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„Jüten“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel|behandelt den germanischen Volksstamm. Zur deutschen Opernsängerin siehe [[Grit van Jüten]].}}
Die '''Jüten''' sind ein [[Germanen|germanischer Volksstamm]], der seine Urheimat auf der [[Halbinsel]] [[Jütland]] hatte. Mit der Eroberung Jütlands im [[5. Jahrhundert]] durch die [[Dänen]] gingen die Jüten teilweise im dänischen Volk auf, teilweise wanderten sie weiter nach [[Flandern]] und zusammen mit den [[Angeln (Volk)|Angeln]] und [[Sachsen (Volk)|Sachsen]] darüber hinaus nach [[England]]. Teile der Jüten siedelten in Süddänemark bis an die [[Eider]] in [[Schleswig-Holstein]] als freies Volk. Die Christianisierung setzte im [[9. Jahrhundert]] ein.
[[Datei:Jutland Peninsula map de.svg|mini|Die kimbrische Halbinsel in ihren verschiedenen Gebieten (Lila: [[Vendsyssel]]; Dunkelrot: [[Norderjütland]]; Hellrot: [[Nordschleswig]]; Braun: [[Südschleswig]]; Gelb: [[Holstein]])]]


Die '''Jüten''' ([[Latein|lateinisch]] ''Eutii, Euthiones'', [[Altnordische Sprache|altnordisch]] ''Jótar'', [[Altenglische Sprache|altenglisch]] ''Yte, Eotas'') waren ein germanischer Volksstamm auf der Halbinsel [[Jütland]].<ref>Meyers Enzyklopädie und Brockhaus</ref><ref>''Meyers Neues Lexikon'' (Mannheim 1979) und ''Meyers Enzyklopädisches Lexikon'' (Mannheim 1975) definieren die Jüten als nordgermanisch, während der ''Atlas zur Universalgeschichte'' von Oldenbourg/Westermann die Jüten als westgermanisch beschreibt; ''Brockhaus'' (Mannheim 2006), die ''Encyclopædia Britannica'' (Chicago 2005), das ''Duden-Lexikon'' (1980), das ''dtv-Lexikon'' (München 1971) und {{Webarchiv | url=http://lexikon.meyers.de/meyers/J%C3%BCten | wayback=20080206054358 | text=Meyers Lexikon Online}} beschreiben die Jüten allgemeiner als germanischen Stamm in Jütland.</ref>
Zusammen mit den Angeln und den Sachsen hatten die ''Jüten'' einen nicht unerheblichen Anteil an der Entstehung der [[altenglische Sprache|altenglischen Sprache]].


== Geschichte ==
[[Kategorie:Dänemark]]
Laut Pontus Fahlbeck sollen die Jüten mit dem [[Nordgermanische Sprachen|nordgermanischen]] Stamm der [[Gauten]] verwandt sein, dessen Verbindung zu den [[Goten]] umstritten ist.
[[Kategorie:Schleswig-Holstein]]
[[Kategorie:Südschleswig]]


Der Volksstamm ist vermutlich identisch mit dem in römischen Quellen überlieferten Volk der ''Eudosen'', die eine [[gotische Sprache]] gesprochen haben sollen. Die Eudosen sollen um 480 an der kaukasischen Küste gesiedelt haben und sind wohl mit den [[Heruler]]n dahin gelangt. Zusammen mit [[Krimgoten]] (als Tetraxiten bezeichnet) sollen sie dann weiter in den Kaukasus gezogen sein.<ref>[[Herwig Wolfram]]: ''Die Goten.'' 2001, S. 32.</ref> Mit Abwanderung der Jüten, die zusammen mit den [[Angeln (Volk)|Angeln]] und [[Sachsen (Volk)|Sachsen]] nach [[Britannien]] gingen, kamen im [[5. Jahrhundert]] nordgermanische [[Dänen|Daner]] (Dänen) in das Gebiet. Die verbliebenen Jüten gingen teilweise in ihnen auf und besiedelten das südliche Dänemark nördlich der [[Eider]] bis ins heutige nördliche [[Schleswig-Holstein]].
[[af:Jutte]]

[[da:Jyder]]
Zusammen mit den Angeln und Sachsen beteiligten sich die Jüten an der Landnahme Britanniens und hatten erheblichen Anteil an der Entstehung der [[altenglische Sprache|altenglischen Sprache]]. Jütische Besitze in England waren vor allem [[Kent]] und die [[Isle of Wight]].
[[en:Jutes]]

[[es:Juto]]
=== Theorie einer Synonymie mit den Friesen ===
[[it:Juti]]
Eine Theorie geht davon aus, dass Jüten und Friesen früher eventuell eine gemeinsame ethnische Gruppe bildeten oder eng verwandte Stämme mit überlappenden Territorien, Kulturen und Identitäten darstellten. Auch wenn ein Beweis für diese Hypothese aussteht, deuten einige Wissenschaftler entsprechende Indizien. Auch wird darauf verwiesen, dass die Fluidität ethnischer Bezeichnungen während der Völkerwanderungszeit es plausibel machen würde, dass die Unterscheidung zwischen „Friesen“ und „Jüten“ eher eine praktische Vereinfachung späterer Chronisten war als eine strikte ethnische Trennung gewesen sei. In mehreren altenglischen und frühmittelalterlichen Quellen, wie dem [[Finnsburg-Fragment]] und der [[Angelsächsische Chronik|Angelsächsischen Chronik]], scheinen beispielsweise die Begriffe „Friesen“ und „Jüten“ austauschbar verwendet zu werden. Dies deutet darauf hin, dass die beiden Gruppen zumindest aus der Sicht der Verfasser der Texte kulturell oder ethnisch nicht deutlich zu unterscheiden waren.<ref>John F. Vickrey: Beowulf and the illusion of history, Lehigh University Press, 2019, pp. 43–53</ref> Darüber hinaus weisen archäologische Funde auf starke kulturelle Ähnlichkeiten zwischen den beiden Gruppen hin, da Bestattungspraktiken, materielle Güter (wie Waffen, Keramik und Schmuck) und Siedlungsmuster in Jütland und friesischen Gebieten bemerkenswerte Parallelen aufzeigen.<ref>Ernst Taayke: Die einheimische Keramik der nördlichen Niederlande, 600 v.&nbsp;Chr. bis 300 n.&nbsp;Chr., Teil V: Übersicht und Schlußfolgerungen, in: Berichten van de Rijksdienst voor het Oudheidkundig Bodemonderzoek 42 (1997), pp. 163–208.</ref>
[[nl:Juten]]

[[pl:Jutowie]]
Im Bereich der Linguistik, behauptete der Sprachforscher [[Elmar Seebold]], dass die relativ scharfe Sprachgrenze zwischen [[Westfriesische Sprache|Friesisch]] und [[Niederländische Sprache|Niederländisch]] auf die Zuwanderer aus Jütland zurückzuführen sei, wobei die Jüten gleichzeitig eine scharfe Sprachgrenze zwischen Westgermanisch und Nordgermanisch in Dänemark hinterlassen haben.<ref>Seebold 2003: ''Die Herkunft der Franken, Friesen und Sachsen.'' In: Taayke et al. 2003: 24–34.</ref>

== Etymologie ==
Das Wort ''Jüte'' ([[Adjektiv]] ''jütisch'') bezeichnet in neuerer Zeit die Einwohner von Jütland (dänisch ''jyde, jysk'', zuvor ''jydsk''), beispielsweise im Sprichwort ''„Gott wolle uns behüten, dass wir nicht werden Jüten“''. Diese Redewendung hat ihren Ursprung in der im 19. Jahrhundert ungeklärten [[Schleswig-Holstein-Frage]]. Zur besseren Unterscheidung werden für die moderne Bevölkerung Jütlands im Deutschen (insbesondere im historischen Kontext) heute auch die Bezeichnungen ''Jütländer'' und ''jütländisch'' verwendet, wohingegen mit ''[[Jütisch]]'' weiterhin der moderne, dänische Dialekt bezeichnet wird und nicht eine mögliche Eigensprache des historischen Volksstammes.

== Legende ==
Nach mancher Vermutung sind in den Jüten die [[Jötunn|Jöten]] wiederzuerkennen, jene Riesen, gegen die in den Liedern der nordischen Edda der Ase Thor seine Ostfahrten unternimmt. Damit ist die Annahme verbunden, die Götterburg [[Asgard (Mythologie)|Asgard]] habe im heute von der Nordsee überfluteten Gebiet zwischen [[Helgoland]] und Halbinsel [[Eiderstedt]] gelegen und sei gleichbedeutend mit Basilea, der Königsstadt des untergegangenen [[Atlantis]].<ref>[[Jürgen Spanuth]], 339.</ref><!---Diese Referenz ist sehr schwach, Welches Buch???--->

== Literatur ==
* {{RGA|16|92|100|Jüten|[[Martin Eggers]], [[Nis Hardt]], [[Günter Neumann (Philologe)|Günter Neumann]]}}
* {{RGA|8|19|20|Eutii, Eucii|Günter Neumann}}
* {{RGA|7|617|620|Eudusii|Günter Neumann}}

== Einzelnachweise ==
<references />

{{SORTIERUNG:Juten}}

[[Kategorie:Germanischer Stamm]]
[[Kategorie:Dänische Geschichte]]
[[Kategorie:Schleswig-holsteinische Geschichte]]
[[Kategorie:Jüten| ]]
[[Kategorie:Westgermanen]]
[[Kategorie:Nordseegermanen]]

Aktuelle Version vom 29. Juni 2025, 13:20 Uhr

Die kimbrische Halbinsel in ihren verschiedenen Gebieten (Lila: Vendsyssel; Dunkelrot: Norderjütland; Hellrot: Nordschleswig; Braun: Südschleswig; Gelb: Holstein)

Die Jüten (lateinisch Eutii, Euthiones, altnordisch Jótar, altenglisch Yte, Eotas) waren ein germanischer Volksstamm auf der Halbinsel Jütland.[1][2]

Laut Pontus Fahlbeck sollen die Jüten mit dem nordgermanischen Stamm der Gauten verwandt sein, dessen Verbindung zu den Goten umstritten ist.

Der Volksstamm ist vermutlich identisch mit dem in römischen Quellen überlieferten Volk der Eudosen, die eine gotische Sprache gesprochen haben sollen. Die Eudosen sollen um 480 an der kaukasischen Küste gesiedelt haben und sind wohl mit den Herulern dahin gelangt. Zusammen mit Krimgoten (als Tetraxiten bezeichnet) sollen sie dann weiter in den Kaukasus gezogen sein.[3] Mit Abwanderung der Jüten, die zusammen mit den Angeln und Sachsen nach Britannien gingen, kamen im 5. Jahrhundert nordgermanische Daner (Dänen) in das Gebiet. Die verbliebenen Jüten gingen teilweise in ihnen auf und besiedelten das südliche Dänemark nördlich der Eider bis ins heutige nördliche Schleswig-Holstein.

Zusammen mit den Angeln und Sachsen beteiligten sich die Jüten an der Landnahme Britanniens und hatten erheblichen Anteil an der Entstehung der altenglischen Sprache. Jütische Besitze in England waren vor allem Kent und die Isle of Wight.

Theorie einer Synonymie mit den Friesen

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Eine Theorie geht davon aus, dass Jüten und Friesen früher eventuell eine gemeinsame ethnische Gruppe bildeten oder eng verwandte Stämme mit überlappenden Territorien, Kulturen und Identitäten darstellten. Auch wenn ein Beweis für diese Hypothese aussteht, deuten einige Wissenschaftler entsprechende Indizien. Auch wird darauf verwiesen, dass die Fluidität ethnischer Bezeichnungen während der Völkerwanderungszeit es plausibel machen würde, dass die Unterscheidung zwischen „Friesen“ und „Jüten“ eher eine praktische Vereinfachung späterer Chronisten war als eine strikte ethnische Trennung gewesen sei. In mehreren altenglischen und frühmittelalterlichen Quellen, wie dem Finnsburg-Fragment und der Angelsächsischen Chronik, scheinen beispielsweise die Begriffe „Friesen“ und „Jüten“ austauschbar verwendet zu werden. Dies deutet darauf hin, dass die beiden Gruppen zumindest aus der Sicht der Verfasser der Texte kulturell oder ethnisch nicht deutlich zu unterscheiden waren.[4] Darüber hinaus weisen archäologische Funde auf starke kulturelle Ähnlichkeiten zwischen den beiden Gruppen hin, da Bestattungspraktiken, materielle Güter (wie Waffen, Keramik und Schmuck) und Siedlungsmuster in Jütland und friesischen Gebieten bemerkenswerte Parallelen aufzeigen.[5]

Im Bereich der Linguistik, behauptete der Sprachforscher Elmar Seebold, dass die relativ scharfe Sprachgrenze zwischen Friesisch und Niederländisch auf die Zuwanderer aus Jütland zurückzuführen sei, wobei die Jüten gleichzeitig eine scharfe Sprachgrenze zwischen Westgermanisch und Nordgermanisch in Dänemark hinterlassen haben.[6]

Das Wort Jüte (Adjektiv jütisch) bezeichnet in neuerer Zeit die Einwohner von Jütland (dänisch jyde, jysk, zuvor jydsk), beispielsweise im Sprichwort „Gott wolle uns behüten, dass wir nicht werden Jüten“. Diese Redewendung hat ihren Ursprung in der im 19. Jahrhundert ungeklärten Schleswig-Holstein-Frage. Zur besseren Unterscheidung werden für die moderne Bevölkerung Jütlands im Deutschen (insbesondere im historischen Kontext) heute auch die Bezeichnungen Jütländer und jütländisch verwendet, wohingegen mit Jütisch weiterhin der moderne, dänische Dialekt bezeichnet wird und nicht eine mögliche Eigensprache des historischen Volksstammes.

Nach mancher Vermutung sind in den Jüten die Jöten wiederzuerkennen, jene Riesen, gegen die in den Liedern der nordischen Edda der Ase Thor seine Ostfahrten unternimmt. Damit ist die Annahme verbunden, die Götterburg Asgard habe im heute von der Nordsee überfluteten Gebiet zwischen Helgoland und Halbinsel Eiderstedt gelegen und sei gleichbedeutend mit Basilea, der Königsstadt des untergegangenen Atlantis.[7]

Einzelnachweise

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  1. Meyers Enzyklopädie und Brockhaus
  2. Meyers Neues Lexikon (Mannheim 1979) und Meyers Enzyklopädisches Lexikon (Mannheim 1975) definieren die Jüten als nordgermanisch, während der Atlas zur Universalgeschichte von Oldenbourg/Westermann die Jüten als westgermanisch beschreibt; Brockhaus (Mannheim 2006), die Encyclopædia Britannica (Chicago 2005), das Duden-Lexikon (1980), das dtv-Lexikon (München 1971) und Meyers Lexikon Online (Memento vom 6. Februar 2008 im Internet Archive) beschreiben die Jüten allgemeiner als germanischen Stamm in Jütland.
  3. Herwig Wolfram: Die Goten. 2001, S. 32.
  4. John F. Vickrey: Beowulf and the illusion of history, Lehigh University Press, 2019, pp. 43–53
  5. Ernst Taayke: Die einheimische Keramik der nördlichen Niederlande, 600 v. Chr. bis 300 n. Chr., Teil V: Übersicht und Schlußfolgerungen, in: Berichten van de Rijksdienst voor het Oudheidkundig Bodemonderzoek 42 (1997), pp. 163–208.
  6. Seebold 2003: Die Herkunft der Franken, Friesen und Sachsen. In: Taayke et al. 2003: 24–34.
  7. Jürgen Spanuth, 339.