline kümmerte sich um ihre jüngeren Geschwister, während die Mutter sich dem Leben bei Hofe widmete. Es kam vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Frauen und schließlich zum Kontaktabbruch.[1]

Auf Betreiben der Mutter wurde Karoline mit siebzehn Jahren als Stiftsdame des evangelischen Cronstetten-Hynspergischen Adeligen Damenstift in Frankfurt am Main angenommen.[2] Das Stift sicherte mittellosen weiblichen Angehörigen der Alten-Limpurger Familien den materiellen Lebensunterhalt. Die Stiftsdamen waren zu einem „sittsamen Lebenswandel“ angehalten. Karoline war die mit Abstand Jüngste unter ihnen. Sie studierte im Stift Philosophie, Geschichte, Literatur und Mythologie und entwickelte eine tiefe Sehnsucht nach einem erfüllten, selbstbestimmten Leben. Sie las viel, u. a. Goethe, Schiller, Novalis, Jean Paul, Schlegel, Hölderlin, Kant, Fichte und Herder. Von der umfangreichen Lektüre inspiriert, begann sie selbst zu dichten, außerdem führte sie Arbeitshefte zu den Themen Geographie, Metrik und Physiognomik.[3] Die Französische Revolution begeisterte sie. Ihre Liebesgeschichten hielten sie in Atem. Schon früh zeichneten sich die Themen ab, die sie ein Leben lang beschäftigen sollten: Gefangenschaft und Freiheit, Liebe und Tod.

Karoline-von-Günderrode-Haus;
im Hof Trages, dem Hofgut von
Friedrich Carl von Savigny im
hessischen Freigericht-Somborn

Ihre erste große Liebe wurde Friedrich Carl von Savigny, später der bedeutendste Jurist seiner Zeit und Minister des „Romantikers auf dem Thron“, König Friedrich Wilhelm IV. Savigny war damals Jurastudent und führte das junge Mädchen in den Kreis der Romantiker ein. „Ich liebe, wünsche, glaube, hoffe wieder, und vielleicht stärker als jemals“, gestand die Neunzehnjährige einer Freundin. Savigny ahnte nicht, dass seine Verehrerin Gedichte schrieb. Sie hatte allen Grund, es zu verbergen.[4][5]

„Das Reich, in dem wir zusammentrafen, senkte sich herab wie eine Wolke, die sich öffnete um uns in ein verborgenes Paradies aufzunehmen“,[6] erinnerte sich Bettina von Arnim später in ihrem Buch Die Günderode an die gemeinsame Zeit. Die enge Freundschaft zu der ebenfalls sehr wissensdurstigen Bettina von Arnim brach Karoline von Günderrode kurz vor ihrem Tod abrupt ab, da ihr Geliebter Friedrich Creuzer die Brentano-Familie nicht schätzte.

Karoline klagte zeit ihres Lebens über Kopf- und Augenschmerzen. Die Beschreibung ihrer zeitweiligen Sehstörungen lassen eine Erkrankung am Grünen Star möglich erscheinen.

„Sappho der Romantik“

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Als Karoline von Günderrode mit 24 Jahren unter dem Pseudonym „Tian“ ihr erstes Buch, Gedichte und Phantasien, veröffentlichte, schrieb Goethe an Heinrich Carl Abraham Eichstädt über die ihm zugesandten Gedichte samt Rezension: „Diese Gedichte sind wirklich eine seltsame Erscheinung und die Recension brauchbar.“[7] Auch der zwei Jahre ältere Clemens Brentano war überrascht: „Ich kann es immer noch nicht verstehen, wie Sie Ihr ernsthaftes poetisches Talent vor mir verbergen konnten“.

Clemens Brentano wurde kurz darauf berühmt. Das Werk Karolines von Günderrode steht bis heute im Schatten ihres Lebens. Dabei schrieb sie einige der schönsten Gedichte der europäischen Romantik, so das todessehnsüchtige Hochroth. Ihre Dichtungen sind schwermütig, kühn und eingängig. Schon im neunzehnten Jahrhundert nannte man Karoline von Günderrode die „Sappho der Romantik“.

Günderrodes Dichtungen bringen den Konflikt zum Ausdruck, in dem sich eine liebende Frau damals befand, die zugleich ihre eigenen Ideen zu verwirklichen suchte; sie nehmen auch das Ende ihres hochgespannten Lebens vorweg:

„In die heitre freie Bläue
In die unbegränzte Weite
Will ich wandeln, will ich wallen
Nichts soll meine Schritte fesseln.

Leichte Bande sind mir Ketten
Und die Heimat wird zum Kerker.
Darum fort und fort ins Weite
Aus dem engen dumpfen Leben.“

[8]

Die ungewöhnliche Erscheinung der Stiftsdame und Poetin war schon den Zeitgenossen ein Rätsel. Auch die Bedingungslosigkeit ihrer Poesie irritierte viele ihrer Leser. Günderrodes Dichtung erschien „etwas zu kühn und männlich“, wie Karoline Rudolphi, die Vorsteherin eines Heidelberger Mädchenpensionats urteilte.[9] Man zweifelte an ihrer Weiblichkeit. Karoline von Günderrode verstieß offenbar gegen Konventionen der damaligen Zeit, wie eine Frau sich zu verhalten und wie sie zu dichten habe.

„Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglückseligkeit“, bekannte sie 1801 in einem Brief an Kunigunde Brentano mit einundzwanzig Jahren. „Nur das Wilde, Große, Glänzende gefällt mir. Es ist ein unseliges, aber unverbesserliches Mißverhältnis in meiner Seele; und es wird und muß so bleiben, denn ich bin ein Weib und habe Begierden wie ein Mann, ohne Männerkraft. Darum bin ich so wechselnd und uneins mit mir.“[10]

Die große Liebe

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Auf einem Ausflug zur Abtei Neuburg bei Heidelberg lernte Karoline den bedeutenden Philologen und Mythenforscher Friedrich Creuzer und seine dreizehn Jahre ältere Frau kennen. Nun erhielten ihre Lebensthemen einen Schub – und auch ihre Konflikte. Creuzer schätzte ihre Dichtung und half ihr, diese zu verlegen. Günderrode und Creuzer versprachen sich, einander bis in den Tod zu lieben. „Den Verlust Deiner Liebe könnte ich nicht ertragen“, schrieb die junge Frau dem Forscher in einem ihrer Briefe, die von manchem als die schönsten Liebesbriefe der deutschen Literatur angesehen werden.

Friedrich Carl von Savigny indes heiratete Clemens Brentanos Schwester Kunigunde (Gunda), Clemens Brentano heiratete Sophie Mereau. Doch Karoline von Günderrode konnte sich ein Leben als Professorengattin nicht vorstellen. Und Friedrich Creuzer bemängelte: „Lina schickt sich zur Ehe nicht…“

Der Gelehrte spielte mit dem Gedanken an eine ménage à trois. „Meine Frau sollte bei uns zu bleiben wünschen – als Mutter, als Führerin unseres Hauswesens. Frei und poetisch sollte Ihr Leben sein“, schlug er Günderrode vor. Es war die Zeit neuer Entwürfe des Zusammenlebens. So steht Creuzers Utopie in Beziehung zu den revolutionären Vorstellungen, wie sie zur gleichen Zeit in Frankreich Henri de Saint-Simon und sein Freundeskreis zu leben versuchten. Von einigen Kennern der Zeit wird sie gleichwohl als Charakterschwäche eingestuft – der kränkliche Friedrich Creuzer hatte nicht den Mut, sich von seiner Frau zu trennen.

Karoline von Günderrode beschäftigte sich unter Creuzers Einfluss mit dem Studium früher, auch matriarchaler Gesellschaften. Auch darin war sie ihrer Zeit voraus. In Männerkleidung wollte sie Creuzers Vorlesungen besuchen, um dem Geliebten so nah wie möglich zu sein.

steinernes Grabmal, das in eine Friedhofsmauer eingelassen ist, mit kleinem Kiesbeet
Grab der Karoline von Günderrode in Winkel (Rheingau)

Als Creuzer erkrankte[11] und seine Frau ihn gesund pflegte,[12] schwor er ihr, sich von seiner jungen Geliebten zu trennen. Am 26. Juli 1806 erhielt Karoline die Nachricht.

Bereits nach dem Tod ihrer Lieblingsschwester Charlotte 1801 hatte sich Karoline auf der Frankfurter Ostermesse einen Dolch gekauft.[3] Von einem Chirurgen hatte sie sich Rat geholt, wie er am besten gegen sich selbst zu führen sei. Aus unglücklicher Liebe erdolchte sie sich selbst am Flussufer in Winkel im Rheingau. Am nächsten Tag fand man ihre Leiche im Wasser. „Eine tiefe Wunde, nicht ganz ein Zoll lang; der Stich zwischen 4. und 5. Rippe in die linke Herzkammer eingedrungen“, vermerkt das ärztliche Protokoll. Bestattet wurde sie an der Friedhofsmauer[13] der Winkeler Pfarrkirche St. Walburga.

Friedrich Creuzer ließ das sich zum Zeitpunkt von Günderrodes Tod in Druck befindliche Werk Melete einstampfen. 1896 wurde der Fund von 4 Druckbögen und einem Korrekturbogen des Manuskripts bekannt gemacht.[14] Die Fragmente wurden von Johann Friedrich Heinrich Schlosser in dessen Stift Neuburg aufbewahrt. Im selben Jahr und 1899 folgten Teilausgaben von Stücken aus Melete. Erst 1906, 100 Jahre nach dem Tod der Dichterin, konnte eine vollständige Ausgabe der erhalten gebliebenen Fragmente von Melete veröffentlicht werden.[15]

Historische Bedeutung

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Trotz ihrer außerordentlichen Lebensgeschichte ist Karoline von Günderrode kein isoliertes Phänomen. Sie kann im Kontext mit Zeitgenossen wie Bettina von Arnim, zwischen den „Zerrissenen“ der Epoche wie Ferdinand Raimund, Friedrich Hölderlin, Heinrich von Kleist und Lord Byron, aber auch in Beziehung zu Künstlerinnen wie Rosalba Carriera und Elisabeth Vigée-Lebrun, Angelika Kauffmann und später lebenden Frauen wie der ebenfalls früh verstorbenen russischen Malerin Marie Bashkirtseff gesehen werden.

Rezeption heute

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Schon seit langem finden Lebensgeschichten von Frauen des frühen neunzehnten Jahrhunderts große Beachtung, beginnend mit dem Theaterstück von Albert Steffen Caroline von Günderrode. Eine Tragödie aus der Zeit der deutschen Romantik. Bücher wie Ingeborg DrewitzBettina von Arnim und Carola Sterns Biographien über Rahel Varnhagen und Dorothea Schlegel werden nicht nur vom weiblichen Publikum verschlungen. Hans Magnus Enzensberger hat unter dem Titel Requiem für eine romantische Frau den Briefwechsel zwischen Auguste Bußmann und Clemens Brentano herausgegeben; er wurde zu einem der erfolgreichsten Bände der Anderen Bibliothek und 1998 von Dagmar Knöpfel verfilmt. Auch Sigrid Damms „Recherche“-Roman Christiane und Goethe ist hier zu nennen.

Die Radikalität, mit der Karoline ihr Gefühl auszuleben versuchte, faszinierte schon ihre Zeitgenossen. Nach ihrem Tod erschienen mehrfach Auswahlbände ihres poetischen Werks und vor allem ihrer Briefe. In den 1970er Jahren wurde Karoline zu einer Identifikationsfigur der Frauenbewegung. In der „Sammlung Luchterhand“ erschien die Anthologie Der Schatten eines Traumes. Gedichte, Prosa, Briefe, Zeugnisse von Zeitgenossen, herausgegeben von Christa Wolf. Wolf verfasste darin einen sehr genauen und zugleich einfühlsamen Essay über Günderrode. Zeitgleich machte Wolf Karoline von Günderrode zu einer Protagonistin ihrer Erzählung Kein Ort. Nirgends, in der es zu einer fiktiven Begegnung der Günderrode mit Heinrich von Kleist kommt, da die Schicksale der beiden dichtenden Zeitgenossen gewisse Parallelen aufweisen.

Neben der von Walter Morgenthaler herausgegebenen historisch-kritischen Gesamtausgabe liegt seit Februar 2006 durch Dagmar von Gersdorff eine ausführliche Biographie von Günderrodes, die eine in ihrer Radikalität repräsentative Frauengestalt der Romantik ist, vor. Sie verkörpert in Leben und Werk Genie, Einsamkeit, Liebe und Tod einer Frau um 1800 und kann in ihrem spezifisch weiblichen Freiheitsdrang als eine Vorgängerin der Liberalisierungsbewegung betrachtet werden: „O, welche schwere Verdammnis, die angeschaffenen Flügel nicht bewegen zu können!“

Noch heute ist ein kleines Haus auf Hof Trages nach ihr benannt. Sie pflegte dort zu wohnen, wenn sie sich mit den Arnims, Brentanos und Savignys traf, mit denen sie befreundet war.

In der Oper Kleist von Rainer Rubbert und Tanja Langer kommt es zu einer fiktiven Begegnung von Günderrode und Kleist.

Auf der Rückseite des letzten 5-DM-Scheins (BBk III, 1990) ist ihre Unterschrift als Faksimile in der unteren rechten Ecke dargestellt.

Im Film Heimat 3 von Edgar Reitz kommt mit dem Günderodehaus bei Oberwesel ein fiktives Wohnhaus der Dichterin vor.

  • Walter Morgenthaler (Hrsg.): Sämtliche Werke und ausgewählte Studien. Historisch-Kritische Ausgabe. Stroemfeld / Roter Stern, Basel / Frankfurt am Main 1990–1991, ISBN 3-87877-970-4. (Neuauflage 2006, ISBN 3-87877-964-X)
    • Band 1: Texte. 1990.
    • Band 2: Varianten und ausgewählte Studien. 1991.
    • Band 3: Kommentar. 1991.
  • Werke und Briefe. 5 Bände Bd. 1–4 hrsg. von Gustav Konrad. Bd. 5 hrsg. von Joachim Müller. Frechen/Köln 1959–1963.
  • Hannelore Schlaffer (Hrsg.): Gedichte, Prosa, Briefe. Stuttgart 1998, ISBN 3-15-009722-3.
  • Christa Wolf (Hrsg.): Der Schatten eines Traumes. Gedichte, Prosa, Briefe, Zeugnisse von Zeitgenossen. Buchverlag Der Morgen Berlin 1979. (Neuauflage München 1997, ISBN 3-423-12376-1)
Sachliteratur
  • Dagmar von Gersdorff: „Die Erde ist mir Heimat nicht geworden.“ Das Leben der Karoline von Günderrode. Insel, Frankfurt am Main 2006.
  • Martin Glaubrecht: Günderrode, Caroline Friederike Louise Maximiliane. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1966, ISBN 3-428-00188-5, S. 261 f. (Digitalisat).
  • Markus Hille: Karoline von Günderrode (= Rowohlts Monographien). Rowohlt, Reinbek 1999, ISBN 3-499-50441-3.
  • Hyacinth HollandGünderrode, Caroline von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 10, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 126.
  • Margarete Lazarowicz: Karoline von Günderrode. Porträt einer Fremden (= Europäische Hochschulschriften. I.923). Peter Lang, Frankfurt am Main 1986.
  • Christa Wolf (Hrsg.): Karoline von Günderode. Der Schatten eines Traums. Gedichte, Prosa, Briefe, Zeugnisse von Zeitgenossen. Der Morgen, Berlin 1981. (häufige Neuauflagen, auch in der BRD. Darin von Wolf als Autorin: K. v. G. dieses wieder in Marlis Gerhardt (Hrsg.): Essays berühmter Frauen. Insel, Frankfurt 1997, ISBN 3-458-33641-9, S. 137–169)
  • Rainer Brüning: Karoline von Günderrode. Dichterin, 1780-1806. In: Lebensbilder aus Baden-Württemberg, Bd. 22 (2007), S. 153–181.
  • Hans Peter Buohler: Karoline von Günderrode. In: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraums. Begr. von Walther Killy, hrsg. von Wilhelm Kühlmann u. a. Zweite, vollst. überarb. Auflage. Band 4, de Gruyter, Berlin / New York 2009, ISBN 978-3-11-021389-8, S. 500–502.
  • Ursula Krechel: Schwester der Erde und des Lufthauchs: Karoline von Günderrode. In: Stark und Leise. Pionierinnen. Random House, München 2017, ISBN 978-3-442-71538-1, S. 29–48.
  • Ute Weinmann: Karoline von Günderrode : eine Annäherung an die Lebensgeschichte der Dichterin und an ihre Spuren in Winkel ab 1806, Wiesbaden : Reichert Verlag, 2023, ISBN 978-3-7520-0725-1
  • Friederike Middelhoff, Martina Wernli: Noch Zukunft haben: zum Werk Karoline von Günderodes. J.B.Metzler Verlag, Stuttgart 2024, ISBN 978-3-662-67901-2
Belletristische Literatur und Dramen
Commons: Karoline von Günderrode – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Karoline von Günderrode – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

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  1. Laura Maierhofer: Karoline von Günderrode und Friedrich Creuzer: Der Brief als Medium einer romantischen Liebe. Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz. Graz 2016, S. 8 f. (uni-graz.at [PDF]).
  2. Martin Glaubrecht: Günderrode, Caroline von. In: Deutsche Biographie. Abgerufen am 20. Juli 2023.
  3. a b Renate Wiggershaus: Zu wissbegierig für ihre Zeit. In: Frankfurter Rundschau. 26. Juli 2006, abgerufen am 20. Juli 2023.
  4. Der Blick, der träumt. Wo Karoline von Günderrode und Friedrich Carl von Savigny einander küssten. In: FAZ. 4. August 2012, S. 47.
  5. Florian Balke: Der Blick, der träumt. FAZ, 3. August 2012, abgerufen am 2. November 2022.
  6. Gustav Konrad (Hrsg.): Bettina von Arnim: Werke und Briefe. Bd. 2, Frechen/Köln 1959–1963, S. 49.
  7. Goethe, Johann Wolfgang | Briefe | 1804, auf zeno.org
  8. Günderrode, Karoline von: Sämtliche Werke und ausgewählte Studien: historisch-kritische Ausgabe. Hrsg. von Walter Morgenthaler. Basel: Stroemfeld/Roter Stern, 1990. S. 392–393. online
  9. Ulrike Landfester: Selbstsorge als Staatskunst: Bettine von Arnims politisches Werk. Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, S. 205.
  10. Birgit Weißenborn: "Ich sende Dir ein zärtliches Pfand". Die Briefe der Karoline von Günderrode. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1992, S. 234 (archive.org).
  11. Hans Peter Buohler: Günderrode, Karoline von. In: Verfasser-Datenbank. De Gruyter, Berlin / New York 2012 (degruyter.com).
  12. Hyacinth Holland: Günderrode, Caroline von. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Band 10, 1879, S. 126 (deutsche-biographie.de).
  13. Laura Maierhofer: Karoline von Günderrode und Friedrich Creuzer: Der Brief als Medium einer romantischen Liebe. Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie an der Karl-Franzens-Universität Graz. Graz 2016, S. 78 (uni-graz.at [PDF]).
  14. Erwin Rohde (Hrsg.): Friedrich Creuzer und Karoline von Günderode. Briefe und Dichtungen. Winter, Heidelberg 1896.
  15. Walter Morgenthaler: Karoline von Günderrode. Sämtliche Werke und ausgewählte Studien. Historisch-kritische Ausgabe. Hrsg.: Walter Morgenthaler. 3: Kommentar. Stroemfeld / Roter Stern, Frankfurt / Basel 1990, S. 163–165.