„Die 120 Tage von Sodom (Buch)“ – Versionsunterschied
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'''Die 120 Tage von [[Sodom]]''' ''oder die Schule der Libertinage'' (orig. franz. Titel: ''Les 120 Journées de Sodome ou l'Ecole du Libertinage'') ist ein teils nur skizzenhaft ausgeführter Text (Episodenroman) des französischen Schriftstellers [[Marquis de Sade]], den dieser in der Pariser [[Bastille]] als Gefangener auf einer schmalen Papierrolle am 22. Oktober 1785 niederzuschreiben begonnen und in 37 Tagen fertig gestellt hat. Der Text schildert ausführlich die [[Sadismus|sadistischen]] Sexualpraktiken von vier während der Regentschaft [[Ludwig XIV. (Frankreich)|Ludwigs XIV]]. durch Steuer-Erpresserei zu Reichtum gelangten Franzosen im Laufe eines von obszönen Erzählungen begleiteten mehr als viermonatigen Aufenthalts in einem zugemauerten Schloss an einem geheimen abgelegenen Ort der Schweiz. |
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'''Die 120 Tage von [[Sodom und Gomorrha|Sodom]]''' ''oder die Schule der [[Libertinage]]'' (original französischer Titel: ''Les 120 Journées de Sodome ou L’Ecole du Libertinage'') ist ein teils nur skizzenhaft ausgeführter Text (Episodenroman) des französischen Schriftstellers [[Donatien Alphonse François de Sade|Marquis de Sade]], den dieser in der Pariser [[Bastille]] als Gefangener auf einer schmalen Papierrolle am 22. Oktober 1785 niederzuschreiben begann und in 37 Tagen fertigstellte. De Sade schildert ausführlich die später nach dem Autor benannten ''[[Sadismus|sadistischen]]'' Sexualpraktiken von vier während der Regentschaft [[Ludwig XIV.|Ludwigs XIV.]] durch Steuer-Erpresserei zu Reichtum gelangten Franzosen im Laufe eines von obszönen Erzählungen begleiteten, mehr als viermonatigen Aufenthalts in einem zugemauerten Schloss an einem geheimen abgelegenen Ort Südwestdeutschlands oder der Westschweiz. |
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Der Text besteht aus einer Einführung, einer Hausordnung und vier Hauptteilen, der erste, der einen Zeitraum von 30 Tagen beschreibt, ist in aller Ausführlichkeit ausgeschrieben, die weiteren Teile existieren nur im Entwurf. |
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Der Text besteht aus einer Einführung, einer Hausordnung, einer Personenbeschreibung, Anmerkungen, einer Ergänzung und vier Hauptteilen; der erste Hauptteil, der einen Zeitraum von 30 Tagen beschreibt, ist in aller Ausführlichkeit ausgeschrieben, die drei weiteren Hauptteile existieren nur im Entwurf. |
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==Die [[Orgie]]n== |
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Sowohl, was Auswahl der teilnehmenden Personen betrifft, als auch hinsichtlich des planvollen des Verlaufs, folgen die Ereignisse einer eigentümlichen Systematik und strengen Choreographie. |
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== Die Orgien == |
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Sowohl in der Auswahl der teilnehmenden Personen als auch hinsichtlich des planvollen Verlaufs folgen die Ereignisse einer eigentümlichen Systematik und strengen Choreografie. |
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Hauptpersonen der Ereignisse sind vier Libertins im mittleren Alter zwischen 45 und 60 Jahren und deren Töchter, die gleichzeitig deren Ehefrauen oder Sexualgespielinnen sind. Insgesamt bedienen sich die Herren eines unterworfenen Personals einschließlich ihrer Ehefrauen bzw. Töchter von 42 Personen. |
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=== Die Protagonisten === |
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Hauptpersonen der Ereignisse sind vier [[Libertin]]s im mittleren Alter zwischen 45 und 60 Jahren und deren Töchter, die gleichzeitig deren Ehefrauen oder Sexualgespielinnen sind. Insgesamt bedienen sich die Herren eines unterworfenen Personals einschließlich ihrer Ehefrauen bzw. Töchter von 42 Personen. |
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Die vier Libertins: |
Die vier Libertins: |
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#Der Herzog von Blangis ist ein ausgesprochener Feind aller Tugenden, er lebt in allem unmäßig. Er ist verschwenderisch in seinem Vergnügen und geizig wenn es ums Nützliche geht. Geistig und physisch ist er ein pathologisches Monster, ein Sadist und notorischer Meuchelmörder. Er hat den ständigen Drang zum Orgasmus. |
#Der Herzog von Blangis ist ein ausgesprochener Feind aller Tugenden, er lebt in allem unmäßig. Er ist verschwenderisch in seinem Vergnügen und geizig, wenn es ums Nützliche geht. Geistig und physisch ist er ein pathologisches Monster, ein Sadist und notorischer Meuchelmörder. Er hat den ständigen Drang zum Orgasmus. |
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#Dessen Bruder, ein Bischof und gleichzeitig |
#Dessen Bruder, ein Bischof und gleichzeitig Atheist von gleichem schurkischen Charakter, jedoch mit mehr Verstand und Raffinesse allerdings physisch minderwertig, ist leidenschaftlicher [[Päderastie|Päderast]] und im Besitz einer verfeinerten sinnlichen Empfindungsfähigkeit bei durchschnittlicher [[Erektion|Potenz]]. Er hasst das weibliche Geschlechtsteil. |
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#Der Präsident Curval, ein pensionierter höherer Richter gibt zu, dass es ihm |
#Der Präsident Curval, ein pensionierter höherer Richter, gibt zu, dass es ihm in seiner Amtszeit Vergnügen bereitet hat, einen Unschuldigen zu verurteilen. Er hat Potenzprobleme und kommt nur im Exzess zum Orgasmus, dafür führt er fortwährend schmutzige Reden und ist fast ständig betrunken. Er verbreitet aufgrund seiner Unreinheit einen üblen Geruch. |
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#Der Steuerpächter Durcet liebt den passiven Analverkehr und hat einen winzigen Penis. Er heuchelt öffentlich den Ehrenmann. |
#Der [[Steuerpacht|Steuerpächter]] Durcet liebt den passiven Analverkehr und hat einen winzigen Penis. Er heuchelt öffentlich den Ehrenmann. |
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Die vier Töchter: |
Die vier Töchter: |
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*Julie, die Tochter des Herzogs von Blangis und Gattin des Präsidenten. |
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*Julie, Constance, Adelaide und Aline |
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*Constance, die Tochter von Durcet und Gattin des Herzogs. |
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*Adelaide, die Tochter des Präsidenten und Gattin Durcets. |
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*Aline, offiziell die Nichte des Bischofs, in Wirklichkeit aber dessen Tochter und Sexualgespielin. |
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**Der Präsident ist der Vater von Adelaide und der Gatte von Julie, die die Tochter des Herzogs ist. |
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**Der Bischof ist der offizielle Onkel, in Wirklichkeit der Vater von Aline, die seine Sexualgespielin ist. |
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Vier ältere lasterhafte Erzählerinnen, die einschlägige Erfahrungen in perversen Sexualpraktiken haben: |
Vier ältere lasterhafte Erzählerinnen, die einschlägige Erfahrungen in perversen Sexualpraktiken haben: |
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*Madame Duclos |
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*Duclos, Champville, Martaine, Desgranges |
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*Madame Champville |
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*Madame Martaine |
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*Madame Desgranges |
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Und des Weiteren: |
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Vier Dienerinnen ausgewählt wegen ihrer auserlesenen Hässlichkeit |
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*Vier Dienerinnen, ausgewählt wegen ihrer auserlesenen Hässlichkeit |
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*Acht [[Beschäler]] mit außergewöhnlichen Geschlechtsteilen von ausgesuchter Erektionskraft |
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*Acht jugendliche Sexsklavinnen |
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*Acht jugendliche Sexsklaven |
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*Sechs Personen Küchenpersonal, drei Köchinnen und drei Mägde |
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=== Der Handlungsverlauf === |
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Acht Beschäler mit außergewöhnlichen Geschlechtsteilen von ausgesuchter Erektionskraft |
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Die Handlung folgt einem ausgefeilten Konzept, das strikt durchgehalten wird. In ihr ist bis ins Detail festgelegt, wer mit wem zu welchem Zeitpunkt welche Art von Sexualpraktik durchexerziert. Daneben bestehen eine bizarre Hausordnung und eine strenge Hierarchie. Jeden Monat hat ein anderer Libertin das oberste Kommando und die Aufsicht über den regulären Ablauf der Orgien. Die jugendlichen Sexsklaven werden in besonderen Gemächern gefangen gehalten. Die Kapelle dient als Toilette. |
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Den Libertins werden die Sexualobjekte zugewiesen, denen sie vorstehen. Jeden Samstag gibt es eine besondere Samstagsorgie, die gleichzeitig Abstrafungstermin für Verfehlungen ist. |
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Acht jugendliche Sexsklavinnen |
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Der Text wird in vier Handlungsabschnitte zu je 30 Tagen eingeteilt (für die Monate November bis Ende Februar). Deren Inhalt sind in Form von Erzählungen und Sexualhandlungen: |
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Acht jugendliche Sexsklaven |
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#Die 150 einfachen Passionen |
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#::''(Diese Passionen enthalten Erzählungen über Praktiken wie das Ejakulieren in das Gesicht eines Kindes, das Trinken von Urin, das Essen von Kot, das Prostituieren der eigenen Tochter, um sie bei perversen Handlungen zu beobachten.)'' |
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Sechs Personen Küchenpersonal, drei Köchinnen und drei Mägde |
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#Die 150 komplexen Passionen |
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#::''(Diese Passionen enthalten Erzählungen über Praktiken wie das Vergewaltigen von Kindern, [[Inzest]], [[Flagellation]], [[Sadomasochismus|sadomasochistischen]] Gruppensex.)'' |
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===Der Handlungsverlauf=== |
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#Die 150 verbrecherischen Passionen |
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Die Handlung folgt einem ausgefeilten Konzept, das strikt durchgehalten wird. In ihr ist bis ins Detail festgelegt, wer mit wem zu welchem Zeitpunkt welche Art von Sexualpraktiken durchexerziert. Daneben besteht eine bizarre Hausordnung und eine strenge Hierarchie. Jeden Monat hat ein anderer Libertin das oberste Kommando und die Aufsicht über den regulären Ablauf der Orgien. Die jugendlichen Sexsklaven werden in besonderen Gemächern gefangen gehalten. Die Kapelle dient als Toilette. |
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#::''(Diese Passionen enthalten Erzählungen über Praktiken wie Analverkehr mit Kleinkindern, sexuelle Handlungen an Leichen, Verkehr mit Tieren, das Verstümmeln des Sexualpartners.)'' |
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#Die 150 meuchlerischen Passionen |
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Den Libertins werden die Sexualobjekte zugewiesen, denen sie vorstehen. Jeden Samstag gibt es eine besondere Samstagsorgie, die gleichzeitig Abstrafungstermin für Verfehlungen ist. |
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#::''(Diese Passionen enthalten Erzählungen über Praktiken wie das Töten von Kindern vor ihren Müttern, das Herumwühlen in den Eingeweiden noch lebender Körper, das Masturbieren während des Folterns einer Vielzahl von Frauen und Männern bis zu ihrem Tode.)'' |
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Der Text wird in vier Handlungsabschnitte zu je 30 Tagen eingeteilt (für die Monate November bis Ende Februar). Deren Inhalt sind in Form von Erzählungen und Sexualhandlungen: |
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#Die 150 einfachen Passionen |
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#::''(Diese Passionen enthalten Erzählungen über Praktiken wie das Masturbieren in das Gesicht eines Kindes, das Trinken von Urin, das Essen von Kot.)'' |
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#Die 150 komplexen Passionen |
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#::''(Diese Passionen enthalten Erzählungen über Praktiken wie das Vergewaltigen von Kindern, Inzest, Flagellation.)'' |
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#Die 150 verbrecherischen Passionen |
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#::''(Diese Passionen enthalten Erzählungen über Praktiken wie Analverkehr mit Kleinkindern, Prostituieren der eigenen Töchter, um sie bei perversen Handlungen zu beobachten, Verkehr mit Tieren.)'' |
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#Die 150 meuchlerischen Passionen |
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#::''(Diese Passionen enthalten Erzählungen über Praktiken wie das Töten von Kindern vor ihren Müttern, das Herumwühlen in den Eingeweiden noch lebender Körper, das Masturbieren während des Folterns einer Vielzahl von Frauen bis zu ihrem Tode.)'' |
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::Im Anschluss folgt ein Überblick über die fortgesetzten und abschließenden Handlungen im März. |
::Im Anschluss folgt ein Überblick über die fortgesetzten und abschließenden Handlungen im März. |
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=== Inhaltsangabe === |
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Im Verlauf der einzelnen Handlungsabschnitte werden, begleitet von den Erzählungen über perverse und bizarre Sexualhandlungen, die Sexualobjekte abwechselnd sexuell ausgebeutet, bestraft, miteinander verheiratet und gefoltert. Die Jungfrauen werden entjungfert und eine Ehefrau wird geschwängert. |
Im Verlauf der einzelnen Handlungsabschnitte werden, begleitet von den Erzählungen über perverse und bizarre Sexualhandlungen, die Sexualobjekte abwechselnd sexuell ausgebeutet, erniedrigt, bestraft, miteinander verheiratet und gefoltert. Die Jungfrauen werden entjungfert und eine Ehefrau wird geschwängert. |
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Systematisch wird eine Vielzahl verschiedener Perversionen beschrieben und ausgeübt, besondere Berücksichtigung finden dabei komplexe |
Systematisch wird eine Vielzahl verschiedener Perversionen beschrieben und ausgeübt, besondere Berücksichtigung finden dabei komplexe sadomasochistische Handlungen und [[Koprophilie|koprophile]] Praktiken. Gelegentlich werden gotteslästerliche Episoden und oft antimoralische und philosophische Überlegungen über die Niederträchtigkeit des Menschengeschlechts eingeflochten. Homosexuelle und heterosexuelle Handlungen treten in etwa gleich häufig auf. |
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Mit Beginn der meuchlerischen Passion werden die Ehefrauen |
Mit Beginn der meuchlerischen Passion werden die Ehefrauen und Töchter verstoßen und wie Tiere gehalten. Sie werden verstümmelt und ermordet. Bis zum 1. März sind die Töchter der Libertins Aline, Adelaide und Constance, vier jugendliche Sexsklavinnen, zwei Lustknaben und ein subalterner Beschäler getötet. |
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Nach dem 1. März werden die Sexualobjekte umgruppiert und jeweils neu den vier Libertins zugeordnet |
Nach dem 1. März werden die Sexualobjekte umgruppiert und jeweils neu den vier Libertins zugeordnet; die Mägde werden in die Orgien mit einbezogen. Am Ende werden die übrigen Jugendlichen, drei subalterne Beschäler, die vier Dienerinnen und die Mägde umgebracht. Es überleben neben den vier Libertins die vier Erzählerinnen, vier Beschäler, die drei Köchinnen und die Tochter des Herzogs. |
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Insgesamt werden getötet: |
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|align="right" | |
|align="right" |Personen summa summarum...... 46 |
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|- |
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|align="right" | |
|align="right" |davon werden getötet...................... |
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|- |
|- |
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|align="right" | |
|align="right" |• vor dem 1. März.................... 10 |
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|align="right" |• nach dem 1. März.................. 20 |
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|- |
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|align="right" |Überlebende....................... 16 |
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|align="right" |Personen summa summarum.. 46 |
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|} |
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==Interpretation== |
== Interpretation == |
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Diese letzte buchhalterische Abrechnung des Marquis de Sade ist zugleich die Quintessenz des Textes. Sie wurde später von Kritikern als strenger Rationalismus des blanken Irrsinns |
Diese letzte buchhalterische Abrechnung des Marquis de Sade ist zugleich die Quintessenz des Textes. Sie wurde später von Kritikern als strenger Rationalismus des blanken Irrsinns gebrandmarkt. Obwohl die Form des Textes Bezug auf die Vorbilder „[[Decamerone]]“ von [[Giovanni Boccaccio]] und „[[Heptaméron]]“ von [[Margarete von Navarra]] nimmt – eine geschlossene Gesellschaft findet sich ein, um in einer limitierten Zeit sich gemeinsam Geschichten zu erzählen –, so steht das Werk doch in seiner zynischen Machart unnachahmlich einzigartig da, wie es in kalter rationaler Systematik sexuelle Perversionen schildernd, letztlich zur modellhaften Formulierung einer totalitären Gesellschaft fortschreitet, der das unterworfene Individuum wehrlos und unentrinnbar bis an sein meuchlerisches Ende ausgeliefert ist. |
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== Geschichte des Textes == |
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Die Schrift in Form einer 12 Meter langen Rolle von 11 cm Breite, mit teilweise nur mittels einer Lupe lesbaren winzigen Buchstaben, wurde nach dem [[Sturm auf die Bastille]] von Armoux de Saint Maximin gefunden und aufbewahrt. De Sade hielt den Text für verloren. Der Sexualforscher [[Iwan Bloch]], der später Kenntnis von dem Text erlangte, setzte sich für die Drucklegung im Jahre 1904 durch Max Harrwitz ein (Erstveröffentlichung auf Deutsch 1909). Eine kritische Ausgabe wurde 1931–35 von Maurice Heine gedruckt. Die Rolle ist wahrscheinlich eine von de Sade abgefasste Kopie des Manuskripts. |
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Die Rolle wechselte mehrmals den Besitzer, unter anderem gehörte sie Iwan Bloch. Im Jahr 2017 erklärte sie der französische Staat zum nationalen Kulturgut und verhinderte auf diese Weise den Verkauf über eine Auktion.<ref>{{Internetquelle |autor=Helmut Mayer |url=http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/marquis-de-sade-wird-kulturgut-die-rolle-bleibt-15351825.html |titel=Marquis de Sade wird Kulturgut: Die Rolle bleibt! |hrsg=www.faz.net |datum=2017-12-27 |abruf=2017-12-27}}</ref> Im Juli 2021 wurde das Werk für 4,55 Millionen Euro, finanziert von dem ehemaligen Bankier Emmanuel Boussard, vom französischen Staat für die [[Bibliothèque de l’Arsenal]] erworben.<ref>''{{Webarchiv|url=https://www.deutschlandfunkkultur.de/frankreich-erwirbt-wichtigstes-werk-von-de-sade.265.de.html?drn:news_id=1278852 |wayback=20210709204439 |text=Frankreich erwirbt wichtigstes Werk von de Sade }}'', deutschlandfunkkultur.de, erschienen und abgerufen am 9. Juli 2021.</ref> |
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== Filme == |
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* [[Pier Paolo Pasolini]] verlegt in seiner Adaption des Werks ([[Die 120 Tage von Sodom (Film)|Die 120 Tage von Sodom]]) die Ereignisse in die Zeit des italienischen [[Faschismus]] in die Ortschaft [[Salò]]. |
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== Musik == |
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* Die Metalband [[Cradle of Filth]] verarbeitete den Inhalt des Werkes in ihrem Lied ''Babalon A.D. (So Glad For The Madness)''. Der dazugehörige Videoclip ist angelehnt an den Spielfilm [[Die 120 Tage von Sodom (Film)|Die 120 Tage von Sodom]]. |
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* Die deutschen Rapper [[King Orgasmus One]] und [[Blokkmonsta]] verarbeiteten diverse Teile des Werkes in ihrem gemeinsamen Stück „120 Tage von Berlin“. Es erschien 2009 auf dem Album ''La Petite Mort 2 – Hardcore Seelenficker Edition'' von King Orgasmus One. |
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== Bühnenstücke == |
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* 2017: [[Milo Rau]]: ''Die 120 Tage von Sodom.'' Das Bühnenstück hatte am 10. Februar 2017 im [[Schauspielhaus Zürich]] Premiere und löste eine Kontroverse aus, da die Darsteller allesamt Schauspieler der Theatergruppe Hora waren, eines Theaterprojektes für Menschen mit geistiger Behinderung.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.schauspielhaus.ch/de/play/698-Die-120-Tage-von-Sodom |titel=Die 120 Tage von Sodom {{!}} Schauspielhaus Zürich |abruf=2017-06-01 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20170618205147/http://schauspielhaus.ch/de/play/698-Die-120-Tage-von-Sodom |archiv-datum=2017-06-18 }}</ref> |
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== Ausgaben und Übersetzungen (Auswahl) == |
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Seit der späten Wiederentdeckung des Romans wurden zahlreiche Ausgaben des französischen Texts, aber offenbar nur eine einzige deutsche Übersetzung veröffentlicht. |
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; Französisch |
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* Marquis de Sade: ''Les 120 Journées de Sodome ou l’École du Libertinage.'' Publié pour la première fois d’après le manuscrit original, avec des annotations scientifiques par le Dr. Eugène Dühren. Hrsg.: Eugène Dühren (Pseudonym, eigentlich [[Iwan Bloch]]). Club des bibliophiles, Paris 1904 (französisch, [[s:fr:Les 120 Journées de Sodome]] – gilt als unzuverlässig). [https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k5454984c?rk=21459;2 Digitalisat der Bibliothèque Nationale de France] |
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* Marquis de Sade: ''Les 120 journées de Sodome ou l'École du libertinage.'' Édition critique établie sur le manuscrit original autographe par Maurice Heine. Hrsg.: Maurice Heine. Pour les membres de la Société du roman philosophique, Paris 1931–1935 (französisch, 2 Bände, gilt als maßgebliche Erstausgabe). |
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* Marquis de Sade: ''Les 120 journées de Sodome ou l'École du libertinage.'' Édition critique établie sur le manuscrit original autographe par Maurice Heine. Hrsg.: Maurice Heine. Aux dépens des Bibliophiles souscripteurs, Paris 1931–1935 (französisch, 3 Bände, gilt als maßgebliche Erstausgabe). |
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* {{Literatur |Autor=Marquis de Sade |Titel=Les 120 journées de Sodome ou l'École du libertinage |TitelErg=Préfaces de Maurice Heine, A. Hesnard, Henri Pastoureau et Pierre Klossowski |Reihe=Œuvres complètes du Marquis de Sade en quinze volumes |BandReihe=13 |Verlag=Cercle du livre précieux |Ort=Paris |Datum=1964 |Sprache=fr |Kommentar=war nicht im normalen Buchhandel erhältlich}} |
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* {{Literatur |Autor=Marquis de Sade |Titel=Les 120 journées de Sodome |TitelErg=Préface de Jean-François Revel |Verlag=J. J. Pauvert |Ort=Paris |Datum=1972 |Sprache=fr}} |
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* {{Literatur |Autor=Marquis de Sade |Hrsg=Annie Le Brun, Jean-Jacques Pauvert |Titel=Les cent vingt journées de Sodome |TitelErg=Nouvelle édition |Reihe=Œuvres complètes du Marquis de Sade |BandReihe=1 |Verlag=J. J. Pauvert |Ort=Paris |Datum=1986 |Sprache=fr}} |
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* {{Literatur |Autor=Marquis de Sade |Hrsg=Michel Delon |Titel=Les Cent Vingt Journées de Sodome ou L'École du Libertinage |Reihe=Œuvres. [[Bibliothèque de la Pléiade]] |BandReihe=1 |Verlag=Gallimard |Ort=Paris |Datum=1990 |ISBN=2-07-011190-3 |Sprache=fr}} |
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; Deutsch |
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* {{Literatur |Autor=Marquis de Sade |Titel=Die hundertzwanzig Tage von Sodom oder die Schule der Ausschweifung vom Marquis de Sade |TitelErg=Erste und vollständige Übertragung aus dem Französischen von Karl von Haverland |Verlag=Privatdruck |Ort=Leipzig |Datum=1909 |Kommentar=2 Bände, Buchschmuck von Karl Maria Diez}} |
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** verkleinerte Faksimile-Nachdrucke mit Nachwort von Marion Luckow und 51 Illustrationen von Karl Maria Dietz (''Die bibliophilen Taschenbücher.'' Band 76): |
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*** Harenberg, Dortmund 1979 (u. ö.), ISBN 3-921846-76-5, ISBN 3-611-00131-7 |
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*** Orbis-Edition, München 1999, ISBN 3-572-01064-0 |
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** ''Die 120 Tage von Sodom 2.0 Edition Gothiclassics''. Neu übersetzt von [[Curt Moreck]]. Verlag Frank-Daniel Schulten, Iserlohn 2016, ISBN 978-3-932961-72-4, Bearbeitung Frank Schulten und [[Lydia Benecke|Lydia Beneke]], mit einer Einleitung von Lydia Benecke |
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== Weblinks == |
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==Geschichte des Textes== |
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{{Commonscat|Les Cent Vingt Journées de Sodome|Die 120 Tage von Sodom}} |
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Die Schrift in Form einer 12 Meter langen Rolle von 11 cm Breite, mit teilweise nur mittels einer Lupe lesbaren winzigen Buchstaben, wurde nach dem Sturm auf die Bastille von Armoux de Saint Maximin gefunden und aufbewahrt. De Sade hielt den Text für verloren. Der Sexualforscher Ivan Bloch, der später Kenntnis von dem Text erlangte, setzte sich für die Drucklegung im Jahre 1904 durch Max Harrwitz ein (Erstveröffentlichung in Deutsch 1909). Eine kritische Ausgabe wurde 1931-35 von Maurice Heine gedruckt. Die Rolle ist wahrscheinlich eine von de Sade abgefasste Kopie des Manuskripts. |
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{{Wikisource|Les Cent Vingt Journées de Sodome, ou l’École du libertinage|Les Cent Vingt Journées de Sodome, ou l’École du libertinage|lang=fr}} |
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* [http://supervert.com/elibrary/marquis-de-sade/120-days-of-sodom ''Marquis de Sade – The 120 Days of Sodom'']. In: Supervert.com (englisch) |
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== Einzelnachweise == |
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==Filme/Internet== |
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<references /> |
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* [[Pier Paolo Pasolini]] verlegt in seiner Adaption des Werks ([[Die 120 Tage von Sodom (Film)]]) die Ereignisse in die Zeit des italienischen Faschismus. |
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* [[Luis Buñuel]] gibt in seinem Film L'Âge d'Or ([[Das Goldene Zeitalter (Buñuel)]]) beiläufig einem Teilnehmer an der Sexorgie das Aussehen Jesus Christus. |
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* Aspekte der Handlung werden auch in einer satirischen Replik auf das Werk in einem Internetspiel (Richterspiel) verarbeitet. |
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==Weblinks== |
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*Film: {{IMDb Titel|tt0073650|Die 120 Tage von Sodom}} |
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*Film: {{IMDb Titel|tt0021577|Das Goldene Zeitalter}} |
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* [http://freespace.kb-hosting.de/pl-maschine/gesetz.html Richterspiel] zu Marquis de Sades "Die 120 Tage von Sodom" |
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Fredmsprachliche Weblinks: |
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*[http://www.globusz.com/ebooks/120Days/ 120 Days Of Sodom online text (English translation)] |
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*[http://desade.free.fr/journees/journees.html 120 Days Of Sodom online text (French)] |
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*[http://supervert.com/elibrary/marquis_de_sade 120 Days Of Sodom (PDF) and other Sade's work] |
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{{Navigationsleiste Donatien Alphonse François de Sade}} |
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{{Normdaten|TYP=w|GND=|LCCN=no95041063|VIAF=176403510}} |
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{{SORTIERUNG:#:::120 Tage Von Sodom #Die}} |
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[[Kategorie:Literarisches Werk]] |
[[Kategorie:Literarisches Werk]] |
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[[Kategorie:Literatur (18. |
[[Kategorie:Literatur (18. Jahrhundert)]] |
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[[Kategorie:Literatur (Französisch) |
[[Kategorie:Literatur (Französisch)]] |
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[[Kategorie: |
[[Kategorie:Literatur (Frankreich)]] |
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[[Kategorie:Sadomasochistische Literatur]] |
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[[Kategorie:Werk von Marquis de Sade]] |
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[[Kategorie:Roman, Epik]] |
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[[Kategorie:Unvollendetes literarisches Werk]] |
Aktuelle Version vom 17. April 2024, 20:24 Uhr

Die 120 Tage von Sodom oder die Schule der Libertinage (original französischer Titel: Les 120 Journées de Sodome ou L’Ecole du Libertinage) ist ein teils nur skizzenhaft ausgeführter Text (Episodenroman) des französischen Schriftstellers Marquis de Sade, den dieser in der Pariser Bastille als Gefangener auf einer schmalen Papierrolle am 22. Oktober 1785 niederzuschreiben begann und in 37 Tagen fertigstellte. De Sade schildert ausführlich die später nach dem Autor benannten sadistischen Sexualpraktiken von vier während der Regentschaft Ludwigs XIV. durch Steuer-Erpresserei zu Reichtum gelangten Franzosen im Laufe eines von obszönen Erzählungen begleiteten, mehr als viermonatigen Aufenthalts in einem zugemauerten Schloss an einem geheimen abgelegenen Ort Südwestdeutschlands oder der Westschweiz.
Der Text besteht aus einer Einführung, einer Hausordnung, einer Personenbeschreibung, Anmerkungen, einer Ergänzung und vier Hauptteilen; der erste Hauptteil, der einen Zeitraum von 30 Tagen beschreibt, ist in aller Ausführlichkeit ausgeschrieben, die drei weiteren Hauptteile existieren nur im Entwurf.
Die Orgien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sowohl in der Auswahl der teilnehmenden Personen als auch hinsichtlich des planvollen Verlaufs folgen die Ereignisse einer eigentümlichen Systematik und strengen Choreografie.
Die Protagonisten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hauptpersonen der Ereignisse sind vier Libertins im mittleren Alter zwischen 45 und 60 Jahren und deren Töchter, die gleichzeitig deren Ehefrauen oder Sexualgespielinnen sind. Insgesamt bedienen sich die Herren eines unterworfenen Personals einschließlich ihrer Ehefrauen bzw. Töchter von 42 Personen.
Die vier Libertins:
- Der Herzog von Blangis ist ein ausgesprochener Feind aller Tugenden, er lebt in allem unmäßig. Er ist verschwenderisch in seinem Vergnügen und geizig, wenn es ums Nützliche geht. Geistig und physisch ist er ein pathologisches Monster, ein Sadist und notorischer Meuchelmörder. Er hat den ständigen Drang zum Orgasmus.
- Dessen Bruder, ein Bischof und gleichzeitig Atheist von gleichem schurkischen Charakter, jedoch mit mehr Verstand und Raffinesse allerdings physisch minderwertig, ist leidenschaftlicher Päderast und im Besitz einer verfeinerten sinnlichen Empfindungsfähigkeit bei durchschnittlicher Potenz. Er hasst das weibliche Geschlechtsteil.
- Der Präsident Curval, ein pensionierter höherer Richter, gibt zu, dass es ihm in seiner Amtszeit Vergnügen bereitet hat, einen Unschuldigen zu verurteilen. Er hat Potenzprobleme und kommt nur im Exzess zum Orgasmus, dafür führt er fortwährend schmutzige Reden und ist fast ständig betrunken. Er verbreitet aufgrund seiner Unreinheit einen üblen Geruch.
- Der Steuerpächter Durcet liebt den passiven Analverkehr und hat einen winzigen Penis. Er heuchelt öffentlich den Ehrenmann.
Die vier Töchter:
- Julie, die Tochter des Herzogs von Blangis und Gattin des Präsidenten.
- Constance, die Tochter von Durcet und Gattin des Herzogs.
- Adelaide, die Tochter des Präsidenten und Gattin Durcets.
- Aline, offiziell die Nichte des Bischofs, in Wirklichkeit aber dessen Tochter und Sexualgespielin.
Vier ältere lasterhafte Erzählerinnen, die einschlägige Erfahrungen in perversen Sexualpraktiken haben:
- Madame Duclos
- Madame Champville
- Madame Martaine
- Madame Desgranges
Und des Weiteren:
- Vier Dienerinnen, ausgewählt wegen ihrer auserlesenen Hässlichkeit
- Acht Beschäler mit außergewöhnlichen Geschlechtsteilen von ausgesuchter Erektionskraft
- Acht jugendliche Sexsklavinnen
- Acht jugendliche Sexsklaven
- Sechs Personen Küchenpersonal, drei Köchinnen und drei Mägde
Der Handlungsverlauf
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Handlung folgt einem ausgefeilten Konzept, das strikt durchgehalten wird. In ihr ist bis ins Detail festgelegt, wer mit wem zu welchem Zeitpunkt welche Art von Sexualpraktik durchexerziert. Daneben bestehen eine bizarre Hausordnung und eine strenge Hierarchie. Jeden Monat hat ein anderer Libertin das oberste Kommando und die Aufsicht über den regulären Ablauf der Orgien. Die jugendlichen Sexsklaven werden in besonderen Gemächern gefangen gehalten. Die Kapelle dient als Toilette.
Den Libertins werden die Sexualobjekte zugewiesen, denen sie vorstehen. Jeden Samstag gibt es eine besondere Samstagsorgie, die gleichzeitig Abstrafungstermin für Verfehlungen ist.
Der Text wird in vier Handlungsabschnitte zu je 30 Tagen eingeteilt (für die Monate November bis Ende Februar). Deren Inhalt sind in Form von Erzählungen und Sexualhandlungen:
- Die 150 einfachen Passionen
- (Diese Passionen enthalten Erzählungen über Praktiken wie das Ejakulieren in das Gesicht eines Kindes, das Trinken von Urin, das Essen von Kot, das Prostituieren der eigenen Tochter, um sie bei perversen Handlungen zu beobachten.)
- Die 150 komplexen Passionen
- (Diese Passionen enthalten Erzählungen über Praktiken wie das Vergewaltigen von Kindern, Inzest, Flagellation, sadomasochistischen Gruppensex.)
- Die 150 verbrecherischen Passionen
- (Diese Passionen enthalten Erzählungen über Praktiken wie Analverkehr mit Kleinkindern, sexuelle Handlungen an Leichen, Verkehr mit Tieren, das Verstümmeln des Sexualpartners.)
- Die 150 meuchlerischen Passionen
- (Diese Passionen enthalten Erzählungen über Praktiken wie das Töten von Kindern vor ihren Müttern, das Herumwühlen in den Eingeweiden noch lebender Körper, das Masturbieren während des Folterns einer Vielzahl von Frauen und Männern bis zu ihrem Tode.)
- Im Anschluss folgt ein Überblick über die fortgesetzten und abschließenden Handlungen im März.
Inhaltsangabe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Verlauf der einzelnen Handlungsabschnitte werden, begleitet von den Erzählungen über perverse und bizarre Sexualhandlungen, die Sexualobjekte abwechselnd sexuell ausgebeutet, erniedrigt, bestraft, miteinander verheiratet und gefoltert. Die Jungfrauen werden entjungfert und eine Ehefrau wird geschwängert. Systematisch wird eine Vielzahl verschiedener Perversionen beschrieben und ausgeübt, besondere Berücksichtigung finden dabei komplexe sadomasochistische Handlungen und koprophile Praktiken. Gelegentlich werden gotteslästerliche Episoden und oft antimoralische und philosophische Überlegungen über die Niederträchtigkeit des Menschengeschlechts eingeflochten. Homosexuelle und heterosexuelle Handlungen treten in etwa gleich häufig auf.
Mit Beginn der meuchlerischen Passion werden die Ehefrauen und Töchter verstoßen und wie Tiere gehalten. Sie werden verstümmelt und ermordet. Bis zum 1. März sind die Töchter der Libertins Aline, Adelaide und Constance, vier jugendliche Sexsklavinnen, zwei Lustknaben und ein subalterner Beschäler getötet.
Nach dem 1. März werden die Sexualobjekte umgruppiert und jeweils neu den vier Libertins zugeordnet; die Mägde werden in die Orgien mit einbezogen. Am Ende werden die übrigen Jugendlichen, drei subalterne Beschäler, die vier Dienerinnen und die Mägde umgebracht. Es überleben neben den vier Libertins die vier Erzählerinnen, vier Beschäler, die drei Köchinnen und die Tochter des Herzogs.
Personen summa summarum...... 46 |
davon werden getötet...................... |
• vor dem 1. März.................... 10 |
• nach dem 1. März.................. 20 |
Überlebende....................... 16 |
Interpretation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Diese letzte buchhalterische Abrechnung des Marquis de Sade ist zugleich die Quintessenz des Textes. Sie wurde später von Kritikern als strenger Rationalismus des blanken Irrsinns gebrandmarkt. Obwohl die Form des Textes Bezug auf die Vorbilder „Decamerone“ von Giovanni Boccaccio und „Heptaméron“ von Margarete von Navarra nimmt – eine geschlossene Gesellschaft findet sich ein, um in einer limitierten Zeit sich gemeinsam Geschichten zu erzählen –, so steht das Werk doch in seiner zynischen Machart unnachahmlich einzigartig da, wie es in kalter rationaler Systematik sexuelle Perversionen schildernd, letztlich zur modellhaften Formulierung einer totalitären Gesellschaft fortschreitet, der das unterworfene Individuum wehrlos und unentrinnbar bis an sein meuchlerisches Ende ausgeliefert ist.
Geschichte des Textes
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Schrift in Form einer 12 Meter langen Rolle von 11 cm Breite, mit teilweise nur mittels einer Lupe lesbaren winzigen Buchstaben, wurde nach dem Sturm auf die Bastille von Armoux de Saint Maximin gefunden und aufbewahrt. De Sade hielt den Text für verloren. Der Sexualforscher Iwan Bloch, der später Kenntnis von dem Text erlangte, setzte sich für die Drucklegung im Jahre 1904 durch Max Harrwitz ein (Erstveröffentlichung auf Deutsch 1909). Eine kritische Ausgabe wurde 1931–35 von Maurice Heine gedruckt. Die Rolle ist wahrscheinlich eine von de Sade abgefasste Kopie des Manuskripts.
Die Rolle wechselte mehrmals den Besitzer, unter anderem gehörte sie Iwan Bloch. Im Jahr 2017 erklärte sie der französische Staat zum nationalen Kulturgut und verhinderte auf diese Weise den Verkauf über eine Auktion.[1] Im Juli 2021 wurde das Werk für 4,55 Millionen Euro, finanziert von dem ehemaligen Bankier Emmanuel Boussard, vom französischen Staat für die Bibliothèque de l’Arsenal erworben.[2]
Filme
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Pier Paolo Pasolini verlegt in seiner Adaption des Werks (Die 120 Tage von Sodom) die Ereignisse in die Zeit des italienischen Faschismus in die Ortschaft Salò.
Musik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Metalband Cradle of Filth verarbeitete den Inhalt des Werkes in ihrem Lied Babalon A.D. (So Glad For The Madness). Der dazugehörige Videoclip ist angelehnt an den Spielfilm Die 120 Tage von Sodom.
- Die deutschen Rapper King Orgasmus One und Blokkmonsta verarbeiteten diverse Teile des Werkes in ihrem gemeinsamen Stück „120 Tage von Berlin“. Es erschien 2009 auf dem Album La Petite Mort 2 – Hardcore Seelenficker Edition von King Orgasmus One.
Bühnenstücke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 2017: Milo Rau: Die 120 Tage von Sodom. Das Bühnenstück hatte am 10. Februar 2017 im Schauspielhaus Zürich Premiere und löste eine Kontroverse aus, da die Darsteller allesamt Schauspieler der Theatergruppe Hora waren, eines Theaterprojektes für Menschen mit geistiger Behinderung.[3]
Ausgaben und Übersetzungen (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit der späten Wiederentdeckung des Romans wurden zahlreiche Ausgaben des französischen Texts, aber offenbar nur eine einzige deutsche Übersetzung veröffentlicht.
- Französisch
- Marquis de Sade: Les 120 Journées de Sodome ou l’École du Libertinage. Publié pour la première fois d’après le manuscrit original, avec des annotations scientifiques par le Dr. Eugène Dühren. Hrsg.: Eugène Dühren (Pseudonym, eigentlich Iwan Bloch). Club des bibliophiles, Paris 1904 (französisch, s:fr:Les 120 Journées de Sodome – gilt als unzuverlässig). Digitalisat der Bibliothèque Nationale de France
- Marquis de Sade: Les 120 journées de Sodome ou l'École du libertinage. Édition critique établie sur le manuscrit original autographe par Maurice Heine. Hrsg.: Maurice Heine. Pour les membres de la Société du roman philosophique, Paris 1931–1935 (französisch, 2 Bände, gilt als maßgebliche Erstausgabe).
- Marquis de Sade: Les 120 journées de Sodome ou l'École du libertinage. Édition critique établie sur le manuscrit original autographe par Maurice Heine. Hrsg.: Maurice Heine. Aux dépens des Bibliophiles souscripteurs, Paris 1931–1935 (französisch, 3 Bände, gilt als maßgebliche Erstausgabe).
- Marquis de Sade: Les 120 journées de Sodome ou l'École du libertinage. Préfaces de Maurice Heine, A. Hesnard, Henri Pastoureau et Pierre Klossowski (= Œuvres complètes du Marquis de Sade en quinze volumes. Band 13). Cercle du livre précieux, Paris 1964 (französisch, war nicht im normalen Buchhandel erhältlich).
- Marquis de Sade: Les 120 journées de Sodome. Préface de Jean-François Revel. J. J. Pauvert, Paris 1972 (französisch).
- Marquis de Sade: Les cent vingt journées de Sodome. Nouvelle édition. Hrsg.: Annie Le Brun, Jean-Jacques Pauvert (= Œuvres complètes du Marquis de Sade. Band 1). J. J. Pauvert, Paris 1986 (französisch).
- Marquis de Sade: Les Cent Vingt Journées de Sodome ou L'École du Libertinage. Hrsg.: Michel Delon (= Œuvres. Bibliothèque de la Pléiade. Band 1). Gallimard, Paris 1990, ISBN 2-07-011190-3 (französisch).
- Deutsch
- Marquis de Sade: Die hundertzwanzig Tage von Sodom oder die Schule der Ausschweifung vom Marquis de Sade. Erste und vollständige Übertragung aus dem Französischen von Karl von Haverland. Privatdruck, Leipzig 1909 (2 Bände, Buchschmuck von Karl Maria Diez).
- verkleinerte Faksimile-Nachdrucke mit Nachwort von Marion Luckow und 51 Illustrationen von Karl Maria Dietz (Die bibliophilen Taschenbücher. Band 76):
- Harenberg, Dortmund 1979 (u. ö.), ISBN 3-921846-76-5, ISBN 3-611-00131-7
- Orbis-Edition, München 1999, ISBN 3-572-01064-0
- Die 120 Tage von Sodom 2.0 Edition Gothiclassics. Neu übersetzt von Curt Moreck. Verlag Frank-Daniel Schulten, Iserlohn 2016, ISBN 978-3-932961-72-4, Bearbeitung Frank Schulten und Lydia Beneke, mit einer Einleitung von Lydia Benecke
- verkleinerte Faksimile-Nachdrucke mit Nachwort von Marion Luckow und 51 Illustrationen von Karl Maria Dietz (Die bibliophilen Taschenbücher. Band 76):
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Marquis de Sade – The 120 Days of Sodom. In: Supervert.com (englisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Helmut Mayer: Marquis de Sade wird Kulturgut: Die Rolle bleibt! www.faz.net, 27. Dezember 2017, abgerufen am 27. Dezember 2017.
- ↑ Frankreich erwirbt wichtigstes Werk von de Sade ( vom 9. Juli 2021 im Internet Archive), deutschlandfunkkultur.de, erschienen und abgerufen am 9. Juli 2021.
- ↑ Die 120 Tage von Sodom | Schauspielhaus Zürich. Archiviert vom am 18. Juni 2017; abgerufen am 1. Juni 2017.