„Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung“ – Versionsunterschied
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{{Weiterleitungshinweis|ADHS|Zur gleich abgekürzten internationalen historischen Gesellschaft ADHS siehe [[Alcohol and Drugs History Society]].}} |
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Die '''Aufmerksamkeitsdefizit-Störung''' (ADS) oder '''Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung''' (ADHS) nach [[DSM-IV]] ist neben aggressiven Verhaltensweisen das am häufigsten diagnostizierte Störungsbild des Kindes- und Jugendalters. |
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Die '''Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)''' ist eine Störung der [[Gehirnentwicklung beim Menschen|neuronalen Entwicklung]]. |
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{{Infobox ICD |
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| BREITE = |
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| 01-CODE = F90.– |
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| 01-BEZEICHNUNG = Hyperkinetische Störungen |
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| 02-CODE = F90.0 |
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| 02-BEZEICHNUNG = Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung |
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| 03-CODE = F90.1 |
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| 03-BEZEICHNUNG = Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens |
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| 04-CODE = F90.8 |
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| 04-BEZEICHNUNG = Sonstige hyperkinetische Störungen |
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| 05-CODE = F90.9 |
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| 05-BEZEICHNUNG = Hyperkinetische Störung, nicht näher bezeichnet |
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| 06-CODE = F98.– |
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| 06-BEZEICHNUNG = Andere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend |
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| 07-CODE = F98.8 |
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| 07-BEZEICHNUNG = Sonstige näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend – Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität |
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}} |
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{{Infobox International Classification of Diseases 11 |
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| Code-01 = 06 |
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| Data-01 = Psychische Störungen, Verhaltensstörungen oder neuronale Entwicklungsstörungen |
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| Code-02 = 6A05.0 |
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| Data-02 = Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung [ADHS], vorwiegend unkonzentriert |
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| Code-03 = 6A05.1 |
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| Data-03 = Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung [ADHS], vorwiegend hyperaktiv-impulsiv |
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| Code-04 = 6A05.2 |
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| Data-04 = Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung [ADHS], kombiniert |
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}} |
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ADHS äußert sich durch Probleme mit [[Aufmerksamkeit]], [[Impulsivität]] und [[Selbstregulation (Psychologie)|Selbstregulation]]; manchmal kommt zusätzlich starke körperliche Unruhe ([[Hyperaktivität]]) hinzu. |
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[[Kernsymptom]]e sind dabei Aufmerksamkeitsstörungen, Impulsivität und optional [[Hyperaktivität]]. |
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Die Störung wurde früher als reines Verhaltensproblem gesehen, während sie heute zunehmend als komplexe Entwicklungsverzögerung des [[Exekutive Funktionen|Selbstmanagement-Systems im Gehirn]] verstanden wird.<ref>{{Literatur |Autor=Thomas Brown |Titel=ADHS bei Kindern und Erwachsenen – eine neue Sichtweise |Verlag=Hogrefe |Datum=2018 |ISBN=978-3-456-85854-8 |Kapitel=Siehe Einleitung und Kapitel 2 |Online=[https://pubengine2.s3.eu-central-1.amazonaws.com/preview/99.110005/9783456958545_preview.pdf Online] |Format=PDF |KBytes=361}}</ref> ADHS kann dabei auch als ein Extremverhalten aufgefasst werden, das einen fließenden Übergang zur Normalität zeigt. Eine ADHS-Diagnose erfordert daher, dass die Auffälligkeiten sehr stark ausgeprägt und in den meisten Situationen beständig seit der Kindheit vorhanden sind. Symptome allein haben jedoch keinen Krankheitswert: Erst wenn diese zusätzlich stark die Lebensführung beeinträchtigen oder zu erkennbarem Leiden führen, ist eine ADHS-Diagnose gerechtfertigt.<ref>{{Literatur |Autor=[[Ludger Tebartz van Elst]] |Titel=Autismus und ADHS: Zwischen Normvariante, Persönlichkeitsstörung und neuropsychiatrischer Krankheit |Auflage=1. |Verlag=Kohlhammer Verlag |Datum=2016 |ISBN=978-3-17-028687-0}}</ref> |
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ADS ist als ''Attention Deficit Disorder'' (ADD) in der [[DSM-IV]] definiert. ADS und ADHS werden heute in der Literatur synonym verwendet; es kann als Unterscheidung dienen, dass von "ADS" ohne-, und von "ADHS" mit ausgeprägtem Hyperaktivitätssymptom gesprochen wird; einige Autoren verwenden auch "ADS", um auszudrücken, daß die Hyperaktivität nicht mehr, wie früher, das [[Leitsymptom]] ist. Laut [[ICD-10]] wird ADS als '''Hyperkinetisches Syndrom''' (HKS) bezeichnet. |
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Die weltweite Häufigkeit der ADHS unter Kindern und Jugendlichen wird mit etwa 5,3 % beziffert. Die Häufigkeit von ADHS in Deutschland liegt bei ca. 4,4 %.<ref>{{Literatur |Autor=Kristin Göbel, Franz Baumgarten, Benjamin Kuntz, Heike Hölling, Robert Schlack |Titel=ADHS bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends |Datum=2018-09-19 |Online=[https://edoc.rki.de/handle/176904/5768 Online] |Abruf=2021-01-15 |DOI=10.17886/RKI-GBE-2018-078}}</ref> Sie gilt heute als häufigste psychiatrische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Jungen werden merklich häufiger diagnostiziert als Mädchen. [[Langzeitstudie|Verlaufsstudien]] haben gezeigt, dass bei 40 bis 80 % der diagnostizierten Kinder die Störung auch in der [[Adoleszenz]] fortbesteht. Im Erwachsenenalter schließlich ist mindestens in einem Drittel der Fälle noch eine beeinträchtigende ADHS-Symptomatik nachweisbar (siehe [[Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen|ADHS bei Erwachsenen]]).<ref>{{Literatur |Autor=Stephen V. Faraone et al. |Titel=Attention-deficit/hyperactivity disorder |Sammelwerk=Nature Reviews Disease Primers |Datum=2015-08-06 |Kapitel=Für Prävalenz siehe "Epidemiology" |Online=[http://sebastiaandovis.com/wp-content/uploads/2015/11/Faraone-et-al-2015-ADHD.pdf Online] |Format=PDF |KBytes=1662 |DOI=10.1038/nrdp.2015.20}}</ref><ref name="bäk_42">''{{Webarchiv |url=http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/ADHSLang.pdf |text=Stellungnahme zur „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) |wayback=20130612012311 |archiv-bot=2022-10-06 06:46:40 InternetArchiveBot}}“. Langfassung'' (PDF; 1,0 MB). [[Bundesärztekammer]], 2005, abgerufen am 3. Januar 2017. ''(S. 5: Jungen öfter als Mädchen betroffen;'' ''S. 36: Fortbestehen in Adoleszenz; S. 42: Fortbestehen im Erwachsenenalter.)''</ref> |
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Früher war es bekannt als '''Minimale Cerebrale [[Dysfunktion]]''' (MCD) (englisch ''Minimal Brain Dysfunction'' (bis in die 60er Jahre -Damage)), in der [[Schweiz]] wiederum als '''Psychoorganisches Syndrom''' (POS). |
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Für die Entstehung von ADHS werden mehrere miteinander wechselwirkende Faktoren verantwortlich gemacht, welche einen Einfluss auf die Hirnentwicklung haben. Dabei spielen vor allem [[Disposition (Medizin)|genetische Veranlagungen]], aber auch [[Umwelteinfluss|Umwelteinflüsse]] im Umfeld der [[Geburt]] ([[Pränatal|prä-, peri- und früh postnatal]]) eine entscheidende Rolle.<ref name=":10">{{Literatur |Hrsg=AWMF |Titel=ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen |Sammelwerk=S3-Leitlinie |Datum=2017 |Seiten= |Kommentar=S. 13 (Ursachen), S. 46 (Schweregradeinteilung), S. 77 (Cannabis) |Online=https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/028-045}}</ref> |
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Die häufigen, jedoch ungenauen und widersprüchlichen Presseberichte zum Thema mystifizieren ADHS eher als darüber aufzuklären. Dies schlägt sich auch in der Meinung von Politikern nieder. |
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Je nach Person kann die Störung jedoch sehr unterschiedliche Folgen haben. Meist stehen Betroffene und ihre Angehörigen unter erheblichem Druck: Misserfolge in Schule oder Beruf,<ref>[https://deutsch.medscape.com/artikel/4900428 ADHS in der Kindheit schmälert Zukunftsaussichten]. Medscape Deutschland (2012). [http://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/1378851 Langzeitstudie] von Klein et al.</ref> ungeplante frühe Schwangerschaften,<ref>{{Internetquelle |url=https://www.dhz-online.de/news/detail/artikel/mehr-teenager-schwangerschaften-bei-adhs |titel=Mehr Teenager-Schwangerschaften bei ADHS |werk=Deutsche Hebammen Zeitschrift |datum=2017 |abruf=2019-09-18}}</ref> Drogenkonsum und die Entwicklung weiterer psychischer Störungen wurden oft beobachtet. Dazu kommt ein deutlich erhöhtes Risiko für Suizide, Unfälle und unabsichtliche Verletzungen<ref>{{Internetquelle |autor=Redaktion [[Deutsches Ärzteblatt]] (2019) |url=https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/105177/Erhoehtes-Sterberisiko-bei-ADHS-durch-Suizide-Unfaelle-und-andere-Verletzungen |titel=Erhöhtes Sterberisiko bei ADHS durch Suizide, Unfälle und andere Verletzungen |hrsg=Deutscher Ärzteverlag |sprache=de |abruf=2019-09-18}}</ref> sowie versehentliche Vergiftungen.<ref>http://daebl.de/CH19</ref><ref>''ADHS-Therapie mit niedrigerem Sterberisiko assoziiert.'' In: ''Deutsches Ärzteblatt.'' Jahrgang 121, Heft 7, 5. April 2024, S. B 413.</ref> Diese allgemeinen Risiken müssen jedoch nicht in jedem Einzelfall relevant sein. Die Behandlung richtet sich daher nach dem Schweregrad, dem [[Leidensdruck]], den jeweiligen Symptomen und Problemen sowie dem Alter der betroffenen Person.<ref name=":7" /> |
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Forschungen zur Ursachenaufklärung und Therapieverbesserung laufen seit Jahrzehnten. Heute (Stand 2022) sind die Vorteile einer individuell angepassten Behandlung geklärt; ebenso wie die [[#Risiken von Nicht- oder Fehlbehandlung|Nachteile einer versäumten oder fehlerhaften Behandlung]]. Anzeichen für eine langfristige Erholung veränderter Gehirnfunktionen durch angemessene (pharmakologische) Behandlung sind bereits vielfach mit modernen [[Neuroimaging|bildgebenden Verfahren]] nachgewiesen worden.<ref name="PMID24107764" /> |
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== Einführung == |
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ADS ist eine |
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* meist behandelbare, |
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* lebenslang persistierende (bleibende), |
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* meist genetisch bedingte (nach einigen Biologen immer) |
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* auf einer [[Neurobiologie|neurobiologischen]] Störung der vorderen Gehirnregionen basierende |
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* [[Symptomatik]], |
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die mit erheblichem Leidensdruck für Betroffene und Angehörige einhergeht. Das Suchtrisiko und das Risiko von [[Betragensstörung]]en von unbehandelten ADS-Betroffenen ist stark erhöht. ADS erlaubt allerdings auch eine offenere Wahrnehmung und geht sehr häufig mit [[Empathie]] und [[Kreativität]] einher, so dass behandelte ADS-Betroffene durch Betonung ihrer Stärken gute Lebensaussichten haben. |
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== Bezeichnungen und Abkürzungen == |
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Neben ADHS existieren viele alternative Bezeichnungen und Abkürzungen. Einige davon beschreiben übereinstimmende Krankheitsbilder (z. B. '''Hyperkinetische Störung (HKS)''' oder '''Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom'''), während andere teilweise spezielle Ausprägungen bezeichnen. International wird von der ''attention deficit hyperactivity disorder'' (ADHD) oder ''attention deficit/hyperactivity disorder'' (AD/HD) gesprochen. |
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Umgangssprachlich noch weit verbreitet – wenn auch in der jüngeren Fachliteratur nicht mehr gebräuchlich – ist die Bezeichnung '''Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom oder -störung (ADS)'''. Besonders Betroffene mit vorwiegender Aufmerksamkeitsstörung ohne ausgeprägte Hyperaktivität verwenden die Abkürzungen ''ADS'' und ''ADD'' (englisch). Durch sie soll zum Ausdruck kommen, dass Hyperaktivität nicht immer zwingend als Symptom vorhanden ist. Veraltet sind die Bezeichnung ''Minimale Cerebrale Dysfunktion'' (MCD) oder ''Hyperkinetische Reaktion des Kindesalters''; die Diagnose ''Psychoorganisches Syndrom'' (POS) wird nur noch in der Schweiz verwendet.<ref name="Krause-S5f">{{Literatur |Autor=[[Johanna Krause (Medizinerin)|Johanna Krause]], [[Klaus-Henning Krause]] |Titel=ADHS im Erwachsenenalter. |Auflage=4. vollst. akt. und erw. |Verlag=Schattauer |Datum=2014 |ISBN=978-3-7945-2782-3 |Seiten=5f |Online={{Google Buch |BuchID=vZFeAwAAQBAJ |Seite=5}}}}</ref> |
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=== Ist ADS eine [[Krankheit]]? === |
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ADS ist eine neurobiologische Störung und damit eine Krankheit. Die bei mittel bis schwer Betroffenen notwendige medikamentöse Behandlung führt aber nicht zu einer "Heilung" im Sinne einer kompletten Änderung der Verhaltensauffälligkeiten, die mit der Krankheit einhergehen. Der behandlungsbedürftige Betroffene wird lediglich durch die erzeugte "Klarheit" der Reizwahrnehmung im Gehirn in die Lage versetzt, mit seinen Schwächen umzugehen und seine Stärken auszuspielen. |
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== Diagnostik und Klassifizierung == |
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Das bedeutet auch, dass er mit Hilfe der Medikamente in der Lage ist, Ursache und Wirkung seines Verhaltens auf andere Menschen zu verstehen. Eine begleitende Betreuung der medikamentösen Behandlung in einer Therapie oder durch geschulte Eltern ist daher unerlässlich. |
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Wie bei allen psychischen Störungsbildern sind die in der [[Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme|''Internationalen Klassifikation der Krankheiten'']] (ICD) der [[Weltgesundheitsorganisation]] und dem ''[[Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders]]'' (DSM) der [[American Psychiatric Association]] Beschreibungen und festgelegten Kriterien zur Diagnose von ADHS international anerkannt. In Deutschland ist die darauf aufbauende [[S3-Leitlinie]] von [[DGKJP]], [[DGPPN]] und [[DGSPJ]] maßgeblich (siehe unter [[#Literatur|Literatur]]). |
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Die ADHS-Symptome und -Eigenschaften sind dimensional in der Bevölkerung verteilt. Sie stellen für sich genommen noch keine Krankheitsanzeichen dar. Um ADHS eindeutig und kategorial zu diagnostizieren, sind diese verbreiteten Symptome daher weniger hilfreich als ihre Auswirkungen auf die Lebensführung. Für die Diagnostik ist somit entscheidend, ob es auch zu einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit, Lebensqualität oder Teilhabe im Alltag kommt. Falls nur ein Lebensbereich betroffen ist, kann dies ein Hinweis auf eine andere psychische Störung sein.<ref name=":7" /> |
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Maßgeblich für die Diagnose von ADHS ist das [[Klinisches Bild|klinische Bild]]. Zur Diagnose geeignete [[Biomarker (Medizin)|Biomarker]] sind nicht bekannt.<ref>''{{Webarchiv |url=http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/ADHSLang.pdf |text=Stellungnahme zur „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) |wayback=20130612012311 |archiv-bot=2022-10-06 06:46:40 InternetArchiveBot}}“. Langfassung'' (PDF; 1,0 MB). [[Bundesärztekammer]], 2005. Kapitel 3: Diagnostik und Differenzialdiagnostik der ADHS</ref><ref name="dsm-5-tr2">{{Literatur |Hrsg=[[American Psychiatric Association]] |Titel=Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder |Sammelwerk=Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition, Text Revision |Verlag=American Psychiatric Association |Ort=Washington, DC |Datum=2022 |ISBN=978-0-89042-575-6 |Seiten=68–76}}</ref> |
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=== Muss jeder Betroffene behandelt werden? === |
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ADS kann man, grob gesagt, in drei Schweregrade einteilen. |
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* Der '''Leicht Betroffene''' hat zwar die biologische und genetische [[Disposition]], bei ihm ist die Symptomatik aber nicht so schwer ausgebrochen, dass er behandlungsbedürftig ist. Er hat eine höhere Kreativität, ist etwas impulsiver als normal, und kann sich nicht so gut konzentrieren, wie andere Menschen, dafür bekommt er aber auch am Rande liegende Details mit; dies hat aber keinen Krankheitswert, und er hat keinen Leidensdruck. Besonders eine frühzeitige Information des Umfeldes über ADS und ein günstige [[psychosozial]]e Entwicklung können einen Betroffenen in seiner Entwicklung in diese Kategorie stellen. Trotzdem sollte er informiert werden, da er eine hohe Wahrscheinlichkeit hat, betroffene Kinder zu zeugen. |
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* Der '''Mittelschwer Betroffene''' ist behandlungsbedürftig und leidet neben ADS später unter [[Komorbidität|Folgeschäden]], entwickelt aber keine [[Betragensstörung]] und macht keinen sozialen Absturz durch. Sein [[Selbstmord]]risiko ist trotzdem ohne Behandlung erhöht, und er ist von Schulversagen und Versagen im Beruf gefährdet. |
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* Ein '''Schwer Betroffener''' entwickelt [[Betragensstörung]]en und gleitet sehr wahrscheinlich in die [[Sucht]] oder [[Kriminalität]] ab; ohne Behandlung kann er sich nicht [[Sozialisierung|sozialisieren]]. |
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=== {{Anker|Klassifizierung nach ICD}} Klassifizierung nach ICD === |
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Hieran sieht man, dass längst nicht alle eigentlich Betroffenen behandlungsbedürftig sind. Nimmt man die leicht Betroffenen, die eigentlich nicht unter ADS nach DSM-IV fallenden dazu, halten einige Neurologen und Psychologen aus den Vereinigten Staaten von Amerika eine Durchsetzung mit ADS-[[Disposition]] bis zu 25% für möglich. |
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==== Nach ICD-10 ==== |
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In der ICD-10 wird das Krankheitsbild unter der Oberkategorie ''Hyperkinetische Störungen'' (F90) aufgeführt, die der Gruppe der [[Liste der psychischen und Verhaltensstörungen nach ICD-10#F90–F98 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend|Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend]] zugeordnet ist. Folgende Formen werden dabei unterschieden:<ref name=":1">{{Internetquelle |url=https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2019/block-f90-f98.htm |titel=Kapitel V Psychische und Verhaltensstörungen (F00-F99) Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (F90-F98) |werk=ICD-10-GM Version 2019 |hrsg=[[Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information]] |datum=2019-11-01 |sprache=de |abruf=2023-06-27}}</ref><ref name=":42">{{Literatur |Hrsg=[[World Health Organization]] |Titel=The ICD-10 Classification of Mental and Behavioural Disorders: Diagnostic criteria for research |Ort=Genf |Datum=1993 |ISBN=92-4-154455-4 |Seiten=155–157}}</ref><ref name=":272">{{Literatur |Hrsg=[[World Health Organization]] |Titel=The ICD-10 Classification of Mental and Behavioural Disorders: Clinical descriptions and diagnostic guidelines |Ort=Genf |Datum=1992 |ISBN=92-4-154422-8 |Seiten=262–266}}</ref> |
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* Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F90.0) – Kriterien für Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität sind erfüllt. |
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Nach der übereinstimmenden Meinung vieler Neurologen und Psychologen hat sich die Grenze zwischen behandlungsbedürftiger mittlerer Betroffenheit und leichter Betroffenheit in den letzten Jahrzehnten zu Ungunsten der leicht Betroffenen verschoben. Einerseits ist daran die [[Vernetzung|vernetzte]] [[Gesellschaft]] und die damit einhergehende [[Reizüberflutung]] schuld, andererseits der wissenschaftliche Fortschritt, der den Anteil an theoretischen Grundlagen selbst in eher praxisorientierten Fächern wie [[Maschinenbau]] stark erhöht hat. |
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* [[#Störungen des Sozialverhaltens|Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens]] (F90.1) – Kriterien von F90.0 und einer Störung des Sozialverhaltens (F91) sind gleichzeitig erfüllt. |
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* Sonstige hyperkinetische Störungen (F90.8) – muss nicht alle Kriterien nach F90.0 erfüllen. |
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* Hyperkinetische Störung, nicht näher bezeichnet (F90.9) – soll nur bei Unklarheit zwischen F90.0 und F90.1 verwendet werden. |
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Für die Diagnose der ADHS als ''Hyperkinetische Störung'' nach F90.0, F90.1 oder F90.9 sind „beeinträchtigte Aufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität notwendig“.<ref name=":272" /> |
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Eine Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (entsprechend dem vorwiegend unaufmerksamen Subtyp im [[Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders|DSM]]) kann in der Kategorie ''Hyperkinetische Störung''en (F90) nicht verschlüsselt werden. Dafür muss die Restkategorie ''Sonstige näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend – Inkl.: Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F98.8)'' benutzt werden.<ref name=":1" /> |
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Mit Prophylaxe, wie dem [[Marburger Konzentrationstraining]] und einer umfassenden Information des Umfeldes kann man unter Umständen erreichen, daß sich die Symptomatik nicht zu schwer entwickelt. Hierbei sollte man aber bedenken, daß ein Großteil des Schweregrades [[Neurobiologie|neurobiologisch]] bedingt ist und man nur Grenzfälle beeinflussen kann. |
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{{Anker|ADHS-H}}'''Kodierung des vorwiegend hyperaktiv-impulsiven Typus im Schema der ICD-10''' |
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== ADS-Symptome == |
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=== Kernsymptome === |
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Die Kernsymptome von ADHS sind: |
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*'''Aufmerksamkeitsstörungen''' (Vorzeitiger Abbruch von Tätigkeiten, insbesondere bei kognitiven Leistungen) |
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*'''Impulsivität''' (Handeln ohne vorheriges Überlegen und Unfähigkeit, abzuwarten) |
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Eine Hyperkinetische Störung, bei der die Kriterien für Unaufmerksamkeit nicht voll erfüllt sind, kann unter F90.1 oder F90.8<ref name="978-3-642-13017-5_Kap14">{{Literatur |Autor=[[Hanna Christiansen]], Bernd Röhrle (Kapitel 14) |Hrsg=H.-U. Wittchen, J. Hoyer |Titel=Klinische Psychologie & Psychotherapie |Auflage=2., überarbeitete und erweiterte |Verlag=Springer |Datum=2011 |ISBN=978-3-642-13017-5 |Kapitel=Kapitel 14: ''Psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters'' |Seiten=214 |Kommentar=Tabelle 14.2}}</ref> kodiert werden. |
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Häufig, aber bei weitem nicht immer, tritt noch als ehemaliges [[Leitsymptom]] auf: |
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*'''Hyperaktivität''' (Exzessive motorische Ruhelosigkeit) |
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'''Sonstige Varianten''' |
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Die Hyperaktivität war ehemals das einzige sichere Symptom, und aus dem besseren Verständnis der Genese seit 1990 hat sich ergeben, dass mehr Betroffene als bisher diagnostiziert werden können und sich das Geschlechterverhältnis zwischen betroffenen Frauen und Männern von 1:9 auf 1:3 verschieben konnte. Die Rate der Betroffenen, früher mit 3-6% angegeben, wird heute eher mit 6% angegeben und ist noch nicht vollständig erforscht. Auch Raten von 10-15%, teils bis 25%, wenn man leicht betroffene nicht Therapiebedürftige hinzurechnet, erscheinen heute zunehmend realistisch. |
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Viele Experten beschreiben auch subklinische Varianten, andere spezielle Ausprägungen oder Störungsbilder, die etwa nicht zu Hause, aber in der Schule vorkommen. Diese wurden jedoch, wie der vorwiegend unaufmerksame Typus, 1992 nicht unter der Hauptklassifikation F90.– der ICD-10 aufgenommen, „da die empirische prädikative Validierung noch unzureichend ist“.<ref name="MAS">[[Helmut Remschmidt]] u. a. (Hrsg.): ''Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 der WHO.'' 5. Auflage. Huber 2006, ISBN 3-456-84284-8, S. 33 ff.</ref> Diese können ebenfalls unter der ICD-Ziffer F98.8<ref>Helmut Remschmidt: ''[https://books.google.de/books?id=MZ8kz0JfucQC&pg=PA157#v=onepage&q&f=false Kinder- und Jugendpsychiatrie. Eine praktische Einführung.]'' 6. Auflage. Thieme 2011, S. 157.</ref> oder unter F90.8 klassifiziert werden.<ref name="DGKJP" /> |
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Als Voraussetzung für die Diagnose ADHS müssen die Symptome mindestens seit sechs Monaten vorliegen und erstmals schon vor dem siebten Lebensjahr aufgetreten sein. Dabei müssen sie deutliche Beeinträchtigungen für das Leben der betroffenen Person mit sich bringen. Ein Ausschluss von möglichen anderen Störungen, welche die hyperkinetischen Symptome besser erklären würden, ist dabei unerlässlich. Es darf zum Beispiel keine tief greifende [[Entwicklungsstörung]], eine [[Schizophrenie]] oder eine andere [[Psychose|psychotisch]]e Störung vorliegen. |
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==== Nach ICD-11 ==== |
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Der [[ICD-10]] unterscheidet, für das Hyperkinetische Syndrom (HKS), eine '''Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F 90.0)''', '''Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F 98.8)''' oder '''Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F 90.1)'''. |
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Die im Jahr 2018 veröffentlichte 11. Revision der ICD ([[ICD-11]]) führt ADHS nun unter dem Schlüssel 6A05 ''(Attention deficit hyperactivity disorder)'' als ''neuronale Entwicklungsstörung'' auf.<ref name=":6">{{Internetquelle |url=https://icd.who.int/browse11/l-m/en#/http://id.who.int/icd/entity/821852937 |titel=6A05 Attention deficit hyperactivity disorder |werk=[[ICD-11|ICD-11 for Mortality and Morbidity Statistics]] |hrsg=[[World Health Organization]] |datum=2023 |sprache=en |abruf=2023-06-26}}</ref> Die Kategorie ''Hyperkinetische Störungen'' ist entfallen. |
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=== Nach DSM-5 === |
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Das Diagnostische Manual [[DSM-IV]] lässt eine differenziertere Diagnosestellung bei einer [[situationsübergreifend]]en Störung zu und unterteilt in drei ADHS-Erscheinungsbilder: |
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Im [[DSM-5]] (2013, revidiert 2022) ist ADHS im Kapitel der neuronalen Entwicklungsstörungen (''Neurodevelopmental disorders'') eingeordnet. Für eine Diagnose müssen Betroffene ''mindestens eins'' der folgenden zwei Verhaltensmuster zeigen:<ref name="dsm-5-tr2" /><ref name=":4">{{Literatur |Autor=[[American Psychiatric Association|APA]] (2015) |Titel=Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen DSM-5 |Verlag=Hogrefe |Datum=2014 |ISBN=978-3-8017-2599-0 |Kapitel=Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung |Seiten=77-87 (Abschnitt zu ADHS-Kriterien)}}</ref> |
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*ADHS, kombinierter Typ (häufigste Erscheinungsform mit allen drei Kernsymptomen) (314.01) |
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*ADHS, vorwiegend unaufmerksamer Typ (primär Aufmerksamkeitsstörung, geringe Hyperaktivität und Impulsivität) (314.00) |
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*ADHS, vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typ (primär Hyperaktivität und Impulsivität, geringe Aufmerksamkeitsstörung) (314.01) |
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* Unaufmerksamkeit ''(inattention)'' |
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=== Weitere häufig bei ADS-Betroffenen beobachtete Symptome === |
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* Hyperaktivität-Impulsivität ''(hyperactivity-impulsivity)'' |
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Neben den Kernsymptomen können verschiedene zusätzliche Auffälligkeiten aus ADS oder durch ADS ausgelösten [[Komorbidität|Folgeschäden]] auftreten, in klinischen Untersuchungen sind hyperkinetische Störungen ohne [[Komorbidität|komorbide]] Störungen sogar die Ausnahme. |
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Für beide Verhaltensmuster werden jeweils neun mögliche Symptome angegeben: |
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Häufig sind [[dissoziale Verhaltensstörung]]en (bei mehr als 50 % aufgrund geringer Frustrationstoleranz durch erhöhte Impulsivität auch im affektiven Bereich), Lernstörungen (in der Schule sind 80 % der Betroffenen mindestens zwei Noten schlechter als Durchschnitt), Tic-/Sprech-/Sprachstörungen und Beziehungsprobleme aller Art. |
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'''Unaufmerksamkeit''' |
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Neben den negativen Symptomen werden aber sehr häufig eine ausgeprägte [[Phantasie]], [[Hypersensibilität]], eine hohe Intelligenz und ein besonderes Körpergefühl beobachtet, das sich in einer niedrigen Schmerzschwelle wie auch in besserem Wissen über die Vorgänge im Körper äußern kann. Nicht selten spüren schwangere ADS-Frauen die Bewegungen ihres Kindes, bevor dies nicht-betroffene Frauen tun. |
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# schafft es oft nicht, genau auf Einzelheiten zu achten oder macht [[Flüchtigkeitsfehler]] bei Schularbeiten, der Arbeit oder anderen Tätigkeiten, |
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ADS-Kinder sind häufig Schreikinder, die schnell laufen können und den Mutterleib für ständige Bodenturnübungen verwenden. |
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# hat oft Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit längere Zeit bei Aufgaben oder beim Spielen aufrechtzuerhalten, |
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# scheint oft nicht zuzuhören, wenn direkt angesprochen, |
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# folgt Anweisungen oft nicht vollständig und schafft es oft nicht, Schularbeiten, lästige Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz zu vollenden (Verlust von Konzentration; Ablenkung), |
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# hat oft Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren (z. B. unordentliches, planlos-desorganisiertes Arbeiten; hält Termine und Fristen nicht ein), |
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# vermeidet oft, mag nicht oder ist widerwillig bei Aufgaben, die längere geistige Anstrengung erfordern (z. B. Mitarbeit im Unterricht; Ausfüllen von Formularen), |
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# verliert oft Gegenstände, die für Aufgaben oder Aktivitäten nötig sind (z. B. Schulmaterial, Stifte, Bücher, Werkzeug, Portemonnaie, Schlüssel, Schreibarbeiten, Brille, Mobiltelefon), |
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# ist oft leicht von äußeren Reizen oder irrelevanten Gedanken abgelenkt (Reizoffenheit), |
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# ist oft [[Vergessen|vergesslich]] bei täglichen Aktivitäten (z. B. bei Besorgungen, Bezahlen von Rechnungen, Einhalten von Verabredungen). |
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'''Hyperaktivität-Impulsivität''' |
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== Ursachen == |
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[[Image:Adhdbrain.gif|frame|right|Links: Gehirnaktivität einer Person ohne ADS. Rechts: Aktivität einer Person mit ADS.]] |
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Nach derzeitigem Stand der [[Wissenschaft]] ist ein multifaktorieller Erklärungsansatz für ADHS am wahrscheinlichsten. |
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# hampelt oft mit Händen oder Füßen, schlägt mit ihnen Takt oder windet sich auf dem Sitz, |
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Zweifellos besteht bei Betroffenen eine Störung der Neurobiologie, die [[Striatofrontale Dysfunktion]]. |
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# verlässt oft den Sitzplatz in Situationen, in denen Sitzenbleiben erwartet wird, |
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# läuft oft herum oder klettert in unpassenden Situationen (bei Jugendlichen oder Erwachsenen reicht hier ein subjektives Gefühl der Unruhe), |
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# ist oft nicht in der Lage, ruhig zu spielen oder an Freizeitaktivitäten ruhig teilzunehmen, |
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# ist oft „auf dem Sprung“ oder handelt „wie getrieben“ (z. B.: kann nicht länger ruhig an einem Platz bleiben bzw. fühlt sich dabei sehr unwohl, z. B. in Restaurants), |
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# redet oft übermäßig viel, |
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# platzt oft mit einer Antwort heraus, bevor die Frage fertig gestellt ist oder beendet die Sätze anderer, |
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# kann nur schwer warten, bis er/sie an der Reihe ist (z. B. beim Warten in einer Warteschlange), |
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# unterbricht oder stört andere häufig (z. B. platzt in Gespräche, Spiele oder andere Aktivitäten hinein; benutzt die Dinge anderer Personen ohne vorher zu fragen; bei Erwachsenen: unterbricht oder übernimmt Aktivitäten anderer). |
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'''Weitere Bedingungen''' |
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Im Verlauf der Entwicklung führt diese Störung zu verschiedenen psychosozialen Faktoren, die die Entstehung der Symptomatik und der Folgeschäden beeinflussen. |
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Eine ADHS-Diagnose ist nur dann möglich, wenn sowohl ausreichend viele spezielle als auch alle allgemeinen Bedingungen vorliegen (siehe Tabelle).<ref name=":4" /> |
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Bei der [[Genese]] scheinen die psychosozialen Bedingungen eine allenfalls geringe Rolle zu spielen, aber sie tragen wohl stark zur Ausprägung des Schweregrads der Störung bei. |
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Es lassen sich durch die Impulsivität von ADS verschiedene Störungen der [[Selbstregulation]] feststellen. Diese wiederum führen zu einer Zunahme negativer Interaktionen mit [[Eltern]], [[Peer Group|Peers]] und [[Lehrer]]n, was durch ungünstige Bedingungen in [[Familie (Soziologie)|Familie]] und [[Schule]] noch verstärkt werden kann. |
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! style="background:#C6E2FF"|Notwendige spezielle Bedingungen |
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! style="background:#C6E2FF"|Notwendige allgemeine Bedingungen |
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* Für jedes der beiden Verhaltensmuster muss eine Mindestanzahl an Symptomen aus obiger Liste vorliegen: |
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** für Kinder und Jugendliche (bis 16 Jahren): sechs von neun Symptomen |
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** für Jugendliche (ab 17 Jahre) und Erwachsene: fünf von neun Symptomen |
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* Diese Symptome sind während der letzten 6 Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand nicht zu vereinbarenden Ausmaß aufgetreten. |
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* Sie wirken sich direkt negativ auf soziale und schulische oder berufliche Aktivitäten aus. |
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* Die Symptome sind nicht ausschließlich ein Ausdruck von Trotz, Feindseligkeit oder Verständnisschwierigkeiten. |
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* A) Es handelt sich um ein durchgehendes Muster von Unaufmerksamkeit oder Hyperaktivität-Impulsivität, welches das Funktionsniveau oder die Entwicklung beeinträchtigt. |
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* B) Mehrere Symptome dieses Musters traten bereits vor dem Alter von 12 Jahren auf. |
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* C) Mehrere Symptome dieses Musters bestehen in zwei oder mehr verschiedenen Lebensbereichen (z. B. zu Hause, in der Schule oder bei der Arbeit; mit Freunden oder Verwandten; bei anderen Aktivitäten). |
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* D) Es sind deutliche Hinweise dafür vorhanden, dass sich die Symptome störend auf die Qualität des sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsniveaus auswirken oder dieses reduzieren. |
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* E) Die Symptome können nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt werden (z. B. Schizophrenie oder psychotische Störung, affektive Störung, Angststörung, [[dissoziative Störung]], Persönlichkeitsstörung, Substanzintoxikation oder -entzug). |
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=== Schweregrad === |
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Dadurch wird wiederum eine Zunahme der hyperaktiven Symptomatik bewirkt sowie die Entstehung komorbider Symptome (beispielsweise Leistungsdefizite, aggressives Verhalten, emotionale Störungen) begünstigt. Ein regelrechter [[Teufelskreis]] entsteht. |
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Die Einteilung der Schweregrade wird in der S3-Leitlinie Anlehnung an DSM-5 vorgenommen. Bei der Beurteilung wird die Stärke der Symptomausprägung und Funktionsbeeinträchtigung herangezogen und kann wie folgt angegeben werden:<ref name=":10" /><ref name=":0">{{Literatur |Autor=Susanne Heinzl |Titel=Neue S3-Leitlinie: Graduierung nach Schweregrad |Sammelwerk=InFo Neurologie & Psychiatrie |Band=20 |Nummer=7–8 |Datum=2018-08 |ISSN=1437-062X |Seiten=41–41 |Online=https://www.springermedizin.de/doi/10.1007/s15005-018-2689-4 |Abruf=2023-03-26 |DOI=10.1007/s15005-018-2689-4}}</ref> |
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* ''Leicht'': Es treten wenige oder keine Symptome zusätzlich zu denjenigen auf, die zur Diagnosestellung erforderlich sind, und die Symptome führen zu nicht mehr als geringfügigen Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsbereichen. |
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== Vorkommen == |
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* ''Mittel'': Die Ausprägung der Symptome und der funktionellen Beeinträchtigung liegt zwischen „leicht“ und „schwer“ d. h., trotz einer nur geringen Symptomausprägung besteht eine deutliche funktionelle Beeinträchtigung durch die Symptomatik oder trotz derzeit nur geringfügigen Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsbereichen übersteigt die Ausprägung der Symptomatik deutlich das zur Diagnosestellung erforderliche Ausmaß. |
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* ''Schwer'': Die Anzahl der Symptome übersteigt deutlich die zur Diagnosestellung erforderliche Anzahl oder mehrere Symptome sind besonders stark ausgeprägt oder die Symptome beeinträchtigen erheblich die soziale, schulische oder berufliche Funktionsfähigkeit |
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=== Methoden der Diagnose === |
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ADHS betrifft nach den Kriterien des DSM-IV ca. 4-8 % aller Schulkinder in Deutschland. Nimmt man die Bemessungsgrundlagen des ICD-10 für das Hyperkinetische Syndrom, so erhält man Schätzraten von 1-3 %. Rein rechnerisch bedeutet das, dass in jedem Klassenzimmer durchschnittlich etwa ein betroffenes Kind sitzt. Fest steht, dass Jungen gegenüber Mädchen deutlich häufiger von [[Symptom]]en betroffen sind, die meisten [[Studie]]n geben das Verhältnis zwischen 3:1 und 9:1 an. |
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Eine Diagnose sollte sich auf Informationen aus unterschiedlichen Quellen stützen, da ein einzelner Test oder nur ein Lebensumfeld nicht die komplette Differenzialdiagnostik abdecken kann. Zur grundlegenden Diagnostik gehören daher neben der Befragung des betroffenen Kindes, der Eltern bzw. Erzieher und Lehrkräfte auch eine gründliche psychologische Testdiagnostik, eine neurologische Untersuchung sowie eine Verhaltensbeobachtung. |
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Da bei Mädchen jedoch häufiger der unaufmerksame Typus auftritt und diese sich meist ruhiger und unauffälliger verhalten, kann man davon ausgehen, dass die "Dunkelziffer" der betroffenen Mädchen deutlich höher ist und ein Verhältnis von 3:1 realistisch ist. |
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Eine testpsychologische Untersuchung sollte mindestens ein bis zwei Stunden dauern, um auch eine gründliche Verhaltensbeobachtung in der Testsituation zu gewährleisten. Reine Konzentrationstests (wie etwa der [[Test d2|d2-Test]] von Brickenkamp oder der BP-Konzentrationstest nach [[Günter Esser (Psychologe)|Esser]]) reichen allein nicht aus, um eine Aussage über die Konzentrationsfähigkeit eines Kindes im Alltag zu treffen. Zusätzlich muss eine Reihe weiterer Tests, z. B. der Denkfertigkeiten („[[Intelligenztest]]“), durchgeführt werden. Hierbei können die Untertests einen Aufschluss über die Stärken und Schwächen liefern und eine Hilfe in der Diagnosestellung bieten. |
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Die [[Prävalenz]] von ADHS im Erwachsenenalter wird mit zwischen 1,3 und 4,7 % angegeben (Quelle: Deutsches Ärzteblatt Ausgabe 37 vom 10. September 2004). In diesem Alter bildet sich die Hyperaktivität stark zurück, und ADS wird von [[Komorbidität]]en begleitet, häufig [[Depression]]en, Angststörungen und Störungen des Selbstbildes. |
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In Kliniken oder ärztlichen Praxen wird aus Kostengründen selten zusätzlich eine [[Magnetresonanztomographie|MRT]] angefertigt. Ein [[Elektroenzephalografie|EEG]] wird durchgeführt, um Auskunft darüber zu erhalten, ob andere Erkrankungen vorliegen. Vor allem im Falle einer Medikation soll auf diese Weise ausgeschlossen werden, dass etwa eine [[Epilepsie]] vorliegt. |
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ADS im Erwachsenenalter ist seit 1995 bekannt und seit 2003 auch in Deutschland anerkannt. |
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=== Neuropsychologie === |
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Fast alle Experten betonen, dass heutzutage nicht mehr Kinder betroffen sind als früher. ADHS tritt aber aktuell verstärkt und offensichtlicher zu Tage. Als Gründe dafür werden allgegenwärtige Reizüberflutung durch [[Computer]], [[Handy]]s, [[Fernsehen]] und die häufiger vorzufindende Strukturlosigkeit in Familie, Schule und Gesellschaft angeführt. Mit diesen Gegebenheiten sehen sich ADHS-Betroffene im allgemeinen einer größeren Herausforderung gegenüber, ihr Leben zu gestalten. |
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Derzeit werden einige quantifizierbare Merkmale für die Diagnose von Kindern mit ADHS diskutiert. Diese sind teilweise auch mit [[Neuropsychologische Diagnostik|neuropsychologischen Testverfahren]] messbar. Im Fokus dieser Diskussion stehen derzeit folgende Merkmale:<ref name="schneider margraf">Silvia Schneider, Jürgen Margraf: ''Lehrbuch der Verhaltenstherapie: Störungen im Kindes- und Jugendalter.'' Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2009, S. 412–428.</ref> |
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* Einschränkung des [[Arbeitsgedächtnis]]ses<ref name="PMID23688211">R. M. Alderson, L. J. Kasper, K. L. Hudec, C. H. Patros: ''Attention-deficit/hyperactivity disorder (ADHD) and working memory in adults: a meta-analytic review.'' In: ''Neuropsychology.'' Band 27, Nummer 3, Mai 2013, S. 287–302, [[doi:10.1037/a0032371]], PMID 23688211 (Review).</ref> |
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* Beeinträchtigung der [[Exekutive Funktionen|Exekutivfunktionen]], (z. B. mangelnde [[Impulsivität|Hemmungskontrolle]] oder Planungsfähigkeit) |
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* Abneigung gegenüber dem [[Belohnungsaufschub|Aufschub von Belohnungen]] |
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* motorische Überaktivität |
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* Regulation von [[Arousal|Aktivierung]] und [[Vigilanz|Wachheit]], Störungen der [[Zeitwahrnehmung#Neurobiologische Grundlagen|Zeitverarbeitung]]<ref name=":3" /> |
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* erhöhte inter- und intraindividuelle Variabilität der Reaktionszeit |
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* dysfunktionale Regulierung der Anstrengungsbereitschaft in Hinblick auf zielbezogenes Verhalten (kurzfristige bzw. entfernte Ziele) |
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=== Subtypen === |
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Problematisch ist die Diagnosestellung, da die Hauptsymptome auch als völlig normale Entwicklungsphasen im Vorschulalter auftreten und die Unterscheidung zwischen Normvariation und Auffälligkeit Eltern und Erziehern daher oft schwer fällt. In einer Studie von Manfred Döpfner konnten einzelne Symptome bei bis zu 31 % der Jungen festgestellt werden, die notwendige Anzahl der Kriterien für eine ADHS-Diagnose erreichten hier aber nur 6 % aller Kinder. |
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Das [[DSM-IV]] von 1994 enthielt noch eine Aufteilung von ADHS in drei verschiedene ''[[Subtyp]]en:'' |
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* den ''vorwiegend unaufmerksamen Typus'', |
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In den letzten 30 Jahren wurden zumeist Erziehungsfehler, Elternproblematik, Vernachlässigung und frühkindliche Traumata für die Ursachen von ADHS gehalten und die Störungen grundsätzlich als soziales und pädagogisches Problem angesehen. Diese Ansichten werden von neueren Untersuchungen jedoch ausgeschlossen. |
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* den ''vorwiegend hyperaktiv-impulsiven Typus'' |
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* den ''gemischten Typus'' |
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Diese Subtypenbildung führte jedoch zu einer sehr großen Heterogenität innerhalb der einzelnen Gruppen und schien für die Behandlungsplanung nicht nützlich. Es zeigte sich auch, dass der individuelle Subtyp zeitlich nicht sehr beständig war und sich über die Lebenszeit oft änderte. So entwickelten sich z. B. Kinder mit hyperaktiv-impulsivem Typus zu Jugendlichen mit gemischtem Typus und wuchsen schließlich zu Erwachsenen mit rein unaufmerksamem Typus heran. Daher wurde in Frage gestellt, ob es sich dabei wirklich um unterschiedliche Arten von ADHS handele oder doch eher um vorübergehende Entwicklungsphasen.<ref name=":3" /><ref>{{Literatur |Autor=Christiane Desman, Franz Petermann |Titel=Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS): Wie valide sind die Subtypen? |Sammelwerk=Kindheit und Entwicklung |Band=14 |Nummer=4 |Datum=2005-10 |ISSN=0942-5403 |Seiten=244–254 |DOI=10.1026/0942-5403.14.4.244}}</ref> |
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=== Hypoaktive ADHS-Kinder === |
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Wegen dieser mangelnden wissenschaftlichen Absicherung der Subtypen spricht das [[DSM-5]] nur noch von verschiedenen ''Erscheinungsbildern (presentations)''. Nun werden das ''vorwiegend unaufmerksame Erscheinungsbild'', das ''vorwiegend hyperaktiv-impulsive Erscheinungsbild'' und das ''gemischte Erscheinungsbild'' unterschieden. Diese sprachliche Abschwächung soll hervorheben, dass es sich um eine Einschätzung eines momentanen Zustands handelt, der sich mit der Zeit ändern kann.<ref name=":4" /><ref>{{Literatur |Autor=Erik G. Willcutt et al. |Titel=Validity of DSM-IV attention–deficit/hyperactivity disorder symptom dimensions and subtypes |Sammelwerk=Journal of abnormal psychology |Band=121 |Nummer=4 |Datum=2013-04-10 |Seiten=991–1010 |DOI=10.1037/a0027347 |PMC=3622557}}</ref> |
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Dieser ADS-Typ fällt, wenn überhaupt, zumeist erst im [[Jugend]]alter auf. |
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Häufig sind Mädchen davon betroffen. Im Gegensatz zu dem auffälligen, hyperaktiven Subtypus sind diese Kinder eher ruhig und verträumt. |
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Alle drei Erscheinungsbilder stellen eine Kombination der beiden Verhaltensmuster (Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität-Impulsivität) in unterschiedlicher Gewichtung dar. Die Erscheinungsbilder „vorwiegend unaufmerksam oder vorwiegend hyperaktiv-impulsiv“ sind dadurch gekennzeichnet, dass nur für ''eins'' der beiden Verhaltensmuster die geforderte Zahl von Einzelsymptomen erreicht sein muss.<ref>[[Centers for Disease Control and Prevention]]: ''Attention-Deficit / Hyperactivity Disorder (ADHD) - [https://www.cdc.gov/ncbddd/adhd/diagnosis.html DSM-5 Criteria for ADHD]''. (Laufend aktualisiert; enthält Listen der Einzelsymptome).</ref> |
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Meistens können sie sich sehr gut alleine beschäftigen, und sind in ihrer eigenen Welt oft zufrieden. Erst mit konkreten Leistungsanforderungen, bekommen sie ihre Probleme. Manchmal schon im Kindergarten, meistens jedoch erst in der Schullaufbahn. |
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Die im Juni 2018 veröffentlichte [[ICD-11]] enthält die gleichen drei Erscheinungsbilder wie das DSM-5.<ref name=":6" /> |
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Diese sogenannten "Träumer" werden mit der Welt der Leistungsanforderungen, der Gruppenregeln und Verhaltensnormen konfrontiert, die sie verunsichern und irgendwann einmal schließlich überfordern. Typischerweise kommt es zu einem unerklärlichen Versagen in der Schule. |
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Vorhandenes Potential wird nicht ausgeschöpft, und die Betroffenen gelangen in einen Kreislauf der Frustration. |
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== Differenzialdiagnostik == |
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Obwohl normale oder gar überdurchschnittliche [[Intelligenz]] vorhanden ist werden diese Kinder häufig als "unterdurchschnittlich begabt" bzw. "eigenbrötlerisch" oder gar "faul" wahrgenommen. |
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Psychische Störungen, die mit ADHS verwechselt werden können, sind insbesondere chronische depressive Verstimmungen ([[Dysthymie]]), dauerhafte und beeinträchtigende Stimmungsschwankungen ([[Zyklothymia]] oder [[bipolare Störung]]) und [[Borderline-Persönlichkeitsstörung]].<ref name="PMID20815868">S. J. Kooij, S. Bejerot, A. Blackwell, H. Caci, M. Casas-Brugué, P. J. Carpentier, D. Edvinsson, J. Fayyad, K. Foeken, M. Fitzgerald, V. Gaillac, Y. Ginsberg, C. Henry, J. Krause, M. B. Lensing, I. Manor, H. Niederhofer, C. Nunes-Filipe, M. D. Ohlmeier, P. Oswald, S. Pallanti, A. Pehlivanidis, J. A. Ramos-Quiroga, M. Rastam, D. Ryffel-Rawak, S. Stes, P. Asherson: ''European consensus statement on diagnosis and treatment of adult ADHD: The European Network Adult ADHD.'' In: ''BMC psychiatry.'' Band 10, 2010, S. 67, [[doi:10.1186/1471-244X-10-67]], PMID 20815868, {{PMC|2942810}} (Review).</ref> |
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ADHS und Autismus weisen Überschneidungen in der Symptomatik auf, v. a. hinsichtlich [[Exekutive Funktionen|exekutiver Funktionen]] und [[Soziale Interaktion|sozialer Interaktionen]]. Die Unterschiede liegen in der Qualität der Auffälligkeiten. Exekutive Funktionsstörungen betreffen bei ADHS eher [[Selbstregulation (Psychologie)|Selbstregulation]] und [[Problemlösen|Problemlösung]], bei Autismus insbesondere die [[kognitive Flexibilität]] und Handlungsplanung. Bei ADHS äußern sich soziale Schwierigkeiten eher in unmittelbar negativ wahrgenommenen Verhaltensweisen, z. B. durch Unterbrechen anderer Gesprächsteilnehmer, bei Autismus fällt eher ein Mangel an positiv besetzten Verhaltensweisen auf, z. B. mangelnder Blickkontakt,<ref name=":11">{{Literatur |Autor=Kevin M. Antshel, Natalie Russo |Titel=Autism Spectrum Disorders and ADHD: Overlapping Phenomenology, Diagnostic Issues, and Treatment Considerations |Sammelwerk=Current Psychiatry Reports |Band=21 |Nummer=5 |Datum=2019-03-22 |ISSN=1535-1645 |Seiten=34 |DOI=10.1007/s11920-019-1020-5 |PMID=30903299}}</ref> sowie Beeinträchtigungen im sozialen und emotionalen Austausch. Charakteristisch für Autismus sind die intensive Beschäftigung mit Spezialinteressen und eine ausgeprägte Detailwahrnehmung. Betroffene von ADHS fallen eher durch eine starke Desorganisiertheit mit sprunghaftem Denken und Handeln auf, was für Autismus eher untypisch ist.<ref>{{Literatur |Autor=Fritz-Georg Lehnhardt, Astrid Gawronski, Kathleen Pfeiffer, Hanna Kockler, Leonhard Schilbach, Kai Vogeley |Titel=The Investigation and Differential Diagnosis of Asperger Syndrome in Adults |Sammelwerk=Dtsch Arztebl Int |Band=110 |Nummer=45 |Datum=2013 |Seiten=755–763 |DOI=10.3238/arztebl.2013.0755 |PMC=3849991 |PMID=24290364}} Deutsche Fassung: [https://www.autismus-wetterau.de/downloads/autismus-wetterau_thema-DiagnoseschemaAutismus.pdf Diagnostik und Differentialdiagnose des Asperger-Syndroms im Erwachsenenalter] (PDF; ca. 487 kB).</ref> |
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== Diagnostik == |
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Voraussetzung für jede Behandlung von ADHS ist eine fundierte Diagnose durch einen mit der Materie vertrauten Arzt, Psychiater oder Psychologen, die auch [[Differentialdiagnose]]n und eventuelle begleitende Krankheiten (z.B. [[Depression]], [[Angstkrankheit]]) berücksichtigt. |
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Zusätzlich erschwert wird die Diagnostik, da die [[Goldstandard (Verfahren)|Goldstandards]] zur Diagnose beider Störungsbilder zu Zeiten des [[Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders|DSM]]-IV (gültig 1994–2013) entwickelt wurden. Damals galten, ebenso wie im heute noch gültigen ICD-10, ADHS und Autismus als einander ausschließend. Es konnten also nicht beide Diagnosen zugleich gestellt werden.<ref name=":11" /> Waren die Kriterien beider Störungsbilder erfüllt, wurde bevorzugt der Autismus diagnostiziert.<ref name=":27">{{Literatur |Hrsg=[[World Health Organization]] |Titel=The ICD-10 Classification of Mental and Behavioural Disorders: Clinical descriptions and diagnostic guidelines |Ort=Genf |Datum=1992 |ISBN=92-4-154422-8 |Seiten=264f.}}</ref> Laut einer [[Metaanalyse]] von 2020, erfüllen jedoch rund 21 % der von ADHS Betroffenen auch die Kriterien für eine Autismus-Spektrum-Störung.<ref name="PMID32448170">S. Young, J. Hollingdale, u. a.: ''Guidance for identification and treatment of individuals with attention deficit/hyperactivity disorder and autism spectrum disorder based upon expert consensus.'' In: ''BMC Medicine.'' Band 18, Nummer 1, Mai 2020, S. 146, [[doi:10.1186/s12916-020-01585-y]], PMID 32448170, {{PMC|7247165}}.</ref><ref>{{Literatur |Autor=Jack Hollingdale, Emma Woodhouse, Susan Young, Adie Fridman, Will Mandy |Titel=Autistic spectrum disorder symptoms in children and adolescents with attention-deficit/hyperactivity disorder: a meta-analytical review |Sammelwerk=Psychological Medicine |Band=50 |Nummer=13 |Datum=2020-10 |ISSN=0033-2917 |Seiten=2240–2253 |DOI=10.1017/S0033291719002368}} [https://discovery.ucl.ac.uk/id/eprint/10082442/1/PSM-D-18-01281_R2.pdf PDF]</ref> Daher können nach [[DSM-5]] und [[ICD-11]] nun auch beide Diagnosen parallel vergeben werden. |
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Es hat sich bei Betroffenen sehr häufig als schwierig herausgestellt, einen kompetenten Facharzt für ADS zu finden, und sehr viele Betroffene werden erst in relativ hohem Alter diagnostiziert. Dr. Med. Kirsten Stollhoff, Autorin des Buches "Hochrisiko ADHS" (siehe Literatur), rechnet vor, dass bei den etwa 5% schwer Betroffenen, von denen man realistischerweise ausgehen kann, 1999 584.700 Kinder in Deutschland behandlungsbedürftig wären; behandelt wurden davon nur 10%. 1990 wurden gar nur 2.500 Kinder in Deutschland medikamentös behandelt. |
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Andere medizinische Erkrankungen, die ADHS-ähnliche Symptome verursachen können und vor einer ADHS-Diagnose ebenfalls ausgeschlossen werden müssen, sind: Überfunktion der Schilddrüse ([[Hyperthyreose]]), [[Epilepsie]], [[Bleivergiftung]], [[Hörverlust]], Krankheiten der [[Leber#Schäden und Krankheiten (Hepatopathien)|Leber]], Atemstillstände während des Schlafs ([[Schlafapnoe-Syndrom]]), [[Arzneimittelwechselwirkung]]en, Folgen eines [[Schädel-Hirn-Trauma]]s und das [[Restless-Legs-Syndrom]].<ref name="PMID20963192">J. P. Gentile, R. Atiq, P. M. Gillig: ''Adult ADHD: Diagnosis, Differential Diagnosis, and Medication Management.'' In: ''Psychiatry (Edgmont (Pa. : Township)).'' Band 3, Nummer 8, August 2006, S. 25–30, PMID 20963192, {{PMC|2957278}}.</ref><ref name="PMID22612184">R. E. Post, S. L. Kurlansik: ''Diagnosis and management of adult attention-deficit/hyperactivity disorder.'' In: ''American family physician.'' Band 85, Nummer 9, Mai 2012, S. 890–896, PMID 22612184 (freier Volltext).</ref><ref>{{Literatur |Autor=Heike Benes, Arthur S. Walters, Richard P. Allen, Wayne A. Hening, Ralf Kohnen |Titel=Definition of restless legs syndrome, how to diagnose it, and how to differentiate it from RLS mimics |Sammelwerk=Movement Disorders |Band=22 |Nummer=S18 |Datum=2007 |Seiten=S401–S408 |Online=https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/mds.21604 |Abruf=2024-10-01 |DOI=10.1002/mds.21604}}</ref> |
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Hinweise für ADS können leicht gefunden werden, beispielsweise durch Konzentrationstests wie der BP-Konzentrationstest nach Esser, der von jedem Lehrer im Klassenrahmen durchgeführt werden könnte. Kinder, die in solchen Tests auffallend schlecht abschneiden, sollten einem kompetenten Neurologen oder [[Pädiater]] zur weiteren Abklärung vorgestellt werden. Namen von mit ADS befassten Fachärzten finden sich in vielen [[Kassenärztliche Vereinigung|Kassenärztlichen Vereinigungen]] in Deutschland, die häufig eigene ADS-Zirkel haben. Es muss betont werden, dass ein schlechtes - oder gutes - Abschneiden in einem bestimmten Test nicht automatisch eine oder keine ADS bedeutet, aber als Hinweis dienen kann. |
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== Begleitende und Folgeerkrankungen == |
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Weitere Diagnostik funktioniert über Beurteilungen von Lehrern ("sehr verträumt und unkonzentriert", "zappelig", aber auch "schlechte Schrift" und "langsam"), Befragung der Eltern, und auch der Kinder selbst. Zusätzlich wird in der Regel ein [[Magnetresonanztomografie|MRT]] und ein [[Elektroenzephalografie|EEG]] angefertigt, um andere Erkrankungen auszuschließen. |
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Als Begleiterkrankung ([[Komorbidität]]) bezeichnet man ein zusätzlich vorliegendes, diagnostisch abgrenzbares Krankheitsbild. Im Falle auffälligen Verhaltens (wie bei ADHS) kommen als mögliche Begleiterkrankungen zunächst weitere Verhaltensstörungen in Betracht. Diese können entweder mit der Grunderkrankung (ADHS) ursächlich zusammenhängen oder eine ''Folgeerkrankung'' davon sein. Sie können jedoch auch ohne naheliegenden Zusammenhang nebenher bestehen. |
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Psychische Störungen, die statistisch besonders häufig mit ADHS zusammen auftreten, stehen bei der Diagnose im Vordergrund. Bei ca. 75 % der ADHS-Betroffenen liegt eine weitere psychische Störung vor, 60 % haben mehrere psychische Begleiterkrankungen.<ref name=":3">{{Literatur |Autor=Tobias Banaschewski et al. (2017) |Titel=Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung: Eine aktuelle Bestandsaufnahme |Datum=2017-03-03 |Kapitel=Siehe Stw. Neuropsychologie |Online=[https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=186551 Online] |DOI=10.3238/arztebl.2017.0149}}</ref> |
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Ein Test auf die Denkfähigkeit in mehreren Teilbereichen ("[[Intelligenztest]]") rundet in der Regel die Diagnostik ab. |
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{{Siehe auch|Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen#Begleitende und Folgeerkrankungen|titel1=Komorbiditäten bei Erwachsenen-ADHS}} |
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=== Störungen des Sozialverhaltens === |
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Ein weiterer Hinweis ergibt sich aus der Reaktion auf bestimmte Medikamente. Seit den 30er Jahren weiß man, dass ADS-Betroffene [[Paradoxon|paradox]] auf Beruhigungs- und Stimulanzmedikamente reagieren das heißt, sie können auf Beruhigungsmittel und Narkose lebhaft reagieren und andere Dosen verlangen, während sie auf Stimulanzien oder Kaffee beruhigt ansprechen. |
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Wenn eine [[Störung des Sozialverhaltens]] zusätzlich zu ADHS auftritt, wird die Kombination von beidem im ICD-10 als eigener Subtyp diagnostiziert, und zwar als ''Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F90.1): Hyperkinetische Störung verbunden mit Störung des Sozialverhaltens''.<ref name=":1" /> |
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Die Kategorie ''Störungen des Sozialverhaltens'' existiert außerdem auch als eigene Kategorie (F91), das heißt getrennt von ADHS. Diese Nachbarkategorie kann jedoch auch bei der ADHS-Diagnose indirekt genutzt werden, da sie die ''Störungen des Sozialverhaltens'' in verschiedene Unterkategorien aufteilt (F91.0 bis F91.9). Auf diese Weise können die besonderen persönlichen und sozialen Umstände des Kindes oder des Jugendlichen besser berücksichtigt und eine genauere Diagnose erstellt werden.<ref name=":1" /> |
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Dies macht man sich auch in der Therapie zunutze: Das als bisheriger [[Goldstandard (Verfahren)|Goldstandard]] in der ADS-Behandlung eingesetzte [[Methylphenidat]] ist eigentlich ein Stimulanzmittel. |
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=== Teilleistungsstörungen === |
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== Behandlung == |
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[[Teilleistungsschwäche|Teilleistungsstörungen]] wie z. B. die [[Legasthenie|Lese-Rechtschreib-Störung]] wurden bei bis zu 45 % (Mittelwert verschiedener Studien) der von ADHS Betroffenen festgestellt. Die Unterkategorien sind aufgelistet unter ''Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (F.81)''.<ref name=":1" /><ref name="PMID23144063">George J. DuPaul et al. (2013): ''Comorbidity of LD and ADHD: implications of DSM-5 for assessment and treatment.'' [[doi:10.1177/0022219412464351]], PMID 23144063 (Review).</ref> |
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Ziel der Behandlung ist es, das individuell unterschiedlich vorhandene Potential auszuschöpfen, die sozialen Fähigkeiten auszubauen und eventuelle Begleitstörungen zu behandeln. Im Allgemeinen sollte die Behandlung ''multimodal'' erfolgen, das heißt, es sollten parallel mehrere Behandlungsschritte durchgeführt werden (Psychotherapie + Psychosoziale Interventionen + Pharmakotherapie). |
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=== Depressive Erkrankungen === |
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[[Depression]] tritt bei Jugendlichen mit ADHS mindestens fünfmal so häufig auf wie bei Jugendlichen ohne ADHS. Wenn die Depression als Begleiterkrankung erst mehrere Jahre nach Beginn von ADHS einsetzt, wird davon ausgegangen, dass sie mindestens teilweise eine Folge der besonderen Belastungen durch ADHS ist.<ref name="PMID19108661" /> Patienten mit ADHS, die später eine Depression entwickeln, können schwerere depressionsbedingte Funktionsstörungen aufweisen als Patienten mit alleiniger Depression. Dies kann auch das Behandlungsergebnis verschlechtern.<ref name=":9">{{Literatur |Autor=Atilla Turgay, Rubaba Ansari |Titel=Major Depression with ADHD: In Children and Adolescents |Sammelwerk=Psychiatry (Edgmont (Pa.: Township)) |Band=3 |Nummer=4 |Datum=2006-04 |ISSN=1550-5952 |Seiten=20–32 |PMC=2990565 |PMID=21103168}}</ref> Diese Beobachtungen zeigen die Dringlichkeit einer möglichst frühzeitigen und sorgfältigen Diagnose und Behandlung von ADHS auf. Ist eine Depression bereits aufgetreten, so kann eine umsichtige und angepasste multimodale Behandlung meist eine gute Wirksamkeit sowohl gegen ADHS als auch gleichzeitig gegen Depression erreichen.<ref name="PMID19108661">W. B. Daviss (2008): ''A review of co-morbid depression in pediatric ADHD: etiology, phenomenology, and treatment.'' [[doi:10.1089/cap.2008.032]], {{PMC|2699665}} (Review).</ref> Dabei benötigen viele Patienten in Behandlung mehr als ein Medikament und eine Kombination psychosozialer Interventionen.<ref name=":9" /> |
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Bis zu 31 % aller ADHS-Betroffenen leiden an einer [[Dysthymie]].<ref>{{Literatur |Hrsg=Freitag, Retz |Titel=ADHS und komorbide Erkrankungen: Neurobiologische Grundlagen und diagnostisch-therapeutische Praxis bei Kindern und Erwachsenen |Auflage=1. |Verlag=Kohlhammer |Datum=2007 |ISBN=978-3-17-019081-8 |Seiten=126}}</ref> |
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Für die Behandlung von Babies, Klein- und Schulkindern mit ADS, aber auch für nicht-ADS-Betroffene empfehlenswert, hat sich das [[Marburger Konzentrationstraining]] (MKT) herausgestellt. |
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=== Angststörungen === |
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Ähnlich dem [[Autogenes Training|Autogenen Training]] beruht es auf verbaler [[Selbstinstruktion]]. |
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[[Angststörung]]en traten in vielen Studien bei bis zu 25 % der ADHS-Betroffenen auf. Es gab Hinweise darauf, dass sie die Impulsivität abmildern, aber das [[Arbeitsgedächtnis]] noch weiter beeinträchtigen. Umgekehrt bekommt die Angststörung durch die ADHS möglicherweise einen weniger phobischen Charakter. Ferner wurde festgestellt, dass das Ausmaß der Ängste mit der Stärke der [[Sluggish cognitive tempo|SCT]]-Symptome zusammenhing.<ref name="DOI10.1177/1087054706286698">{{Literatur |Autor=David Beck Schatz, Anthony L. Rostain |Titel=ADHD With Comorbid Anxiety: A Review of the Current Literature |Sammelwerk=Journal of Attention Disorders |Band=10 |Nummer=2 |Datum=2006-11 |ISSN=1087-0547 |Seiten=141–149 |DOI=10.1177/1087054706286698}}</ref><ref name="PMID20861593">Timothy E. Wilens (2010): ''Understanding attention-deficit/hyperactivity disorder from childhood to adulthood.'' {{PMC|3724232}}. [[doi:10.3810/pgm.2010.09.2206]] (Review).</ref> |
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=== Zwangsstörungen === |
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Es ist auch für vollkommenen gesunde Kinder oder für Kindern mit ungesicherter Diagnose geeignet. |
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[[Zwangsstörung]]en sind bei von ADHS Betroffenen etwa dreimal so häufig (ca. 8 %) wie bei Nichtbetroffenen (2–3 %).<ref name="PMID25017045">Silvia Brem u. a. (2014): ''The neurobiological link between OCD and ADHD.'' In: ''Attention deficit and hyperactivity disorders.'' Band 6, Nummer 3, S. 175–202, [[doi:10.1007/s12402-014-0146-x]], PMID 25017045, {{PMC|4148591}} (Review).</ref> |
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=== Tics & Tourette === |
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[[Autogenes Training]] kann ebenfalls als unterstützende "sanfte" Maßnahme bei älteren Kindern und Erwachsenen hilfreich sein. |
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Das [[Tourette-Syndrom]] ist eine Spektrum-Erkrankung. Dabei stellen gering ausgeprägte vorübergehende [[Tic]]s das eine Ende und chronische Verläufe mit stark ausgeprägten – auch komplexen – Tics und zahlreichen psychiatrischen Begleiterkrankungen das andere Ende des Spektrums dar. In Klinikpopulationen finden sich bei 80–90 % der Patienten psychiatrische Komorbiditäten. Oft bestehen nicht nur eine, sondern mehrere derartige Begleitsymptome. Im Kindes- und Jugendalter stellt die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in ca. 50 % der Fälle die bei weitem häufigste Komorbidität dar. Im Erwachsenenalter sind Zwänge (50–80 %) das häufigste Begleitsymptom, wobei nicht in allen Fällen die Diagnosekriterien einer [[Zwangsstörung]] erfüllt sind. Weitere typische Komorbiditäten sind [[Depressionen]], [[Angststörung]]en, [[Wut]]anfälle, [[Störung der Impulskontrolle|Impulskontrollstörungen]], [[Selbstverletzendes Verhalten|autoaggressive Handlungen]] und [[Schlafstörung]], bei Kindern auch eine emotionale Dysregulation, [[Störung des Sozialverhaltens]], [[Teilleistungsschwäche|Teilleistungsstörungen]] und [[Lernstörung]]en und seltener eine [[Autismus]]-Spektrum-Störung oder andere [[tiefgreifende Entwicklungsstörung]]en.<ref>Tebartz van Elst, Biscaldi-Schäfer, Lahmann, Riedel, Zeeck (Hrsg.): "Entwicklungsstörungen." Interdisziplinäre Perspektiven aus der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalters, Kohlhammer, ISBN 978-3-17-034661-1, S. 113.</ref> |
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=== Schlafstörungen === |
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[[Schlafstörung]]en verschiedener Art (etwa [[Schlafphasensyndrom|verzögertes Schlafphasensyndrom]]) sind eine häufige Begleitproblematik beim ADHS. Sie erfordern eine sehr sorgfältige Diagnose und eine entsprechende, individuell angepasste Behandlung.<ref name="PMID19110891">A. S. Walters, R. Silvestri, M. Zucconi, R. Chandrashekariah, E. Konofal: ''Review of the possible relationship and hypothetical links between attention deficit hyperactivity disorder (ADHD) and the simple sleep related movement disorders, parasomnias, hypersomnias, and circadian rhythm disorders.'' In: ''Journal of clinical sleep medicine : JCSM : official publication of the American Academy of Sleep Medicine.'' Band 4, Nummer 6, Dezember 2008, S. 591–600, PMID 19110891, {{PMC|2603539}} (Review).</ref><ref name="PMID25127644">A. Hvolby: ''Associations of sleep disturbance with ADHD: implications for treatment.'' In: ''Attention deficit and hyperactivity disorders.'' Band 7, Nummer 1, März 2015, S. 1–18, [[doi:10.1007/s12402-014-0151-0]], PMID 25127644, {{PMC|4340974}} (Review).</ref> |
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Inzwischen mehren sich wissenschaftliche Befunde, die auf Störungen des [[Circadianer Rhythmus|circadianen Rhythmus]] sowie einen abendorientierten [[Chronotyp]] bei ADHS hinweisen.<ref>''ADHS als circadiane Rhythmusstörung'' (Kapitel 16.6.) In: Hans-Christoph Steinhausen u. a. (Hrsg.): ''Handbuch ADHS - Grundlagen, Klinik, Therapie und Verlauf der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung''. Kohlhammer 2020.</ref> |
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Eingehende Information aller beteiligten Personen über ADHS ist wesentlicher Bestandteil jeglicher Therapie. Betroffene sollten Bescheid wissen über die Art der Störung (ADHS ist ''keine'' Geisteskrankheit, ''kein'' Schwachsinn und ''keine'' Faulheit), die Symptome, die konkret möglichen Alltagsschwierigkeiten und etwaige Behandlungsmöglichkeiten. |
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== Verbreitung und Verlauf == |
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Neben dem ärztlich-psychologischen [[Gespräch]] gibt es einschlägige [[Literatur]], sowohl für Eltern als auch für betroffene Erwachsene und Kinder, wobei diese Bücher im Aufbau oft auf die Art der Störung Rücksicht nehmen (wenig Fließtext, viele Zeichnungen, usw.). |
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Die Wahrscheinlichkeit, im Verlauf des Lebens für eine begrenzte Zeit oder dauernd von ADHS betroffen zu sein ([[Prävalenz|Lebenszeitprävalenz]]), wurde 2014 nach Auswertung von Dutzenden umfangreichen Studien auf etwa 7 % geschätzt. Dabei zeigten sich keine Belege für die Annahme, es gäbe eine Zunahme von Diagnosen in den letzten Jahrzehnten. Auch ließen sich für den Zeitraum von 1985 bis 2012 keine methodischen Unterschiede nach Zeit oder Geographie annehmen. Alle derartigen scheinbaren Unterschiede erschienen plausibel durch methodische Unterschiede bei der Datenerfassung.<ref name="PMID24464188">G. V. Polanczyk, E. G. Willcutt, G. A. Salum, C. Kieling, L. A. Rohde: ''ADHD prevalence estimates across three decades: an updated systematic review and meta-regression analysis.'' In: ''International journal of epidemiology.'' Band 43, Nummer 2, April 2014, S. 434–442, [[doi:10.1093/ije/dyt261]], PMID 24464188 (freier Volltext) (Review).</ref> |
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Das [[Robert Koch-Institut]] ermittelte ADHS-Prävalenzen nach Altersklassen, indem es Daten des [[Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland|Kinder- und Jugendgesundheitssurvey]] (KiGGS) auswertete. Der Datensatz umfasste 14.836 Mädchen und Jungen im Alter von 3 bis 17 Jahren. Demnach hatten im dreijährigen Studienzeitraum (2003–2006) insgesamt 4,8 % (7,9 % Jungen; 1,8 % Mädchen) eine von einem Arzt oder Psychologen diagnostizierte ADHS. Weitere 4,9 % (6,4 % Jungen; 3,6 % Mädchen) der Teilnehmer galten als ADHS-Verdachtsfälle, da ihr berichtetes Verhalten auf der Unaufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsskala des ''Strengths and Difficulties Questionnaire'' (SDQ)<ref>{{Literatur |Autor=R. Goodman |Titel=The Strengths and Difficulties Questionnaire: a research note |Sammelwerk=Journal of child psychology and psychiatry, and allied disciplines |Band=38 |Nummer=5 |Datum=1997-07 |Seiten=581–586 |PMID=9255702}}</ref> einen Skalenwert von ≥7 aufwies. Folgende Tabelle stellt dar, wie oft ADHS bei 3–17-jährigen diagnostiziert wird (aufgeschlüsselt nach Altersstufen und Geschlecht). |
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=== Medikamentöse Einstellung === |
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{| class="wikitable" |
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! |
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!Vorschulalter (3–6 Jahre) |
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!Grundschulalter (7–10 Jahre) |
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!Späte Kindheit (11–13 Jahre) |
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!Jugend (14–17 Jahre) |
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|- |
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|ADHS-Häufigkeit |
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| align="right" |1,5 % |
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| align="right" |5,3 % |
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| align="right" |7,1 % |
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| align="right" |5,6 % |
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|- |
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|Jungen |
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| align="right" |2,4 % |
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| align="right" |8,7 % |
|||
| align="right" |11,3 % |
|||
| align="right" |9,4 % |
|||
|- |
|||
|Mädchen |
|||
| align="right" |0,6 % |
|||
| align="right" |1,9 % |
|||
| align="right" |3,0 % |
|||
| align="right" |1,8 % |
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|} |
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Sichtbar ist der allgemeine Trend, dass die Diagnosehäufigkeit stark vom Vorschulalter über das Grundschulalter bis zur späten Kindheit ansteigt. Dort erreicht sie einen Höhepunkt und sinkt im Jugendalter wieder. Das männliche Geschlecht überwiegt dabei erheblich – zu jeder Zeit sind 4–5 mal mehr Jungen als Mädchen diagnostiziert. Laut KiGGS besteht die [[Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen|ADHS im Erwachsenenalter]] bei 30–50 % der als Kinder Betroffenen mit Veränderungen fort.<ref name="RKI-KiGGS">{{Internetquelle |url=http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/Kiggs/Basiserhebung/KiGGS_GPA.pdf?__blob=publicationFile |titel=Erkennen – Bewerten – Handeln: Zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (2008) |titelerg=Kapitel 2.8 zu ADHS, S. 57 |hrsg=[[Robert Koch-Institut]] |format=PDF |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20131211041732/http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/Kiggs/Basiserhebung/KiGGS_GPA.pdf?__blob=publicationFile |archiv-datum=2013-12-11 |abruf=2014-02-24}} ISBN 978-3-89606-109-6.</ref><ref>{{Internetquelle |autor=R. Schlack u. a. (2007) |url=http://edoc.rki.de/oa/articles/reuPv4KL2czE/PDF/227Ar6DRSOXo.pdf |titel=Die Prävalenz der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland |hrsg=[[Robert Koch-Institut]] |format=PDF |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20140224141913/http://edoc.rki.de/oa/articles/reuPv4KL2czE/PDF/227Ar6DRSOXo.pdf |archiv-datum=2014-02-24 |abruf=2014-02-24}}</ref> |
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Im [[Krankheitsverlauf|Verlauf]] der individuellen Entwicklung ändert sich meist das Symptombild: Bei betroffenen Vorschulkindern dominiert meist ein hyperaktiv-impulsives Verhalten ohne sichtbare Aufmerksamkeitsstörung. Mit zunehmendem Alter werden jedoch die Aufmerksamkeitsdefizite immer deutlicher erkennbar und treten in den Vordergrund, während die motorische Unruhe abnimmt. Unter Erwachsenen dann ist die Aufmerksamkeitsstörung ohne ausgeprägte Hyperaktivität am häufigsten.<ref name="DSM-IV-prevalence">{{Literatur |Autor=Erik G. Willcutt |Titel=The prevalence of [[Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders|DSM]]-IV attention-deficit/hyperactivity disorder: a meta-analytic review |Sammelwerk=[[Neurotherapeutics]] |Band=9 |Nummer=3 |Datum=2012-07 |Seiten=490–9 |DOI=10.1007/s13311-012-0135-8 |PMC=3441936 |PMID=22976615}}</ref> |
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Die Medikation ist bei mittel- und schwer Betroffenen nötig. Nur durch Medikation kann eine weitere Therapie erst greifen. Die Medikation nimmt einen Großteil des beträchtlichen Leidensdruckes von Betroffenen, aber auch deren Eltern, Angehörigen und Umfeld. |
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== Zeitliche Steuerung und Koordinierung von Verhalten == |
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==== Grundmedikation ==== |
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Eine [[Übersichtsarbeit|Übersichtsstudie]] wies darauf hin, dass ADHS-Patienten in drei Hauptbereichen der zeitlichen Steuerung und Koordinierung von Verhalten (''Timing'') auffällig beeinträchtigt sein können. Diese sind im Bereich der motorischen Steuerung, bei der Zeitwahrnehmung und beim Vorausschauen in die Zukunft. Die dadurch am häufigsten auftretenden Schwierigkeiten bei ADHS betreffen sensomotorische Synchronisation, Unterscheidung von Zeitintervallen, Wiedergabe von Zeitintervallen sowie eine Kurzzeit- gegenüber einer Langzeitorientierung. Die Zeitsteuerungsdefizite bleiben auch dann bestehen, wenn ADHS-typische Mängel exekutiver Funktionen als Einflussfaktoren statistisch berücksichtigt werden. Dies wird dahingehend interpretiert, dass kognitive Defizite im Bereich der zeitlichen Steuerung von Verhalten ein eigenständiges Merkmal von ADHS sind.<ref>{{Literatur |Autor=Valdas Noreika, Christine M. Falter, Katya Rubia |Titel=Timing deficits in attention-deficit/hyperactivity disorder (ADHD): Evidence from neurocognitive and neuroimaging studies |Sammelwerk=Neuropsychologia |Band=51 |Nummer=2 |Datum=2013 |Seiten=235–266 |Online=[https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0028393212004083 Online] |Abruf=2019-11-14 |DOI=10.1016/j.neuropsychologia.2012.09.036}}</ref> |
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Zur medikamentösen Behandlung der AHDS werden in erster Linie [[Stimulans|Stimulanz]]ien eingesetzt, die den Dopaminstoffwechsel im Gehirn beeinflussen. Dazu gehören insbesondere [[Methylphenidat]] (siehe auch [[Ritalin]], [[Medikinet]]) und Amphetaminderivate (D-L-Amphetamin), in der Schweiz auch ''Dexamin''. Beide Medikamente werden seit Jahrzehnten eingesetzt und mindestens 70 % der Betroffenen sprechen darauf an, wobei Methylphenidat heute in der Schulmedizin als Mittel der Wahl gilt. |
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== Ursachen und Risikofaktoren == |
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Die Wirkung der Stimulanzien zeigt sich bei vielen ADHS Patienten bereits nach einer halben Stunde. Sie werden gewöhnlich ausgeglichener und aufmerksamer, allerdings hält die Wirkung bei den Kurzzeit-Präparaten nur wenige Stunden an. Da die optimal wirksame Dosis sehr unterschiedlich sein kann, ist es wichtig, die Dosierung individuell einzustellen. Neuerdings sind auch Präparate erhältlich, die nur einen Teil des Wirkstoffes sofort abgeben und den Rest über Stunden verteilt. Damit lassen sich morgendliche Einmalgaben erreichen. |
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Früher wurden zumeist psychosoziale und pädagogische Umweltfaktoren als Verursacher von ADHS angenommen. [[Erziehung]]sfehler, Elternproblematik, [[Vernachlässigung]] und frühkindliche [[Trauma (Psychologie)|Traumata]] standen im Mittelpunkt möglicher Begründungen und Beeinflussungen der Störung. Mittlerweile (Stand 2016) geht man von Vorstellungen aus, die sowohl biologische Faktoren als auch Umwelteinflüsse berücksichtigen. |
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=== Neurobiologie === |
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Zusätzlich können Antidepressiva zur Behandlung eingesetzt werden. |
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[[Datei:RestingStateModels.jpg|mini|Vier '''funktionelle Netzwerke''' im menschlichen Gehirn, getrennt und gemeinsam (oben) dargestellt: Sehsystem (gelb), sensorisch-motorisch (orange), [[Basalganglien]] (rot) und Ruhezustand ([[Default Mode Network]]) (braun).]] |
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'''Gehirn''' |
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===== [[Methylphenidat]] ===== |
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Methylphenidat wird seit [[1959]] eingesetzt und ist im Rahmen der Kurzzeitwirkung umfangreich untersucht worden. Langzeitanwendungen werden kontrovers diskutiert, bisherige Studien mit Kontrolltomographien haben aber keine Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung durch Methylphenidat ergeben. Trotzdem sollte der Wirkstoff nur nach sorgfältiger ärztlicher Indikationsstellung im Rahmen eines Gesamtbehandlungskonzeptes verordnet werden. |
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Eine Verminderung des Gehirnvolumens und funktionelle Defizite sind bei einer Vielzahl von Kerngebieten immer wieder festgestellt worden.<ref name="PMID21489409">G. Bush: ''Cingulate, frontal, and parietal cortical dysfunction in attention-deficit/hyperactivity disorder.'' In: ''Biological psychiatry.'' Band 69, Nummer 12, Juni 2011, S. 1160–1167, [[doi:10.1016/j.biopsych.2011.01.022]], PMID 21489409, {{PMC|3109164}} (Review).</ref> In den letzten Jahren (Stand: Januar 2016) konzentrierte sich die Forschung insbesondere auf die Veränderungen großräumiger neuronaler Netzwerke, die den beobachteten Störungen der Patienten und den beobachteten Unterfunktionen im Gehirn entsprechen.<ref name="PMID22169776">F. X. Castellanos, E. Proal: ''Large-scale brain systems in ADHD: beyond the prefrontal-striatal model.'' In: ''Trends in cognitive sciences.'' Band 16, Nummer 1, Januar 2012, S. 17–26, [[doi:10.1016/j.tics.2011.11.007]], PMID 22169776, {{PMC|3272832}} (Review).</ref><ref name="PMID24496902">J. Posner, C. Park, Z. Wang: ''Connecting the dots: a review of resting connectivity MRI studies in attention-deficit/hyperactivity disorder.'' In: ''Neuropsychology review.'' Band 24, Nummer 1, März 2014, S. 3–15, [[doi:10.1007/s11065-014-9251-z]], PMID 24496902, {{PMC|4119002}} (Review).</ref><ref name="PMID26640763">J. Sidlauskaite, K. Caeyenberghs, E. Sonuga-Barke, H. Roeyers, J. R. Wiersema: ''Whole-brain structural topology in adult attention-deficit/hyperactivity disorder: Preserved global - disturbed local network organization.'' In: ''NeuroImage. Clinical.'' Band 9, 2015, S. 506–512, [[doi:10.1016/j.nicl.2015.10.001]], PMID 26640763, {{PMC|4630025}}.</ref> Die Forschung zur Herausbildung der Abweichungen während der Entwicklung des Gehirns in verschiedenen Lebensaltern befindet sich noch (Stand: Januar 2016) in einer frühen Anfangsphase.<ref name="PMID21541845">C. J. Vaidya: ''Neurodevelopmental abnormalities in ADHD.'' In: ''Current topics in behavioral neurosciences.'' Band 9, 2012, S. 49–66, {{DOI|10.1007/7854_2011_138}}, PMID 21541845, {{PMC|3329889}} (Review).</ref> |
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Die Einstellung auf das Medikament erfolgt nach der so genannten [[Titrationsmethode]], in dem der Arzt zunächst die notwendige Einzeldosierung (in der Regel zwischen 5 und 20 mg) und die individuelle Wirkungsdauer (ca. 3-5 h) bestimmt. Anhand von Beobachtungsbögen wird die Wirkung von Eltern, ggf. Lehrern oder Therapeuten beurteilt und danach die Dosierung angepasst. Die notwendige Dosis variiert individuell stark. Während man früher davon ausging, dass die Regeldosis nicht über 1 mg pro Kilogramm Körpergewicht liegen sollte, ist heute eine derartige Empfehlung nicht mehr gängig. |
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'''Nervenzellen''' |
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Aufgrund der kurzen Wirkzeit kann an deren Ende ein ''Rebound-Phänomen'' auftreten. Hierbei nehmen die Patienten wieder Symptome der Unruhe bzw. Hyperaktivität wahr. Eine zu hohe Dosis von Methylphenidat führt ebenfalls zu Unruhegefühl oder innerer Anspannung, selten auch zu einer deutlichen Reduktion der Aktivität mit Mattigkeit und einem Unlustgefühl. Diese Erscheinungen halten für die Wirkdauer an und können im nachhinein durch angemessene Dosisfindung korrigiert werden. |
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Die Leitungsbahnen der [[Nervenfaser]]n im Gehirn ([[weiße Substanz]]) zeigen im Gruppenvergleich zwischen von ADHS Betroffenen und Vergleichspersonen [[anatomisch]]e und funktionelle Abweichungen.<ref name="PMID22305957">H. van Ewijk, D. J. Heslenfeld, M. P. Zwiers, J. K. Buitelaar, J. Oosterlaan: ''Diffusion tensor imaging in attention deficit/hyperactivity disorder: a systematic review and meta-analysis.'' In: ''Neuroscience and biobehavioral reviews.'' Band 36, Nummer 4, April 2012, S. 1093–1106, [[doi:10.1016/j.neubiorev.2012.01.003]], PMID 22305957 (Review).</ref><ref name="PMID25956761">A. M. Onnink, M. P. Zwiers, M. Hoogman, J. C. Mostert, J. Dammers, C. C. Kan, A. A. Vasquez, A. H. Schene, J. Buitelaar, B. Franke: ''Deviant white matter structure in adults with attention-deficit/hyperactivity disorder points to aberrant myelination and affects neuropsychological performance.'' In: ''Progress in neuro-psychopharmacology & biological psychiatry.'' Band 63, Dezember 2015, S. 14–22, [[doi:10.1016/j.pnpbp.2015.04.008]], PMID 25956761, {{PMC|4515357}}.</ref> Seit 2014 wurde zusätzlich festgestellt, dass diese Abweichungen zum Teil spezifisch für bestimmte Teilsymptome sind, wie Aufmerksamkeitsdefizit oder Hyperaktivität.<ref name="PMID25363043">D. Lei, J. Ma, X. Du, G. Shen, X. Jin, Q. Gong: ''Microstructural abnormalities in the combined and inattentive subtypes of attention deficit hyperactivity disorder: a diffusion tensor imaging study.'' In: ''Scientific reports.'' Band 4, 2014, S. 6875, [[doi:10.1038/srep06875]], PMID 25363043, {{PMC|4217153}}.</ref><ref name="PMID25795595">S. T. Witt, M. C. Stevens: ''Relationship between white matter microstructure abnormalities and ADHD symptomatology in adolescents.'' In: ''Psychiatry research.'' Band 232, Nummer 2, Mai 2015, S. 168–174, [[doi:10.1016/j.pscychresns.2015.02.009]], PMID 25795595, {{PMC|4417010}}.</ref> Eine Anwendung dieser neuen Untersuchungsmethoden zur Diagnose ist allerdings auf absehbare Zeit (Stand Januar 2016) nicht zu erwarten, da die Unterschiede der Gehirne von Person zu Person so groß sind, dass [[signifikant]]e Abweichungen nur zwischen Personengruppen – nicht aber bei Einzelpersonen – feststellbar sind. |
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Nebenwirkungen der Behandlung mit Stimulanzien sind normalerweise auf die Einstellungsphase begrenzt und kurzzeitig. Zu den häufigen Nebenwirkungen gehören Appetitminderung oder auch Magenbeschwerden, Kopfschmerzen und seltener [[Ticstörung]]en. Während bei einigen Kindern zunächst Schlafprobleme auftreten können, benötigen andere Kinder sogar eine kleine Dosis Methylphenidat um ihre gedankliche Unruhe und Reizfilterschwäche behandelt zu bekommen und zum Schlaf zu finden. |
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'''Signalübertragung''' |
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ADHS-Patienten weisen ein erhöhtes Suchtrisiko auf, weshalb die Gabe von Stimulanzien lange als Risiko für eine spätere Suchtentwicklung galt. In Studien wurde gezeigt, dass die Gabe von Methylphenidat nicht zu einer Abhängigkeitsentwicklung beiträgt. Vielmehr scheint sich das Risiko für frühzeitige Nikotin-, Alkohol- bzw. Drogenabhängigkeit zu vermindern. Nur bei bewusst missbräuchlicher Verwendung oder extrem hohen Dosierungen besteht ein Toleranzeffekt mit der Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung. |
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Die Weiterleitung von Signalen zwischen Nervenzellen durch biochemische Botenstoffe ([[Neurotransmitter]]) ist bei ADHS beeinträchtigt. Dies gilt insbesondere für die Übertragung durch [[Dopamin]] in den Zentren für Belohnung und Motivation, nämlich im [[Nucleus accumbens]], [[Nucleus caudatus]] und in bestimmten [[Nucleus (ZNS)|Kerngebieten]] des [[Mittelhirn]]s.<ref name="PMID24560930">S. H. Kollins, R. A. Adcock: ''ADHD, altered dopamine neurotransmission, and disrupted reinforcement processes: implications for smoking and nicotine dependence.'' In: ''Progress in neuro-psychopharmacology & biological psychiatry.'' Band 52, Juli 2014, S. 70–78, [[doi:10.1016/j.pnpbp.2014.02.002]], PMID 24560930, {{PMC|4004668}} (Review).</ref><ref name="PMID19738093">N. D. Volkow, G. J. Wang, S. H. Kollins, T. L. Wigal, J. H. Newcorn, F. Telang, J. S. Fowler, W. Zhu, J. Logan, Y. Ma, K. Pradhan, C. Wong, J. M. Swanson: ''Evaluating dopamine reward pathway in ADHD: clinical implications.'' In: ''JAMA.'' Band 302, Nummer 10, September 2009, S. 1084–1091, [[doi:10.1001/jama.2009.1308]], PMID 19738093, {{PMC|2958516}}.</ref> Die langjährige Vermutung, dass auch Signalübertragungen durch den Neurotransmitter [[Noradrenalin]] beeinträchtigt sind,<ref name="PMID20596295">A. F. Arnsten: ''The Emerging Neurobiology of Attention Deficit Hyperactivity Disorder: The Key Role of the Prefrontal Association Cortex.'' In: ''The Journal of pediatrics.'' Band 154, Nummer 5, Mai 2009, S. I–S43, [[doi:10.1016/j.jpeds.2009.01.018]], PMID 20596295, {{PMC|2894421}}.</ref> ist durch die Wirkung neuerer, sehr spezifischer Medikamente wie [[Guanfacin]] zwar stark gestützt worden,<ref name="PMID26064054">J. Martinez-Raga, C. Knecht, R. de Alvaro: ''Profile of guanfacine extended release and its potential in the treatment of attention-deficit hyperactivity disorder.'' In: ''Neuropsychiatric disease and treatment.'' Band 11, 2015, S. 1359–1370, [[doi:10.2147/NDT.S65735]], PMID 26064054, {{PMC|4455846}} (Review).</ref><ref name="PMID24472251">T. Hirota, S. Schwartz, C. U. Correll: ''Alpha-2 agonists for attention-deficit/hyperactivity disorder in youth: a systematic review and meta-analysis of monotherapy and add-on trials to stimulant therapy.'' In: ''Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry.'' Band 53, Nummer 2, Februar 2014, S. 153–173, [[doi:10.1016/j.jaac.2013.11.009]], PMID 24472251 (Review).</ref> konnte jedoch bislang (Stand: Januar 2016) noch nicht abschließend geklärt werden.<ref name="PMID25338091">T. Vanicek, M. Spies, C. Rami-Mark, M. Savli, A. Höflich, G. S. Kranz, A. Hahn, A. Kutzelnigg, T. Traub-Weidinger, M. Mitterhauser, W. Wadsak, M. Hacker, N. D. Volkow, S. Kasper, R. Lanzenberger: ''The norepinephrine transporter in attention-deficit/hyperactivity disorder investigated with positron emission tomography.'' In: ''JAMA psychiatry.'' Band 71, Nummer 12, Dezember 2014, S. 1340–1349, [[doi:10.1001/jamapsychiatry.2014.1226]], PMID 25338091, {{PMC|4699255}}.</ref> |
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Auch bei Erwachsenen stellt die Behandlung mit Methylphenidat nach den geltenen Leitlinien in Deutschland die medikamentöse Behandlung der ersten Wahl dar. Allerdings ist derzeit kein derartiges Präparat in Deutschland für die Behandlung bei Erwachsenen zugelassenen, kann jedoch vom Arzt im Rahmen eines Heilbehandlungsversuches verordnet werden (sog. [[Off-Label Use|"off-label"-Verordnung]]). Allerdings ist bei einigen [[Krankenkasse]]n derzeit die Kostenübernahme nicht geklärt. In der [[Schweiz]] wird ''Ritalin'' von der Krankenkasse auch für Erwachsene bezahlt, ''Dexamin'' jedoch weder für Erwachsene noch für Kinder. |
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Seit 2014 gibt es direkte Nachweise, dass bei ADHS auch spezifische Teile der Signalübertragung durch den Neurotransmitter [[Glutaminsäure|Glutamat]] nur in verminderter Funktion ablaufen, insbesondere im [[Striatum]], einer Gehirnregion mit zentraler Bedeutung für Motivation, Emotion, Kognition und Bewegungsverhalten. Mehrere genetische Studien nach 2000 hatten bei von ADHS Betroffenen und ihren Familien Abweichungen in Genen festgestellt, die für Elemente der [[glutamaterg]]en Signalübertragung kodieren. Schließlich wurde Glutamat von einigen Forschern sogar als möglicher Schlüssel zum Verständnis von ADHS angesehen, insbesondere wegen seiner engen Kopplung mit den genannten Dopamin-Systemen.<ref name="PMID22939004">K. P. Lesch, S. Merker, A. Reif, M. Novak: ''Dances with black widow spiders: dysregulation of glutamate signalling enters centre stage in ADHD.'' In: ''European neuropsychopharmacology : the journal of the European College of Neuropsychopharmacology.'' Band 23, Nummer 6, Juni 2013, S. 479–491, [[doi:10.1016/j.euroneuro.2012.07.013]], PMID 22939004 (Review).</ref> Durch [[Neuroimaging|bildgebende Verfahren des ZNS]] wurden dann relativ schnell entsprechende Glutamat-Unterfunktionen nachgewiesen.<ref name="PMID24643164">S. Maltezos, J. Horder, S. Coghlan, C. Skirrow, R. O’Gorman, T. J. Lavender, M. A. Mendez, M. Mehta, E. Daly, K. Xenitidis, E. Paliokosta, D. Spain, M. Pitts, P. Asherson, D. J. Lythgoe, G. J. Barker, D. G. Murphy: ''Glutamate/glutamine and neuronal integrity in adults with ADHD: a proton MRS study.'' In: ''Translational psychiatry.'' Band 4, 2014, S. e373, [[doi:10.1038/tp.2014.11]], PMID 24643164, {{PMC|3966039}}.</ref> |
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===== [[Amphetaminsulphat]] ===== |
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'''Amphetaminsulfat''' wirkt sehr ähnlich Methylphenidat; wenn ein Kind unter Methylphenidat einen [[Tic]] entwickelt, dann besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass dieser unter Amphetaminsulphat nicht auftritt, und umgekehrt. Des weiteren ist Amphetaminsulfat günstig bei [[Soziale Störung|Sozialen Störungen]]. |
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'''Paradoxe Reaktionen auf chemische Substanzen''' |
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===== [[Atomoxetin]] ===== |
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Ein weiteres Anzeichen für die strukturell veränderte Signalverarbeitung im zentralen Nervensystem bei dieser Personengruppe sind die hier auffällig häufigen [[Paradoxe Reaktion|paradoxen Reaktionen]] (ca. 10–20 % der Patienten). Dies sind unerwartete Reaktionen in die entgegengesetzte Richtung wie bei einer normalen Wirkung, oder anderweitig stark abweichende Reaktionen. Es handelt sich hierbei um Reaktionen auf neuroaktive Substanzen wie [[Lokalanästhesie (Zahnmedizin)|Lokalanästhesie]] beim Zahnarzt, [[Beruhigungsmittel]], [[Koffein]], [[Antihistaminikum|Antihistaminika]], schwächere [[Neuroleptika]] sowie zentrale und periphere [[Schmerzmittel]]. Da die Ursachen ''paradoxer Reaktionen'' mindestens zum Teil genetisch bedingt sind, kann es in kritischen Situationen, zum Beispiel vor Operationen, sinnvoll sein, nachzufragen, ob solche Auffälligkeiten eventuell auch bei Familienmitgliedern bestehen.<ref name="PMID21886668">B. Langguth, R. Bär, N. Wodarz, M. Wittmann, R. Laufkötter: ''Paradoxical reaction in ADHD.'' In: ''Deutsches Ärzteblatt international.'' Band 108, Nummer 31–32, August 2011, S. 541; author reply 541–541; author reply 542, [[doi:10.3238/arztebl.2011.0541a]], PMID 21886668, {{PMC|3163785}}, [https://www.aerzteblatt.de/archiv/100940/Paradoxe-Reaktion-bei-ADHS Version auf Deutsch].</ref><ref>Rainer Laufkötter, Berthold Langguth, Monika Johann, Peter Eichhammer, Göran Hajak: ''ADHS des Erwachsenenalters und Komorbiditäten.'' In: ''psychoneuro.'' 31, 2005, S. 563, [[doi:10.1055/s-2005-923370]].</ref> |
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''Strattera'' (Wirkstoff [[Atomoxetin]]) ist ein seit März 2005 in Deutschland erhältliches [[Antidepressivum]] (sog. Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer), der sich in internationalen Studien ebenfalls als wirksam in der Behandlung von ADHS erwiesen hat. Der Wirkeintritt kann jedoch im Gegensatz zu Stimulanzien erst nach einigen Wochen beurteilt werden, da das Medikament schrittweise auf die Wirkdosis (in der Regel 1,2 mg/kg Körpergewicht) eingestellt werden muss. |
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=== Genetik === |
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Ferner liegen zur Wirkung und den Nebenwirkungen von Atomoxetin noch keine Langzeitstudien vor, da das Medikament erst zu kurz auf dem Markt ist. |
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'''Erblichkeit''' |
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Auf der Grundlage von Familien- und Zwillingsstudien wird die [[Erblichkeit]] von ADHS auf 70 bis 80 % geschätzt. Das heißt, dass bei einem Vergleich zwei beliebiger Personen der Unterschied in deren ADHS-Ausprägung (bzw. deren Abwesenheit) im Durchschnitt zu 70 bis 80 % auf [[Genetik|genetische]] oder [[Epigenetik|epigenetische]] Ursachen zurückzuführen ist. Der übrige Anteil von 20 bis 30 % ist demnach Umwelteinflüssen zuzurechnen. Damit gehört ADHS zu den psychiatrischen Erkrankungen, die am stärksten genetisch beeinflusst sind.<ref name="DOI10.1024/1422-4917/a000868">Sarah Hohmann, Alexander Häge, Sabina Millenet, Tobias Banaschewski: ''Genetische Grundlagen der ADHS – ein Update.'' In: ''Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie.'' 2022, Band 50, Nummer 3, S. 203–217, [[doi:10.1024/1422-4917/a000868]], [https://econtent.hogrefe.com/doi/pdf/10.1024/1422-4917/a000868 PDF].</ref> |
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==== Weitere Medikation ==== |
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Bei Erwachsenen scheinen nach umfangreichen neueren Daten die Erblichkeit und die genetischen Grundlagen insgesamt dieselben zu sein wie bei Kindern.<ref name="PMID32279069">P. Rovira, D. Demontis, u. a.: ''Shared genetic background between children and adults with attention deficit/hyperactivity disorder.'' In: ''Neuropsychopharmacology.'' Band 45, Nummer 10, September 2020, S. 1617–1626, [[doi:10.1038/s41386-020-0664-5]], PMID 32279069, {{PMC|7419307}}.</ref><ref name="PMID32108282">O. Grimm, T. M. Kranz, [[Andreas Reif|A. Reif]]: ''Genetics of ADHD: What Should the Clinician Know?'' In: ''Current psychiatry reports.'' Band 22, Nummer 4, Februar 2020, S. 18, [[doi:10.1007/s11920-020-1141-x]], PMID 32108282, {{PMC|7046577}} (Review).</ref> |
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Darüber hinaus kommen trizyklische [[Antidepressivum|Antidepressiva]] und selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer in Frage, die jedoch nur bei einem wesentlich kleineren Prozentsatz der Betroffenen wirken und aufgrund des ungünstigen Nebenwirkungsprofils nur in Ausnahmen Verwendung finden. Mit großem Erfolg werden Antidepressiva eingesetzt, wenn [[Depression]]en als Begleiterkrankungen auftreten, da diese Mittel dann nicht nur die Depression, sondern auch die ADS-Symptomatik positiv beeinflussen können. Hierbei haben sich folgende Mittel als besonders geeignet herausgestellt. |
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'''Gene''' |
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'''[[Mirtazapin]]''' (Handelsname Remergil) ist ein tetrazyklisches Antidepressivum, das die Bildung von [[Serotonin]] und [[Noradrenalin]] anregt. |
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Es besteht Einigkeit bezüglich der Notwendigkeit mehrerer genetischer Abweichungen, da einzelne Gene sehr spezielle Einflüsse haben und keines allein eine derart vielfältige Verhaltensabweichung wie bei ADHS bewirken kann. Es wird angenommen, dass mindestens vierzehn bis fünfzehn Gene für die Ausbildung der ADHS von Bedeutung sind. Die genetischen Besonderheiten nehmen Einfluss auf die [[Neurophysiologie]] und -chemie in spezifischen Regelkreisen des Gehirns, z. B. zwischen Frontalhirn und Striatum (siehe [[Striatofrontale Dysfunktion|striato-frontale Dysfunktion]]). Auch wenn sich dabei zunächst nach außen hin keine Veränderungen zeigen, kann eine grundsätzliche [[Disposition (Medizin)|Veranlagung]] vorliegen, die durch weitere Umstände später dennoch zu Störungen wie ADHS führen kann.<ref name="Krause-S44f">{{Literatur |Autor=Johanna Krause, Klaus-Henning Krause |Titel=ADHS im Erwachsenenalter. Symptome – Differenzialdiagnose – Therapie |Auflage=4. vollst. akt. und erw. |Verlag=Schattauer |Ort=Stuttgart |Datum=2014 |ISBN=978-3-7945-2782-3 |Seiten=44–58}}</ref> |
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'''[[Venlafaxin]]''' (Handelsname Trevilor) ist ein Selektiver Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufname-Hemmer. |
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Die genetischen Abweichungen, die bislang mit ADHS in Verbindung gebracht wurden, sind – jede für sich allein betrachtet – nicht spezifisch für ADHS. Sie können – in Kombination mit bestimmten Varianten bei anderen Genen – auch andere verwandte oder nicht verwandte Krankheiten auslösen. Daraus folgt, dass das bisherige Wissen (Stand: Januar 2016) keine Vorhersagen durch genetische Tests bei einer Einzelperson ermöglicht. Bei der Diagnose kann in dieser Hinsicht nicht mehr getan werden, als ein etwaiges Auftreten von ADHS bei nahen Verwandten zu berücksichtigen. Dies jedoch wird im Sinne von rechtzeitigen Diagnosen und Behandlungen dringend empfohlen.<ref name="PMID22963644">A. Thapar, M. Cooper, O. Eyre, K. Langley: ''What have we learnt about the causes of ADHD?'' In: ''Journal of child psychology and psychiatry, and allied disciplines.'' Band 54, Nummer 1, Januar 2013, S. 3–16, [[doi:10.1111/j.1469-7610.2012.02611.x]], PMID 22963644, {{PMC|3572580}} (Review).</ref> |
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'''[[Fluoxetin]]''' (Handelsname Fluoxetin, Fluxet) ist ein Selektiver Serotonin Wiederaufname-Hemmer. In hohen Dosen kann Fluoxetin auch die Noradrenalin- Wiederaufnahme hemmen (Individuell verschieden, Einnahme bis max. 80 mg zulässige Höchstdosis pro Tag). |
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=== Schadstoffe === |
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Die Mittel wirken mit der Beeinflussung des Serotoninhaushaltes nicht nur gegen die [[Manische Depression|Manien und Depressionen]], sondern die Noradrenalin-Komponente wirkt auch auf Antriebskraft und Konzentration des ADS-Betroffenen. |
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'''Tabakrauch''' |
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[[Tabakrauchen]] und Passivrauchen der Mutter während der [[Schwangerschaft]] sind mit ADHS und anderen neurologischen Entwicklungsstörungen bei Kindern assoziiert.<ref>{{Literatur |Autor=Louise C. Abbott, Ursula H. Winzer-Serhan |Titel=Smoking during pregnancy: lessons learned from epidemiological studies and experimental studies using animal models |Sammelwerk=Critical Reviews in Toxicology |Band=42 |Nummer=4 |Datum=2012-04 |ISSN=1040-8444 |Seiten=279–303 |Online=[http://www.tandfonline.com/doi/full/10.3109/10408444.2012.658506 Online] |Abruf=2022-08-15 |DOI=10.3109/10408444.2012.658506}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Carla M. T. Tiesler, Joachim Heinrich |Titel=Prenatal nicotine exposure and child behavioural problems |Sammelwerk=European Child & Adolescent Psychiatry |Band=23 |Nummer=10 |Datum=2014-10 |ISSN=1018-8827 |Seiten=913–929 |Online=[http://link.springer.com/10.1007/s00787-014-0615-y Online] |Abruf=2022-08-15 |DOI=10.1007/s00787-014-0615-y |PMID=25241028}}</ref> Ein mögliches Schädigungsmodell durch [[Nicotin|Nikotin]] wurde im [[Tierversuch]] vorgeschlagen, was sich aber nur bedingt auf den Menschen übertragen lässt.<ref>{{Literatur |Autor=Jordan M. Buck, Kelsey N. Sanders, Charles R. Wageman, Valerie S. Knopik, Jerry A. Stitzel |Titel=Developmental nicotine exposure precipitates multigenerational maternal transmission of nicotine preference and ADHD-like behavioral, rhythmometric, neuropharmacological, and epigenetic anomalies in adolescent mice |Sammelwerk=Neuropharmacology |Band=149 |Datum=2019-05 |Seiten=66–82 |Online=[https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S0028390819300474 Online] |Abruf=2022-08-15 |DOI=10.1016/j.neuropharm.2019.02.006 |PMID=30742847}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=J. Zhu, X. Zhang, Y. Xu, T. J. Spencer, J. Biederman |Titel=Prenatal Nicotine Exposure Mouse Model Showing Hyperactivity, Reduced Cingulate Cortex Volume, Reduced Dopamine Turnover, and Responsiveness to Oral Methylphenidate Treatment |Sammelwerk=Journal of Neuroscience |Band=32 |Nummer=27 |Datum=2012-07-04 |ISSN=0270-6474 |Seiten=9410–9418 |Online=[https://www.jneurosci.org/lookup/doi/10.1523/JNEUROSCI.1041-12.2012 Online] |Abruf=2022-08-15 |DOI=10.1523/JNEUROSCI.1041-12.2012 |PMID=22764249}}</ref> Einen kausalen Zusammenhang beim Menschen nachzuweisen, ist methodisch schwierig, da hier – anders als im Labor – die kausale Beteiligung dritter Faktoren (z. B. genetische Einflüsse<ref>{{Literatur |Autor=Ditte Demontis, Raymond K. Walters, Joanna Martin, Manuel Mattheisen, Thomas D. Als |Titel=Discovery of the first genome-wide significant risk loci for attention deficit/hyperactivity disorder |Sammelwerk=Nature Genetics |Band=51 |Nummer=1 |Datum=2019-01 |ISSN=1546-1718 |Seiten=63–75 |Online=[https://www.nature.com/articles/s41588-018-0269-7 Online] |Abruf=2022-08-15 |DOI=10.1038/s41588-018-0269-7}}</ref> oder eine Belastung mit [[Endokrine Disruptoren|endokrinen Disruptoren]]) nur schwer ausgeschlossen werden kann. Infolgedessen konnte beim Menschen bisher nur eine [[Korrelation]] zwischen pränataler bzw. frühkindlicher Nikotinexposition und ADHS beobachtet werden, jedoch keine [[Kausalität]]. Zudem ist bislang nicht ausreichend geklärt, wie groß dieser mögliche Einfluss im Vergleich zu anderen Risikofaktoren ausfällt.<ref>{{Literatur |Autor=Lan Huang, Yan Wang, Li Zhang, Zhen Zheng, Tingting Zhu |Titel=Maternal Smoking and Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder in Offspring: A Meta-analysis |Sammelwerk=Pediatrics |Band=141 |Nummer=1 |Datum=2018-01-01 |ISSN=0031-4005 |Seiten=e20172465 |Online=[https://publications.aap.org/pediatrics/article/141/1/e20172465/77142/Maternal-Smoking-and-Attention-Deficit Online] |Abruf=2022-08-15 |DOI=10.1542/peds.2017-2465}}</ref> |
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=== Psycho- und Physiotherapie === |
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Psychotherapeutische Behandlungsmethoden gelten als ein wesentliches Therapieangebot im Rahmen der multimodalen Therapie. Zielsetzung ist dabei, einen möglichst angemessenen Umgang mit den ADHS-Besonderheiten und Problemen zu erwerben. |
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'''Blei''' |
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Problematisch und wirkungslos wird die Therapie, wenn der Therapeut die organische Entstehung von ADS ignoriert. Eine medikamentöse Therapie ist in der Regel Voraussetzung für die Wirksamkeit jeder weiteren Therapie. |
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Es gibt einen statistischen Zusammenhang zwischen der Exposition mit dem [[Schwermetall]] [[Blei]] und dem Auftreten von ADHS, allerdings ist bislang kein kausaler Zusammenhang erwiesen.<ref name="PMID22963644" /> |
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Ein Kind, das unter medikamentöser Einstellung ein unauffälliges Sozialverhalten zeigt und sich normal sozialisieren kann, braucht unter Umständen auch keine weiteren Therapien. |
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'''PCB''' |
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Dr. Med Doris Ryffel-Rawak, die in der Schweiz viel mit Betroffenen, vor allem Erwachsenen, arbeitet (siehe Literatur), sieht die Verhaltenstherapie allerdings zumindest bei Erwachsenen, neben medikamentöser Einstellung und [[Coaching]], als wesentlich zur Behandlung mittlerer bis schwer Betroffener an. |
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[[Polychlorierte Biphenyle]] (PCB), die zwar inzwischen weltweit verboten, aber als Altlasten noch nahezu überall verbreitet sind, erhöhen das Risiko für ADHS.<ref name="PMID20106937">S. K. Sagiv, S. W. Thurston, D. C. Bellinger, P. E. Tolbert, L. M. Altshul, S. A. Korrick: ''Prenatal organochlorine exposure and behaviors associated with attention deficit hyperactivity disorder in school-aged children.'' In: ''American journal of epidemiology.'' Band 171, Nummer 5, März 2010, S. 593–601, [[doi:10.1093/aje/kwp427]], PMID 20106937, {{PMC|2842227}}.</ref> |
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==== [[Verhaltenstherapie]] ==== |
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Im Kindesalter orientieren sich [[Verhaltenstherapie|verhaltenstherapeutische]] Therapieprogramme daran, in einem Elterntraining Informationen zu ADHS und geeignete Hilfen zum Aufbau erwünschten Verhaltens zu vermitteln (z.B. Verstärkersysteme mit einem [[Token-System]] oder [[Response-Cost]], feste Strukturen und Regeln, Hilfen im Umgang mit Problemverhalten). Weitere Zielbereiche können die Verbesserung der [[Selbststeuerung]] (z.B. durch [[Coaching]], [[Selbstinstruktion]]straining oder [[Selbstmanagement]]-Methoden) und [[Selbstwertgefühl]] der Kinder und Jugendlichen sein. |
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=== Soziales Umfeld === |
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Im Erwachsenenalter fehlen bisher Untersuchungen, die einen Wirkungsnachweis der Psychotherapie bei ADHS zeigen. Derzeit laufen jedoch Forschungen, die unter anderem ein spezielles Fertigkeitentraining bei ADHS-Erwachsenen untersuchen. Es ist zu erwarten, dass auch bei Erwachsenen verhaltenstherapeutische Therapieangebote effektiv sind. |
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Belastende Familienverhältnisse treten häufiger in Familien auf, in denen ein Kind von ADHS betroffen ist. Hierbei ist jedoch nicht feststellbar, ob die Familienverhältnisse sich auf die Auslösung oder den Schweregrad von ADHS ausgewirkt haben. Umgekehrt kann auch ADHS belastende Familienverhältnisse erst herbeiführen oder verschärfen, und es zeigte sich, dass Diagnose und Behandlung zur Abnahme von Feindseligkeiten innerhalb der Familie führten.<ref name="NICE 2009">{{Literatur |Autor=National Collaborating Centre for Mental Health |Titel=Attention Deficit Hyperactivity Disorder: Diagnosis and Management of ADHD in Children, Young People and Adults |Verlag=British Psychological Society |Datum=2009 |ISBN=978-1-85433-471-8}} [https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK53652/ freier Volltext online: siehe Abschnitt: ''2.4.2. Environmental influences'']</ref> |
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=== Allgemeine Risikofaktoren === |
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Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, ein erniedrigtes Geburtsgewicht, Infektionen, verschiedene Schadstoffe sowie Erkrankungen oder Verletzungen des zentralen Nervensystems gelten als Risikofaktoren; ebenso während der Schwangerschaft stattfindende Belastungen mit [[Ethanol|Alkohol]].<ref>{{Webarchiv |url=http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/ADHSLang.pdf |text=''BÄK, S. 21–22 (Kapitel 4.1).'' |wayback=20130612012311 |archiv-bot=2022-10-06 06:46:40 InternetArchiveBot}} in: ''Stellungnahme zur „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)“. Langfassung'' (PDF; 1,0 MB). [[Bundesärztekammer]], 26. August 2005, abgerufen am 3. Februar 2013.</ref> |
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==== Schilddrüsenunterfunktion der Mutter ==== |
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Allerdings weisen betroffene Erwachsene häufig Begleitstörungen (z.B. Ängste, Depressionen, Essstörungen, Suchtprobleme, Persönlichkeitsstörungen) auf. Liegen erhebliche Selbstwertprobleme und negative Selbstüberzeugungen vor, können auch tiefenpsychologische Behandlungsangebote zur Stärkung der Ich-Strukturen hilfreich sein. |
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Eine [[Hypothyreose]] vor oder während der Schwangerschaft ist mit einem für das Kind signifikant erhöhten Risiko von ADHS und anderen neurologischen Störungen assoziiert, insbesondere wenn die Erkrankung der Mutter im ersten [[Schwangerschaft#Schwangerschaftsverlauf|Trimester]] diagnostiziert wird.<ref>{{Literatur |Autor=Grace Mengqin Ge, Miriam T Y Leung, Kenneth K C Man, Wing Cheong Leung, Patrick Ip, Gloria H Y Li, Ian C K Wong, Annie W C Kung, Ching-Lung Cheung |Titel=Maternal Thyroid Dysfunction During Pregnancy and the Risk of Adverse Outcomes in the Offspring: A Systematic Review and Meta-Analysis |Sammelwerk=The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism |Band=105 |Nummer=12 |Datum=2020-12-01 |ISSN=0021-972X |Seiten=3821–3841 |Online=https://academic.oup.com/jcem/article/105/12/3821/5893988 |Abruf=2022-12-27 |DOI=10.1210/clinem/dgaa555}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Morgan R. Peltier, Michael J. Fassett, Vicki Y. Chiu, Darios Getahun |Titel=Maternal Hypothyroidism Increases the Risk of Attention-Deficit Hyperactivity Disorder in the Offspring |Sammelwerk=American Journal of Perinatology |Band=38 |Nummer=02 |Datum=2021-01 |ISSN=0735-1631 |Seiten=191–201 |Online=http://www.thieme-connect.de/DOI/DOI?10.1055/s-0040-1717073 |Abruf=2022-12-27 |DOI=10.1055/s-0040-1717073}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Modesto T, Tiemeier H, Peeters RP et al. |Titel=Hypothyroxinämie in der Früh - schwangerschaft: höheres Risiko für ADHS im Schulalter |Sammelwerk=Geburtshilfe & Neonatologie |Nummer=5 |Datum=2015 |Online=https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0034-1397999.pdf |Format=PDF |KBytes=136 |Abruf=2022-12-28}}</ref> Eine Kausalität konnte bislang jedoch nicht zweifelsfrei bestätigt werden, da die zugrundeliegenden Mechanismen noch nicht ausreichend erforscht sind und sich oftmals Überschneidungen mit anderen bekannten Risikofaktoren ergeben. Ebenso unklar ist bislang, ob die Ursache der mütterlichen Erkrankung dabei eine Rolle spielt, also ob die bekannte Korrelation bei Schilddrüsenunterfunktionen generell auftritt oder nur bei bestimmten Erkrankungen, welche die Schilddrüse schädigen, wie etwa [[Hashimoto-Thyreoiditis]] oder [[Jodmangel]]. |
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== Behandlungsbedürftigkeit == |
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==== [[Familientherapie]] ==== |
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ADHS kann grob in drei Schweregrade eingeteilt werden (siehe [[#Schweregrad|Schweregrad]]):<ref name=":10" /><ref name=":0" /> |
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Da häufig das gesamte Familiensystem betroffen ist, haben auch systemische Behandlungskonzepte einen Stellenwert in der [[Therapie]]. Die Berücksichtigung der selbst betroffenen Elternteile hinsichtlich der Bindungsstrukturen und [[Interaktion]]sverhalten in der Familie gewinnen zunehmend an Bedeutung. |
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* Bei einer ''leicht'' betroffenen Person ist die Symptomatik nicht so stark ausgeprägt, dass sie behandlungsbedürftig ist. Sie ist etwas weniger impulsgehemmt und kann sich nicht so gut konzentrieren wie andere Menschen; sie könnte auch eine höhere Kreativität besitzen. Dafür bekommt sie aber am Rande liegende Details sehr viel besser mit. Trotzdem ist eine frühzeitige Information der betroffenen Person und ihres Umfelds über ADHS sowie eine psychosoziale Hilfestellung wichtig. Dadurch können Betroffene in ihrer Entwicklung günstig beeinflusst und die problematischen Symptome abgeschwächt werden. |
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* ''Mittelschwer'' Betroffene sind behandlungsbedürftig und leiden neben ADHS zunehmend unter Folgeerkrankungen (Komorbiditäten). Sie entwickeln aber keine [[Störung des Sozialverhaltens]] oder andere soziale Auffälligkeiten. Unter Umständen ergreifen sie einen Beruf, für den sie geistig deutlich überqualifiziert sind. Ohne Behandlung sind Versagen in Schule, Beruf und Privatleben wie auch [[Suizid]]versuche<ref name="donath2014">C. Donath u. a. (2014): [https://www.biomedcentral.com/content/pdf/1471-2431-14-113.pdf ''Is parenting style a predictor of suicide attempts in a representative sample of adolescents?''] (PDF; 648 kB) In: ''BMC Pediatrics'' 2014, 14:113.</ref> wahrscheinlicher. |
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* ''Schwer'' Betroffene haben ein gestörtes Sozialverhalten und ein stark erhöhtes Risiko, ein [[Abhängigkeit (Medizin)|Suchtverhalten]] zu entwickeln oder in die [[Kriminalität]] abzurutschen. Ohne Behandlung sind sie nur schwer zu (re-)[[Sozialisation|sozialisieren]]. |
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Mit einer [[Krankheitsprävention|umfassenden Vorsorge]] und der Information des Umfelds über die Störung kann man unter Umständen erreichen, dass sich die einzelnen Symptome weniger deutlich ausprägen und ursprünglich schwerer Betroffene in eine schwächere Kategorie fallen. Zu bedenken ist aber, dass der Schweregrad überwiegend [[Neurowissenschaften|neurobiologisch]] bedingt ist und nur im Rahmen [[Neuronale Plastizität|neuronaler Plastizität]] (Anpassungsfähigkeit) des menschlichen Gehirns beeinflusst werden kann. Mittlerweile weisen erste bildgebende Untersuchungen darauf hin, dass die am weitesten verbreitete Medikation mit Stimulanzien (primär Methylphenidat, siehe unten) Struktur und Funktion des Gehirns in Richtung Normalisierung zu verändern können scheint.<ref name="PMID24107764">T. J. Spencer, A. Brown, L. J. Seidman, E. M. Valera, N. Makris, A. Lomedico, S. V. Faraone, J. Biederman: ''Effect of psychostimulants on brain structure and function in ADHD: a qualitative literature review of magnetic resonance imaging-based neuroimaging studies.'' In: ''The Journal of clinical psychiatry.'' Band 74, Nummer 9, September 2013, S. 902–917, [[doi:10.4088/JCP.12r08287]], PMID 24107764, {{PMC|3801446}} (Review).</ref><ref name="PMID23165220">L. J. Schweren, P. de Zeeuw, S. Durston: ''MR imaging of the effects of methylphenidate on brain structure and function in attention-deficit/hyperactivity disorder.'' In: ''European neuropsychopharmacology : the journal of the European College of Neuropsychopharmacology.'' Band 23, Nummer 10, Oktober 2013, S. 1151–1164, [[doi:10.1016/j.euroneuro.2012.10.014]], PMID 23165220 (Review).</ref> Aktuell ist jedoch noch nicht geklärt, wie stark und relevant der Zusammenhang zwischen den gemessenen strukturellen und funktionellen Langzeitveränderungen des Gehirns und spezifischen Verhaltensparametern der ADHS-Symptomatik ist. |
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==== [[Ergotherapie]] ==== |
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Mit ADS ist häufig eine Neigung zur [[Grobmotorik]] und eine Störung der [[Feinmotorik]] verbunden. Abhilfe hier kann eine Ergotherapie schaffen. |
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== Bedeutung persönlicher Ressourcen von Betroffenen == |
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=== Weitere Behandlungsunterstützung === |
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Neben den bekannten problematischen Symptomen werden ADHS-Betroffenen in der Literatur bisweilen auch spezifische Stärken und positive Eigenschaften zugeschrieben. Diese wurden beispielsweise von Bernd Hesslinger aufgelistet und den defizitären Charakteristika der Symptomatik gegenübergestellt. In der Psychotherapie wird versucht, die individuellen Stärken der Betroffenen zu fördern.<ref>Bernd Hesslinger, Alexandra Philipsen, Harald Richter: [https://books.google.de/books?id=JIfXmjTd_kUC&pg=PA15#v=onepage&q&f=false ''Psychotherapie der ADHS im Erwachsenenalter: Ein Arbeitsbuch''.] Hogrefe Verlag, Göttingen 2004, ISBN 3-8409-1856-1, S. 15.</ref> |
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==== [[Coaching]] ==== |
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Doris Ryffel-Rawak (siehe Literatur) sieht Coaching neben Medikamenten und Verhaltenstherapie als wesentlich für die Behandlung ADS-Betroffener an. Hierbei steht dem Betroffenen neben dem Therapeuten und Nervenarzt noch eine Vertrauensperson zur Verfügung, die ihn versteht, mit ihm Ziele entwirft, und mit ihm gemeinsam Strategien entwickelt, wie diese Ziele zu erreichen sind. Somit arbeitet der Coach fast permanent mit dem Betroffenen und hilft ihm, die getroffenen Vorsätze auch umzusetzen. |
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Zu den positiven Eigenschaften, die häufiger ADHS-Betroffenen zugeschrieben werden, zählen zum Beispiel:<ref>''[https://books.google.de/books?hl=de&id=zfhjDQAAQBAJ&q=Gute+Eigenschaften#v=onepage&q&f=false Kapitel 1.2. Gute Eigenschaften von Menschen mit ADHS].'' In: Wolfgang Retz, Roberto D'Amelio, [[Michael Rösler]] (2015): ''ADHS im Erwachsenenalter: Strategien und Hilfen für die Alltagsbewältigung. Kohlhammer, ISBN 978-3-17-021171-1.''</ref> |
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==== Nährstofftherapie ==== |
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* [[Hochsensibilität|Hypersensibilität]], die sich in einer besonderen [[Empathie]] und einem ausgeprägten [[Gerechtigkeit]]ssinn äußern kann, |
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Relativ neu ist ein Behandlungsansatz durch Näherstofftherapie. Dabei wird die medikamentöse Einstellung mit der Aufnahme von [[Omega-3-Fettsäure]], [[Omega-6-Fettsäure]], [[Magnesium]], [[Zink]] und [[Vitamin E]] durch Lebensmittel oder Nahrungsergänzungspräparate normalerweise in Kapselform kombiniert. Ebenfalls wird empfohlen, in dieser Therapie vor allem den Konsum von Lebensmitteln mit hoher [[Glykämische Last|Glykämischer Last]] zu vermeiden und möglichst proteinhaltige mit kohlenhydratreicher Nahrung zusammen zu verzehren; also beispielsweise zum Frühstück Quark mit Honig zu sich nehmen. |
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* Reizoffenheit, die sie Veränderungen oft schnell erfassen lässt, |
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* Begeisterungsfähigkeit, die sich in besonderer [[Kreativität]] und Offenheit ausdrücken kann, |
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* [[Impulsivität]], die sie, richtig dosiert, zu interessanten Gesprächspartnern macht, |
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* der [[Hyperfokus]], einem [[Flow (Psychologie)|Flow]]-ähnlichen Zustand, der zu langem, ausdauerndem und konzentriertem Arbeiten an bestimmten Themen führen kann. (Aber auch zu Tagträumen, zur Vernachlässigung der äußeren Realität, zu störenden Wiederholungen und [[Perseveration|unflexiblem Haftenbleiben]] an unwichtigen Dingen). |
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* [[Hyperaktivität]] kann auch zu besonderer Begeisterung für [[Leistungssport]] führen. |
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Bei solchen Eigenschaften handelt es sich allerdings um in der Bevölkerung weit verbreitete Persönlichkeitsmerkmale, die sich – losgelöst vom Kontext einer psychiatrischen Störung – zum Beispiel auch in den Dimensionen des empirisch belegten [[Big Five (Psychologie)|Fünf-Faktoren-Modells]] wiederfinden. ADHS zu haben, ist somit keine unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung dieser besonderen Fähigkeiten. Die hergestellte Verbindung zwischen spezifischen Stärken und dem Vorhandensein von ADHS wird daher auch scharf kritisiert: [[Russell A. Barkley]] bezeichnete die gesehenen Zusammenhänge als „Romantisierung einer ernstzunehmenden Störung“ und „[[Rosinenpicken (Argumentationstheorie)|Cherry-picking]]“.<ref>Gina Pera (2014): [https://adhdrollercoaster.org/adhd-news-and-research/dr-russell-barkley-on-adhd-and-creativity/ ''Dr. Russell Barkley on ADHD and Creativity'']. Abgerufen am 2. April 2019.</ref> |
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Die Wirksamkeit ist noch umstritten; allerdings schadet diese Therapie mit ihrer Empfehlung zur ausgewogenen Ernährung auch nicht, wie dies andere alternative Behandlungen tun. |
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Die individuellen Stärken und Potenziale ADHS-Betroffener können je nach Schweregrad der Störung und ihrer Begleiterkrankungen maskiert sein. Ein wichtiges Teilziel der multimodalen Therapie ist daher, die individuell vorhandenen Persönlichkeitsressourcen zu identifizieren und zu fördern sowie die (bisweilen erst durch Medikation zu erreichende) Entwicklung und Etablierung vorteilhafter [[Bewältigungsstrategie|Bewältigungsstile]] und Gewohnheiten. |
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Siehe unter Literatur. |
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== Behandlung == |
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Ziel der Behandlung ist es, das individuell unterschiedlich vorhandene Potenzial auszuschöpfen, die sozialen Fähigkeiten auszubauen und eventuelle Begleitstörungen zu behandeln. Die Behandlung sollte ''multimodal'' erfolgen, das heißt, es sollten parallel mehrere Behandlungsschritte durchgeführt werden (z. B. [[Psychotherapie]], psychosoziale [[Intervention (Pädagogik)|Interventionen]], Coaching, Pharmakotherapie). Die Wahl der Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad der Störung. Meist kann eine Therapie ambulant erfolgen. |
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In neuerer Zeit wurde eine Studie gemacht, Erwachsene mit ADS mit Nikotinpflastern zu behandeln; hierbei trat eine deutliche Besserung der Symptomatik auf. Dies erklärt auch, warum viele ADS-Betroffene früh mit dem Rauchen beginnen. |
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Eine teilstationäre Therapie (in einer [[Tagesgruppe]], einer [[Tagesklinik]] bzw. eine [[Heimerziehung|Heimunterbringung]]) oder eine stationäre Therapie ist vor allem bei einer besonders schwer ausgeprägten Symptomatik notwendig. Das gilt vor allem bei schwer ausgeprägten [[Komorbidität|komorbiden]] Störungen (etwa [[Störung des Sozialverhaltens]] oder [[Teilleistungsschwäche]] wie [[Legasthenie]] oder [[Dyskalkulie]]), bei mangelnden Ressourcen in Kindergarten oder Schule oder besonders ungünstigen psychosozialen Bedingungen. Eine nicht genügend erfolgreiche ambulante Therapie kann stationär oder teilstationär in einer Einrichtung der [[Kinder- und Jugendpsychiatrie]] fortgeführt werden.<ref name="DGKJP">''[https://books.google.de/books?id=TtHVyYuEeV8C&pg=PA239#v=onepage&q&f=false Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter.]'' 2. überarbeitete Auflage. Deutscher Ärzte Verlag, 2003, ISBN 3-7691-0421-8.</ref> Dort können die innerfamiliären Beziehungen wieder stabilisiert werden. Dafür ist es zumeist notwendig, die Bezugspersonen in die Behandlung mit einzubeziehen. |
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=== Alternative Behandlungen === |
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====Oligo-Antigene Diät==== |
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Die [[Oligo-Antigene Diät]] ist ursprünglich ein Verfahren bei [[Neurodermitis]] und wirkt in 10-20% der Fälle. Hierbei wird dem Patienten vier Wochen lang eine Diät nur aus allergisch unbedenklichen Nahrungsmitteln verabreicht. |
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=== Multimodales Vorgehen === |
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Kommt es zu einer Besserung der Symptome, so werden nach und nach im Viertagesrhythmus weitere Nahrungsmittel zugesetzt und geprüft, ob sich die Symptomatik wieder verschlechtert; dann wird dieses Nahrungsmittel vollkommen ausgesetzt. Nach einiger Zeit sollte so herauskommen, welche Nahrungsmittel beim Patienten unbedenklich sind. |
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Die multimodale Behandlung kann folgende Hilfen enthalten, die stets auf den Einzelfall abgestimmt sein sollten. Sie können in einem ambulanten sowie einem voll- oder teilstationären Rahmen angewandt werden: |
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* Aufklärung, [[Erziehungsberatung|Beratung]] und Fördern der Krankheitsbewältigung ([[Psychoedukation]]) der Eltern, des Kindes/Jugendlichen und seiner Erzieher bzw. Klassenlehrer.<ref>{{Literatur |Autor=Helmut Remschmidt, Katja Seidel, Tobias Banaschewski, Georg Thieme Verlag KG |Titel=Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie |Auflage=7., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage |Ort=Stuttgart; New York |Datum=2020 |ISBN=978-3-13-241122-7}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Stephan Mühlig, Frank Jacobi |Titel=Psychoedukation |Sammelwerk=Klinische Psychologie & Psychotherapie |Verlag=Springer Berlin Heidelberg |Ort=Berlin, Heidelberg |Datum=2020 |ISBN=978-3-662-61813-4 |Seiten=557–573 |Online=https://link.springer.com/10.1007/978-3-662-61814-1_22 |Abruf=2023-03-24 |DOI=10.1007/978-3-662-61814-1_22}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Mariella Matthäus |Titel=Psychoedukation und Psychotherapie für Jugendliche und junge Erwachsene mit ADHS ein Manual |Auflage=1. Auflage |Ort=Stuttgart |Datum=2016 |ISBN=978-3-17-024802-1}}</ref> Dadurch können u. a. die Symptomatik und soziale Fähigkeiten verbessert werden.<ref>{{Literatur |Autor=A. Montoya, F. Colom, M. Ferrin |Titel=Is psychoeducation for parents and teachers of children and adolescents with ADHD efficacious? A systematic literature review |Sammelwerk=European Psychiatry |Band=26 |Nummer=3 |Datum=2011-04 |ISSN=0924-9338 |Seiten=166–175 |Online=https://www.cambridge.org/core/journals/european-psychiatry/article/abs/is-psychoeducation-for-parents-and-teachers-of-children-and-adolescents-with-adhd-efficacious-a-systematic-literature-review/55BB6882A0FDE49AAD4CC1AC27BB6756 |Abruf=2023-03-24 |DOI=10.1016/j.eurpsy.2010.10.005}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Lauren Amy Powell, Jack Parker, Anna Weighall, Valerie Harpin |Titel=Psychoeducation Intervention Effectiveness to Improve Social Skills in Young People with ADHD: A Meta-Analysis |Sammelwerk=Journal of Attention Disorders |Band=26 |Nummer=3 |Datum=2022-02 |Seiten=340–357 |DOI=10.1177/1087054721997553 |PMC=8785297 |PMID=33666104}}</ref> |
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* Elterntraining (auch in Gruppen) und Hilfen in der Familie (einschließlich [[Familientherapie]]) zur Verminderung möglicher Belastungen in der Familie. |
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* Hilfen in Kindergarten und Schule (einschließlich Wechsel der Gruppe) zur Verminderung möglicher Belastungen. Es können sowohl spezielle Förderungen für das Kind bzw. den Jugendlichen durch [[Schulpsychologie|Schulpsychologen]] erfolgen als auch ein Schulwechsel. |
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* [[Pharmakotherapie]] zur Stützung von Gehirnfunktionen mit dem Ziel einer Verminderung von Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Überaktivität in Schule (Kindergarten), Familie oder anderen Umgebungen, siehe [[#Medikation|Medikation]] |
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* [[Kognitive Verhaltenstherapie]] des Kindes bzw. des Jugendlichen (ab dem Schulalter) zur Verminderung von impulsiven und unorganisierten Aufgabenlösungen ([[Selbstinstruktionstraining]]) oder zur Anleitung der Änderung des Verhaltens bei Problemen ([[Selbstmanagement]]). |
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* Lerntherapie bei einer begleitenden [[Teilleistungsstörung]] wie [[Legasthenie]] oder [[Dyskalkulie]]. |
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* Neuere Untersuchungen legen einen positiven Einfluss sportlicher Betätigung nahe. Bei ADHS-Patienten wirkt sich diese günstig auf Verhalten und Lernfähigkeit aus.<ref>Leuthäuser, R., Bennecke, R.: [https://www.zeitschrift-sportmedizin.de/artikel-online/archiv-2013/heft-10/sport-bei-adhs-plan-fuer-desaster-oder-verschenkte-ressource/ ''Sport bei ADHS - Plan für ein Desaster oder verschenkte Ressource?''] In: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 10/2013; [https://www.zeitschrift-sportmedizin.de/fileadmin/content/archiv2013/Heft_10/06_Uebersicht_Leithaeuser_bg.pdf (als PDF, 215 kB)], abgerufen am 11. Juli 2015.</ref> |
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* Die Behandlung evtl. begleitender Erkrankungen (siehe: [[#Begleitende und Folgeerkrankungen|Begleitende und Folgeerkrankungen]]) sollte im Rahmen einer speziell angepassten Gesamtbehandlung erfolgen. |
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{{Siehe auch|Multimodale Therapie (Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie)}} |
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====Wirkungslose und umstrittene Ansätze==== |
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Andere Ansätze befassen sich mit "alternativer" Medizin (z.B. Algen). Diese sind jedoch meist wirkungslos und teils nicht unumstritten, da die gesundheitliche Unbedenklichkeit nicht gewährleistet werden kann. |
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=== Information === |
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Seit den [[1990er|90ern]] gibt es den [[Neurolinguistische Programmierung|NLP]]-Ansatz ([http://www.nlpok.com D. Blackerby]). Die Grundannahme für die Anwendung von NLP-Wissen besteht darin, dass die Symptome durch die "innere Wahrnehmung" des Einzelnen verursacht werden. Mit NLP-Wissen soll die Struktur der inneren Wahrnehmung erforscht und auch gezielt beeinflusst werden. |
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Eingehende und umfassende Information aller Beteiligten über ADHS ist wesentlicher Bestandteil jeglicher Therapie. Betroffene sollten über die Art der Störung (ADHS ist ''keine'' [[Geisteskrankheit]], ''kein'' [[Schwachsinn]] und ''keine'' [[Faulheit]]), die Anzeichen (Symptome), die möglichen Schwierigkeiten im Alltag und die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten informiert werden. |
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NLP heilt auch nicht, sondern hilft nur mit der Besonderheit besser klar zu kommen, sie zu verstehen und Fehlreaktionen zu vermeiden. |
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Neben dem ärztlich-psychologischen Gespräch gibt es Informationsmaterial sowohl für Eltern als auch für betroffene Kinder und Erwachsene. Dabei nehmen diese in ihrer Gestaltung oft auf die Art der Störung Rücksicht (d. h. wenig Fließtext, viele Zeichnungen usw., seit den 2000er Jahren auch instruktive Videos, zunehmend im Internet, wobei die Seriosität und Interessenslenkung der Websites kritisch einzuschätzen ist). |
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Familientherapien und tiefenpsychologische Therapien sind, sofern der behandelnde Psychologe sie nicht als ein Aspekt der multimodalen Therapie ansieht und ADS rein tiefenpsychologisch zu erklären versucht (siehe Abschnitt in diesem Artikel), nachgewiesenermaßen wirkungslos; tiefenpsychologische- und vor allem Verhaltenstherapien eingebettet in ein Behandlungskonzept eines Neurologen oder Nervenarztes dagegen können die Symptomatik nachhaltig zusammen mit einer medikamentösen Einstellung und einem Coaching verbessern. |
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=== Medikation === |
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Zu Algen schreibt das Buch "Hochrisiko ADHS": |
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Eine Medikation ist bei Mittel- und Schwerbetroffenen in vielen Fällen angezeigt. Ziel dieser Behandlung ist es, die Kernsymptomatik zu mindern, die Konzentrations- und Selbststeuerungsfähigkeit zu verbessern sowie den Leidensdruck und Alltagseinschränkungen der Betroffenen zu verringern. Studien deuten darauf hin, dass eine Behandlung mit individuell abgestimmten Medikamenten die Symptome sehr viel wirksamer reduzieren kann als eine alleinige Psychotherapie.<ref name="spektrum.de">{{Internetquelle |autor=Nele Langosch |url=http://www.spektrum.de/news/schaden-psychopharmaka-kindern-und-jugendlichen/1369883 |titel=Schaden Psychopharmaka Kindern und Jugendlichen? |hrsg=Spektrum.de |datum=2015-10-09 |abruf=2015-10-16}}</ref> In manchen Fällen werden so erst die Voraussetzungen für weitere therapeutische Arbeit geschaffen.<ref name=":7" /> Zur medikamentösen Behandlung der ADHS werden am häufigsten [[Stimulans|Stimulanzien]] eingesetzt, welche die Signalübertragung durch die [[Neurotransmitter]] [[Dopamin]] und [[Noradrenalin]] im Gehirn verstärken. Dazu gehören [[Methylphenidat]] und [[Amphetamin]], die etwa seit Mitte der 1950er Jahre verwendet werden. Etwa 80 % der Betroffenen sprechen darauf an. |
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:''Auch Algen verordnet der Heilpraktiker gern und viel. Es sind ganz spezielle Algen, die nur wirken, wenn sie von Jungfrauen bei Mondlicht geerntet werden. (Die Behauptung, die Wirkung sei erst sichergestellt, wenn die Algen von einäugigen, farbenblinden Pastorentöchtern eingebracht werden, die an einem Sonntag geboren wurden, hat sich als bösartiges Gerücht der Pharmaindustrie herausgestellt.....)'' |
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:''Diese Algen sind teuer und nachweislich wirkungslos im Hinblick auf die ADHS-Symptomatik, können aber Leber und die Nerven schädigen. Das kanadische Gesundheitsministerium warnt nachdrücklich vor diesem "Allheilmittel", das auf höchst unseriöse Weise beworben wird.'' |
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Auch bei Betroffenen mit ''vorwiegend unaufmerksamem Erscheinungsbild'' (gemäß [[#Nach DSM-5|Einteilung nach DSM]]) ist die Wirksamkeit von Methylphenidat nachgewiesen. Sie ist hier etwas schwächer. Wenn eine Wirkung besteht (Mehrzahl der Fälle), kann bei dieser Ausprägung jedoch niedriger dosiert werden, um den gewünschten Effekt zu erreichen.<ref name="PMID23667362">N. Grizenko, R. M. Rodrigues Pereira, R. Joober: ''Sensitivity of scales to evaluate change in symptomatology with psychostimulants in different ADHD subtypes.'' In: ''Journal of the Canadian Academy of Child and Adolescent Psychiatry = Journal de l'Acade?mie canadienne de psychiatrie de l'enfant et de l'adolescent.'' Band 22, Nummer 2, Mai 2013, S. 153–158, PMID 23667362, {{PMC|3647632}}.</ref> |
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Zu den meisten alternativen Therapien gibt es Untersuchungen und Doppelblind-Studien, die ihre Wirkungslosigkeit - teils ihre Gefährlichkeit - nachweisen. |
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==== Methylphenidat ==== |
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== Häufige Folgeerkrankungen == |
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[[Datei:SynapseSchematic de.svg|330px|mini|Die Signalübertragung vom [[Axon]] eines [[Neuron]]s (oben) zum [[Dendrit (Biologie)|Dendriten]] eines anderen Neurons (unten) wird normalerweise nach einem erregenden Signal rasch wieder beendet. Dazu befördern Transporter den ausgeschütteten [[Neurotransmitter]] zurück in die [[Präsynaptische Endigung|Präsynapse]]. Methylphenidat blockiert nun diese [[Transportprotein|Transporter]] und damit die Wiederaufnahme der [[Neurotransmitter]]. Dadurch reichern sich diese im Spalt zwischen den Zellen an und können länger an den Rezeptoren wirken. Als Konsequenz wird die Signalübertragung von Zelle zu Zelle erhöht und verstärkt. |
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Methylphenidat hemmt die Funktion von [[Transporter (Membranprotein)|Transportern]] für die [[Neurotransmitter]] [[Dopamin]] und [[Noradrenalin]]. Diese Transporter sitzen in der [[Zellmembran]] der signalgebenden ([[Synapse|präsynaptischen]]) Nervenzelle. Die Signalgebung erfolgt durch Ausschüttung von Botenstoffen in den [[Synaptischer Spalt|synaptischen Spalt]] zur Erregung der empfangenden Nervenzelle. Im Zuge der Ausschüttungen kommt es ständig zu einer schnellen Wiederaufnahme ([[Recycling]]) der Transmitter zurück in die signalgebenden Zelle. Infolge der Hemmung der Wiederaufnahme (''reuptake inhibition'') durch Methylphenidat ist die Konzentration der Neurotransmitter im synaptischen Spalt erhöht und dadurch die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen länger andauernd verstärkt. Der Effekt von Methylphenidat ist somit eine Signalverstärkung. |
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Methylphenidat wird seit 1959 eingesetzt und ist im Rahmen der Kurzzeitwirkung umfangreich untersucht worden. Die Auswirkungen von Langzeitanwendungen sind zwar noch nicht vollständig erfasst, es zeichnet sich jedoch deutlich ab, dass sie in der Regel mit einer andauernden Normalisierung der betroffenen Gehirnstrukturen – sowohl in Anatomie als auch Funktion – verbunden sind.<ref name="PMID23165220" /> Trotzdem sollte der Wirkstoff nur nach sorgfältiger ärztlicher Prüfung ([[Indikation]]sstellung) und im Rahmen eines Gesamtkonzeptes einer Behandlung verordnet werden. |
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Sehr häufig sind emotionale Störungen wie reaktive [[Depression]]en und Angststörungen, da der Betroffene sehr häufig von sozialen Gruppen zurückgewiesen wird. Bei Frauen werden auch [[Essstörung]]en beobachtet. |
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In Deutschland wird Methylphenidat unter den [[Handelsname]]n ''Ritalin'', ''Medikinet'', ''Concerta'', ''Equasym'' und vielen weiteren vertrieben, da der Produktschutz abgelaufen ist (siehe [[Generikum]]). Alle diese Präparate enthalten den gleichen Wirkstoff, jedoch gibt es Unterschiede wie z. B. bei den Füll- und Zusatzstoffen. Das bekannteste [[Pharmazie#Pharmazeutische Präparate|Präparat]] ''Ritalin'' hat beispielsweise eine andere Wirkdauer als ''Concerta'' oder ''Medikinet retard'', denn bei [[retard]]ierten Medikamenten wird der Wirkstoff zeitversetzt und kontinuierlich über den Tag an den Körper abgegeben. Das kann sich je nach Patient unterschiedlich auswirken; Wirkung und Nebenwirkung sind daher zu kontrollieren, um gegebenenfalls ein anderes Präparat zu wählen. |
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== Auswirkungen auf die Biographie == |
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=== Stärken durch ADS === |
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Zu bedenken ist, dass es – im statistischen Mittel und möglicherweise nicht durch die Medikation, sondern durch ADHS selbst – zu einer geringen Verzögerung des Wachstums in Größe und Gewicht kommt, die jedoch aufgeholt wird und somit die Endwerte des Wachstums nicht verändert.<ref name="PMID21970086">Redaktion von ''Prescrire international'': ''Methylphenidate: growth retardation.'' In: ''Prescrire international.'' Band 20, Nummer 120, Oktober 2011, S. 238–239, PMID 21970086.</ref><ref name="PMID18580502">S. V. Faraone, J. Biederman, C. P. Morley, T. J. Spencer: ''Effect of stimulants on height and weight: a review of the literature.'' In: ''Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry.'' Band 47, Nummer 9, September 2008, S. 994–1009, [[doi:10.1097/CHI.ObO13e31817eOea7]], PMID 18580502 (Review).</ref> Ein Nicht-Ansprechen auf Methylphenidat kann Unterschiedliches bedeuten: So kann es sich beim Patienten um einen [[Non-Responder]] handeln, bei dem Methylphenidat nicht wirkt, oder die Diagnose wurde nicht richtig gestellt. |
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Neben den negativen Symptomen haben ADS-Betroffene auch viele Stärken oder Eigenschaften, die richtig eingesetzt Stärken sind. So betrachten viele Experten wie auch Betroffene ein richtig eingestelltes ADHS als Gabe. |
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Aufgrund der kurzen Wirkzeit kann nach deren Ende ein [[Rebound-Phänomen|Rückschlag]] ''(rebound)'' auftreten und zu einer ausgeprägten Steigerung der Ausgangssymptomatik führen. Erklärt wird dies folgendermaßen: die erleichterte Selbstregulation durch den medikamentösen Wirkstoff fällt plötzlich weg, was zunächst zu Anpassungs­schwierigkeiten an den vorherigen Zustand ohne Medikation führt. Dieser Effekt kann besonders bei Kindern zu Therapiebeginn sowie bei unregelmäßiger Einnahme auftreten, normalisiert sich meist im Verlauf der Therapie. Empfohlen wird, die Anforderungen an das Kind in der begrenzten Zeit des Rebounds weitgehend zu reduzieren. Möglich ist auch das Umstellen auf ein anderes Dosierungsschema oder Medikament. Eine zu hohe Dosis von Methylphenidat führt ebenfalls zu Unruhegefühl oder innerer Anspannung, selten auch zu einem deutlichen Rückgang der Aktivität mit Mattigkeit und einem verminderten Antrieb. Diese Erscheinungen halten nur für die Wirkdauer an und gehen danach zurück. Durch angemessene Dosisfindung können sie korrigiert werden. |
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Zu ihren Stärken gehört ihre [[Hypersensibilität]], dass sie Veränderungen sehr schnell erfassen können, was sich meist in einer besonderen [[Empathie]] und einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn äußert; ihre Begeisterungsfähigkeit, die sich in besonderer [[Kreativität]] und Liberalität äußern kann, ihre Impulsivität, die sie richtig dosiert zu interessanten Gesprächspartnern macht; der [[Hyperfokussieren|Hyperfokus]], der zu lang ausdauerndem und konzentriertem Arbeiten an bestimmten Themen führen kann, und viele andere. |
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Die sorgfältige ordnungsgemäße Medikation von Methylphenidat hat bei Personen mit ADHS in der Regel keine schädlichen unerwünschten Wirkungen. [[Nebenwirkung]]en sind dosisabhängig, für gewöhnlich vermeidbar und bei Beginn der Therapie vorübergehend.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/ADHSLang.pdf |text=''BÄK, S. 32.'' |wayback=20130612012311 |archiv-bot=2022-10-06 06:46:40 InternetArchiveBot}} in: ''Stellungnahme zur „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)“. Langfassung'' (PDF; 1,0 MB). [[Bundesärztekammer]], 26. August 2005, abgerufen am 3. Februar 2013.</ref> Zu den häufigen Nebenwirkungen gehören [[Appetit]]minderung oder Magenbeschwerden, [[Kopfschmerz]]en und seltener [[Tic]]störungen.<ref name="Arzneimittelkompendium">Fachinformation des Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Ritalin®/- SR/- LA; Stand der Informationen: Oktober 2018. [http://www.kompendium.ch/mpro/mnr/1338/html/de Neueste Fassung hier].</ref> |
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[[Hyperaktivität]] kann auch zu besonderer Begeisterung am [[Leistungssport]] führen. |
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ADHS-Patienten weisen, abhängig vom Schweregrad, ein erhöhtes [[Abhängigkeit (Medizin)|Sucht]]<nowiki />risiko auf. In diesem Zusammenhang wurde der Konsum von Stimulanzien als potenzielles Risiko für eine spätere Suchtentwicklung diskutiert. In zwei [[Metaanalyse]]n einer Vielzahl von Einzelstudien wurde jedoch gezeigt, dass die Gabe von Methylphenidat das Risiko eines späteren Suchtverhaltens nicht erhöht (Analyse A), sondern im Gegenteil sogar vermindert (Analyse B).<ref name="PMID24526271">C. A. Zulauf, S. E. Sprich, S. A. Safren, T. E. Wilens: ''The complicated relationship between attention deficit/hyperactivity disorder and substance use disorders.'' In: ''Current psychiatry reports.'' Band 16, Nummer 3, März 2014, S. 436, [[doi:10.1007/s11920-013-0436-6]], PMID 24526271, {{PMC|4414493}} (Review).</ref> Nur bei bewusst missbräuchlicher Verwendung oder extrem hohen Dosierungen besteht die Gefahr einer Toleranz- und einer Abhängigkeits­entwicklung durch Methylphenidat. |
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Alle diese Stärken sind ADS-Symptome, die ADS-Betroffene mit leichter bis mittlerer ADS und selbst bei mittlere bis schwer Betroffene unter Verhaltenstherapie lernen können, für sich einzusetzen. Viele ADS-Betroffene werden auch als hochintelligent beschrieben. |
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Auch bei Erwachsenen stellt die Behandlung mit Methylphenidat nach deutschen [[Medizinische Leitlinie|Leitlinien]] eine therapeutische Option dar. Das [[Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte]] hat am 14. April 2011 erstmals einer Indikationserweiterung auf Erwachsene zur Behandlung einer seit Kindesalter fortbestehenden Erkrankung zugestimmt.<ref>Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: [https://portal.dimdi.de/amispb/doc/2011/07/25/2163890/OBFMBD5B836E01CC4AAA.rtf ''Öffentlicher Bewertungsbericht zur Änderungsanzeige vom 14. Januar 2011 – Medikinet adult (Methylphenidathydrochlorid)''] 18. Juli 2011, abgerufen am 21. Dezember 2013 (RTF-Datei).</ref> |
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[[Thom Hartmann]] hat in seinem Buch ''Eine andere Art die Welt zu sehen'' die These aufgestellt, dass Betroffene aus genetischer Sicht "nur" die Nachfahren der [[steinzeit]]lichen Jäger und Sammler (Hartmann nennt sie daher "Hunter") seien. Ihm zufolge baut die moderne Gesellschaft jedoch auf "Farmer"-Systemen auf, was die "Hunter" dazu zwingt, sich erst in diesen zurechtzufinden und sich diese Grundlagen anzueignen. |
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Gegenwärtig (Stand Juni 2025) besitzen mehrere [[Methylphenidat]]-haltige Medikamente (seit April 2011 ''Medikinet adult'', seit Mai 2014 ''Ritalin adult'', seit 2022 ''Concerta'', seit 2023 ''Kinecteen'') eine Zulassung für Erwachsene. In der [[Schweiz]] wird Methylphenidat von der Krankenkasse auch für Erwachsene bezahlt. |
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In seinem [[2000]] erschienenen Buch ''ADD: Veränderungen selbst bewirken'' plädiert Hartmann dafür, ADHS als eine Eigenschaft zu sehen, die durchaus verändert bzw. behoben werden kann. |
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==== Amphetamin ==== |
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Da ADS vor allem durch die Biographien von Betroffenen diagnostiziert wird, finden viele ADS-erfahrene Psychologen Hinweise auf ein Vorliegen von ADHS in der Lebensgeschichte vieler berühmter Persönlichkeiten. |
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Für Patienten, die auf Methylphenidat nicht ausreichend positiv ansprechen, kann eine Behandlung mit [[Amphetamin]] erfolgversprechend sein. In Deutschland und in der Schweiz sind dazu die Präparate ''Attentin'' (Dexamphetamin-hemisulfat) für Kinder und Jugendliche ab 6 Jahren<ref>[https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=40452 ''Dexamfetamin, Attentin® (Medice Arzneimittel)''.] In: ''[[Pharmazeutische Zeitung]] online''. Abgerufen am 5. August 2013.</ref> und ''Elvanse'' ([[Lisdexamfetamin]]) auch für Erwachsene (als Elvanse Adult)<ref>Claudia Bruhn: [https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2019/daz-23-2019/lisdexamfetamin-fuer-erwachsene ''Lisdexamfetamin für Erwachsene.''] In: ''Deutsche Apothekerzeitung'', Nr. 23/2019, S. 23.</ref> zugelassen. Diese Substanzen gelten als ähnlich sicher und verträglich wie Methylphenidat.<ref name="PMID24788672">D. R. Coghill, B. Caballero, S. Sorooshian, R. Civil: ''A systematic review of the safety of lisdexamfetamine dimesylate.'' In: ''CNS drugs.'' Band 28, Nummer 6, Juni 2014, S. 497–511, [[doi:10.1007/s40263-014-0166-2]], PMID 24788672, {{PMC|4057639}} (Review).</ref> |
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Amphetamin wirkt im Gegensatz zu Methylphenidat (MPH) nicht nur als reiner Wiederaufnahmehemmer, sondern verursacht in erster Linie eine verstärkte Ausschüttung von Noradrenalin und Dopamin. Diese wird unter anderem durch eine Umkehr der Arbeitsrichtung von [[Membrantransport|Transportern]] für [[Noradrenalin]] (NET) und [[Dopamintransporter]]n (DAT) bewerkstelligt. Im Gegensatz zum Prinzip der Wiederaufnahmehemmung (wie etwa bei Methylphenidat) wird dabei der Transmitterspiegel unabhängig von der Aktivität der Nervenzelle erhöht.<ref>{{Literatur |Autor=David Sulzer, Mark S. Sonders, Nathan W. Poulsen, Aurelio Galli |Titel=Mechanisms of neurotransmitter release by amphetamines: A review |Sammelwerk=Progress in Neurobiology |Band=75 |Nummer=6 |Datum=2005-04 |ISSN=0301-0082 |Seiten=406–433 |DOI=10.1016/j.pneurobio.2005.04.003}}</ref> Anders als MPH [[Monoaminooxidase-Hemmer|hemmt]] Amphetamin auch die [[Monoaminooxidase]] (MAO) und bindet stark an den ''TAAR1'' ''(Trace amine-associated receptor 1)''. Dieser [[Spurenamine|Spurenamin]]<nowiki />rezeptor moduliert im Gehirn vermutlich stark die Signalübertragung von [[Monoamine]]n.<ref>{{Literatur |Autor=Gregory M. Miller |Titel=The emerging role of trace amine-associated receptor 1 in the functional regulation of monoamine transporters and dopaminergic activity |Sammelwerk=Journal of Neurochemistry |Band=116 |Nummer=2 |Datum=2011-01 |Seiten=164–176 |DOI=10.1111/j.1471-4159.2010.07109.x |PMC=3005101}}</ref> |
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Es ist zwar immer problematisch, von Toten Parameter wie den [[Intelligenzquotient|IQ]] zu bestimmen. Die Diagnostik durch Biographie von ADS-Betroffenen macht diese Hinweise allerdings etwas sicherer als die beschriebene IQ-Bestimmung, die manchmal auch von ideologischen Faktoren abhängig ist; des Weiteren ist ADS so stark verbreitet, dass es fast schon unwahrscheinlich wäre, wenn nicht auch viele bedeutende Persönlichkeiten die Symptomatik hätten. |
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In Deutschland können Amphetamine zusätzlich in der Apotheke als Individualrezeptur angefertigt werden. Im [[Neues Rezeptur-Formularium|Neuen Rezeptur-Formularium (NRF)]] sind daher Einträge zu Amphetaminsulfat (Saft nach NRF 22.4 oder Kapseln nach NRF 22.5) und [[Dexamphetamin]]­sulfat (2,5%ige Tropfen nach NRF 22.9) enthalten.<ref name="books-s7G4DgAAQBAJ-92">Govi-Verlag: ''Standardisierte Rezepturen.'' Govi-Verlag, 2017, ISBN 978-3-7741-1350-3, S. 92 (Kapseln und Saft), S. 93 (Tropfen) ({{Google Buch |BuchID=s7G4DgAAQBAJ |Seite=92}}).</ref> |
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==== ADHS und Hochbegabung ==== |
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Auch in der Schweiz können entsprechende Magistralrezepturen verschrieben oder aus dem Ausland importiert werden. ''[[Lisdexamfetamin|Elvanse]]'' ist dort ebenfalls zugelassen.<ref>Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: [http://compendium.ch/search/all/Lisdexamfetamin/startwith/de Lisdexamfetamin-Präparate]</ref> |
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Nach Beobachtung mehrerer Ärzte kommen [[Hochbegabung|hochbegabte]] Kinder mit ADS proportional häufiger vor als ohne ADS. |
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In Österreich ist die Abgabe entsprechender Zubereitungen allen öffentlichen Apotheken gestattet (siehe [[Amphetamin#Rechtsstatus|Rechtliches zu Amphetamin]]). Sie erfordert die Verschreibung auf einem Suchtgiftrezept. Auch [[Methamphetamin]] ist [[Methamphetamin#Österreich|in Österreich verschreibungs­fähig]].<ref>Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramts Österreich, Bundesrecht konsolidiert: ''[https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011053 Gesamte Rechtsvorschrift für Suchtgiftverordnung], Fassung vom 30. März 2014''.</ref> |
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Intelligente und speziell hochbegabte Kinder sind von ADHS oft schwerer betroffen als normal begabte ADHS-Kinder; allerdings kommen sie nach Beobachtung einiger Ärzte auch häufiger vor. |
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In den USA sind sowohl [[Amphetamin#Handelsnamen|Amphetamin-]] als auch [[Methamphetamin#Handelsnamen|Methamphetamin-]]Arzneimittel erhältlich. |
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Dank ihrer Intelligenz können sie sich über einen längeren Zeitraum anpassen und integrieren, jedoch fällt die Diskrepanz bei ihnen umso höher aus, wenn sie damit fehlschlagen. Selbstkrisen und Depressionen können die Folge sein. |
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==== Guanfacin ==== |
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Bekannt ist dieses Phänomen unter anderem aus der Schule, wo immer wieder hochbegabte Schüler in fortgeschrittenen Klassenstufen einen erheblichen Leistungseinbruch zeigen ohne dass sonstige äußere Gründe dies erklären könnten. |
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Falls Methylphenidat oder Amphetaminpräparate nicht ausreichend ansprechen oder sich anderweitig als ungeeignet erweisen, steht als Medikation der zweiten Linie der [[Α2-Adrenozeptor|α2-Rezeptor]]-Agonist [[Guanfacin]] (Handelsname ''Intuniv'') zur Verfügung. Er fördert insbesondere die Signalübertragung im [[Präfrontaler Cortex|präfrontalen Cortex]]. In seiner Wirkung bei ADHS ist er Atomoxetin (siehe unten) überlegen.<ref name="PMID26064054" /><ref name="PMID26170637">N. T. Bello: ''Clinical utility of guanfacine extended release in the treatment of ADHD in children and adolescents.'' In: ''Patient preference and adherence.'' Band 9, 2015, S. 877–885, [[doi:10.2147/PPA.S73167]], PMID 26170637, {{PMC|4494608}} (Review).</ref><ref name="PMID25800130">R. Rizzo, D. Martino: ''Guanfacine for the treatment of attention deficit hyperactivity disorder in children and adolescents.'' In: ''Expert review of neurotherapeutics.'' Band 15, Nummer 4, April 2015, S. 347–354, [[doi:10.1586/14737175.2015.1028370]], PMID 25800130 (Review).</ref><ref name="PMID24992513">D. F. Connor, A. F. Arnsten, G. S. Pearson, G. F. Greco: ''Guanfacine extended release for the treatment of attention-deficit/hyperactivity disorder in children and adolescents.'' In: ''Expert opinion on pharmacotherapy.'' Band 15, Nummer 11, August 2014, S. 1601–1610, [[doi:10.1517/14656566.2014.930437]], PMID 24992513 (Review).</ref> Guanfacin ist in den USA seit September 2009 und in der gesamten EU seit September 2015 zugelassen.<ref>[[Europäische Arzneimittel-Agentur]] (EMA): {{Webarchiv |url=http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/human/medicines/003759/human_med_001910.jsp&mid=WC0b01ac058001d124 |text=''Intuniv / guanfacine'' |wayback=20180816061628 |archiv-bot=2024-07-13 14:22:48 InternetArchiveBot}}</ref> |
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==== Atomoxetin ==== |
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Unter anderem Doris Ryffel-Rawak beschreibt ADS-Betroffene sehr häufig als besonders kreativ und oftmals mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet, die sie aber durch die Schwächen von ADS nur selten gewinnbringend nutzen können. |
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[[Atomoxetin]] ist ein [[selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer]] (Handelsname Strattera). Der Wirkeintritt kann jedoch im Gegensatz zu Stimulanzien erst nach einigen Wochen beurteilt werden. Bei Beginn der Anwendung soll die Dosis schrittweise gesteigert werden bis zur sogenannten [[Wirkdosis]], die dann erreicht ist, wenn die normalerweise zu erwartende Wirkung eingetreten ist. |
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Hinsichtlich der Behandlung von Kindern und Jugendlichen liegt seit September 2005 ein Rote-Hand-Brief des Herstellers vor, in dem über ein signifikant erhöhtes Risiko der Begünstigung oder Auslösung von aggressivem Verhalten, Suizidalität und Suizidhandlungen unter Atomoxetin im Vergleich zu Placebo bei Kindern, nicht aber bei Erwachsenen informiert wird.<ref>[https://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/RHB/Archiv/2005/63_20050929.pdf ''zum erhöhten Suizidrisiko unter Atomoxetin.''] (PDF; 265 kB) Rote-Hand-Brief, 29. September 2005</ref> Bei Auftreten von Suizidgedanken unter dem Medikament soll demnach die Einnahme beendet werden. Umfangreiche nachfolgende Untersuchungen zeigten jedoch, dass ein erhöhtes Suizidrisiko weder bei Heranwachsenden noch bei Erwachsenen bestehe.<ref name="PMID25019647">M. E. Bangs, L. A. Wietecha, S. Wang, A. S. Buchanan, D. K. Kelsey: ''Meta-analysis of suicide-related behavior or ideation in child, adolescent, and adult patients treated with atomoxetine.'' In: ''Journal of child and adolescent psychopharmacology.'' Band 24, Nummer 8, Oktober 2014, S. 426–434, [[doi:10.1089/cap.2014.0005]], PMID 25019647, {{PMC|4202998}}.</ref> |
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=== Gefahren === |
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Die Wirksamkeit von Atomoxetin ist etwas geringer als bei Stimulanzien oder Guanfacin, jedoch gut belegt.<ref name="PMID26730199">A. C. Childress: ''A critical appraisal of atomoxetine in the management of ADHD.'' In: ''Therapeutics and clinical risk management.'' Band 12, 2016, S. 27–39, [[doi:10.2147/TCRM.S59270]], PMID 26730199, {{PMC|4694693}} (Review).</ref> |
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Bei unbehandelten ADS-Betroffenen ist die Gefahr, [[Drogen]][[Sucht|süchtig]] zu werden, um ein vielfaches erhöht als bei Nicht-Betroffenen. Auf dem 9. Suchtmedizinischen Kongress 2000 in München stellte Prof. M. Huss, [[Berlin]], eine Studie vor, dass behandelte Betroffene ein signifikant geringeres Suchtrisiko als unbehandelte haben; ihr Suchtrisiko ist auf das Maß von nicht-Betroffenen reduziert. Dies wird von vielen Neurologen auf versuchte Selbstmedikation geschoben: Alkohol, Nikotin und Drogen wirken auch auf den gestörten [[Dopamin]]haushalt des Betroffenen, und er macht die Erfahrung, dass er sich unter diesen Stoffen besser fühlt. Da diese Mittel unverhältnismäßige Nebenwirkungen haben, ist dies oft der Weg in die Sucht. |
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Atomoxetin kann neben seiner Wirkung bei ADHS auch eine begleitende [[Tic]]störung mildern.<ref name="PMID21491404">T. Pringsheim, T. Steeves: ''Pharmacological treatment for Attention Deficit Hyperactivity Disorder (ADHD) in children with comorbid tic disorders.'' In: ''The Cochrane database of systematic reviews.'' Nummer 4, 2011, S. CD007990, [[doi:10.1002/14651858.CD007990.pub2]], PMID 21491404 (Review).</ref> |
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Wird ADS nicht diagnostiziert, hat dies Auswirkungen auf das Umfeld. Der Betroffene wirkt "desinteressiert", "faul", er macht die Erfahrung des Schulversagens, und im Kindesalter erleben sie immer wieder [[Sanktion]]en für ihr Verhalten durch Eltern, Lehrer und andere Gruppen; erst nach der ADS-Diagnose können diese Personen überhaupt erst wissen, wie sie sich dem Betroffenen gegenüber verhalten sollen. |
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==== Cannabis ==== |
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Hierdurch kommt es sehr häufig zu den weiter oben angesprochenen Folgeschäden ([[Komorbidität]]en), die zu einem Karriereabsturz führen können. Ein Betroffener, der immer die Erfahrung machen musste, seine Fähigkeiten nicht optimal einsetzen zu können, wird irgendwann resignieren und eine Karriere weit unter seinen Fähigkeiten einschlagen, wenn er nicht durch eine Suchtkarriere den sozialen Absturz erlebt. |
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Cannabis soll gemäß der [[S3-Leitlinie]] ''ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen'' (2017) nicht für die ADHS-Behandlung eingesetzt werden. Die Leitlinie ist allerdings abgelaufen und soll erneuert werden.<ref name=":10" /> |
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Die Impulsivität vieler Betroffenen kann zu Berufsversagen führen, bei Mädchen und Frauen zu ungewollten Schwangerschaften. |
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==== Kombinationstherapie ==== |
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[[Kriminalität]] ist ebenfalls ein Problem vieler schwer ADS-Betroffener. Einerseits kann sich dies ausprägen als Beschaffungskriminalität bei Drogensucht. Andererseits kann die Kriminalität selbst den ADS-Betroffenen die Stimulation geben, die sie benötigen; fehlende Impulskontrolle führt zu [[Körperverletzung]], [[Sachbeschädigung]], [[Vandalismus]], [[Vergewaltigung]] und [[Diebstahl]]. Dies gilt besonders bei Betroffenen mit [[Betragensstörung]]en. |
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Eine Kombinationstherapie ist bei ADHS bei Erwachsenen nicht ungewöhnlich. Eine Kombinationstherapie lag in einer Studie von 2009 in mehr als 20 % der Behandlungszeiträume aller Medikamente vor. Kombinationen waren dabei je nach Medikament unterschiedlich häufig. Sie reichten von ca. 20 % der Behandlungszeiträume bei Atomoxetin bis zu 53 % bei [[Alpha-2-Adrenozeptor|α<sub>2</sub>-Adrenozeptor]]-[[Agonist (Pharmakologie)|Agonisten]]. Die in absoluten Zahlen am häufigsten vorkommende Kombination war Bupropion mit einem langfristig wirkenden Stimulans.<ref name="PMID19505334">G. M. Pohl, D. L. Van Brunt, W. Ye, W. W. Stoops, J. A. Johnston: ''A retrospective claims analysis of combination therapy in the treatment of adult attention-deficit/hyperactivity disorder (ADHD).'' In: ''BMC health services research.'' Band 9, Juni 2009, S. 95, [[doi:10.1186/1472-6963-9-95]], PMID 19505334, {{PMC|2702287}}.</ref> |
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Zu den Patientencharakteristika, bei denen eine Kombinationstherapie statistisch gehäuft vorkam, gehörten ein Alter über 24 Jahre, kürzlicher Besuch eines Psychiaters, hyperaktive Komponente von ADHS und komorbide Depressionen.<ref name="PMID19505334" /><ref name="PMID23560600">T. Treuer, S. S. Gau, L. Méndez, W. Montgomery, J. A. Monk, M. Altin, S. Wu, C. C. Lin, H. J. Dueñas: ''A systematic review of combination therapy with stimulants and atomoxetine for attention-deficit/hyperactivity disorder, including patient characteristics, treatment strategies, effectiveness, and tolerability.'' In: ''Journal of child and adolescent psychopharmacology.'' Band 23, Nummer 3, April 2013, S. 179–193, [[doi:10.1089/cap.2012.0093]], PMID 23560600, {{PMC|3696926}} (Review).</ref> |
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Ob die oft mit schwerem ADS einhergehenden [[Betragensstörung]]en eine Ausprägung der Störung sind, oder ob sie durch die gestörte Eltern-Kind-Beziehung und die Isolation von Gleichaltrigen entstehen, wird unter Neurologen noch diskutiert. |
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==== Andere Substanzen ==== |
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Begleitend oder alternativ zu Stimulanzien, Guanfacin oder Atomoxetin werden noch weitere Medikamente eingesetzt, insbesondere [[Antidepressiva]]. Typische Indikationen für letztere sind [[Depression]]en, [[Angststörung]]en oder [[Zwangsstörung]]en, die als Begleit- oder Folgeerkrankungen aufgetreten sind. Als alleinige Medikation sind diese Arzneimittel jedoch gegen ADHS-Symptome wirkungslos oder von sehr geringer Wirkung, mit Ausnahme von Bupropion, das hierbei eine kleine Wirkung zeigt.<ref name="PMID19238340">W. Verbeeck, S. Tuinier, G. E. Bekkering: ''Antidepressants in the treatment of adult attention-deficit hyperactivity disorder: a systematic review.'' In: ''Advances in therapy.'' Band 26, Nummer 2, Februar 2009, S. 170–184, [[doi:10.1007/s12325-009-0008-7]], PMID 19238340 (Review).</ref> |
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Nach Prof. [[Michael Hamm]] wurde ADS als Krankheitsbild bereits von [[Hippokrates von Kós]] um 400 v. Chr. beschrieben. Dieser führte es auf ein Ungleichgewicht von [[Feuer]] zulasten von [[Wasser]] im menschlichen Körper in Verbindung und empfahl eine [[multimodale Therapie]] aus körperlicher, geistiger und musischer Ertüchtigung sowie eine Diät mit Gerste statt Weizen, Fisch statt Fleisch und Wasser als Getränk. |
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Beispiele für eingesetzte Antidepressiva sind: |
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[[Heinrich Hoffmann]] beschrieb als erster in seinem Buch |
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"[[Struwwelpeter|Der Struwwelpeter]]" Mitte des [[19. Jahrhundert]]s die Symptome von ADHS in seiner Schilderung vom ''Zappelphilipp'' und ''Hans Guck-in-die-Luft''. |
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* [[Bupropion]] ist ein selektiver Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer. Allerdings ist die Wirkung dieser Substanz bezüglich der ADHS-Symptome gering.<ref name="PMID25813457">M. Stuhec, B. Munda, V. Svab, I. Locatelli: ''Comparative efficacy and acceptability of atomoxetine, lisdexamfetamine, bupropion and methylphenidate in treatment of attention deficit hyperactivity disorder in children and adolescents: a meta-analysis with focus on bupropion.'' In: ''Journal of affective disorders.'' Band 178, Juni 2015, S. 149–159, [[doi:10.1016/j.jad.2015.03.006]], PMID 25813457 (Review).</ref> |
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Bei der Arbeit mit ADS-Betroffenen fielen Psychologen aber immer wieder bekannte Personen auf, bei denen sie Hinweise auf ADS fanden; entweder durch ihre eigene Lektüre, oder durch Hinweise ihrer Patienten, die sich von einem bestimmten Autor besonders verstanden fühlten. |
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* Selektive [[Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer]] (SNRI) wie [[Venlafaxin]] und [[Duloxetin]], welche die Wiederaufnahme von [[Serotonin]] und Noradrenalin in die [[Synapse|Präsynapse]] hemmen. Allerdings liegen für keine der beiden Substanzen bislang (Stand Januar 2016) ausreichende Daten zur Wirksamkeit bei ADHS vor, die eine Empfehlung für diese Patienten rechtfertigen würden.<ref name="PMID23157376">A. Ghanizadeh, R. D. Freeman, M. Berk: ''Efficacy and adverse effects of venlafaxine in children and adolescents with ADHD: a systematic review of non-controlled and controlled trials.'' In: ''Reviews on recent clinical trials.'' Band 8, Nummer 1, März 2013, S. 2–8, PMID 23157376 (Review).</ref><ref name="PMID24259607">P. Park, J. Caballero, H. Omidian: ''Use of serotonin norepinephrine reuptake inhibitors in the treatment of attention-deficit hyperactivity disorder in pediatrics.'' In: ''The Annals of pharmacotherapy.'' Band 48, Nummer 1, Januar 2014, S. 86–92, [[doi:10.1177/1060028013506561]], PMID 24259607 (Review).</ref> |
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* [[Trizyklisches Antidepressivum|Trizyklische Antidepressiva]] wie [[Desipramin]], [[Imipramin]] oder [[Doxepin]]. Für Desipramin konnten zwar Anzeichen für eine kurzfristige Besserung der ADHS-Symptome gefunden werden, wegen der Nebenwirkungen (unter anderem Erhöhung von Blutdruck und Pulsfrequenz) wurde jedoch wenig Anlass für eine Anwendung gesehen.<ref name="PMID25238582">J. Otasowie, X. Castells, U. P. Ehimare, C. H. Smith: ''Tricyclic antidepressants for attention deficit hyperactivity disorder (ADHD) in children and adolescents.'' In: ''The Cochrane database of systematic reviews.'' Band 9, 2014, S. CD006997, [[doi:10.1002/14651858.CD006997.pub2]], PMID 25238582 (Review).</ref> Für die beiden anderen Substanzen liegen keine ADHS-spezifischen Daten vor. [[Nortriptylin]] wird ebenfalls zur Behandlung von ADHS eingesetzt.<ref>{{Literatur |Autor=Joseph Biederman, Thomas Spencer, Timothy Wilens |Titel=Evidence-based pharmacotherapy for attention-deficit hyperactivity disorder |Sammelwerk=The International Journal of Neuropsychopharmacology |Band=7 |Nummer=1 |Datum=2004-03 |ISSN=1461-1457 |Seiten=77–97 |DOI=10.1017/S1461145703003973}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Martin D. Ohlmeier, Mandy Roy |Titel=ADHS bei Erwachsenen - ein Leben in Extremen: Ein Praxisbuch für Therapeuten und Betroffene |Verlag=Kohlhammer Verlag |Datum=2012 |ISBN=978-3-17-027410-5 |Online=[https://books.google.de/books?id=1It4DwAAQBAJ&pg=PT79&lpg=PT79&dq=Nortriptylin+bei+adhs&source=bl&ots=TTvzBlhBhv&sig=ACfU3U1zh9iFUHKNu_H9pM1xlwC_XG98Ng&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjg9cy7ranpAhVOKuwKHTXFA-YQ6AEwCXoECAgQAQ#v=onepage&q=Nortriptylin%20bei%20adhs&f=false Google Books] |Abruf=2020-05-10}}</ref> |
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* Selektive [[Serotonin-Wiederaufnahmehemmer]] (SSRI) wie z. B. [[Fluoxetin]] oder [[Sertralin]], welche die Wiederaufnahme von Serotonin in die [[Synapse|Präsynapse]] hemmen, kommen in Betracht als mögliche zusätzliche Medikation, insbesondere bei begleitenden Anzeichen von Depression.<ref name="PMID19108661" /> |
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Andere Arzneimittel, für die jedoch noch keine ausreichenden Daten für eine Anwendung bei ADHS vorliegen: |
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Als Beispiele seien an dieser Stelle [[Ludwig van Beethoven]], [[Winston Churchill|Winston Spencer Churchill]], [[Walt Disney]], [[Thomas Edison]], [[Albert Einstein]], [[Benjamin Franklin]], [[John F. Kennedy]], [[Theodore Roosevelt]], [[Jules Verne]], [[H.G. Wells]], [[Orson Welles]], die Familie von [[Thomas Mann]], [[Hermann Hesse]], [[Friedrich Nietzsche]], [[E.A. Poe]], [[Heinrich von Kleist]], [[Friedrich Schiller]] und die [[Gebrüder Wright]] genannt. |
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* [[Modafinil]] ist ein zur Behandlung der [[Narkolepsie]] zugelassenes Stimulans, das auch bei der ADHS-Therapie [[Off-Label-Use|off-label]] angewandt werden kann. Versuche über Wochen zeigten positive Ergebnisse bei ADHS, jedoch fehlen Untersuchungen zur Langzeitbehandlung, und von 2006 bis 2016 sind keine weiteren Übersichtsstudien (reviews) mehr erschienen.<ref name="PMID16954326">S. E. Lindsay, G. A. Gudelsky, P. C. Heaton: ''Use of modafinil for the treatment of attention deficit/hyperactivity disorder.'' In: ''The Annals of pharmacotherapy.'' Band 40, Nummer 10, Oktober 2006, S. 1829–1833, [[doi:10.1345/aph.1H024]], PMID 16954326 (Review).</ref><ref name="PMID16623645">D. Turner: ''A review of the use of modafinil for attention-deficit hyperactivity disorder.'' In: ''Expert review of neurotherapeutics.'' Band 6, Nummer 4, April 2006, S. 455–468, [[doi:10.1586/14737175.6.4.455]], PMID 16623645 (Review).</ref> |
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Auch in der Kinder- und Jugendliteratur werden immer wieder Kinder beschrieben, bei denen sich Hinweise auf ein Vorliegen von ADHS finden, neben den oben bereits erwähnten Zappelphillipp und Hans-guck-in-die-Luft sind dies exemplarisch [[Pippi Langstrumpf]], [[Michel aus Lönneberga]] und [[Tom Sawyer]]. |
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* Metadoxin (bekannt aus der Alkoholentgiftung) hat sich in einigen Studien mit Erwachsenen als teilweise wirksames ADHS-Medikament erwiesen, wobei jedoch nur Verbesserungen eintraten in der Aufmerksamkeit und nur bei ADHS-Patienten mit Störungen vorwiegend im Bereich Aufmerksamkeit. Diese spezielle Wirkung trat dann allerdings bereits bei einmaliger Anwendung innerhalb von 3–5 Stunden auf.<ref name="PMID23290324">I. Manor, R. Ben-Hayun, J. Aharon-Peretz, D. Salomy, A. Weizman, Y. Daniely, D. Megiddo, J. H. Newcorn, J. Biederman, L. A. Adler: ''A randomized, double-blind, placebo-controlled, multicenter study evaluating the efficacy, safety, and tolerability of extended-release metadoxine in adults with attention-deficit/hyperactivity disorder.'' In: ''The Journal of clinical psychiatry.'' Band 73, Nummer 12, Dezember 2012, S. 1517–1523, [[doi:10.4088/JCP.12m07767]], PMID 23290324 (freier Volltext).</ref><ref name="PMID23933905">I. Manor, J. H. Newcorn, S. V. Faraone, L. A. Adler: ''Efficacy of metadoxine extended release in patients with predominantly inattentive subtype attention-deficit/hyperactivity disorder.'' In: ''Postgraduate medicine.'' Band 125, Nummer 4, Juli 2013, S. 181–190, [[doi:10.3810/pgm.2013.07.2689]], PMID 23933905.</ref><ref name="PMID25295645">I. Manor, J. Rubin, Y. Daniely, L. A. Adler: ''Attention benefits after a single dose of metadoxine extended release in adults with predominantly inattentive ADHD.'' In: ''Postgraduate medicine.'' Band 126, Nummer 5, September 2014, S. 7–16, [[doi:10.3810/pgm.2014.09.2795]], PMID 25295645.</ref> |
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==== Lokalanästhetika bei ADHS ==== |
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== Diskussion == |
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Bei ADHS kann es zu unerwarteten Abweichungen bei der Wirkung von Lokalanästhetika kommen. Siehe [[Lokalanästhesie (Zahnmedizin)#Lokalanästhesie bei ADHS]]. |
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ADS ist zwar lange bekannt, und es existieren auch Langzeitstudien zur Behandlung mit [[Methylphenidat]] und zur Biographie unbehandelter Betroffener; die Durchbrüche in der Erforschung der [[Genese]] von ADS und das Begreifen als neurobiologische Störung folgten aber erst [[Alan Zametkin]]s [[PET]]-Studie von [[1990]]. So ist ADS immer noch nicht vollständig erforscht, und der aktuelle Forschungsstand ist auch außerhalb der [[Neurologie]] noch nicht vollständig realisiert - von einigen Gruppen wird er auch bewußt ignoriert. |
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=== Psychotherapie === |
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Auch werden häufig von [[Journalist]]en zur Auflagensteigerung Ängste vor dem unter das [[BTM-Gesetz]] fallende [[Methylphenidat]] und die gezielte Persönlichkeitsveränderung von ADS-Betroffenen durch Medikation und Verhaltenstherapie aufgegriffen und ausgeschlachtet. Daß es dadurch zu einer Verunsicherung von Eltern Betroffener kommt und so ein ADS-Kind eventuell unbehandelt bleibt und in seiner Biographie so den erweiterten Risiken von Sucht, Depression und sozialem Absturz ausgesetzt ist, wird von ihnen nicht beachtet oder billigend in Kauf genommen. |
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Psychotherapeutische Behandlungsmethoden können ein nützlicher Bestandteil im Rahmen der multimodalen Therapie sein. |
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==== Verhaltenstherapie ==== |
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Politische oder psychologische Ideologien können ebenfalls auf dem Rücken von ADS-Betroffenen propagiert werden. Kirsten Stollhoff (siehe Literatur) zeigt ebenfalls die Möglichkeit auf, dass viele ADS-Betroffene nach ihrer Diagnose bei medikamentöser Einstellung der wirkungslosen [[Psychoanalyse]] ganz und teilweise der nur Folgeschäden behandelnden tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie verloren gehen, und dass deswegen die Lobby der Therapeuten versucht, die neurobiologische [[Genese]] der Störung zu bezweifeln und die medikamentöse Therapie in Misskredit zu bringen. Hier hat sie vor allem den hochumstrittenen göttinger Neurobiologen [[Gerald Hüther]] im Blick, der sich sehr häufig gegen eine medikamentöse Therapie von ADS in psychoanalytischen Organen äußert und 2002 mit einer Untersuchung von fünf Ratten einen Zusammenhang zwischen Methylphenidat und Parkinson-Krankheit behauptete, der mittlerweile widerlegt ist und von dem sich der Arbeitskreis Neurobiologie der [[Universität Göttingen]] nachdrücklich distanzierte. |
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Ziel [[Verhaltenstherapie|verhaltenstherapeutischer]] Maßnahmen ist es, dass die Betroffenen geeignete [[Fähigkeit (Psychologie)|Fähigkeiten]] erwerben, um mit den Besonderheiten und Problemen zurechtzukommen, die ADHS mit sich bringt. Im Kindesalter orientieren sich verhaltenstherapeutische Therapieprogramme daran, in einem Elterntraining Informationen zu ADHS und geeignete Hilfen zum Einrichten von Regeln und Ordnung zu bieten (z. B. Übungen mit einem [[Token-System]] oder [[Response-Cost]]; Hilfen im Verhalten bei Problemen). Weitere Zielsetzungen können die Verbesserung der Selbststeuerung (z. B. durch [[Coaching]], [[Selbstinstruktion]]straining oder [[Selbstmanagement-Therapie]]) und die Förderung des [[Selbstwert]]gefühls der Kinder und Jugendlichen sein.<ref name="spektrum.de" /> |
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Zur Behandlung wurden Therapieprogramme entwickelt, die speziell auf Verhalten und Aufmerksamkeit der betroffenen Kinder ausgerichtet sind. Besonders haben sich hierbei [[Operante Konditionierung|operante]] Therapieprogramme bewährt. Durch verschiedene beiliegende Materialien und Übungen wird versucht, geeignetes Verhalten und Aufmerksamkeit zu fördern. Sie verwenden zumeist Pläne und versuchen, schon Kindern Wissen über Aufmerksamkeit und strategisches Handeln zu vermitteln. Eine bedeutende Aufgabe haben die Eltern, die die unterschiedlichen Therapieschritte möglichst unterstützen und beobachten sollten. |
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=== Tiefenpsychologische Sicht === |
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Die Wirksamkeit von Verhaltenstherapie bei ADHS ist mehrfach nachgewiesen worden, sowohl ohne als auch mit Kombination von Medikamenten. Wurden Medikamente mit Verhaltenstherapie kombiniert, war eine geringere Dosierung der Medikamente ausreichend.<ref name="PMID25220083">L. J. Pfiffner, L. M. Haack: ''Behavior management for school-aged children with ADHD.'' In: ''Child and adolescent psychiatric clinics of North America.'' Band 23, Nummer 4, Oktober 2014, S. 731–746, [[doi:10.1016/j.chc.2014.05.014]], PMID 25220083, {{PMC|4167345}} (Review).</ref> |
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Aus Sicht einiger [[Entwicklungspsychologie|Entwicklungspsychologen]] und [[Psychoanalyse|Psychoanalytiker]] wird es für unwahrscheinlich gehalten, dass die entsprechenden [[Symptom]]e auf einem angeborenen Stoffwechseldefekt basieren. Vielmehr müssten frühkindliche lebensgeschichtliche Faktoren als ursächlich angesehen werden. ADS/ADHS steht mit einem veränderten Stoffwechsel im Gehirn in Verbindung. Dieser veränderte Stoffwechsel muss jedoch keine ursächliche Erklärung für das Verhalten der Kinder darstellen. Ebensogut könne man annehmen, dass sich das plastische menschliche Gehirn bei ADS-Kindern so entwickelt hat, ''weil'' sie bestimmte Erfahrungen machten. Diese ebenfalls in der Psychologie vertretene These sieht den Grund des Verhaltens eher in den Erfahrungen des Kindes als in der [[Vererbung]]. |
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=== Weitere Unterstützungsmaßnahmen === |
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Aus [[Tiefenpsychologie|tiefenpsychologischer]] Sicht sind die Eltern und Erzieher also integraler Bestandteil des Phänomens und die Störungen im Verhalten der Kinder nur wiederum Manifestationen der Verhaltensprobleme ihrer Bezugspersonen. Folgt man dieser Sichtweise, ist die Bezeichnung für dieses Syndrom nicht weniger treffend, da die Kinder und Jugendlichen an den Aufmerksamkeitsdefiziten zum Beispiel ihrer Eltern ihnen gegenüber leiden und dies durch entsprechende aufmerksamkeitschaffende Aktivitäten (Hyperaktivität) zu kompensieren versuchen. |
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==== Bei Schulproblemen ==== |
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Diese Sichtweise hält keiner Bestätigung durch Studien stand; Psychologen, die versucht haben, ADS-Betroffene nach dieser Sichtweise zu "heilen", haben in vielen Fällen den Leidensdruck von Betroffenen und ihren Bezugspersonen unnötig erhöht und eine wirkungsvolle Therapie weiter hinausgezögert (siehe Stollhoff, Hochrisiko ADHS). Des weiteren führt sie zu einer [[Stigmatisierung]] von Eltern ADS-Betroffener, die durch ihr Kind schon genügend Leidensdruck haben. |
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Sollte das Kind bereits im Vorschulbereich besondere Hilfe benötigen, kann ein Besuch der [[Vorschule]] oder einer [[Frühförderung]] sinnvoll sein. |
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Bei Kindern, die an ADHS leiden, muss sorgfältig geprüft werden, welche Schulform ihrer Leistungsfähigkeit entspricht. Dabei sollte beachtet werden, ob sie eventuell schulisch über- oder unterfordert sind. Bei massiven Verhaltensproblemen kann auch der Besuch einer [[Integrative Pädagogik|integrativen Klasse]] oder [[Förderschule (Deutschland)|Förderschule]] zum Erhalt besonderer [[Hilfen zur Erziehung|Erziehungshilfen]] notwendig werden. Der Besuch einer Heimschule mit spezieller pädagogischer Förderung kann sinnvoll sein, wenn der Besuch einer Regel- oder Förderschule nicht mehr möglich ist. Hier besteht die Möglichkeit der intensiven pädagogischen Förderung in kleinen Gruppen.<ref name="DGKJP" /><ref>{{cite web |url=http://www.kmk.org/doc/beschl/emotsozentw.pdf |title=Empfehlungen zum Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland |format=PDF |archiveurl=https://web.archive.org/web/20080828190904/http://www.kmk.org/doc/beschl/emotsozentw.pdf |archivedate=2008-08-28 |accessdate=2011-01-06 |language=en}}</ref> |
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Auf keinen Fall kann diese Sichtweise erklären, weswegen einige Geschwister ADS-Betroffen sind, andere, teils Zwillingsgeschwister, aber nicht. |
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==== Ergotherapie ==== |
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Mit ADHS sind häufig Schwierigkeiten mit der [[Motorik]] verbunden, die sowohl [[Grobmotorik]] als auch die Feinmotorik betreffen. Abhilfe kann hier eine [[Ergotherapie]] schaffen. Weiterhin kann die Ergotherapie Hilfe im Bewältigen von alltäglichen Problemen leisten. Dazu zählen u. a. das Erlernen von kompensierenden Strategien, angemessenem Sozialverhalten sowie Elterntraining und Beratung zur Förderung des Kindes im Alltag. |
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==== Körperliche Übungen ==== |
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=== ADHS ist nicht spezifizierbar === |
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[[Meditation]], [[Achtsamkeit (mindfulness)|Achtsamkeitsübungen]] und [[Sport]] können die charakteristischen Symptome mildern und das Sozialverhalten verbessern.<ref>Carolin Friederike Kamp, Billy Sperlich, Hans-Christer Holmberg: ''Exercise reduces the symptoms of attention-deficit/hyperactivity disorder and improves social behaviour, motor skills, strength and neuropsychological parameters''. [[doi:10.1111/apa.12628]].</ref><ref>Viviane Freire Bueno, Elisa H. Kozasa, Maria Aparecida da Silva, Tânia Maria Alves, Mario Rodrigues Louzã, Sabine Pompéia: ''Mindfulness Meditation Improves Mood, Quality of Life, and Attention in Adults with Attention Deficit Hyperactivity Disorder''. [[doi:10.1155/2015/962857]].</ref><ref>L. Eugene Arnold: ''Alternative Treatments for Adults with Attention-Deficit Hyperactivity Disorder''. [[doi:10.1111/j.1749-6632.2001.tb05788.x]].</ref> |
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==== Hilfen zur Erziehung ==== |
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Kritiker gehen davon aus, dass es sich bei ADHS nicht um ein abgrenzbares und spezifisches [[Syndrom]] handelt, sondern um eine unspezifische Sammlung von [[Symptom]]en, wie sie ihrer Meinung nach auch bei anderen systemischen Erkrankungen, zum Beispiel aus dem [[rheuma]]todien Formenkreis, zu finden seien. |
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Die [[Kinder- und Jugendhilfe]] bietet interessierten Eltern als unterstützende Maßnahmen [[Hilfen zur Erziehung]], zum Beispiel [[Erziehungsberatung]], [[sozialpädagogische Familienhilfe]], [[Tagesgruppe]]n oder Lerntherapie. Dabei wird versucht, erzieherischen Methoden und einer speziellen Förderung die oft existierenden Defizite im Verhalten zu verringern und darüber hinaus auch eine Verbesserung der schulischen Leistungen zu bewirken. |
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Sie nehmen an, dass die Probleme von ADHS-Betroffenen einen anderen Hintergrund haben und die Unterordnung unter eine gemeinsame Diagnose somit sehr willkürlich sei. |
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Eltern haben auch die Möglichkeit, selbst gewählte Hilfen über das regional zuständige Jugendamt zu beantragen. Nach {{§|5|sgb_8|juris}} SGB VIII besteht für die Eltern ein Wunsch- und Wahlrecht hinsichtlich der Art des Hilfeangebotes und des Anbieters bzw. Beraters. In der Regel reicht es, einen formlosen Antrag auf Hilfe zur Erziehung zu stellen. |
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Besonderheiten, bei denen [[Hyperaktivität]] häufig ein Merkmal ist, sind das [[Angelman-Syndrom]] und [[Autismus]]. |
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==== Elterntraining ==== |
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Manchmal wird ADS auch als [[Modekrankheit]] bezeichnet, von skrupellosen Nervenärzten erschaffen, um ihr Auskommen zu sichern. |
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Durch eine Verbesserung der Erziehungskompetenz der Eltern soll Folgeproblemen in der Eltern-Kind-Beziehung und im Sozialverhalten vorgebeugt bzw. diese reduziert werden. Als hilfreich haben sich hauptsächlich lerntheoretisch basierte Konzepte wie [[Triple P]] oder [[Starke Eltern – Starke Kinder]] herausgestellt, die alle von einer Verstärkung der positiven, sozial verträglichen Verhaltensweisen der Kinder ausgehen und neuropsychologische Erkenntnisse über das Gehirn einbeziehen.<ref>Neuhaus, Cordula; Trott, Götz-Erik;Berger-Eckert, Annette; Schwab, Simone, Townson, Sabine; Neuropsychotherapie der ADHS, Verlag W. Kohlhammer, 2009</ref> |
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==== Selbsthilfegruppen ==== |
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Diese Kritiker haben meist keinerlei Erfahrung in der Behandlung von mehreren ADS-Betroffenen. Vor allem wird von ihnen die organische Nachweisbarkeit von ADS ignoriert. |
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Selbsthilfegruppen existieren hauptsächlich als Gruppen für Angehörige (meistens Elterngruppen) oder für betroffene Erwachsene. Die erlebte Unterstützung in Selbsthilfegruppen und der Austausch mit Menschen mit ähnlichen Problemen kann günstigen Einfluss auf das [[Selbstbild]], die [[Handlungsfähigkeit (Psychologie)|Handlungsfähigkeit]] und die [[Selbstwirksamkeitserwartung]]en der Betroffenen bzw. der Angehörigen ausüben.<ref name=":5" /> |
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==== Coaching ==== |
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=== ADS ist eine Krankheit der Gesellschaft, nicht der Kinder === |
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Bei einem Coaching steht dem Betroffenen neben dem Therapeuten und dem Arzt noch eine Vertrauensperson zur Verfügung, die ihn unterstützt, mit ihm Ziele entwirft und mit ihm gemeinsam Strategien entwickelt, wie diese Ziele im Alltag zu erreichen sind. Somit arbeitet der Coach eng mit dem Betroffenen zusammen und hilft ihm, die getroffenen Vorsätze umzusetzen und das Selbstmanagement zu stärken. Coaching ist – anders als das Angebot durch Ärzte, Psycho- und Ergotherapeuten – keine Leistung der Krankenversicherungen und in der Regel selbst zu finanzieren. Eine neue, ehrenamtliche Form des Coachings hat sich durch die digitalen Medien entwickelt, so über E-Mails, Austausch und Beratung in Selbsthilfeforen und online-Elterncoaching.<ref name=":5">ADHS-Deutschland e.V - Selbsthilfe für Menschen mit ADHS: [http://www.adhs-deutschland.de/Home/Unser-Angebot/Unser-Angebot.aspx Unser Angebot]</ref> |
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Diese Meinung wird häufig von Politikern und Pädagogen vertreten, unter Anderem vom Politiker [[Reinald Eichholz]] (zitiert in Hochrisiko ADHS von Stollhoff) oder Nicola Raschendorfer in ihrem Buch "ADS - und wenn es das gar nicht gibt?". |
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=== Alternative Behandlungen === |
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Die Meinung ist, dass ADS-Kinder eigentlich "ganz normal" in einer unnormalen Gesellschaft sind und ihre Medikamentation die Gesellschaft nur von nötigen Reformen von sich und dem Schulsystem ablenkte. Man solle die Kinder lieber so akzeptieren, wie sie sind, als sie zu medikamentieren. Viele "kranke" Kinder seien auch nur "krank", weil die Gesellschaft ihnen nicht erlaubt, sich zu integrieren. |
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==== Neurofeedback-Training ==== |
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[[Neurofeedback]] ist eine Spezialform eines [[Biofeedback]]-Trainings, bei der eine trainierende Person computergesteuert optische oder akustische Rückmeldung über Veränderungen der [[Elektroenzephalografie|EEG-Signale]] ihres Gehirns erhält. Dies ist zum Beispiel ein Flugzeug auf dem Bildschirm, das dann an Höhe gewinnt, wenn bestimmte EEG-Signale sich in eine bestimmte Richtung verändern. Der Computer misst die EEG-Signale und lässt das Flugzeug (nahezu in Echtzeit) steigen, wenn die EEG-Signale durch eine bestimmte gedankliche Konzentration verändert werden und diese Veränderung in die „richtige“ – vorher einprogrammierte Richtung – geht. |
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Grundlage ist die Erfahrung, dass bei ADHS – statistisch gesehen – bestimmte Besonderheiten des EEG vorliegen. Daraus wurde von Manchen die Vermutung abgeleitet, dass Veränderung dieser Abweichungen – in Richtung Normalisierung – durch Neurofeedback dem Patienten nützen könnte. Ein Problem hierbei ist jedoch, dass die EEG-Abweichungen von Patient zu Patient stark variieren und zum Beispiel eine ADHS-Diagnose aufgrund von EEG-Ergebnissen nicht möglich ist. Ein weiteres Problem ist, dass die Abweichungen im Gehirn, die die Abweichungen der EEG-Signale verursachen, in der Regel so gut wie unbekannt sind. Die Forschung hierzu befindet sich noch (Stand Januar 2016) in sehr bescheidenen Anfängen.<ref name="PMID25234074">A. Lenartowicz, S. K. Loo: ''Use of EEG to diagnose ADHD.'' In: ''Current psychiatry reports.'' Band 16, Nummer 11, November 2014, S. 498, [[doi:10.1007/s11920-014-0498-0]], PMID 25234074, {{PMC|4633088}} (Review).</ref> |
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Einerseits bezweifeln auch Neurologen nicht, dass sich die Grenze zwischen leichtem, nicht behandlungsbedürftiger ADS und behandlungsbedürftigem ADS in den letzten Jahrzehnten verschoben hat. |
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Bei Untersuchungen zur Wirksamkeit von Neurofeedback-Training bei ADHS wurden anfänglich Besserungen bei den Symptomen verzeichnet. Als man jedoch ausschloss, dass die Erwartungshaltung die Ergebnisse beeinflusste ([[Blindstudie]]), verringerte sich die Wirkung markant oder verschwand völlig. Als man schließlich die Wirkungen bei echtem und vorgetäuschtem Feedback ([[Placebo]]) verglich, so war kein Unterschied festzustellen. Neurofeedback war demnach also nur wirksam durch seine allgemeine Förderung von Konzentration und Selbstkontrolle, ähnlich wie entsprechendes Training in Verhaltens- oder Ergotherapie.<ref name="PMID24860487">M. A. Vollebregt, M. van Dongen-Boomsma, D. Slaats-Willemse, J. K. Buitelaar: ''What future research should bring to help resolving the debate about the efficacy of EEG-neurofeedback in children with ADHD.'' In: ''Frontiers in human neuroscience.'' Band 8, 2014, S. 321, [[doi:10.3389/fnhum.2014.00321]], PMID 24860487, {{PMC|4030169}}.</ref><ref name="PMID24168522">M. A. Vollebregt, M. van Dongen-Boomsma, J. K. Buitelaar, D. Slaats-Willemse: ''Does EEG-neurofeedback improve neurocognitive functioning in children with attention-deficit/hyperactivity disorder? A systematic review and a double-blind placebo-controlled study.'' In: ''Journal of child psychology and psychiatry, and allied disciplines.'' Band 55, Nummer 5, Mai 2014, S. 460–472, [[doi:10.1111/jcpp.12143]], PMID 24168522.</ref><ref name="PMID25220087">M. Holtmann, E. Sonuga-Barke, S. Cortese, D. Brandeis: ''Neurofeedback for ADHD: a review of current evidence.'' In: ''Child and adolescent psychiatric clinics of North America.'' Band 23, Nummer 4, Oktober 2014, S. 789–806, [[doi:10.1016/j.chc.2014.05.006]], PMID 25220087 (Review).</ref> |
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Andererseits ist es sicher legitim, diese Gesellschaft verändern zu wollen. Dies zu tun, indem man ADS-Betroffenen die Behandlung vorenthalten will, verschiebt den Kampf aber auf den Rücken von Menschen, denen man dadurch das Leben erschwert und ihnen eine Karriere von Versagen und Unzufriedenheit gibt. Die Gesellschaft wird sich nicht so schnell ändern, und den Fortschritt zurückdrehen zu wollen, mutet an wie die Proteste [[Londoner Weberstreik|londoner Weber]] gegen die ersten Dampfmaschinen. Der Behandlungsbedürftige muss in seinem Umfeld behandelt werden und hat ein Recht darauf, in der vernetzten Gesellschaft beispielsweise einer Großstadt fähig zu sein, ein Leben zu führen, und nicht in einem Bergdorf als [[Einsiedler]] leben zu müssen. |
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==== Eliminationsdiät ==== |
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Schließlich zeigt sich bei den sicher besorgten Vertretern dieser Meinung, dass sie keinerlei Erfahrung mit ADS-Betroffenen haben. |
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Studien des ADHS Research Center in Eindhoven mit der Universität Rotterdam zeigten, dass mit Hilfe der [[Eliminationsdiät]] bei manchen Kindern mit ADHS-Symptomen Erfolge erzielt werden konnten. Eine Studie mit 100 Teilnehmern zeigte bei 64 % der damit behandelten Kindern eine bedeutsame ([[signifikant]]e) Verminderung der ADHS-Symptome. Diese aßen zunächst nur Reis, Gemüse und Fleisch. Alles andere wurde aus dem Speiseplan entfernt. Nachdem die ADHS-Symptome vermindert waren, wurden Mahlzeiten um weitere Nahrungskomponenten ergänzt, um die möglichen Auslöser für ADHS zu identifizieren. Tatsächlich lösten nur einige wenige Lebensmittel ADHS aus, die – gemäß Studie – dauerhaft vermieden werden sollten. Die betroffenen Lebensmittel unterschieden sich dabei von Kind zu Kind.<ref>{{Internetquelle |autor=[[Thekla Jahn]] |url=https://www.deutschlandfunk.de/diaet-gegen-adhs-100.html |titel=Diät gegen ADHS |werk=[[Deutschlandfunk]] |datum=2011-04-06 |abruf=2023-11-17}}</ref> |
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Eine Übersichtsstudie von 2014 berichtete, dass es kleine – aber zuverlässige – Wirkungen bei dieser Methode gebe. Viele Fragen seien jedoch noch offen, insbesondere die Klärung, ob es im Voraus bestimmte Anzeichen dafür gibt, ob ein Betroffener möglicherweise von dieser Methode eine Besserung erwarten könne.<ref name="PMID25220094">J. T. Nigg, K. Holton: ''Restriction and elimination diets in ADHD treatment.'' In: ''Child and adolescent psychiatric clinics of North America.'' Band 23, Nummer 4, Oktober 2014, S. 937–953, [[doi:10.1016/j.chc.2014.05.010]], PMID 25220094, {{PMC|4322780}} (Review).</ref> |
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Dies zeigt sich zum Einen in einem sehr problematischen Verhältnis zum Bild der ADS. Nicola Raschendorfer zitiert die renommierte "Pionierin auf dem Gebiet der ADS-Therapie" Cordula Neuhaus: |
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:''Auf die Frage: "Wie erzähle ich dem Kind, was mit ihm los ist?" empfiehlt sie, Metaphern wie "Dein Gehirn arbeitet gut, aber es ist ein bißchen kurzsichtig" oder "Der Arbeitsspeicher in deinem Gehirncomputer ist so groß, daß immer wieder etwas herausfällt, bevor es auf der Festplatte ist" (zu groß = gut für Kinder) zu verwenden'' |
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um daraus weiterhin Schlüsse zu ziehen: |
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:''Das Bild, das dahinter steht, sieht düster aus: Die Kinder leiden unheilbar an etwas, mit dem man sie nicht offen konfrontieren darf, das man ihnen so schonend wie möglich beibringen muß.'' |
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:Raschendorfer, ADS (siehe Literatur), S. 21 |
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Davon, daß ADS ein Modus der Wahrnehmung ist, der seine Stärken und Schwächen hat, und die Behandlung nicht zu einer "Heilung" führt, sondern dem Betroffenen ermöglicht, mit seinen Schwächen umzugehen und seine Stärken auszuspielen, scheint diese Argumentation nichts zu wissen oder wissen zu wollen. Genausogut könnte man die Förderungsprogramme für Frauen in bestimmten Berufen als "Therapie" ansehen, die sie von der "Krankheit Weiblichkeit" heilen soll. |
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==== Nährstofftherapie ==== |
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Zum Anderen ist die Aufforderung, den Betroffenen so zu akzeptieren, wie er sei, sicher nicht schlecht; der Betroffene selbst erlebt aber einen beträchtlichen Leidensdruck, weil er sich selbst nicht so akzeptieren kann, wie er ist. Er fängt vieles hoffnungsvoll an, um es nicht zu Ende zu führen und erlebt so die Erfolgserlebnisse einer abgeschlossenen Sache nur selten. Seine Impulsivität katapultieren ihn aus Gruppen heraus. Er sucht ständig nach neuen Stimulantien, und muss weiter suchen, sobald er sie gefunden hat. Wenn er eine Sache zu Ende bringt, verfällt er in Depressionen, weil die Stimulation des Kampfes um die Sache wegfällt. Schließlich und Endlich sind ein Abrutschen in die Drogenszene und ungewollte Schwangerschaften bei Mädchen sicher keine Sachen, die man so einfach auf die Gesellschaft schieben und "akzeptieren" kann. Ob die Propagandisten dieser sehr [[Ideologie|ideologischen]] Meinung den Betroffenen immer noch "akzeptieren", wenn er die gesuchte Stimulation in einer [[Kriminalität|kriminellen]] Vereinigung oder einer [[Rechtsextremismus|rechtsextremen]] Gruppe findet, darf zumindest stark bezweifelt werden. |
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In einer randomisierten, dreifachverblindeten Studie wurde gefunden, dass die mittelfristige Gabe (für 8 Wochen) einer breiten Palette an Vitaminen und Mineralstoffen Verhaltensprobleme (ADHS-Symptome) verringert und die Kinder zudem stärker wachsen lässt. Dabei wurden im Verlauf der Supplementierung keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse oder klinisch bedeutsame Veränderungen gefunden.<ref>{{Literatur |Autor=Jeanette M. Johnstone, Irene Hatsu, Gabriella Tost, Priya Srikanth, Leanna P. Eiterman, Alisha M. Bruton, Hayleigh K. Ast, Lisa M. Robinette, Madeline M. Stern, Elizabeth G. Millington, Barbara L. Gracious, Andrew J. Hughes, Brenda M. Y. Leung, L. Eugene Arnold |Titel=Micronutrients for Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder in Youths: A Placebo-Controlled Randomized Clinical Trial |Sammelwerk=Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry |Band=61 |Nummer=5 |Datum=2022-05-01 |ISSN=0890-8567 |Seiten=647–661 |Online=https://www.jaacap.org/article/S0890-8567(21)00473-1/fulltext |Abruf=2023-03-24 |DOI=10.1016/j.jaac.2021.07.005 |PMID=34303786}}</ref> Eine andere Studie fand, dass auch die langfristiger Verwendung von Supplements (3 Jahre untersucht) sicher bei der Behandlung von ADHS ist („substantial psychiatric benefits observed appear to outweigh the minimal observed risks“).<ref>{{Literatur |Autor=Julia J. Rucklidge, Matthew J. F. Eggleston, Breanne Ealam, Ben Beaglehole, Roger T. Mulder |Titel=An Observational Preliminary Study on the Safety of Long-Term Consumption of Micronutrients for the Treatment of Psychiatric Symptoms |Sammelwerk=The Journal of Alternative and Complementary Medicine |Band=25 |Nummer=6 |Datum=2019-06-01 |ISSN=1075-5535 |Seiten=613–622 |Online=https://www.liebertpub.com/doi/abs/10.1089/acm.2018.0352 |Abruf=2023-03-24 |DOI=10.1089/acm.2018.0352}}</ref> |
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Die zusätzliche Einnahme von [[Omega-3-Fettsäuren]] hat nach einer Übersichtsstudie von 2014 einen mäßigen positiven Effekt auf die Symptome von ADHS.<ref name="PMID25220092">M. H. Bloch, J. Mulqueen: ''Nutritional supplements for the treatment of ADHD.'' In: ''Child and adolescent psychiatric clinics of North America.'' Band 23, Nummer 4, Oktober 2014, S. 883–897, [[doi:10.1016/j.chc.2014.05.002]], PMID 25220092, {{PMC|4170184}} (Review).</ref> Für die mögliche Wirksamkeit einer zusätzlichen Einnahme von [[Magnesium]], [[Zink]] oder [[Eisen]] gibt es (Stand Januar 2016) keine herausragenden Belege.<ref name="PMID26445630">M. Hariri, L. Azadbakht: ''Magnesium, Iron, and Zinc Supplementation for the Treatment of Attention Deficit Hyperactivity Disorder: A Systematic Review on the Recent Literature.'' In: ''International journal of preventive medicine.'' Band 6, 2015, S. 83, [[doi:10.4103/2008-7802.164313]], PMID 26445630, {{PMC|4587068}} (Review).</ref> |
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Den Bedürfnissen des Betroffenen selbst wird diese gut gemeinte, aber zu blauäugige Argumentation in keinem Falle gerecht, und es ist auch in keinster Weise für sein Umfeld hilfreich, wenn Lehrer ihn und seine Eltern stigmatisieren, weil er Methylphenidat nimmt oder die Eltern von solchen "Enthüllungen" aufgeschreckt ihrem betroffenen Kind die wirksame Hilfe vorenthalten. Mit derartigem Schubladendenken kommt man beim komplexen Phänomen ADS nicht weiter. |
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==== Umstrittene Ansätze ==== |
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== Literatur == |
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Andere Ansätze können aufgrund der bisherigen Ergebnisse von Untersuchungen und [[Blindstudie|Doppelblind-Studien]] als wirkungslos gegenüber ADHS oder gesundheitlich bedenklich angesehen werden. |
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Eine [[Cochrane Library#Cochrane Reviews|Cochrane Systematic Review]] überprüfte 2007 die bis dahin publizierten [[Homöopathie|homöopathischen]] Behandlungen von Kindern mit ADHS. Laut der Studie gab es keinen signifikanten Effekt auf die Kernsymptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität, ebenso wenig auf begleitende Symptome wie gesteigerte Ängstlichkeit. Es gebe keine Belege für die Wirksamkeit von Homöopathie bei der Behandlung von ADHS. Weiteren Wirksamkeitsstudien sollte eine Entwicklung bestmöglicher Aufzeichnungen (Protokolle) der Behandlungen vorausgehen.<ref>{{Literatur |Autor=M. K. Coulter & M. E. Dean |Titel=Homeopathy for attention deficit/hyperactivity disorder or hyperkinetic disorder |Sammelwerk=[[Cochrane Library#Cochrane Database of Systematic Reviews (CDSR, Cochrane Reviews)|The Cochrane database of systematic reviews]] |Nummer=4 |Datum=2007-11 |Seiten=CD005648 |DOI=10.1002/14651858.CD005648.pub2 |PMID=17943868}}</ref> Homöopathie ist daher ungeeignet, eine konventionelle Therapie zu ersetzen und Heilkunde lediglich als eine mögliche Ergänzung zu betrachten. |
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=== Fachliteratur === |
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Die Behandlung mit sogenannten [[Grüne Spanalge|AFA-Algen]] ist gefährlich, da diese [[Cyanobakterien|Blaualgen]] im Allgemeinen [[Toxin]]e beinhalten, die sowohl die [[Leber]] als auch das [[Nervensystem]] nachhaltig schädigen können. Das kanadische Gesundheitsministerium sah sich nach entsprechenden Untersuchungen veranlasst, eine entsprechende Meldung herauszugeben und vor der Einnahme zu warnen – ebenso wie das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin.<ref>Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin: [https://www.bfr.bund.de/cm/208/afa_algen_und_afa_algenpropdukte.pdf ''AFA Algen und AFA Algenprodukte.''] (PDF; 22 kB) Stellungnahme des BgVV 2001.</ref> |
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* Manfred Döpfner: ''Hyperaktivität und Impulsivität.'' In: D.H. Rost (Hrsg.): ''Handwörterbuch der pädagogischen Psychologie.'' Weinheim: Beltz, 2001. (260-265) |
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* Manfred Döpfner: ''Hyperkinetische Störungen.'' In: F. Petermann (Hrsg.). Lehrbuch der klinischen Kinderpsychologie. Göttingen: Hogrefe, 2002. (152-179) |
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* Hesslinger B, Tebartz van Elst L, Thiel T, Haegele K, Hennig J, Ebert D: ''Frontoorbital volume reductions in adult patients with attention deficit hyperactivity disorder.'' Neuroscience Letters (2002) 328 (3): 319-321 |
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* Bernd Hesslinger: ''Psychotherapie der ADHS im Erwachsenenalter''. Hograefe 2004, ISBN 3801718565 |
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* Johanne Krause und Klaus-Henning Krause: ''ADHS im Erwachsenenalter''. Stuttgart 2004 (2.Auflage). ISBN 3794523717 |
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* Kathleen G. Nadeau: ''A Comprehensive Guide to Attention Deficit Disorder in Adults. Research, Diagnosis and Treatment'', 1995, ISBN 0876307608 |
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* Paul Wender: ''Aufmerksamkeits- und Aktivitätsstörungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen''. ISBN 317017097X |
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* Zametkin, Alan J.: ''Cerebral glucose metabolism in adults with hyperactivity of childhood onset'', New England Journal of Medizine, Nr. 20, Vol. 323, 1990 |
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* Zametkin, Alan J. et al.: ''Brain metabolism in teenagers with attention-deficit hyperactivity disorder'' in: Ach Gen Psychiatry Vol. 50, May 1993: 333-340 |
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== Geschichte == |
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=== Auswirkungen von ADS auf die Biographie === |
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[[Datei:Unterbrochene Mahlzeit Rustige 1838.png|mini|'''Unterbrochene Mahlzeit''' (1838), Gemälde von [[Heinrich von Rustige]]; Vorlage zur Figur des ''Zappel-Philipps'' im Bilderbuch [[Struwwelpeter]] (1845).]] |
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* Doris Ryffel-Rawak: ''ADS bei Erwachsenen'', Huber, Bern, 2003, ISBN 3456836317 und ''Wir fühlen uns anders!'', Huber, Bern, 2003, ISBN 3456839596 - Erklärung der Symptomatik und einiger ADS-Karrieren anhand von Patientenberichten |
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Dass Mangel an Aufmerksamkeit auch ein medizinisches Thema sein kann, beschrieb erstmals 1775 der deutsche Arzt [[Melchior Adam Weikard]]. In seinem umfangreichen Buch ''Der philosophische Arzt'' schrieb er unter dem Kapitel „''Mangel der Aufmerksamkeit, Zerstreuung,'' Attentio volubilis“ (lat. unbeständige Anspannung/Aufmerksamkeit):<ref name="PMID22323122">{{Literatur |Autor=Russell A. Barkley, Helmut Peters |Titel=The Earliest Reference to ADHD in the Medical Literature? Melchior Adam Weikard’s Description in 1775 of “Attention Deficit” (Mangel der Aufmerksamkeit, Attentio Volubilis) |Sammelwerk=Journal of Attention Disorders |Band=16 |Nummer=8 |Datum=2012-11 |ISSN=1087-0547 |Seiten=623–630 |DOI=10.1177/1087054711432309}}</ref> |
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* Kirsten Stollhoff (Hrsg.), ''Hochrisiko ADHS. Plädoyer für eine frühe Therapie.'', Schmidt-Römhild, 2003, ISBN 3795007968 - Erklärung der Symptome und ADS-Karrieren, die in Kriminalität und Dissozialität endeten, weil sie nicht oder zu spät diagnostiziert wurden |
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{{Zitat |
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=== Für Eltern === |
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|Text=Ein unaufmerksamer Mensch wird es nie zu gründlichen Kenntnissen bringen. Er hört, ließt, und studiert nur obenhin; wird falsche Urtheile fällen, und den wahren Werth und die ächte Beschaffenheit der Dinge verkennen, weil er nicht hinlängliche Zeit und Gedult verwendet, um eine Sache tief einzusehen, einzeln oder stückweise mit hinreichender Genauigkeit zu durchforschen. Dergleichen Leute wissen alles nur halb; sie merken oder hinterbringen es auch nur zur Hälfte. |
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|Autor= |
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|Quelle= |
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|ref=<ref>[[Melchior Adam Weikard]] (1799): [https://books.google.de/books?id=BHlk1W5Rm4MC&pg=PA39#v=onepage&q&f=false ''Der philosophische Arzt (Band'' 3)]. Andreäische Buchhandlung, Frankfurt a. M.</ref>}} |
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1798 beschrieb der schottische Arzt [[Alexander Crichton]] (1763–1856), der unter anderem in mehreren deutschen Städten studiert hatte und vermutlich Weikards Buch kannte, Aufmerksamkeitsstörungen ausführlich.<ref name="Crichton1798">{{Literatur |Titel=An Inquiry Into the Nature and Origin of Mental Derangement - Chapter II: On Attention, and its diseases |Band=1 |Verlag=T. Cadell, Junior, and W. Davies |Datum= |Online=[https://books.google.de/books?id=XlRJAAAAYAAJ&pg=PA254 Google Books]}}</ref><ref name="PMID21258430">Klaus W. Lange, S. Reichl, K. M. Lange, L. Tucha, O. Tucha: ''The history of attention deficit hyperactivity disorder.'' In: ''Attention deficit and hyperactivity disorders.'' Band 2, Nummer 4, Dezember 2010, S. 241–255, [[doi:10.1007/s12402-010-0045-8]], PMID 21258430, {{PMC|3000907}}.</ref> |
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* Dieter Claus, Elisabeth Aust-Claus, Petra-Marina Hammer: ''Das ADS-Buch. Neue Konzentrations-Hilfen für Zappelphilippe und Träumer.'' Oberstebrink 1999, ISBN 398044936X |
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* Manfred Döpfner, Stephanie Schürmann und Gerd Lehmkuhl: ''Wackelpeter und Trotzkopf. Hilfen für Eltern bei hyperkinetischem und oppositionellem Verhalten.'' Weinheim: Beltz, 2000. |
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* Jeffrey Freed und Laurie Parsons: ''Zappelphilipp und Störenfrieda lernen anders'', 3. Auflage 2002, ISBN 3-407-22834-1 |
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* Fritz Jansen, Uta Streit: ''Eltern als Therapeuten'' Springer, Berlin 2005, ISBN 3540555935 |
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* Cordula Neuhaus: ''Das hyperaktive Baby und Kleinkind'', Urania Stuttgart 2003, ISBN 3332014110 |
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* Cordula Neuhaus: ''Das hyperaktive Kind und seine Probleme'', Urania Stuttgart 2003, ISBN 3332008722 |
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* Cordula Neuhaus: ''Hyperaktive Jugendliche und ihre Probleme'', Urania Stuttgart 2000, ISBN 3332010883 |
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1845 beschrieb der Frankfurter Arzt [[Heinrich Hoffmann]] im ''[[Struwwelpeter]]'' einige typische ADHS-Verhaltensweisen (Zappel-Philipp, Hans Guck-in-die-Luft). Hoffmann betrachtete diese jedoch als Erziehungsprobleme und nicht als psychische Störung. |
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=== Für Betroffene === |
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1902 beschrieb der englische Kinderarzt [[George Frederic Still]] das Störungsbild erstmals wissenschaftlich. Er schlug vor, dass nicht eine schlechte Erziehung oder ungünstige Umweltbedingungen, sondern ein „Krankheitsbild ''Defekt der moralischen Kontrolle'' ohne allgemeine geistige Behinderung und ohne körperliche Erkrankung“ vorliege. Einige dieser Kinder zeigten eine „Krankheitsgeschichte ernsthafter cerebraler Störung in früher Kindheit“. Die eigentliche Beschäftigung mit den neurobiologischen Grundlagen der ADHS begann allerdings erst in den 1970er Jahren.<ref name="PMID21258430" /> |
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* Dieter Claus, Elisabeth Aust-Claus, Petra-Marina Hammer: ''ADS Das Erwachsenen-Buch. Hilfe zur Selbsthilfe.'' 2002, ISBN 3934333060 |
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* Edward M. Hallowell und John J. Ratey: ''Zwanghaft zerstreut. Die Unfähigkeit aufmerksam zu sein.'' 1999, ISBN 3499607735 |
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* Cordula Neuhaus: ''Lass mich, doch verlass mich nicht - ADHS und Partnerschaft'', München 2005, ISBN 3423341068 |
|||
* Doris Ryffel-Rawak: ''ADHS bei Frauen'', 2004, ISBN 3456841213 |
|||
* Sari Solden: ''Die Chaosprinzessin. Frauen zwischen Talent und Misserfolg''. BV-AH e.V. ISBN 3933067022 |
|||
* Lynn Weiss: ''Leben mit ADS'', Brendow 2003, ISBN 3870679700 |
|||
* Lynn Weiss: ''Eins nach dem anderen... Das ADD-Praxisbuch für Erwachsene'' ISBN 387067833X |
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1908 publizierte [[Alfred F. Tredgold]] sein Werk ''Mental Deficiency (Amentia)''. Es gilt (wie die Werke von Still) als Grundlagenwerk für die moderne Geschichte von ADHS.<ref name=":2">[[Hans-Christoph Steinhausen]] u. a. (2009): [https://download.e-bookshelf.de/download/0004/0352/68/L-G-0004035268-0014130321.pdf ''Handbuch ADHS''.] Kohlhammer Verlag. ISBN 978-3-17-022744-6. Siehe ''Zur Geschichte der ADHS'' ([https://books.google.de/books?hl=de&id=2MBtDAAAQBAJ&q=Zur%20Geschichte&f#v=snippet&q=Zur%20Geschichte&f=false Auszug] auf GoogleBooks).</ref> |
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=== Nährstofftherapie === |
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* Prof. Dr. Michael Hamm und Dr. med. Mirko Berger: ''ADHS bei Erwachsenen - Die Nährstofftherapie.'' Hannover 2004, ISBN 3899935101 |
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* Georg Keller: ''Hilfe bei AD(H)S.'' Knaur 2004, ISBN 3426669358 |
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1932 beschrieben [[Franz Max Albert Kramer|Franz Kramer]] und [[Hans Pollnow]] die ''hyperkinetische Erkrankung''.<ref name=":2" /> |
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=== ADS als Chance === |
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Diese, normalerweise aus den USA stammenden, Bücher verklären teilweise die positiven Aspekte von ADS - sind allerdings gerade deswegen Balsam für ADS-Betroffene, die neben einem hohen Leidensdruck und vielen Schwächen auch klare Stärken erleben. |
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1937 setzte [[Charles Bradley (Mediziner)|Charles Bradley]] erstmals [[Amphetamin]] bei verhaltensauffälligen Kindern ein, deren Probleme sich daraufhin besserten. 1944 entwickelte Leandro Panizzon das wirkungsähnliche [[Methylphenidat]]; 1954 wurde die Substanz von Ciba (heute [[Novartis]]) unter dem Namen ''Ritalin'' auf den Markt gebracht.<ref name=":2" /> |
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* Thom Hartmann: ''Eine andere Art, die Welt zu sehen.'' Schmidt-Römhild 1997, ISBN 3795007356 |
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* Thom Hartmann: ''ADHS als Chance begreifen'' Schmidt-Römhild 2004 ISBN 3795007925 |
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* Lynn Weiss: ''ADS im Job'', Brendow 2003, ISBN 3870679948 |
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In den 1960ern und 1970ern wurde das Störungsbild als ''Minimale Cerebrale Dysfunktion'' (MCD) bezeichnet. |
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=== Kritisch === |
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Seit 1978 listet die ''[[Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme|Internationale Klassifikation der Krankheiten]]'' (ICD-9) das Krankheitsbild [[#Klassifizierung nach ICD|''Hyperkinetische Störung'']] auf.<ref name="Krause-S5f" /> |
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* [[Gerald Hüther]] und Helmut Bonney: ''Neues vom Zappelphilipp.'', Düsseldorf 2002. ISBN 3530401315 |
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:* [http://www.bv-ah.de/Texte/Parkinson_Spekul.PDF Methylphenidat und Parkinson-Syndrom Eine Spekulation macht ihre Runde und wird als Gerücht entlarvt] von [[Aribert Rothenberger]] Antwort auf Hüthers Behauptungen für ein Fachpublikum |
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:* [http://www.bv-ah.de/Texte/StellungnahmeGoett.PDF Es gibt Grund zur Sorgfalt, aber keinen Grund zur Sorge] Stellungnahme der [[Universität Göttingen]] zu Hüthers Behauptungen |
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:* [http://www.agadhs.de/public/wsdn/spiegel_11_02.html Stellungnahme von Dr. Klaus Skrodzki, AG ADHS] zu Hüthers Behauptungen |
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* Nicola Raschendorfer: ''ADS: Und wenn es das gar nicht gibt?'' Verlag an der Ruhr, 2003. ISBN 3860728210 |
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1970 stellte Virginia Douglas in ihrer Arbeit an der [[McGill University]] statt der Hyperaktivität das Aufmerksamkeitsdefizit in den Mittelpunkt des Störungsbildes. Unter ihrem Einfluss änderte dann 1980 das [[Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders#Geschichte|DSM-III]] die Bezeichnung von ''Hyperkinetische Reaktion des Kindesalters'' in ''Aufmerksamkeits-Defizit-Störung (mit oder ohne Hyperaktivität, ADS)''.<ref>{{Literatur |Autor=Virginia I. Douglas |Titel=Stop, look and listen: The problem of sustained attention and impulse control in hyperactive and normal children. |Sammelwerk=Canadian Journal of Behavioural Science |Band=4 |Nummer=4 |Datum=1972 |Seiten=259–282 |Online=[http://psycnet.apa.org/journals/cbs/4/4/259/ Online] |DOI=10.1037/h0082313}}</ref> |
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== Weblinks == |
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1987 benannte man die Störung im DSM-III-R erneut um in ''Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)'' und behielt diesen Begriff bis heute bei.<ref name="Krause-S5f" /> |
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=== Einführende Informationen === |
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* [http://www.osn.de/user/hunter/ii-96-a1.htm Die Aufmerksamkeitsstörung (ADS)] einführender Artikel von Doris Ryffel-Rawak |
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* [http://www.adhs.ch ADD-Online] Umfangreiche Informationen zu ADHS/HKS. |
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* [http://web4health.info/de/answers/adhd-menu.htm Web4Health] Viele Informationen, insbesondere zu Medikamenten und Therapien. |
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* [http://www.dgppn.de/leitlinien/pdf/adhs_erwachsen.pdf DGPPN] Leitlinien zu ADHS bei Erwachsenen. [PDF-Format] |
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Nach der Zunahme der ADHS-Diagnosen und infolge des Anstiegs der Stimulanzien-Verschreibungszahlen in den 1990er Jahren gab es von nicht-fachlicher Seite vereinzelt die Auffassung, ADHS sei eine „erfundene Krankheit“. In Wirklichkeit handele es sich um eine Variante des normalen Verhaltens, nicht um ein medizinisch erklärbares Problem und somit auch nicht um eine Sache für den Arzt. Die „Erfindung“ liefere eine willkommene „Erklärung“ für Probleme in Familie und Schule, lenke von Erziehungsfehlern ab und verschaffe dem Gesundheits-Sektor eine Goldgrube. Daher sahen sich einige Journalisten veranlasst, diese Auffassung aufzugreifen und massenwirksam das Bild eines möglichen Medizin-Skandals zu verbreiten. Im Januar 2002 veröffentlichten deshalb 86 Experten vom Fach eine ''Internationale Konsens-Erklärung zu ADHS'', in der diese Aktivitäten in ungewöhnlich scharfer Form als haltlos und schädlich für alle Betroffenen verurteilt wurden.<ref name="PMID12093014">Russell A. Barkley u. a. (2002): ''[https://www.russellbarkley.org/factsheets/Consensus2002.pdf International consensus statement on ADHD.]'' In: ''Clinical child and family psychology review.'' Band 5, Nummer 2, S. 89–111, PMID 12093014 (Review).</ref> |
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=== Selbsthilfeverbände === |
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Bei näherem Interesse zu ADS sollte auf jeden Fall ein kompetenter Neurologe konstatiert werden. Selbsthilfeverbände können ebenfalls viele gute Informationen geben; ihr Vorteil ist, daß hier das persönliche Gespräch gefunden werden kann und sich damit nicht zuletzt die Suche nach einem kompetenten Neurologen einfacher gestaltet. |
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== Kontroversen um ADHS == |
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* [http://www.bv-auek.de Bundesverband Arbeitskreis Überaktives Kind e.V.] |
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* [http://www.bv-ah.de Bundesverband Aufmerksamkeitsstörung/Hyperaktivität e.V.] |
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* http://www.ads-kurse.de/ads_adhs_selbsthilfegruppen.htm Adressen von Selbsthilfegruppen zu ADS |
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* [http://www.hypies.de/mindwork/mminhalt.htm Hypies.de] Seite für und von Betroffenen. |
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* [http://www.eigen-sinn.homepage.t-online.de/ Eigen-Sinn] Private Selbsthilfeseite für hochbegabte Kinder mit ADHS. |
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* http://www.zappelphilipp.de Ein Betroffener über ADS |
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=== Risiken von Nicht- oder Fehlbehandlung === |
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Der aktuelle Forschungsstand zu [[#Ursachen und Risikofaktoren|Ursachen]], [[#Behandlung|Behandlungsmöglichkeiten]] und den nachhaltigen Auswirkungen von unbehandeltem ADHS auf die Lebensgeschichte ist außerhalb von Fachkreisen nicht immer ausreichend bekannt. Daher sind Fehlinformationen und nicht auf Fakten basierende Argumente zum Thema weiterhin weit verbreitet. Häufig werden Ängste vor der Medikation mit [[Methylphenidat]] ''(Ritalin)'' aufgegriffen und insbesondere die Nebenwirkungen sowie eine vermeintliche Persönlichkeitsveränderung betont.<ref name="PMID12093014" /><ref name=":8" /> Eltern, die sich zur Verabreichung von Ritalin entscheiden, wird mehr oder weniger direkt vorgeworfen, es sich zu leicht zu machen, ihre Erziehungsaufgabe zu verweigern und ihr Kind zu schädigen. Die daraus resultierende Verunsicherung von Eltern der betroffenen Kinder (und von Betroffenen selbst) führt häufig zur Verweigerung einer medikamentösen Behandlung oder einer verspätet und halbherzig einsetzenden medikamentösen Therapie. Unter Umständen entstehen dadurch auch Konflikte zwischen den Eltern, die in diesem Punkt dann zusätzlich gegeneinander arbeiten. |
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Zusätzlich zur AGADS unterhalten die meisten [[Kassenärztliche Vereinigung|Kassenärztlichen Vereinigungen]] Qualitätszirkel zu dem Thema. |
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* [http://www.agadhs.de/public/index.php Arbeitsgemeinschaft ADS der Kinder- und Jugendärzte e.V.] |
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ADHS-Kinder, bei denen eine Behandlung ohne Medikamente offenkundig nicht ausreicht, um den Leidensdruck auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, sind den erweiterten Risiken von sozialer Isolation, emotionaler oder körperlicher Misshandlung, Schulschwierigkeiten oder -abbrüchen, der Entstehung zusätzlicher Störungen sowie einer zunehmenden Entwicklungsverzögerung ausgesetzt.<ref name=":7">[https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/028-045.html ''ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen''. S3-Leitlinie für alle Altersstufen] (Langfassung), Mai 2018. Kapitel 1.2.1. (Wie sollte die individuelle Behandlungsoption ausgewählt werden?), Kapitel 2.5 und 2.13, S. 86f.</ref><ref name=":8">{{Internetquelle |autor=[[Aribert Rothenberger]], Franz Resch |url=http://wwwuser.gwdg.de/%7eukyk/dgkjpp.pdf |titel=Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Stimulantien - Nur evidenzbasierte Sachlichkeit ist hilfreich |werk=Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (offizielles Organ der [[Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie]]) |datum=2002-03-26 |seiten=6 |format=PDF; 15 kB |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20041017032438/http://wwwuser.gwdg.de/%7eukyk/dgkjpp.pdf |archiv-datum=2004-10-17 |abruf=2018-01-14}}</ref> Auch neigen unbehandelte Betroffene überproportional häufig zu Alkohol- und Nikotin-Missbrauch, generell vermehrt zu legalen und illegalen Suchtmitteln (Drogen als dysfunktionale Selbstmedikation), zu riskantem Sexualverhalten und häufigeren ungeplanten Schwangerschaften sowie Elternschaft im Teenageralter. Im Straßenverkehr stellt ihre erhöhte Unfallneigung ein weiteres Problem dar.<ref name="PMID20815868" /><ref>{{Literatur |Titel=ADHD and accidents over the life span – A systematic review |Sammelwerk=[[Neuroscience & Biobehavioral Reviews]] |Band=125 |Datum=2021-06-01 |ISSN=0149-7634 |Seiten=582–591 |Online=[https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0149763421000567 Online] |Abruf=2021-09-15 |DOI=10.1016/j.neubiorev.2021.02.002}}</ref> |
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=== Kritisches === |
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* [http://www.ads-kritik.de ADS-Kritik] Website, welche die Existenz von ADHS bestreitet. |
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=== Über- und Unterdiagnostizierung === |
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{{Kandidat (Lesenswert)}} |
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Wegen der starken Zunahme der ADHS-Diagnosen seit den 1990er Jahren wurde vielfach die Befürchtung geäußert, dass die Diagnose zu oft gestellt wird. Eine gezielte Untersuchung dieser Frage von 2007 konnte jedoch keine Belege hierfür finden.<ref name="PMID17709814">M. J. Sciutto, M. Eisenberg: ''Evaluating the evidence for and against the overdiagnosis of ADHD.'' In: ''Journal of attention disorders.'' Band 11, Nummer 2, September 2007, S. 106–113, [[doi:10.1177/1087054707300094]], PMID 17709814 (Review).</ref> |
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Im Bereich der Erwachsenen wurde 2014 durch die Analyse umfangreicher Daten von 1976 bis 2013 festgestellt, dass viele Betroffene, die von einer Behandlung große Vorteile hätten, keine Diagnose und somit auch keine Behandlung erhalten hatten.<ref name="PMID25317367">Y. Ginsberg, J. Quintero, E. Anand, M. Casillas, H. P. Upadhyaya: ''Underdiagnosis of attention-deficit/hyperactivity disorder in adult patients: a review of the literature.'' In: ''The primary care companion for CNS disorders.'' Band 16, Nummer 3, 2014, [[doi:10.4088/PCC.13r01600]], PMID 25317367, {{PMC|4195639}} (Review).</ref> |
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{{Review|N}} |
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== Kommerzielle Aspekte == |
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Im Jahr 2012 wurden 61,03 Mio. [[Definierte Tagesdosis|definierte Tagesdosen (''Defined Daily Dose,'' DDD)]] Arzneimittel zur medikamentösen Behandlung von ADHS verordnet – ausgehend von 59,11 Mio. DDD (im Jahr 2011) und 59,35 Mio. DDD (2010). Zum Vergleich: Im Jahr 2012 wurden 1323,86 Mio. DDD [[Antidepressiva]] und 82,76 Mio. DDD [[Psychopharmaka]] zur [[Demenz]]behandlung verschrieben.<ref>Bertram Häussler, Ariane Höer, Elke Hempel: ''Arzneimittel-Atlas 2013.'' Springer, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-38794-4.</ref> |
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Speziell die Verschreibungen von [[Methylphenidat]]­ stiegen von 1,3 Mio. DDD im Jahr 1995 über 13,5 Mio. DDD (2000) und 33 Mio. DDD (2005) auf 55 Mio. DDD (2009).<ref>Ulrich Schwabe, Dieter Paffrath: ''Arzneiverordnungs-Report 2005''. Springer, Heidelberg 2006, ISBN 3-540-28368-4.</ref> Seither flachte die Zunahme ab und stabilisierte sich in den Folgejahren bei 58 Mio. DDD (2010 und 2011) und 60 Mio. DDD (im Jahr 2012).<ref>Ulrich Schwabe, Dieter Paffrath: ''Arzneiverordnungs-Report 2013.'' Springer, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-642-37123-3.</ref> 2011 wurde Methylphenidat an knapp 336.000 Personen verschrieben.<ref>''{{Webarchiv |url=https://www.barmer.de/blob/37498/b9048801692f51c000ca13857d8d8a5a/data/pdf-arztreport-2013.pdf |text=Barmer GEK Arztreport 2013. |wayback=20170614155519 |archiv-bot=2022-10-06 06:46:40 InternetArchiveBot}} S. 150f.''</ref> |
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Die hauptsächlich zur [[#Medikation|medikamentösen Behandlung]] eingesetzten Stimulanzien Methylphenidat und Amphetamin sind patentfrei sowie frei von [[Ergänzendes Schutzzertifikat|ergänzenden Schutzzertifikaten]] und als kostengünstige [[Generikum|Generika]] bzw. Apothekenrezepturen verfügbar. [[Atomoxetin]] war dagegen bis 2017 exklusiv für [[Eli Lilly and Company]] geschützt und war daher teurer<ref name="KBV_Preisvergleich" /> als die entsprechende Medikation mit Stimulanzien. Die ADHS-Behandlung in maximal zulässiger Atomoxetin-Dosierung kostete laut einer Information der Kassenärztlichen Bundesvereinigung von Dezember 2005 ungefähr 4,3-mal so viel wie die entsprechende Therapie mit nicht retardiertem Methylphenidat.<ref name="KBV_Preisvergleich">{{Internetquelle |url=http://www.kvwl.de/arzt/verordnung/arzneimittel/info/wa/atomoxetin_strattera_wa.pdf |titel=Atomoxetin (Strattera® Hartkapseln) |titelerg=Empfehlung zur wirtschaftlichen Verordnungsweise |werk=Wirkstoff AKTUELL 04/2005 |hrsg=Kassenärztliche Bundesvereinigung |datum=2005-12-15 |seiten=2 |format=PDF |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20140214122338/http://www.kvwl.de/arzt/verordnung/arzneimittel/info/wa/atomoxetin_strattera_wa.pdf |archiv-datum=2014-02-14 |abruf=2014-02-14 |kommentar=Auch mit Stand 14. Februar 2014 ergibt sich bei einem Dosierungsfaktor von MPH:Atomoxetin von 2:3 (0,8mg/kg / 1,2mg/kg) ein ca. 2,7-fach höherer Preis für die pro mg günstigste Abgabe Atomoxetin verglichen mit jener für MPH, Preise [http://www.med1.de/ med1.de]}}</ref> |
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== Literatur == |
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'''Aktuelle Leitlinien''' |
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* ''ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen''. [[S3-Leitlinie]] für alle Altersstufen, [[Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften|AWMF]], federführende Fachgesellschaften: [[DGKJP]], [[DGPPN]] und [[DGSPJ]], 2. Mai 2018, gültig bis 1. Mai 2022 ([https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/028-045.html online]). |
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'''Einführungen'''<!-- Sortiert nach [dem ersten] Autor. Beim Aktualisieren bitte sämtliche Angaben prüfen! --> |
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* [[Russell A. Barkley]] (Hrsg.): ''Das große ADHS-Handbuch für Eltern – Verantwortung übernehmen für Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität.'' Hans Huber 2021, 4., aktual. Auflage. ISBN 978-3-456-86082-4. |
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* [[Russell A. Barkley]]: ''Das große Handbuch für Erwachsene mit ADHS.'' 3. Aufl. Hogrefe, Bern 2024, ISBN 978-3-456-86221-7. |
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* Hans-Christoph Steinhausen u. a. (Hrsg.): ''Handbuch ADHS – Grundlagen, Klinik, Therapie und Verlauf der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung''. Kohlhammer 2020, 2. erw. und üb. Auflage. ISBN 978-3-17-034866-0. |
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* [[Manfred Döpfner]], Tobias Banaschewski: ''Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS).'' In: [[Franz Petermann]] (Hrsg.): ''Lehrbuch der Klinischen Kinderpsychologie.'' 7., überarb. und erw. Aufl. Hogrefe 2013, ISBN 978-3-8017-2447-4, S. 271–290. |
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* Kai G. Kahl u. a.: ''Praxishandbuch ADHS: Diagnostik und Therapie für alle Altersstufen''. 2., überarb. und erw. Aufl., Georg Thieme Verlag 2012, ISBN 3-13-156762-7. |
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* {{Literatur |
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|Autor=[[Johanna Krause (Medizinerin)|Johanna Krause]], [[Klaus-Henning Krause]] |
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|Titel=ADHS im Erwachsenenalter. Symptome – Differenzialdiagnose – Therapie |
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|Auflage=4. vollst. akt. und erw. |
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|Verlag=Schattauer |
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|Ort=Stuttgart |
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|Datum=2014 |
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|ISBN=978-3-7945-2782-3}} |
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* [[Gerd Lehmkuhl]], Christopher Adam, Jan Frölich, Kathrin Sevecke, [[Manfred Döpfner]]: ''Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter.'' Uni-Med Verlag, Bremen 2004, ISBN 3-89599-617-3. |
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'''Psychoanalytische Theorie''' |
|||
* Evelyn Heinemann, Hans Hopf: ''AD(H)S: Symptome – Psychodynamik – Fallbeispiele – psychoanalytische Theorie und Therapie.'' Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-17-019082-5. |
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'''Geschichte''' |
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* Russell A. Barkley: ''History of ADHD.'' In: Russell A. Barkley (Hrsg.): ''Attention-Deficit Hyperactivity Disorder, Fourth Edition. A Handbook for Diagnosis and Treatment.'' Guilford Publications, New York 2014, ISBN 1-4625-1785-4, S. 3–50, [https://books.google.de/books?id=zlk8BAAAQBAJ&pg=PA3&dq=Russell+A.+Barkley:+History+of+ADHD,&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwi02tWa2IvpAhUHXpoKHWnLADEQ6AEIUTAE#v=onepage&q=Russell%20A.%20Barkley%3A%20History%20of%20ADHD%2C&f=false Vorschau Google Books]. |
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* [[Aribert Rothenberger]], Klaus-Jürgen Neumärker: ''Wissenschaftsgeschichte der ADHS – Kramer-Pollnow im Spiegel der Zeit.'' Steinkopff, Darmstadt 2005, ISBN 3-7985-1552-2. |
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'''Für Lehrer''' |
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* Caterina Gawrilow, Lena Guderjahn u. a.: ''Störungsfreier Unterricht trotz ADHS: Mit Schülern Selbstregulation trainieren – ein Lehrermanual.'' 2. akt. Auflage. Ernst Reinhardt Verlag, München/Basel 2018, ISBN 978-3-497-02823-8. |
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== Weblinks == |
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{{Commonscat|Attention deficit hyperactivity disorder|Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung}} |
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* {{Internetquelle |autor=Broschüre der [[Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung]] |url=https://www.bzga.de/infomaterialien/kinder-und-jugendgesundheit/adhswas-bedeutet-das/ |titel=ADHS - Symptome, Diagnose, Behandlung |datum=2014 |sprache=de |abruf=2020-04-13 |abruf-verborgen=1}} |
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* {{Internetquelle |autor=[[Russell A. Barkley]] u. a. |url=http://www.zentrales-adhs-netz.de/fileadmin/ADHS/Fuer_Therapeuten/Fachliteratur/Artikel/Deutsche_Uebersetzung_des_International_Consensus_Statements_on_ADHD.pdf |titel=Zur Medienberichterstattung über ADHS – Gemeinsame Erklärung internationaler Wissenschaftler |titelerg=deutsche Übersetzung von Michael Townson |werk=Zentrales adhs-netz |datum=2005-09 |format=PDF; 116 kB |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20181115153750/http://www.zentrales-adhs-netz.de/fileadmin/ADHS/Fuer_Therapeuten/Fachliteratur/Artikel/Deutsche_Uebersetzung_des_International_Consensus_Statements_on_ADHD.pdf |archiv-datum=2018-11-15 |abruf=2020-04-13 |abruf-verborgen=1}} |
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* {{Internetquelle |url=http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/ADHSLang.pdf |titel=Stellungnahme zur „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)“ – Langfassung |hrsg=[[Bundesärztekammer]] |datum=2005-08-26 |format=PDF; 1 MB; [http://web.archive.org/web/20210116031705/http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/ADHSkurz.pdf Kurzfassung:] pdf; 501 kB |offline=1 |archiv-url=http://web.archive.org/web/20210725071916/https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/ADHSLang.pdf |archiv-datum=2021-07-25 |abruf=2020-04-13 |abruf-verborgen=1}} |
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* [https://www.adhs.info/ ADHS Infoportal des zentralen ADHS-Netzes] des Universitätsklinikums Köln |
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* [https://www.sfg-adhs.ch/ Schweizerische Fachgesellschaft ADHS] |
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* [https://www.adhd-federation.org/_Resources/Persistent/99f33513a63af0835d2407c806ce82265ac1f268/World%20federation%20ADHD%20consensus%20statement%20German.pdf Internationale Konsensuserklärung der World Federation of ADHD: 208 evidenzbasierte Schlussfolgerungen über die Störung] |
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== Einzelnachweise == |
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<references responsive /> |
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{{Gesundheitshinweis}} |
{{Gesundheitshinweis}} |
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{{Normdaten|TYP=s|GND=4525885-5}} |
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[[Kategorie:Psychiatrie]] |
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[[Kategorie:Neurologie]] |
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[[Kategorie:Syndrom]] |
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[[Kategorie:Psychische Störung]] |
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{{SORTIERUNG:Aufmerksamkeitsdefizit Hyperaktivitatsstorung}} |
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[[en:Attention-deficit hyperactivity disorder]] |
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[[Kategorie:ADHS| ]] |
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[[es:Trastorno de Déficit de Atención e Hiperactividad]] |
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[[Kategorie:Aufmerksamkeit]] |
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[[fi:Tarkkaavaisuus- ja ylivilkkaushäiriö]] |
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[[Kategorie:Krankheitsbild in der Neurologie]] |
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[[is:Athyglisbrestur]] |
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[[Kategorie:Psychische Störung]] |
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[[ja:ADHD]] |
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[[Kategorie:Kinder- und Jugendpsychiatrie]] |
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[[nl:ADHD]] |
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[[Kategorie:Neuropsychologisches Syndrom]] |
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[[no:ADHD]] |
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[[Kategorie:Behinderungsart]] |
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[[pl:ADHD]] |
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[[Kategorie:Pädagogische Psychologie]] |
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[[sv:ADHD]] |
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[[zh:注意力不足過動症]] |
Aktuelle Version vom 18. Mai 2025, 14:43 Uhr
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine Störung der neuronalen Entwicklung.
Klassifikation nach ICD-10 | |
---|---|
F90.– | Hyperkinetische Störungen |
F90.0 | Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung |
F90.1 | Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens |
F90.8 | Sonstige hyperkinetische Störungen |
F90.9 | Hyperkinetische Störung, nicht näher bezeichnet |
F98.– | Andere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend |
F98.8 | Sonstige näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend – Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Klassifikation nach ICD-11 | |
---|---|
06 | Psychische Störungen, Verhaltensstörungen oder neuronale Entwicklungsstörungen |
6A05.0 | Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung [ADHS], vorwiegend unkonzentriert |
6A05.1 | Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung [ADHS], vorwiegend hyperaktiv-impulsiv |
6A05.2 | Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung [ADHS], kombiniert |
ICD-11: Englisch • Deutsch (Entwurf) |
ADHS äußert sich durch Probleme mit Aufmerksamkeit, Impulsivität und Selbstregulation; manchmal kommt zusätzlich starke körperliche Unruhe (Hyperaktivität) hinzu.
Die Störung wurde früher als reines Verhaltensproblem gesehen, während sie heute zunehmend als komplexe Entwicklungsverzögerung des Selbstmanagement-Systems im Gehirn verstanden wird.[1] ADHS kann dabei auch als ein Extremverhalten aufgefasst werden, das einen fließenden Übergang zur Normalität zeigt. Eine ADHS-Diagnose erfordert daher, dass die Auffälligkeiten sehr stark ausgeprägt und in den meisten Situationen beständig seit der Kindheit vorhanden sind. Symptome allein haben jedoch keinen Krankheitswert: Erst wenn diese zusätzlich stark die Lebensführung beeinträchtigen oder zu erkennbarem Leiden führen, ist eine ADHS-Diagnose gerechtfertigt.[2]
Die weltweite Häufigkeit der ADHS unter Kindern und Jugendlichen wird mit etwa 5,3 % beziffert. Die Häufigkeit von ADHS in Deutschland liegt bei ca. 4,4 %.[3] Sie gilt heute als häufigste psychiatrische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Jungen werden merklich häufiger diagnostiziert als Mädchen. Verlaufsstudien haben gezeigt, dass bei 40 bis 80 % der diagnostizierten Kinder die Störung auch in der Adoleszenz fortbesteht. Im Erwachsenenalter schließlich ist mindestens in einem Drittel der Fälle noch eine beeinträchtigende ADHS-Symptomatik nachweisbar (siehe ADHS bei Erwachsenen).[4][5]
Für die Entstehung von ADHS werden mehrere miteinander wechselwirkende Faktoren verantwortlich gemacht, welche einen Einfluss auf die Hirnentwicklung haben. Dabei spielen vor allem genetische Veranlagungen, aber auch Umwelteinflüsse im Umfeld der Geburt (prä-, peri- und früh postnatal) eine entscheidende Rolle.[6]
Je nach Person kann die Störung jedoch sehr unterschiedliche Folgen haben. Meist stehen Betroffene und ihre Angehörigen unter erheblichem Druck: Misserfolge in Schule oder Beruf,[7] ungeplante frühe Schwangerschaften,[8] Drogenkonsum und die Entwicklung weiterer psychischer Störungen wurden oft beobachtet. Dazu kommt ein deutlich erhöhtes Risiko für Suizide, Unfälle und unabsichtliche Verletzungen[9] sowie versehentliche Vergiftungen.[10][11] Diese allgemeinen Risiken müssen jedoch nicht in jedem Einzelfall relevant sein. Die Behandlung richtet sich daher nach dem Schweregrad, dem Leidensdruck, den jeweiligen Symptomen und Problemen sowie dem Alter der betroffenen Person.[12]
Forschungen zur Ursachenaufklärung und Therapieverbesserung laufen seit Jahrzehnten. Heute (Stand 2022) sind die Vorteile einer individuell angepassten Behandlung geklärt; ebenso wie die Nachteile einer versäumten oder fehlerhaften Behandlung. Anzeichen für eine langfristige Erholung veränderter Gehirnfunktionen durch angemessene (pharmakologische) Behandlung sind bereits vielfach mit modernen bildgebenden Verfahren nachgewiesen worden.[13]
Bezeichnungen und Abkürzungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben ADHS existieren viele alternative Bezeichnungen und Abkürzungen. Einige davon beschreiben übereinstimmende Krankheitsbilder (z. B. Hyperkinetische Störung (HKS) oder Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom), während andere teilweise spezielle Ausprägungen bezeichnen. International wird von der attention deficit hyperactivity disorder (ADHD) oder attention deficit/hyperactivity disorder (AD/HD) gesprochen.
Umgangssprachlich noch weit verbreitet – wenn auch in der jüngeren Fachliteratur nicht mehr gebräuchlich – ist die Bezeichnung Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom oder -störung (ADS). Besonders Betroffene mit vorwiegender Aufmerksamkeitsstörung ohne ausgeprägte Hyperaktivität verwenden die Abkürzungen ADS und ADD (englisch). Durch sie soll zum Ausdruck kommen, dass Hyperaktivität nicht immer zwingend als Symptom vorhanden ist. Veraltet sind die Bezeichnung Minimale Cerebrale Dysfunktion (MCD) oder Hyperkinetische Reaktion des Kindesalters; die Diagnose Psychoorganisches Syndrom (POS) wird nur noch in der Schweiz verwendet.[14]
Diagnostik und Klassifizierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wie bei allen psychischen Störungsbildern sind die in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) der Weltgesundheitsorganisation und dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) der American Psychiatric Association Beschreibungen und festgelegten Kriterien zur Diagnose von ADHS international anerkannt. In Deutschland ist die darauf aufbauende S3-Leitlinie von DGKJP, DGPPN und DGSPJ maßgeblich (siehe unter Literatur).
Die ADHS-Symptome und -Eigenschaften sind dimensional in der Bevölkerung verteilt. Sie stellen für sich genommen noch keine Krankheitsanzeichen dar. Um ADHS eindeutig und kategorial zu diagnostizieren, sind diese verbreiteten Symptome daher weniger hilfreich als ihre Auswirkungen auf die Lebensführung. Für die Diagnostik ist somit entscheidend, ob es auch zu einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit, Lebensqualität oder Teilhabe im Alltag kommt. Falls nur ein Lebensbereich betroffen ist, kann dies ein Hinweis auf eine andere psychische Störung sein.[12]
Maßgeblich für die Diagnose von ADHS ist das klinische Bild. Zur Diagnose geeignete Biomarker sind nicht bekannt.[15][16]
Klassifizierung nach ICD
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach ICD-10
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der ICD-10 wird das Krankheitsbild unter der Oberkategorie Hyperkinetische Störungen (F90) aufgeführt, die der Gruppe der Verhaltens- und emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend zugeordnet ist. Folgende Formen werden dabei unterschieden:[17][18][19]
- Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F90.0) – Kriterien für Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität sind erfüllt.
- Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F90.1) – Kriterien von F90.0 und einer Störung des Sozialverhaltens (F91) sind gleichzeitig erfüllt.
- Sonstige hyperkinetische Störungen (F90.8) – muss nicht alle Kriterien nach F90.0 erfüllen.
- Hyperkinetische Störung, nicht näher bezeichnet (F90.9) – soll nur bei Unklarheit zwischen F90.0 und F90.1 verwendet werden.
Für die Diagnose der ADHS als Hyperkinetische Störung nach F90.0, F90.1 oder F90.9 sind „beeinträchtigte Aufmerksamkeit, Überaktivität und Impulsivität notwendig“.[19]
Eine Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (entsprechend dem vorwiegend unaufmerksamen Subtyp im DSM) kann in der Kategorie Hyperkinetische Störungen (F90) nicht verschlüsselt werden. Dafür muss die Restkategorie Sonstige näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend – Inkl.: Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F98.8) benutzt werden.[17]
Kodierung des vorwiegend hyperaktiv-impulsiven Typus im Schema der ICD-10
Eine Hyperkinetische Störung, bei der die Kriterien für Unaufmerksamkeit nicht voll erfüllt sind, kann unter F90.1 oder F90.8[20] kodiert werden.
Sonstige Varianten
Viele Experten beschreiben auch subklinische Varianten, andere spezielle Ausprägungen oder Störungsbilder, die etwa nicht zu Hause, aber in der Schule vorkommen. Diese wurden jedoch, wie der vorwiegend unaufmerksame Typus, 1992 nicht unter der Hauptklassifikation F90.– der ICD-10 aufgenommen, „da die empirische prädikative Validierung noch unzureichend ist“.[21] Diese können ebenfalls unter der ICD-Ziffer F98.8[22] oder unter F90.8 klassifiziert werden.[23]
Nach ICD-11
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die im Jahr 2018 veröffentlichte 11. Revision der ICD (ICD-11) führt ADHS nun unter dem Schlüssel 6A05 (Attention deficit hyperactivity disorder) als neuronale Entwicklungsstörung auf.[24] Die Kategorie Hyperkinetische Störungen ist entfallen.
Nach DSM-5
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im DSM-5 (2013, revidiert 2022) ist ADHS im Kapitel der neuronalen Entwicklungsstörungen (Neurodevelopmental disorders) eingeordnet. Für eine Diagnose müssen Betroffene mindestens eins der folgenden zwei Verhaltensmuster zeigen:[16][25]
- Unaufmerksamkeit (inattention)
- Hyperaktivität-Impulsivität (hyperactivity-impulsivity)
Für beide Verhaltensmuster werden jeweils neun mögliche Symptome angegeben:
Unaufmerksamkeit
- schafft es oft nicht, genau auf Einzelheiten zu achten oder macht Flüchtigkeitsfehler bei Schularbeiten, der Arbeit oder anderen Tätigkeiten,
- hat oft Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit längere Zeit bei Aufgaben oder beim Spielen aufrechtzuerhalten,
- scheint oft nicht zuzuhören, wenn direkt angesprochen,
- folgt Anweisungen oft nicht vollständig und schafft es oft nicht, Schularbeiten, lästige Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz zu vollenden (Verlust von Konzentration; Ablenkung),
- hat oft Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren (z. B. unordentliches, planlos-desorganisiertes Arbeiten; hält Termine und Fristen nicht ein),
- vermeidet oft, mag nicht oder ist widerwillig bei Aufgaben, die längere geistige Anstrengung erfordern (z. B. Mitarbeit im Unterricht; Ausfüllen von Formularen),
- verliert oft Gegenstände, die für Aufgaben oder Aktivitäten nötig sind (z. B. Schulmaterial, Stifte, Bücher, Werkzeug, Portemonnaie, Schlüssel, Schreibarbeiten, Brille, Mobiltelefon),
- ist oft leicht von äußeren Reizen oder irrelevanten Gedanken abgelenkt (Reizoffenheit),
- ist oft vergesslich bei täglichen Aktivitäten (z. B. bei Besorgungen, Bezahlen von Rechnungen, Einhalten von Verabredungen).
Hyperaktivität-Impulsivität
- hampelt oft mit Händen oder Füßen, schlägt mit ihnen Takt oder windet sich auf dem Sitz,
- verlässt oft den Sitzplatz in Situationen, in denen Sitzenbleiben erwartet wird,
- läuft oft herum oder klettert in unpassenden Situationen (bei Jugendlichen oder Erwachsenen reicht hier ein subjektives Gefühl der Unruhe),
- ist oft nicht in der Lage, ruhig zu spielen oder an Freizeitaktivitäten ruhig teilzunehmen,
- ist oft „auf dem Sprung“ oder handelt „wie getrieben“ (z. B.: kann nicht länger ruhig an einem Platz bleiben bzw. fühlt sich dabei sehr unwohl, z. B. in Restaurants),
- redet oft übermäßig viel,
- platzt oft mit einer Antwort heraus, bevor die Frage fertig gestellt ist oder beendet die Sätze anderer,
- kann nur schwer warten, bis er/sie an der Reihe ist (z. B. beim Warten in einer Warteschlange),
- unterbricht oder stört andere häufig (z. B. platzt in Gespräche, Spiele oder andere Aktivitäten hinein; benutzt die Dinge anderer Personen ohne vorher zu fragen; bei Erwachsenen: unterbricht oder übernimmt Aktivitäten anderer).
Weitere Bedingungen
Eine ADHS-Diagnose ist nur dann möglich, wenn sowohl ausreichend viele spezielle als auch alle allgemeinen Bedingungen vorliegen (siehe Tabelle).[25]
Notwendige spezielle Bedingungen | Notwendige allgemeine Bedingungen |
---|---|
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Schweregrad
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Einteilung der Schweregrade wird in der S3-Leitlinie Anlehnung an DSM-5 vorgenommen. Bei der Beurteilung wird die Stärke der Symptomausprägung und Funktionsbeeinträchtigung herangezogen und kann wie folgt angegeben werden:[6][26]
- Leicht: Es treten wenige oder keine Symptome zusätzlich zu denjenigen auf, die zur Diagnosestellung erforderlich sind, und die Symptome führen zu nicht mehr als geringfügigen Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsbereichen.
- Mittel: Die Ausprägung der Symptome und der funktionellen Beeinträchtigung liegt zwischen „leicht“ und „schwer“ d. h., trotz einer nur geringen Symptomausprägung besteht eine deutliche funktionelle Beeinträchtigung durch die Symptomatik oder trotz derzeit nur geringfügigen Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsbereichen übersteigt die Ausprägung der Symptomatik deutlich das zur Diagnosestellung erforderliche Ausmaß.
- Schwer: Die Anzahl der Symptome übersteigt deutlich die zur Diagnosestellung erforderliche Anzahl oder mehrere Symptome sind besonders stark ausgeprägt oder die Symptome beeinträchtigen erheblich die soziale, schulische oder berufliche Funktionsfähigkeit
Methoden der Diagnose
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Diagnose sollte sich auf Informationen aus unterschiedlichen Quellen stützen, da ein einzelner Test oder nur ein Lebensumfeld nicht die komplette Differenzialdiagnostik abdecken kann. Zur grundlegenden Diagnostik gehören daher neben der Befragung des betroffenen Kindes, der Eltern bzw. Erzieher und Lehrkräfte auch eine gründliche psychologische Testdiagnostik, eine neurologische Untersuchung sowie eine Verhaltensbeobachtung.
Eine testpsychologische Untersuchung sollte mindestens ein bis zwei Stunden dauern, um auch eine gründliche Verhaltensbeobachtung in der Testsituation zu gewährleisten. Reine Konzentrationstests (wie etwa der d2-Test von Brickenkamp oder der BP-Konzentrationstest nach Esser) reichen allein nicht aus, um eine Aussage über die Konzentrationsfähigkeit eines Kindes im Alltag zu treffen. Zusätzlich muss eine Reihe weiterer Tests, z. B. der Denkfertigkeiten („Intelligenztest“), durchgeführt werden. Hierbei können die Untertests einen Aufschluss über die Stärken und Schwächen liefern und eine Hilfe in der Diagnosestellung bieten.
In Kliniken oder ärztlichen Praxen wird aus Kostengründen selten zusätzlich eine MRT angefertigt. Ein EEG wird durchgeführt, um Auskunft darüber zu erhalten, ob andere Erkrankungen vorliegen. Vor allem im Falle einer Medikation soll auf diese Weise ausgeschlossen werden, dass etwa eine Epilepsie vorliegt.
Neuropsychologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Derzeit werden einige quantifizierbare Merkmale für die Diagnose von Kindern mit ADHS diskutiert. Diese sind teilweise auch mit neuropsychologischen Testverfahren messbar. Im Fokus dieser Diskussion stehen derzeit folgende Merkmale:[27]
- Einschränkung des Arbeitsgedächtnisses[28]
- Beeinträchtigung der Exekutivfunktionen, (z. B. mangelnde Hemmungskontrolle oder Planungsfähigkeit)
- Abneigung gegenüber dem Aufschub von Belohnungen
- motorische Überaktivität
- Regulation von Aktivierung und Wachheit, Störungen der Zeitverarbeitung[29]
- erhöhte inter- und intraindividuelle Variabilität der Reaktionszeit
- dysfunktionale Regulierung der Anstrengungsbereitschaft in Hinblick auf zielbezogenes Verhalten (kurzfristige bzw. entfernte Ziele)
Subtypen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das DSM-IV von 1994 enthielt noch eine Aufteilung von ADHS in drei verschiedene Subtypen:
- den vorwiegend unaufmerksamen Typus,
- den vorwiegend hyperaktiv-impulsiven Typus
- den gemischten Typus
Diese Subtypenbildung führte jedoch zu einer sehr großen Heterogenität innerhalb der einzelnen Gruppen und schien für die Behandlungsplanung nicht nützlich. Es zeigte sich auch, dass der individuelle Subtyp zeitlich nicht sehr beständig war und sich über die Lebenszeit oft änderte. So entwickelten sich z. B. Kinder mit hyperaktiv-impulsivem Typus zu Jugendlichen mit gemischtem Typus und wuchsen schließlich zu Erwachsenen mit rein unaufmerksamem Typus heran. Daher wurde in Frage gestellt, ob es sich dabei wirklich um unterschiedliche Arten von ADHS handele oder doch eher um vorübergehende Entwicklungsphasen.[29][30]
Wegen dieser mangelnden wissenschaftlichen Absicherung der Subtypen spricht das DSM-5 nur noch von verschiedenen Erscheinungsbildern (presentations). Nun werden das vorwiegend unaufmerksame Erscheinungsbild, das vorwiegend hyperaktiv-impulsive Erscheinungsbild und das gemischte Erscheinungsbild unterschieden. Diese sprachliche Abschwächung soll hervorheben, dass es sich um eine Einschätzung eines momentanen Zustands handelt, der sich mit der Zeit ändern kann.[25][31]
Alle drei Erscheinungsbilder stellen eine Kombination der beiden Verhaltensmuster (Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität-Impulsivität) in unterschiedlicher Gewichtung dar. Die Erscheinungsbilder „vorwiegend unaufmerksam oder vorwiegend hyperaktiv-impulsiv“ sind dadurch gekennzeichnet, dass nur für eins der beiden Verhaltensmuster die geforderte Zahl von Einzelsymptomen erreicht sein muss.[32]
Die im Juni 2018 veröffentlichte ICD-11 enthält die gleichen drei Erscheinungsbilder wie das DSM-5.[24]
Differenzialdiagnostik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Psychische Störungen, die mit ADHS verwechselt werden können, sind insbesondere chronische depressive Verstimmungen (Dysthymie), dauerhafte und beeinträchtigende Stimmungsschwankungen (Zyklothymia oder bipolare Störung) und Borderline-Persönlichkeitsstörung.[33]
ADHS und Autismus weisen Überschneidungen in der Symptomatik auf, v. a. hinsichtlich exekutiver Funktionen und sozialer Interaktionen. Die Unterschiede liegen in der Qualität der Auffälligkeiten. Exekutive Funktionsstörungen betreffen bei ADHS eher Selbstregulation und Problemlösung, bei Autismus insbesondere die kognitive Flexibilität und Handlungsplanung. Bei ADHS äußern sich soziale Schwierigkeiten eher in unmittelbar negativ wahrgenommenen Verhaltensweisen, z. B. durch Unterbrechen anderer Gesprächsteilnehmer, bei Autismus fällt eher ein Mangel an positiv besetzten Verhaltensweisen auf, z. B. mangelnder Blickkontakt,[34] sowie Beeinträchtigungen im sozialen und emotionalen Austausch. Charakteristisch für Autismus sind die intensive Beschäftigung mit Spezialinteressen und eine ausgeprägte Detailwahrnehmung. Betroffene von ADHS fallen eher durch eine starke Desorganisiertheit mit sprunghaftem Denken und Handeln auf, was für Autismus eher untypisch ist.[35]
Zusätzlich erschwert wird die Diagnostik, da die Goldstandards zur Diagnose beider Störungsbilder zu Zeiten des DSM-IV (gültig 1994–2013) entwickelt wurden. Damals galten, ebenso wie im heute noch gültigen ICD-10, ADHS und Autismus als einander ausschließend. Es konnten also nicht beide Diagnosen zugleich gestellt werden.[34] Waren die Kriterien beider Störungsbilder erfüllt, wurde bevorzugt der Autismus diagnostiziert.[36] Laut einer Metaanalyse von 2020, erfüllen jedoch rund 21 % der von ADHS Betroffenen auch die Kriterien für eine Autismus-Spektrum-Störung.[37][38] Daher können nach DSM-5 und ICD-11 nun auch beide Diagnosen parallel vergeben werden.
Andere medizinische Erkrankungen, die ADHS-ähnliche Symptome verursachen können und vor einer ADHS-Diagnose ebenfalls ausgeschlossen werden müssen, sind: Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose), Epilepsie, Bleivergiftung, Hörverlust, Krankheiten der Leber, Atemstillstände während des Schlafs (Schlafapnoe-Syndrom), Arzneimittelwechselwirkungen, Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas und das Restless-Legs-Syndrom.[39][40][41]
Begleitende und Folgeerkrankungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als Begleiterkrankung (Komorbidität) bezeichnet man ein zusätzlich vorliegendes, diagnostisch abgrenzbares Krankheitsbild. Im Falle auffälligen Verhaltens (wie bei ADHS) kommen als mögliche Begleiterkrankungen zunächst weitere Verhaltensstörungen in Betracht. Diese können entweder mit der Grunderkrankung (ADHS) ursächlich zusammenhängen oder eine Folgeerkrankung davon sein. Sie können jedoch auch ohne naheliegenden Zusammenhang nebenher bestehen.
Psychische Störungen, die statistisch besonders häufig mit ADHS zusammen auftreten, stehen bei der Diagnose im Vordergrund. Bei ca. 75 % der ADHS-Betroffenen liegt eine weitere psychische Störung vor, 60 % haben mehrere psychische Begleiterkrankungen.[29]
Störungen des Sozialverhaltens
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wenn eine Störung des Sozialverhaltens zusätzlich zu ADHS auftritt, wird die Kombination von beidem im ICD-10 als eigener Subtyp diagnostiziert, und zwar als Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F90.1): Hyperkinetische Störung verbunden mit Störung des Sozialverhaltens.[17]
Die Kategorie Störungen des Sozialverhaltens existiert außerdem auch als eigene Kategorie (F91), das heißt getrennt von ADHS. Diese Nachbarkategorie kann jedoch auch bei der ADHS-Diagnose indirekt genutzt werden, da sie die Störungen des Sozialverhaltens in verschiedene Unterkategorien aufteilt (F91.0 bis F91.9). Auf diese Weise können die besonderen persönlichen und sozialen Umstände des Kindes oder des Jugendlichen besser berücksichtigt und eine genauere Diagnose erstellt werden.[17]
Teilleistungsstörungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Teilleistungsstörungen wie z. B. die Lese-Rechtschreib-Störung wurden bei bis zu 45 % (Mittelwert verschiedener Studien) der von ADHS Betroffenen festgestellt. Die Unterkategorien sind aufgelistet unter Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (F.81).[17][42]
Depressive Erkrankungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Depression tritt bei Jugendlichen mit ADHS mindestens fünfmal so häufig auf wie bei Jugendlichen ohne ADHS. Wenn die Depression als Begleiterkrankung erst mehrere Jahre nach Beginn von ADHS einsetzt, wird davon ausgegangen, dass sie mindestens teilweise eine Folge der besonderen Belastungen durch ADHS ist.[43] Patienten mit ADHS, die später eine Depression entwickeln, können schwerere depressionsbedingte Funktionsstörungen aufweisen als Patienten mit alleiniger Depression. Dies kann auch das Behandlungsergebnis verschlechtern.[44] Diese Beobachtungen zeigen die Dringlichkeit einer möglichst frühzeitigen und sorgfältigen Diagnose und Behandlung von ADHS auf. Ist eine Depression bereits aufgetreten, so kann eine umsichtige und angepasste multimodale Behandlung meist eine gute Wirksamkeit sowohl gegen ADHS als auch gleichzeitig gegen Depression erreichen.[43] Dabei benötigen viele Patienten in Behandlung mehr als ein Medikament und eine Kombination psychosozialer Interventionen.[44]
Bis zu 31 % aller ADHS-Betroffenen leiden an einer Dysthymie.[45]
Angststörungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Angststörungen traten in vielen Studien bei bis zu 25 % der ADHS-Betroffenen auf. Es gab Hinweise darauf, dass sie die Impulsivität abmildern, aber das Arbeitsgedächtnis noch weiter beeinträchtigen. Umgekehrt bekommt die Angststörung durch die ADHS möglicherweise einen weniger phobischen Charakter. Ferner wurde festgestellt, dass das Ausmaß der Ängste mit der Stärke der SCT-Symptome zusammenhing.[46][47]
Zwangsstörungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zwangsstörungen sind bei von ADHS Betroffenen etwa dreimal so häufig (ca. 8 %) wie bei Nichtbetroffenen (2–3 %).[48]
Tics & Tourette
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Tourette-Syndrom ist eine Spektrum-Erkrankung. Dabei stellen gering ausgeprägte vorübergehende Tics das eine Ende und chronische Verläufe mit stark ausgeprägten – auch komplexen – Tics und zahlreichen psychiatrischen Begleiterkrankungen das andere Ende des Spektrums dar. In Klinikpopulationen finden sich bei 80–90 % der Patienten psychiatrische Komorbiditäten. Oft bestehen nicht nur eine, sondern mehrere derartige Begleitsymptome. Im Kindes- und Jugendalter stellt die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in ca. 50 % der Fälle die bei weitem häufigste Komorbidität dar. Im Erwachsenenalter sind Zwänge (50–80 %) das häufigste Begleitsymptom, wobei nicht in allen Fällen die Diagnosekriterien einer Zwangsstörung erfüllt sind. Weitere typische Komorbiditäten sind Depressionen, Angststörungen, Wutanfälle, Impulskontrollstörungen, autoaggressive Handlungen und Schlafstörung, bei Kindern auch eine emotionale Dysregulation, Störung des Sozialverhaltens, Teilleistungsstörungen und Lernstörungen und seltener eine Autismus-Spektrum-Störung oder andere tiefgreifende Entwicklungsstörungen.[49]
Schlafstörungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schlafstörungen verschiedener Art (etwa verzögertes Schlafphasensyndrom) sind eine häufige Begleitproblematik beim ADHS. Sie erfordern eine sehr sorgfältige Diagnose und eine entsprechende, individuell angepasste Behandlung.[50][51]
Inzwischen mehren sich wissenschaftliche Befunde, die auf Störungen des circadianen Rhythmus sowie einen abendorientierten Chronotyp bei ADHS hinweisen.[52]
Verbreitung und Verlauf
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Wahrscheinlichkeit, im Verlauf des Lebens für eine begrenzte Zeit oder dauernd von ADHS betroffen zu sein (Lebenszeitprävalenz), wurde 2014 nach Auswertung von Dutzenden umfangreichen Studien auf etwa 7 % geschätzt. Dabei zeigten sich keine Belege für die Annahme, es gäbe eine Zunahme von Diagnosen in den letzten Jahrzehnten. Auch ließen sich für den Zeitraum von 1985 bis 2012 keine methodischen Unterschiede nach Zeit oder Geographie annehmen. Alle derartigen scheinbaren Unterschiede erschienen plausibel durch methodische Unterschiede bei der Datenerfassung.[53]
Das Robert Koch-Institut ermittelte ADHS-Prävalenzen nach Altersklassen, indem es Daten des Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) auswertete. Der Datensatz umfasste 14.836 Mädchen und Jungen im Alter von 3 bis 17 Jahren. Demnach hatten im dreijährigen Studienzeitraum (2003–2006) insgesamt 4,8 % (7,9 % Jungen; 1,8 % Mädchen) eine von einem Arzt oder Psychologen diagnostizierte ADHS. Weitere 4,9 % (6,4 % Jungen; 3,6 % Mädchen) der Teilnehmer galten als ADHS-Verdachtsfälle, da ihr berichtetes Verhalten auf der Unaufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsskala des Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ)[54] einen Skalenwert von ≥7 aufwies. Folgende Tabelle stellt dar, wie oft ADHS bei 3–17-jährigen diagnostiziert wird (aufgeschlüsselt nach Altersstufen und Geschlecht).
Vorschulalter (3–6 Jahre) | Grundschulalter (7–10 Jahre) | Späte Kindheit (11–13 Jahre) | Jugend (14–17 Jahre) | |
---|---|---|---|---|
ADHS-Häufigkeit | 1,5 % | 5,3 % | 7,1 % | 5,6 % |
Jungen | 2,4 % | 8,7 % | 11,3 % | 9,4 % |
Mädchen | 0,6 % | 1,9 % | 3,0 % | 1,8 % |
Sichtbar ist der allgemeine Trend, dass die Diagnosehäufigkeit stark vom Vorschulalter über das Grundschulalter bis zur späten Kindheit ansteigt. Dort erreicht sie einen Höhepunkt und sinkt im Jugendalter wieder. Das männliche Geschlecht überwiegt dabei erheblich – zu jeder Zeit sind 4–5 mal mehr Jungen als Mädchen diagnostiziert. Laut KiGGS besteht die ADHS im Erwachsenenalter bei 30–50 % der als Kinder Betroffenen mit Veränderungen fort.[55][56]
Im Verlauf der individuellen Entwicklung ändert sich meist das Symptombild: Bei betroffenen Vorschulkindern dominiert meist ein hyperaktiv-impulsives Verhalten ohne sichtbare Aufmerksamkeitsstörung. Mit zunehmendem Alter werden jedoch die Aufmerksamkeitsdefizite immer deutlicher erkennbar und treten in den Vordergrund, während die motorische Unruhe abnimmt. Unter Erwachsenen dann ist die Aufmerksamkeitsstörung ohne ausgeprägte Hyperaktivität am häufigsten.[57]
Zeitliche Steuerung und Koordinierung von Verhalten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Übersichtsstudie wies darauf hin, dass ADHS-Patienten in drei Hauptbereichen der zeitlichen Steuerung und Koordinierung von Verhalten (Timing) auffällig beeinträchtigt sein können. Diese sind im Bereich der motorischen Steuerung, bei der Zeitwahrnehmung und beim Vorausschauen in die Zukunft. Die dadurch am häufigsten auftretenden Schwierigkeiten bei ADHS betreffen sensomotorische Synchronisation, Unterscheidung von Zeitintervallen, Wiedergabe von Zeitintervallen sowie eine Kurzzeit- gegenüber einer Langzeitorientierung. Die Zeitsteuerungsdefizite bleiben auch dann bestehen, wenn ADHS-typische Mängel exekutiver Funktionen als Einflussfaktoren statistisch berücksichtigt werden. Dies wird dahingehend interpretiert, dass kognitive Defizite im Bereich der zeitlichen Steuerung von Verhalten ein eigenständiges Merkmal von ADHS sind.[58]
Ursachen und Risikofaktoren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Früher wurden zumeist psychosoziale und pädagogische Umweltfaktoren als Verursacher von ADHS angenommen. Erziehungsfehler, Elternproblematik, Vernachlässigung und frühkindliche Traumata standen im Mittelpunkt möglicher Begründungen und Beeinflussungen der Störung. Mittlerweile (Stand 2016) geht man von Vorstellungen aus, die sowohl biologische Faktoren als auch Umwelteinflüsse berücksichtigen.
Neurobiologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Gehirn
Eine Verminderung des Gehirnvolumens und funktionelle Defizite sind bei einer Vielzahl von Kerngebieten immer wieder festgestellt worden.[59] In den letzten Jahren (Stand: Januar 2016) konzentrierte sich die Forschung insbesondere auf die Veränderungen großräumiger neuronaler Netzwerke, die den beobachteten Störungen der Patienten und den beobachteten Unterfunktionen im Gehirn entsprechen.[60][61][62] Die Forschung zur Herausbildung der Abweichungen während der Entwicklung des Gehirns in verschiedenen Lebensaltern befindet sich noch (Stand: Januar 2016) in einer frühen Anfangsphase.[63]
Nervenzellen
Die Leitungsbahnen der Nervenfasern im Gehirn (weiße Substanz) zeigen im Gruppenvergleich zwischen von ADHS Betroffenen und Vergleichspersonen anatomische und funktionelle Abweichungen.[64][65] Seit 2014 wurde zusätzlich festgestellt, dass diese Abweichungen zum Teil spezifisch für bestimmte Teilsymptome sind, wie Aufmerksamkeitsdefizit oder Hyperaktivität.[66][67] Eine Anwendung dieser neuen Untersuchungsmethoden zur Diagnose ist allerdings auf absehbare Zeit (Stand Januar 2016) nicht zu erwarten, da die Unterschiede der Gehirne von Person zu Person so groß sind, dass signifikante Abweichungen nur zwischen Personengruppen – nicht aber bei Einzelpersonen – feststellbar sind.
Signalübertragung
Die Weiterleitung von Signalen zwischen Nervenzellen durch biochemische Botenstoffe (Neurotransmitter) ist bei ADHS beeinträchtigt. Dies gilt insbesondere für die Übertragung durch Dopamin in den Zentren für Belohnung und Motivation, nämlich im Nucleus accumbens, Nucleus caudatus und in bestimmten Kerngebieten des Mittelhirns.[68][69] Die langjährige Vermutung, dass auch Signalübertragungen durch den Neurotransmitter Noradrenalin beeinträchtigt sind,[70] ist durch die Wirkung neuerer, sehr spezifischer Medikamente wie Guanfacin zwar stark gestützt worden,[71][72] konnte jedoch bislang (Stand: Januar 2016) noch nicht abschließend geklärt werden.[73]
Seit 2014 gibt es direkte Nachweise, dass bei ADHS auch spezifische Teile der Signalübertragung durch den Neurotransmitter Glutamat nur in verminderter Funktion ablaufen, insbesondere im Striatum, einer Gehirnregion mit zentraler Bedeutung für Motivation, Emotion, Kognition und Bewegungsverhalten. Mehrere genetische Studien nach 2000 hatten bei von ADHS Betroffenen und ihren Familien Abweichungen in Genen festgestellt, die für Elemente der glutamatergen Signalübertragung kodieren. Schließlich wurde Glutamat von einigen Forschern sogar als möglicher Schlüssel zum Verständnis von ADHS angesehen, insbesondere wegen seiner engen Kopplung mit den genannten Dopamin-Systemen.[74] Durch bildgebende Verfahren des ZNS wurden dann relativ schnell entsprechende Glutamat-Unterfunktionen nachgewiesen.[75]
Paradoxe Reaktionen auf chemische Substanzen
Ein weiteres Anzeichen für die strukturell veränderte Signalverarbeitung im zentralen Nervensystem bei dieser Personengruppe sind die hier auffällig häufigen paradoxen Reaktionen (ca. 10–20 % der Patienten). Dies sind unerwartete Reaktionen in die entgegengesetzte Richtung wie bei einer normalen Wirkung, oder anderweitig stark abweichende Reaktionen. Es handelt sich hierbei um Reaktionen auf neuroaktive Substanzen wie Lokalanästhesie beim Zahnarzt, Beruhigungsmittel, Koffein, Antihistaminika, schwächere Neuroleptika sowie zentrale und periphere Schmerzmittel. Da die Ursachen paradoxer Reaktionen mindestens zum Teil genetisch bedingt sind, kann es in kritischen Situationen, zum Beispiel vor Operationen, sinnvoll sein, nachzufragen, ob solche Auffälligkeiten eventuell auch bei Familienmitgliedern bestehen.[76][77]
Genetik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erblichkeit
Auf der Grundlage von Familien- und Zwillingsstudien wird die Erblichkeit von ADHS auf 70 bis 80 % geschätzt. Das heißt, dass bei einem Vergleich zwei beliebiger Personen der Unterschied in deren ADHS-Ausprägung (bzw. deren Abwesenheit) im Durchschnitt zu 70 bis 80 % auf genetische oder epigenetische Ursachen zurückzuführen ist. Der übrige Anteil von 20 bis 30 % ist demnach Umwelteinflüssen zuzurechnen. Damit gehört ADHS zu den psychiatrischen Erkrankungen, die am stärksten genetisch beeinflusst sind.[78]
Bei Erwachsenen scheinen nach umfangreichen neueren Daten die Erblichkeit und die genetischen Grundlagen insgesamt dieselben zu sein wie bei Kindern.[79][80]
Gene
Es besteht Einigkeit bezüglich der Notwendigkeit mehrerer genetischer Abweichungen, da einzelne Gene sehr spezielle Einflüsse haben und keines allein eine derart vielfältige Verhaltensabweichung wie bei ADHS bewirken kann. Es wird angenommen, dass mindestens vierzehn bis fünfzehn Gene für die Ausbildung der ADHS von Bedeutung sind. Die genetischen Besonderheiten nehmen Einfluss auf die Neurophysiologie und -chemie in spezifischen Regelkreisen des Gehirns, z. B. zwischen Frontalhirn und Striatum (siehe striato-frontale Dysfunktion). Auch wenn sich dabei zunächst nach außen hin keine Veränderungen zeigen, kann eine grundsätzliche Veranlagung vorliegen, die durch weitere Umstände später dennoch zu Störungen wie ADHS führen kann.[81]
Die genetischen Abweichungen, die bislang mit ADHS in Verbindung gebracht wurden, sind – jede für sich allein betrachtet – nicht spezifisch für ADHS. Sie können – in Kombination mit bestimmten Varianten bei anderen Genen – auch andere verwandte oder nicht verwandte Krankheiten auslösen. Daraus folgt, dass das bisherige Wissen (Stand: Januar 2016) keine Vorhersagen durch genetische Tests bei einer Einzelperson ermöglicht. Bei der Diagnose kann in dieser Hinsicht nicht mehr getan werden, als ein etwaiges Auftreten von ADHS bei nahen Verwandten zu berücksichtigen. Dies jedoch wird im Sinne von rechtzeitigen Diagnosen und Behandlungen dringend empfohlen.[82]
Schadstoffe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Tabakrauch
Tabakrauchen und Passivrauchen der Mutter während der Schwangerschaft sind mit ADHS und anderen neurologischen Entwicklungsstörungen bei Kindern assoziiert.[83][84] Ein mögliches Schädigungsmodell durch Nikotin wurde im Tierversuch vorgeschlagen, was sich aber nur bedingt auf den Menschen übertragen lässt.[85][86] Einen kausalen Zusammenhang beim Menschen nachzuweisen, ist methodisch schwierig, da hier – anders als im Labor – die kausale Beteiligung dritter Faktoren (z. B. genetische Einflüsse[87] oder eine Belastung mit endokrinen Disruptoren) nur schwer ausgeschlossen werden kann. Infolgedessen konnte beim Menschen bisher nur eine Korrelation zwischen pränataler bzw. frühkindlicher Nikotinexposition und ADHS beobachtet werden, jedoch keine Kausalität. Zudem ist bislang nicht ausreichend geklärt, wie groß dieser mögliche Einfluss im Vergleich zu anderen Risikofaktoren ausfällt.[88]
Blei
Es gibt einen statistischen Zusammenhang zwischen der Exposition mit dem Schwermetall Blei und dem Auftreten von ADHS, allerdings ist bislang kein kausaler Zusammenhang erwiesen.[82]
PCB
Polychlorierte Biphenyle (PCB), die zwar inzwischen weltweit verboten, aber als Altlasten noch nahezu überall verbreitet sind, erhöhen das Risiko für ADHS.[89]
Soziales Umfeld
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Belastende Familienverhältnisse treten häufiger in Familien auf, in denen ein Kind von ADHS betroffen ist. Hierbei ist jedoch nicht feststellbar, ob die Familienverhältnisse sich auf die Auslösung oder den Schweregrad von ADHS ausgewirkt haben. Umgekehrt kann auch ADHS belastende Familienverhältnisse erst herbeiführen oder verschärfen, und es zeigte sich, dass Diagnose und Behandlung zur Abnahme von Feindseligkeiten innerhalb der Familie führten.[90]
Allgemeine Risikofaktoren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, ein erniedrigtes Geburtsgewicht, Infektionen, verschiedene Schadstoffe sowie Erkrankungen oder Verletzungen des zentralen Nervensystems gelten als Risikofaktoren; ebenso während der Schwangerschaft stattfindende Belastungen mit Alkohol.[91]
Schilddrüsenunterfunktion der Mutter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Hypothyreose vor oder während der Schwangerschaft ist mit einem für das Kind signifikant erhöhten Risiko von ADHS und anderen neurologischen Störungen assoziiert, insbesondere wenn die Erkrankung der Mutter im ersten Trimester diagnostiziert wird.[92][93][94] Eine Kausalität konnte bislang jedoch nicht zweifelsfrei bestätigt werden, da die zugrundeliegenden Mechanismen noch nicht ausreichend erforscht sind und sich oftmals Überschneidungen mit anderen bekannten Risikofaktoren ergeben. Ebenso unklar ist bislang, ob die Ursache der mütterlichen Erkrankung dabei eine Rolle spielt, also ob die bekannte Korrelation bei Schilddrüsenunterfunktionen generell auftritt oder nur bei bestimmten Erkrankungen, welche die Schilddrüse schädigen, wie etwa Hashimoto-Thyreoiditis oder Jodmangel.
Behandlungsbedürftigkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]ADHS kann grob in drei Schweregrade eingeteilt werden (siehe Schweregrad):[6][26]
- Bei einer leicht betroffenen Person ist die Symptomatik nicht so stark ausgeprägt, dass sie behandlungsbedürftig ist. Sie ist etwas weniger impulsgehemmt und kann sich nicht so gut konzentrieren wie andere Menschen; sie könnte auch eine höhere Kreativität besitzen. Dafür bekommt sie aber am Rande liegende Details sehr viel besser mit. Trotzdem ist eine frühzeitige Information der betroffenen Person und ihres Umfelds über ADHS sowie eine psychosoziale Hilfestellung wichtig. Dadurch können Betroffene in ihrer Entwicklung günstig beeinflusst und die problematischen Symptome abgeschwächt werden.
- Mittelschwer Betroffene sind behandlungsbedürftig und leiden neben ADHS zunehmend unter Folgeerkrankungen (Komorbiditäten). Sie entwickeln aber keine Störung des Sozialverhaltens oder andere soziale Auffälligkeiten. Unter Umständen ergreifen sie einen Beruf, für den sie geistig deutlich überqualifiziert sind. Ohne Behandlung sind Versagen in Schule, Beruf und Privatleben wie auch Suizidversuche[95] wahrscheinlicher.
- Schwer Betroffene haben ein gestörtes Sozialverhalten und ein stark erhöhtes Risiko, ein Suchtverhalten zu entwickeln oder in die Kriminalität abzurutschen. Ohne Behandlung sind sie nur schwer zu (re-)sozialisieren.
Mit einer umfassenden Vorsorge und der Information des Umfelds über die Störung kann man unter Umständen erreichen, dass sich die einzelnen Symptome weniger deutlich ausprägen und ursprünglich schwerer Betroffene in eine schwächere Kategorie fallen. Zu bedenken ist aber, dass der Schweregrad überwiegend neurobiologisch bedingt ist und nur im Rahmen neuronaler Plastizität (Anpassungsfähigkeit) des menschlichen Gehirns beeinflusst werden kann. Mittlerweile weisen erste bildgebende Untersuchungen darauf hin, dass die am weitesten verbreitete Medikation mit Stimulanzien (primär Methylphenidat, siehe unten) Struktur und Funktion des Gehirns in Richtung Normalisierung zu verändern können scheint.[13][96] Aktuell ist jedoch noch nicht geklärt, wie stark und relevant der Zusammenhang zwischen den gemessenen strukturellen und funktionellen Langzeitveränderungen des Gehirns und spezifischen Verhaltensparametern der ADHS-Symptomatik ist.
Bedeutung persönlicher Ressourcen von Betroffenen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben den bekannten problematischen Symptomen werden ADHS-Betroffenen in der Literatur bisweilen auch spezifische Stärken und positive Eigenschaften zugeschrieben. Diese wurden beispielsweise von Bernd Hesslinger aufgelistet und den defizitären Charakteristika der Symptomatik gegenübergestellt. In der Psychotherapie wird versucht, die individuellen Stärken der Betroffenen zu fördern.[97]
Zu den positiven Eigenschaften, die häufiger ADHS-Betroffenen zugeschrieben werden, zählen zum Beispiel:[98]
- Hypersensibilität, die sich in einer besonderen Empathie und einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn äußern kann,
- Reizoffenheit, die sie Veränderungen oft schnell erfassen lässt,
- Begeisterungsfähigkeit, die sich in besonderer Kreativität und Offenheit ausdrücken kann,
- Impulsivität, die sie, richtig dosiert, zu interessanten Gesprächspartnern macht,
- der Hyperfokus, einem Flow-ähnlichen Zustand, der zu langem, ausdauerndem und konzentriertem Arbeiten an bestimmten Themen führen kann. (Aber auch zu Tagträumen, zur Vernachlässigung der äußeren Realität, zu störenden Wiederholungen und unflexiblem Haftenbleiben an unwichtigen Dingen).
- Hyperaktivität kann auch zu besonderer Begeisterung für Leistungssport führen.
Bei solchen Eigenschaften handelt es sich allerdings um in der Bevölkerung weit verbreitete Persönlichkeitsmerkmale, die sich – losgelöst vom Kontext einer psychiatrischen Störung – zum Beispiel auch in den Dimensionen des empirisch belegten Fünf-Faktoren-Modells wiederfinden. ADHS zu haben, ist somit keine unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung dieser besonderen Fähigkeiten. Die hergestellte Verbindung zwischen spezifischen Stärken und dem Vorhandensein von ADHS wird daher auch scharf kritisiert: Russell A. Barkley bezeichnete die gesehenen Zusammenhänge als „Romantisierung einer ernstzunehmenden Störung“ und „Cherry-picking“.[99]
Die individuellen Stärken und Potenziale ADHS-Betroffener können je nach Schweregrad der Störung und ihrer Begleiterkrankungen maskiert sein. Ein wichtiges Teilziel der multimodalen Therapie ist daher, die individuell vorhandenen Persönlichkeitsressourcen zu identifizieren und zu fördern sowie die (bisweilen erst durch Medikation zu erreichende) Entwicklung und Etablierung vorteilhafter Bewältigungsstile und Gewohnheiten.
Behandlung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ziel der Behandlung ist es, das individuell unterschiedlich vorhandene Potenzial auszuschöpfen, die sozialen Fähigkeiten auszubauen und eventuelle Begleitstörungen zu behandeln. Die Behandlung sollte multimodal erfolgen, das heißt, es sollten parallel mehrere Behandlungsschritte durchgeführt werden (z. B. Psychotherapie, psychosoziale Interventionen, Coaching, Pharmakotherapie). Die Wahl der Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad der Störung. Meist kann eine Therapie ambulant erfolgen.
Eine teilstationäre Therapie (in einer Tagesgruppe, einer Tagesklinik bzw. eine Heimunterbringung) oder eine stationäre Therapie ist vor allem bei einer besonders schwer ausgeprägten Symptomatik notwendig. Das gilt vor allem bei schwer ausgeprägten komorbiden Störungen (etwa Störung des Sozialverhaltens oder Teilleistungsschwäche wie Legasthenie oder Dyskalkulie), bei mangelnden Ressourcen in Kindergarten oder Schule oder besonders ungünstigen psychosozialen Bedingungen. Eine nicht genügend erfolgreiche ambulante Therapie kann stationär oder teilstationär in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendpsychiatrie fortgeführt werden.[23] Dort können die innerfamiliären Beziehungen wieder stabilisiert werden. Dafür ist es zumeist notwendig, die Bezugspersonen in die Behandlung mit einzubeziehen.
Multimodales Vorgehen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die multimodale Behandlung kann folgende Hilfen enthalten, die stets auf den Einzelfall abgestimmt sein sollten. Sie können in einem ambulanten sowie einem voll- oder teilstationären Rahmen angewandt werden:
- Aufklärung, Beratung und Fördern der Krankheitsbewältigung (Psychoedukation) der Eltern, des Kindes/Jugendlichen und seiner Erzieher bzw. Klassenlehrer.[100][101][102] Dadurch können u. a. die Symptomatik und soziale Fähigkeiten verbessert werden.[103][104]
- Elterntraining (auch in Gruppen) und Hilfen in der Familie (einschließlich Familientherapie) zur Verminderung möglicher Belastungen in der Familie.
- Hilfen in Kindergarten und Schule (einschließlich Wechsel der Gruppe) zur Verminderung möglicher Belastungen. Es können sowohl spezielle Förderungen für das Kind bzw. den Jugendlichen durch Schulpsychologen erfolgen als auch ein Schulwechsel.
- Pharmakotherapie zur Stützung von Gehirnfunktionen mit dem Ziel einer Verminderung von Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Überaktivität in Schule (Kindergarten), Familie oder anderen Umgebungen, siehe Medikation
- Kognitive Verhaltenstherapie des Kindes bzw. des Jugendlichen (ab dem Schulalter) zur Verminderung von impulsiven und unorganisierten Aufgabenlösungen (Selbstinstruktionstraining) oder zur Anleitung der Änderung des Verhaltens bei Problemen (Selbstmanagement).
- Lerntherapie bei einer begleitenden Teilleistungsstörung wie Legasthenie oder Dyskalkulie.
- Neuere Untersuchungen legen einen positiven Einfluss sportlicher Betätigung nahe. Bei ADHS-Patienten wirkt sich diese günstig auf Verhalten und Lernfähigkeit aus.[105]
- Die Behandlung evtl. begleitender Erkrankungen (siehe: Begleitende und Folgeerkrankungen) sollte im Rahmen einer speziell angepassten Gesamtbehandlung erfolgen.
Information
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eingehende und umfassende Information aller Beteiligten über ADHS ist wesentlicher Bestandteil jeglicher Therapie. Betroffene sollten über die Art der Störung (ADHS ist keine Geisteskrankheit, kein Schwachsinn und keine Faulheit), die Anzeichen (Symptome), die möglichen Schwierigkeiten im Alltag und die vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten informiert werden.
Neben dem ärztlich-psychologischen Gespräch gibt es Informationsmaterial sowohl für Eltern als auch für betroffene Kinder und Erwachsene. Dabei nehmen diese in ihrer Gestaltung oft auf die Art der Störung Rücksicht (d. h. wenig Fließtext, viele Zeichnungen usw., seit den 2000er Jahren auch instruktive Videos, zunehmend im Internet, wobei die Seriosität und Interessenslenkung der Websites kritisch einzuschätzen ist).
Medikation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Medikation ist bei Mittel- und Schwerbetroffenen in vielen Fällen angezeigt. Ziel dieser Behandlung ist es, die Kernsymptomatik zu mindern, die Konzentrations- und Selbststeuerungsfähigkeit zu verbessern sowie den Leidensdruck und Alltagseinschränkungen der Betroffenen zu verringern. Studien deuten darauf hin, dass eine Behandlung mit individuell abgestimmten Medikamenten die Symptome sehr viel wirksamer reduzieren kann als eine alleinige Psychotherapie.[106] In manchen Fällen werden so erst die Voraussetzungen für weitere therapeutische Arbeit geschaffen.[12] Zur medikamentösen Behandlung der ADHS werden am häufigsten Stimulanzien eingesetzt, welche die Signalübertragung durch die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin im Gehirn verstärken. Dazu gehören Methylphenidat und Amphetamin, die etwa seit Mitte der 1950er Jahre verwendet werden. Etwa 80 % der Betroffenen sprechen darauf an.
Auch bei Betroffenen mit vorwiegend unaufmerksamem Erscheinungsbild (gemäß Einteilung nach DSM) ist die Wirksamkeit von Methylphenidat nachgewiesen. Sie ist hier etwas schwächer. Wenn eine Wirkung besteht (Mehrzahl der Fälle), kann bei dieser Ausprägung jedoch niedriger dosiert werden, um den gewünschten Effekt zu erreichen.[107]
Methylphenidat
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Methylphenidat hemmt die Funktion von Transportern für die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin. Diese Transporter sitzen in der Zellmembran der signalgebenden (präsynaptischen) Nervenzelle. Die Signalgebung erfolgt durch Ausschüttung von Botenstoffen in den synaptischen Spalt zur Erregung der empfangenden Nervenzelle. Im Zuge der Ausschüttungen kommt es ständig zu einer schnellen Wiederaufnahme (Recycling) der Transmitter zurück in die signalgebenden Zelle. Infolge der Hemmung der Wiederaufnahme (reuptake inhibition) durch Methylphenidat ist die Konzentration der Neurotransmitter im synaptischen Spalt erhöht und dadurch die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen länger andauernd verstärkt. Der Effekt von Methylphenidat ist somit eine Signalverstärkung.
Methylphenidat wird seit 1959 eingesetzt und ist im Rahmen der Kurzzeitwirkung umfangreich untersucht worden. Die Auswirkungen von Langzeitanwendungen sind zwar noch nicht vollständig erfasst, es zeichnet sich jedoch deutlich ab, dass sie in der Regel mit einer andauernden Normalisierung der betroffenen Gehirnstrukturen – sowohl in Anatomie als auch Funktion – verbunden sind.[96] Trotzdem sollte der Wirkstoff nur nach sorgfältiger ärztlicher Prüfung (Indikationsstellung) und im Rahmen eines Gesamtkonzeptes einer Behandlung verordnet werden.
In Deutschland wird Methylphenidat unter den Handelsnamen Ritalin, Medikinet, Concerta, Equasym und vielen weiteren vertrieben, da der Produktschutz abgelaufen ist (siehe Generikum). Alle diese Präparate enthalten den gleichen Wirkstoff, jedoch gibt es Unterschiede wie z. B. bei den Füll- und Zusatzstoffen. Das bekannteste Präparat Ritalin hat beispielsweise eine andere Wirkdauer als Concerta oder Medikinet retard, denn bei retardierten Medikamenten wird der Wirkstoff zeitversetzt und kontinuierlich über den Tag an den Körper abgegeben. Das kann sich je nach Patient unterschiedlich auswirken; Wirkung und Nebenwirkung sind daher zu kontrollieren, um gegebenenfalls ein anderes Präparat zu wählen.
Zu bedenken ist, dass es – im statistischen Mittel und möglicherweise nicht durch die Medikation, sondern durch ADHS selbst – zu einer geringen Verzögerung des Wachstums in Größe und Gewicht kommt, die jedoch aufgeholt wird und somit die Endwerte des Wachstums nicht verändert.[108][109] Ein Nicht-Ansprechen auf Methylphenidat kann Unterschiedliches bedeuten: So kann es sich beim Patienten um einen Non-Responder handeln, bei dem Methylphenidat nicht wirkt, oder die Diagnose wurde nicht richtig gestellt.
Aufgrund der kurzen Wirkzeit kann nach deren Ende ein Rückschlag (rebound) auftreten und zu einer ausgeprägten Steigerung der Ausgangssymptomatik führen. Erklärt wird dies folgendermaßen: die erleichterte Selbstregulation durch den medikamentösen Wirkstoff fällt plötzlich weg, was zunächst zu Anpassungsschwierigkeiten an den vorherigen Zustand ohne Medikation führt. Dieser Effekt kann besonders bei Kindern zu Therapiebeginn sowie bei unregelmäßiger Einnahme auftreten, normalisiert sich meist im Verlauf der Therapie. Empfohlen wird, die Anforderungen an das Kind in der begrenzten Zeit des Rebounds weitgehend zu reduzieren. Möglich ist auch das Umstellen auf ein anderes Dosierungsschema oder Medikament. Eine zu hohe Dosis von Methylphenidat führt ebenfalls zu Unruhegefühl oder innerer Anspannung, selten auch zu einem deutlichen Rückgang der Aktivität mit Mattigkeit und einem verminderten Antrieb. Diese Erscheinungen halten nur für die Wirkdauer an und gehen danach zurück. Durch angemessene Dosisfindung können sie korrigiert werden.
Die sorgfältige ordnungsgemäße Medikation von Methylphenidat hat bei Personen mit ADHS in der Regel keine schädlichen unerwünschten Wirkungen. Nebenwirkungen sind dosisabhängig, für gewöhnlich vermeidbar und bei Beginn der Therapie vorübergehend.[110] Zu den häufigen Nebenwirkungen gehören Appetitminderung oder Magenbeschwerden, Kopfschmerzen und seltener Ticstörungen.[111]
ADHS-Patienten weisen, abhängig vom Schweregrad, ein erhöhtes Suchtrisiko auf. In diesem Zusammenhang wurde der Konsum von Stimulanzien als potenzielles Risiko für eine spätere Suchtentwicklung diskutiert. In zwei Metaanalysen einer Vielzahl von Einzelstudien wurde jedoch gezeigt, dass die Gabe von Methylphenidat das Risiko eines späteren Suchtverhaltens nicht erhöht (Analyse A), sondern im Gegenteil sogar vermindert (Analyse B).[112] Nur bei bewusst missbräuchlicher Verwendung oder extrem hohen Dosierungen besteht die Gefahr einer Toleranz- und einer Abhängigkeitsentwicklung durch Methylphenidat.
Auch bei Erwachsenen stellt die Behandlung mit Methylphenidat nach deutschen Leitlinien eine therapeutische Option dar. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat am 14. April 2011 erstmals einer Indikationserweiterung auf Erwachsene zur Behandlung einer seit Kindesalter fortbestehenden Erkrankung zugestimmt.[113]
Gegenwärtig (Stand Juni 2025) besitzen mehrere Methylphenidat-haltige Medikamente (seit April 2011 Medikinet adult, seit Mai 2014 Ritalin adult, seit 2022 Concerta, seit 2023 Kinecteen) eine Zulassung für Erwachsene. In der Schweiz wird Methylphenidat von der Krankenkasse auch für Erwachsene bezahlt.
Amphetamin
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für Patienten, die auf Methylphenidat nicht ausreichend positiv ansprechen, kann eine Behandlung mit Amphetamin erfolgversprechend sein. In Deutschland und in der Schweiz sind dazu die Präparate Attentin (Dexamphetamin-hemisulfat) für Kinder und Jugendliche ab 6 Jahren[114] und Elvanse (Lisdexamfetamin) auch für Erwachsene (als Elvanse Adult)[115] zugelassen. Diese Substanzen gelten als ähnlich sicher und verträglich wie Methylphenidat.[116]
Amphetamin wirkt im Gegensatz zu Methylphenidat (MPH) nicht nur als reiner Wiederaufnahmehemmer, sondern verursacht in erster Linie eine verstärkte Ausschüttung von Noradrenalin und Dopamin. Diese wird unter anderem durch eine Umkehr der Arbeitsrichtung von Transportern für Noradrenalin (NET) und Dopamintransportern (DAT) bewerkstelligt. Im Gegensatz zum Prinzip der Wiederaufnahmehemmung (wie etwa bei Methylphenidat) wird dabei der Transmitterspiegel unabhängig von der Aktivität der Nervenzelle erhöht.[117] Anders als MPH hemmt Amphetamin auch die Monoaminooxidase (MAO) und bindet stark an den TAAR1 (Trace amine-associated receptor 1). Dieser Spurenaminrezeptor moduliert im Gehirn vermutlich stark die Signalübertragung von Monoaminen.[118]
In Deutschland können Amphetamine zusätzlich in der Apotheke als Individualrezeptur angefertigt werden. Im Neuen Rezeptur-Formularium (NRF) sind daher Einträge zu Amphetaminsulfat (Saft nach NRF 22.4 oder Kapseln nach NRF 22.5) und Dexamphetaminsulfat (2,5%ige Tropfen nach NRF 22.9) enthalten.[119]
Auch in der Schweiz können entsprechende Magistralrezepturen verschrieben oder aus dem Ausland importiert werden. Elvanse ist dort ebenfalls zugelassen.[120]
In Österreich ist die Abgabe entsprechender Zubereitungen allen öffentlichen Apotheken gestattet (siehe Rechtliches zu Amphetamin). Sie erfordert die Verschreibung auf einem Suchtgiftrezept. Auch Methamphetamin ist in Österreich verschreibungsfähig.[121]
In den USA sind sowohl Amphetamin- als auch Methamphetamin-Arzneimittel erhältlich.
Guanfacin
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Falls Methylphenidat oder Amphetaminpräparate nicht ausreichend ansprechen oder sich anderweitig als ungeeignet erweisen, steht als Medikation der zweiten Linie der α2-Rezeptor-Agonist Guanfacin (Handelsname Intuniv) zur Verfügung. Er fördert insbesondere die Signalübertragung im präfrontalen Cortex. In seiner Wirkung bei ADHS ist er Atomoxetin (siehe unten) überlegen.[71][122][123][124] Guanfacin ist in den USA seit September 2009 und in der gesamten EU seit September 2015 zugelassen.[125]
Atomoxetin
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Atomoxetin ist ein selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (Handelsname Strattera). Der Wirkeintritt kann jedoch im Gegensatz zu Stimulanzien erst nach einigen Wochen beurteilt werden. Bei Beginn der Anwendung soll die Dosis schrittweise gesteigert werden bis zur sogenannten Wirkdosis, die dann erreicht ist, wenn die normalerweise zu erwartende Wirkung eingetreten ist.
Hinsichtlich der Behandlung von Kindern und Jugendlichen liegt seit September 2005 ein Rote-Hand-Brief des Herstellers vor, in dem über ein signifikant erhöhtes Risiko der Begünstigung oder Auslösung von aggressivem Verhalten, Suizidalität und Suizidhandlungen unter Atomoxetin im Vergleich zu Placebo bei Kindern, nicht aber bei Erwachsenen informiert wird.[126] Bei Auftreten von Suizidgedanken unter dem Medikament soll demnach die Einnahme beendet werden. Umfangreiche nachfolgende Untersuchungen zeigten jedoch, dass ein erhöhtes Suizidrisiko weder bei Heranwachsenden noch bei Erwachsenen bestehe.[127]
Die Wirksamkeit von Atomoxetin ist etwas geringer als bei Stimulanzien oder Guanfacin, jedoch gut belegt.[128]
Atomoxetin kann neben seiner Wirkung bei ADHS auch eine begleitende Ticstörung mildern.[129]
Cannabis
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Cannabis soll gemäß der S3-Leitlinie ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen (2017) nicht für die ADHS-Behandlung eingesetzt werden. Die Leitlinie ist allerdings abgelaufen und soll erneuert werden.[6]
Kombinationstherapie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Kombinationstherapie ist bei ADHS bei Erwachsenen nicht ungewöhnlich. Eine Kombinationstherapie lag in einer Studie von 2009 in mehr als 20 % der Behandlungszeiträume aller Medikamente vor. Kombinationen waren dabei je nach Medikament unterschiedlich häufig. Sie reichten von ca. 20 % der Behandlungszeiträume bei Atomoxetin bis zu 53 % bei α2-Adrenozeptor-Agonisten. Die in absoluten Zahlen am häufigsten vorkommende Kombination war Bupropion mit einem langfristig wirkenden Stimulans.[130]
Zu den Patientencharakteristika, bei denen eine Kombinationstherapie statistisch gehäuft vorkam, gehörten ein Alter über 24 Jahre, kürzlicher Besuch eines Psychiaters, hyperaktive Komponente von ADHS und komorbide Depressionen.[130][131]
Andere Substanzen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Begleitend oder alternativ zu Stimulanzien, Guanfacin oder Atomoxetin werden noch weitere Medikamente eingesetzt, insbesondere Antidepressiva. Typische Indikationen für letztere sind Depressionen, Angststörungen oder Zwangsstörungen, die als Begleit- oder Folgeerkrankungen aufgetreten sind. Als alleinige Medikation sind diese Arzneimittel jedoch gegen ADHS-Symptome wirkungslos oder von sehr geringer Wirkung, mit Ausnahme von Bupropion, das hierbei eine kleine Wirkung zeigt.[132]
Beispiele für eingesetzte Antidepressiva sind:
- Bupropion ist ein selektiver Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer. Allerdings ist die Wirkung dieser Substanz bezüglich der ADHS-Symptome gering.[133]
- Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wie Venlafaxin und Duloxetin, welche die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin in die Präsynapse hemmen. Allerdings liegen für keine der beiden Substanzen bislang (Stand Januar 2016) ausreichende Daten zur Wirksamkeit bei ADHS vor, die eine Empfehlung für diese Patienten rechtfertigen würden.[134][135]
- Trizyklische Antidepressiva wie Desipramin, Imipramin oder Doxepin. Für Desipramin konnten zwar Anzeichen für eine kurzfristige Besserung der ADHS-Symptome gefunden werden, wegen der Nebenwirkungen (unter anderem Erhöhung von Blutdruck und Pulsfrequenz) wurde jedoch wenig Anlass für eine Anwendung gesehen.[136] Für die beiden anderen Substanzen liegen keine ADHS-spezifischen Daten vor. Nortriptylin wird ebenfalls zur Behandlung von ADHS eingesetzt.[137][138]
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie z. B. Fluoxetin oder Sertralin, welche die Wiederaufnahme von Serotonin in die Präsynapse hemmen, kommen in Betracht als mögliche zusätzliche Medikation, insbesondere bei begleitenden Anzeichen von Depression.[43]
Andere Arzneimittel, für die jedoch noch keine ausreichenden Daten für eine Anwendung bei ADHS vorliegen:
- Modafinil ist ein zur Behandlung der Narkolepsie zugelassenes Stimulans, das auch bei der ADHS-Therapie off-label angewandt werden kann. Versuche über Wochen zeigten positive Ergebnisse bei ADHS, jedoch fehlen Untersuchungen zur Langzeitbehandlung, und von 2006 bis 2016 sind keine weiteren Übersichtsstudien (reviews) mehr erschienen.[139][140]
- Metadoxin (bekannt aus der Alkoholentgiftung) hat sich in einigen Studien mit Erwachsenen als teilweise wirksames ADHS-Medikament erwiesen, wobei jedoch nur Verbesserungen eintraten in der Aufmerksamkeit und nur bei ADHS-Patienten mit Störungen vorwiegend im Bereich Aufmerksamkeit. Diese spezielle Wirkung trat dann allerdings bereits bei einmaliger Anwendung innerhalb von 3–5 Stunden auf.[141][142][143]
Lokalanästhetika bei ADHS
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei ADHS kann es zu unerwarteten Abweichungen bei der Wirkung von Lokalanästhetika kommen. Siehe Lokalanästhesie (Zahnmedizin)#Lokalanästhesie bei ADHS.
Psychotherapie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Psychotherapeutische Behandlungsmethoden können ein nützlicher Bestandteil im Rahmen der multimodalen Therapie sein.
Verhaltenstherapie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ziel verhaltenstherapeutischer Maßnahmen ist es, dass die Betroffenen geeignete Fähigkeiten erwerben, um mit den Besonderheiten und Problemen zurechtzukommen, die ADHS mit sich bringt. Im Kindesalter orientieren sich verhaltenstherapeutische Therapieprogramme daran, in einem Elterntraining Informationen zu ADHS und geeignete Hilfen zum Einrichten von Regeln und Ordnung zu bieten (z. B. Übungen mit einem Token-System oder Response-Cost; Hilfen im Verhalten bei Problemen). Weitere Zielsetzungen können die Verbesserung der Selbststeuerung (z. B. durch Coaching, Selbstinstruktionstraining oder Selbstmanagement-Therapie) und die Förderung des Selbstwertgefühls der Kinder und Jugendlichen sein.[106]
Zur Behandlung wurden Therapieprogramme entwickelt, die speziell auf Verhalten und Aufmerksamkeit der betroffenen Kinder ausgerichtet sind. Besonders haben sich hierbei operante Therapieprogramme bewährt. Durch verschiedene beiliegende Materialien und Übungen wird versucht, geeignetes Verhalten und Aufmerksamkeit zu fördern. Sie verwenden zumeist Pläne und versuchen, schon Kindern Wissen über Aufmerksamkeit und strategisches Handeln zu vermitteln. Eine bedeutende Aufgabe haben die Eltern, die die unterschiedlichen Therapieschritte möglichst unterstützen und beobachten sollten.
Die Wirksamkeit von Verhaltenstherapie bei ADHS ist mehrfach nachgewiesen worden, sowohl ohne als auch mit Kombination von Medikamenten. Wurden Medikamente mit Verhaltenstherapie kombiniert, war eine geringere Dosierung der Medikamente ausreichend.[144]
Weitere Unterstützungsmaßnahmen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei Schulproblemen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sollte das Kind bereits im Vorschulbereich besondere Hilfe benötigen, kann ein Besuch der Vorschule oder einer Frühförderung sinnvoll sein.
Bei Kindern, die an ADHS leiden, muss sorgfältig geprüft werden, welche Schulform ihrer Leistungsfähigkeit entspricht. Dabei sollte beachtet werden, ob sie eventuell schulisch über- oder unterfordert sind. Bei massiven Verhaltensproblemen kann auch der Besuch einer integrativen Klasse oder Förderschule zum Erhalt besonderer Erziehungshilfen notwendig werden. Der Besuch einer Heimschule mit spezieller pädagogischer Förderung kann sinnvoll sein, wenn der Besuch einer Regel- oder Förderschule nicht mehr möglich ist. Hier besteht die Möglichkeit der intensiven pädagogischen Förderung in kleinen Gruppen.[23][145]
Ergotherapie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit ADHS sind häufig Schwierigkeiten mit der Motorik verbunden, die sowohl Grobmotorik als auch die Feinmotorik betreffen. Abhilfe kann hier eine Ergotherapie schaffen. Weiterhin kann die Ergotherapie Hilfe im Bewältigen von alltäglichen Problemen leisten. Dazu zählen u. a. das Erlernen von kompensierenden Strategien, angemessenem Sozialverhalten sowie Elterntraining und Beratung zur Förderung des Kindes im Alltag.
Körperliche Übungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Meditation, Achtsamkeitsübungen und Sport können die charakteristischen Symptome mildern und das Sozialverhalten verbessern.[146][147][148]
Hilfen zur Erziehung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kinder- und Jugendhilfe bietet interessierten Eltern als unterstützende Maßnahmen Hilfen zur Erziehung, zum Beispiel Erziehungsberatung, sozialpädagogische Familienhilfe, Tagesgruppen oder Lerntherapie. Dabei wird versucht, erzieherischen Methoden und einer speziellen Förderung die oft existierenden Defizite im Verhalten zu verringern und darüber hinaus auch eine Verbesserung der schulischen Leistungen zu bewirken.
Eltern haben auch die Möglichkeit, selbst gewählte Hilfen über das regional zuständige Jugendamt zu beantragen. Nach § 5 SGB VIII besteht für die Eltern ein Wunsch- und Wahlrecht hinsichtlich der Art des Hilfeangebotes und des Anbieters bzw. Beraters. In der Regel reicht es, einen formlosen Antrag auf Hilfe zur Erziehung zu stellen.
Elterntraining
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Durch eine Verbesserung der Erziehungskompetenz der Eltern soll Folgeproblemen in der Eltern-Kind-Beziehung und im Sozialverhalten vorgebeugt bzw. diese reduziert werden. Als hilfreich haben sich hauptsächlich lerntheoretisch basierte Konzepte wie Triple P oder Starke Eltern – Starke Kinder herausgestellt, die alle von einer Verstärkung der positiven, sozial verträglichen Verhaltensweisen der Kinder ausgehen und neuropsychologische Erkenntnisse über das Gehirn einbeziehen.[149]
Selbsthilfegruppen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Selbsthilfegruppen existieren hauptsächlich als Gruppen für Angehörige (meistens Elterngruppen) oder für betroffene Erwachsene. Die erlebte Unterstützung in Selbsthilfegruppen und der Austausch mit Menschen mit ähnlichen Problemen kann günstigen Einfluss auf das Selbstbild, die Handlungsfähigkeit und die Selbstwirksamkeitserwartungen der Betroffenen bzw. der Angehörigen ausüben.[150]
Coaching
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei einem Coaching steht dem Betroffenen neben dem Therapeuten und dem Arzt noch eine Vertrauensperson zur Verfügung, die ihn unterstützt, mit ihm Ziele entwirft und mit ihm gemeinsam Strategien entwickelt, wie diese Ziele im Alltag zu erreichen sind. Somit arbeitet der Coach eng mit dem Betroffenen zusammen und hilft ihm, die getroffenen Vorsätze umzusetzen und das Selbstmanagement zu stärken. Coaching ist – anders als das Angebot durch Ärzte, Psycho- und Ergotherapeuten – keine Leistung der Krankenversicherungen und in der Regel selbst zu finanzieren. Eine neue, ehrenamtliche Form des Coachings hat sich durch die digitalen Medien entwickelt, so über E-Mails, Austausch und Beratung in Selbsthilfeforen und online-Elterncoaching.[150]
Alternative Behandlungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neurofeedback-Training
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neurofeedback ist eine Spezialform eines Biofeedback-Trainings, bei der eine trainierende Person computergesteuert optische oder akustische Rückmeldung über Veränderungen der EEG-Signale ihres Gehirns erhält. Dies ist zum Beispiel ein Flugzeug auf dem Bildschirm, das dann an Höhe gewinnt, wenn bestimmte EEG-Signale sich in eine bestimmte Richtung verändern. Der Computer misst die EEG-Signale und lässt das Flugzeug (nahezu in Echtzeit) steigen, wenn die EEG-Signale durch eine bestimmte gedankliche Konzentration verändert werden und diese Veränderung in die „richtige“ – vorher einprogrammierte Richtung – geht.
Grundlage ist die Erfahrung, dass bei ADHS – statistisch gesehen – bestimmte Besonderheiten des EEG vorliegen. Daraus wurde von Manchen die Vermutung abgeleitet, dass Veränderung dieser Abweichungen – in Richtung Normalisierung – durch Neurofeedback dem Patienten nützen könnte. Ein Problem hierbei ist jedoch, dass die EEG-Abweichungen von Patient zu Patient stark variieren und zum Beispiel eine ADHS-Diagnose aufgrund von EEG-Ergebnissen nicht möglich ist. Ein weiteres Problem ist, dass die Abweichungen im Gehirn, die die Abweichungen der EEG-Signale verursachen, in der Regel so gut wie unbekannt sind. Die Forschung hierzu befindet sich noch (Stand Januar 2016) in sehr bescheidenen Anfängen.[151]
Bei Untersuchungen zur Wirksamkeit von Neurofeedback-Training bei ADHS wurden anfänglich Besserungen bei den Symptomen verzeichnet. Als man jedoch ausschloss, dass die Erwartungshaltung die Ergebnisse beeinflusste (Blindstudie), verringerte sich die Wirkung markant oder verschwand völlig. Als man schließlich die Wirkungen bei echtem und vorgetäuschtem Feedback (Placebo) verglich, so war kein Unterschied festzustellen. Neurofeedback war demnach also nur wirksam durch seine allgemeine Förderung von Konzentration und Selbstkontrolle, ähnlich wie entsprechendes Training in Verhaltens- oder Ergotherapie.[152][153][154]
Eliminationsdiät
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Studien des ADHS Research Center in Eindhoven mit der Universität Rotterdam zeigten, dass mit Hilfe der Eliminationsdiät bei manchen Kindern mit ADHS-Symptomen Erfolge erzielt werden konnten. Eine Studie mit 100 Teilnehmern zeigte bei 64 % der damit behandelten Kindern eine bedeutsame (signifikante) Verminderung der ADHS-Symptome. Diese aßen zunächst nur Reis, Gemüse und Fleisch. Alles andere wurde aus dem Speiseplan entfernt. Nachdem die ADHS-Symptome vermindert waren, wurden Mahlzeiten um weitere Nahrungskomponenten ergänzt, um die möglichen Auslöser für ADHS zu identifizieren. Tatsächlich lösten nur einige wenige Lebensmittel ADHS aus, die – gemäß Studie – dauerhaft vermieden werden sollten. Die betroffenen Lebensmittel unterschieden sich dabei von Kind zu Kind.[155]
Eine Übersichtsstudie von 2014 berichtete, dass es kleine – aber zuverlässige – Wirkungen bei dieser Methode gebe. Viele Fragen seien jedoch noch offen, insbesondere die Klärung, ob es im Voraus bestimmte Anzeichen dafür gibt, ob ein Betroffener möglicherweise von dieser Methode eine Besserung erwarten könne.[156]
Nährstofftherapie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In einer randomisierten, dreifachverblindeten Studie wurde gefunden, dass die mittelfristige Gabe (für 8 Wochen) einer breiten Palette an Vitaminen und Mineralstoffen Verhaltensprobleme (ADHS-Symptome) verringert und die Kinder zudem stärker wachsen lässt. Dabei wurden im Verlauf der Supplementierung keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse oder klinisch bedeutsame Veränderungen gefunden.[157] Eine andere Studie fand, dass auch die langfristiger Verwendung von Supplements (3 Jahre untersucht) sicher bei der Behandlung von ADHS ist („substantial psychiatric benefits observed appear to outweigh the minimal observed risks“).[158]
Die zusätzliche Einnahme von Omega-3-Fettsäuren hat nach einer Übersichtsstudie von 2014 einen mäßigen positiven Effekt auf die Symptome von ADHS.[159] Für die mögliche Wirksamkeit einer zusätzlichen Einnahme von Magnesium, Zink oder Eisen gibt es (Stand Januar 2016) keine herausragenden Belege.[160]
Umstrittene Ansätze
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Andere Ansätze können aufgrund der bisherigen Ergebnisse von Untersuchungen und Doppelblind-Studien als wirkungslos gegenüber ADHS oder gesundheitlich bedenklich angesehen werden.
Eine Cochrane Systematic Review überprüfte 2007 die bis dahin publizierten homöopathischen Behandlungen von Kindern mit ADHS. Laut der Studie gab es keinen signifikanten Effekt auf die Kernsymptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität, ebenso wenig auf begleitende Symptome wie gesteigerte Ängstlichkeit. Es gebe keine Belege für die Wirksamkeit von Homöopathie bei der Behandlung von ADHS. Weiteren Wirksamkeitsstudien sollte eine Entwicklung bestmöglicher Aufzeichnungen (Protokolle) der Behandlungen vorausgehen.[161] Homöopathie ist daher ungeeignet, eine konventionelle Therapie zu ersetzen und Heilkunde lediglich als eine mögliche Ergänzung zu betrachten.
Die Behandlung mit sogenannten AFA-Algen ist gefährlich, da diese Blaualgen im Allgemeinen Toxine beinhalten, die sowohl die Leber als auch das Nervensystem nachhaltig schädigen können. Das kanadische Gesundheitsministerium sah sich nach entsprechenden Untersuchungen veranlasst, eine entsprechende Meldung herauszugeben und vor der Einnahme zu warnen – ebenso wie das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin.[162]
Geschichte
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Dass Mangel an Aufmerksamkeit auch ein medizinisches Thema sein kann, beschrieb erstmals 1775 der deutsche Arzt Melchior Adam Weikard. In seinem umfangreichen Buch Der philosophische Arzt schrieb er unter dem Kapitel „Mangel der Aufmerksamkeit, Zerstreuung, Attentio volubilis“ (lat. unbeständige Anspannung/Aufmerksamkeit):[163]
„Ein unaufmerksamer Mensch wird es nie zu gründlichen Kenntnissen bringen. Er hört, ließt, und studiert nur obenhin; wird falsche Urtheile fällen, und den wahren Werth und die ächte Beschaffenheit der Dinge verkennen, weil er nicht hinlängliche Zeit und Gedult verwendet, um eine Sache tief einzusehen, einzeln oder stückweise mit hinreichender Genauigkeit zu durchforschen. Dergleichen Leute wissen alles nur halb; sie merken oder hinterbringen es auch nur zur Hälfte.“[164]
1798 beschrieb der schottische Arzt Alexander Crichton (1763–1856), der unter anderem in mehreren deutschen Städten studiert hatte und vermutlich Weikards Buch kannte, Aufmerksamkeitsstörungen ausführlich.[165][166]
1845 beschrieb der Frankfurter Arzt Heinrich Hoffmann im Struwwelpeter einige typische ADHS-Verhaltensweisen (Zappel-Philipp, Hans Guck-in-die-Luft). Hoffmann betrachtete diese jedoch als Erziehungsprobleme und nicht als psychische Störung.
1902 beschrieb der englische Kinderarzt George Frederic Still das Störungsbild erstmals wissenschaftlich. Er schlug vor, dass nicht eine schlechte Erziehung oder ungünstige Umweltbedingungen, sondern ein „Krankheitsbild Defekt der moralischen Kontrolle ohne allgemeine geistige Behinderung und ohne körperliche Erkrankung“ vorliege. Einige dieser Kinder zeigten eine „Krankheitsgeschichte ernsthafter cerebraler Störung in früher Kindheit“. Die eigentliche Beschäftigung mit den neurobiologischen Grundlagen der ADHS begann allerdings erst in den 1970er Jahren.[166]
1908 publizierte Alfred F. Tredgold sein Werk Mental Deficiency (Amentia). Es gilt (wie die Werke von Still) als Grundlagenwerk für die moderne Geschichte von ADHS.[167]
1932 beschrieben Franz Kramer und Hans Pollnow die hyperkinetische Erkrankung.[167]
1937 setzte Charles Bradley erstmals Amphetamin bei verhaltensauffälligen Kindern ein, deren Probleme sich daraufhin besserten. 1944 entwickelte Leandro Panizzon das wirkungsähnliche Methylphenidat; 1954 wurde die Substanz von Ciba (heute Novartis) unter dem Namen Ritalin auf den Markt gebracht.[167]
In den 1960ern und 1970ern wurde das Störungsbild als Minimale Cerebrale Dysfunktion (MCD) bezeichnet.
Seit 1978 listet die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-9) das Krankheitsbild Hyperkinetische Störung auf.[14]
1970 stellte Virginia Douglas in ihrer Arbeit an der McGill University statt der Hyperaktivität das Aufmerksamkeitsdefizit in den Mittelpunkt des Störungsbildes. Unter ihrem Einfluss änderte dann 1980 das DSM-III die Bezeichnung von Hyperkinetische Reaktion des Kindesalters in Aufmerksamkeits-Defizit-Störung (mit oder ohne Hyperaktivität, ADS).[168]
1987 benannte man die Störung im DSM-III-R erneut um in Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und behielt diesen Begriff bis heute bei.[14]
Nach der Zunahme der ADHS-Diagnosen und infolge des Anstiegs der Stimulanzien-Verschreibungszahlen in den 1990er Jahren gab es von nicht-fachlicher Seite vereinzelt die Auffassung, ADHS sei eine „erfundene Krankheit“. In Wirklichkeit handele es sich um eine Variante des normalen Verhaltens, nicht um ein medizinisch erklärbares Problem und somit auch nicht um eine Sache für den Arzt. Die „Erfindung“ liefere eine willkommene „Erklärung“ für Probleme in Familie und Schule, lenke von Erziehungsfehlern ab und verschaffe dem Gesundheits-Sektor eine Goldgrube. Daher sahen sich einige Journalisten veranlasst, diese Auffassung aufzugreifen und massenwirksam das Bild eines möglichen Medizin-Skandals zu verbreiten. Im Januar 2002 veröffentlichten deshalb 86 Experten vom Fach eine Internationale Konsens-Erklärung zu ADHS, in der diese Aktivitäten in ungewöhnlich scharfer Form als haltlos und schädlich für alle Betroffenen verurteilt wurden.[169]
Kontroversen um ADHS
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Risiken von Nicht- oder Fehlbehandlung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der aktuelle Forschungsstand zu Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und den nachhaltigen Auswirkungen von unbehandeltem ADHS auf die Lebensgeschichte ist außerhalb von Fachkreisen nicht immer ausreichend bekannt. Daher sind Fehlinformationen und nicht auf Fakten basierende Argumente zum Thema weiterhin weit verbreitet. Häufig werden Ängste vor der Medikation mit Methylphenidat (Ritalin) aufgegriffen und insbesondere die Nebenwirkungen sowie eine vermeintliche Persönlichkeitsveränderung betont.[169][170] Eltern, die sich zur Verabreichung von Ritalin entscheiden, wird mehr oder weniger direkt vorgeworfen, es sich zu leicht zu machen, ihre Erziehungsaufgabe zu verweigern und ihr Kind zu schädigen. Die daraus resultierende Verunsicherung von Eltern der betroffenen Kinder (und von Betroffenen selbst) führt häufig zur Verweigerung einer medikamentösen Behandlung oder einer verspätet und halbherzig einsetzenden medikamentösen Therapie. Unter Umständen entstehen dadurch auch Konflikte zwischen den Eltern, die in diesem Punkt dann zusätzlich gegeneinander arbeiten.
ADHS-Kinder, bei denen eine Behandlung ohne Medikamente offenkundig nicht ausreicht, um den Leidensdruck auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, sind den erweiterten Risiken von sozialer Isolation, emotionaler oder körperlicher Misshandlung, Schulschwierigkeiten oder -abbrüchen, der Entstehung zusätzlicher Störungen sowie einer zunehmenden Entwicklungsverzögerung ausgesetzt.[12][170] Auch neigen unbehandelte Betroffene überproportional häufig zu Alkohol- und Nikotin-Missbrauch, generell vermehrt zu legalen und illegalen Suchtmitteln (Drogen als dysfunktionale Selbstmedikation), zu riskantem Sexualverhalten und häufigeren ungeplanten Schwangerschaften sowie Elternschaft im Teenageralter. Im Straßenverkehr stellt ihre erhöhte Unfallneigung ein weiteres Problem dar.[33][171]
Über- und Unterdiagnostizierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wegen der starken Zunahme der ADHS-Diagnosen seit den 1990er Jahren wurde vielfach die Befürchtung geäußert, dass die Diagnose zu oft gestellt wird. Eine gezielte Untersuchung dieser Frage von 2007 konnte jedoch keine Belege hierfür finden.[172]
Im Bereich der Erwachsenen wurde 2014 durch die Analyse umfangreicher Daten von 1976 bis 2013 festgestellt, dass viele Betroffene, die von einer Behandlung große Vorteile hätten, keine Diagnose und somit auch keine Behandlung erhalten hatten.[173]
Kommerzielle Aspekte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Jahr 2012 wurden 61,03 Mio. definierte Tagesdosen (Defined Daily Dose, DDD) Arzneimittel zur medikamentösen Behandlung von ADHS verordnet – ausgehend von 59,11 Mio. DDD (im Jahr 2011) und 59,35 Mio. DDD (2010). Zum Vergleich: Im Jahr 2012 wurden 1323,86 Mio. DDD Antidepressiva und 82,76 Mio. DDD Psychopharmaka zur Demenzbehandlung verschrieben.[174]
Speziell die Verschreibungen von Methylphenidat stiegen von 1,3 Mio. DDD im Jahr 1995 über 13,5 Mio. DDD (2000) und 33 Mio. DDD (2005) auf 55 Mio. DDD (2009).[175] Seither flachte die Zunahme ab und stabilisierte sich in den Folgejahren bei 58 Mio. DDD (2010 und 2011) und 60 Mio. DDD (im Jahr 2012).[176] 2011 wurde Methylphenidat an knapp 336.000 Personen verschrieben.[177]
Die hauptsächlich zur medikamentösen Behandlung eingesetzten Stimulanzien Methylphenidat und Amphetamin sind patentfrei sowie frei von ergänzenden Schutzzertifikaten und als kostengünstige Generika bzw. Apothekenrezepturen verfügbar. Atomoxetin war dagegen bis 2017 exklusiv für Eli Lilly and Company geschützt und war daher teurer[178] als die entsprechende Medikation mit Stimulanzien. Die ADHS-Behandlung in maximal zulässiger Atomoxetin-Dosierung kostete laut einer Information der Kassenärztlichen Bundesvereinigung von Dezember 2005 ungefähr 4,3-mal so viel wie die entsprechende Therapie mit nicht retardiertem Methylphenidat.[178]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aktuelle Leitlinien
- ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. S3-Leitlinie für alle Altersstufen, AWMF, federführende Fachgesellschaften: DGKJP, DGPPN und DGSPJ, 2. Mai 2018, gültig bis 1. Mai 2022 (online).
Einführungen
- Russell A. Barkley (Hrsg.): Das große ADHS-Handbuch für Eltern – Verantwortung übernehmen für Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität. Hans Huber 2021, 4., aktual. Auflage. ISBN 978-3-456-86082-4.
- Russell A. Barkley: Das große Handbuch für Erwachsene mit ADHS. 3. Aufl. Hogrefe, Bern 2024, ISBN 978-3-456-86221-7.
- Hans-Christoph Steinhausen u. a. (Hrsg.): Handbuch ADHS – Grundlagen, Klinik, Therapie und Verlauf der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Kohlhammer 2020, 2. erw. und üb. Auflage. ISBN 978-3-17-034866-0.
- Manfred Döpfner, Tobias Banaschewski: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS). In: Franz Petermann (Hrsg.): Lehrbuch der Klinischen Kinderpsychologie. 7., überarb. und erw. Aufl. Hogrefe 2013, ISBN 978-3-8017-2447-4, S. 271–290.
- Kai G. Kahl u. a.: Praxishandbuch ADHS: Diagnostik und Therapie für alle Altersstufen. 2., überarb. und erw. Aufl., Georg Thieme Verlag 2012, ISBN 3-13-156762-7.
- Johanna Krause, Klaus-Henning Krause: ADHS im Erwachsenenalter. Symptome – Differenzialdiagnose – Therapie. 4. vollst. akt. und erw. Auflage. Schattauer, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-7945-2782-3.
- Gerd Lehmkuhl, Christopher Adam, Jan Frölich, Kathrin Sevecke, Manfred Döpfner: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter. Uni-Med Verlag, Bremen 2004, ISBN 3-89599-617-3.
Psychoanalytische Theorie
- Evelyn Heinemann, Hans Hopf: AD(H)S: Symptome – Psychodynamik – Fallbeispiele – psychoanalytische Theorie und Therapie. Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-17-019082-5.
Geschichte
- Russell A. Barkley: History of ADHD. In: Russell A. Barkley (Hrsg.): Attention-Deficit Hyperactivity Disorder, Fourth Edition. A Handbook for Diagnosis and Treatment. Guilford Publications, New York 2014, ISBN 1-4625-1785-4, S. 3–50, Vorschau Google Books.
- Aribert Rothenberger, Klaus-Jürgen Neumärker: Wissenschaftsgeschichte der ADHS – Kramer-Pollnow im Spiegel der Zeit. Steinkopff, Darmstadt 2005, ISBN 3-7985-1552-2.
Für Lehrer
- Caterina Gawrilow, Lena Guderjahn u. a.: Störungsfreier Unterricht trotz ADHS: Mit Schülern Selbstregulation trainieren – ein Lehrermanual. 2. akt. Auflage. Ernst Reinhardt Verlag, München/Basel 2018, ISBN 978-3-497-02823-8.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Broschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: ADHS - Symptome, Diagnose, Behandlung. 2014 .
- Russell A. Barkley u. a.: Zur Medienberichterstattung über ADHS – Gemeinsame Erklärung internationaler Wissenschaftler. (PDF; 116 kB) deutsche Übersetzung von Michael Townson. In: Zentrales adhs-netz. September 2005, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 15. November 2018 .
- Stellungnahme zur „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)“ – Langfassung. (PDF; 1 MB; Kurzfassung: pdf; 501 kB) Bundesärztekammer, 26. August 2005, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 25. Juli 2021 .
- ADHS Infoportal des zentralen ADHS-Netzes des Universitätsklinikums Köln
- Schweizerische Fachgesellschaft ADHS
- Internationale Konsensuserklärung der World Federation of ADHD: 208 evidenzbasierte Schlussfolgerungen über die Störung
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Thomas Brown: ADHS bei Kindern und Erwachsenen – eine neue Sichtweise. Hogrefe, 2018, ISBN 978-3-456-85854-8, Siehe Einleitung und Kapitel 2 (Online [PDF; 361 kB]).
- ↑ Ludger Tebartz van Elst: Autismus und ADHS: Zwischen Normvariante, Persönlichkeitsstörung und neuropsychiatrischer Krankheit. 1. Auflage. Kohlhammer Verlag, 2016, ISBN 978-3-17-028687-0.
- ↑ Kristin Göbel, Franz Baumgarten, Benjamin Kuntz, Heike Hölling, Robert Schlack: ADHS bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2 und Trends. 19. September 2018, doi:10.17886/RKI-GBE-2018-078 (Online [abgerufen am 15. Januar 2021]).
- ↑ Stephen V. Faraone et al.: Attention-deficit/hyperactivity disorder. In: Nature Reviews Disease Primers. 6. August 2015, Für Prävalenz siehe "Epidemiology", doi:10.1038/nrdp.2015.20 (Online [PDF; 1,7 MB]).
- ↑ Stellungnahme zur „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ( des vom 12. Juni 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. “. Langfassung (PDF; 1,0 MB). Bundesärztekammer, 2005, abgerufen am 3. Januar 2017. (S. 5: Jungen öfter als Mädchen betroffen; S. 36: Fortbestehen in Adoleszenz; S. 42: Fortbestehen im Erwachsenenalter.)
- ↑ a b c d ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. In: AWMF (Hrsg.): S3-Leitlinie. 2017 (awmf.org – S. 13 (Ursachen), S. 46 (Schweregradeinteilung), S. 77 (Cannabis)).
- ↑ ADHS in der Kindheit schmälert Zukunftsaussichten. Medscape Deutschland (2012). Langzeitstudie von Klein et al.
- ↑ Mehr Teenager-Schwangerschaften bei ADHS. In: Deutsche Hebammen Zeitschrift. 2017, abgerufen am 18. September 2019.
- ↑ Redaktion Deutsches Ärzteblatt (2019): Erhöhtes Sterberisiko bei ADHS durch Suizide, Unfälle und andere Verletzungen. Deutscher Ärzteverlag, abgerufen am 18. September 2019.
- ↑ http://daebl.de/CH19
- ↑ ADHS-Therapie mit niedrigerem Sterberisiko assoziiert. In: Deutsches Ärzteblatt. Jahrgang 121, Heft 7, 5. April 2024, S. B 413.
- ↑ a b c d ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. S3-Leitlinie für alle Altersstufen (Langfassung), Mai 2018. Kapitel 1.2.1. (Wie sollte die individuelle Behandlungsoption ausgewählt werden?), Kapitel 2.5 und 2.13, S. 86f.
- ↑ a b T. J. Spencer, A. Brown, L. J. Seidman, E. M. Valera, N. Makris, A. Lomedico, S. V. Faraone, J. Biederman: Effect of psychostimulants on brain structure and function in ADHD: a qualitative literature review of magnetic resonance imaging-based neuroimaging studies. In: The Journal of clinical psychiatry. Band 74, Nummer 9, September 2013, S. 902–917, doi:10.4088/JCP.12r08287, PMID 24107764, PMC 3801446 (freier Volltext) (Review).
- ↑ a b c Johanna Krause, Klaus-Henning Krause: ADHS im Erwachsenenalter. 4. vollst. akt. und erw. Auflage. Schattauer, 2014, ISBN 978-3-7945-2782-3, S. 5 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Stellungnahme zur „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ( des vom 12. Juni 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. “. Langfassung (PDF; 1,0 MB). Bundesärztekammer, 2005. Kapitel 3: Diagnostik und Differenzialdiagnostik der ADHS
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- ↑ Christiane Desman, Franz Petermann: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS): Wie valide sind die Subtypen? In: Kindheit und Entwicklung. Band 14, Nr. 4, Oktober 2005, ISSN 0942-5403, S. 244–254, doi:10.1026/0942-5403.14.4.244.
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- ↑ Tebartz van Elst, Biscaldi-Schäfer, Lahmann, Riedel, Zeeck (Hrsg.): "Entwicklungsstörungen." Interdisziplinäre Perspektiven aus der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalters, Kohlhammer, ISBN 978-3-17-034661-1, S. 113.
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- ↑ A. Hvolby: Associations of sleep disturbance with ADHD: implications for treatment. In: Attention deficit and hyperactivity disorders. Band 7, Nummer 1, März 2015, S. 1–18, doi:10.1007/s12402-014-0151-0, PMID 25127644, PMC 4340974 (freier Volltext) (Review).
- ↑ ADHS als circadiane Rhythmusstörung (Kapitel 16.6.) In: Hans-Christoph Steinhausen u. a. (Hrsg.): Handbuch ADHS - Grundlagen, Klinik, Therapie und Verlauf der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Kohlhammer 2020.
- ↑ G. V. Polanczyk, E. G. Willcutt, G. A. Salum, C. Kieling, L. A. Rohde: ADHD prevalence estimates across three decades: an updated systematic review and meta-regression analysis. In: International journal of epidemiology. Band 43, Nummer 2, April 2014, S. 434–442, doi:10.1093/ije/dyt261, PMID 24464188 (freier Volltext) (Review).
- ↑ R. Goodman: The Strengths and Difficulties Questionnaire: a research note. In: Journal of child psychology and psychiatry, and allied disciplines. Band 38, Nr. 5, Juli 1997, S. 581–586, PMID 9255702.
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- ↑ R. Schlack u. a. (2007): Die Prävalenz der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. (PDF) Robert Koch-Institut, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 24. Februar 2014; abgerufen am 24. Februar 2014.
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