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„Nebennierenrindeninsuffizienz“ – Versionsunterschied

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Die '''Nebennierenrindeninsuffizienz''', kurz auch '''Nebenniereninsuffizienz''', ist eine durch unzureichende Hormonproduktion gekennzeichnete Unterfunktion der [[Nebennierenrinde]] (NNR), die gut zu behandeln ist.
Beim '''Morbus Addison''' handelt es sich um eine Unterfunktion der [[Nebennierenrinde]]. Diese ist ein hormonproduzierendes [[Organ]], das der [[Niere]] am oberen Pol aufliegt. In der [[Nebenniere]] werden verschiedene [[Hormon]]e gebildet, unter anderem auch [[Cortisol]]. Cortisol entspricht dem vom Körper selbst produzierten [[Cortison]], einem lebenswichtigen Hormon, das Stoffwechselvorgänge des Menschen reguliert. Die Bildung von Cortisol wird vom Hormon ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) gesteuert, das in der Hirnanhangsdrüse ([[Hypophyse]]) gebildet wird. Dieses wiederum wird vom übergeordneten [[Hypothalamus]], einer speziellen Hirnregion, gesteuert. Je weniger Cortison im Blut vorhanden ist, desto mehr ACTH wird abgegeben, um die Produktion in den Nebennieren zu fördern. Weitere Hormone, die in der Nebennierenrinde gebildet werden, sind das [[Aldosteron]], das für den Wasserhaushalt sowie die Regulation der Konzentration von [[Natrium]] und [[Kalium]] im [[Blut]] wichtig ist, sowie weibliche und männliche [[Sexualhormon]]e.


{{Infobox ICD
Benannt nach dem englischen Arzt [[Thomas Addison]].
| 01-CODE = E27.1
| 01-BEZEICHNUNG = Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz<br />Addison-Krankheit
| 02-CODE = E85
| 02-BEZEICHNUNG = Amyloidose
| 03-CODE = E35.1*
| 03-BEZEICHNUNG = Krankheiten der Nebennieren bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
| 04-CODE = A39.1+
| 04-BEZEICHNUNG = Waterhouse-Friderichsen-Syndrom
| 05-CODE = A18.7+
| 05-BEZEICHNUNG = Tuberkulose der Nebennieren
| 06-CODE = E23.0
| 06-BEZEICHNUNG = Hypopituitarismus
}}


==Entstehung==
== Verbreitung ==


Eine Nebenniereninsuffizienz findet sich bei etwa 40 von 100.000 Menschen.
Es gibt zwei Arten der Unterfunktion der Nebennierenrinde:


== Grundlagen ==
*''Primärer'' Morbus Addison (ca. 80 Prozent aller Fälle) - die Störung liegt in der Nebenniere selbst. Dazu gehören
Die [[Nebenniere]] ist eine Hormondrüse, die jeweils dem oberen Pol der [[Niere]]n anliegt. Sie besteht aus dem [[Nebennierenmark]], das [[Katecholamine]] produziert, und der Nebennierenrinde, welche die [[Steroidhormon]]e Cortisol ([[Glucocorticoide]]) und Aldosteron ([[Mineralocorticoide|Mineralokortikoide]]), ferner Sexualhormone (Androgene) sowie [[g-Strophanthin]]<ref>W. Schoner, G. Scheiner-Bobis: ''Endogenous and exogenous cardiac glycosides and their mechanisms of action.'' In: ''[[American Journal of Cardiovascular Drugs]]'', Band 7, Nummer 3, 2007, S.&nbsp;173–189, {{ISSN|1175-3277}}. PMID 17610345. (Review)</ref> synthetisiert. Die Bildung von [[Cortisol]] wird vom Hormon [[Adrenocorticotropin|ACTH]] gesteuert, das im [[Adenohypophyse|Hypophysenvorderlappen]] der [[Hypophyse|Hirnanhangdrüse]] gebildet wird. Die Produktion des Hormons ACTH wird vom [[Corticotropin-releasing Hormone]] (CRH), einem Hormon des [[Hypothalamus]], einer übergeordneten Hirnregion, gesteuert. Das von der Nebennierenrinde produzierte [[Aldosteron]] als wichtiges Hormon der Regulation des Wasser- und [[Elektrolyt]]haushalts wird im Rahmen des [[Renin-Angiotensin-Aldosteron-System]]s reguliert.
**die autoimmunologische Form (ca. 70 Prozent), bei der [[Antikörper]] gegen die cortisonproduzierenden Zellen in der Nebennierenrinde gebildet und diese dadurch zerstört werden. Die Ursache für die Entstehung ist unbekannt.
**andere Erkrankungen der Nebenniere
**Tochtergeschwülste bösartiger [[Tumor]]e
**[[Infektionskrankheit]]en (z. B. Tuberkulose, Meningokokkeninfektionen, Zytomegalie)


== Einteilung ==
Durch den niederen Cortisolspiegel im Blut wird in der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) vermehrt ACTH gebildet. Die Zellen der Hypophyse, die für die ACTH-Produktion verantwortlich sind, produzieren noch ein zweites Hormon, das MSH (Melanozytenstimulierendes Hormon), das die in der Haut vorhandenen Melanozyten zur vermehrten Pigmenteinlagerung anregt. Die Haut erscheint dadurch brauner. Das ist der Grund dafür, dass man den primären Morbus Addison auch "braunen" Addison oder "Bronzekrankheit" nennt.
Es werden nach der Entstehung drei Formen der Unterfunktion der Nebennierenrinde unterschieden.


=== Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz ===
*''Sekundärer'' Morbus Addison, Unterfunktion der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) - es wird zu wenig ACTH gebildet, die Nebennierenrinde wird dadurch nicht ausreichend zur Bildung von Cortison angeregt. Er entsteht bei
**Erkrankungen der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse)
**Erkrankungen des Hypothalamus (Gehirnregion, die die Funktion der Hirnanhangsdrüse steuert)
**länger andauernder Cortisonbehandlung - ist es notwendig, einem Patienten über längere Zeit Cortison zu verabreichen, so wird auf Grund des hohen Cortisonspiegels im Blut in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) kein oder nur sehr wenig ACTH gebildet. Wird nun am Therapieende das Cortison zu rasch abgesetzt, reagiert die Hirnanhangsdrüse zu langsam, es fehlt der Nebenniere damit der Befehl zur Hormonproduktion. Deshalb ist es sehr wichtig, das Ende einer Cortisonbehandlung langfristig zu planen, und langsam die Dosis zu senken.


Bei der ''primären'' Form (Synonyme: '''Morbus Addison''' und '''Addisonsche Krankheit''', benannt nach dem englischen Arzt [[Thomas Addison]], der die Krankheit des innersekretorischen Systems 1855 erstmals in ihrer Symptomatik und als von den Nebennieren ausgehend beschrieben hatte, bevor [[Charles-Édouard Brown-Séquard]] zwischen 1855 und 1870 die Funktion der Nebennieren näher erforscht hat<ref>[[Otto Westphal (Chemiker)|Otto Westphal]], [[Theodor Wieland]], Heinrich Huebschmann: ''Lebensregler. Von Hormonen, Vitaminen, Fermenten und anderen Wirkstoffen.'' Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1941 (= ''Frankfurter Bücher. Forschung und Leben.'' Band 1), insbesondere S. 9–35 (''Geschichte der Hormonforschung''), hier: S. 14–19.</ref>) – etwa 80 % aller Fälle – liegt die Störung (ungenügende Hormonbildung) in der Nebenniere selbst. Dazu gehören
==Symptome==
* die autoimmunologische Form (etwa 70 %), bei der [[Antikörper]] gegen die corticosteroidproduzierenden Zellen in der Nebennierenrinde gebildet werden und diese zerstören
* die Speicherkrankheit [[Amyloidose]]
* Funktionsminderung durch Metastasen (zum Beispiel von einem [[Malignes Melanom|malignen Melanom]])
* das [[Waterhouse-Friderichsen-Syndrom]] (hämorrhagischer Infarkt der NNR im Rahmen einer [[Disseminierte intravasale Gerinnung|disseminierten intravasalen Gerinnung]])
* [[Infektionskrankheit]]en (z.&nbsp;B. [[Tuberkulose]], [[Meningokokken]]infektionen, [[Zytomegalie]], AIDS)


Die Tuberkulose mit Befall der Nebennieren war früher die häufigste Ursache eines Morbus Addison. Damals überwog die Anzahl der Männer. Heute ist in den entwickelten Ländern die Autoimmunerkrankung als Ursache vorherrschend und Frauen sind häufiger als Männer betroffen.
Beschwerden treten erst auf, wenn 90 Prozent der Nebennierenrinde nicht funktionieren. Die Patienten klagen über:


Durch den niedrigen Cortisolspiegel im Blut wird in der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) vermehrt ACTH gebildet, welches die Bildung von Cortisol stimulieren soll. ACTH entsteht durch Spaltung von [[Proopiomelanocortin]], wobei zusätzlich auch [[Melanozyten-stimulierendes Hormon]] entsteht, das zusammen mit ACTH die in der Haut vorhandenen [[Melanozyt]]en zur vermehrten Pigmenteinlagerung anregt. Die Haut erscheint dadurch brauner, daher wird der Morbus Addison auch als '''Bronzekrankheit''' bezeichnet.
*allgemeines Schwächegefühl
*rasche Ermüdbarkeit
*Gewichtsverlust
*Schwindel
*niederer [[Blutdruck]] mit Kollapsneigung
*bräunliche Verfärbung der Haut, auch an Handflächen und Fußsohlen
*Bauchschmerzen
*Verstopfung oder Durchfall
*bei Frauen eventuell Verlust der Schambehaarung
==Komplikationen==


=== Sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz ===
Durch besondere Belastungssituationen, wie z. B. [[Operation]]en und Krankheiten, kann sich vor allem ein noch nicht behandelter Morbus Addison plötzlich verschlechtern - es kann sich eine sogenannte Addison-Krise entwickeln.
Die ''sekundäre'' Form wird durch eine Unterfunktion der Hirnanhangdrüse ([[Hypophyseninsuffizienz]]) verursacht. Durch den Mangel an ACTH wird die Nebennierenrinde nicht ausreichend zur Bildung von Cortisol angeregt. Man vermutete früher eine „relative Nebennierenrindeninsuffizienz“ und nannte diese auch ''Hypadrenie'' und ''Addisonismus''.<ref>Ludwig Weissbecker: ''Die relative Nebennierenrindeninsuffizienz (Hypadrenie, Addisonismus).'' In: [[Ludwig Heilmeyer]] (Hrsg.): ''Lehrbuch der Inneren Medizin.'' Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 1020 f.</ref> Ursachen können sein:
Dies ist ein lebensbedrohlicher Zustand, der durch eine Bewußtseinstrübung bis hin zu Koma, Blutdruckabfall, massive Austrocknung des Organismus, Unterzuckerung und Bauchbeschwerden (Pseudoperitonitis - harter Bauch wie bei einer Bauchfellentzündung) gekennzeichnet ist.
* [[Tumor]]en
* Verletzungen ([[Schädel-Hirn-Trauma]], [[Geburtstrauma|Geburtstraumen]])
* Durchblutungsstörungen, Sonderform: [[Sheehan-Syndrom]]
* [[Entzündung]]en
* [[Autoimmunreaktion]]en


=== Tertiäre Nebennierenrindeninsuffizienz ===
==Diagnose==
Eine Unterfunktion des Hypothalamus verursacht die ''tertiäre'' Form. Hierbei wird zu wenig [[Corticotropin-releasing Hormone|CRH]] gebildet, wodurch die Hirnanhangsdrüse nicht ausreichend zur Bildung von ACTH angeregt wird und es wie bei der sekundären Form zu einem relativen Mangel an ACTH kommt. Erkrankungen des Hypothalamus sind selten. Häufiger ist eine länger andauernde höher dosierte Behandlung mit Corticosteroiden. Hierdurch wird die CRH-Bildung längerfristig unterdrückt, abruptes Absetzen kann zu einer [[Addisonkrise]] führen.


Patienten, die länger als fünf Tage Cortisonpräparate oberhalb der Cushing-Schwellendosis einnehmen, muss bei Operationen zusätzliches Cortisol verabreicht werden, da der Körper den bei Operationen notwendigen Cortisolstoß nicht selber erzeugen kann. Bei kleinen Operationen reicht dabei eine einmalige Cortisoldosis. Bei größeren Operationen sollte über die ersten 24 Stunden zusätzliches Cortisol kontinuierlich verabreicht werden, um danach wieder auf die Dauerdosis vor der OP zurückzukehren.<ref name="milde">A. S. Milde, B. W. Böttiger, M. Morcos: ''Nebennierenrinde und Steroide.'' In: ''Der Anaesthesist.'' 54, 2005, S.&nbsp;639–654, [[doi:10.1007/s00101-005-0867-5]].</ref>
Bei Verdacht auf Morbus Addison wird der Arzt eine Blutuntersuchung veranlassen. Bestimmt werden die Blutspiegel von Natrium, Kalium und Cortisol.


== Klinische Erscheinungen ==
Bei den primären Formen sind Cortisol und Natrium deutlich vermindert, Kalium ist erhöht. Bei den sekundären Formen ist der Natrium- und Kalium-Haushalt weniger betroffen. Anschließend werden Tests durchgeführt, mit denen man überprüft, ob die Nebennierenrinde auf einen Anstieg des ACTH im Blut mit einer entsprechenden vermehrten Cortisonproduktion reagiert. Beim ACTH-Test wird die Cortisonkonzentration vor und nach der Stimulation der Nebenniere mit ACTH überprüft. Ist die Nebenniere gesund, ist der Cortisonspiegel nach Gabe von ACTH erhöht.
Führende Beschwerde der Nebennierenrindeninsuffizienz ist die anfangs vorwiegend stressabhängige Schwäche und Kraftlosigkeit ([[Asthenie]]). Die ebenfalls sehr häufige [[Hyperpigmentierung]] (eine bereits von Addison neben der Schwäche, der Muskelermüdbarkeit und Verdauungsstörungen beschriebene zunehmende Braunfärbung lichtausgesetzter Partien<ref>[[Otto Westphal (Chemiker)|Otto Westphal]], [[Theodor Wieland]], Heinrich Huebschmann: ''Lebensregler. Von Hormonen, Vitaminen, Fermenten und anderen Wirkstoffen.'' Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1941 (= ''Frankfurter Bücher. Forschung und Leben.'' Band 1), insbesondere S. 9–35 (''Geschichte der Hormonforschung''), hier: S. 14 f.</ref>) der Haut, weswegen die Erkrankung auch als '''Bronzehautkrankheit'''<ref>[[Paul Diepgen]], [[Heinz Goerke]]: ''[[Ludwig Aschoff|Aschoff]]/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.'' 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 31.</ref> bezeichnet wurde, kann komplett fehlen, eine normale Pigmentierung schließt die Diagnose also nicht aus.<ref name="Harrisons" />
Wenn man eine Autoimmunerkrankung vermutet, gibt es Suchtests für diejenigen Antikörper, die gegen die Nebennierenrindenzellen gerichtet sind. Mittels einer Ultraschalluntersuchung können Tumore und entzündliche Veränderungen der Nebennieren erkannt werden.


{| class="wikitable zebra"
==Behandlung==
|+ Häufigkeit der Symptome einer NNR-Insuffizienz<ref name="Harrisons">{{Literatur |Hrsg=Fauci u.&nbsp;a. |Titel=Harrisons Innere Medizin |Auflage=17. |Verlag=ABW |Ort=Berlin |Datum=2009 |ISBN=978-3-86541-310-9 |Seiten=2794}}</ref>
|-
! Symptome || Patienten<br />[%]
|-
| Schwäche || style="text-align:center" | 99
|-
| Hyperpigmentierung || style="text-align:center" | 98
|-
| Gewichtsverlust || style="text-align:center" | 97
|-
| [[Appetitlosigkeit]], Übelkeit, Erbrechen || style="text-align:center" | 90
|-
| Lageabhängig [[Hypotonie|niedriger Blutdruck]] (< 110/70 mmHg) || style="text-align:center" | 87
|-
| Pigmentierung der [[Schleimhaut|Schleimhäute]] || style="text-align:center" | 82
|-
| [[Bauchschmerz]]en || style="text-align:center" | 34
|-
| Verlangen nach salzigen Nahrungsmitteln („Salzhunger“) || style="text-align:center" | 22
|-
| [[Durchfall]] || style="text-align:center" | 20
|-
| [[Obstipation|Verstopfung]] || style="text-align:center" | 19
|-
| [[Synkope (Medizin)|Ohnmacht]] || style="text-align:center" | 16
|-
| [[Vertigo|Schwindel]] || style="text-align:center" | {{0}}9
|}


{{Anker|Addisonkrise}}
Die Behandlung des Morbus Addison besteht in der Zufuhr der im Körper nicht ausreichend gebildeten Hormone in Form von Tabletten. Bei besonderen Belastungen für den Körper, etwa bei Operationen, muss die Dosis vorübergehend erhöht werden. Eventuell vorliegende Infektionen als Ursache für den Morbus Addison werden mit Antibiotika behandelt, Tumore werden operiert.
; Addisonkrise
Eine Addison-Krise verlangt eine intensivmedizinische Überwachung sowie eine Behandlung mit zucker- und cortisonhaltigen Infusionen.
Durch besondere Belastungssituationen, wie z.&nbsp;B. [[Operation (Medizin)|Operationen]] und Krankheiten, kann sich vor allem eine noch nicht behandelte NNR-Insuffizienz plötzlich innerhalb weniger Stunden verschlechtern. Dieser potenziell lebensbedrohliche Zustand, genannt '''Addisonkrise''', ist durch [[Quantitative Bewusstseinsstörung|Bewusstseinstrübung]] bis hin zu Koma, Blutdruckabfall, Fieber, massiver Austrocknung des Organismus, Unterzuckerung und Bauchbeschwerden ([[Pseudoperitonitis]]) gekennzeichnet. [[Prodrom]]e sind Unruhe, Angstgefühl und Blässe.<ref>Ludwig Weissbecker: ''Die Addisonsche Krankheit (Morbus Addison).'' In: [[Ludwig Heilmeyer]] (Hrsg.): ''Lehrbuch der Inneren Medizin.'' Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 999–1008, hier: S. 1016–1019, hier: S. 1018 (''Addison-Krise'').</ref>


== Untersuchungsmethoden ==
==Prognose==
Bei Verdacht auf eine NNR-Insuffizienz wird zunächst eine Labordiagnostik durchgeführt. Mit bildgebenden Verfahren (Ultraschall, Computer-, Magnetresonanztomographie) können dann gegebenenfalls Veränderungen der Nebennieren, der Hypophyse oder des Hypothalamus dargestellt werden.


{| class="wikitable"
Die fehlenden Hormone müssen lebenslänglich in Form von Medikamenten zugeführt werden.
|+ Laborchemische Abgrenzung der NNR-Insuffizienz-Formen
|-
!style="width:8em"| Form
!style="width:8em"| [[Natrium]]
!style="width:8em"| [[Kalium]]
!style="width:8em"| [[Cortisol]]
!style="width:8em"| [[Adrenocorticotropin|ACTH]]
!style="width:8em"| [[Aldosteron]]
!style="width:12em"| [[ACTH-Stimulationstest|ACTH-Test]]
!style="width:12em"| [[CRH-Test]]
!style="width:8em"| NNR-Antikörper
|-
| '''primär''' || vermindert || erhöht || vermindert || erhöht|| vermindert || Cortisol steigt nicht || Cortisol steigt nicht<br />ACTH steigt || häufig positiv
|-
| '''sekundär''' || normal || normal || vermindert || vermindert || normal || Cortisol steigt || Cortisol steigt nicht<br />ACTH steigt nicht || negativ
|-
| '''tertiär''' || normal || normal || vermindert || vermindert || normal || Cortisol steigt || Cortisol steigt<br />ACTH steigt || negativ
|}


== Behandlung und Heilungsaussichten ==
{{Gesundheitshinweis}}
Die Behandlung des Morbus Addison besteht in der Zufuhr der im Körper nicht ausreichend gebildeten Hormone in Form von
* [[Hydrocortison]] zum Ausgleich des Cortisolmangels und
* [[Fludrocortison]] zum Ersatz des fehlenden Aldosterons.
Bei besonderen Belastungen für den Körper, etwa bei Operationen, muss die Dosis von Hydrocortison vorübergehend erhöht werden. Eventuell vorliegende Infektionen als Ursache für den Morbus Addison werden mit Antibiotika behandelt, Tumoren werden operiert. Eine Addison-Krise verlangt eine intensivmedizinische Überwachung sowie eine Behandlung mit zucker- und cortisolhaltigen Infusionen. Mit Ausnahme der tertiären Form auf dem Boden einer Cortisoltherapie ist die Erkrankung nicht heilbar, jedoch durch lebenslange Gabe der fehlenden Hormone in Form von Medikamenten behandelbar. Wichtig ist, dass betroffene Patienten ein Notfallset mit Hydrocortison und einen Notfallpass mit sich führen, um im Falle einer lebensbedrohlichen Addison-Krise schnell reagieren zu können.<ref name="Quinkler">Marcus Quinkler et al.: [https://www.aerzteblatt.de/archiv/151858/Nebennierenrinden-Insuffizienz-lebensbedrohliche-Erkrankung-mit-vielfaeltigen-Ursachen ''Nebennierenrinden-Insuffizienz – lebensbedrohliche Erkrankung mit vielfältigen Ursachen.''] In: ''Dtsch Arztebl Int'' 2013; 110(51-52): 882-8; [[DOI: 10.3238/arztebl.2013.0882]].</ref>


Die Ersatztherapie mit dem bei primärer und sekundärer Nebennierenrindeninsuffizienz ebenfalls erniedrigten [[Dehydroepiandrosteron]] (DHEA) zeigte in Studien einen positiven Einfluss auf Stimmung, Sexualität und gesundheitsbezogene Lebensqualität, ist aber nicht klinisch evaluiert und wird daher nicht von den Krankenkassen übernommen.<ref name="Quinkler" />

Bei der heute seltenen [[Tuberkulose|tuberkulösen]] Form der primären Nebenniereninsuffizienz führt die alleinige Gabe von [[Corticosteroide]]n zur Verschlimmerung der Tuberkulose. Die Tuberkulose muss zuerst ausgeheilt werden, und dann erst kann der Hormonmangel dauerhaft ersetzt werden.

== Nebennierenrindeninsuffizienz bei Tieren ==
Eine Nebenniereninsuffizienz oder ein Hypoadrenokortizismus wird gelegentlich bei Haushunden beobachtet. In 95 % der Fälle handelt es sich um eine immunvermittelte primäre Nebenniereninsuffizienz (Morbus Addison), gelegentlich kann sie auch bei Überdosierung von [[Mitotan]] oder [[Trilostan]] bei Behandlung eines [[Cushing-Syndrom]]s auftreten. Dabei kommt es zu einem Mangel an den in der Nebennierenrinde gebildeten Hormonen Cortisol (Glukokortikoid) und meist auch Aldosteron (Mineralokortikoid). Die Krankheit entwickelt sich oft schleichend und zeigt sich anfänglich häufig nur in wechselndem Allgemeinbefinden und Verschlechterung bei erhöhtem Stress. Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Schwäche, verminderte Leistungsfähigkeit, Gewichtsverlust und Erbrechen treten am häufigsten auf. Auch chronischer Durchfall, vermehrtes Trinken und Harnabsetzen sowie Bauchschmerzen können auftreten. Eine Addison-Krise verläuft dagegen dramatisch mit hochgradiger Schwäche, Austrocknung, Zusammenbrechen und plötzlichen Todesfällen.<ref name="Reusch">{{Literatur |Autor=Claudia E. Reusch |Titel=Primärer Hypoadrenokortizismus beim Hund (Morbus Addison) |Sammelwerk=Kleintierpraxis |Band=60 |Nummer=9 |Datum=2015 |Seiten=480–502 |DOI=10.2377/0023-2076-60-480}}</ref> Eine rassespezifische Häufung tritt bei [[Pudel]], [[Labradoodle]] und [[West Highland White Terrier]] auf.<ref>I. Schofield et al.: ''Hyperadrenocorticism in dogs under UK primary veterinary care: frequency, clinical approaches and risk factors''. In: ''J. Small Anim. Pract.'' Band 62, 2021, Nummer 5, S. 343–350.</ref>

Typische Laborbefunde sind [[Hyponatriämie]] und [[Hyperkaliämie]] (bei etwa 80 bis 90 % der Hunde), (prärenale) [[Azotämie]], nicht regenerative [[Anämie]] und [[Lymphozytose]]. Die basale [[Cortisol]]konzentration liegt meist unter 2&nbsp;µg/dl und bleibt beim [[ACTH-Stimulationstest]] unter dieser Schwelle. Stimulationswerte von 2,1 bis 5 µg/dl Cortisol gelten als Graubereich. Alternativ kann auch der Quotient aus Cortisol und ACTH (CAR, Cortisol-ACTH-Ratio) gebildet werden, hier wird ein Wert von unter 250 als pathologisch angesehen.<ref>{{Internetquelle |autor=Bioscientia Healthcare GmbH, Veterinär-Labor |url=https://tests-biocontrol.bioscientia.info/de/labortests/cortisol-acth-quotient-car/?a=listing&leistung_nr=36962 |titel=Cortisol-ACTH-Quotient (CAR) |sprache=de |abruf=2023-05-22}}</ref> Die Akutbehandlung eines Hundes in Addison-Krise basiert primär auf der intravenösen Verabreichung von physiologischer Kochsalzlösung und der Gabe eines Glukokortikoids. Zur Langzeitbehandlung ist seit 2016 in der EU [[Desoxycortonpivalat]] (Handelsname ''Zycortal'') zugelassen. Es hat nur eine mineralokortikoide Wirkung und muss mit Prednisolon ergänzt werden. Zuvor wurden Hunde meist mit [[Fludrocortison]] mit oder ohne Zusatz von Prednisolon behandelt, allerdings ließ sich die Erkrankung bei einem Teil der Hunde damit nicht kontrollieren.<ref name="Reusch" /><ref>Claudia Reusch: ''M. Addison: Klinik und Aktuelles zur Diagnose und Therapie''. In: ''Fachpraxis'' 69 (2016), S. 6–18.</ref>

Bei Katzen ist eine Nebennierenrindeninsuffizienz dagegen sehr selten. Seit der Erstbeschreibung 1983 wurden weltweit nur 40 Fälle publiziert.<ref>Magdalena Glebocka, Alisdair M. Boag: ''Hypoadrenocorticism in cats: a 40-year update.'' In: ''Journal of Feline Medicine and Surgery.'' 2024, Band 26, Nummer 9 {{DOI|10.1177/1098612X241248381}}.</ref>

== Siehe auch ==
* [[Adrenogenitales Syndrom]]
* [[Conn-Syndrom]]
* [[Cushing-Syndrom]]
* [[Adrenomyodystrophie]]
* [[Triple-A-Syndrom]], eine sehr seltene [[Erbkrankheit]] mit u.&nbsp;a. Morbus Addison
* [[Perniziöse Anämie]]


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [https://www.glandula-online.de/ Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen]
* [http://wehner.org/addison/canstatt/s245.htm Virchow's Bericht von 1859]


* {{Literatur
[[Kategorie:Autoimmunerkrankungen]]
|Autor=M. Quinkler u.&nbsp;a.
|Titel=Nebennierenrinden-Insuffizienz – lebensbedrohliche Erkrankung mit vielfältigen Ursachen
|Sammelwerk=Dtsch Arztebl Int
|Nummer=110(51–52)
|Datum=2013
|Seiten=882–888
|Online=[https://www.aerzteblatt.de/archiv/151858 Übersichtsarbeit im Deutschen Ärzteblatt]}}

== Literatur ==
* S. Marzotti, A. Falorni: ''Addison’s disease.'' In: ''Autoimmunity'', 37, 2004, S. 333–336.
* G. H. Williams, R. G. Dluhy (dtsch. von M. Berger): ''Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison).'' In: K. J. G. Schmailzl (Hrsg.): ''Harrisons Innere Medizin 2''. Blackwell Wiss.-Verlag, S. 2303–2306; Dt. Ausg. der 13. Auflage (1995).
* M-F. Kong, W. Jeffcoate: ''Eighty-six cases of Addison’s disease.'' In: ''Clin Endocrinology'', 41, 1994, S. 757–761.
* W. Oelkers, S. Diederich, V. Bähr: ''Diagnostik der Nebennierenrindeninsuffizienz'' In: ''Dtsch. med. Wschr.'', 119, 1994, S. 555–559.
* W. Oelkers: ''Review Article: Adrenal Insufficiency.'' In: ''[[N Engl J Med]]''., 335, 1996, S. 1206–1212.
* F. Kelestimur: ''The endocrinology of adrenal tuberculosis: the effects of tuberculosis on the hypothalamo-pituitary-adrenal axis and adrenocortical function.'' In: ''J Endocrinol Invest.'', 27, 2004, S. 380–386.
* C. Betterle, M. Volpato, B. Rees Smith, J. Furmaniak, S. Chen, N.A. Greggio, M. Sanzari, F. Tedesco, B. Pedini, M. Boscaro, F. Presotto: ''I. Adrenal cortex and steroid 21-hydroxylase autoantibodies in adult patients with organ-specific autoimmune diseases: markers of low progression to clinical Addison’s disease.'' In: ''[[J Clin Endocrinol Metab]]''., 82, 1997, S. 932–938.
* C. Betterle, M. Volpato, B. Rees Smith, J. Furmaniak, S. Chen, R. Zanchetta, N. A. Greggio, B. Pedini, M. Boscaro, F. Presotto: ''II. Adrenal cortex and steroid 21-hydroxylase autoantibodies in children with organ-specific autoimmune diseases: markers of high progression to clinical Addison’s disease.'' In: ''J Clin Endocrinol Metab.'', 82, 1997, S. 939–942.
*[[Heinrich Averbeck]]: ''Die Addison´sche Krankheit, Eine Monographie'', Ferdinand Enke, Erlangen 1869

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Gesundheitshinweis}}


[[Kategorie:Autoimmunerkrankung]]
[[en:Addison's disease]]
[[Kategorie:Krankheitsbild in der Endokrinologie]]
[[es:Enfermedad de Addison]]
[[Kategorie:Nebenniere]]
[[he:מחלת אדיסון]]
[[Kategorie:Hormonelle Erkrankung des Hundes]]
[[ms:Penyakit Addison]]

Aktuelle Version vom 4. Februar 2025, 14:57 Uhr

Die Nebennierenrindeninsuffizienz, kurz auch Nebenniereninsuffizienz, ist eine durch unzureichende Hormonproduktion gekennzeichnete Unterfunktion der Nebennierenrinde (NNR), die gut zu behandeln ist.

Klassifikation nach ICD-10
E27.1 Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz
Addison-Krankheit
E85 Amyloidose
E35.1* Krankheiten der Nebennieren bei anderenorts klassifizierten Krankheiten
A39.1+ Waterhouse-Friderichsen-Syndrom
A18.7+ Tuberkulose der Nebennieren
E23.0 Hypopituitarismus
{{{07-BEZEICHNUNG}}}
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{{{09-BEZEICHNUNG}}}
{{{10-BEZEICHNUNG}}}
{{{11-BEZEICHNUNG}}}
{{{12-BEZEICHNUNG}}}
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{{{14-BEZEICHNUNG}}}
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{{{20-BEZEICHNUNG}}}
Vorlage:Infobox ICD/Wartung {{{21BEZEICHNUNG}}}
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Eine Nebenniereninsuffizienz findet sich bei etwa 40 von 100.000 Menschen.

Die Nebenniere ist eine Hormondrüse, die jeweils dem oberen Pol der Nieren anliegt. Sie besteht aus dem Nebennierenmark, das Katecholamine produziert, und der Nebennierenrinde, welche die Steroidhormone Cortisol (Glucocorticoide) und Aldosteron (Mineralokortikoide), ferner Sexualhormone (Androgene) sowie g-Strophanthin[1] synthetisiert. Die Bildung von Cortisol wird vom Hormon ACTH gesteuert, das im Hypophysenvorderlappen der Hirnanhangdrüse gebildet wird. Die Produktion des Hormons ACTH wird vom Corticotropin-releasing Hormone (CRH), einem Hormon des Hypothalamus, einer übergeordneten Hirnregion, gesteuert. Das von der Nebennierenrinde produzierte Aldosteron als wichtiges Hormon der Regulation des Wasser- und Elektrolythaushalts wird im Rahmen des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems reguliert.

Es werden nach der Entstehung drei Formen der Unterfunktion der Nebennierenrinde unterschieden.

Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz

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Bei der primären Form (Synonyme: Morbus Addison und Addisonsche Krankheit, benannt nach dem englischen Arzt Thomas Addison, der die Krankheit des innersekretorischen Systems 1855 erstmals in ihrer Symptomatik und als von den Nebennieren ausgehend beschrieben hatte, bevor Charles-Édouard Brown-Séquard zwischen 1855 und 1870 die Funktion der Nebennieren näher erforscht hat[2]) – etwa 80 % aller Fälle – liegt die Störung (ungenügende Hormonbildung) in der Nebenniere selbst. Dazu gehören

Die Tuberkulose mit Befall der Nebennieren war früher die häufigste Ursache eines Morbus Addison. Damals überwog die Anzahl der Männer. Heute ist in den entwickelten Ländern die Autoimmunerkrankung als Ursache vorherrschend und Frauen sind häufiger als Männer betroffen.

Durch den niedrigen Cortisolspiegel im Blut wird in der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) vermehrt ACTH gebildet, welches die Bildung von Cortisol stimulieren soll. ACTH entsteht durch Spaltung von Proopiomelanocortin, wobei zusätzlich auch Melanozyten-stimulierendes Hormon entsteht, das zusammen mit ACTH die in der Haut vorhandenen Melanozyten zur vermehrten Pigmenteinlagerung anregt. Die Haut erscheint dadurch brauner, daher wird der Morbus Addison auch als Bronzekrankheit bezeichnet.

Sekundäre Nebennierenrindeninsuffizienz

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Die sekundäre Form wird durch eine Unterfunktion der Hirnanhangdrüse (Hypophyseninsuffizienz) verursacht. Durch den Mangel an ACTH wird die Nebennierenrinde nicht ausreichend zur Bildung von Cortisol angeregt. Man vermutete früher eine „relative Nebennierenrindeninsuffizienz“ und nannte diese auch Hypadrenie und Addisonismus.[3] Ursachen können sein:

Tertiäre Nebennierenrindeninsuffizienz

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Eine Unterfunktion des Hypothalamus verursacht die tertiäre Form. Hierbei wird zu wenig CRH gebildet, wodurch die Hirnanhangsdrüse nicht ausreichend zur Bildung von ACTH angeregt wird und es wie bei der sekundären Form zu einem relativen Mangel an ACTH kommt. Erkrankungen des Hypothalamus sind selten. Häufiger ist eine länger andauernde höher dosierte Behandlung mit Corticosteroiden. Hierdurch wird die CRH-Bildung längerfristig unterdrückt, abruptes Absetzen kann zu einer Addisonkrise führen.

Patienten, die länger als fünf Tage Cortisonpräparate oberhalb der Cushing-Schwellendosis einnehmen, muss bei Operationen zusätzliches Cortisol verabreicht werden, da der Körper den bei Operationen notwendigen Cortisolstoß nicht selber erzeugen kann. Bei kleinen Operationen reicht dabei eine einmalige Cortisoldosis. Bei größeren Operationen sollte über die ersten 24 Stunden zusätzliches Cortisol kontinuierlich verabreicht werden, um danach wieder auf die Dauerdosis vor der OP zurückzukehren.[4]

Klinische Erscheinungen

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Führende Beschwerde der Nebennierenrindeninsuffizienz ist die anfangs vorwiegend stressabhängige Schwäche und Kraftlosigkeit (Asthenie). Die ebenfalls sehr häufige Hyperpigmentierung (eine bereits von Addison neben der Schwäche, der Muskelermüdbarkeit und Verdauungsstörungen beschriebene zunehmende Braunfärbung lichtausgesetzter Partien[5]) der Haut, weswegen die Erkrankung auch als Bronzehautkrankheit[6] bezeichnet wurde, kann komplett fehlen, eine normale Pigmentierung schließt die Diagnose also nicht aus.[7]

Häufigkeit der Symptome einer NNR-Insuffizienz[7]
Symptome Patienten
[%]
Schwäche 99
Hyperpigmentierung 98
Gewichtsverlust 97
Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen 90
Lageabhängig niedriger Blutdruck (< 110/70 mmHg) 87
Pigmentierung der Schleimhäute 82
Bauchschmerzen 34
Verlangen nach salzigen Nahrungsmitteln („Salzhunger“) 22
Durchfall 20
Verstopfung 19
Ohnmacht 16
Schwindel 09

Addisonkrise

Durch besondere Belastungssituationen, wie z. B. Operationen und Krankheiten, kann sich vor allem eine noch nicht behandelte NNR-Insuffizienz plötzlich innerhalb weniger Stunden verschlechtern. Dieser potenziell lebensbedrohliche Zustand, genannt Addisonkrise, ist durch Bewusstseinstrübung bis hin zu Koma, Blutdruckabfall, Fieber, massiver Austrocknung des Organismus, Unterzuckerung und Bauchbeschwerden (Pseudoperitonitis) gekennzeichnet. Prodrome sind Unruhe, Angstgefühl und Blässe.[8]

Untersuchungsmethoden

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Bei Verdacht auf eine NNR-Insuffizienz wird zunächst eine Labordiagnostik durchgeführt. Mit bildgebenden Verfahren (Ultraschall, Computer-, Magnetresonanztomographie) können dann gegebenenfalls Veränderungen der Nebennieren, der Hypophyse oder des Hypothalamus dargestellt werden.

Laborchemische Abgrenzung der NNR-Insuffizienz-Formen
Form Natrium Kalium Cortisol ACTH Aldosteron ACTH-Test CRH-Test NNR-Antikörper
primär vermindert erhöht vermindert erhöht vermindert Cortisol steigt nicht Cortisol steigt nicht
ACTH steigt
häufig positiv
sekundär normal normal vermindert vermindert normal Cortisol steigt Cortisol steigt nicht
ACTH steigt nicht
negativ
tertiär normal normal vermindert vermindert normal Cortisol steigt Cortisol steigt
ACTH steigt
negativ

Behandlung und Heilungsaussichten

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Die Behandlung des Morbus Addison besteht in der Zufuhr der im Körper nicht ausreichend gebildeten Hormone in Form von

Bei besonderen Belastungen für den Körper, etwa bei Operationen, muss die Dosis von Hydrocortison vorübergehend erhöht werden. Eventuell vorliegende Infektionen als Ursache für den Morbus Addison werden mit Antibiotika behandelt, Tumoren werden operiert. Eine Addison-Krise verlangt eine intensivmedizinische Überwachung sowie eine Behandlung mit zucker- und cortisolhaltigen Infusionen. Mit Ausnahme der tertiären Form auf dem Boden einer Cortisoltherapie ist die Erkrankung nicht heilbar, jedoch durch lebenslange Gabe der fehlenden Hormone in Form von Medikamenten behandelbar. Wichtig ist, dass betroffene Patienten ein Notfallset mit Hydrocortison und einen Notfallpass mit sich führen, um im Falle einer lebensbedrohlichen Addison-Krise schnell reagieren zu können.[9]

Die Ersatztherapie mit dem bei primärer und sekundärer Nebennierenrindeninsuffizienz ebenfalls erniedrigten Dehydroepiandrosteron (DHEA) zeigte in Studien einen positiven Einfluss auf Stimmung, Sexualität und gesundheitsbezogene Lebensqualität, ist aber nicht klinisch evaluiert und wird daher nicht von den Krankenkassen übernommen.[9]

Bei der heute seltenen tuberkulösen Form der primären Nebenniereninsuffizienz führt die alleinige Gabe von Corticosteroiden zur Verschlimmerung der Tuberkulose. Die Tuberkulose muss zuerst ausgeheilt werden, und dann erst kann der Hormonmangel dauerhaft ersetzt werden.

Nebennierenrindeninsuffizienz bei Tieren

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Eine Nebenniereninsuffizienz oder ein Hypoadrenokortizismus wird gelegentlich bei Haushunden beobachtet. In 95 % der Fälle handelt es sich um eine immunvermittelte primäre Nebenniereninsuffizienz (Morbus Addison), gelegentlich kann sie auch bei Überdosierung von Mitotan oder Trilostan bei Behandlung eines Cushing-Syndroms auftreten. Dabei kommt es zu einem Mangel an den in der Nebennierenrinde gebildeten Hormonen Cortisol (Glukokortikoid) und meist auch Aldosteron (Mineralokortikoid). Die Krankheit entwickelt sich oft schleichend und zeigt sich anfänglich häufig nur in wechselndem Allgemeinbefinden und Verschlechterung bei erhöhtem Stress. Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Schwäche, verminderte Leistungsfähigkeit, Gewichtsverlust und Erbrechen treten am häufigsten auf. Auch chronischer Durchfall, vermehrtes Trinken und Harnabsetzen sowie Bauchschmerzen können auftreten. Eine Addison-Krise verläuft dagegen dramatisch mit hochgradiger Schwäche, Austrocknung, Zusammenbrechen und plötzlichen Todesfällen.[10] Eine rassespezifische Häufung tritt bei Pudel, Labradoodle und West Highland White Terrier auf.[11]

Typische Laborbefunde sind Hyponatriämie und Hyperkaliämie (bei etwa 80 bis 90 % der Hunde), (prärenale) Azotämie, nicht regenerative Anämie und Lymphozytose. Die basale Cortisolkonzentration liegt meist unter 2 µg/dl und bleibt beim ACTH-Stimulationstest unter dieser Schwelle. Stimulationswerte von 2,1 bis 5 µg/dl Cortisol gelten als Graubereich. Alternativ kann auch der Quotient aus Cortisol und ACTH (CAR, Cortisol-ACTH-Ratio) gebildet werden, hier wird ein Wert von unter 250 als pathologisch angesehen.[12] Die Akutbehandlung eines Hundes in Addison-Krise basiert primär auf der intravenösen Verabreichung von physiologischer Kochsalzlösung und der Gabe eines Glukokortikoids. Zur Langzeitbehandlung ist seit 2016 in der EU Desoxycortonpivalat (Handelsname Zycortal) zugelassen. Es hat nur eine mineralokortikoide Wirkung und muss mit Prednisolon ergänzt werden. Zuvor wurden Hunde meist mit Fludrocortison mit oder ohne Zusatz von Prednisolon behandelt, allerdings ließ sich die Erkrankung bei einem Teil der Hunde damit nicht kontrollieren.[10][13]

Bei Katzen ist eine Nebennierenrindeninsuffizienz dagegen sehr selten. Seit der Erstbeschreibung 1983 wurden weltweit nur 40 Fälle publiziert.[14]

  • M. Quinkler u. a.: Nebennierenrinden-Insuffizienz – lebensbedrohliche Erkrankung mit vielfältigen Ursachen. In: Dtsch Arztebl Int. Nr. 110(51–52), 2013, S. 882–888 (Übersichtsarbeit im Deutschen Ärzteblatt).
  • S. Marzotti, A. Falorni: Addison’s disease. In: Autoimmunity, 37, 2004, S. 333–336.
  • G. H. Williams, R. G. Dluhy (dtsch. von M. Berger): Primäre Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison). In: K. J. G. Schmailzl (Hrsg.): Harrisons Innere Medizin 2. Blackwell Wiss.-Verlag, S. 2303–2306; Dt. Ausg. der 13. Auflage (1995).
  • M-F. Kong, W. Jeffcoate: Eighty-six cases of Addison’s disease. In: Clin Endocrinology, 41, 1994, S. 757–761.
  • W. Oelkers, S. Diederich, V. Bähr: Diagnostik der Nebennierenrindeninsuffizienz In: Dtsch. med. Wschr., 119, 1994, S. 555–559.
  • W. Oelkers: Review Article: Adrenal Insufficiency. In: N Engl J Med., 335, 1996, S. 1206–1212.
  • F. Kelestimur: The endocrinology of adrenal tuberculosis: the effects of tuberculosis on the hypothalamo-pituitary-adrenal axis and adrenocortical function. In: J Endocrinol Invest., 27, 2004, S. 380–386.
  • C. Betterle, M. Volpato, B. Rees Smith, J. Furmaniak, S. Chen, N.A. Greggio, M. Sanzari, F. Tedesco, B. Pedini, M. Boscaro, F. Presotto: I. Adrenal cortex and steroid 21-hydroxylase autoantibodies in adult patients with organ-specific autoimmune diseases: markers of low progression to clinical Addison’s disease. In: J Clin Endocrinol Metab., 82, 1997, S. 932–938.
  • C. Betterle, M. Volpato, B. Rees Smith, J. Furmaniak, S. Chen, R. Zanchetta, N. A. Greggio, B. Pedini, M. Boscaro, F. Presotto: II. Adrenal cortex and steroid 21-hydroxylase autoantibodies in children with organ-specific autoimmune diseases: markers of high progression to clinical Addison’s disease. In: J Clin Endocrinol Metab., 82, 1997, S. 939–942.
  • Heinrich Averbeck: Die Addison´sche Krankheit, Eine Monographie, Ferdinand Enke, Erlangen 1869

Einzelnachweise

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  1. W. Schoner, G. Scheiner-Bobis: Endogenous and exogenous cardiac glycosides and their mechanisms of action. In: American Journal of Cardiovascular Drugs, Band 7, Nummer 3, 2007, S. 173–189, ISSN 1175-3277. PMID 17610345. (Review)
  2. Otto Westphal, Theodor Wieland, Heinrich Huebschmann: Lebensregler. Von Hormonen, Vitaminen, Fermenten und anderen Wirkstoffen. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1941 (= Frankfurter Bücher. Forschung und Leben. Band 1), insbesondere S. 9–35 (Geschichte der Hormonforschung), hier: S. 14–19.
  3. Ludwig Weissbecker: Die relative Nebennierenrindeninsuffizienz (Hypadrenie, Addisonismus). In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 1020 f.
  4. A. S. Milde, B. W. Böttiger, M. Morcos: Nebennierenrinde und Steroide. In: Der Anaesthesist. 54, 2005, S. 639–654, doi:10.1007/s00101-005-0867-5.
  5. Otto Westphal, Theodor Wieland, Heinrich Huebschmann: Lebensregler. Von Hormonen, Vitaminen, Fermenten und anderen Wirkstoffen. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1941 (= Frankfurter Bücher. Forschung und Leben. Band 1), insbesondere S. 9–35 (Geschichte der Hormonforschung), hier: S. 14 f.
  6. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 31.
  7. a b Fauci u. a. (Hrsg.): Harrisons Innere Medizin. 17. Auflage. ABW, Berlin 2009, ISBN 978-3-86541-310-9, S. 2794.
  8. Ludwig Weissbecker: Die Addisonsche Krankheit (Morbus Addison). In: Ludwig Heilmeyer (Hrsg.): Lehrbuch der Inneren Medizin. Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 999–1008, hier: S. 1016–1019, hier: S. 1018 (Addison-Krise).
  9. a b Marcus Quinkler et al.: Nebennierenrinden-Insuffizienz – lebensbedrohliche Erkrankung mit vielfältigen Ursachen. In: Dtsch Arztebl Int 2013; 110(51-52): 882-8; DOI: 10.3238/arztebl.2013.0882.
  10. a b Claudia E. Reusch: Primärer Hypoadrenokortizismus beim Hund (Morbus Addison). In: Kleintierpraxis. Band 60, Nr. 9, 2015, S. 480–502, doi:10.2377/0023-2076-60-480.
  11. I. Schofield et al.: Hyperadrenocorticism in dogs under UK primary veterinary care: frequency, clinical approaches and risk factors. In: J. Small Anim. Pract. Band 62, 2021, Nummer 5, S. 343–350.
  12. Bioscientia Healthcare GmbH, Veterinär-Labor: Cortisol-ACTH-Quotient (CAR). Abgerufen am 22. Mai 2023.
  13. Claudia Reusch: M. Addison: Klinik und Aktuelles zur Diagnose und Therapie. In: Fachpraxis 69 (2016), S. 6–18.
  14. Magdalena Glebocka, Alisdair M. Boag: Hypoadrenocorticism in cats: a 40-year update. In: Journal of Feline Medicine and Surgery. 2024, Band 26, Nummer 9 doi:10.1177/1098612X241248381.