„Galoistheorie“ – Versionsunterschied
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K →Bestimmung der Galoisgruppe durch Matrizenrechnung: Einleitungssatz des letzten Absatzes umformuliert |
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Die '''Galoistheorie''' ist ein Teilgebiet der [[Algebra]]. In klassischer Sicht beschäftigt sich die Galoistheorie mit den Symmetrien der [[Nullstelle]]n von [[Polynom]]en. Diese Symmetrien können grundsätzlich durch [[Gruppe (Mathematik)|Gruppen]] von [[Permutation]]en, also Untergruppen der [[Symmetrische Gruppe|symmetrischen Gruppe]], beschrieben werden. [[Évariste Galois]] entdeckte, dass diese Symmetrien Aussagen über die Lösbarkeit der Gleichung erlauben. In moderner Sicht werden [[Körpererweiterung]]en mit Hilfe ihrer [[Galoisgruppe]] untersucht. |
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{{Mathematische_Symbole}} |
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Die Galoistheorie hat viele Anwendungen bei klassischen Problemen, wie etwa „Welche [[Regelmäßiges Polygon|regelmäßigen Polygone]] lassen sich mit [[Zirkel und Lineal]] konstruieren?“, „Warum kann ein Winkel nicht [[Dreiteilung des Winkels|dreigeteilt]] werden?“ (wieder nur mit Zirkel und Lineal), „Warum kann zu einem Würfel nicht die Seite eines [[Würfelverdoppelung|Würfels mit doppeltem Volumen]] konstruiert werden?“ und „Warum gibt es keine geschlossene Formel zur Berechnung der [[Gleichung fünften Grades|Nullstellen von Polynomen fünften oder höheren Grades]], die nur mit den vier [[Grundrechenart]]en und [[Wurzelziehen]] auskommt?“ (Der [[Satz von Abel-Ruffini]]). |
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'''Galoistheorie''' ist der Bereich der [[Algebra]], der die [[Symmetrie]] der [[Nullstelle]]n (auch Wurzeln) von [[Polynom]]en untersucht. Diese Symmetrien werden normalerweise durch symmetrische [[Gruppe (Mathematik)|Gruppen]] dargestellt, welche in der Tat von [[Evariste Galois]] erfunden wurden, um damit die Symmetrie der Wurzeln zu beschreiben. |
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Die Galoistheorie hat viele Anwendungen bei klassischen Problemen, wie etwa »Welche regulären [[Polygon]]e lassen sich mit Zirkel und Lineal konstruieren?«, »Warum kann ein Winkel nicht dreigeteilt werden.« (wieder nur mit Zirkel und Lineal) und »Warum gibt es keine |
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geschlossene Formel zur Berechnung der [[Gleichung fünften Grades|Nullstellen von Polynomen fünften oder höherem Grad]], die nur mit den vier Grundrechenarten und Wurzelziehen auskommt?« (Der [[Satz von Abel-Ruffini]]). |
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== Klassischer Ansatz == |
== Klassischer Ansatz == |
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Eine „Symmetrie der Nullstellen von Polynomen“ ist eine [[Permutation]] der [[Nullstelle]]n, so dass jede [[algebraische Gleichung]] über diesen Nullstellen auch dann noch gültig ist, nachdem man die Nullstellen mittels der Permutation vertauscht hat. Diese Permutationen bilden eine [[Gruppe (Mathematik)|Gruppe]]. Abhängig von den [[Koeffizient#Mathematik|Koeffizienten]], die in den algebraischen Gleichungen erlaubt sind, ergeben sich unterschiedliche Permutationen. Durch Untersuchen dieser algebraischen Gleichungen und Permutationen lässt sich die Galoisgruppe eines Polynoms bestimmen. |
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Galois selbst beschrieb eine Methode, mit der eine einzelne von den Nullstellen erfüllte Gleichung konstruiert werden kann (die sog. [[Lagrange-Resolvente#Galois-Resolvente|Galois-Resolvente]]), so dass die Galois-Gruppe aus den Symmetrien dieser ''einen'' Gleichung besteht. |
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Eine »Symmetrie der Nullstellen von Polynomen« ist eine [[Permutation]] der Nullstellen, so dass jede algebraische Gleichung auch dann noch gültig ist, nachdem man die Nullstellen vertauscht hat. Diese Permutationen bilden eine Gruppe. Abhängig von den Koeffizienten, die in den algebraischen Gleichungen erlaubt sind, ergeben sich unterschiedliche Galoisgruppen. |
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=== Bestimmung der Galoisgruppe über alle Permutationen im Ausschlussverfahren === |
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=== Beispiel === |
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Die Galoisgruppe des Polynoms <math>\left(x^2 - 5\right)^2 - 24</math> soll über dem [[Körper (Algebra)|Körper]] der [[Rationale Zahl|rationalen Zahlen]] bestimmt werden. Durch zweifaches Wurzelziehen ergeben sich, zusammen mit der Beziehung <math>5 \pm 2\sqrt{6} = (\sqrt{2} \pm \sqrt{3})^2</math>, die Nullstellen: |
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:<math>x_1 = +\sqrt{2} + \sqrt{3}</math> , |
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Die Galoisgruppe des Polynoms (x<sup>2</sup>-5)<sup>2</sup>-24 soll »über dem Körper der rationalen Zahlen« beschrieben werden. (Erlaubt sind also nur rationale Zahlen in den Koeffizenten der invarianten algebraischen Gleichungen). Die Wurzeln der Polynome sind |
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:<math>x_2 = +\sqrt{2} - \sqrt{3}</math> , |
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:<math>x_3 = -\sqrt{2} + \sqrt{3}</math> , |
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:<math>x_4 = -\sqrt{2} - \sqrt{3}</math> . |
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Es gibt <math>4! = 24</math> Möglichkeiten, diese vier Nullstellen zu permutieren (zu vertauschen): |
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:<math>a = \sqrt{2} + \sqrt{3}</math>, |
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{| class="wikitable" |
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:<math>b = \sqrt{2} - \sqrt{3}</math>, |
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|+ <math>\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)\mapsto ...</math> |
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! Nr. !! Permutation !! Nr. !! Permutation !! Nr. !! Permutation !! Nr. !! Permutation |
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:<math>d = -\sqrt{2} - \sqrt{3}</math>. |
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|- |
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| {{0}}1 || <math>\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)</math> || {{0}}7 || <math>\left(x_2,x_1,x_3,x_4\right)</math> || 13 || <math>\left(x_3,x_1,x_2,x_4\right)</math> || 19 || <math>\left(x_4,x_1,x_2,x_3\right)</math> |
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|- |
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| {{0}}2 || <math>\left(x_1,x_2,x_4,x_3\right)</math> || {{0}}8 || <math>\left(x_2,x_1,x_4,x_3\right)</math> || 14 || <math>\left(x_3,x_1,x_4,x_2\right)</math> || 20 || <math>\left(x_4,x_1,x_3,x_2\right)</math> |
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|- |
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| {{0}}3 || <math>\left(x_1,x_3,x_2,x_4\right)</math> || {{0}}9 || <math>\left(x_2,x_3,x_1,x_4\right)</math> || 15 || <math>\left(x_3,x_2,x_1,x_4\right)</math> || 21 || <math>\left(x_4,x_2,x_1,x_3\right)</math> |
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|- |
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| {{0}}4 || <math>\left(x_1,x_3,x_4,x_2\right)</math> || 10 || <math>\left(x_2,x_3,x_4,x_1\right)</math> || 16 || <math>\left(x_3,x_2,x_4,x_1\right)</math> || 22 || <math>\left(x_4,x_2,x_3,x_1\right)</math> |
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|- |
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| {{0}}5 || <math>\left(x_1,x_4,x_2,x_3\right)</math> || 11 || <math>\left(x_2,x_4,x_1,x_3\right)</math> || 17 || <math>\left(x_3,x_4,x_1,x_2\right)</math> || 23 || <math>\left(x_4,x_3,x_1,x_2\right)</math> |
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|- |
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| {{0}}6 || <math>\left(x_1,x_4,x_3,x_2\right)</math> || 12 || <math>\left(x_2,x_4,x_3,x_1\right)</math> || 18 || <math>\left(x_3,x_4,x_2,x_1\right)</math> || 24 || <math>\left(x_4,x_3,x_2,x_1\right)</math> |
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|} |
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Aber nicht alle diese Permutationen gehören auch zur Galoisgruppe. Dies liegt daran, dass alle algebraischen Gleichungen mit ausschließlich rationalen Koeffizienten, die die Variablen <math>x_1</math>, <math>x_2</math>, <math>x_3</math> und <math>x_4</math> enthalten, auch unter den Permutationen der Galoisgruppe ihre Gültigkeit bewahren müssen. Betrachtet man beispielsweise |
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Es gibt 24 Möglichkeiten, diese vier Zahlen zu permutieren, aber nicht |
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:<math>x_1 + x_4 = 0</math>, |
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alle dieser Permutationen sind Elemente der Galoisgruppe. Alle |
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so ist diese Gleichung nicht für alle Vertauschungen der Nullstellen erfüllt. Unter der Permutation, die <math>x_1</math> und <math>x_2</math> gleich lässt und <math>x_3</math> und <math>x_4</math> vertauscht, entsteht bei der Gleichung eine falsche Aussage, denn <math>x_1 + x_3</math> ist ungleich <math>0</math>. Deshalb gehört diese Permutation (Nr. 2) nicht zur Galois-Gruppe. Entsprechendes gilt für die Permutationen Nr. 4, 5, 6, 7, 9, 10, 12, 13, 15, 16, 18, 19, 20, 21, 23 in der Tabelle, denn als Summe von zwei der vier Nullstellen sind lediglich die Gleichungen <math>x_2+x_3=x_3+x_2=0</math> und <math>x_4+x_1=0</math> richtig. |
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Gleichungen, die die Variablen ''a'',''b'',''c'' und ''d'' enthalten, |
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müssen durch die Galoisgruppe invariant bleiben. Eine solche Gleichung |
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ist ''a''+''d''=0. Deshalb ist die Permutation, die ''a'' und ''b'' gleich lässt und ''c'' |
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und ''d'' vertauscht nicht erlaubt, da durch diese ''a'' auf ''a'' abgebildet wird |
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und ''d'' auf ''c'', aber ''a''+''c'' nicht 0 ist. |
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Eine weitere algebraische Gleichung mit rationalen Koeffizienten, die die Nullstellen erfüllen, ist |
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Weniger offensichtlich ist die Tatsache, dass |
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:<math>(x_1 + x_2)^2 - 8 = 0</math>. |
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(''a''+''b'')<sup>2</sup>=8. Deshalb können wir (''a'',''b'') auf |
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Deshalb können zusätzlich die Permutationen Nr. 3, 11, 14 und 22 ausgeschlossen werden, denn es ist <math>(x_1 + x_3)^2 - 8 \ne 0</math>, <math>(x_2 + x_4)^2 - 8 \ne 0</math>, <math>(x_3 + x_1)^2 - 8 \ne 0</math> und <math>(x_4 + x_2)^2 - 8 \ne 0</math>. |
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(''c'',''d'') abbilden, da wir auch (''c''+''d'')<sup>2</sup>=8 |
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haben. Aber wir können nicht (''a'',''b'') auf (''a'',''c'') abbilden, |
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da (''a''+''c'')<sup>2</sup>=12. Andererseits können wir (''a'',''b'') |
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auf (''c'',''d'') abbilden, obwohl ''a''+''b''=2√2 und |
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''c''+''d''=-2√2, da die Gleichung ''a''+''b''=2√2 eine |
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irrationale Zahl enthält (√2) und wir für solche Gleichungen |
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nicht verlangt haben, dass die Galoisgruppe diese invariant lässt. |
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Übrig bleiben vier Permutationen: Nr. 1, 8, 17 und 24. Da es sich bei dem Polynom <math>\left(x^2 - 5\right)^2 - 24</math> um ein über <math>\Q</math> [[irreduzibles Polynom]] 4. Grades handelt, besteht die Galoisgruppe aus mindestens vier Elementen. Also bilden diese vier Permutationen die Galoisgruppe des Polynoms <math>\left(x^2 - 5\right)^2 - 24</math>: |
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Nimmt man diese Informationen alle zusammen, so erhält man, dass die |
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: <math>\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)\mapsto\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)</math> |
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Galoisgruppe nur die folgenden vier Permutationen enthält und isomorph |
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: <math>\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)\mapsto\left(x_2,x_1,x_4,x_3\right)</math> |
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zur kleinschen Vierergruppe ist: |
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: <math>\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)\mapsto\left(x_3,x_4,x_1,x_2\right)</math> |
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: <math>\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)\mapsto\left(x_4,x_3,x_2,x_1\right)</math> |
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oder in [[Zyklische Permutation|Zyklenschreibweise]]: |
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: <math>\operatorname{id}</math> ([[Identische Abbildung|Identität]]), <math>(x_1 x_2)(x_3 x_4)</math>, <math>(x_1 x_3)(x_2 x_4)</math> und <math>(x_1 x_4)(x_2 x_3)</math>. |
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Diese Gruppe ist [[Gruppenisomorphismus|isomorph]] zur [[Kleinsche Vierergruppe|Kleinschen Vierergruppe]]. |
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=== Bestimmung der Galoisgruppe mit Hilfe eines primitiven Elementes === |
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:(a, b, c, d) → (a, b, c, d) |
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Alternativ kann die Galoisgruppe auch mit Hilfe eines [[Satz vom primitiven Element|primitiven Elementes]] bestimmt werden. Hier liegt ein Spezialfall vor, denn die Nullstelle <math>x_1</math> ist – ebenso wie die Nullstelle <math>x_2, x_3</math> oder <math>x_4</math> – bereits solch ein primitives Element. Mit |
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:(a, b, c, d) → (c, d, a, b) |
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: <math>x_1^2 = 5 + 2\sqrt{6}</math>, <math>\quad x_1^3 = 11\sqrt{2} + 9\sqrt{3} \quad</math> und <math> \quad x_1^4 = 49 + 20\sqrt{6}</math> |
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:(a, b, c, d) → (b, a, d, c) |
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erhält man die Gleichungen: |
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:(a, b, c, d) → (d, c, b, a) |
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: <math>x_1^3 - 9 x_1 = 2 \sqrt{2} \quad</math> und <math>\quad x_1^3 - 11 x_1 = -2 \sqrt{3}</math>. |
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Damit lassen sich <math>\textstyle \sqrt{2}</math> und <math>\textstyle \sqrt{3}</math> als Polynom mit der Variablen <math>x_1</math> ersetzen: |
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: <math>\sqrt{2} = \tfrac{1}{2} ( x_1^3 - 9 x_1) </math> und <math> \sqrt{3} = -\tfrac{1}{2} (x_1^3 - 11 x_1)</math>. |
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Somit ergeben sich auch die vier Nullstellen als Polynome <math>p_1, p_2, p_3, p_4</math> mit der Variablen <math>x_1</math>: |
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: <math>x_1 = p_1(x_1) = + x_1</math>, |
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: <math>x_2 = p_2(x_1) = + x_1^3 - 10\ x_1</math>, |
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: <math>x_3 = p_3(x_1) = - x_1^3 + 10\ x_1</math>, |
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: <math>x_4 = p_4(x_1) = - x_1</math>. |
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Im allgemeinen Fall müssen zu dem primitiven Element das zugehörige [[Minimalpolynom (Körpertheorie)|Minimalpolynom]] sowie dessen weitere Nullstellen bestimmt werden. Bei diesem Beispiel ist jedoch das Minimalpolynom von <math>x_1</math> das Ausgangspolynom mit den bereits bekannten weiteren Nullstellen <math>x_2, x_3</math> und <math>x_4</math>. (Zum allgemeinen Vorgehen: siehe [[Satz vom primitiven Element#Beispiele|Beispiel zum Satz vom primitiven Element]].) |
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Ersetzt man nun in den Polynomen <math>p_1,\dotsb, p_4</math> die Variable <math>x_1</math> durch <math>x_2, x_3</math> oder <math>x_4</math>, so ergeben sich wiederum die Nullstellen <math>x_1, x_2, x_3, x_4</math> des Ausgangspolynoms, allerdings in einer anderen Reihenfolge. Diese Permutationen der Nullstellen bilden die Galoisgruppe.<ref>Nieper-Wißkirchen, Universität Augsburg: "Galoissche Theorie", S. 126, Proposition 4.8 und Beispiel, {{Webarchiv|url=https://www.math.uni-augsburg.de/de/prof/alg/Downloads/Einfuehrung-in-die-Algebra.pdf|wayback=20190715130507|text=online}}</ref> |
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Einsetzen von <math>x_1</math> liefert die Identität, die übrigen Beziehungen ergeben sich durch Nachrechnen: |
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: <math>p_1(x_1) = x_1, \quad p_2(x_1) = x_2, \quad p_3(x_1) = x_3, \quad p_4(x_1) = x_4 \quad \Longrightarrow \quad \sigma_1:\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)\mapsto\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)</math>, |
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: <math>p_1(x_2) = x_2, \quad p_2(x_2) = x_1, \quad p_3(x_2) = x_4, \quad p_4(x_2) = x_3 \quad \Longrightarrow \quad \sigma_2:\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)\mapsto\left(x_2,x_1,x_4,x_3\right)</math>, |
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: <math>p_1(x_3) = x_3, \quad p_2(x_3) = x_4, \quad p_3(x_3) = x_1, \quad p_4(x_3) = x_2 \quad \Longrightarrow \quad \sigma_3:\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)\mapsto\left(x_3,x_4,x_1,x_2\right)</math>, |
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: <math>p_1(x_4) = x_4, \quad p_2(x_4) = x_3, \quad p_3(x_4) = x_2, \quad p_4(x_4) = x_1 \quad \Longrightarrow \quad \sigma_4:\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)\mapsto\left(x_4,x_3,x_2,x_1\right)</math>. |
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{<math>\textstyle \sigma_1,\sigma_2,\sigma_3,\sigma_4</math>} ist damit die Galoisgruppe des Polynoms <math>\left(x^2 - 5\right)^2 - 24</math>. |
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=== Berechnung der Galoisgruppe mit Hilfe der Galois-Resolvente === |
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Die Galoisgruppe eines Polynoms ist in der Regel nicht leicht zu bestimmen. Insbesondere im Standardfall eines Polynoms mit ganzzahligen Koeffizienten können allerdings genügend genaue numerische Näherungen der Nullstellen dazu verwendet werden, die Galoisgruppe zu berechnen. |
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{{Hauptartikel|Lagrange-Resolvente#Galois-Resolvente|titel1=„Galois-Resolvente“ im Artikel „Lagrange-Resolvente“}} |
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== Moderner Ansatz == |
== Moderner Ansatz == |
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Der moderne Ansatz, der auf [[Richard Dedekind]] zurückgeht, formuliert die Galoistheorie in der Sprache der [[Algebraische Struktur|algebraischen Strukturen]]: Ausgehend von einer [[Körpererweiterung]] <math>L/K</math> definiert man die [[Galoisgruppe]] <math>\operatorname{Gal}(L/K)</math> als die Gruppe aller [[Automorphismus|Körperautomorphismen]] von <math>L</math>, welche die Elemente von <math>K</math> einzeln festhalten. |
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Dabei ist <math>L</math> ein [[Zerfällungskörper]] des gegebenen Polynoms, also ein kleinster Erweiterungskörper von <math>K</math>, in dem das Polynom in Linearfaktoren zerfällt. Er heißt [[Körpererweiterung#Normale Erweiterungen|''normaler'']] oder ''Galoisscher'' Erweiterungskörper von <math>K</math>. Die ''Galoisgruppe'', bestehend aus denjenigen Automorphismen von <math>L</math>, die den Unterkörper <math>K</math> elementweise fest lassen, lässt damit notwendig auch jeden Term fest, dessen Wert ein Element aus <math>K</math> ist. |
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Beim modernen Ansatz wurde der Formalismus ein wenig geändert um eine |
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präzise und allgemeinere Definition zu erhalten: Man beginnt mit einer |
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[[Körpererweiterung]] ''L''/''K'' und definiert die Galoisgruppe als die |
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Gruppe aller [[Automorphismus|Körperautomorphismen]] von ''L'', welche die Elemente von ''K'' |
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fest halten. Im Beispiel oben, berechnen wir die Galoisgruppe der |
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Körpererweiterung '''Q'''(''a'',''b'',''c'',''d'')/'''Q'''. |
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Der Bezug zum klassischen Vorgehen von Galois ergibt sich, wenn man einen Automorphismus <math>\sigma</math> der Galoisgruppe auf eine Nullstelle <math>\alpha</math> des entsprechenden Polynoms |
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Die Kenntnisse über auflösbare Gruppen in der [[Gruppentheorie]] erlaubt |
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<math>p(x) = x^n + a_{n-1} x^{n-1} + \dots + a_0</math> anwendet: |
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uns, herauszufinden, ob ein Polynom durch Radikale auflösbar ist, und |
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:<math>p(\alpha) = \alpha^n + a_{n-1} \alpha^{n-1} + \dots + a_0 = 0</math>. |
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zwar abhängig davon, ob dessen Galoisgruppe auflösbar ist, oder |
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:<math>p(\sigma(\alpha)) = (\sigma(\alpha))^n + a_{n-1} (\sigma(\alpha))^{n-1} + \dots + a_0</math>. |
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nicht. Jede Körpererweiterung ''L''/''K'' gehört zu einer [[Faktorgruppe]] der |
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Weil <math>\sigma</math> ein [[Körperhomomorphismus]] ist und außerdem die Koeffizienten des Polynoms als Elemente des Körpers <math>K</math> fest lässt, ergibt sich: |
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Hauptreihe der Galoisgruppe. Falls eine Faktorgruppe der Hauptreihe |
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:<math>p(\sigma(\alpha)) = \sigma(\alpha^n + a_{n-1} \alpha^{n-1} + \dots + a_0) = \sigma(p(\alpha)) = \sigma(0) = 0</math>. |
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zyklisch von Ordnung ''n'' ist, ist die zugehörige Körpererweiterung eine |
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Also ist <math>\sigma(\alpha)</math> ebenfalls eine Nullstelle des Polynoms <math>p</math>. Dies bedeutet, dass der Automorphismus <math>\sigma</math> die Nullstellen vertauscht. Die Galoisgruppe [[Gruppenoperation|operiert]] somit auf der Menge der Nullstellen des Polynoms und wirkt dort als Permutationsgruppe. |
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radikale Erweiterung und die Elemente von ''L'' können als die ''n''-ten |
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Wurzeln eines Elements aus ''K'' aufgefasst werden. |
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{{Anker|Auflösbarkeit durch Radikale}}Die Kenntnisse über [[auflösbare Gruppe]]n in der [[Gruppentheorie]] erlaubt uns, herauszufinden, ob ein Polynom durch [[Wurzel (Mathematik)|Radikale]] auflösbar ist, und zwar abhängig davon, ob dessen Galoisgruppe auflösbar ist oder nicht. Jede Körpererweiterung <math>L/K</math> gehört zu einer [[Faktorgruppe]] der Hauptreihe der Galoisgruppe. Falls eine Faktorgruppe der Hauptreihe [[Zyklische Gruppe|zyklisch]] von der Ordnung <math>n</math> ist, ist die zugehörige Körpererweiterung eine radikale Erweiterung, und die Elemente von <math>L</math> können als die <math>n</math>-ten Wurzeln eines Elements aus <math>K</math> aufgefasst werden. |
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Wenn alle Faktorgruppen der Hauptreihe zyklisch sind, wird die |
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Galoisgruppe als auflösbar bezeichnet und alle Elemente des |
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zugehörigen Körpers können durch sukzessives Wurzelziehen, |
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Produktbilden und Summieren aus den Elementen des Grundkörpers |
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(normalerweise '''Q''') erhalten werden. |
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Wenn alle Faktorgruppen der Hauptreihe zyklisch sind, wird die Galoisgruppe als auflösbar bezeichnet, und alle Elemente des zugehörigen Körpers können durch sukzessives Wurzelziehen, Produktbilden und Summieren aus den Elementen des Grundkörpers (normalerweise <math>\Q</math>) erhalten werden. |
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Einer der größten Triumphe der Galoistheorie war der Beweis, dass für |
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jedes ''n''>4 ein Polynom mit Grad ''n'' existiert, welches nicht |
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durch Radikale auflösbar ist. Dies beruht auf der Tatsache, dass für |
Einer der größten Triumphe der Galoistheorie war der Beweis, dass für jedes <math>n>4</math> ein Polynom mit Grad <math>n</math> existiert, welches nicht durch Radikale auflösbar ist. Dies beruht auf der Tatsache, dass für <math>n>4</math> die [[symmetrische Gruppe]] <math>S_n</math> einen einfachen nichtzyklischen [[Normalteiler]] enthält. |
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''n''>4 die Symmetrische Gruppe ''S''<sub>''n''</sub> einen einfachen |
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=== Hauptsatz der Galoistheorie === |
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nichtzyklischen [[Normalteiler]] enthält. |
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Wenn <math>L</math> eine endliche Galoiserweiterung des Körpers <math>K</math> ist, und <math>\operatorname{Gal}(L/K)</math> die zugehörige Galoisgruppe, dann ist <math>L</math> [[galoissch]] über jedem Zwischenkörper <math>Z</math>, und es existiert eine inklusionsumkehrende Bijektion |
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:<math>\begin{align} \{\mathrm{Zwischenk\ddot orper}\} &\to \{\text{Untergruppen von }\operatorname{Gal}(L/K)\} \\ |
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Z &\mapsto \operatorname{Gal}(L/Z) \end{align}</math> |
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Ihre Umkehrabbildung ist gegeben durch <math>H\mapsto L^H</math>, wobei <math>L^H</math> den [[Körpererweiterung#K-Automorphismen|Fixkörper]] von <math>L</math> unter <math>H</math> bezeichnet. |
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Normale Körpererweiterungen <math>M/K</math> entsprechen unter dieser Bijektion Normalteilern von <math>\operatorname{Gal}(L/K)</math>. |
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===Hauptsatz der Galoistheorie=== |
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Wenn ''L'' eine Galoiserweiterung des Körpers ''K'' ist, und G(L/K) die |
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zugehörige [[Galoisgruppe]], dann ist ''L'' galoissch |
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über jedem Zwischenkörper ''Z'' und es existiert eine Bijektion |
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:<math> \{\mbox{Zwischenk}\mathrm{\ddot o}\mbox{rper}\} \rightarrow \{\mbox{Untergruppen von }G(L/K)\} </math> |
|||
:<math>Z \mapsto G(L/Z)</math> |
|||
Außerdem gilt: |
Außerdem gilt: |
||
* <math> [Z |
* <math> [Z\colon K] = \frac {|\operatorname{Gal}(L/K)|}{|\operatorname{Gal}(L/Z)|}</math> |
||
* <math>Z \subset Z' \Rightarrow |
* <math>Z \subset Z'\ \Rightarrow\ \operatorname{Gal}(L/Z') \subset \operatorname{Gal}(L/Z)</math> |
||
Eine etwas allgemeinere Formulierung wird im Artikel [[Galoisgruppe]] erläutert. |
|||
=== Bestimmung der Galoisgruppe als Automorphismengruppe === |
|||
Für das oben angegebene Beispiel sollen die Elemente der Galoisgruppe nun als Körperautomorphismen bestimmt werden. Die Nullstellen des Polynoms <math>\textstyle \left(x^2 - 5\right)^2 - 24</math> sind |
|||
: <math>x_1 = +\sqrt{2} + \sqrt{3}</math> , |
|||
: <math>x_2 = +\sqrt{2} - \sqrt{3}</math> , |
|||
: <math>x_3 = -\sqrt{2} + \sqrt{3}</math> , |
|||
: <math>x_4 = -\sqrt{2} - \sqrt{3}</math> . |
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Der [[Zerfällungskörper]] ist somit <math>\Q(x_1,x_2,x_3,x_4) = \Q(\sqrt{2},\sqrt{3})</math>. Eine [[Basis (Vektorraum)|Basis]] für <math>\Q(\sqrt{2},\sqrt{3})</math> als [[Vektorraum]] über <math>\Q</math> ist <math>\{ 1,\sqrt{2},\sqrt{3},\sqrt{6} \}</math>, d. h. jedes Element aus <math>\Q(\sqrt{2},\sqrt{3})</math> ist von der Form <math> a+b\sqrt{2}+c\sqrt{3}+d\sqrt{6}</math> mit <math>a,b,c,d</math> aus <math>\Q</math>. Es handelt sich somit bei <math>\Q(\sqrt{2},\sqrt{3})</math> um eine [[Algebraische Erweiterung|algebraische Körpererweiterung]] vom Grad 4 über <math>\Q</math>. Die Ordnung der Galoisgruppe stimmt mit dem Grad der Körpererweiterung überein, ihre Elemente permutieren – wie oben gezeigt – die Nullstellen des Polynoms folgendermaßen: |
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:<math>\sigma_1:\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)\mapsto\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)</math> |
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:<math>\sigma_2:\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)\mapsto\left(x_2,x_1,x_4,x_3\right)</math> |
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:<math>\sigma_3:\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)\mapsto\left(x_3,x_4,x_1,x_2\right)</math> |
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:<math>\sigma_4:\left(x_1,x_2,x_3,x_4\right)\mapsto\left(x_4,x_3,x_2,x_1\right)</math> |
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<math>\sigma_1</math> (als Permutation) bleibt die Identität, wird nun allerdings zu einem Körperautomorphismus <math>\sigma_1'</math> von <math>\Q(\sqrt{2},\sqrt{3})</math>: |
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:<math>\sigma_1':a + b\sqrt{2} + c\sqrt{3} + d\sqrt{6}\mapsto a + b\sqrt{2} + c\sqrt{3} + d\sqrt{6}</math>. |
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Man sieht, dass unter <math>\sigma_2</math> bei der Permutation der vier Nullstellen stets <math>\sqrt{3}</math> und <math>-\sqrt{3}</math> vertauscht werden. Der zugehörige Körperautomorphismus <math>\sigma_2'</math> lautet somit: |
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:<math>\sigma_2':a + b\sqrt{2} + c\sqrt{3} + d\sqrt{6}\mapsto a + b\sqrt{2} - c\sqrt{3} - d\sqrt{6}</math>. |
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Dabei bleibt der Körper <math>\Q(\sqrt{2})</math> elementweise fest. Entsprechendes gilt bei <math>\sigma_3</math> für <math>\sqrt{2}</math> und <math>-\sqrt{2}</math>. Unter <math>\sigma_4</math> ändert sich bei beiden Wurzeln das Vorzeichen. Die entsprechenden Körperautomorphismen sind: |
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:<math>\sigma_3':a + b\sqrt{2} + c\sqrt{3} + d\sqrt{6}\mapsto a - b\sqrt{2} + c\sqrt{3} - d\sqrt{6}</math> mit dem Fixkörper <math>\Q(\sqrt{3})</math> und |
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:<math>\sigma_4':a + b\sqrt{2} + c\sqrt{3} + d\sqrt{6}\mapsto a - b\sqrt{2} - c\sqrt{3} + d\sqrt{6}</math> mit dem Fixkörper <math>\Q(\sqrt{6})</math>. |
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<math>\sigma_2'</math>, <math>\sigma_3'</math> und <math>\sigma_4'</math> sind zu sich selbst invers, bilden also zusammen mit der Identität jeweils eine Untergruppe der Galoisgruppe. Mehr echte Untergruppen gibt es nicht, denn die Hinzunahme eines weiteren Elementes würde bereits die ganze Galoisgruppe erzeugen. Die Hintereinanderausführung von <math>\sigma_2'</math> und <math>\sigma_3'</math> ergibt <math>\sigma_4'</math>, damit ist die Galoisgruppe isomorph zur [[Kleinsche Vierergruppe|Kleinschen Vierergruppe]] und insbesondere kommutativ. Deshalb sind alle Untergruppen der Galoisgruppe auch Normalteiler. Also sind nach dem Hauptsatz der Galoistheorie <math>\Q(\sqrt{2})</math>, <math>\Q(\sqrt{3})</math> und <math>\Q(\sqrt{6})</math> die einzigen Zwischenkörper der Körpererweiterung <math>\Q(\sqrt{2},\sqrt{3})</math>. Die Zwischenkörper selbst sind Körpererweiterungen vom Grad 2 über <math>\Q</math>. |
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=== Bestimmung der Galoisgruppe durch Matrizenrechnung === |
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Im Falle eines Polynoms, das zu einem normalen oder Galoisschen Körper gehört, ist die Bestimmung der Galoisgruppe auch mit Hilfe der [[Matrix (Mathematik)|Matrizenrechnung]] möglich. |
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Ist ein Polynom <math>f(x)</math> vom Grade <math>n</math> irreduzibel über <math>\Q</math> und die Gleichung <math>f(x) = 0</math> normal<ref>[[Bartel Leendert van der Waerden|B. L. van der Waerden]], Algebra I, 8. Auflage 1971, § 41, Ende. Normal bedeutet hier, dass der durch Adjunktion ''einer'' Nullstelle des Polynoms <math>f(x)</math> entstehende Körper schon normal ist, d. h. dass in ihm <math>f(x)</math> vollständig in Linearfaktoren zerfällt. Ein Beispiel für ein Polynom, das nicht normal ist, findet man im Artikel Galoisgruppe, Abschnitt [[Galoisgruppe#Galoisgruppe eines kubischen Polynoms|Galoisgruppe eines kubischen Polynoms]].</ref> über <math>\Q</math>, so liefert ''jede'' Nullstelle <math>x_i</math> <math>\left(i = 1, \dots, n\right)</math> des Polynoms <math>f(x)</math> mit ihren Potenzen <math>1, x_i, x_i^2, \dots, x_i^{n-1}</math> eine [[Lineare Unabhängigkeit|Basis]] des Erweiterungskörpers (nämlich des [[Zerfällungskörper]]s von <math>f</math>), der aus <math>\Q</math> durch Adjunktion nur ''einer'' dieser Nullstellen entsteht<ref>[[Bartel Leendert van der Waerden|B. L. van der Waerden]], Algebra I, 8. Auflage 1971, § 40, Beispiel, in Verbindung mit § 46, Folgerung („Jede separable endliche Erweiterung ist einfach“). Siehe auch [[Körpererweiterung#Einfache Erweiterung|einfache Körpererweiterung]].</ref>. Sind die Nullstellen <math>x_i</math> bekannt, so kann man auch ihre Potenzen <math>x_i^2, \dots, x_i^{n-1}</math> ermitteln. Stellt man diese in Matrixform bezüglich einer gemeinsamen Basis dar, so lässt sich damit die Automorphismengruppe berechnen. |
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Für das oben angegebene, über <math>\Q</math> irreduzible und normale Polynom <math>\textstyle \left(x^2 - 5\right)^2 - 24</math> mit den Nullstellen <math>x_1, \dots, x_4</math> erhält man |
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:<math>x_1^2 = 5 + 2\sqrt{6}</math>, <math>\quad x_1^3 = 11\sqrt{2} + 9\sqrt{3}</math> |
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:<math>x_2^2 = 5 - 2\sqrt{6}</math>, <math>\quad x_2^3 = 11\sqrt{2} - 9\sqrt{3}</math> |
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:<math>x_3^2 = x_2^2 = 5 - 2\sqrt{6}</math>, <math>\quad x_3^3 = -x_2^3 = -11\sqrt{2} + 9\sqrt{3}</math> |
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:<math>x_4^2 = x_1^2 = 5 + 2\sqrt{6}</math>, <math>\quad x_4^3 = -x_1^3 = -11\sqrt{2} - 9\sqrt{3}</math> |
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Alle Potenzen sind [[Linearkombination]]en von <math>1</math>, <math>\sqrt{2}</math>, <math>\sqrt{3}</math> und <math>\sqrt{6}</math>. Diese sind linear unabhängig, daher wählt man <math>\{1, \sqrt{2}, \sqrt{3}, \sqrt{6}\}</math> als gemeinsame Basis. Mit ihrer Hilfe erzeugt man nun Matrizen <math>M_{x_i}\left(i = 1, \dots, 4\right)</math>, deren Zeilenvektoren der Reihe nach die Elemente <math>1, x_i, x_i^2, x_i^3</math> jeweils in Abhängigkeit von den Elementen der gemeinsamen Basis darstellen. |
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:<math>M_{x_1} = \begin{pmatrix} 1 & 0 & 0 & 0 \\ 0 & 1 & 1 & 0 \\ 5 & 0 & 0 & 2 \\ 0 & 11 & 9 & 0 \end{pmatrix}</math> (die Zeilen stellen <math>1</math>, <math>x_1</math>, <math>x_1^2</math> und <math>x_1^3</math> in Abhängigkeit von <math>1</math>, <math>\sqrt{2}</math>, <math>\sqrt{3}</math> und <math>\sqrt{6}</math> dar) |
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:<math>M_{x_2} = \begin{pmatrix} 1 & 0 & 0 & 0 \\ 0 & 1 & -1 & 0 \\ 5 & 0 & 0 & -2 \\ 0 & 11 & -9 & 0 \end{pmatrix}</math> (die Zeilen stellen <math>1</math>, <math>x_2</math>, <math>x_2^2</math> und <math>x_2^3</math> in Abhängigkeit von <math>1</math>, <math>\sqrt{2}</math>, <math>\sqrt{3}</math> und <math>\sqrt{6}</math> dar) |
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:<math>M_{x_3} = \begin{pmatrix} 1 & 0 & 0 & 0 \\ 0 & -1 & 1 & 0 \\ 5 & 0 & 0 & -2 \\ 0 & -11 & 9 & 0 \end{pmatrix}</math> (die Zeilen stellen <math>1</math>, <math>x_3</math>, <math>x_3^2</math> und <math>x_3^3</math> in Abhängigkeit von <math>1</math>, <math>\sqrt{2}</math>, <math>\sqrt{3}</math> und <math>\sqrt{6}</math> dar) |
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:<math>M_{x_4} = \begin{pmatrix} 1 & 0 & 0 & 0 \\ 0 & -1 & -1 & 0 \\ 5 & 0 & 0 & 2 \\ 0 & -11 & -9 & 0 \end{pmatrix}</math> (die Zeilen stellen <math>1</math>, <math>x_4</math>, <math>x_4^2</math> und <math>x_4^3</math> in Abhängigkeit von <math>1</math>, <math>\sqrt{2}</math>, <math>\sqrt{3}</math> und <math>\sqrt{6}</math> dar) |
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Die Matrizen <math>M_{x_i}</math> haben wegen der linearen Unabhängigkeit ihrer Zeilen vollen [[Rang (Lineare Algebra)|Rang]] und sind daher invertierbar. Die Transformation <math>A_{x_i,x_j}</math> einer Matrix <math>M_{x_i}</math> in eine andere Matrix <math>M_{x_j}</math> stellt denjenigen Automorphismus des Erweiterungskörpers dar, welcher <math>x_i</math> auf <math>x_j</math> abbildet. Die <math>A_{x_i,x_j}</math> sind Lösungen der Gleichungen <math>M_{x_i} \cdot A_{x_i,x_j} = M_{x_j}</math>, wegen der Invertierbarkeit der <math>M_{x_i}</math> gilt <math>A_{x_i,x_j} = M_{x_i}^{-1} \cdot M_{x_j}</math>. Um die Automorphismengruppe zu ermitteln, genügt es, eine der Matrizen <math>M_{x_i}</math> zu invertieren und diese [[Inverse Matrix|Inverse]] mit den anderen Matrizen zu multiplizieren. Denn für ein festes <math>M_{x_i}^{-1}</math> sind diese [[Matrizenmultiplikation|Matrizenprodukte]] alle verschieden und ihre Anzahl stimmt mit der Anzahl der Automorphismen des Erweiterungskörpers überein. |
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Wegen <math>\quad \sqrt{2} = - \tfrac92 x_1 + \tfrac{1}{2} x_1^3</math> , <math>\quad \sqrt{3} = \tfrac{11}{2} x_1 - \tfrac{1}{2} x_1^3 \quad</math> und <math>\quad \sqrt{6} = - \tfrac52 + \tfrac{1}{2} x_1^2 \quad</math> ist |
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:<math>M_{x_1}^{-1} = \begin{pmatrix} 1 & 0 & 0 & 0 \\ 0 & -\tfrac{9}{2} & 0 & \tfrac{1}{2} \\ 0 & \tfrac{11}{2} & 0 & -\tfrac{1}{2} \\ -\tfrac{5}{2} & 0 & \tfrac{1}{2} & 0 \end{pmatrix}</math> (die Zeilen stellen <math>1</math>, <math>\sqrt{2}</math>, <math>\sqrt{3}</math> und <math>\sqrt{6}</math> in Abhängigkeit von <math>1</math>, <math>x_1</math>, <math>x_1^2</math> und <math>x_1^3</math> dar). |
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Damit ergeben sich: |
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:<math>A_{x_1,x_1} = M_{x_1}^{-1} \cdot M_{x_1} = I</math> (Einheitsmatrix, entspricht der identischen Abbildung) |
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:<math>A_{x_1,x_2} = M_{x_1}^{-1} \cdot M_{x_2} = \begin{pmatrix} 1 & 0 & 0 & 0 \\ 0 & 1 & 0 & 0 \\ 0 & 0 & -1 & 0 \\ 0 & 0 & 0 & -1 \end{pmatrix}</math> (die Zeilen stellen jeweils das Bild von <math>1</math>, <math>\sqrt{2}</math>, <math>\sqrt{3}</math> und <math>\sqrt{6}</math> in Abhängigkeit von <math>1</math>, <math>\sqrt{2}</math>, <math>\sqrt{3}</math> und <math>\sqrt{6}</math> dar) |
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Durch diesen Automorphismus geht <math>\sqrt{3}</math> in <math>-\sqrt{3}</math> und <math>\sqrt{6}</math> in <math>-\sqrt{6}</math> über. Invariant bleibt <math>\sqrt{2}</math>, somit ist <math>\Q(\sqrt{2})</math> der zugehörige Fixkörper. Wegen <math>A_{x_1,x_2}^2 = I</math> gehört zu ihm die Untergruppe <math>\{I, A_{x_1,x_2}\}</math>. |
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:<math>A_{x_1,x_3} = M_{x_1}^{-1} \cdot M_{x_3} = \begin{pmatrix} 1 & 0 & 0 & 0 \\ 0 & -1 & 0 & 0 \\ 0 & 0 & 1 & 0 \\ 0 & 0 & 0 & -1 \end{pmatrix}</math> (die Zeilen stellen jeweils das Bild von <math>1</math>, <math>\sqrt{2}</math>, <math>\sqrt{3}</math> und <math>\sqrt{6}</math> in Abhängigkeit von <math>1</math>, <math>\sqrt{2}</math>, <math>\sqrt{3}</math> und <math>\sqrt{6}</math> dar) |
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Durch diesen Automorphismus geht <math>\sqrt{2}</math> in <math>-\sqrt{2}</math> und <math>\sqrt{6}</math> in <math>-\sqrt{6}</math> über. Invariant bleibt <math>\sqrt{3}</math>, somit ist <math>\Q(\sqrt{3})</math> der zugehörige Fixkörper. Wegen <math>A_{x_1,x_3}^2 = I</math> gehört zu ihm die Untergruppe <math>\{I, A_{x_1,x_3}\}</math>. |
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:<math>A_{x_1,x_4} = M_{x_1}^{-1} \cdot M_{x_4} = \begin{pmatrix} 1 & 0 & 0 & 0 \\ 0 & -1 & 0 & 0 \\ 0 & 0 & -1 & 0 \\ 0 & 0 & 0 & 1 \end{pmatrix}</math> (die Zeilen stellen jeweils das Bild von <math>1</math>, <math>\sqrt{2}</math>, <math>\sqrt{3}</math> und <math>\sqrt{6}</math> in Abhängigkeit von <math>1</math>, <math>\sqrt{2}</math>, <math>\sqrt{3}</math> und <math>\sqrt{6}</math> dar) |
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Durch diesen Automorphismus geht <math>\sqrt{2}</math> in <math>-\sqrt{2}</math> und <math>\sqrt{3}</math> in <math>-\sqrt{3}</math> über. Invariant bleibt <math>\sqrt{6}</math>, somit ist <math>\Q(\sqrt{6})</math> der zugehörige Fixkörper. Wegen <math>A_{x_1,x_4}^2 = I</math> gehört zu ihm die Untergruppe <math>\{I, A_{x_1,x_4}\}</math>. |
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Wegen <math>A_{x_1,x_2}^2 = A_{x_1,x_3}^2 = A_{x_1,x_4}^2 = I</math> ist auch die Isomorphie der Automorphismengruppe zur Kleinschen Vierergruppe unmittelbar ersichtlich. Ansonsten kann man die Gruppenstruktur anhand der [[Verknüpfungstafel]] oder anhand der [[Ordnung eines Gruppenelementes|Ordnungen der Gruppenelemente]] ermitteln. |
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Das Verfahren zeigt den konkreten Zusammenhang zwischen den Nullstellen des Polynoms und den Vektorraumeigenschaften des zugehörigen Erweiterungskörpers und stellt so die Verbindung zur Automorphismengruppe her. Die erforderlichen Berechnungen von Potenzen und Matrizen können mit Hilfe von Computerprogrammen durchgeführt werden. Zudem sind, wie man am obigen Beispiel sieht, Invarianten der Automorphismen und damit Fixkörper einfach zu bestimmen. |
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=== Kroneckerscher Satz === |
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Der '''Kroneckersche Satz''' zu Galoiserweiterungen des [[Körper (Algebra)|Körpers]] der [[Rationale Zahl|rationalen Zahlen]] <math>\Q</math> ist einer der klassischen Sätze des Mathematikers [[Leopold Kronecker]] und gilt als einer der ''schönsten Sätze der [[Algebraische Zahlentheorie|algebraischen Zahlentheorie]]''. Der Satz besagt:<ref name="M. Artin">Michael Artin: ''Algebra.'' 1998, S. 652.</ref><ref>Der kroneckersche Satz wird auch mit dem Namen von [[Heinrich Weber (Mathematiker)|Heinrich Weber]] verbunden und als [[Satz von Kronecker-Weber]] bezeichnet. Er wird gelegentlich auch als „Jugendtraum von Kronecker“ bezeichnet.</ref> |
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: '' Jede Galoiserweiterung <math>L/{\Q}</math> mit [[Abelsche Gruppe|abelscher]] [[Galoisgruppe]] <math>\mathrm{Gal}(L/{\Q})</math> ist in einem der [[Kreisteilungskörper]] <math>\mathbb Q(\zeta_n) \; (n \in \N)</math> enthalten.'' |
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== Verallgemeinerungen == |
== Verallgemeinerungen == |
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Im Fall einer unendlichen |
Im Fall einer unendlichen Erweiterung <math>L/K</math> kann man die Automorphismengruppe <math>\mathrm{Aut}(L/K)</math> mit der so genannten [[Krulltopologie]] (nach [[Wolfgang Krull|W. Krull]]) versehen. Ist <math>L/K</math> [[Separable Erweiterung|separabel]] und normal (also eine Galoiserweiterung), gibt es dann eine natürliche Bijektion zwischen Teilerweiterungen <math>K\subseteq Z\subseteq L</math> und ''abgeschlossenen'' Untergruppen von <math>\operatorname{Gal}(L/K)</math>. |
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Ist <math>L |
Ist <math>L/K</math> eine nicht notwendigerweise algebraische unendliche Erweiterung, so gibt es keine derartige allgemeine Theorie mehr: Ist beispielsweise <math>L</math> ein vollkommener Körper der Charakteristik <math>p>0</math>, so ist durch |
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:<math>F_p\colon L\to L,\quad x\mapsto x^p</math> |
:<math>F_p\colon L\to L,\quad x\mapsto x^p</math> |
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ein Körperautomorphismus definiert, der so genannte [[ |
ein Körperautomorphismus definiert, der so genannte [[Frobeniushomomorphismus]]. Die von <math>F_p</math> erzeugte Untergruppe <math>H</math> von <math>\mathrm{Aut}\left(L/\mathbb{F}_p\right)</math> ist im Allgemeinen »viel« kleiner als die Gruppe der Automorphismen von <math>L</math>, aber es gilt <math>L^H=\mathbb F_p</math>. Ist <math>L</math> ein [[algebraischer Abschluss]] von <math>\mathbb{F}_p</math>, so liegt allerdings die vom Frobeniusautomorphismus erzeugte Untergruppe [[Dichte Teilmenge|dicht]] in <math>\mathrm{Gal}\left(\bar{\mathbb{F}_p}/\mathbb{F}_p\right)</math>, das heißt ihr [[Abgeschlossene Hülle|Abschluss]] ist gleich der Galoisgruppe. |
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Ist jedoch <math>L/K</math> eine Körpererweiterung mit <math>L^{\mathrm{Gal}(L/K)}=K</math> (das impliziert nicht, dass L/K algebraisch und damit insbesondere nicht galoissch ist), so gilt trotzdem noch: |
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<math>H\mapsto L^H</math> und <math>M\mapsto \mathrm{Gal}(L/M)</math> sind zueinander inverse, inklusionsumkehrende Bijektionen zwischen der Menge der [[Kompakter Raum|kompakten]] Untergruppen von <math>\mathrm{Gal}(L/K)</math> und der Menge der Zwischenkörper <math>K\subseteq M\subseteq L</math>, bei denen <math>L</math> galoissch über <math>M</math> ist. |
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Es gibt auch eine Verallgemeinerung der Galoistheorie für Ringerweiterungen statt Körpererweiterungen. |
Es gibt auch eine Verallgemeinerung der Galoistheorie für Ringerweiterungen statt Körpererweiterungen. |
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== Das Umkehrproblem der Galoistheorie == |
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Es ist einfach, Körpererweiterungen mit einer beliebigen vorgegebenen [[Endliche Gruppe|endlichen Gruppe]] als Galoisgruppe zu konstruieren, wenn man den Grundkörper nicht festlegt. Alle endlichen Gruppen treten daher als Galoisgruppen auf. |
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Dazu wählt man einen Körper <math>K</math> und eine endliche Gruppe <math>G</math>. Nach dem [[Satz von Cayley]] ist <math>G</math> isomorph zu einer Untergruppe der symmetrischen Gruppe auf den Elementen von <math>G</math>. Wählt man Variablen <math>\{X_a\}_{a \in G}</math> für jedes Element <math>a</math> von <math>G</math> und adjungiert sie zu <math>K</math>, so erhält man <math>F = K\left(\left\{X_a\right\}\right)</math>. In <math>F</math> enthalten ist der Körper <math>L</math> der ''symmetrischen'' rationalen Funktionen in den <math>\{X_a\}</math>. Dann ist <math>\operatorname{Gal}(F/L) = S_{|G|}</math>, und der Fixkörper <math>M = F^G</math> von <math>F</math> unter <math>G</math> hat Galoisgruppe <math>G = \operatorname{Gal}(F/M)</math> nach dem Hauptsatz der Galoistheorie. |
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Das skizzierte Vorgehen stellt die Strategie von [[Emmy Noether]] (1918)<ref>Emmy Noether, Gleichungen mit vorgeschriebener Gruppe, Mathematische Annalen, Band 78, 1918, S. 221–229, [http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/img/?PID=GDZPPN002266733 SUB Göttingen]</ref> für die Lösung des inversen Galoisproblems dar<ref>Meredith Blue, Galois theory and Noether’s problem, Proc. Thirty-Fourth Annual Meeting Florida Section MAA, 2001, [http://sections.maa.org/florida/proceedings/2001/blue.pdf pdf]</ref>, wobei sie als Grundkörper <math>K=\mathbb Q</math> die rationalen Zahlen betrachtete. Ist der Fixkörper <math>M</math> ein [[rationaler Funktionenkörper]] über den rationalen Zahlen, kann man nach Noether mit dem [[Irreduzibilitätssatz von Hilbert]] eine Galoissche Körpererweiterung von <math>\mathbb Q</math> konstruieren mit Galoisgruppe <math>G</math>. Ein Gegenbeispiel für ihre Strategie wurde allerdings 1969 von [[Richard Swan]] gefunden. Es ist ein im Allgemeinen ungelöstes Problem, wie und ob man eine solche Konstruktion für einen ''festen'' Grundkörper, etwa <math>\mathbb{Q}</math>, ausführen kann. |
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Das allgemeine Umkehrproblem der Galoistheorie fragt für einen gegebenen Körper <math>K</math> und speziell <math>K=\mathbb Q</math> (die rationalen Zahlen) danach, ob jede endliche Gruppe als Galoisgruppe einer Körpererweiterung von <math>K</math> realisiert werden kann. Falls <math>K</math> ein [[endlicher Körper]] ist, ist dies nicht der Fall, da in diesem Fall die Galoisgruppe zyklisch ist. Das Umkehrproblem ist aber für jede endliche Gruppe für den Fall des Funktionenkörpers in einer Variablen über den komplexen Zahlen oder allgemeiner über algebraisch abgeschlossenen Körpern mit Charakteristik 0 lösbar. Schon für den Fall des Körpers der rationalen Zahlen <math>\mathbb Q</math> gibt es nur Teilresultate. Für endliche abelsche Gruppen über <math>\mathbb Q</math> wurde das Umkehrproblem bereits im 19. Jahrhundert gelöst ([[Leopold Kronecker]], [[Heinrich Weber (Mathematiker)|Heinrich Weber]]), und es ist auch für endliche auflösbare Gruppen ([[Igor Schafarewitsch]]) und für die [[Sporadische Gruppe|sporadischen Gruppen]] über <math>\mathbb Q</math> mit Ausnahme der Mathieugruppe M<sub>23</sub> gelöst (für die Mathieugruppen [[Heinrich Matzat]], für die Monstergruppe [[John Griggs Thompson]], womit gleichzeitig auch die meisten Fälle der sporadischen Gruppen erledigt waren). |
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== Literatur == |
== Literatur == |
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* [[Emil Artin]]: ''Die Galoissche Theorie.'' 3. Auflage. Harri Deutsch, 1988, ISBN 3-8171-1714-0. |
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* [[Emil Artin]] ''Die Galoissche Theorie'', 2003, Harri Deutsch, ISBN 3817117140. (die amerikanische Erstauflage erschien 1948) [Auflage erscheint nicht, laut Verlag]<br>Die englische Ausgabe ist noch erhältlich:<br>[[Emil Artin]] ''Galois Theory'', 1998, Dover Publications, ISBN 0-486-62342-4.<br>Eine bahnbrechende, recht moderne Darstellung, sehr kurz, aber prägnant. Die historische Entwicklung wird allerdings nicht aufgezeigt. |
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** Deutsche Erstausgabe Teubner 1959. |
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* Jörg Bewersdorff ''Algebra für Einsteiger'': Von der Gleichungsauflösung zur Galois-Theorie, 2004, Vieweg, ISBN 3-528-13192-6<br>Die wohl einfachste Darstellung der Galoistheorie (orientiert sich an der historischen Entwicklung) |
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** Englische Ausgabe: ''Galois Theory.'' Dover Publications, 1998, ISBN 0-486-62342-4. [http://projecteuclid.org/euclid.ndml/1175197041 Online-Version]. Die amerikanische Erstauflage erschien 1948. |
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* Jean-Pierre Tignol ''Galois' Theory of Algebraic Equations'', World Scientific, 2004, ISBN 981-02-4541-6. <!-- Ja, die ISBN ist richtig --><br>Orientiert sich ebenfalls an der historischen Entwicklung, legt aber Wert auf eine moderne Herangehensweise und stellt sich somit thematisch zwischen die Bücher von Bewersdorff und Artin. Beschäftigt sich sehr ausgiebig mit den Entwicklungen, die der Entstehung der Galoistheorie vorangingen. |
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* {{Literatur |
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* Siegfried Bosch ''Algebra'', 2001, Springer-Verlag, ISBN 3-540-40388-4. |
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|Autor=[[Michael Artin]] |
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|Titel=Algebra |
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|TitelErg=Aus dem Englischen übersetzt von Annette A’Campo |
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|Verlag=[[Birkhäuser Verlag]] |
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|Ort=Basel / Boston / Berlin |
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|Datum=1998 |
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|ISBN=3-7643-5938-2}} |
|||
* [[Jörg Bewersdorff]]: ''Algebra für Einsteiger: Von der Gleichungsauflösung zur Galois-Theorie.'' 2004, 6. Auflage, 2019, Springer-Spektrum, ISBN 978-3-658-26151-1, [[doi:10.1007/978-3-658-26152-8]]. |
|||
* Jean-Pierre Tignol: ''Galois’ Theory of Algebraic Equations.'' 2001, 2. Auflage 2016, World Scientific, ISBN 978-981-4704-69-4, [[doi:10.1142/9719]] |
|||
* [[Daniel Grieser]]: ''[http://www.staff.uni-oldenburg.de/daniel.grieser/wwwpapers/Grundideen_Galois.pdf Grundideen der Galois-Theorie: Eine Kurzeinführung für Interessierte (fast) ohne Vorkenntnisse.]'' In: ''Mathematische Bildung -- Mathematische Leistung. Festschrift für Michael Neubrand zum 60. Geburtstag.'' Verlag Franzbecker, 2007. |
|||
* [[Siegfried Bosch]]: ''Algebra.'' 1993, 9. Auflage 2020, Springer-Spektrum, ISBN 978-3-662-61648-2, [[doi:10.1007/978-3-662-61649-9]]. |
|||
* Gunter Malle, Heinrich Matzat: ''Inverse Galois Theory.'' Springer-Verlag, ISBN 3-540-62890-8, {{DOI|10.1007/978-3-662-12123-8}}. |
|||
* Harold M. Edwards: ''Galois Theory.'' (= Graduate Texts in Mathematics, 101). Springer Verlag, 1984, ISBN 0-387-90980-X. |
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== Weblinks == |
== Weblinks == |
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{{Wikiversity|Kurs:Körper- und Galoistheorie/Standardkurs|Vorlesung über Körper- und Galoistheorie}} |
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* [http://www.jmilne.org/math/CourseNotes/FT.pdf Fields and Galois Theory] – eine Einführung in die Galoistheorie von J. S. Milne. (englisch, PDF, 971 KiB) |
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* [http://www.math.niu.edu/~beachy/aaol/galois.html Galois Theory] – kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Galoistheorie (englisch) |
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* [http://www.galois-group.net/group/DE/ The Evariste Galois Archive] – mehrsprachiges Projekt mit Originaldokumenten von Evariste Galois, einer Kurzbiographie über Galois, einer Liste von Monographien über Galois sowie etlichen Weblinks |
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* [http://www.galois-theorie.de/ Die Ideen der Galois-Theorie] – relativ elementare Einführung in die Galoistheorie von Jörg Bewersdorff |
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== Einzelnachweise == |
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* [http://www.jmilne.org/math/CourseNotes/math594fa.pdf Fields and Galois Theory - Eine Einführung in die Galoistheorie] |
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<references /> |
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* [http://nrich.maths.org/mathsf/journalf/feb02/art2/index_l2h.html Eine Einführung für Schüler] |
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* [http://www.math.niu.edu/~beachy/aaol/galois.html Kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Galoistheorie] |
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* [http://www.galois-group.net/group/DE/ The Evariste Galois Archive]<br>Dieses mehrsprachige Projekt stellt online Originaldokumente von Evariste Galois zur Verfügung, enthält eine Kurzbiographie über Galois, eine Liste von Monographien über Galois sowie etliche Weblinks. |
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* [http://www.galois-theorie.de Die Ideen der Galois-Theorie] |
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[[Kategorie:Körpertheorie]] |
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[[Kategorie:Teilgebiet der Mathematik]] |
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Aktuelle Version vom 11. Mai 2025, 09:30 Uhr
Die Galoistheorie ist ein Teilgebiet der Algebra. In klassischer Sicht beschäftigt sich die Galoistheorie mit den Symmetrien der Nullstellen von Polynomen. Diese Symmetrien können grundsätzlich durch Gruppen von Permutationen, also Untergruppen der symmetrischen Gruppe, beschrieben werden. Évariste Galois entdeckte, dass diese Symmetrien Aussagen über die Lösbarkeit der Gleichung erlauben. In moderner Sicht werden Körpererweiterungen mit Hilfe ihrer Galoisgruppe untersucht.
Die Galoistheorie hat viele Anwendungen bei klassischen Problemen, wie etwa „Welche regelmäßigen Polygone lassen sich mit Zirkel und Lineal konstruieren?“, „Warum kann ein Winkel nicht dreigeteilt werden?“ (wieder nur mit Zirkel und Lineal), „Warum kann zu einem Würfel nicht die Seite eines Würfels mit doppeltem Volumen konstruiert werden?“ und „Warum gibt es keine geschlossene Formel zur Berechnung der Nullstellen von Polynomen fünften oder höheren Grades, die nur mit den vier Grundrechenarten und Wurzelziehen auskommt?“ (Der Satz von Abel-Ruffini).
Klassischer Ansatz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine „Symmetrie der Nullstellen von Polynomen“ ist eine Permutation der Nullstellen, so dass jede algebraische Gleichung über diesen Nullstellen auch dann noch gültig ist, nachdem man die Nullstellen mittels der Permutation vertauscht hat. Diese Permutationen bilden eine Gruppe. Abhängig von den Koeffizienten, die in den algebraischen Gleichungen erlaubt sind, ergeben sich unterschiedliche Permutationen. Durch Untersuchen dieser algebraischen Gleichungen und Permutationen lässt sich die Galoisgruppe eines Polynoms bestimmen.
Galois selbst beschrieb eine Methode, mit der eine einzelne von den Nullstellen erfüllte Gleichung konstruiert werden kann (die sog. Galois-Resolvente), so dass die Galois-Gruppe aus den Symmetrien dieser einen Gleichung besteht.
Bestimmung der Galoisgruppe über alle Permutationen im Ausschlussverfahren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Galoisgruppe des Polynoms soll über dem Körper der rationalen Zahlen bestimmt werden. Durch zweifaches Wurzelziehen ergeben sich, zusammen mit der Beziehung , die Nullstellen:
- ,
- ,
- ,
- .
Es gibt Möglichkeiten, diese vier Nullstellen zu permutieren (zu vertauschen):
Nr. | Permutation | Nr. | Permutation | Nr. | Permutation | Nr. | Permutation |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | 7 | 13 | 19 | ||||
2 | 8 | 14 | 20 | ||||
3 | 9 | 15 | 21 | ||||
4 | 10 | 16 | 22 | ||||
5 | 11 | 17 | 23 | ||||
6 | 12 | 18 | 24 |
Aber nicht alle diese Permutationen gehören auch zur Galoisgruppe. Dies liegt daran, dass alle algebraischen Gleichungen mit ausschließlich rationalen Koeffizienten, die die Variablen , , und enthalten, auch unter den Permutationen der Galoisgruppe ihre Gültigkeit bewahren müssen. Betrachtet man beispielsweise
- ,
so ist diese Gleichung nicht für alle Vertauschungen der Nullstellen erfüllt. Unter der Permutation, die und gleich lässt und und vertauscht, entsteht bei der Gleichung eine falsche Aussage, denn ist ungleich . Deshalb gehört diese Permutation (Nr. 2) nicht zur Galois-Gruppe. Entsprechendes gilt für die Permutationen Nr. 4, 5, 6, 7, 9, 10, 12, 13, 15, 16, 18, 19, 20, 21, 23 in der Tabelle, denn als Summe von zwei der vier Nullstellen sind lediglich die Gleichungen und richtig.
Eine weitere algebraische Gleichung mit rationalen Koeffizienten, die die Nullstellen erfüllen, ist
- .
Deshalb können zusätzlich die Permutationen Nr. 3, 11, 14 und 22 ausgeschlossen werden, denn es ist , , und .
Übrig bleiben vier Permutationen: Nr. 1, 8, 17 und 24. Da es sich bei dem Polynom um ein über irreduzibles Polynom 4. Grades handelt, besteht die Galoisgruppe aus mindestens vier Elementen. Also bilden diese vier Permutationen die Galoisgruppe des Polynoms :
oder in Zyklenschreibweise:
- (Identität), , und .
Diese Gruppe ist isomorph zur Kleinschen Vierergruppe.
Bestimmung der Galoisgruppe mit Hilfe eines primitiven Elementes
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Alternativ kann die Galoisgruppe auch mit Hilfe eines primitiven Elementes bestimmt werden. Hier liegt ein Spezialfall vor, denn die Nullstelle ist – ebenso wie die Nullstelle oder – bereits solch ein primitives Element. Mit
- , und
erhält man die Gleichungen:
- und .
Damit lassen sich und als Polynom mit der Variablen ersetzen:
- und .
Somit ergeben sich auch die vier Nullstellen als Polynome mit der Variablen :
- ,
- ,
- ,
- .
Im allgemeinen Fall müssen zu dem primitiven Element das zugehörige Minimalpolynom sowie dessen weitere Nullstellen bestimmt werden. Bei diesem Beispiel ist jedoch das Minimalpolynom von das Ausgangspolynom mit den bereits bekannten weiteren Nullstellen und . (Zum allgemeinen Vorgehen: siehe Beispiel zum Satz vom primitiven Element.) Ersetzt man nun in den Polynomen die Variable durch oder , so ergeben sich wiederum die Nullstellen des Ausgangspolynoms, allerdings in einer anderen Reihenfolge. Diese Permutationen der Nullstellen bilden die Galoisgruppe.[1] Einsetzen von liefert die Identität, die übrigen Beziehungen ergeben sich durch Nachrechnen:
- ,
- ,
- ,
- .
{} ist damit die Galoisgruppe des Polynoms .
Berechnung der Galoisgruppe mit Hilfe der Galois-Resolvente
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Galoisgruppe eines Polynoms ist in der Regel nicht leicht zu bestimmen. Insbesondere im Standardfall eines Polynoms mit ganzzahligen Koeffizienten können allerdings genügend genaue numerische Näherungen der Nullstellen dazu verwendet werden, die Galoisgruppe zu berechnen.
Moderner Ansatz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der moderne Ansatz, der auf Richard Dedekind zurückgeht, formuliert die Galoistheorie in der Sprache der algebraischen Strukturen: Ausgehend von einer Körpererweiterung definiert man die Galoisgruppe als die Gruppe aller Körperautomorphismen von , welche die Elemente von einzeln festhalten.
Dabei ist ein Zerfällungskörper des gegebenen Polynoms, also ein kleinster Erweiterungskörper von , in dem das Polynom in Linearfaktoren zerfällt. Er heißt normaler oder Galoisscher Erweiterungskörper von . Die Galoisgruppe, bestehend aus denjenigen Automorphismen von , die den Unterkörper elementweise fest lassen, lässt damit notwendig auch jeden Term fest, dessen Wert ein Element aus ist.
Der Bezug zum klassischen Vorgehen von Galois ergibt sich, wenn man einen Automorphismus der Galoisgruppe auf eine Nullstelle des entsprechenden Polynoms anwendet:
- .
- .
Weil ein Körperhomomorphismus ist und außerdem die Koeffizienten des Polynoms als Elemente des Körpers fest lässt, ergibt sich:
- .
Also ist ebenfalls eine Nullstelle des Polynoms . Dies bedeutet, dass der Automorphismus die Nullstellen vertauscht. Die Galoisgruppe operiert somit auf der Menge der Nullstellen des Polynoms und wirkt dort als Permutationsgruppe.
Die Kenntnisse über auflösbare Gruppen in der Gruppentheorie erlaubt uns, herauszufinden, ob ein Polynom durch Radikale auflösbar ist, und zwar abhängig davon, ob dessen Galoisgruppe auflösbar ist oder nicht. Jede Körpererweiterung gehört zu einer Faktorgruppe der Hauptreihe der Galoisgruppe. Falls eine Faktorgruppe der Hauptreihe zyklisch von der Ordnung ist, ist die zugehörige Körpererweiterung eine radikale Erweiterung, und die Elemente von können als die -ten Wurzeln eines Elements aus aufgefasst werden.
Wenn alle Faktorgruppen der Hauptreihe zyklisch sind, wird die Galoisgruppe als auflösbar bezeichnet, und alle Elemente des zugehörigen Körpers können durch sukzessives Wurzelziehen, Produktbilden und Summieren aus den Elementen des Grundkörpers (normalerweise ) erhalten werden.
Einer der größten Triumphe der Galoistheorie war der Beweis, dass für jedes ein Polynom mit Grad existiert, welches nicht durch Radikale auflösbar ist. Dies beruht auf der Tatsache, dass für die symmetrische Gruppe einen einfachen nichtzyklischen Normalteiler enthält.
Hauptsatz der Galoistheorie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wenn eine endliche Galoiserweiterung des Körpers ist, und die zugehörige Galoisgruppe, dann ist galoissch über jedem Zwischenkörper , und es existiert eine inklusionsumkehrende Bijektion
Ihre Umkehrabbildung ist gegeben durch , wobei den Fixkörper von unter bezeichnet.
Normale Körpererweiterungen entsprechen unter dieser Bijektion Normalteilern von .
Außerdem gilt:
Eine etwas allgemeinere Formulierung wird im Artikel Galoisgruppe erläutert.
Bestimmung der Galoisgruppe als Automorphismengruppe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für das oben angegebene Beispiel sollen die Elemente der Galoisgruppe nun als Körperautomorphismen bestimmt werden. Die Nullstellen des Polynoms sind
- ,
- ,
- ,
- .
Der Zerfällungskörper ist somit . Eine Basis für als Vektorraum über ist , d. h. jedes Element aus ist von der Form mit aus . Es handelt sich somit bei um eine algebraische Körpererweiterung vom Grad 4 über . Die Ordnung der Galoisgruppe stimmt mit dem Grad der Körpererweiterung überein, ihre Elemente permutieren – wie oben gezeigt – die Nullstellen des Polynoms folgendermaßen:
(als Permutation) bleibt die Identität, wird nun allerdings zu einem Körperautomorphismus von :
- .
Man sieht, dass unter bei der Permutation der vier Nullstellen stets und vertauscht werden. Der zugehörige Körperautomorphismus lautet somit:
- .
Dabei bleibt der Körper elementweise fest. Entsprechendes gilt bei für und . Unter ändert sich bei beiden Wurzeln das Vorzeichen. Die entsprechenden Körperautomorphismen sind:
- mit dem Fixkörper und
- mit dem Fixkörper .
, und sind zu sich selbst invers, bilden also zusammen mit der Identität jeweils eine Untergruppe der Galoisgruppe. Mehr echte Untergruppen gibt es nicht, denn die Hinzunahme eines weiteren Elementes würde bereits die ganze Galoisgruppe erzeugen. Die Hintereinanderausführung von und ergibt , damit ist die Galoisgruppe isomorph zur Kleinschen Vierergruppe und insbesondere kommutativ. Deshalb sind alle Untergruppen der Galoisgruppe auch Normalteiler. Also sind nach dem Hauptsatz der Galoistheorie , und die einzigen Zwischenkörper der Körpererweiterung . Die Zwischenkörper selbst sind Körpererweiterungen vom Grad 2 über .
Bestimmung der Galoisgruppe durch Matrizenrechnung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Falle eines Polynoms, das zu einem normalen oder Galoisschen Körper gehört, ist die Bestimmung der Galoisgruppe auch mit Hilfe der Matrizenrechnung möglich.
Ist ein Polynom vom Grade irreduzibel über und die Gleichung normal[2] über , so liefert jede Nullstelle des Polynoms mit ihren Potenzen eine Basis des Erweiterungskörpers (nämlich des Zerfällungskörpers von ), der aus durch Adjunktion nur einer dieser Nullstellen entsteht[3]. Sind die Nullstellen bekannt, so kann man auch ihre Potenzen ermitteln. Stellt man diese in Matrixform bezüglich einer gemeinsamen Basis dar, so lässt sich damit die Automorphismengruppe berechnen.
Für das oben angegebene, über irreduzible und normale Polynom mit den Nullstellen erhält man
- ,
- ,
- ,
- ,
Alle Potenzen sind Linearkombinationen von , , und . Diese sind linear unabhängig, daher wählt man als gemeinsame Basis. Mit ihrer Hilfe erzeugt man nun Matrizen , deren Zeilenvektoren der Reihe nach die Elemente jeweils in Abhängigkeit von den Elementen der gemeinsamen Basis darstellen.
- (die Zeilen stellen , , und in Abhängigkeit von , , und dar)
- (die Zeilen stellen , , und in Abhängigkeit von , , und dar)
- (die Zeilen stellen , , und in Abhängigkeit von , , und dar)
- (die Zeilen stellen , , und in Abhängigkeit von , , und dar)
Die Matrizen haben wegen der linearen Unabhängigkeit ihrer Zeilen vollen Rang und sind daher invertierbar. Die Transformation einer Matrix in eine andere Matrix stellt denjenigen Automorphismus des Erweiterungskörpers dar, welcher auf abbildet. Die sind Lösungen der Gleichungen , wegen der Invertierbarkeit der gilt . Um die Automorphismengruppe zu ermitteln, genügt es, eine der Matrizen zu invertieren und diese Inverse mit den anderen Matrizen zu multiplizieren. Denn für ein festes sind diese Matrizenprodukte alle verschieden und ihre Anzahl stimmt mit der Anzahl der Automorphismen des Erweiterungskörpers überein.
Wegen , und ist
- (die Zeilen stellen , , und in Abhängigkeit von , , und dar).
Damit ergeben sich:
- (Einheitsmatrix, entspricht der identischen Abbildung)
- (die Zeilen stellen jeweils das Bild von , , und in Abhängigkeit von , , und dar)
Durch diesen Automorphismus geht in und in über. Invariant bleibt , somit ist der zugehörige Fixkörper. Wegen gehört zu ihm die Untergruppe .
- (die Zeilen stellen jeweils das Bild von , , und in Abhängigkeit von , , und dar)
Durch diesen Automorphismus geht in und in über. Invariant bleibt , somit ist der zugehörige Fixkörper. Wegen gehört zu ihm die Untergruppe .
- (die Zeilen stellen jeweils das Bild von , , und in Abhängigkeit von , , und dar)
Durch diesen Automorphismus geht in und in über. Invariant bleibt , somit ist der zugehörige Fixkörper. Wegen gehört zu ihm die Untergruppe .
Wegen ist auch die Isomorphie der Automorphismengruppe zur Kleinschen Vierergruppe unmittelbar ersichtlich. Ansonsten kann man die Gruppenstruktur anhand der Verknüpfungstafel oder anhand der Ordnungen der Gruppenelemente ermitteln.
Das Verfahren zeigt den konkreten Zusammenhang zwischen den Nullstellen des Polynoms und den Vektorraumeigenschaften des zugehörigen Erweiterungskörpers und stellt so die Verbindung zur Automorphismengruppe her. Die erforderlichen Berechnungen von Potenzen und Matrizen können mit Hilfe von Computerprogrammen durchgeführt werden. Zudem sind, wie man am obigen Beispiel sieht, Invarianten der Automorphismen und damit Fixkörper einfach zu bestimmen.
Kroneckerscher Satz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Kroneckersche Satz zu Galoiserweiterungen des Körpers der rationalen Zahlen ist einer der klassischen Sätze des Mathematikers Leopold Kronecker und gilt als einer der schönsten Sätze der algebraischen Zahlentheorie. Der Satz besagt:[4][5]
- Jede Galoiserweiterung mit abelscher Galoisgruppe ist in einem der Kreisteilungskörper enthalten.
Verallgemeinerungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Fall einer unendlichen Erweiterung kann man die Automorphismengruppe mit der so genannten Krulltopologie (nach W. Krull) versehen. Ist separabel und normal (also eine Galoiserweiterung), gibt es dann eine natürliche Bijektion zwischen Teilerweiterungen und abgeschlossenen Untergruppen von .
Ist eine nicht notwendigerweise algebraische unendliche Erweiterung, so gibt es keine derartige allgemeine Theorie mehr: Ist beispielsweise ein vollkommener Körper der Charakteristik , so ist durch
ein Körperautomorphismus definiert, der so genannte Frobeniushomomorphismus. Die von erzeugte Untergruppe von ist im Allgemeinen »viel« kleiner als die Gruppe der Automorphismen von , aber es gilt . Ist ein algebraischer Abschluss von , so liegt allerdings die vom Frobeniusautomorphismus erzeugte Untergruppe dicht in , das heißt ihr Abschluss ist gleich der Galoisgruppe.
Ist jedoch eine Körpererweiterung mit (das impliziert nicht, dass L/K algebraisch und damit insbesondere nicht galoissch ist), so gilt trotzdem noch: und sind zueinander inverse, inklusionsumkehrende Bijektionen zwischen der Menge der kompakten Untergruppen von und der Menge der Zwischenkörper , bei denen galoissch über ist.
Es gibt auch eine Verallgemeinerung der Galoistheorie für Ringerweiterungen statt Körpererweiterungen.
Das Umkehrproblem der Galoistheorie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es ist einfach, Körpererweiterungen mit einer beliebigen vorgegebenen endlichen Gruppe als Galoisgruppe zu konstruieren, wenn man den Grundkörper nicht festlegt. Alle endlichen Gruppen treten daher als Galoisgruppen auf.
Dazu wählt man einen Körper und eine endliche Gruppe . Nach dem Satz von Cayley ist isomorph zu einer Untergruppe der symmetrischen Gruppe auf den Elementen von . Wählt man Variablen für jedes Element von und adjungiert sie zu , so erhält man . In enthalten ist der Körper der symmetrischen rationalen Funktionen in den . Dann ist , und der Fixkörper von unter hat Galoisgruppe nach dem Hauptsatz der Galoistheorie.
Das skizzierte Vorgehen stellt die Strategie von Emmy Noether (1918)[6] für die Lösung des inversen Galoisproblems dar[7], wobei sie als Grundkörper die rationalen Zahlen betrachtete. Ist der Fixkörper ein rationaler Funktionenkörper über den rationalen Zahlen, kann man nach Noether mit dem Irreduzibilitätssatz von Hilbert eine Galoissche Körpererweiterung von konstruieren mit Galoisgruppe . Ein Gegenbeispiel für ihre Strategie wurde allerdings 1969 von Richard Swan gefunden. Es ist ein im Allgemeinen ungelöstes Problem, wie und ob man eine solche Konstruktion für einen festen Grundkörper, etwa , ausführen kann.
Das allgemeine Umkehrproblem der Galoistheorie fragt für einen gegebenen Körper und speziell (die rationalen Zahlen) danach, ob jede endliche Gruppe als Galoisgruppe einer Körpererweiterung von realisiert werden kann. Falls ein endlicher Körper ist, ist dies nicht der Fall, da in diesem Fall die Galoisgruppe zyklisch ist. Das Umkehrproblem ist aber für jede endliche Gruppe für den Fall des Funktionenkörpers in einer Variablen über den komplexen Zahlen oder allgemeiner über algebraisch abgeschlossenen Körpern mit Charakteristik 0 lösbar. Schon für den Fall des Körpers der rationalen Zahlen gibt es nur Teilresultate. Für endliche abelsche Gruppen über wurde das Umkehrproblem bereits im 19. Jahrhundert gelöst (Leopold Kronecker, Heinrich Weber), und es ist auch für endliche auflösbare Gruppen (Igor Schafarewitsch) und für die sporadischen Gruppen über mit Ausnahme der Mathieugruppe M23 gelöst (für die Mathieugruppen Heinrich Matzat, für die Monstergruppe John Griggs Thompson, womit gleichzeitig auch die meisten Fälle der sporadischen Gruppen erledigt waren).
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Emil Artin: Die Galoissche Theorie. 3. Auflage. Harri Deutsch, 1988, ISBN 3-8171-1714-0.
- Deutsche Erstausgabe Teubner 1959.
- Englische Ausgabe: Galois Theory. Dover Publications, 1998, ISBN 0-486-62342-4. Online-Version. Die amerikanische Erstauflage erschien 1948.
- Michael Artin: Algebra. Aus dem Englischen übersetzt von Annette A’Campo. Birkhäuser Verlag, Basel / Boston / Berlin 1998, ISBN 3-7643-5938-2.
- Jörg Bewersdorff: Algebra für Einsteiger: Von der Gleichungsauflösung zur Galois-Theorie. 2004, 6. Auflage, 2019, Springer-Spektrum, ISBN 978-3-658-26151-1, doi:10.1007/978-3-658-26152-8.
- Jean-Pierre Tignol: Galois’ Theory of Algebraic Equations. 2001, 2. Auflage 2016, World Scientific, ISBN 978-981-4704-69-4, doi:10.1142/9719
- Daniel Grieser: Grundideen der Galois-Theorie: Eine Kurzeinführung für Interessierte (fast) ohne Vorkenntnisse. In: Mathematische Bildung -- Mathematische Leistung. Festschrift für Michael Neubrand zum 60. Geburtstag. Verlag Franzbecker, 2007.
- Siegfried Bosch: Algebra. 1993, 9. Auflage 2020, Springer-Spektrum, ISBN 978-3-662-61648-2, doi:10.1007/978-3-662-61649-9.
- Gunter Malle, Heinrich Matzat: Inverse Galois Theory. Springer-Verlag, ISBN 3-540-62890-8, doi:10.1007/978-3-662-12123-8.
- Harold M. Edwards: Galois Theory. (= Graduate Texts in Mathematics, 101). Springer Verlag, 1984, ISBN 0-387-90980-X.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Fields and Galois Theory – eine Einführung in die Galoistheorie von J. S. Milne. (englisch, PDF, 971 KiB)
- Galois Theory – kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Galoistheorie (englisch)
- The Evariste Galois Archive – mehrsprachiges Projekt mit Originaldokumenten von Evariste Galois, einer Kurzbiographie über Galois, einer Liste von Monographien über Galois sowie etlichen Weblinks
- Die Ideen der Galois-Theorie – relativ elementare Einführung in die Galoistheorie von Jörg Bewersdorff
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Nieper-Wißkirchen, Universität Augsburg: "Galoissche Theorie", S. 126, Proposition 4.8 und Beispiel, online ( vom 15. Juli 2019 im Internet Archive)
- ↑ B. L. van der Waerden, Algebra I, 8. Auflage 1971, § 41, Ende. Normal bedeutet hier, dass der durch Adjunktion einer Nullstelle des Polynoms entstehende Körper schon normal ist, d. h. dass in ihm vollständig in Linearfaktoren zerfällt. Ein Beispiel für ein Polynom, das nicht normal ist, findet man im Artikel Galoisgruppe, Abschnitt Galoisgruppe eines kubischen Polynoms.
- ↑ B. L. van der Waerden, Algebra I, 8. Auflage 1971, § 40, Beispiel, in Verbindung mit § 46, Folgerung („Jede separable endliche Erweiterung ist einfach“). Siehe auch einfache Körpererweiterung.
- ↑ Michael Artin: Algebra. 1998, S. 652.
- ↑ Der kroneckersche Satz wird auch mit dem Namen von Heinrich Weber verbunden und als Satz von Kronecker-Weber bezeichnet. Er wird gelegentlich auch als „Jugendtraum von Kronecker“ bezeichnet.
- ↑ Emmy Noether, Gleichungen mit vorgeschriebener Gruppe, Mathematische Annalen, Band 78, 1918, S. 221–229, SUB Göttingen
- ↑ Meredith Blue, Galois theory and Noether’s problem, Proc. Thirty-Fourth Annual Meeting Florida Section MAA, 2001, pdf