„Bose-Einstein-Kondensat“ – Versionsunterschied
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Das '''Bose-Einstein-Kondensat''' ('' |
Das '''Bose-Einstein-Kondensat''' (nach [[Satyendranath Bose]] und [[Albert Einstein]]; Abkürzung '''BEK''', {{enS}} '''BEC''') ist ein extremer [[Aggregatzustand]] eines Systems [[Ununterscheidbare Teilchen|ununterscheidbarer Teilchen]], in dem sich der überwiegende Anteil der Teilchen im selben [[Zustand (Quantenmechanik)|quantenmechanischen Zustand]] befindet. Das ist nur möglich, wenn die Teilchen [[Boson]]en sind und somit der [[Bose-Einstein-Statistik]] unterliegen. |
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Bose-Einstein-Kondensate sind makroskopische [[Quantenobjekt]]e, in denen die einzelnen Bosonen vollständig de[[Lokalisierung (Physik)|lokalisiert]] sind. Dies wird auch als [[makroskopischer Quantenzustand]] bezeichnet. Die Bosonen sind vollständig ununterscheidbar. Der Zustand kann daher durch eine einzige [[Wellenfunktion]] beschrieben werden. |
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Theoretisch wurde dieser Zustand schon [[1924]] von [[Satyendra Nath Bose]] und [[Albert Einstein]] vorhergesagt. Die erstaunlichen Eigenschaften von flüssigem [[Helium#Eigenschaften|Helium]] bei tiefen Temperaturen wurden auf Bose-Einstein-Kondensation zurückgeführt, allerdings ist die direkte Beobachtung des Effekts in diesem System aufgrund der Wechselwirkung zwischen den Teilchen ausgesprochen schwierig. Auch Versuche, Bose-Einstein-Kondensation in einem Gas aus polarisierten Wasserstoff-Atomen zu erreichen, führten zunächst nicht zum Erfolg. |
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Im Jahr [[1997]] erhielten dann schließlich [[Eric A. Cornell]], [[Wolfgang Ketterle]] und [[Carl E. Wieman]] den [[Nobelpreis für Physik]] für die Herstellung des ersten Bose-Einstein-Kondensats ([[1995]]) aus einem Gas von [[Rubidium]] bzw. [[Natrium]]-Atomen. |
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Daraus resultierende Eigenschaften sind [[Suprafluidität]], [[Supraleitung]], [[Suprasolidität]] oder [[Kohärenz (Physik)|Kohärenz]] über makroskopische Entfernungen. Letztere erlaubt [[Interferenz (Physik)|Interferenz]]<nowiki />experimente mit Bose-Einstein-Kondensaten sowie die Herstellung eines [[Atomlaser]]s, den man durch kontrollierte Auskopplung eines Teils der [[Materiewelle]] aus der das Kondensat haltenden Falle erhalten kann. |
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Der [[Phasenübergang]] von einem klassischen atomaren Gas zu einem Bose-Einstein-Kondensat findet statt, wenn eine kritische [[Phasenraum-Dichte]] erreicht wird. Anschaulich kann man dies so verstehen: |
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Die Atome sind Quantenteilchen, deren Bewegung durch ein [[Wellenpaket]] dargestellt wird. Die Ausdehnung dieses Wellenpakets ist die thermische [[De-Broglie-Welle]]nlänge. Diese wird umso größer, je weiter die Temperatur sinkt. Die Bose-Einstein-Kondensation beginnt, wenn die Wellenpakete der Teilchen so groß werden, dass sie beginnen zu überlappen. |
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Daher ist es notwendig, die Dichte des Gases zu erhöhen und die Temperatur zu senken, um den Phasenübergang zu erreichen. |
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== Entdeckung == |
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Zunächst werden die Atome durch [[Laserkühlung]] bis auf etwa 100 µK vorgekühlt. Sie bewegen sich dann nur noch um einige cm pro Sekunde und können so bequem in einer magnetischen oder optischen Falle gefangen werden. |
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Allerdings sind zum Erreichen des Phasenübergangs sehr viel niedrigere Temperaturen notwendig, als mit den Methoden der Laserkühlung erreicht werden können. Deshalb wird anschließend [[evaporatives Kühlen]] benutzt, um die kritische Phasenraum-Dichte zu erreichen. Auf diese Weise ist es bis [[2004]] gelungen, Bose-Einstein-Kondensation für eine Vielzahl verschiedener Isotope ( <sup>4</sup>He, <sup>7</sup>Li, <sup>23</sup>Na, <sup>41</sup>K, <sup>52</sup>Cr, <sup>85</sup>Rb, <sup>87</sup>Rb, <sup>133</sup>Cs und <sup>174</sup>Yb) zu erreichen, auch beim Wasserstoff war man schließlich erfolgreich, wenn auch mit etwas anderen Methoden. |
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Theoretisch wurde 1924 – auf der Grundlage einer Arbeit von [[Satyendranath Bose]] über die [[Quantenstatistik]] von [[Photon]]en – von [[Albert Einstein]] vorhergesagt, dass ein [[Homogenität (Physik)|homogenes]] [[ideales Bose-Gas]] bei tiefen Temperaturen [[Kondensation|kondensiert]].<ref name="Einstein Manuskript" /><ref name="Einstein" /> |
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Bose-Einstein-Kondensate sind makroskopische Quantenobjekte, in denen die einzelnen Atome vollständig delokalisiert sind, jedes Atom ist also überall innerhalb des Kondensates zugleich. Der Zustand kann daher durch eine einzige [[Wellenfunktion]] beschrieben werden. Daraus resultieren faszinierende Eigenschaften wie [[Suprafluidität]] und [[Kohärenz (Physik)|Kohärenz]] über makroskopische Entfernungen. |
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Letztere erlaubt [[Interferenz]]-Experimente mit Bose-Einstein-Kondensaten sowie die Herstellung eines so genannten [[Atomlaser]]s, den man durch kontrollierte Auskopplung eines Teils der [[Materiewelle]] aus der Falle erhalten kann. |
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Daraufhin wurden die [[Helium #Helium II|Supraflüssigkeits-Eigenschaften von flüssigem Helium]] bei Temperaturen unter 2,17 K auf die Bose-Einstein-Kondensation zurückgeführt. Allerdings ist die direkte Beobachtung des Effekts in diesem System ausgesprochen schwierig, weil hier die Wechselwirkung zwischen den Atomen ''nicht'' vernachlässigt werden kann. Daher befinden sich im Gegensatz zur Bose-Einstein-Theorie, die inzwischen experimentell in ultrakalten Gasen bestätigt wurde,<ref>{{Webarchiv|url=http://iqoqi.at/de/aktuelles/news/14-archive/year-2009/140-erstes-bose-einstein-kondensat-mit-strontiumatomen |wayback=20141227091657 |text=''Erstes Bose-Einstein-Kondensat mit Strontiumatomen.'' }} In: ''iqoqi.at.'' [[Österreichische Akademie der Wissenschaften]], 10. November 2009, abgerufen am 10. September 2016.</ref> bei suprafluidem Helium nicht maximal 100 %, sondern nur 8 % der Atome im [[Grundzustand]]. |
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==Literatur== |
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* S. N. Bose, Z. Phys. 26, 178 (1924) |
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* A. Einstein, Sitz. Ber. Preuss. Akad. Wiss. (Berlin) 22, 261 (1924) |
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* Kai Bongs, Jakob Reichel, Klaus Sengstock: ''Bose-Einstein-Kondensation: Das ideale Quantenlabor''. Physik in unserer Zeit 34(4), S. 168 - 176 (2003), {{ISSN|0031-9252}} |
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Auch Versuche, eine Bose-Einstein-Kondensation in einem Gas aus [[Polarisation (Elektrizität)|polarisierten]] [[Wasserstoffatom]]en zu erreichen, führten zunächst nicht zum Erfolg. |
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==Weblinks:== |
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* [http://www.mpq.mpg.de/bec-anschaulich/html/kondensat.html Max-Planck-Institut für Quantenoptik] (allgemein verständliche Beschreibung, Historie) |
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* http://www.iap.uni-bonn.de/P2K/bec/index.html |
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* http://derstandard.at/?id=1356913 |
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* [http://dollywood.itp.tuwien.ac.at/~statmech/BEC.pdf Erzeugung eines Bose-Einstein-Kondensats] ([[PDF]]) |
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Die ersten Bose-Einstein-Kondensate – bestehend aus [[Rubidium]]-Atomen – wurden im Juni und September 1995 experimentell von [[Eric A. Cornell]] und [[Carl E. Wieman]] am [[JILA]] bzw. von [[Wolfgang Ketterle]], [[Kendall Davis]] und [[Marc-Oliver Mewes]] am [[Massachusetts Institute of Technology|MIT]] hergestellt.<ref>Michael Breu: [http://archiv.ethlife.ethz.ch/articles/sciencelife/eindimensional_BEC.html ''Eingefroren.''] 100 Atome bei tiefsten Temperaturen: Quantenoptiker stellen eindimensionales Bose-Einstein-Kondensat her. In: ''ethz.ch.'' [[ETH Zürich]], 26. Februar 2004, abgerufen am 6. Juni 2010.</ref> Im Jahr 2001 erhielten Cornell, Wieman und Ketterle dafür den [[Nobelpreis für Physik]]. |
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[[Kategorie:Quantenphysik]] |
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== Existenzbedingungen == |
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[[da:Bose-Einstein kondensat]] |
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[[en:Bose-Einstein condensate]] |
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Der [[Phasenübergang]] von einem klassischen atomaren Gas zu einem Bose-Einstein-Kondensat findet statt, wenn eine kritische [[Phasenraum]]<nowiki />dichte erreicht wird, das heißt, wenn die [[Dichte]] der [[Teilchen]] mit fast gleichem [[Impuls]] |
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[[es:Condensado de Bose-Einstein]] |
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groß genug ist. |
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[[fr:Condensat de Bose-Einstein]] |
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[[he:עיבוי בוז-איינשטיין]] |
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Anschaulich kann man das so verstehen: die [[Atom]]e sind [[Quant]]enteilchen, deren Bewegung durch ein [[Wellenpaket]] dargestellt wird. Die Ausdehnung dieses Wellenpakets ist die [[Thermische Wellenlänge|thermische De-Broglie-Wellenlänge]]. Diese wird umso größer, je weiter die Temperatur sinkt. Erreicht die De-Broglie-Wellenlänge den mittleren Abstand zwischen zwei Atomen, so kommen die Quanteneigenschaften zum Tragen. In einem dreidimensionalen [[Ensemble (Physik)|Ensemble]] setzt nun die Bose-Einstein-Kondensation ein. Daher ist es notwendig, die Dichte des Gases zu erhöhen und die Temperatur zu senken, um den Phasenübergang zu erreichen. |
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[[it:Condensato di Bose-Einstein]] |
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[[ja:ボース=アインシュタイン凝縮]] |
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Im Rahmen der [[Statistische Physik|statistischen Physik]] lässt sich mit Hilfe der [[Bose-Einstein-Statistik]] die kritische Temperatur <math>T_\mathrm{C}</math> eines [[Ideales Bosegas|idealen Bosegases]] berechnen, unterhalb derer die Bose-Einstein-Kondensation einsetzt: |
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[[nl:Bose-Einsteincondensaat]] |
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:<math> T_\mathrm{C} = \frac{h^2}{2\pi\cdot m\cdot k_\mathrm{B}} \left(\frac{n}{(2S+1)\cdot \zeta(3/2)}\right)^{2/3} </math> |
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[[pl:Kondensat Bosego-Einsteina]] |
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Dabei ist: |
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[[zh:玻色-爱因斯坦凝结]] |
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: <math>h</math>: [[Planck-Konstante]] |
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: <math>m</math>: Masse der Teilchen |
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: <math>k_\mathrm B</math>: [[Boltzmann-Konstante]] |
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: <math>n</math>: [[Teilchendichte|Dichte der Teilchen]] |
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: <math>S</math>: [[Spin]] der Teilchen |
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: <math>\zeta(s)</math>: [[Riemannsche Zetafunktion]], <math>\zeta(3/2) \approx 2{,}6124 </math> |
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„Ideales Bosegas“ bedeutet, dass für die Berechnung ein unendlich ausgedehntes, homogenes, wechselwirkungsfreies Gas betrachtet wird. Der Einschluss der Atome im Fallen[[Potential (Physik)|potential]] und die Wechselwirkungen zwischen ihnen führen zu einer geringen Abweichung der tatsächlich beobachteten kritischen Temperatur vom berechneten Wert, die Formel gibt jedoch die richtige Größenordnung wieder. Für typische, experimentell realisierbare Parameter findet man Temperaturen von deutlich weniger als 100 nK, sogenannte [[ultratiefe Temperaturen]]. |
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== Erzeugung == |
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Die übliche Methode zum Erzeugen von Bose-Einstein-Kondensaten aus Atomen besteht aus zwei Phasen: |
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* Zunächst werden die Atome in einer [[Magneto-optische Falle|magneto-optischen Falle]] gefangen und durch [[Laserkühlung]] vorgekühlt. Die Laserkühlung besitzt jedoch ein unteres [[Grenzwert (Funktion)|Limit]] für Temperaturen (typischerweise etwa 100 µK), das durch den [[Rückstoß #Rückstoß in der Atom-, Kern- und Teilchenphysik|Rückstoß]] bei der [[Spontane Emission|spontanen Emission]] der Photonen bedingt ist. |
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* Die mittlere Geschwindigkeit der so gekühlten Atome von nur noch einigen Zentimetern pro Sekunde ist jedoch klein genug, um sie in einer magnetischen oder optischen Falle zu fangen. Durch [[evaporative Kühlung]], das heißt kontinuierliches Entfernen der energiereichsten Atome, wird die Temperatur der Atomwolke weiter gesenkt. Bei diesem Prozess werden meist über 99,9 % der Atome gezielt entfernt. So erreichen die verbleibenden Atome die nötige Phasenraumdichte, um den Phasenübergang in ein Bose-Einstein-Kondensat zu vollziehen. |
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Auf diese Weise gelang es bis 2004, bei ultratiefen Temperaturen von 100 nK und darunter Bose-Einstein-Kondensation für viele verschiedene Isotope zu erreichen ([[Lithium|<sup>7</sup>Li]], [[Natrium|<sup>23</sup>Na]], [[Kalium|<sup>41</sup>K]], [[Chrom|<sup>52</sup>Cr]], [[Rubidium|<sup>85</sup>Rb]], <sup>87</sup>Rb, [[Caesium|<sup>133</sup>Cs]] und [[Ytterbium|<sup>174</sup>Yb]]). Auch beim Wasserstoff war man schließlich erfolgreich, wenn auch mit etwas anderen Methoden. |
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Dass die oben genannten Gase bosonisches Verhalten zeigen und nicht – wie Festkörperphysiker oder Chemiker von Alkaliatomen erwarten würden – [[fermion]]isches (für welches das [[Pauli-Prinzip]] gelten würde), beruht auf einem subtilen Zusammenspiel von [[Elektronenspin|Elektronen-]] und [[Kernspin]] bei ultratiefen Temperaturen: Bei entsprechend niedrigen [[Anregungsenergie]]n sind der ''halbzahlige'' Gesamtspin der Elektronenhülle der Atome und der ebenfalls ''halbzahlige'' Kernspin durch die schwache [[Hyperfeinwechselwirkung]] zu einem ''ganzzahligen'' Gesamtspin des Systems gekoppelt. Dagegen ist das Verhalten bei [[Raumtemperatur]] (die „Chemie“ der Systeme) allein durch den Spin der Elektronenhülle bestimmt, weil hier die [[Thermische Energie|thermischen Energien]] viel größer sind als die Hyperfeinfeld-Energien. |
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Im Jahr 2006 haben Demokritov und Mitarbeiter Bose-Einstein-Kondensation von [[Magnon]]en (quantisierten Spinwellen) bei Raumtemperatur erreicht, allerdings durch Anwendung [[Optisches Pumpen|optischer Pump-Prozesse]].<ref name="pmid17006509">{{cite journal |author=Demokritov SO, Demidov VE, Dzyapko O, ''et al.'' |title=Bose-Einstein condensation of quasi-equilibrium magnons at room temperature under pumping |journal=Nature |volume=443 |issue=7110 |pages=430–3 |year=2006 |month=September |pmid=17006509 |doi=10.1038/nature05117 |url=}}</ref><ref>Patryk Nowik-Boltyk: [http://www.uni-muenster.de/Physik.AP/Demokritov/Forschen/Forschungsschwerpunkte/mBECfnP.html ''Magnon Bose Einstein Kondensation einfach Dargestellt.''] In: ''uni-muenster.de.'' 6. Juni 2012, abgerufen am 10. September 2016.</ref> |
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2009 ist es erstmals der [[Physikalisch-Technische Bundesanstalt|Physikalisch-Technischen Bundesanstalt]] gelungen, ein Bose-Einstein-Kondensat aus [[Calcium]]-Atomen zu erzeugen. Solche [[Erdalkalimetalle]] haben – im Gegensatz zu den bisher verwendeten [[Alkalimetalle]]n – einen eine Million Mal schmaleren optischen Übergang und sind dadurch für neuartige Präzisionsmessungen, z. B. von [[Gravitationsfeld]]ern, verwendbar.<ref>{{cite journal |author=S. Kraft ''et al.'' |title=Bose-Einstein Condensation of Alkaline Earth Atoms: <sup>40</sup>Ca |journal=Phys. Rev. Lett. |volume=103 |issue=13 |pages=130401–130404 |doi=10.1103/PhysRevLett.103.130401}}</ref> |
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Im November 2010 berichtete eine Forschergruppe der [[Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn|Universität Bonn]] von der Erzeugung eines Bose-Einstein-Kondensats aus Photonen.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.nature.com/news/2010/101124/full/news.2010.630.html |titel=Chilled light enters a new phase |werk=nature.com |hrsg=Nature News |datum=2010-11-24 |sprache=en |abruf=2010-11-25}}</ref> Die Photonen wurden in einem [[Optischer Resonator|optischen Resonator]] zwischen zwei gekrümmten Spiegeln gefangen. Da eine Abkühlung von Photonen nicht möglich ist, wurden zur Einstellung eines [[Thermisches Gleichgewicht|thermischen Gleichgewichtes]] Farbstoffmoleküle in den Resonator gegeben. Die nach optischem Pumpen erfolgte Kondensation konnte in Form eines [[Kohärente Strahlung|kohärenten]] gelben Lichtstrahls festgestellt werden. Nach Ansicht der Forschergruppe um [[Martin Weitz]] könne das photonische Bose-Einstein-Kondensat zur Herstellung kurzwelliger [[Laser]] im [[Ultraviolettstrahlung|UV]]- oder [[Röntgenstrahlung|Röntgenbereich]] genutzt werden.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.handelsblatt.com/technologie/forschung-medizin/forschung-innovation/bonner-physiker-stellen-neue-lichtquelle-her/3647060.html |titel=Bonner Physiker stellen neue Lichtquelle her |werk=handelsblatt.com |hrsg=[[Handelsblatt]] |datum=2010-11-25 |abruf=2010-11-25}}</ref> |
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Das erste Bose-Einstein-Kondensat im All wurde 2017 erzeugt. Dazu wurde die Rakete MAIUS mit einem [[VSB-30]]-Triebwerk auf dem [[European Space and Sounding Rocket Range]] gestartet und zu einem schwerelosen Parabelflug auf mehr als 240 km Höhe gebracht.<ref>{{Webarchiv |url=https://www.iqo.uni-hannover.de/551.html |text=MAIUS ― Atom-optical experiments on sounding rockets |wayback=20170801142350 }}</ref> Dort wurden in einer zuvor erzeugten [[Ultrahochvakuum]]-Kammer [[Rubidium]]-Atome per [[Diodenlaser]] in einer [[Magneto-optische Falle|Magneto-optischen Falle]] durch [[evaporative Kühlung]] nahezu bis auf den [[Absoluter Nullpunkt|Absoluten Nullpunkt]] gebracht.<ref>V. Schkolnik et al.: ''A compact and robust diode laser system for atom interferometry on a sounding rocket'', 2016, arXiv 1606.0027 ([https://arxiv.org/pdf/1606.00271.pdf online])</ref> Das Bose-Einstein-Kondensat wurde dann per [[Atom-Chip]] erzeugt. Es wurde unter Schwerelosigkeit aus der Mitte der Falle entlassen, bevor per Magnetfeld kurz ein [[Harmonischer Oszillator (Quantenmechanik)|Harmonisches Potential]] angelegt und die Zustände per [[Mach-Zehnder-Interferometer]] gemessen wurden. |
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Am 21. Mai 2018 wurde das Experiment Cold Atom Laboratory (CAL) mit einer [[Cygnus (Raumtransporter)|Cygnus-Fähre]] zur Raumstation [[ISS]] geflogen.<ref>[http://science.orf.at/stories/2913506/ Ein Labor für „kältesten Punkt des Alls“] orf.at, 18. Mai 2018, abgerufen am 18. Mai 2018.</ref><ref>[http://orf.at/#/stories/2439186/ Start von Raumfrachter „Cygnus“ zur ISS verschoben] orf.at, 19. Mai 2018, abgerufen am 19. Mai 2018.</ref> Im Juni 2020 berichteten Forscher, damit dort erfolgreich BEK produziert zu haben.<ref name="cal-iss">{{cite journal |last1=Lachmann |first1=Maike D. |last2=Rasel |first2=Ernst M. |title=Quantum matter orbits Earth |journal=Nature |date=2020-06-11 |volume=582 |issue=7811 |pages=186–187 |doi=10.1038/d41586-020-01653-6 |pmid=32528088 |bibcode=2020Natur.582..186L }}</ref><ref>{{cite journal |last1=Aveline |first1=David C. |last2=Williams |first2=Jason R. |last3=Elliott |first3=Ethan R. |last4=Dutenhoffer |first4=Chelsea |last5=Kellogg |first5=James R. |last6=Kohel |first6=James M. |last7=Lay |first7=Norman E. |last8=Oudrhiri |first8=Kamal |last9=Shotwell |first9=Robert F. |last10=Yu |first10=Nan |last11=Thompson |first11=Robert J. |title=Observation of Bose–Einstein condensates in an Earth-orbiting research lab |journal=Nature |date=2020-06 |volume=582 |issue=7811 |pages=193–197 |doi=10.1038/s41586-020-2346-1 |pmid=32528092 |bibcode=2020Natur.582..193A }}</ref> |
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Laut einer Studie mit womöglich erstmals auch experimentell supraleitendem BEK scheint es einen „fließenden Übergang“ zwischen BEK und [[BCS-Theorie|BCS-Modalitäten]] zu geben.<ref>{{cite news |title=Researchers demonstrate a superconductor previously thought impossible |url=https://phys.org/news/2020-11-superconductor-previously-thought-impossible.html |work=phys.org |language=en| quote=This is the first time a BEC has been experimentally verified to work as a superconductor; however, other manifestations of matter, or regimes, can also give rise to superconduction. The Bardeen-Cooper-Shrieffer (BCS) regime is an arrangement of matter such that when cooled to near absolute zero, the constituent atoms slow down and line up, which allows electrons to pass through more easily. This effectively brings the electrical resistance of such materials to zero. Both BCS and BEC require freezing-cold conditions and both involve atoms slowing down. But these regimes are otherwise quite different. For a long time, researchers have believed that a more general understanding of superconduction could be reached if these regimes could be found to overlap in some way.}}</ref><ref>{{cite journal |last1=Hashimoto |first1=Takahiro |last2=Ota |first2=Yuichi |last3=Tsuzuki |first3=Akihiro |last4=Nagashima |first4=Tsubaki |last5=Fukushima |first5=Akiko |last6=Kasahara |first6=Shigeru |last7=Matsuda |first7=Yuji |last8=Matsuura |first8=Kohei |last9=Mizukami |first9=Yuta |last10=Shibauchi |first10=Takasada |last11=Shin |first11=Shik |last12=Okazaki |first12=Kozo |title=Bose-Einstein condensation superconductivity induced by disappearance of the nematic state |journal=Science Advances |date=2020-11-01 |volume=6 |issue=45 |pages=eabb9052 |doi=10.1126/sciadv.abb9052 |pmid=33158862 |pmc=7673702 |url=https://advances.sciencemag.org/content/6/45/eabb9052 |language=en |issn=2375-2548}}</ref> |
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== Experimenteller Nachweis == |
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[[Datei:Fermionic condensate peak.jpg|200px|mini|Dichteverteilung eines Bose-Einstein-Kondensats]] |
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Der Nachweis, dass tatsächlich ein Bose-Einstein-Kondensat erzeugt wurde, erfolgt bei atomaren Gasen meistens mit Hilfe von [[Lichtabsorption|Absorptions]]-Abbildungen nach einer Flugzeit. |
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Dazu wird die Falle, in der das Gas gefangen war, schlagartig abgeschaltet. Daraufhin [[Wärmeausdehnung|expandiert]] die Gaswolke und wird nach einer Flugzeit mit [[Resonanz (Physik)|resonantem]] Laser[[licht]] bestrahlt. Die Photonen des Strahls werden von den Atomen der Gaswolke [[Streuung (Physik)|gestreut]], der Strahl also effektiv geschwächt. Der entstandene (Halb-)[[Schatten]] kann mit einer empfindlichen [[CCD-Sensor|CCD]]-Kamera aufgenommen werden, aus seinem Bild lässt sich die Dichteverteilung der Gaswolke rekonstruieren. |
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Diese ist für Bose-Einstein-Kondensate [[Anisotropie|anisotrop]], während ein klassisches Gas im thermischen Gleichgewicht immer [[Isotropie|isotrop]] expandiert. In vielen Fällen ist die Dichteverteilung [[Parabel (Mathematik)|parabelförmig]], was sich als Konsequenz der Wechselwirkung zwischen den Atomen verstehen lässt und das Bose-Einstein-Kondensat von einem [[Ideales Bosegas|idealen Bosegas]] unterscheidet. |
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== Ähnliche Effekte == |
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Beim [[Fermionen-Kondensat]] basiert der Effekt ebenfalls auf Bosonen. Aufgrund des [[Pauli-Prinzip]]s ist es nicht möglich, dass sich Fermionen im selben Zustand befinden. Dies gilt aber nicht für sich paarweise zu Bosonen zusammenschließende Fermionen, die dann als Bosonen ein Kondensat bilden können. |
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== Literatur == |
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* {{Literatur |
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|Autor=[[Satyendranath Bose]] |
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|Titel=Plancks Gesetz und Lichtquantenhypothese |
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|Sammelwerk=[[Zeitschrift für Physik]] |
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|Band=26 |
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|Verlag=Springer |
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|Ort=Berlin / Heidelberg |
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|Datum=1924 |
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|Seiten=178–181 |
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|DOI=10.1007/BF01327326}} (englische Übersetzung erschienen als {{Literatur |Autor=[[Satyendranath Bose]], O. Theimer (Translator), Budh Ram (Translator) |Titel=The beginning of quantum statistics: A translation of ''Planck’s law and the light quantum hypothesis'' |Sammelwerk=American Journal of Physics |Band=44 |Nummer=11 |Datum=1976 |DOI=10.1119/1.10584}}). |
|||
* {{Literatur |
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|Autor=Albert Einstein |
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|Titel=Quantentheorie des einatomigen idealen Gases – Zweite Abhandlung |
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|Sammelwerk=Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften |
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|Ort=Berlin |
|||
|Datum=1925 |
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|Seiten=3–10 |
|||
|DOI=10.1002/3527608958.ch28}} |
|||
* {{Literatur |
|||
|Autor=Kai Bongs, Jakob Reichel, Klaus Sengstock |
|||
|Titel=Bose-Einstein-Kondensation: Das ideale Quantenlabor |
|||
|Sammelwerk=[[Physik in unserer Zeit]] |
|||
|Band=34 |
|||
|Nummer=4 |
|||
|Verlag=Wiley-VCH |
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|Ort=Weinheim / Berlin |
|||
|Datum=2003 |
|||
|ISSN=0031-9252 |
|||
|Seiten=168–176 |
|||
|DOI=10.1002/piuz.200301016}} |
|||
* {{Literatur |
|||
|Autor=Jan Klaers, Julian Schmitt, Frank Vewinger, Martin Weitz |
|||
|Titel=Bose-Einstein-Kondensat aus Licht |
|||
|Sammelwerk=[[Physik in unserer Zeit]] |
|||
|Band=42 |
|||
|Nummer=2 |
|||
|Datum=2011 |
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|Seiten=58–59 |
|||
|Online=https://www.iap.uni-bonn.de/ag_weitz/daten/publikationen/piuz_2_2011 |
|||
|Format=PDF |
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|KBytes=196 |
|||
|DOI=10.1002/piuz.201190007}} |
|||
== Weblinks == |
|||
{{Commonscat|Bose-Einstein condensate|Bose-Einstein-Kondensat}} |
|||
* {{DNB-Portal|4402897-0}} |
|||
* {{Internetquelle |url=http://www.iap.uni-bonn.de/P2K/bec/index.html |titel=Bose-Einstein-Kondensation in einem Gas |hrsg=iap.uni-bonn |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20130713140430/http://www.iap.uni-bonn.de/P2K/bec/index.html |archiv-datum=2013-07-13 |abruf=2016-06-20 |kommentar=Anschauliche Erläuterungen}} |
|||
** {{Webarchiv |url=http://www.iap.uni-bonn.de/P2K/bec/temperature.html |text=Wie kalt ist kalt? |wayback=20130713140430}}, {{Webarchiv |url=http://www.iap.uni-bonn.de/P2K/bec/what_is_it.html |text=Bose-Einstein-Kondensation - Was ist das? |wayback=20130713140430}}, {{Webarchiv |url=http://www.iap.uni-bonn.de/P2K/bec/mag_trap.html |text=Magnetische Falle |wayback=20130202082354}}, {{Webarchiv |url=http://www.iap.uni-bonn.de/P2K/bec/evap_cool.html |text=Verdampfungskühlung |wayback=20130202082357}}, {{Webarchiv |url=http://www.iap.uni-bonn.de/P2K/bec/what_it_looks_like.html |text=Wie sieht ein Bose-Einstein-Kondensat aus? |wayback=20121203090841}}, |
|||
* [http://saftsack.fs.uni-bayreuth.de/thermo/bek.html Online Skript mit ausführlicher theoretischer Herleitung] |
|||
* [http://doug-pc.itp.ucsb.edu/online/plecture/ketterle/ Ton-Mitschnitt eines allgemein gehaltenen Vortrags des deutschen Physiknobelpreisträgers Wolfgang Ketterle über Bose-Einstein-Kondensate (1998)] (englisch) |
|||
* [http://video.mit.edu/watch/bose-einstein-condensates-the-coldest-matter-in-the-universe-9889/ Video von Wolfgang Ketterles Lesung „Bose-Einstein Condensates: The Coldest Matter in the Universe“] – [[Massachusetts Institute of Technology]], 11. Oktober 2001 (englisch) |
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== Einzelnachweise == |
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Aktuelle Version vom 4. Mai 2025, 03:50 Uhr
Das Bose-Einstein-Kondensat (nach Satyendranath Bose und Albert Einstein; Abkürzung BEK, englisch BEC) ist ein extremer Aggregatzustand eines Systems ununterscheidbarer Teilchen, in dem sich der überwiegende Anteil der Teilchen im selben quantenmechanischen Zustand befindet. Das ist nur möglich, wenn die Teilchen Bosonen sind und somit der Bose-Einstein-Statistik unterliegen.
Bose-Einstein-Kondensate sind makroskopische Quantenobjekte, in denen die einzelnen Bosonen vollständig delokalisiert sind. Dies wird auch als makroskopischer Quantenzustand bezeichnet. Die Bosonen sind vollständig ununterscheidbar. Der Zustand kann daher durch eine einzige Wellenfunktion beschrieben werden.
Daraus resultierende Eigenschaften sind Suprafluidität, Supraleitung, Suprasolidität oder Kohärenz über makroskopische Entfernungen. Letztere erlaubt Interferenzexperimente mit Bose-Einstein-Kondensaten sowie die Herstellung eines Atomlasers, den man durch kontrollierte Auskopplung eines Teils der Materiewelle aus der das Kondensat haltenden Falle erhalten kann.
Entdeckung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Theoretisch wurde 1924 – auf der Grundlage einer Arbeit von Satyendranath Bose über die Quantenstatistik von Photonen – von Albert Einstein vorhergesagt, dass ein homogenes ideales Bose-Gas bei tiefen Temperaturen kondensiert.[1][2]
Daraufhin wurden die Supraflüssigkeits-Eigenschaften von flüssigem Helium bei Temperaturen unter 2,17 K auf die Bose-Einstein-Kondensation zurückgeführt. Allerdings ist die direkte Beobachtung des Effekts in diesem System ausgesprochen schwierig, weil hier die Wechselwirkung zwischen den Atomen nicht vernachlässigt werden kann. Daher befinden sich im Gegensatz zur Bose-Einstein-Theorie, die inzwischen experimentell in ultrakalten Gasen bestätigt wurde,[3] bei suprafluidem Helium nicht maximal 100 %, sondern nur 8 % der Atome im Grundzustand.
Auch Versuche, eine Bose-Einstein-Kondensation in einem Gas aus polarisierten Wasserstoffatomen zu erreichen, führten zunächst nicht zum Erfolg.
Die ersten Bose-Einstein-Kondensate – bestehend aus Rubidium-Atomen – wurden im Juni und September 1995 experimentell von Eric A. Cornell und Carl E. Wieman am JILA bzw. von Wolfgang Ketterle, Kendall Davis und Marc-Oliver Mewes am MIT hergestellt.[4] Im Jahr 2001 erhielten Cornell, Wieman und Ketterle dafür den Nobelpreis für Physik.
Existenzbedingungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Phasenübergang von einem klassischen atomaren Gas zu einem Bose-Einstein-Kondensat findet statt, wenn eine kritische Phasenraumdichte erreicht wird, das heißt, wenn die Dichte der Teilchen mit fast gleichem Impuls groß genug ist.
Anschaulich kann man das so verstehen: die Atome sind Quantenteilchen, deren Bewegung durch ein Wellenpaket dargestellt wird. Die Ausdehnung dieses Wellenpakets ist die thermische De-Broglie-Wellenlänge. Diese wird umso größer, je weiter die Temperatur sinkt. Erreicht die De-Broglie-Wellenlänge den mittleren Abstand zwischen zwei Atomen, so kommen die Quanteneigenschaften zum Tragen. In einem dreidimensionalen Ensemble setzt nun die Bose-Einstein-Kondensation ein. Daher ist es notwendig, die Dichte des Gases zu erhöhen und die Temperatur zu senken, um den Phasenübergang zu erreichen.
Im Rahmen der statistischen Physik lässt sich mit Hilfe der Bose-Einstein-Statistik die kritische Temperatur eines idealen Bosegases berechnen, unterhalb derer die Bose-Einstein-Kondensation einsetzt:
Dabei ist:
- : Planck-Konstante
- : Masse der Teilchen
- : Boltzmann-Konstante
- : Dichte der Teilchen
- : Spin der Teilchen
- : Riemannsche Zetafunktion,
„Ideales Bosegas“ bedeutet, dass für die Berechnung ein unendlich ausgedehntes, homogenes, wechselwirkungsfreies Gas betrachtet wird. Der Einschluss der Atome im Fallenpotential und die Wechselwirkungen zwischen ihnen führen zu einer geringen Abweichung der tatsächlich beobachteten kritischen Temperatur vom berechneten Wert, die Formel gibt jedoch die richtige Größenordnung wieder. Für typische, experimentell realisierbare Parameter findet man Temperaturen von deutlich weniger als 100 nK, sogenannte ultratiefe Temperaturen.
Erzeugung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die übliche Methode zum Erzeugen von Bose-Einstein-Kondensaten aus Atomen besteht aus zwei Phasen:
- Zunächst werden die Atome in einer magneto-optischen Falle gefangen und durch Laserkühlung vorgekühlt. Die Laserkühlung besitzt jedoch ein unteres Limit für Temperaturen (typischerweise etwa 100 µK), das durch den Rückstoß bei der spontanen Emission der Photonen bedingt ist.
- Die mittlere Geschwindigkeit der so gekühlten Atome von nur noch einigen Zentimetern pro Sekunde ist jedoch klein genug, um sie in einer magnetischen oder optischen Falle zu fangen. Durch evaporative Kühlung, das heißt kontinuierliches Entfernen der energiereichsten Atome, wird die Temperatur der Atomwolke weiter gesenkt. Bei diesem Prozess werden meist über 99,9 % der Atome gezielt entfernt. So erreichen die verbleibenden Atome die nötige Phasenraumdichte, um den Phasenübergang in ein Bose-Einstein-Kondensat zu vollziehen.
Auf diese Weise gelang es bis 2004, bei ultratiefen Temperaturen von 100 nK und darunter Bose-Einstein-Kondensation für viele verschiedene Isotope zu erreichen (7Li, 23Na, 41K, 52Cr, 85Rb, 87Rb, 133Cs und 174Yb). Auch beim Wasserstoff war man schließlich erfolgreich, wenn auch mit etwas anderen Methoden.
Dass die oben genannten Gase bosonisches Verhalten zeigen und nicht – wie Festkörperphysiker oder Chemiker von Alkaliatomen erwarten würden – fermionisches (für welches das Pauli-Prinzip gelten würde), beruht auf einem subtilen Zusammenspiel von Elektronen- und Kernspin bei ultratiefen Temperaturen: Bei entsprechend niedrigen Anregungsenergien sind der halbzahlige Gesamtspin der Elektronenhülle der Atome und der ebenfalls halbzahlige Kernspin durch die schwache Hyperfeinwechselwirkung zu einem ganzzahligen Gesamtspin des Systems gekoppelt. Dagegen ist das Verhalten bei Raumtemperatur (die „Chemie“ der Systeme) allein durch den Spin der Elektronenhülle bestimmt, weil hier die thermischen Energien viel größer sind als die Hyperfeinfeld-Energien.
Im Jahr 2006 haben Demokritov und Mitarbeiter Bose-Einstein-Kondensation von Magnonen (quantisierten Spinwellen) bei Raumtemperatur erreicht, allerdings durch Anwendung optischer Pump-Prozesse.[5][6]
2009 ist es erstmals der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt gelungen, ein Bose-Einstein-Kondensat aus Calcium-Atomen zu erzeugen. Solche Erdalkalimetalle haben – im Gegensatz zu den bisher verwendeten Alkalimetallen – einen eine Million Mal schmaleren optischen Übergang und sind dadurch für neuartige Präzisionsmessungen, z. B. von Gravitationsfeldern, verwendbar.[7]
Im November 2010 berichtete eine Forschergruppe der Universität Bonn von der Erzeugung eines Bose-Einstein-Kondensats aus Photonen.[8] Die Photonen wurden in einem optischen Resonator zwischen zwei gekrümmten Spiegeln gefangen. Da eine Abkühlung von Photonen nicht möglich ist, wurden zur Einstellung eines thermischen Gleichgewichtes Farbstoffmoleküle in den Resonator gegeben. Die nach optischem Pumpen erfolgte Kondensation konnte in Form eines kohärenten gelben Lichtstrahls festgestellt werden. Nach Ansicht der Forschergruppe um Martin Weitz könne das photonische Bose-Einstein-Kondensat zur Herstellung kurzwelliger Laser im UV- oder Röntgenbereich genutzt werden.[9]
Das erste Bose-Einstein-Kondensat im All wurde 2017 erzeugt. Dazu wurde die Rakete MAIUS mit einem VSB-30-Triebwerk auf dem European Space and Sounding Rocket Range gestartet und zu einem schwerelosen Parabelflug auf mehr als 240 km Höhe gebracht.[10] Dort wurden in einer zuvor erzeugten Ultrahochvakuum-Kammer Rubidium-Atome per Diodenlaser in einer Magneto-optischen Falle durch evaporative Kühlung nahezu bis auf den Absoluten Nullpunkt gebracht.[11] Das Bose-Einstein-Kondensat wurde dann per Atom-Chip erzeugt. Es wurde unter Schwerelosigkeit aus der Mitte der Falle entlassen, bevor per Magnetfeld kurz ein Harmonisches Potential angelegt und die Zustände per Mach-Zehnder-Interferometer gemessen wurden.
Am 21. Mai 2018 wurde das Experiment Cold Atom Laboratory (CAL) mit einer Cygnus-Fähre zur Raumstation ISS geflogen.[12][13] Im Juni 2020 berichteten Forscher, damit dort erfolgreich BEK produziert zu haben.[14][15]
Laut einer Studie mit womöglich erstmals auch experimentell supraleitendem BEK scheint es einen „fließenden Übergang“ zwischen BEK und BCS-Modalitäten zu geben.[16][17]
Experimenteller Nachweis
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Der Nachweis, dass tatsächlich ein Bose-Einstein-Kondensat erzeugt wurde, erfolgt bei atomaren Gasen meistens mit Hilfe von Absorptions-Abbildungen nach einer Flugzeit.
Dazu wird die Falle, in der das Gas gefangen war, schlagartig abgeschaltet. Daraufhin expandiert die Gaswolke und wird nach einer Flugzeit mit resonantem Laserlicht bestrahlt. Die Photonen des Strahls werden von den Atomen der Gaswolke gestreut, der Strahl also effektiv geschwächt. Der entstandene (Halb-)Schatten kann mit einer empfindlichen CCD-Kamera aufgenommen werden, aus seinem Bild lässt sich die Dichteverteilung der Gaswolke rekonstruieren.
Diese ist für Bose-Einstein-Kondensate anisotrop, während ein klassisches Gas im thermischen Gleichgewicht immer isotrop expandiert. In vielen Fällen ist die Dichteverteilung parabelförmig, was sich als Konsequenz der Wechselwirkung zwischen den Atomen verstehen lässt und das Bose-Einstein-Kondensat von einem idealen Bosegas unterscheidet.
Ähnliche Effekte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Beim Fermionen-Kondensat basiert der Effekt ebenfalls auf Bosonen. Aufgrund des Pauli-Prinzips ist es nicht möglich, dass sich Fermionen im selben Zustand befinden. Dies gilt aber nicht für sich paarweise zu Bosonen zusammenschließende Fermionen, die dann als Bosonen ein Kondensat bilden können.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Satyendranath Bose: Plancks Gesetz und Lichtquantenhypothese. In: Zeitschrift für Physik. Band 26. Springer, Berlin / Heidelberg 1924, S. 178–181, doi:10.1007/BF01327326. (englische Übersetzung erschienen als Satyendranath Bose, O. Theimer (Translator), Budh Ram (Translator): The beginning of quantum statistics: A translation of Planck’s law and the light quantum hypothesis. In: American Journal of Physics. Band 44, Nr. 11, 1976, doi:10.1119/1.10584. ).
- Albert Einstein: Quantentheorie des einatomigen idealen Gases – Zweite Abhandlung. In: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 1925, S. 3–10, doi:10.1002/3527608958.ch28.
- Kai Bongs, Jakob Reichel, Klaus Sengstock: Bose-Einstein-Kondensation: Das ideale Quantenlabor. In: Physik in unserer Zeit. Band 34, Nr. 4. Wiley-VCH, 2003, ISSN 0031-9252, S. 168–176, doi:10.1002/piuz.200301016.
- Jan Klaers, Julian Schmitt, Frank Vewinger, Martin Weitz: Bose-Einstein-Kondensat aus Licht. In: Physik in unserer Zeit. Band 42, Nr. 2, 2011, S. 58–59, doi:10.1002/piuz.201190007 (uni-bonn.de [PDF; 196 kB]).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Bose-Einstein-Kondensat im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Bose-Einstein-Kondensation in einem Gas. iap.uni-bonn, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 13. Juli 2013; abgerufen am 20. Juni 2016 (Anschauliche Erläuterungen).
- Wie kalt ist kalt? ( vom 13. Juli 2013 im Internet Archive), Bose-Einstein-Kondensation - Was ist das? ( vom 13. Juli 2013 im Internet Archive), Magnetische Falle ( vom 2. Februar 2013 im Internet Archive), Verdampfungskühlung ( vom 2. Februar 2013 im Internet Archive), Wie sieht ein Bose-Einstein-Kondensat aus? ( vom 3. Dezember 2012 im Internet Archive),
- Online Skript mit ausführlicher theoretischer Herleitung
- Ton-Mitschnitt eines allgemein gehaltenen Vortrags des deutschen Physiknobelpreisträgers Wolfgang Ketterle über Bose-Einstein-Kondensate (1998) (englisch)
- Video von Wolfgang Ketterles Lesung „Bose-Einstein Condensates: The Coldest Matter in the Universe“ – Massachusetts Institute of Technology, 11. Oktober 2001 (englisch)
- Bose-Einstein Condensation of Photons. Institute of Applied Physics an der Universität Bonn, abgerufen am 20. Juni 2016.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Albert Einstein: Quantentheorie des einatomigen idealen Gases. (Handschriftliches Manuskript, entdeckt im August 2005 am Lorentz-Institut für Theoretische Physik der niederländischen Universität Leiden) 1924, abgerufen am 21. März 2010.
- ↑ Albert Einstein: Quantentheorie des einatomigen idealen Gases – Zweite Abhandlung. In: Sitzungsberichte der preussischen Akademie der Wissenschaften. 1925, S. 3–10 (leidenuniv.nl).
- ↑ Erstes Bose-Einstein-Kondensat mit Strontiumatomen. ( vom 27. Dezember 2014 im Internet Archive) In: iqoqi.at. Österreichische Akademie der Wissenschaften, 10. November 2009, abgerufen am 10. September 2016.
- ↑ Michael Breu: Eingefroren. 100 Atome bei tiefsten Temperaturen: Quantenoptiker stellen eindimensionales Bose-Einstein-Kondensat her. In: ethz.ch. ETH Zürich, 26. Februar 2004, abgerufen am 6. Juni 2010.
- ↑ Demokritov SO, Demidov VE, Dzyapko O, et al.: Bose-Einstein condensation of quasi-equilibrium magnons at room temperature under pumping. In: Nature. 443. Jahrgang, Nr. 7110, September 2006, S. 430–3, doi:10.1038/nature05117, PMID 17006509.
- ↑ Patryk Nowik-Boltyk: Magnon Bose Einstein Kondensation einfach Dargestellt. In: uni-muenster.de. 6. Juni 2012, abgerufen am 10. September 2016.
- ↑ S. Kraft et al.: Bose-Einstein Condensation of Alkaline Earth Atoms: 40Ca. In: Phys. Rev. Lett. 103. Jahrgang, Nr. 13, S. 130401–130404, doi:10.1103/PhysRevLett.103.130401.
- ↑ Chilled light enters a new phase. In: nature.com. Nature News, 24. November 2010, abgerufen am 25. November 2010 (englisch).
- ↑ Bonner Physiker stellen neue Lichtquelle her. In: handelsblatt.com. Handelsblatt, 25. November 2010, abgerufen am 25. November 2010.
- ↑ MAIUS ― Atom-optical experiments on sounding rockets ( vom 1. August 2017 im Internet Archive)
- ↑ V. Schkolnik et al.: A compact and robust diode laser system for atom interferometry on a sounding rocket, 2016, arXiv 1606.0027 (online)
- ↑ Ein Labor für „kältesten Punkt des Alls“ orf.at, 18. Mai 2018, abgerufen am 18. Mai 2018.
- ↑ Start von Raumfrachter „Cygnus“ zur ISS verschoben orf.at, 19. Mai 2018, abgerufen am 19. Mai 2018.
- ↑ Maike D. Lachmann, Ernst M. Rasel: Quantum matter orbits Earth. In: Nature. 582. Jahrgang, Nr. 7811, 11. Juni 2020, S. 186–187, doi:10.1038/d41586-020-01653-6, PMID 32528088, bibcode:2020Natur.582..186L.
- ↑ David C. Aveline, Jason R. Williams, Ethan R. Elliott, Chelsea Dutenhoffer, James R. Kellogg, James M. Kohel, Norman E. Lay, Kamal Oudrhiri, Robert F. Shotwell, Nan Yu, Robert J. Thompson: Observation of Bose–Einstein condensates in an Earth-orbiting research lab. In: Nature. 582. Jahrgang, Nr. 7811, Juni 2020, S. 193–197, doi:10.1038/s41586-020-2346-1, PMID 32528092, bibcode:2020Natur.582..193A.
- ↑ Researchers demonstrate a superconductor previously thought impossible In: phys.org (englisch). „This is the first time a BEC has been experimentally verified to work as a superconductor; however, other manifestations of matter, or regimes, can also give rise to superconduction. The Bardeen-Cooper-Shrieffer (BCS) regime is an arrangement of matter such that when cooled to near absolute zero, the constituent atoms slow down and line up, which allows electrons to pass through more easily. This effectively brings the electrical resistance of such materials to zero. Both BCS and BEC require freezing-cold conditions and both involve atoms slowing down. But these regimes are otherwise quite different. For a long time, researchers have believed that a more general understanding of superconduction could be reached if these regimes could be found to overlap in some way.“
- ↑ Takahiro Hashimoto, Yuichi Ota, Akihiro Tsuzuki, Tsubaki Nagashima, Akiko Fukushima, Shigeru Kasahara, Yuji Matsuda, Kohei Matsuura, Yuta Mizukami, Takasada Shibauchi, Shik Shin, Kozo Okazaki: Bose-Einstein condensation superconductivity induced by disappearance of the nematic state. In: Science Advances. 6. Jahrgang, Nr. 45, 1. November 2020, ISSN 2375-2548, S. eabb9052, doi:10.1126/sciadv.abb9052, PMID 33158862, PMC 7673702 (freier Volltext) – (englisch, sciencemag.org).