„Föderalismus in der Schweiz“ – Versionsunterschied
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<!--schweizbezogen-->Der '''[[Föderalismus]]''' gehört zu den Grundpfeilern der [[schweiz]]erischen Staatsordnung. Das föderalistische System ist aus drei [[Politisches System der Schweiz|Ebenen]] aufgebaut: Zuoberst steht der Bund, dann die [[Kanton (Schweiz)|Kantone]] und schliesslich die [[Gemeinde (Schweiz)|Gemeinden]]. Wie in einem [[Bundesstaat (föderaler Staat)|Bundesstaat]] üblich werden die Staatsaufgaben auf die drei Staatsebenen aufgeteilt. Diese Aufgabenteilung beruht auf dem Prinzip der [[Subsidiarität]]: Eine Aufgabe darf nur dann von einer höheren Instanz übernommen werden, wenn sie die Kraft der unteren Stufe übersteigt. Im Idealfall führt das zu Gesetzen und Regelungen, die auf lokale Bedürfnisse zugeschnitten sind, was einerseits deren Akzeptanz erhöhen und anderseits eine fruchtbare Konkurrenz zwischen Kantonen und Gemeinden um niedrigere Steuern, effizientere öffentliche Verwaltung und andere Standortvorteile bewirken soll. Neben der Subsidiarität sieht die [[Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft|Bundesverfassung]] ein System der Einzelermächtigung vor. Der Bund übernimmt nur jene Aufgaben, die ihm von der Verfassung zugeschrieben werden; alle anderen kommen automatisch den Kantonen zu. |
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{{Neutralität}} |
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[[Datei:Schweiz - Kantone - Gemeinden auf 3 Ebenen.png|mini|Die drei föderalen Ebenen: Bund – Kantone – Gemeinden (Die Anzahl der Gemeinden hat seit dieser Darstellung von 2018 wegen Zusammenschlüssen abgenommen.)]] |
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Der Schweizer Föderalismus ist durch die weitreichende [[Autonomie]] der [[Gliedstaat]]en (Kantone) geprägt. Die Kantone verfügen über voll ausgebaute staatliche Strukturen und damit über eigene politische Institutionen für die [[Exekutive]] (ausführende Gewalt), die [[Legislative]] (gesetzgebende Gewalt) und die [[Judikative]] (rechtsprechende Gewalt). Quantitativ ist es die wichtigste Aufgabe der Kantone, das Recht, das auf Bundesebene geschaffen wird, umzusetzen, wobei ihnen möglichst viel Freiheit eingeräumt werden soll. Die Autonomie existiert aber immer nur im Rahmen des Bundesrechts. Den Gemeinden kommt ebenfalls Autonomie zu, deren Ausprägung das kantonale Recht bestimmt. |
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In der '''[[Schweiz]]''' ist der '''[[Föderalismus]]''' seit der Gründung ein Grundprinzip des Staates, das auch heute noch in der Bevölkerung einen hohen Stellenwert hat. |
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Der Schweizer Föderalismus geht weit über eine Beteiligung an der Bundesregierung hinaus, einige staatliche Aufgaben werden von den [[Kanton (Schweiz)|Kantonen]] in eigener Kompetenz geregelt. |
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Die Kantone verfügen über umfassende Mitwirkungsrechte auf Bundesebene: Bei jeder Änderung der Bundesverfassung haben die Kantone das Recht, ein [[Veto]] einzulegen; auf Bundesebene existiert ein Parlament aus zwei [[Zweikammersystem|Kammern]], deren eine die Kantone repräsentieren soll ([[Ständerat]]); sie können eine [[Standesinitiative]] oder ein [[Kantonsreferendum]] ergreifen; und sie wirken an der Rechtsetzung im Bund mit ([[Vernehmlassung]]). Die Verfassung geht von einer grundsätzlichen Gleichstellung der Kantone aus. |
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Der diesem Prinzip zugrundeliegende Artikel der [[Bundesverfassung (Schweiz)|Bundesverfassung]] lautet: |
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:Art. 3 ''Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.'' |
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Ein Wesensmerkmal des Schweizer Föderalismus ist die intensive Zusammenarbeit innerhalb und zwischen den Staatsebenen. Sowohl die vertikale (Bund–Kantone, Kantone–Gemeinden) als auch die horizontale Kooperation (Kantone–Kantone, Gemeinden–Gemeinden) ist im internationalen Vergleich stark ausgeprägt. Dadurch versuchen die Kantone, dem Schwinden ihres Einflusses auf Bundesebene entgegenzuwirken. |
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=== Aufgabenteilung === |
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Der Bund darf also nur Aufgaben übernehmen, die ihm ausdrücklich in der Bundesverfassung übertragen sind – alle anderen staatlichen Aufgaben werden von den Kantonen geregelt. Durch das [[Ständemehr]] ist garantiert, dass die Verfassung nur geändert werden kann, wenn neben der Mehrheit der Stimmenden auch die Mehrheit der Kantone zustimmt. |
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Seit geraumer Zeit ist der Föderalismus mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, weshalb er von Teilen der [[Rechtswissenschaft|Lehre]] als das am stärksten gefährdete [[Staatsformmerkmal|Strukturprinzip]] erachtet wird. Vor allem die schleichende [[Zentralismus|Zentralisierung]], also die zunehmende Übernahme von eigentlich kantonalen Aufgaben durch den Bund, stellt ein Problem dar. Mit dem Abschluss [[Interkantonales Konkordat|interkantonaler Konkordate]] versuchen die Kantone, dem entgegenzuwirken. Die Zentralisierung erfolgt aber nicht nur innerstaatlich. Immer häufiger werden die Politik und die Rechtsetzung auf eine neue, internationale Ebene verlagert, wodurch der Bund, der über umfassende Kompetenzen im Bereich der [[Völkerrechtliche Verträge in der Schweiz|völkerrechtlichen Verträge]] verfügt, immer mehr Bereiche regelt. |
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Der Bund ist zuständig für Gesetzgebung im Zivil- und Strafrecht, Aussenpolitik, Aussenwirtschaft, Krankenversicherung und andere Sozialversicherungen, Geldwesen, Mehrwehrtsteuer und Zölle, Messwesen, Einsatz der [[Schweizer Armee|Armee]]. |
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== Der Föderalismus im politischen System der Schweiz == |
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Teilweise in der Kompetenz der Kantone liegen Kultur, Schulwesen, direkte Steuern, Gerichtswesen, Natur- und Heimatschutz, Strafvollzug; die Kantone bestimmen ihre Amtssprache(n) und regeln das Verhältnis von Kirchen und Staat. |
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Der föderale Staatsaufbau bildet eines der Kernelemente des [[Politisches System der Schweiz|politischen Systems der Schweiz]], er wird zum Teil sogar als ''das'' tragende und identitätsstiftende Element angesehen.<ref name=":17">{{Literatur |Autor=Adrian Vatter |Titel=Das politische System der Schweiz |Auflage=4. |Datum=2020 |Seiten=470}}</ref> |
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Die zentralen Funktionen des Föderalismus in der Schweiz werden mit den Phrasen «Einheit in der Vielfalt» (d. h. Vereinigung unterschiedlicher Völker und Regionen unter einer gemeinsamen Verfassung) und «Vielfalt in der Einheit» (d. h. Minderheitenschutz im demokratischen System) umschrieben.<ref name=":16" /> Minderheiten soll nicht nur das Recht auf Selbstverwaltung zugesichert, sondern es soll verhindert werden, dass sich Mehrheiten im Gesamtstaat über sie hinwegsetzen.<ref>{{Literatur |Autor=Eva Maria Belser |Titel=Föderalismus und Minderheitenschutz |Sammelwerk=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Datum=2020 |Seiten=774}}</ref> Der Föderalismus dient ausserdem zur vertikalen Machthemmung und zur Stärkung der Demokratie, indem die Stimmberechtigten in den Gliedstaaten politisch [[Partizipation|partizipieren]] können; er führt zur bürgernahen Entscheidungsfindung und schafft dadurch höhere Legitimität für staatliches Handeln.<ref name=":16">Tiefenthal: ''«Vielfalt in der Einheit» am Ende?'' 2021, S. 183</ref> |
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Viele Aufgaben sind geteilt – der Bund stellt allgemeine Regeln auf, die Kantone kümmern sich um die Durchführung. Auf vielen Gebieten herrscht ein Kompetenzwirrwarr zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden. |
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Der Föderalismus basiert auf der Anerkennung der Unterschiedlichkeit und der Eigenständigkeit der Kantone. Diese Anerkennung zeigt sich in der Verfassung, ist in Institutionen und im Parteiensystem festgeschrieben und wird in der politischen Kultur gelebt.<ref>{{Literatur |Autor=Dietmar Braun |Titel=Dezentraler und unitarischer Föderalismus. Die Schweiz und Deutschland im Vergleich |Sammelwerk=Swiss Political Science Review |Band=9 |Nummer=1 |Datum=2003-04 |Seiten=67 |DOI=10.1002/j.1662-6370.2003.tb00400.x}}</ref> Die Schweiz ist anders als Deutschland keine [[Kulturnation|Kultur-]], sondern eine [[Willensnation]]. Der Bundesstaat fusst auf dem Zusammenschluss heterogener Einheiten. Jede unilaterale Durchsetzungsstrategie wäre hier von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. In Deutschland ist die Dezentralisierung und Autonomie der Gliedstaaten weniger wichtig, demgegenüber spielen die Integration und die Gleichheit der Lebensbedingungen eine grosse Rolle. Nach Dietmar Braun, Professor für [[Politikwissenschaft]] an der [[Universität Lausanne]], «wählten [die Kantone] die Autonomie und Nicht-Zentralisierung zur Bewahrung ihrer Identität, während die [[Land (Deutschland)|Länder]] der Bundesrepublik die Strategie der Kontrolle und Teilhabe an bundespolitischen Entscheidungen voranstellten.»<ref>{{Literatur |Autor=Dietmar Braun |Titel=Dezentraler und unitarischer Föderalismus. Die Schweiz und Deutschland im Vergleich |Sammelwerk=Swiss Political Science Review |Band=9 |Nummer=1 |Datum=2003-04 |Seiten=59 |DOI=10.1002/j.1662-6370.2003.tb00400.x}}</ref> |
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Eine weitere Variante sind die [[Konkordat]]e zwischen den Kantonen: mehrere (oder sogar alle) Kantone einigen sich unabhängig vom Bund darauf, gewisse Aufgaben aus ihrer Zuständigkeit (Fachhochschulen, Strafvollzug, Lehrerausbildung) gemeinsam zu lösen. |
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Der Föderalismus ist als politische Struktur zum Schutz einer multikulturellen Gesellschaft zu verstehen. Historisch bedingt ist die kommunale und kantonale Verwurzelung in der Schweiz sehr stark – viel stärker als in Deutschland, da die Bundesländer «ja mehrheitlich politisch artifizielle Gebilde darstellen.»<ref>{{Literatur |Autor=Dietmar Braun |Titel=Dezentraler und unitarischer Föderalismus. Die Schweiz und Deutschland im Vergleich |Sammelwerk=Swiss Political Science Review |Band=9 |Nummer=1 |Datum=2003-04 |Seiten=60 f. |DOI=10.1002/j.1662-6370.2003.tb00400.x}}</ref> |
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=== Mitsprache bei der Regierung === |
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Die Beteiligung der Kantone bei der Bundesregierung geschieht im Wesentlichen auf fünf Ebenen: |
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* Bei einer [[Vernehmlassung]] werden alle betroffenen Kantone um Stellungnahme gebeten und können so ihre Ansicht einfliessen lassen, bevor das Gesetz überhaupt formuliert wird. |
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* Die kleine Kammer des Parlaments, der [[Ständerat]] ist "Vertretung der Kantone": jeder Kanton stellt zwei Ständeräte ([[Halbkanton]]e einen), die gewöhnlich in Majorzwahl vom Volk gewählt werden. Die Ständeräte sind aber keineswegs nur Vertreter ihrer Kantone. Der Ständerat ist dem Nationalrat gleichgestellt - alle Bundesbeschlüsse benötigen die Zustimmung beider Kammern. |
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* Verfassungsänderungen, über die das Volk obligatorisch abstimmt, benötigen nicht nur ein Volksmehr, sondern auch ein sog. [[Ständemehr]] (die Mehrzahl der Kantone muss zustimmen). |
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* Die einzelnen Kantonsregierungen versuchen, direkt die Bundesregierung zu beeinflussen. |
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* Die Kantone haben sich in verschiedenen "Konferenzen" zusammengeschlossen (z.B. Erziehungsdirektorenkonferenz, Gesundheitsdirektorenkonferenz), welche auch mit der Bundesregierung verhandeln. |
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== Historische Entwicklung == |
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=== Vorteile des Schweizer Föderalismus === |
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=== Alte Eidgenossenschaft (1291–1798) === |
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*Angesichts der Vielfalt von Kulturen, die sich nicht nur bezüglich Sprache, sondern auch bezüglich Stadt/Land und katholisch/reformiert unterscheiden, wäre es bei vielen staatlichen Aufgaben kaum möglich, eine Mehrheit für einen gemeinsamen Nenner zu finden. |
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Die Schweizerische Eidgenossenschaft entstand im 14. bis 16. Jahrhundert durch den Zusammenschluss von Städten und Länderorten.<ref>{{HLS|9918|Länderorte|Autor=Hans Stadler|Datum=2008-11-11|Abruf=2023-12-20}}</ref> Dieser Zusammenschluss war äusserst stabil, da die eingegangenen Bünde als unbefristet und unkündbar galten; zugleich war das Bündnis aber lose, da jeder Ort umfassende Selbstständigkeit beanspruchte.<ref name=":11">{{HLS|46249|Föderalismus|Autor=Rainer J. Schweizer, Ulrich Zelger|Datum=2009-11-05|Abruf=2023-03-18}} Ziffer 2.</ref> Ab 1353 bestand die [[Alte Eidgenossenschaft|Eidgenossenschaft]] aus [[Acht Alte Orte|acht]], von 1513 bis zu ihrem Untergang 1798 aus [[Dreizehn Alte Orte|dreizehn vollberechtigten Kantonen]] sowie aus einigen [[Zugewandter Ort|zugewandten Orten]] und [[Gemeine Herrschaft|gemeinen Herrschaften]].<ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Ladner |url=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |titel=Der Schweizer Föderalismus im Wandel |seiten=21 |format=PDF |abruf=2023-03-18}}</ref> |
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* Dadurch, dass einige Aufgaben der Kantonshoheit unterstehen, ist manchmal die Lösung für viel mehr Leute befriedigend, als das mit einer Einheitsregelung möglich wäre. |
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* Minderheiten fühlen sich weniger durch den Staat übergangen oder in ihren Interessen verletzt. |
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* Viele Aufgaben des Staates werden näher beim Bürger gelöst, was die Staatsverdrossenheit vermindert. |
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Obschon der Begriff selber nicht verwendet wurde, war das staatsrechtliche Denken der Eidgenossen genuin föderalistisch. Bis 1648 war die Schweiz in das [[Heiliges Römisches Reich|Heilige Römische Reich]] eingegliedert, und die Kantone waren daher nur bedingt eigenständig. Erst mit dem [[Westfälischer Friede|Westfälischen Frieden]] erlangten sie ihre [[Souveränität]]. Die staatsrechtliche Einordnung der Schweiz zu dieser Zeit ist aber schwierig: Einerseits wurden die [[Dreizehn Alte Orte|Dreizehn Alten Orte]] als souveräne Einheit angesehen (''Corpus Helveticum''), andererseits beanspruchten die einzelnen eidgenössischen Orte Souveränität. Während die Schweiz nach aussen ihre staatliche Eigenständigkeit erfolgreich behauptete und dabei durchaus geschlossen auftrat, wachten die eidgenössischen Orte im Inneren über ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Die Eidgenossenschaft war somit nicht als [[Staatenbund]] anzusehen – dafür war die Bindung der Orte untereinander zu eng und ihr Auftreten zu geschlossen. Sie war aber auch nicht als [[Bundesstaat (föderaler Staat)|Bundesstaat]] einzustufen, denn dazu pochten die Orte zu sehr auf ihre Souveränität.<ref name=":11" /> |
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=== Nachteile des Schweizer Föderalismus === |
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Die Nachteile des Schweizer Föderalismus sind einerseits die grosse Anzahl der Kantone (26) für nur etwa 7.5 Millionen Einwohner. Kein anderes Land in [[Europa]] oder [[Nordamerika]] weist eine derart ausgeprägt fragmentierte politische Unterteilung auf wie die Schweiz, insbesondere wenn man auch noch die im internationalen Vergleich relativ grosse [[Autonomie]] der Schweizer Kantone berücksichtigt. |
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Zudem bestehen zwischen den einzelnen Kantonen enorme Unterschiede in Bezug auf ihre Bevölkerungsgrösse und Fläche, was weitere Nachteile mit sich bringt. |
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=== Das Ringen um die föderale Ordnung (1798–1848) === |
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Die schweizerische Ausprägung des Föderalismus verstärkt die politische und wirtschaftliche Kleinräumigkeit und Fragmentierung der Schweiz. Sie ist historisch durch die [[Topographie]] (meist hügeliges beziehungsweise teilweise sogar stark gebirgiges Gelände) bedingt. In einer Zeit, wo sogar [[national]]e Strukturen immer mehr Aufgaben an [[supranational]]e Strukturen delegieren (beispielsweise der Integrationsprozess in der [[Europäischen Union]]), wird dies zu einem immer offensichtlicher werdenden [[Anachronismus]]. Er wird im [[21. Jahrhundert]] zu einem für die Schweiz immer belastenderen [[Wettbewerb]]snachteil. |
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==== Helvetik und Mediation ==== |
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* Der schweizerische Föderalismus ist kostspielig: 26 Regierungen, öffentliche Verwaltungen, rechtliche Regelungen usw. Dies bewirkt nicht nur erhöhte Kosten für den Staat, sondern auch für die Wirtschaft. In der Schweiz existiert wegen der teilweise hohen Autonomie der Kantone und Unterschieden bei kantonalen Gesetzen nicht einmal ein freier [[Binnenmarkt]]. Dies dürfte auch einer der Faktoren für das im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern überaus geringe Wirtschaftswachstum der Schweiz sein. Während in der Europäischen Union sogar auf [[supranational]]er Ebene immer mehr ein freier Binnenmarkt gewährleistet wird, existiert dieser in der Schweiz teilweise nicht einmal auf suprakantonaler (das heisst schweizweiter) Ebene. |
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Der [[Franzoseneinfall (Schweiz)|Einfall der Franzosen 1798]] beendete das [[Ancien Régime]]. Am 12. April 1798 trat die von [[Frankreich]] aufgezwungene Verfassung in Kraft, eine Adaptation der [[Direktorium (Frankreich)|französischen Direktorialverfassung]]. So entstand die ''[[Helvetische Republik]].'' Die [[Verfassungen der Helvetischen Republik#Die erste Verfassung|Helvetische Verfassung]] machte aus der Alten Eidgenossenschaft einen nationalen [[Einheitsstaat]], der auf den Prinzipien der [[Gleichheitssatz|Rechtsgleichheit]], der [[Volkssouveränität]] und der [[Gewaltenteilung]] beruhte.<ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Ladner |url=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |titel=Der Schweizer Föderalismus im Wandel |seiten=22 |format=PDF |abruf=2023-03-18}}</ref> |
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Die Debatte um den Föderalismus, die ihren Ursprung in den [[Dreizehn Kolonien|britischen Kolonien Nordamerikas]] hatte, war in den 1780er- und 1790er-Jahren auch in der Schweiz angekommen; mit der französischen Invasion nahm sie aber eine Wende. Während zuvor unter Föderalismus der engere Zusammenschluss der Orte und die Schaffung einer wirksamen Zentralgewalt verstanden wurde, war er um 1800 jene Bezeichnung für die politische Richtung, die den helvetischen Einheitsstaat bekämpfte. Die Bandbreite der Föderalisten war damals gross. Die Gemässigten befürworteten zum Beispiel die neu eingeführten [[Individualrecht]]e. Es gab aber auch [[Restauration (Geschichte)|restaurative]] Kräfte, die die Helvetische Republik abschaffen und zum Ancien Régime zurückkehren wollten.<ref name=":12">{{HLS|46249|Föderalismus|Autor=Rainer J. Schweizer, Ulrich Zelger|Datum=2009-11-05|Abruf=2023-03-18}} Ziffer 3.</ref> |
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* Es entstehen kostpielige und unnötige Mehrfachspurigkeiten in der kantonalen Verwaltung. Für eine teilweise sehr geringe Bevölkerungsanzahl (im Extremfall 15.000 Einwohner im Kanton Appenzell Innerrhoden) muss eine eigenständige kantonale Verwaltung gewährleistet und finanziert werden. Dies führt dazu, dass die öffentliche Verwaltung oft zu klein und zu wenig spezialisiert ist und auch wenig [[Ressourcen]] für effizient (weil grossräumig) durchgeführte Reformen der kantonalen Verwaltung aufbringen kann. Erst in jüngster Zeit wächst die Bereitschaft, bestimmte Aufgaben der öffentlichen Verwaltung insbesondere in neuen Aufgabenbereichen nicht mehr von einzelnen Kantonen im Alleingang, sondern von mehreren Kantonen gemeinsam zu erbringen. Damit werden auf eine [[pragmatisch]]e, aber dennoch im Vergleich zu einer vollständigen kantonalen [[Fusion]] umständlichen, langsamen und im Umfang begrenzten Weise kantonale Fusionen Schritt für Schritt vorweggenommen. |
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Nachdem 1802 die letzten französischen Truppen die Schweiz verlassen hatten, wurde die Helvetische Republik 1803 aufgelöst. Zur Eidgenossenschaft kamen die zugewandten Orte [[Kanton Graubünden|Graubünden]] und [[Kanton St. Gallen|St. Gallen]] sowie die ehemaligen Untertanengebiete [[Kanton Aargau|Aargau]], [[Kanton Tessin|Tessin]], [[Kanton Thurgau|Thurgau]] und [[Kanton Waadt|Waadt]] als eigenständige Kantone. Die folgende Zeit bis zum [[Wiener Kongress]] 1815 wird als [[Mediation (Geschichte)|Mediation]] bezeichnet. In der Mediationsakte, der Verfassung der Mediation, machte sich [[Napoleon Bonaparte|Napoléon]] einige Argumente der Föderalisten, seiner einstigen Gegner, zu eigen und [[Kodifikation|kodifizierte]] sie in der Verfassung.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.verfassungsgeschichte.ch/CH_1802_Ansprache%20Bonapartes.pdf |titel=Aus der Ansprache Bonaparte's an den Ausschuß der helvetischen Consulta zu St. Cloud. 12. Dezember 1802 |hrsg=verfassungsgeschichte.ch |format=PDF |abruf=2023-07-14}}</ref> Darauf gründet der schweizerische Föderalismusbegriff, der bis heute den Akzent auf eine möglichst dezentrale, örtlich verwurzelte Staatsstruktur und somit auf einen schwachen Zentralstaat setzt. Dem entgegen steht das angelsächsische ''Federalism'', das die Integration der [[Gliedstaat]]en in den Bund in den Vordergrund rückt.<ref name=":12" /> |
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* Ein weiterer Nachteil der föderalen Strukturen schweizerischer Ausprägung mit teilweise sehr kleinen Kantonen besteht in der Tatsache, dass die politische Mitbestimmungsmöglichkeit einer stimm- und wahlberechtigten Person in einem sehr kleinen Kanton (beispielswiese [[Kanton Appenzell Innerrhoden|Appenzell-Innerrhoden]]) erheblich grösser ist als die politische Mitbestimmungsmöglichkeit einer stimm- und wahlberechtigten Person in einem der grossen Kantone (beispielsweise dem [[Kanton Zürich]]) und zwar gerade auch auf Bundesebene (auf kantonaler Ebene ist dies ohnehin logisch, da der Kanton kleiner ist). Dies gilt insbesondere für sehr kleine [[Halbkanton]]e wie im Extremfall den Kanton Appenzell Innerrhoden, weil diese einen [[Ständerat]] und sogar zusätzlich noch einen [[Nationalrat (Schweiz)|Nationalrat]] in das Bundesparlament entsenden können.<br>Aber auch die Einwohner von kleinen "Vollkantonen" (welche jeweils zwei Ständeräte stellen) wie [[Kanton Glarus|Glarus]] oder [[Kanton Uri|Uri]] haben sehr grosse politische Mitbestimmungsmöglichkeiten, zumal diese sogar zwei Ständeräte nach Bern entsenden können, während grosse Kantone wie beispielsweise der [[Kanton Zürich]] ebenfalls nur zwei Ständeräte nach Bern delegieren können.<br>Dies steht im krassen Gegensatz beispielsweise zu [[Deutschland]], wo die kleinen [[Bundesland (Deutschland)|Bundesländer]] im [[Bundesrat (Deutschland)|Bundesrat]] zwar ebenfalls in Bezug auf ihre Bevölkerungsgrösse mehr Stimmgewicht haben als die grossen Bundesländer, aber dennoch absolut gesehen weniger Stimmen haben als die grossen Bundesländer. Dies führt bei den föderalen politischen Mitbestimmungsmöglichkeiten im Gegensatz zur Schweiz zu wesentlich geringeren Unterschieden zwischen bevölkerungsreichen und bevölkerungsarmen Bundesländern. In den [[USA]] beispielsweise haben zwar ebenfalls bevölkerungsmässig sehr kleine [[US-Bundesstaat]]en (wie beispielsweise [[Wyoming]], [[Vermont]] siehe dazu [[Liste der US-Bundesstaaten, geordnet nach Einwohnerzahl]]) jeweils zwei [[US-Senat|Senatoren]]. Dort wird aber die grosse Zahl bevölkerungsarmer ländlicher US-Bundesstaaten wie [[Wyoming]], [[Alaska]], [[North Dakota]], [[South Dakota]], [[Montana]] usw., welche sich teilweise in der Politik von den liberalen Küstenstaaten unterscheiden, durch die kleineren und zumeist liberaleren Staaten von [[Neuengland]] ([[Vermont]], [[Delaware]], [[Rhode Island]]) fast ausgeglichen. In der Schweiz ist dies genau nicht der Fall, weil alle diese Staaten in ländlichen und zugleich gebirgigen Regionen liegen ohne entsprechendes politisches Gegengewicht aus [[urban]]en Regionen (der [[Kanton Basel-Stadt]] ist beispielsweise nur ein [[Halbkanton]]). Dies führt in der an sich schon im gesamteuropäischen Vergleich politisch eher [[Konservativismus|konservativen]] Schweiz zu einer noch konservativeren Politik. |
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* Es gibt für sieben Millionen Einwohner sechsundzwanzig Schulsysteme – auch eines für die 15.000 Einwohner von Appenzell Innerrhoden. Jeder Kanton hat seine eigenen Schulbücher und seine Lehrerausbildung (mit einigen Ansätzen zur Koordination). Das Schuljahr, ab welchem die erste Fremdsprache unterrichtet wird, oder das Jahr, in welchem der Wechsel zur Oberstufe stattfindet, ist von Kanton zu Kanton verschieden. Schulpflichtige Kinder von Familien, die innerhalb der Schweiz mehrmals umziehen, können da leicht ein Jahr verlieren. |
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|Text=Je mehr ich über die Beschaffenheit Eueres Landes nachgedacht habe, desto stärker ergab sich für mich aus der Verschiedenheit seiner Bestandtheile die Überzeugung der Unmöglichkeit, es einer Gleichförmigkeit zu unterwerfen; alles führt Euch zum Föderalismus hin. […] Wie wolltet Ihr eine Central-Regierung bilden? […] Schon einen tüchtigen Landammann zu finden, würde Euch schwer genug fallen. […] Ich [würde] mich für unfähig halten, die Schweizer zu regieren. Wäre der erste Landammann von Zürich, so wären die Berner unzufrieden; wählt Ihr einen Berner, so schimpfen die Zürcher. Wählt Ihr einen Protestanten, so widerstreben alle Katholiken, und so wieder umgekehrt. |
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|Autor=Napoléon Bonaparte |
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|Quelle=Aus der Ansprache Bonapartes an den Ausschuss der helvetischen Consulta, 1802 |
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|Sprache=de-CH |
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|ref=}} |
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==== Restauration und Regeneration ==== |
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* Ebenso gibt es 26 Gesundheitssysteme. Siehe [[Gesundheitswesen Schweiz]] |
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Der Wiener Kongress brachte eine neue Ordnung in Europa. Die Vertreter der [[Heilige Allianz|Heiligen Allianz]] wollten aus der Schweiz einen neutralen, militärisch gestärkten [[Pufferstaat]] zwischen den Grossmächten Frankreich und [[Kaisertum Österreich|Österreich]] schaffen. Der Kongress bekräftigte die Integrität und Souveränität der 19 Schweizer Kantone. Die ehemaligen zugewandten Orte [[Kanton Wallis|Wallis]], [[Kanton Genf|Genf]] und das preussische [[Kanton Neuenburg|Fürstentum Neuenburg]] wurden als Kantone der Schweiz angegliedert, was die Zahl der Kantone auf 22 erhöhte.<ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Ladner |url=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |titel=Der Schweizer Föderalismus im Wandel |seiten=24 |format=PDF |abruf=2023-03-18}}</ref> |
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Mit dem [[Bundesvertrag]] von 1815 wurde das einheitsstaatliche Element noch weiter zurückgedrängt als schon in der Mediation. Während dieser sogenannten [[Restauration (Schweiz)|Restauration]] war die Schweiz – wie bereits während der Mediation – ein Staatenbund. Die Restauration hatte zur Folge, dass viele Kantone zu ihren alten Ordnungen zurückkehrten: Verfassungen wurden aufgehoben, die politischen Rechte der Bürger beschränkt und die Herrschaft des städtischen [[Patrizier|Patriziats]] wieder hergestellt. Ein vollständiger Rückgang zu den alten Zuständen vor der «Franzosenzeit» war jedoch nicht mehr möglich. Bereits Mitte der 1820er-Jahre erstarkten vielerorts erneut die liberalen Kräfte, und die konservativen Regierungen sahen sich zunehmender Kritik ausgesetzt.<ref name=":12" /> |
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* Zwischen den einzelnen Kantonen herrscht in vielen Bereichen ein starkes Gefälle, beispielsweise bei den Steuern. |
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Eine Verfassungs- und Föderalismusdiskussion setzte verstärkt erst wieder in der [[Regeneration (Schweiz)|Regeneration]] der 1830er-Jahre ein, wobei die [[Verfassung der Vereinigten Staaten|amerikanische Verfassung]] jetzt selbstverständlicher Gegenstand des politischen Diskurses wurde. In der Schweiz beabsichtigten besonders die [[Liberalismus|Liberalen]] einen engeren Zusammenschluss der Stände. Sie strebten im Zuge der aufkommenden [[Industrialisierung]] einen gemeinsamen Wirtschaftsraum an und verlangten deshalb, dass [[Verkehr]]swege, [[Zoll (Abgabe)|Zölle]] und [[Maßeinheit|Masseinheiten]] einheitlich geregelt werden sollten.<ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Ladner |url=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |titel=Der Schweizer Föderalismus im Wandel |seiten=27 |format=PDF |abruf=2023-03-18}}</ref> |
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* Reformen sind wegen den zahlreichen Mitsprachemöglichkeiten der Kantone schwerer durchführbar. |
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=== Geburtsstunde des Bundesstaates === |
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* Die Kantone haben extrem unterschiedliche Grössen: flächenmässig zwischen 37 und 7105 Quadratkilometern, bevölkerungsmässig zwischen 14'900 und 1'244'400 Einwohnern. Sie sind also in verschiedener Hinsicht nicht vergleichbar. |
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Mit der [[Schweizer Bundesverfassung 1848|Bundesverfassung von 1848]] vollzog die Alte Eidgenossenschaft den Schritt von einem losen Staatenbund zu einem Bundesstaat. Der Bundesverfassung ging mit dem [[Sonderbundskrieg]] ein Bürgerkrieg voraus, bei dem sich die liberalen Kantone, die eine stärkere [[Zentralismus|Zentralisierung]] anstrebten, gegen die katholisch-konservativen durchsetzten, die als Föderalisten die kantonale Souveränität verteidigten. Dennoch war die Bundesverfassung von 1848 kein Siegerdiktat, sondern ein Ausgleich zwischen zentralistischen und föderalen Bestrebungen, wobei die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Kantone gewahrt wurde. Dieser föderalistische Verfassungskompromiss ermöglichte eine Abschwächung der Spannungen, die wegen des erst kurz zurückliegenden Bürgerkrieges noch schwelten.<ref name=":13">{{Literatur |Autor=Adrian Vatter |Titel=Das politische System der Schweiz |Auflage=4. |Datum=2020 |Seiten=432 f.}}</ref> |
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{{Zitat |
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* Die historisch, teilweise aus dem [[Mittelalter]] entstammenden Kantonsgrenzen sind vielerorts veraltet und unzweckmässig. Sie entsprechen vielerorts den tatsächlichen topographischen, verkehrsmässigen, sprachlichen, administrativen, wirtschaftlichen, schulischen usw. Gegebenheiten je länger desto weniger. |
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|Text=Art. 1. Die durch gegenwärtigen Bund vereinigten Völkerschaften der zwei und zwanzig souveränen Kantone [...]. |
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Art. 2. Der Bund hat zum Zwek: Behauptung der Unabhängigkeit des Vaterlandes gegen Außen, Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innern, Schuz der Freiheit und der Rechte der Eidgenossen und Beförderung ihrer gemeinsamen Wohlfahrt. |
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Die Nachteile des (vor [[1848]] noch viel ausgeprägteren) schweizerischen Föderalismus waren auch einer der Gründe, warum es 1848 zum [[Sonderbundskrieg]] zwischen den konservativen Kantonen und dem Rest der Schweiz kam, wobei die konservativen Kantone den Sonderbundskrieg verloren. Dennoch wurde als Zugeständnis an die unterlegenen konservativen Kantone die vor dem Sonderbundskrieg sehr stark föderal ausgeprägte Struktur der Schweiz teilweise beibehalten und seither kaum mehr verändert. Die Schweiz besitzt somit als eines der wenigen Staaten in Europa eine föderale Struktur, welche teilweise jahrhundertealt ist, wenig verändert wurde und immer weniger dem Umfeld und den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst ist. |
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Art. 3. Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist, und üben als solche alle Rechte aus, welche nicht der Bundesgewalt übertragen sind. |
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Insbesondere angesichts der anhaltenden [[wirtschaftswachstum|Wachstumsprobleme]] der Schweiz, den weltweit immer grossräumiger werdenden politischen und insbesondere wirtschaftlichen Stukturen (beispielsweise der [[wirtschaftliche Integration|Integrationsprozess]] in [[Europa]], die [[Globalisierung]], die Reduktion von [[Zoll (Abgabe)|Zöllen]] und die [[Liberalisierung|wirtschaftliche Liberalisierung]] weltweit) wächst auch in der Schweiz der Druck nach einer Reform der [[anachronistisch]]en föderalen Struktur der Schweiz. |
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|Quelle=Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 12. September 1848 |
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|Sprache=de-CH |
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Mit der Annahme der Bundesverfassung wurden Kompetenzen von den Kantonen an den Bund übertragen, zum Beispiel in der [[Aussenpolitik der Schweiz|Aussenpolitik]], beim [[Zoll (Abgabe)|Zoll]]-, [[Post]]- und [[Währung|Münzwesen]], bei den Massen und Gewichten (auf der Basis des [[Alte Masse und Gewichte (Schweiz)|Konkordats von 1835]]) sowie beim [[Schweizer Armee|Militär]]. Ebenso wurden die [[Zoll (Abgabe)|Binnenzölle]], die zuvor zwischen den Kantonen existiert hatten, abgeschafft und die Aussenzölle vereinheitlicht.<ref name=":13" /> Die Unterschiede gegenüber der Zeit des Staatenbundes waren indes gering; die Schweiz war «extrem dezentralisiert».<ref>{{Literatur |Autor=Paolo Dardanelli |Hrsg=John Loughlin, John Kincaid, Wilfried Swenden |Titel=Routledge handbook of regionalism and federalism |Ort=London |Datum=2013 |ISBN=978-1-136-72762-7 |Seiten=251 |Sprache=en}}</ref> Die Kantone blieben quasi souveräne Körperschaften. Wegen des [[Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung|Prinzips der Einzelermächtigung]] mussten alle Bundeskompetenzen einzeln in der Verfassung stehen. Und selbst in jenen Bereichen, deren Regelung dem Bund oblag, war er nicht eigenständig. Das ist zum Teil auf die beschränkten Mittel zurückzuführen, denn dem Bund fehlte es an Personal und Strukturen, um die Aufgaben zu erfüllen. Deswegen gehen einige Historiker – namentlich [[Daniel Speich Chassé]] – so weit zu sagen, die Bundesverfassung von 1848 stelle gar nicht die oft behauptete Zäsur dar.<ref>Vatter: ''Swiss federalism: the transformation of a federal model''. 2018, S. 169 f.</ref><ref>{{Literatur |Autor=Thomas M. Studer |Titel=Die Schweizer Bundesfinanzen. Die Finanzgeschichte des Bundes von der Bundesstaatsgründung bis zur Gegenwart |Verlag=Universität Luzern |Ort=Luzern |Datum=2021 |Kommentar=Dissertation}}</ref> |
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Viele Liberale erachteten die Bundesverfassung von 1848 als unzureichend. Sie monierten die übertriebene Kompromisshaftigkeit und die zu schwache Zentralmacht. Einige liberale Reformbemühungen, die wegen der Mehrheitsfindung 1848 zurückgestellt worden waren, flammten in den 1860er-Jahren wieder auf.<ref>{{Literatur |Autor=Alfred Kölz |Titel=Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte. Ihre Grundlinien in Bund und Kantonen seit 1848 |Band=2 |Verlag=Stämpfli |Ort=Bern |Datum=2004 |ISBN=3-7272-9455-8 |Seiten=497}}</ref> Im Jahr 1866 strebte die Bundesversammlung die erste Verfassungsrevision an, um sowohl weitere Individualrechte zu garantieren als auch neue Bundeskompetenzen einzuführen. Acht der neun Vorlagen scheiterten allerdings entweder am [[Volksmehr und Ständemehr|Volks- oder am Ständemehr]]; eine Ausnahme bildete die Niederlassungsfreiheit der [[Juden]] (siehe [[Volksabstimmungen in der Schweiz 1866]]). Die verbreitete Ablehnung lässt sich darauf zurückführen, dass es noch kein [[fakultatives Referendum]] gab. Viele Bürger, vor allem in der Westschweiz, befürchteten deswegen, dass zu viel der Gesetzgebung überlassen werde, auf die man keinen Einfluss hatte.<ref>{{Literatur |Autor=Alfred Kölz |Titel=Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte. Ihre Grundlinien in Bund und Kantonen seit 1848 |Band=2 |Verlag=Stämpfli |Ort=Bern |Datum=2004 |ISBN=3-7272-9455-8 |Seiten=507 f.}}</ref> |
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''Siehe auch:'' [[Kanton (Schweiz)|Schweizer Kantone]], [[Politisches System der Schweiz]], [[Geschichte der Schweiz]], [[Föderalismus]], [[Schweiz]] |
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=== Totalrevision von 1874 bis zum Ersten Weltkrieg === |
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Eine substantielle Zentralisierung brachte erst die [[Totalrevision der Schweizer Bundesverfassung 1874|Verfassungsrevision von 1874]]. Ein umfassender, weitreichender Vorschlag zu einer neuen Bundesverfassung kam schon [[Totalrevision der Schweizer Bundesverfassung 1872|1872]] zur Abstimmung, er wurde jedoch abgelehnt. Das Scheitern vieler liberal-radikaler Anliegen sowohl im Jahr 1866 als auch im Jahr 1872 führte dazu, dass ein unverändert grosser Reformwille bestand, sodass die Bundesversammlung noch im Dezember 1872 den Bundesrat beauftragte, eine [[Botschaft des Bundesrates|Botschaft]] für eine Totalrevision der Bundesverfassung auszuarbeiten.<ref>{{Literatur |Autor=Alfred Kölz |Titel=Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte. Ihre Grundlinien in Bund und Kantonen seit 1848 |Band=2 |Verlag=Stämpfli |Ort=Bern |Datum=2004 |ISBN=3-7272-9455-8 |Seiten=599}}</ref> |
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Anders als 1872 hatten die zentralistischen Kräfte das Momentum auf ihrer Seite. Dass das [[Erstes Vatikanisches Konzil|Erste Vatikanische Konzil]] 1870 die Lehre von der [[Päpstliche Unfehlbarkeit|Unfehlbarkeit des Papstes]] zum Dogma erhob, führte zu immer schärferen Auseinandersetzungen zwischen dem [[Staat]] und der [[Römisch-katholische Kirche|katholischen Kirche]], dem [[Kulturkampf in der Schweiz|Kulturkampf]]. Deshalb wechselten einige Kantone, die sich 1872 noch gegen die Vorlage ausgesprochen hatten, 1874 die Seite. Das Volk hatte zwei Jahre zuvor die Vorlage beinahe gutgeheissen (49,5 % Ja-Stimmen). Es galt, die konservativen Kantone zu überzeugen – was den Liberalen dann auch gelang. Am 19. April 1874 stimmten 63,2 Prozent der Stimmberechtigten und 15 Stände der neuen Verfassung zu. Unter anderem wurde das Heer in die Hände des Bundes gelegt, denn der [[Deutsch-Französischer Krieg|Deutsch-Französische Krieg]] (1870–1871) hatte den Schweizern aufgezeigt, dass ihre zusammengewürfelte Streitmacht nicht fähig war, sich eines Aggressors zu erwehren.<ref name=":21">{{Literatur |Autor=Dieter Freiburghaus, Felix Buchli |Titel=Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964 |Sammelwerk=Swiss Political Science Review |Band=9 |Nummer=1 |Datum=2003-04 |DOI=10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x |Seiten=51}}</ref> Überdies wurden das fakultative Gesetzesreferendum und die Grundlage für die zunehmende Rechtsvereinheitlichung geschaffen. Erst dieser Übergang von der [[Repräsentative Demokratie|repräsentativen]] zur [[Demokratie in der Schweiz|direkten Demokratie]] nach 1874 ermöglichte die Aussöhnung mit dem konservativen Lager, das im Sonderbundskrieg unterlegen war und deshalb den Bundesstaat anfänglich abgelehnt hatte. Seither gilt die Bundesstaatlichkeit auch in den Augen der Konservativen als Garantin des Föderalismus.<ref>{{HLS|46249|Föderalismus|Autor=Rainer J. Schweizer, Ulrich Zelger|Datum=2009-11-05|Abruf=2023-03-18}} Ziffer 4.</ref> |
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Zwischen 1874 und 1891 wurden die Bundeskompetenzen sukzessive ausgebaut. In dieser Zeit nutzten vor allem die [[Katholisch-Konservative Partei der Schweiz|Katholisch-Konservativen]] aber auch das Veto-Potential des Referendums in den sogenannten Referendumsstürmen: Zwei Drittel der [[Fakultatives Referendum|fakultativen Referenden]] waren erfolgreich (die Vorlage wurde abgelehnt) – und zwar überwiegend jene gegen Vorhaben, die zu einer stärkeren Zentralisierung geführt hätten.<ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Ladner |url=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |titel=Der Schweizer Föderalismus im Wandel |seiten=30 f. |format=PDF |abruf=2023-03-18}}</ref> Deshalb musste die von den Radikalen und den Liberalen beherrschte Bundesversammlung die obstruktiven Katholisch-Konservativen einbinden, indem sie 1891 ihren führenden Kopf [[Josef Zemp]] in den Bundesrat wählte. Dadurch beruhigte sich die Situation. Danach wurde ein grosser Teil der Gesetzesvorhaben durchgewunken, und die Föderalisten vermochten der zunehmenden Zentralisierung, [[Geschichte der Schweizer Eisenbahn|zum Beispiel der Eisenbahn]], nicht Einhalt zu gebieten. Daher konsolidierte sich der Schweizer Bundesstaat in den darauffolgenden Jahren bis zum Ersten Weltkrieg.<ref>{{Literatur |Autor=Alfred Kölz |Titel=Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte. Ihre Grundlinien in Bund und Kantonen seit 1848 |Band=2 |Datum=2004 |ISBN=3-7272-9455-8 |Seiten=651}}</ref> |
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In dieser von [[Prosperität]] und Fortschrittsglauben geprägten Zeit integrierte sich die Schweiz in die Weltwirtschaft. Aufgrund der Industrialisierung liessen sich immer mehr Aufgaben nicht innerhalb der Kantonsgrenzen erfüllen. Daher fielen neue Aufgaben in die Zuständigkeit des Bundes.<ref>{{Literatur |Autor=Dieter Freiburghaus, Felix Buchli |Titel=Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964 |Sammelwerk=Swiss Political Science Review |Band=9 |Nummer=1 |Datum=2003-04 |Seiten=36 |DOI=10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x}}</ref> Er erhielt das Notenbankmonopol, die Kompetenz zur Rechtsvereinheitlichung im Zivil- und im Strafrecht sowie die Zuständigkeit bei der [[Krankenversicherung in der Schweiz|Krankenversicherung]].<ref name=":14">{{Literatur |Autor=Alfred Kölz |Titel=Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte. Ihre Grundlinien in Bund und Kantonen seit 1848 |Band=2 |Verlag=Stämpfli |Ort=Bern |Datum=2004 |ISBN=3-7272-9455-8 |Seiten=649–659}}</ref> Diese Vorhaben konnten realisiert werden, da sich neu ein System der Konkordanzdemokratie in der Schweiz entwickelte, dank dem sich die Konservativen allmählich in den Bundesstaat integrierten. Das [[Mehrheitswahl|Majorzwahlsystem]] für den Nationalrat garantierte den Freisinnigen jedoch noch immer eine Übermacht, weshalb die anderen Gruppen weiterhin mit Initiativen und Referenden ihre Interessen verfochten.<ref>{{Literatur |Autor=Dieter Freiburghaus, Felix Buchli |Titel=Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964 |Sammelwerk=Swiss Political Science Review |Band=9 |Nummer=1 |Datum=2003-04 |Seiten=36 |DOI=10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x}}</ref> |
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=== Kriege und Krisenzeit (1914–1945) === |
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Die Zeit zwischen dem Ausbruch des Ersten und dem Ende des Zweiten Weltkriegs war von Kriegen, Wirtschafts- und Gesellschaftskrisen geprägt. Wenngleich die Schweiz nicht militärisch in die beiden [[Weltkrieg]]e involviert war, [[Schweiz im Zweiten Weltkrieg|kam sie nicht unbeschadet davon]]. Betrachtet man den Föderalismus im Speziellen, ergeben sich zwei Teilphasen, die je 15 Jahre umfassen. In der Zeit von 1914 bis 1930 spielte der Föderalismus nur eine untergeordnete Rolle und fand im gesellschaftlichen Diskurs keine grosse Beachtung; der Fokus lag auf anderen Themen. Es gab Konflikte zwischen der West- und der Deutschschweiz, die in vielen Angelegenheiten divergierende Ansichten hatten. Auch führte die 1918 angenommene Initiative für eine [[Verhältniswahl|Proporzwahl]] des [[Nationalrat (Schweiz)|Nationalrates]] zu einer Verschiebung der politischen Machtverhältnisse, nachdem bis dahin die Freisinnigen dominiert hatten. Der Diskurs um den Föderalismus hatte da keinen Platz.<ref>{{Literatur |Autor=Dieter Freiburghaus, Felix Buchli |Titel=Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964 |Sammelwerk=Swiss Political Science Review |Band=9 |Nummer=1 |Datum=2003-04 |Seiten=40 f. |DOI=10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x}}</ref> |
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Die [[Weltwirtschaftskrise]] ergriff zwischen 1931 und 1936 auch die Schweiz. Nach der erstmaligen Abwertung des [[Schweizer Franken]]s und aufgrund der Aufrüstung vor allem im [[Drittes Reich|Dritten Reich]] kam es dann zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation, was zur Entspannung zwischen Arbeit und Kapital beitrug. Auf die Bedrohung durch den Aufstieg des [[Faschismus]] in [[Italien]] und des [[Nationalsozialismus]] in [[Deutschland]] antwortete die Schweiz mit einem breiten Zusammenschluss in der Mitte. Schon 1929 war der erste Vertreter der [[Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei]] in den Bundesrat aufgenommen worden. Die [[Sozialdemokratische Partei der Schweiz|Sozialdemokraten]] brachten sich nach der Trennung von den [[Kommunistische Partei der Schweiz|Kommunisten]] 1920/21<ref>{{Internetquelle |autor=Bernard Degen |url=https://hls-dhs-dss.ch/articles/017393/2022-01-24/ |titel=Sozialdemokratische Partei (SP) |werk=Historisches Lexikon der Schweiz |datum=2022-01-24 |abruf=2023-07-23}}</ref> ebenfalls in den bürgerlichen Staat ein.<ref>{{Internetquelle |autor=Pietro Morandi |url=https://hls-dhs-dss.ch/articles/010095/2016-04-13/ |titel=Konkordanzdemokratie |werk=Historisches Lexikon der Schweiz |datum=2016-04-13 |abruf=2023-07-23}}</ref> Das bereitete die Wahl des ersten sozialdemokratischen Bundesrates im Jahr 1943 vor. Aufgrund dieses nationalen Zusammenschlusses hatte der Föderalismus nie mehr die Bedeutung wie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zuweilen wurde er noch von verschiedenen Seiten instrumentalisiert; eine treibende Kraft war er aber nicht mehr.<ref>{{Literatur |Autor=Dieter Freiburghaus, Felix Buchli |Titel=Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964 |Sammelwerk=Swiss Political Science Review |Band=9 |Nummer=1 |Datum=2003-04 |Seiten=42–44 |DOI=10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x}}</ref> |
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=== Nachkriegszeit und Wirtschaftsboom === |
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Nach dem Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] sah sich die Schweiz zwar unversehrt, jedoch international weitgehend isoliert. Die [[Alliierte|alliierten]] Mächte hatten kein Verständnis für die [[Neutralität der Schweiz|Schweizer Neutralität]]. Der [[Kalter Krieg|Aufstieg des Kommunismus]] beendete jedoch diese unbequeme Situation. National war der Bund während der Krisen- und Kriegszeit zu einem zentralen Faktor der gesellschaftlichen Integration geworden. Auch die Bürgerlichen akzeptierten deshalb seine lenkenden Eingriffe in allen Bereichen.<ref>{{Literatur |Autor=Dieter Freiburghaus, Felix Buchli |Titel=Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964 |Sammelwerk=Swiss Political Science Review |Band=9 |Nummer=1 |Datum=2003-04 |DOI=10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x |Seiten=45}}</ref> |
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Als Folge der liberalen Wirtschaftspolitik der [[Vereinigte Staaten|USA]] kam es zu einem noch nie dagewesenen Wirtschaftswachstum ''([[Nachkriegsboom]]),'' von dem die Schweiz ausgesprochen profitierte. Diese Entwicklung führte aber auch zu massiven gesellschaftlichen Veränderungen. Es folgte eine Phase der Bevölkerungszunahme, [[Urbanisierung]], [[Räumliche Mobilität|Mobilität]] und [[Pluralismus (Politik)|Pluralisierung]]. Diese Modernisierungsprobleme forderten Lösungen durch den Staat, und zwar, weil sie sich kaum an die Kantonsgrenzen hielten, durch den Bund.<ref name=":152">{{Literatur |Autor=Dieter Freiburghaus, Felix Buchli |Titel=Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964 |Sammelwerk=Swiss Political Science Review |Band=9 |Nummer=1 |Datum=2003-04 |DOI=10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x |Seiten=46–48}}</ref> Waren bis dahin vor allem die ordnenden Funktionen des Bundes entscheidend (Schaffung von Bundesrecht und eines gemeinsamen Wirtschaftsraums), so spielten in der Nachkriegszeit die gestaltenden Bundesaufgaben eine immer grössere Rolle.<ref>Vatter: ''Das politische System der Schweiz.'' 2020, S. 435.</ref> |
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Die meisten dieser Aufgaben konnten gar nicht von den Kantonen übernommen werden, da sie einer flächendeckenden Regelung bedurften. Das betraf zum Beispiel den stetigen Zustrom an ausländischen Arbeitern, die [[Kernenergie in der Schweiz|Atomenergie]], den Umweltschutz oder die Grundlagen der Raumplanung. Deshalb wurde in raschem Rhythmus die Verfassung revidiert, um dem Bund die nötigen Kompetenzen zu verschaffen. Wichtig waren so die Wirtschaftsartikel von 1947, die dem Bund viele wirtschaftspolitische Kompetenzen übertrugen.<ref name=":152" /> |
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Anstatt neue Bundesorgane zu schaffen – was kaum mit der schweizerischen Tradition vereinbar gewesen wäre –, betraute der Bund die Kantone immer mehr mit der Umsetzung der Gesetz- und Verfassungsgebung (siehe ''Vollzugsföderalismus''),<ref name=":152" /> denn im Unterschied zu anderen Föderationen (z. B. den USA) verfügt er über keine Vollzugsbeamten. Die Kantone wurden zwar finanziell unterstützt, sie mussten aber für Kosten aufkommen, derer sie sich gar nicht entziehen konnten; so trugen sie die Hauptlast der neuen Aufgaben. Diese zahlreichen am Einzelfall orientierten Verfassungsrevisionen führten zum kooperativen Föderalismus, aber eben auch zu einer Politikverflechtung mit dem Problem fehlender Verantwortlichkeit.<ref>Vatter: ''Das politische System der Schweiz.'' 2020, S. 436</ref> |
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=== Neugestaltung des Finanzausgleiches und der Aufgabenteilung (NFA) === |
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Schon wenige Jahre nach Inkrafttreten des [[Finanzausgleich (Schweiz)|Finanzausgleichs]] von 1958/59 wurden in Anbetracht der wachsenden Aufgabenverflechtungen Rufe nach einer Neugestaltung der Aufgabenverteilung laut. Über die Jahre hatte sich ein verwobenes System von Zuschlägen und Subventionen entwickelt. Neben den Finanztransfers, die im Rahmen des Finanzausgleichs aus Steueranteilen anfielen, richtete der Bund in zahlreichen Politikbereichen Zuschüsse an die Kantone aus. So wurde dem Bund ''de facto'' immer mehr Verantwortung – auch in an sich kantonalen Zuständigkeitsbereichen – übertragen. Hinzu kam, dass auch ''[[De jure / de facto|de iure]]'' (durch Verfassungsrevisionen) eine Aufgabenverlagerung hin zum Bund stattgefunden hatte. In zahlreichen Lebensbereichen wurden neue Bundeskompetenzen geschaffen. Die wachsende Unzufriedenheit angesichts der mangelhaften Aufteilung der Aufgaben und ihrer Finanzierung mündete im Jahr 2001 in die ''Neugestaltung des Finanz- und Lastenausgleichs'', kurz NFA.<ref>{{Literatur |Autor=Christoph A. Schaltegger, Marc M. Winistörfer |Titel=Zur Begrenzung der schleichenden Zentralisierung im Schweizerischen Bundesstaat / On government centralization and its limitation in Switzerland |Sammelwerk=ORDO |Band=65 |Nummer=1 |Datum=2014-01-01 |ISSN=2366-0481 |Seiten=194–196 |DOI=10.1515/ordo-2014-0111}}</ref> |
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Im [[Volksabstimmungen in der Schweiz 2004#Abstimmungen am 28. November 2004|Jahr 2004 nahmen Volk und Stände die Vorlage an]]. Es handelte sich um die bisher weitreichendste Föderalismus-Reform seit der Gründung des Bundesstaates. Die NFA trat 2008 in Kraft und sah im Wesentlichen vier Hauptmassnahmen vor: Es wurde ein Finanzausgleich geschaffen, der jedem Kanton ein Mindestmass an finanziellen Mitteln (86,5 % des nationalen Durchschnitts) gewähren soll, sowie ein Lastenausgleich für Kantone, die Sonderlasten zu tragen haben. Zudem wurde eine Entflechtung der Aufgaben vorgenommen. Sechs der 31 Gemeinschaftsaufgaben, die zuvor existiert hatten, waren fortan Sache des Bundes, 15 wurden in die Hände der Kantone gelegt. Dennoch gibt es Verbundaufgaben (siehe ''Gemeinsame Aufgabenerfüllung durch Bund und Kantone''), beispielsweise bei der [[Krankenversicherung in der Schweiz|Krankenversicherung]]. Ausserdem kann der Bund die Kantone verpflichten, gewisse Aufgabenbereiche mithilfe von interkantonalen Konkordaten zu regeln (siehe {{Art.|48a|BV|ch}} BV). Das geschieht auf Antrag der Kantone und soll die horizontale, d. h. interkantonale Zusammenarbeit verstärken.<ref>Vatter: ''Das politische System der Schweiz''. 2020, S. 437 f.</ref><ref>{{Literatur |Autor=Tobias Arnold, Alexander Arens, Sean Mueller, Adrian Vatter |Titel=Schweizer Föderalismus im Wandel. Die versteckten politischen Effekte der NFA |Sammelwerk=Jahrbuch des Föderalismus 2019 |Auflage=1. |Verlag=Nomos |Ort=Baden-Baden |Datum=2019 |ISBN=978-3-8487-6007-7 |Seiten=175–186 |DOI=10.5771/9783748901174-175}}</ref> Diese neue Verfassungsnorm wird jedoch von Teilen der Staatsrechtslehre kritisiert.<ref>Biaggini: ''BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft''. 2017, S. 529</ref><ref>{{Literatur |Autor=Rainer J. Schweizer |Hrsg=Bernhard Ehrenzeller, Patricia Egli, Peter Hettich, Peter Hongler, Benjamin Schindler, Stefan G. Schmid, Rainer J. Schweizer |Titel=Die schweizerische Bundesverfassung. St. Galler Kommentar |Band=1 |Auflage=4. |Verlag=Dike, Schulthess |Ort=Zürich/St. Gallen |Datum=2023 |ISBN=978-3-7255-7994-5 |Seiten=1730}}</ref> |
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=== COVID-19-Pandemie === |
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In der [[COVID-19-Pandemie in der Schweiz|COVID-19-Pandemie]] wurde der schweizerische Föderalismus einer grundlegenden Prüfung unterzogen. Die Pandemie verdichtete die horizontale und die vertikale innerstaatliche Zusammenarbeit (siehe den Hauptartikel ''[[Kooperativer Föderalismus]]''). Insgesamt erwies sich die schon bestehende intensive föderale Zusammenarbeit als Trumpf bei der Pandemiebekämpfung.<ref>{{Literatur |Autor=Rahel Freiburghaus, Sean Mueller, Adrian Vatter |Titel=Switzerland: Overnight centralization in one of the world’s most federal countries |Sammelwerk=Federalism and the Response to COVID-19. A Comparative Analysis |Verlag=Routledge |Datum=2022 |ISBN=978-1-03-207790-1 |Seiten=222 f. |Sprache=en |DOI=10.4324/9781003251217-22}}</ref> |
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Zwar obliegt den Kantonen grundsätzlich die Regelung des Gesundheitswesens. Für den Fall, dass eine Infektionskrankheit bundesweit ausbrechen sollte, sieht das [[Epidemiengesetz]] aber gemäss einer dreistufigen Gefahrenlage verschiedene Massnahmen vor. Während der Bund in der nicht-epidemischen Lage den Kantonen keine Massnahmen vorschreiben kann, ist der Bundesrat befugt, in der «besonderen Lage» nach Konsultation der Kantone Massnahmen zu verhängen, um die weitere Ausbreitung zu verhindern.<ref>{{Literatur |Autor=Johanna Schnabel, Yvonne Hegele |Titel=Explaining Intergovernmental Coordination during the COVID-19 Pandemic. Responses in Australia, Canada, Germany, and Switzerland |Sammelwerk=Publius. The Journal of Federalism |Band=51 |Nummer=4 |Datum=2021-09-12 |ISSN=0048-5950 |Seiten=553 |Sprache=en |DOI=10.1093/publius/pjab011 |PMC=8344706}}</ref> Bevor die Landesregierung über einschneidende Massnahmen entschied, wurden in dieser Phase die [[Konferenz der Kantonsregierungen]] und die [[Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren|Gesundheitsdirektorenkonferenz]] konsultiert; beiden Organen steht ein permanenter Sitz im Koordinationsorgan Epidemiengesetz zu ({{Art.|82|EpV|ch}} lit. g. EpV). Während der «ausserordentlichen Lage» verzichtete der Bund aber ganz auf die Konsultation der Kantonen.<ref>{{Literatur |Autor=Johanna Schnabel, Yvonne Hegele |Titel=Explaining Intergovernmental Coordination during the COVID-19 Pandemic. Responses in Australia, Canada, Germany, and Switzerland |Sammelwerk=Publius. The Journal of Federalism |Band=51 |Nummer=4 |Datum=2021-09-12 |ISSN=0048-5950 |Seiten=553–555 |Sprache=en |DOI=10.1093/publius/pjab011 |PMC=8344706}}</ref> Es gab jedoch intensiven direkten Kontakt zwischen einzelnen Kantonen und dem Bund. So ersuchte der Kanton Tessin den Bundesrat um Grenzschliessung. Dieser kantonale [[Lobbyismus]] nahm solche Ausmasse an, dass zum Teil nicht mehr ersichtlich war, ob eine Massnahme von ''den'' Kantonen oder nur von einigen gefordert wurde. |
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Auf die Lehren aus der COVID-19-Pandemie folgten eine Reihe von Evaluationen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. Diese regten die betreffenden staatlichen Stellen an, punktuell die Kooperation anzupassen, sie effizienter zu machen und sie, wo nötig, zu intensivieren.<ref>{{Literatur |Titel=Föderalismus im Krisentest: Die Lehren aus der Covid-19-Krise ziehen |TitelErg=Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 20.4522 Cottier vom 16. Dezember 2020 |Sammelwerk=Der Bundesrat |Ort=Bern |Datum=2023-12-15 |Seiten=6 f. |Online=https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/85385.pdf}}</ref> |
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== Bund == |
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[[Datei:Politisches System der Schweiz (Grafik).png|mini|364x364px|alt=Eine graphische Darstellung der politischen Prozesse und Verfahren sowie das Verhältnis zwischen den Staatsorganen in der Schweiz|Politisches System der Schweiz]] |
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Ein Bundesstaat zeichnet sich durch eine föderalistische Gliederung aus; er ist ein Staat, der aus Gliedstaaten, in der Schweiz aus den [[Kanton (Schweiz)|Kantonen]], zusammengesetzt ist. Die [[Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft|Bundesverfassung]] bezeichnet die Eidgenossenschaft indes nicht explizit als Bundesstaat (anders etwa {{Art.|20|GG|juris}} Abs. 1 [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetz]]). Dennoch gehen dessen Elemente klar aus ihr hervor. Die Bundesverfassung widmet dem Verhältnis zwischen Bund und Kantonen ein eigenes Kapitel (''Verhältnis von Bund und Kantonen'', {{Art.|42|BV|ch|text=Art. 42–53}} BV), und sie trägt dem dreistufigen Staatsaufbau Rechnung, indem sie die [[Gemeinde (Schweiz)|Gemeinden]] ausdrücklich erwähnt ({{Art.|50|BV|ch}} BV).<ref name=":8" /> |
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Den schweizerischen Bundesstaat machen im Wesentlichen zwei Elemente aus. Einerseits teilt die Bundesverfassung die Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen auf. Andererseits wirken die Kantone an der Willensbildung des Bundes mit, vor allem durch ihr Mitspracherecht bei der Verfassungsgebung. Da die Bundeskompetenzen in der Verfassung [[Kodifikation|kodifiziert]] werden, bedeutet das, dass die Kantone jeder potentiellen Erweiterung dieser Kompetenzen zustimmen müssen. Das stellt einen Abwehrmechanismus gegen eine [[Usurpation]] der Staatsgewalt durch den Bund dar.<ref name=":8">Häfelin, Haller et al.: ''Schweizerisches Bundesstaatsrecht''. 2020, S. 317.</ref>[[Datei:Kuppel Bundeshaus.jpg|mini|293x293px|Kuppel des Bundeshauses mit dem Motto {{lang|la|''[[Unus pro omnibus, omnes pro uno|UNUS PRO OMNIBUS, OMNES PRO UNO]]''|de=Einer für alle, alle für einen}}.]] |
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Staatsrechtlich kommt dem Bund eine Doppelrolle zu. Einerseits erfüllt er jene Aufgaben, die ihm die Verfassung zuweist ({{Art.|42|BV|ch}} Abs. 1 BV), wobei er primär seine eigenen Interessen wird wahren wollen. Aus dieser Perspektive erscheint er als Vertreter des zentralstaatlichen Elements. Andererseits ist er von Verfassungs wegen verpflichtet ({{Art.|2|BV|ch}} Abs. 2 BV), für die Wohlfahrt der Bevölkerung und den inneren Zusammenhalt des Landes zu sorgen. Folglich muss er, soweit erforderlich, bereit sein, die eigenen Belange zurückzustellen. Daher ist er ebenso Wahrer des gesamtstaatlichen Elements.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 242.</ref> Den daraus entstehenden Interessenskonflikten begegnet die Verfassung, indem Kompetenzkonflikte zwischen Bund und Kantonen mit [[Klage (Schweizer Bundesgericht)|Klage]] vor das [[Bundesgericht (Schweiz)|Bundesgericht]] getragen können werden. Dem Bund ist auferlegt, seine [[Kompetenz-Kompetenz|Kompetenzhoheit]] nicht zu übernutzen; und er muss die Kantone in der [[Aussenpolitik der Schweiz|Aussenpolitik]] berücksichtigen.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 243 f.</ref> |
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== Kantone == |
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=== Autonomie === |
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==== Organisations-, Finanz- und Aufgabenautonomie ==== |
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Die Organisationsautonomie räumt den Kantonen den Freiraum ein, ihre rechtliche Gestalt selbst zu bestimmen. Sie umfasst die Kompetenz der Kantone, ihr Territorium selbst zu gliedern (z. B. in [[Gemeinde (Schweiz)|Gemeinden]] und [[Bezirk (Schweiz)|Bezirke]]) und ihr politisches System eigenständig einzurichten, indem sie die Staatsorgane – [[Kantonsparlament|Parlament]], [[Kantonsregierung|Regierung]] und [[Politisches System der Schweiz#Judikative|Gerichte]] – konstituieren sowie deren Organisation und Zuständigkeit regeln. Die Kantone umschreiben ebenso die Verfahren dieser Staatsorgane und definieren die politischen Rechte der Bürger in kantonalen Angelegenheiten.<ref name=":18">Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 247.</ref> Ausserdem kann ein Kanton entscheiden, niedergelassenen [[Ausländerstimm- und -wahlrecht#Situation in der Schweiz|Ausländern das Stimmrecht]] zu gewähren, wie zum Beispiel [[Kanton Neuenburg|Neuenburg]] oder [[Kanton Jura|Jura]].<ref>{{Literatur |Autor=Rainer J. Schweizer |Titel=Entstehung und Entwicklung des schweizerischen Föderalismus |Sammelwerk=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Datum=2020 |Seiten=554}}</ref> Wichtigste Konsequenz der Organisationsautonomie ist das Recht, [[Kantonsverfassung|eigene Verfassungen]] zu erlassen.<ref>Häfelin, Haller et al.: ''Schweizerisches Bundesstaatsrecht.'' 2020, S. 321.</ref> Die Organisationsautonomie ist jedoch nicht absolut. Sie darf beschnitten werden, wenn es die richtige und einheitliche Anwendung des Bundesrechts gebietet.<ref>Biaggini: ''BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2017, S. 515</ref> Für die Bestimmung des Wahlverfahrens und die Aufteilung der [[Wahlkreis]]e unterliegen die Kantone etwa [[Bundesgericht (Schweiz)|bundesgerichtlichen]]<ref>[http://relevancy.bger.ch/php/clir/http/index.php?highlight_docid=atf%3A%2F%2F140-I-394%3Afr&lang=fr&type=show_document BGE 140 I 394] E. 8–11.</ref> Auflagen.<ref>{{Literatur |Autor=Giovanni Biaggini |Titel=Majorz und majorzgeprägte Mischsysteme: Parlamentswahlverfahren mit Verfalldatum? |Sammelwerk=Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht |Nummer=8 |Verlag=Schulthess |Datum=2016 |Seiten=415}}</ref> |
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Das Dezentrale des Schweizer Föderalismus geht vor allem auf die Finanz- bzw. Steuerautonomie der Kantone zurück, die eigene Steuern erheben können. Die finanzpolitische Autonomie «bildet das finanzielle Rückgrat der Eigenständigkeit der Kantone». Die Verwaltungen der Kantone und der Gemeinden kontrollieren zwei Drittel der gesamten Staatseinnahmen.<ref>{{Literatur |Autor=Denise Brühl-Moser|Titel=Schweizerischer Föderalismus im internationalen Vergleich |Sammelwerk=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Datum=2020 |Seiten=589}}</ref> Der Bund kann sich hingegen seiner Ressourcen nie sicher sein; die [[direkte Bundessteuer]] wird immer auf Zeit gewährt. Zwar wird der Anspruch des Bundes hierauf wohl niemals angezweifelt werden, trotzdem zeigt diese Regelung symbolisch den Stellenwert der Zentralmacht in der Schweiz: Sie ist geliehene Macht, woran der Bund jederzeit erinnert wird.<ref>{{Literatur |Autor=Dietmar Braun |Titel=Dezentraler und unitarischer Föderalismus. Die Schweiz und Deutschland im Vergleich |Sammelwerk=Swiss Political Science Review |Band=9 |Nummer=1 |Datum=2003-04 |Seiten=62 |Online=https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/j.1662-6370.2003.tb00400.x |DOI=10.1002/j.1662-6370.2003.tb00400.x}}</ref> Zwar ist die finanzpolitische Autonomie der Kantone beachtlich, sie ist jedoch aufgrund vielfältiger Restriktionen eingeschränkt. Dazu gehören die Lasten, die die Kantone wegen der Umsetzung des Bundesrechts tragen müssen, und bürokratische Strukturen in den Kantonen. Hier setzt der [[Finanzausgleich (Schweiz)|Finanz- und Lastenausgleich]] an; dessen Ziel ist es, diese Restriktionen etwas zu mildern.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 247 f.</ref> |
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Die weitreichende Autonomie der Kantone wird oft als zentrales Merkmal des Schweizer Föderalismus angesehen. Das trifft jedoch nur auf die fiskalische Dezentralisierung zu: Nimmt man sie als Massstab, ist die Schweiz hinter [[Kanada]] jener Bundesstaat, der über die dezentralsten Einnahmen- und Ausgabenquellen verfügt.<ref>Vatter: ''Das politische System der Schweiz.'' 2020, S. 469</ref> Beurteilt man den Dezentralisierungsgrad jedoch anhand der Autonomie, eigenes Recht zu setzen, bewegt sich die Schweiz im internationalen Durchschnitt, verglichen mit anderen Bundesstaaten.<ref name=":3" /> |
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Die Aufgabenautonomie garantiert eine substanzielle Unabhängigkeit der Kantone bei der Bestimmung, Gestaltung und Ausführung ihrer Aufgaben (siehe Abschnitt ''[[Föderalismus in der Schweiz#Schleichende Zentralisierung|Schleichende Zentralisierung]]'' und ''[[Föderalismus in der Schweiz#Kompetenzaufteilung|Kompetenzaufteilung]]'').<ref name=":18" /> |
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==== Umsetzung des Bundesrechts durch die Kantone (Vollzugsföderalismus) ==== |
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Im Bundesstaat existieren im Wesentlichen zwei Varianten der Umsetzung von Bundesrecht: Der Bund kann seine Erlasse entweder durch eigene Organe – sprich: die Bundesverwaltung – umsetzen lassen (so in den [[Vereinigte Staaten|USA]]) oder die Umsetzung den Gliedstaaten zuweisen.<ref name=":9">Häfelin, Haller et al.: ''Schweizerisches Bundesstaatsrecht.'' 2020, S. 365</ref> Diese Variante liegt der schweizerischen Regelung zugrunde. Damit wird das für die Schweiz wichtige Prinzip begründet, dass staatliche Leistungen durch die Kantone und die Gemeinden und nicht durch dezentrale Bundesstellen erbracht werden.<ref>Tiefenthal: ''«Vielfalt in der Einheit» am Ende?''. 2021, S. 24</ref> |
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Die Umsetzung des Bundesrechts erfolgt durch Rechtsetzung: Die Kantone erlassen [[Gesetz]]e und [[Verordnung (Schweiz)|Verordnungen]], die die Bestimmungen des Bundesrechts konkretisieren. ''Umsetzung'' meint jedoch auch die Anwendung des Bundesrechts durch die Gerichte – indem sie es in ihrer Rechtsprechung berücksichtigen – oder durch die kantonalen Verwaltungen, die das Bundesrecht vollziehen. Der Begriff der Umsetzung ist zwar nicht so zu verstehen, dass die Kantone als Verwaltungseinheiten nur vollstrecken, was ihnen von der Zentralregierung diktiert wird; die Kantone sind nicht blosse Vollzugshelfer. Dennoch ist vom Vollzugsföderalismus die Rede.<ref name=":1" /> |
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Die Umsetzung des Bundesrechts macht 75 % der kantonalen Staatstätigkeit aus.<ref>{{Literatur |Autor=Rainer J. Schweizer |Titel=Entstehung und Entwicklung des schweizerischen Föderalismus |Sammelwerk=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Datum=2020 |Seiten=555}}</ref> Die Verfassung verpflichtet die Kantone, das Bundesrecht umzusetzen – was sich als zweischneidiges Schwert im Hinblick auf die Autonomie der Kantone erweist: Einerseits bindet die Umsetzungspflicht einen erheblichen Teil der Mittel der Kantone, wodurch sie behindert werden, selbstbestimmte Aufgaben zu erfüllen. Andererseits gestattet der Vollzug den Kantonen, das Bundesrecht angepasst an kantonale Verhältnisse umzusetzen.<ref>{{Literatur |Autor=Eva Maria Belser |Titel=Föderalismuskonzeption der Bundesverfassung |Sammelwerk=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Datum=2020 |Seiten=681}}</ref> Allerdings muss eine bundesrechtliche Norm in der ganzen Schweiz gleich angewendet werden – kantonsspezifische Gestaltungsfreiheiten gibt nur, wenn der Bundesgesetzgeber diese explizit festhält.<ref name=":1">Biaggini: ''BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft''. 2017, S. 508 f.</ref> Daher darf das politische Gewicht des Vollzugsföderalismus nicht überschätzt werden.<ref name=":9" /> |
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=== Mitwirkungsrechte im Bund === |
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==== Referendums- und Initiativrechte ==== |
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Die Mitwirkungsrechte der Kantone im Bund sind neben der Autonomie zentral für den Schweizer Föderalismus. So müssen die Kantone bei jeder Verfassungsänderung ebenfalls zustimmen (siehe ''[[Volksmehr und Ständemehr|doppeltes Mehr]]''); die alleinige Mehrheit der Volksstimmen reicht nicht aus ({{Art.|140|BV|ch}} Abs. 1 lit. a und c, [[Obligatorisches Referendum (Schweiz)|obligatorisches Referendum]]). Die Beteiligung an der Verfassungsrevision ist das wichtigste Mitwirkungsrecht der Kantone. Auch bei der Frage, ob die Schweiz einer [[Kollektive Sicherheit|Organisation für kollektive Sicherheit]] (z. B. [[Vereinte Nationen|UNO]]) oder einer [[Supranationalität|supranationalen Gemeinschaft]] (z. B. [[Europäische Union|EU]]) beitreten soll, wird sowohl das Volksmehr als auch das Ständemehr verlangt (Art. 140. Abs. 1 lit. c, obligatorisches Staatsvertragsreferendum).<ref>{{Literatur |Autor=Matthias Lanz |Titel=Bundesversammlung und Aussenpolitik Möglichkeiten und Grenzen parlamentarischer Mitwirkung |Auflage= |Verlag=Dike |Ort=Zürich/St.Gallen |Datum=2020 |ISBN=978-3-03891-248-4 |Seiten=173 |Online=https://biblio.unibe.ch/download/eldiss/19lanz_m.pdf}}</ref> Das Verfassungs- und das Staatsvertragsreferendum werden für die Kantone immer wichtiger; in den letzten Jahrzehnten kam es häufiger zu Abstimmungen, bei denen das Volk die Vorlage befürwortete, die Stände (Kantone) jedoch ihr Veto Veto einlegten. Während es von 1848 bis 1970 zwei solcher Fälle gab, sind es seitdem schon acht.<ref name=":17" /> Auch der [[Die Schweiz in den Vereinten Nationen|Beitritt der Schweiz zu den Vereinten Nationen]] 2002<ref>{{Internetquelle |url=https://swissvotes.ch/vote/485.00 |titel=Initiative für den UNO-Beitritt |werk=Swissvotes |hrsg=Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern |abruf=2022-12-23}}</ref> wäre trotz klarem Volksmehr von 54,6 Prozent bei 12 Ja gegen 11 Nein beinahe am Ständemehr gescheitert.<ref>{{Literatur |Autor=Wolf Linder, Adrian Vatter |Titel=Institutions and outcomes of Swiss federalism: The role of the cantons in Swiss politics |Sammelwerk=West European Politics |Band=24 |Nummer=2 |Datum=2001-04 |ISSN=0140-2382 |Seiten=95–122 |Sprache=en |DOI=10.1080/01402380108425435}}</ref> In der Politik- und Rechtswissenschaft gibt es Positionen, dass das Ständemehr überhaupt kein Mitwirkungsrecht darstelle, seitdem die Standesstimme durch Volkswahl ermittelt wird. Das Ständemehr könne als Mittel des Minderheitenschutzes Wirkung entfalten, ermögliche den kantonalen Behörden jedoch keine Mitwirkung auf die Bundesebene.<ref>Für die Politikwissenschaft etwa Rahel Freiburghaus: Lobbyierende Kantone. Subnationale Interessenvertretung im Schweizer Föderalismus. 2024, S. 182; in der Rechtswissenschaft siehe Yvo Hangartner: Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen. Bern, S. 402.</ref> |
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{{Siehe auch|Zweikammersystem#Zweikammersystem in der Schweiz}} |
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Die Kantonsparlamente können eine [[Standesinitiative]] [[lancieren]] ({{Art.|160|BV|ch}} Abs. 1 BV; {{Art.|115|ParlG|ch}} [[Parlamentsgesetz (Schweiz)|Parlamentsgesetz]] (ParlG)). Damit stellen die Kantone der Bundesversammlung einen Antrag für eine Gesetzes- oder Verfassungsrevision. Nach {{Art.|141|BV|ch}} Abs. 1 BV können ausserdem acht Kantone – zuständig sind die jeweiligen Parlamente – gegen eine Gesetzesrevision oder bestimmte völkerrechtliche Verträge das [[Fakultatives Referendum|fakultative Referendum]] ergreifen.<ref name=":0">Häfelin, Haller et al.: ''Schweizerisches Bundesstaatsrecht''. 2020, S. 322 f.</ref> Standesinitiative und Kantonsreferendum sind jedoch in der Praxis von geringer Bedeutung. Bisher gab es ein einziges Kantonsreferendum, das zustande kam (siehe [[Volksabstimmungen in der Schweiz 2004#Steuerpaket 2001|Steuerpaket 2001]]). Die Standesinitiative ist für mehr als zwei Drittel der Kantone bedeutungslos. Nur die Kantone St. Galler und Genf machen von ihrem Initiativrecht oft Gebrauch, wohingegen die Kantone Zürich, Bern, Obwalden, Zug, Aargau und Wallis sich dessen nie bedienen.<ref>{{Literatur |Autor=Rahel Freiburghaus |Titel=Lobbyierende Kantone. Subnationale Interessenvertretung im Schweizer Föderalismus |Verlag=Nomos |Ort=Bern |Datum=2024 |Reihe=Politik und Demokratie in den kleineren Ländern |BandReihe=19 |ISBN=978-37560-1408-8 |Seiten=182 f.}}</ref> |
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==== Wahl des Ständerats ==== |
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Die Mitwirkungsrechte beschränken sich jedoch nicht auf die Verfassungsrevision. Die Bevölkerung jedes Kantons wählt zwei Abgeordnete in den [[Ständerat]]; davon ausgenommen sind jene mit halber Standesstimme. Die Ständeräte werden jedoch ohne Weisung gewählt; sie haben ein freies Mandat, weshalb die Kantone, in denen die jeweiligen Ständeräte gewählt wurden, keine Möglichkeit haben, die Haltung der Abgeordneten festzulegen. Die Ständeräte sind gleich wie die Nationalräte Parlamentarier des Bundes und keine juristische Vertretung der Kantone – im Unterschied zur deutschen Länderkammer, dem [[Bundesrat (Deutschland)|Bundesrat]], in den Vertreter der [[Exekutive]] der [[Land (Deutschland)|Bundesländer]] entsandt werden.<ref>{{Literatur |Autor=René Rhinow, Markus Schefer, Peter Uebersax |Titel=Schweizerisches Verfassungsrecht |Auflage=3. |Verlag=Helbing Lichtenhahn |Ort=Basel |Datum=2016 |ISBN=978-3-7190-3366-8 |Seiten=438 |Fundstelle=Rz. 2304}}</ref> Die Funktion des Ständerates als föderales Gegengewicht muss jedoch relativiert werden. Politikwissenschaftliche Befunde ergaben, dass der Ständerat föderalistische Interessen nicht signifikant stärker vertritt als der [[Nationalrat (Schweiz)|Nationalrat]]. Während bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in einigen Kantonen die Ständeräte durch die Kantonsregierung gewählt wurden, ging 1977 der Kanton Bern als letzter zur Volkswahl über. Seitdem ist der Kanton von seiner «Vertretung» institutionell entkoppelt.<ref>{{Literatur |Autor=Rahel Freiburghaus |Titel=Lobbyierende Kantone. Subnationale Interessenvertretung im Schweizer Föderalismus |Verlag=Nomos |Ort=Bern |Datum=2024 |Reihe=Politik und Demokratie in den kleineren Ländern |BandReihe=19 |ISBN=978-37560-1408-8 |Seiten=181}}</ref> Dass sich der Ständerat nicht klar zugunsten der Kantonsinteressen positioniert, erklärt womöglich auch die Gründung der ''[[Konferenz der Kantonsregierungen]]'' und die verstärkte interkantonale Zusammenarbeit.<ref>{{Literatur |Autor=Adrian Vatter, Andreas Ladner |Hrsg=Sean Müller, Adrian Vatter |Titel=Der Ständerat |Sammelwerk=Politik und Gesellschaft in der Schweiz |Band=11 |Auflage=1. |Verlag=NZZ Libro |Ort=Basel |Datum=2020 |ISBN=978-3-907291-08-5 |Seiten=54 f.}}</ref> |
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==== Vernehmlassung ==== |
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Schliesslich muss der Bund die Kantonsregierungen vor Gesetzes- und Verfassungsänderungen sowie vor dem Abschluss völkerrechtlicher Verträge, die dem Referendum unterstehen, konsultieren ([[Vernehmlassung]], {{Art.|3|VlG|ch}} VlG). Die Empfehlungen und Anmerkungen der Kantonsregierungen und der anderen Vernehmlassungsteilnehmer sind für den Bundesgesetzgeber nicht verpflichtend. Sie sollen jedoch mithelfen, dass neu geschaffenes Bundesrecht einerseits die Interessen der Kantone berücksichtigt, andererseits aber auch von ihnen umgesetzt werden kann. Die Stellung der Kantone als (Mit-)Gliedstaaten, denen ein weiter Teil der Rechtsetzung zukommt, ist für den Schweizer Föderalismus von grosser Wichtigkeit. Anders als im Ständerat, der einem ähnlichen Zweck dient, können die Kantone während der Vernehmlassung ihre Ansichten als Gliedstaaten direkt äussern.<ref name=":20" /> Die politikwissenschaftliche Föderalismusforschung ergab, dass die Vernehmlassung das wichtigste Mitspracherecht der Kantone ist. Sie sei die «prinzipiell einzige Möglichkeit der direkten und formalisierten Mitsprache der kantonalen Entscheidungsträger».<ref>Adrian Vatter: ''Das politische System der Schweiz.'' 2020, S. 446; siehe auch Fritz Sager, Isabelle Stadelmann-Steffen: ''Die Kantone im Vernehmlassungsverfahren des Bundes.'' In: Adrian Vatter (Hrsg.), ''Föderalismusreform. Wirkungsweise und Reformmodelle föderativer Institutionen in der Schweiz.'' 2006, S. 152 ff. ([https://www.researchgate.net/publication/247158943_Die_Kantone_im_Vernehmlassungsverfahren_des_Bundes online]); Rahel Freiburghaus: ''Lobbyierende Kantone. Subnationale Interessenvertretung im Schweizer Föderalismus.'' 2024, S. 204.</ref> Die Kantone beklagen allerdings zunehmend, dass ihre Anmerkungen während der Vernehmlassung weniger berücksichtigt würden als jene der Privatwirtschaft.<ref name=":20" /> |
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Das fehlende Gehör wird durch Ressourcenknappheit noch verstärkt: Während grössere Kantone ihre Meinung kundtun können, können die kleineren, finanziell schlechter gestellten, deren administrative Ressourcen begrenzt sind, nur begrenzt mitwirken. Ihnen fehlt zum Teil die Expertise, um komplexe Gesetzgebungsvorhaben des Bundes adäquat beurteilen und bewerten zu können. Deswegen sind die grossen Kantone tendenziell überrepräsentiert.<ref>Adrian Vatter: ''Das politische System der Schweiz.'' 2020, S. 466; Adrian Vatter: ''Die Macht der Kleinen. Der Schweizer Föderalismus gerät aus den Fugen'', in: ''[[Die Volkswirtschaft]]'' (91) 6/2018, S. 4 ff.</ref> Diese Zweiteilung zwischen grossen und kleinen Kantonen wird von der neueren Forschung bestritten.<ref>{{Literatur |Autor=Rahel Freiburghaus |Titel=Lobbyierende Kantone. Subnationale Interessenvertretung im Schweizer Föderalismus |Verlag=Nomos |Ort=Bern |Datum=2024 |Reihe=Politik und Demokratie in den kleineren Ländern |BandReihe=19 |ISBN=978-37560-1408-8 |Seiten=204 f.}}</ref> Die Hauptschwierigkeit liegt jedoch in der Organisation der Kantone: Im Unterschied zu anderen Interessengruppen (Parteien, Unternehmungen) repräsentieren die Kantonsregierungen ein heterogenes Volk, wobei alle vertreten werden sollen; sie sprechen deswegen selten mit einer Stimme. Dass daher widersprüchliche Positionen zwischen den Kantonen entstehen können, schwächt ihre Position – im Unterschied zu privatwirtschaftlichen Institutionen.<ref name=":20">Vatter: ''Swiss federalism: the transformation of a federal model.'' 2018, S. 53–57.</ref> |
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=== Gleichheit der Kantone === |
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Im Grundsatz sind alle Kantone einander gleichgestellt, ungeachtet der Unterschiede von Kanton zu Kanton (''symmetrischer Föderalismus''). Damit ist der Umfang von Organisations-, Finanz- und Aufgabenautonomie für alle Kantone identisch; die Bundesgarantien kommen allen Kantonen gleich zu; und auch die Mitwirkungsrechte im Bund sind – mit einer Einschränkung – gleich. Diese Einschränkung betrifft die sechs sogenannten [[Halbkanton]]e ([[Kanton Basel-Landschaft|Basel-Landschaft]] und [[Kanton Basel-Stadt|Basel-Stadt]], [[Kanton Obwalden|Obwalden]] und [[Kanton Nidwalden|Nidwalden]], [[Kanton Appenzell Ausserrhoden|Appenzell Ausserrhoden]] und [[Kanton Appenzell Innerrhoden|Appenzell Innerrhoden]]), denen bei einer Volksabstimmung nur eine halbe Standesstimme zukommt und die nur einen Abgeordneten in den Ständerat entsenden. Während früher der Begriff «Halbkanton» in der Verfassung vorkam, verschwand er mit der [[Totalrevision der Schweizer Bundesverfassung 1999|Totalrevision von 1999]]. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass die rechtliche Zurücksetzung besagter Kantone die Ausnahme ist. Wenn die Bundesverfassung nichts anderes festschreibt, sind sie den anderen Kantonen gleichgestellt.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 249–251</ref> |
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Die Kantone gleich zu behandeln, ist jedoch nur dann angebracht, wenn die Kantone als Glieder des Bundesstaates auftreten. Handelt es sich um die Vertretung der Kantonsbevölkerung im Bund oder um die Ausschüttung von Bundeseinnahmen an die Kantone, gilt dieser Grundsatz nicht. In solchen Fällen ist die Kantonsgrösse massgebend.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 251 f.</ref> |
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Aufgrund von strukturellen Unterschieden zwischen den Kantonen existiert ein finanzielles Gefälle. Obwohl solche Unterschiede wegen des bundesstaatlichen Aufbaus nicht vermieden werden können, muss ein Ausgleich zwischen den Kantonen erfolgen, damit das Gleichgewicht nicht aus den Fugen gerät. {{Art.|135|BV|ch}} BV verpflichtet deswegen den Bund, für einen [[Finanzausgleich (Schweiz)|Finanz- und Lastenausgleich]] zu sorgen. Die Beiträge zum Ausgleich von Ressourcen und Lasten sind nicht zweckgebunden.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 251 f.</ref> |
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== Gemeinden == |
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Die Gemeinden bilden nach dem Bund und den Kantonen die dritte Ebene des Bundesstaates. Indem ihnen ein eigener Artikel in der Bundesverfassung gewidmet wird ({{Art.|50|BV|ch}} BV), anerkennt der Bund ihre wichtige Rolle im staatlichen Gefüge. Die Gemeinden sind keine souveränen Körperschaften, sondern dem kantonalen Verfassungsrecht untergeordnet. Aufgrund der Organisationsautonomie, die den Kantonen zusteht, fallen der Bestand, das Gebiet und die Rechtsstellung der Gemeinden in die Zuständigkeit der Kantone.<ref name=":6">Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 253 f.</ref> |
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Ein zentrales Charakteristikum der Schweizer Gemeinden ist die [[Gemeindefreiheit#Entwicklung in der Schweiz|weitreichende Autonomie]], über die sie verfügen – obwohl sie tendenziell die Auffassung vertreten, dass ihre Aufgabenautonomie relativ stark beschränkt sei.<ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Ladner |url=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |titel=Der Schweizer Föderalismus im Wandel |seiten=72 |format=PDF |abruf=2023-06-06}}</ref> Der Grad der Autonomie, über den sie verfügen, variiert jedoch nach Bereich beträchtlich. Die fiskalische Autonomie ist sehr hoch; die Gemeinden verfügen also über grosse finanzielle Mittel.<ref>{{Literatur |Autor=Andreas Ladner, Nicolas Keuffer, Harald Baldersheim |Titel=Measuring Local Autonomy in 39 Countries (1990–2014) |Sammelwerk=Regional & Federal Studies |Datum= |DOI=10.1080/13597566.2016.1214911 |Seiten=321–357 |Fundstelle=hier: S. 334–336}}</ref> Die Organisationsautonomie ist ebenfalls ausgeprägt und nimmt eher zu. Nicht besonders hoch ist hingegen die Aufgabenautonomie der Gemeinden. Und noch tiefer ist die kommunale Selbstständigkeit, in den vom Kanton zugewiesenen Sachbereichen die wichtigen Entscheidungen selbst zu treffen; hier bewegt sich die Schweiz im internationalen Mittelfeld.<ref>{{Literatur |Autor=Andreas Ladner, Nicolas Keuffer, Harald Baldersheim |Titel=Measuring Local Autonomy in 39 Countries (1990–2014) |Sammelwerk=Regional & Federal Studies |Datum= |DOI=10.1080/13597566.2016.1214911 |Seiten=321–357 |Fundstelle=hier: S. 331–333}}</ref> In den nordischen Staaten – [[Dänemark]], [[Schweden]], [[Norwegen]], [[Finnland]], [[Island]] – sind Städte und Gemeinden über fast alle Autonomie-Parameter hinweg am eigenständigsten.<ref>{{Literatur |Autor=Andreas Ladner, Nicolas Keuffer, Harald Baldersheim |Titel=Measuring Local Autonomy in 39 Countries (1990–2014) |Sammelwerk=Regional & Federal Studies |Datum=2016 |DOI=10.1080/13597566.2016.1214911 |Seiten=321–357 |Fundstelle=hier: S. 337}}</ref> |
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Die Autonomie besteht dort, wo der Kanton eine Rechtsmaterie nicht abschliessend regelt. Damit unterscheidet sich die Gemeindeautonomie von der Residualkompetenz der Kantone: Während letztere sich dadurch definiert, dass die Kantone für alles zuständig sind, was sie nicht dem Bund übertragen haben, fallen den Gemeinden diejenigen Aufgaben zu, die nicht von den Kantonen wahrgenommen werden. Das System ist also genau umgekehrt.<ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Ladner |url=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |titel=Der Schweizer Föderalismus im Wandel |seiten=74 |format=PDF |abruf=2023-01-15}}</ref> |
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Weil die Gemeinden dem kantonalen Recht unterstehen, variiert der Grad der Autonomie beträchtlich. Er nimmt – grob gesagt – von Osten nach Westen ab.<ref>{{Literatur |Autor=Sean Mueller |Titel=Theorising decentralisation. Comparative evidence from Sub-national Switzerland |Verlag=ECPR Press |Ort=Colchester |Datum=2015 |ISBN=978-1-78552-129-4 |Sprache=en}}</ref> Die Kantone [[Kanton Appenzell Ausserrhoden|Appenzell Ausserrhoden]] und [[Kanton Graubünden|Graubünden]] verfügen über die stärksten Dezentralisierungsstrukturen, die Gemeinden verfügen hier also über die ausgeprägteste Autonomie. Im Mittelfeld befinden sich [[Kanton Luzern|Luzern]], [[Kanton Solothurn|Solothurn]] und [[Kanton Aargau|Aargau]]. Die zentralisiertesten Kantone sind die französischsprachigen Kantone [[Kanton Neuenburg|Neuenburg]], [[Kanton Waadt|Waadt]], [[Kanton Freiburg|Freiburg]] und [[Kanton Genf|Genf]], das mit grossem Abstand die Spitzenposition einnimmt.<ref>{{Literatur |Autor=Adrian Vatter |Titel=Politisches System der Schweiz |Auflage=4. |Datum=2020 |Seiten=447}}</ref><ref>Andreas Auer: ''Staatsrecht der schweizerischen Kantone.'' Stämpfli, Bern 2016, S. 156–176 (detailliert zu Begriff, Umfang und Schutz der Gemeindeautonomie).</ref> |
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Bei der Aufgabenteilung zwischen Kantonen und Gemeinden kommt das [[Subsidiarität]]sprinzip zur Anwendung. Die Gemeinden sollen, soweit das möglich und sinnvoll ist, möglichst viele Aufgaben übernehmen. Das dient der besseren Legitimation sowie einer effektiveren und effizienteren Leistungserbringung. Obschon die Gemeindeautonomie weitreichend ist, zeigt sich eine Tendenz der Zentralisierung. In den letzten Jahren büssten die Gemeinden an Zuständigkeit im Bereich des [[Bauwesen]]s, der [[Raumplanung in der Schweiz|Raumplanung]] und des [[Umweltschutz]]es ein.<ref>Vatter: ''Das politische System der Schweiz''. 2020, S. 441</ref> |
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== Bundesgarantien == |
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=== Gewährleistung der Kantonsverfassungen === |
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{{Hauptartikel|Kantonsverfassung#Gewährleistung|titel1=Kantonsverfassung: Gewährleistung}} |
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Die Bundesgarantien sichern der bundesstaatlichen Struktur der Schweiz ein Mindestmass an [[Homogenitätsgebot|Homogenität]] und Stabilität. Sie stellen Sicherheiten dar, die der Bund dafür leistet, dass die bundesstaatliche Struktur und die Stellung der Gliedstaaten im Kern unangetastet bleiben. Eine der drei Garantien ist die Gewährleistung der [[Kantonsverfassung]]en. Sie zielt darauf ab, dass die staatsrechtlichen Strukturen der Kantone untereinander sowie im Vergleich mit dem Bund auf denselben Grundsätzen beruhen.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 264</ref> Das wird dadurch erreicht, dass jede Änderung einer Kantonsverfassung der Bundesversammlung zur Gewährleistung vorgelegt wird. Sie wird nur dann erteilt, wenn die Kantonsverfassung den Anforderungen der Bundesverfassung genügt. |
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{{Art.|51|BV|ch}} BV verlangt von den Kantonen, dass sie sich eine demokratische Verfassung geben. Dies bedeutet, dass sich die kantonalen Behörden an die [[Gewaltenteilung]] halten müssen und dass das Parlament vom Volk direkt gewählt wird. Obwohl die Bundesverfassung den Kantonen nicht vorschreibt, sich als [[Direkte Demokratie|''direkte'' Demokratien]] zu organisieren, haben sich alle Kantone – wenngleich in unterschiedlichem Mass – dafür entschieden.<ref name=":2">Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 267 f.</ref> Die Bundesverfassung verlangt nur ein Mindestmass an direktdemokratischen Elementen, nämlich das Verfassungsreferendum und die Verfassungsinitiative: Die Verfassung muss «revidiert werden können, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt». Daraus folgt, dass die Verfassung jederzeit geändert werden darf und dass sich die Änderung auf beliebige Verfassungsinhalte – im Rahmen des Bundesrechts – beziehen kann. Das schliesst [[Ewigkeitsklausel]]n aus, wie sie das [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Deutsche Grundgesetz]] in Art. 79 Abs. 3 vorsieht.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 268 f.</ref> |
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Laut Art. 51 Abs. 2 darf die kantonale Verfassung dem gesamten Bundesrecht nicht entgegenstehen. Indem die Bundesversammlung die Kantonsverfassung gewährleistet, überprüft sie deren Rechtmässigkeit. Das geschieht nicht nur beim Erlass einer neuen Verfassung, sondern jede Änderung einer Kantonsverfassung muss der Bundesversammlung vorgelegt werden. Diese ist umgekehrt verpflichtet, die Genehmigung zu erteilen, wenn die Kantonsverfassung dem Bundesrecht nicht widerspricht.<ref>Biaggini: ''BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft''. 2017, S. 564–566</ref> |
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=== Garantie der verfassungsmässigen Ordnung === |
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Zunächst ist es die Aufgabe der Kantone, die verfassungsmässige Ordnung zu wahren. Der Schutz der verfassungsmässigen Ordnung durch den Bund erfolgt primär durch das [[Bundesgericht (Schweiz)|Bundesgericht]], indem er den Bürgern Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Die Beschwerde beim Bundesgericht kann zwar auch bei Unruhen geltend gemacht werden, sie ist aber kaum tauglich, um bei Unruhen oder Aufständen einzugreifen. In einem solchen Fall sind die Polizeibehörden des Kantons zuständig. Sehen sie sich nicht imstande, die Situation zu entschärfen, ersuchen sie andere Kantone um polizeiliche Hilfe; der Bund verfügt über keine polizeilichen Einsatzkräfte. Wenn all diese Mittel versagen, kann der betroffene Kanton beantragen, dass der Bund militärisch eingreift. Diese [[Bundesintervention (Schweiz)|Bundesintervention]] ist jedoch immer die [[Ultima Ratio]]. Sie ergeht zum Schutz eines bundestreuen, aber überforderten Kantons und ist von der Bundesexekution abzugrenzen (siehe unten), die sich gegen einen Kanton richtet, der Bundesrecht bricht.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 278 f.</ref> |
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Damit eine Bundesintervention erfolgen darf, muss eine Bedrohung, die den öffentlichen Frieden gefährden könnte, entweder unmittelbar bevorstehen oder bereits erfolgt sein. Derartige Störungen können aufgrund von sozialen Unruhen, [[Landfriedensbruch|Ausschreitungen]] oder [[Sabotage]]akten entstehen. Die zweite Voraussetzung ist die Unfähigkeit des Kantons, die Gefahr selbstständig abzuwenden. Für die Einleitung einer Bundesintervention ist die Bundesversammlung zuständig ({{Art.|173|BV|ch}} Abs. 1 Bst. b BV), sofern sie dazu in der Lage ist. Bei [[Dringlichkeitsrecht (Schweiz)|Dringlichkeit]] geht die Kompetenz auf den Bundesrat über ({{Art.|185|BV|ch}} Abs. 2 BV, [[Notrecht]]). Wenn der Fall eintritt, dass der Bund Truppen entsendet, obliegt ihm die Befehlsgewalt.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 280 f.</ref> |
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Seit der Gründung des Bundesstaates 1848 kam die Bundesintervention zehnmal zum Einsatz; neunmal im 19. und einmal im 20. Jahrhundert ([[Unruhen von Genf 1932|1932 in Genf]]). Fünf dieser Einsätze erfolgten im [[Kanton Tessin]].<ref>Biaggini: ''BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft''. 2017, S. 572 f.</ref> |
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=== Bestandes- und Gebietsgarantie === |
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{{Art.|53|BV|ch}} BV statuiert zwei Garantien, mit denen der Bund die Kantone zu schützen hat: Die Bestandsgarantie wahrt das Existenzrecht der Kantone nach {{Art.|1|BV|ch}} und ihren rechtlichen Status als Gliedstaaten, d. h., die Kantone müssen nicht nur als solche erhalten bleiben, sondern dürfen auch nicht einfach zu blossen Verwaltungseinheiten des Bundes degradiert werden, wie das zum Beispiel in der [[Helvetische Republik|Helvetischen Republik]] der Fall war. Die Gebietsgarantie schützt die kantonalen Territorien. Der Bund ist wegen Art. 53 verpflichtet, das Gebiet der einzelnen Kantonen vor Übergriffen zu schützen; er soll verhindern, dass das Gebiet oder der Bestand (darin ist auch eine selbstständige [[Sezession]] eines Kantons eingeschlossen) eigenmächtig geändert wird. Art. 53 deckt aber nur den Fall eines Übergriffs eines Kantons auf einen anderen Kanton ab. Erfolgt ein Angriff aus dem Ausland, ist der Bund aufgrund von {{Art.|2|BV|ch}} Abs. 1 zum Handeln ermächtigt. |
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Die Verfassung verbietet Gebiets- oder Bestandesänderungen nicht. Massgebend ist, dass sie nicht gegen den Willen von betroffenen Kantonen erfolgen. Bestandesänderungen können sich zum Beispiel ergeben, wenn sich zwei Kantone zu einem neuen zusammenschliessen, wenn sich ein Kanton in zwei Kantone aufspaltet oder wenn ein Kanton mit halber Standesstimme zu einem Kanton mit ganzer aufgewertet wird. Sämtliche Bestandesänderungen müssen drei Abstimmungen durchlaufen: Zuerst müssen die Stimmberechtigten im betroffenen Territorium der Bestandesänderung zustimmen – es erfolgt ein obligatorisches Referendum auf Gemeindeebene. Stimmen sie zu, wird ein obligatorisches Referendum im betroffenen Kanton durchgeführt. Da Art. 1 BV, der die Kantone aufzählt, geändert werden muss, folgt ein obligatorisches Referendum auf Bundesebene. Zu einer solchen Abstimmung kam es bisher erst einmal: Am 24. September 1978 stimmten Volk und Stände der Gründung des Kantons [[Kanton Jura|Jura]] zu. |
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Auch Gebietsänderungen sind möglich. Sie verlangen ebenfalls Zustimmung auf allen drei Staatsebenen. Auf Bundesebene ist die Hürde aber tiefer: Anstelle eines obligatorischen Referendums tritt das fakultative, das keiner Zustimmung der Kantone bedarf.<ref>Häfelin, Haller et al.: ''Schweizerisches Bundesstaatsrecht''. 2017, S. 330–332</ref> |
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{{Siehe auch|Kanton (Schweiz)#Änderungen im Bestand und Gebiet der Kantone|titel1=Abschnitt Änderungen im Bestand und Gebiet der Kantone im Artikel Kanton (Schweiz)}} |
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== Kompetenzaufteilung == |
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=== Grundsatz === |
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==== Prinzip der Einzelermächtigung (Subsidiäre Generalkompetenz der Kantone) ==== |
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{{Art.|3|BV|ch}} der Bundesverfassung regelt die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen. Daraus geht hervor, dass der Bund nur jene Kompetenzen hat, die ihm durch die Verfassung zustehen (sogenanntes ''System der Einzelermächtigung'').<ref>Biaggini: ''BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft''. 2017, S. 94 N 5</ref> Eine direkte Zuweisung ist aber nicht immer erforderlich. Neben den ausdrücklichen kennt das schweizerische Verfassungsrecht auch sogenannte ''stillschweigende Bundeskompetenzen''. Das sind Bundeskompetenzen, die in einer Verfassungsnorm mitenthalten sind, ohne dass sie explizit genannt werden. So ist der Bund von der Verfassung nicht ausdrücklich ermächtigt, wichtige Gesetze wie das [[Parlamentsgesetz (Schweiz)|Parlamentsgesetz]] oder das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz zu erlassen. Die Ermächtigung zum Erlass lässt sich aus dem Sachzusammenhang herleiten. Die Aufgaben des Bundes entstammen jedoch alle dem geschriebenen Verfassungsrecht – auch die stillschweigenden Kompetenzen, die sich auf eine Verfassungsnorm stützen. Daher ist es unzulässig, Zuständigkeiten [[gewohnheitsrecht]]lich herzuleiten.<ref>Biaggini: ''BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft''. 2017, S. 482 N 10</ref> |
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Bei den kantonalen Kompetenzen kommt hingegen ein Automatismus zur Anwendung: Alle Rechte, die nicht explizit dem Bund übertragen sind, fallen automatisch in den Kompetenzbereich der Kantone. Dieser Automatismus wird ''subsidiäre Generalkompetenz der Kantone'' genannt. Somit fallen alle neu auftretenden Staatsaufgaben in den Kompetenzbereich der Kantone, sofern nicht eine neue Bundeskompetenz geschaffen wird.<ref name=":7">Biaggini: ''BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft''. 2017, S. 95 f.</ref> |
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==== Subsidiaritätsprinzip ==== |
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Obgleich der Bund die Aufgaben der Kantone festlegt (sogenannte ''[[Kompetenz-Kompetenz]]''), darf er nur jene übernehmen, die «die Kraft der Kantone übersteigen oder einer einheitlichen Regelung bedürfen» ({{Art.|43a|BV|ch}} BV). Damit wird ein bundesstaatliches [[Subsidiarität]]sprinzip ({{Art.|5a|BV|ch}} BV) begründet. Das heisst, dass der [[Einheitsstaat|Zentralstaat]] keine Zuständigkeiten an sich ziehen soll, die die Gliedstaaten übernehmen könnten. Das gilt ebenso bei der Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden.<ref name=":10">Biaggini: ''BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft''. 2017, S. 126 N 10</ref> Das Subsidiaritätsprinzip dient im Wesentlichen dazu, die oberste Staatsgewalt (den Bund) zu beschränken, um die kantonale Autonomie zu wahren, sowie staatliche Aufgaben [[Bürgernähe|bürgernah]] aufzuteilen. Die Subsidiarität fordert sowohl für die Zuweisung neuer Kompetenzen und Aufgaben an den Bund als auch für die Ausweitung bestehender Bundeskompetenzen eine besondere Rechtfertigung.<ref>{{Internetquelle |autor=Bernhard Waldmann |url=https://www.unifr.ch/webnews/content/4/attach/7488.pdf |titel=Subsidiarität und fiskalische Äquivalenz als Garanten für einen substanziellen Föderalismus? |werk=Newsletter IFF |hrsg=Institut für Föderalismus der Universität Freiburg |datum=2015-04 |seiten=6 |format=PDF |abruf=2023-02-09}}</ref> Art. 43a stellt aber keine [[Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft#Revisionsmöglichkeiten|Schranke der Verfassungsrevision]] dar. Es ist dem Bund nicht untersagt, die Verfassung so zu ändern, dass er Zuständigkeiten für sich beansprucht, die man auch den Kantonen überlassen könnte. Es existiert ohnehin keine Definition, welche Kompetenzen «die Kraft der Kantone übersteigen».<ref>Biaggini: ''BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft''. 2017, S. 496</ref> |
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==== Prinzip der fiskalischen Äquivalenz ==== |
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Zum Subsidiaritätsprinzip gesellt sich das [[Prinzip der fiskalischen Äquivalenz]], das in der Verfassung folgendermassen umschrieben wird: «Das Gemeinwesen, in dem der Nutzen einer staatlichen Leistung anfällt, trägt deren Kosten. Das Gemeinwesen, das die Kosten einer staatlichen Leistung trägt, kann über diese Leistung bestimmen.» (Art. 43a Abs. 2 und 3 BV). Daraus folgt: Einerseits sollen staatliche Leistungen, die weite Teile der Bevölkerung betreffen, vom Bund geregelt, finanziert und vollzogen werden. Andererseits sollen Leistungen, die sich nur regional auswirken, von den Kantonen getragen werden. Des Weiteren sollen jene, die zahlen, auch die Entscheidungsgewalt innehaben.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 290</ref> Der Zweck von Artikel 43a Abs. 3 BV wird vor dem Hintergrund seiner Entstehung ersichtlich: Er ist das Produkt der NFA von 2004 und dient der Aufgabenentflechtung, indem das Gemeinwesen, das die Kosten trägt, über die Leistungen bestimmen kann.<ref>Andreas Kley: ''Verfassungsrecht der Schweiz''. 2020, S. 93 (Band I)</ref> |
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Sowohl das Subsidiaritätsprinzip als auch das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz sind staatliche Maximen und keine Verfassungsgrundsätze, die eingeklagt werden können. Sie stellen Leitlinien dar, anhand derer die Gesetz- und Verfassungsgebung erfolgen muss.<ref>{{Literatur |Autor=Lucien Müller |Titel=Art. 43a BV |Hrsg=Ehrenzeller, Egli et al. |Sammelwerk=Die schweizerische Bundesverfassung. St. Galler Kommentar |Band=1 |Auflage=4. |Verlag=Dike, Schulthess |Ort=Zürich |Datum=2023 |ISBN=978-3-03891-222-4 |Seiten=1607, S. 1611}}</ref> |
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=== Kompetenzen des Bundes === |
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Die Aussenpolitik liegt im Zuständigkeitsbereich des Bundes. Darin eingeschlossen sind der Abschluss [[Völkerrechtliche Verträge in der Schweiz|völkerrechtlicher Verträge]], die Repräsentation der Schweiz und die diplomatischen Beziehungen. Die Kompetenz des Bundes, völkerrechtliche Verträge abzuschliessen, wird durch die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen nicht tangiert. {{Art.|54|BV|ch}} der Bundesverfassung räumt dem Bund umfassende Kompetenzen für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge ein, die auch die innerstaatlich in den Kompetenzbereich der [[Kanton (Schweiz)|Kantone]] fallenden Materien betreffen können. Somit ergibt sich, dass die Kompetenz des Bundes im Bereich der [[Außenpolitik|auswärtigen Angelegenheiten]] über seine [[Gesetzgebung]]skompetenz im innerstaatlichen Bereich hinausgeht. Allerdings steht den Kantonen ein Mitspracherecht zu, wenn ihre Interessen davon betroffen sind ({{Art.|55|BV|ch}} BV, {{§§|138.1|ch|text=Bundesgesetz vom 22. Dezember 1999 über die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes}}).<ref>Häfelin, Haller et al.: ''Schweizerisches Bundesstaatsrecht''. 2020, S. 361.</ref> |
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Des Weiteren stehen dem Bund umfassende Kompetenzen in Rechtsetzung und Verwaltung zu. Das sind (Auswahl): |
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* [[Bürgerrecht|Bürger-]] und [[Ausländerrecht]], [[Bundesbehörde]]n |
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* [[Zivilgesetzbuch (Schweiz)|Zivil-]] und [[Strafgesetzbuch (Schweiz)|Strafrecht]], [[Obligationenrecht (Schweiz)|Obligationenrecht]] (daneben kantonale [[Residualrecht]]e), [[Zivilprozessordnung (Schweiz)|Zivil-]] und [[Strafprozessordnung (Schweiz)|Strafprozessrecht]] |
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* [[Arbeitsrecht (Schweiz)|Arbeitsrecht]] |
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* [[Berufsbildung]] |
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* [[Gesundheitssystem|Gesundheitswesen]] (teilweise, namentlich [[Gentechnik|Gentechnologie]], Lebensmittelaufsicht, [[Epidemie]]n) |
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* [[Krankenversicherung]] und andere [[Sozialversicherungen (Schweiz)|Sozialversicherungen]] |
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* [[Haushaltsplan|Finanzhaushalt]], [[Steuer]]n, [[Abgabe]]n |
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* [[Messe (Wirtschaft)|Messwesen]] |
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* Bankenrecht |
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* [[Verkehrsrecht]] |
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* nationale [[Infrastruktur]] (Landesteile verbindendes Eisenbahnnetz, Autobahnen) |
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* [[Landesverteidigung]] |
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Der Bund erhebt direkte Steuern (u. a. [[direkte Bundessteuer]] ({{Art.|128|BV|ch}} Abs. 1 BV), [[Verrechnungssteuer]] ({{Art.|132|BV|ch}} Abs. 2 BV)), indirekte Steuern (z. B. die [[Mehrwertsteuer (Schweiz)|Mehrwertsteuer]] ({{Art.|130|BV|ch}} BV), [[Verbrauchssteuer]]n (Art. 131 BV), [[Bundesgesetz über die Stempelabgaben|Stempelsteuer]] (Art. 132 Abs. 1 BV)) und Zölle ({{Art.|133|BV|ch}} BV). Wenn der Bund einen Tatbestand besteuert oder aber ihn für steuerfrei erklärt, ist es den Kantonen untersagt, ihn einer Steuer zu unterstellen. Daher ist die Steuererhebung eine konkurrierende Zuständigkeit zwischen Bund und Kantonen.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 304–308</ref> |
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Es kann vorkommen, dass der Bund ihm zugeschriebene Kompetenzen teilweise an die Kantone delegiert. Diese föderative Delegation dient der Dezentralisierung. Der Bund trägt im Rahmen seiner Bundesaufsicht dennoch die Verantwortung, dass die Aufgaben korrekt ausgeführt werden.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 312 f.</ref> Die Verfassung äussert sich jedoch nicht zur Kompetenzübertragung des Bundes an die Kantone. Lehre und Praxis anerkennen diese Möglichkeit, weil sie dem Geist des Schweizer Föderalismus entspricht. Dass aber ein Kanton Zuständigkeiten an den Bund überträgt, ist unzulässig.<ref>Rainer J. Schweizer: ''Verfassungsrecht der Schweiz''. 2020, S. 698 (Band I)</ref> |
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=== Typische Kompetenzen der Kantone === |
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Aufgrund ihrer Aufgabenautonomie legen die Kantone fest, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit erfüllen. Die grosse Mehrheit der Kantonsverfassungen enthält einen Aufgabenkatalog, der mehr oder weniger präzis Auskunft über den Inhalt kantonaler Tätigkeiten gibt. Vier Kantone (Luzern, Neuenburg, St. Gallen und Tessin) begnügen sich jedoch mit wenigen Grundsätzen zur Aufgabenerfüllung oder mit einer stichwortartigen Auflistung der öffentlichen Aufgaben. Drei ältere Verfassungen (Appenzell Innerrhoden, Wallis und Zug) enthalten gar keine Bestimmungen hierzu.<ref>Auer: ''Staatsrecht der schweizerischen Kantone.'' 2016, S. 256 f.</ref> Umgekehrt haben drei Kantone (Aargau, Basel-Landschaft und Thurgau) Verfassungsvorbehalte wie auf Bundesebene festgeschrieben, was bedeutet, dass jedwede Staatsaufgabe, die neu aufgenommen wird, zwingend und vollständig in der Verfassung niedergelegt werden muss. Das erhöht zwar die demokratische [[Legitimität|Legitimation]], da die Bürger Verfassungsänderungen zustimmen müssen. Die Flexibilität der staatlichen Institutionen leidet aber darunter.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 309 f.</ref> |
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Kantonale Kompetenzen werden in der [[Politikwissenschaft]] klassisch in Gesetzgebungs-, Finanzierungs- und Vollzugskompetenzen unterteilt.<ref>{{Literatur |Autor=Paolo Dardanelli, Sean Mueller |Titel=Dynamic De/Centralization in Switzerland, 1848–2010 |Sammelwerk=Publius. The Journal of Federalism |Band=49 |Nummer=1 |Datum=2019-01-01 |ISSN=0048-5950 |Seiten=139 |Sprache=en |DOI=10.1093/publius/pjx056}}</ref> Nachfolgend sind einige typische kantonale Aufgaben aufgelistet, von denen die meisten auf Gesetzgebungskompetenzen beruhen:<ref>[[Tobias Jaag]], Markus Rüssli: ''Staats- und Verwaltungsrecht des Kantons Zürich.'' 5. Auflage. Schulthess, Zürich/Basel/Genf 2019; Übersichten S. 9 und 338.</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Ladner |url=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |titel=Der Schweizer Föderalismus im Wandel |datum=2018 |seiten=70 f. |format=PDF |abruf=2023-01-15}}</ref> |
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{{Mehrspaltige Liste |anzahl=2 |liste= |
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* kantonale [[Staatsrecht (Schweiz)|Staats-]], [[Gerichtsverfassungsrecht#Schweiz|Gerichts-]] und Verwaltungsorganisation, [[Gemeinde (Schweiz)|Gemeindewesen]] |
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* öffentliches Personalrecht |
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* Staatshaftungsrecht |
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* [[Enteignung]]srecht |
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* [[Steuerrecht (Schweiz)|Steuerrecht]] |
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* [[Öffentliche Ordnung]] und [[Polizeirecht]] |
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* [[Raumplanung in der Schweiz|Raumplanung]], Baugesetzgebung und Bauordnung <!-- der Artikel «Baurecht (Schweiz)» beschlägt ein privatrechtliches Thema, um das es hier nicht geht --> |
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* [[Naturschutz|Natur-]] und [[Denkmalschutz#Schweiz|Heimatschutz]] |
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* [[öffentlicher Verkehr]] und [[Straßen- und Wegebau|Strassenwesen]] |
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* [[Wasserversorgung|Wasser-]] und [[Energieversorgung]] |
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* [[Abwasserreinigung]] und [[Abfallentsorgung]] |
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* [[Sozialhilfe (Schweiz)|Sozialhilfe]], Familie, Jugend und Alter, [[Integration von Zugewanderten|Integration]] |
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* [[Wohnungspolitik|Wohnungwesen]] |
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* [[Gesundheitssystem|Gesundheitswesen]] |
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* [[Bildungssystem in der Schweiz|Schulen]] |
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* [[Universität]] und [[Fachhochschule (Schweiz)|Fachhochschulen]] |
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* [[Kulturförderung]] |
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* Förderung von Freizeit, [[Sport]] und Erholung |
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* Wirtschaftspolizei, [[Gastgewerbe]], [[Ladenöffnungszeit]]en |
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* Förderung der [[Landwirtschaft|Land-]] und [[Forstwirtschaft]] |
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* [[Regalien #Regalrechte im modernen Staat (Schweiz)|Regalrechte]] |
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* [[Kantonalbank]] |
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Aufgrund der grossen [[Politikverflechtung|Verflechtung]] zwischen Bund und Kantonen sind die Kantone in diesen Aufgabenbereichen jedoch nicht vollständig autonom. |
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=== Gemeinsame Aufgabenerfüllung durch Bund und Kantone === |
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Obschon die Bundesverfassung von einer binären Aufgabenteilung ausgeht (Bund oder Kanton), steht sie einer gemeinsamen Aufgabenerfüllung nicht explizit entgegen. Bei einer echten Gemeinschaftsaufgabe sind Bund und Kantone für die Erfüllung der Aufgabe gemeinsam verantwortlich. Sie können insbesondere nur gemeinsam die zur Aufgabenerfüllung notwendige Gesetzgebung erlassen. Die Gesetzgebungskompetenz obliegt in solchen Fällen weder dem Bund noch den Kantonen, sondern Bund und Kantonen zusammen. Eine solche Aufgabenzuweisung findet sich in der Bundesverfassung zwar nicht. Diese sieht aber Verpflichtungen zur Zusammenarbeit von Bund und Kantonen vor, um in Bereichen mit parallelen Zuständigkeiten Mehrspurigkeiten, Widersprüche oder Zuständigkeitskonflikte zu vermeiden (siehe dafür ''Föderale Zusammenarbeit'').<ref>{{Internetquelle |autor=Bernhard Waldmann |url=https://www.unifr.ch/federalism/de/assets/public/files/NZ/Gutachten_final_Typologie_Aufgaben.pdf |titel=Aufgaben- und Kompetenzverteilung im schweizerischen Bundesstaat. Typologie der Aufgaben und Kompetenzen von Bund und Kantonen |hrsg=Institut für Föderalismus |datum=2015-12 |seiten=24–28 |format=PDF |abruf=2023-05-04}}</ref> |
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Mit der NFA-Reform wurden ausserdem ''Verbundaufgaben'' geschaffen. Der Begriff umfasst jene Aufgaben, die im Zuge der Aufgabenentflechtung weder dem Bund noch dem Kanton alleine zugewiesen werden konnten, wie der Natur- und Heimatschutz oder die Regionalpolitik.<ref>{{Internetquelle |autor=Angelika Spiess |url=https://www.unifr.ch/federalism/de/assets/public/files/Newsletter/IFF/2_2016_3_Verbundaufgabe.pdf |titel=Die Verbundaufgabe |hrsg=Institut für Föderalismus der Universität Freiburg |datum=2016 |abruf=2023-12-18}}</ref> Der Begriff «Verbund» steht für ein partnerschaftliches Zusammenwirken von Bund und Kantonen. Im Zentrum stehen die gemeinsame Finanzierung und der kooperative Ansatz bei der Umsetzung von Bundesrecht durch die Kantone.<ref>{{Internetquelle |autor=Bernhard Waldmann |url=https://www.unifr.ch/federalism/de/assets/public/files/NZ/Gutachten_final_Typologie_Aufgaben.pdf |titel=Aufgaben- und Kompetenzverteilung im schweizerischen Bundesstaat. Typologie der Aufgaben und Kompetenzen von Bund und Kantonen |hrsg=Institut für Föderalismus |datum=2015-12 |seiten=29 |format=PDF |abruf=2023-05-04}}</ref> Der Bundesrat bezeichnete die Verbundaufgaben deshalb als «eine Kategorie der Umsetzung des Bundesrechts nach Artikel 46 BV».<ref>{{Internetquelle |url=https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2002/316/de |titel=BBl 2002 2291 Botschaft zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (NFA) |werk=Bundesblatt |hrsg=Bundeskanzlei |datum=2001-11-14 |seiten=2341 |abruf=2023-05-04}}</ref> Von den Verbundaufgaben kann ein Harmonisierungsdruck auf die Kantone ausgehen, der sich negativ auf ihre Eigenständigkeit auswirken kann.<ref>{{Literatur |Autor=Lucien Müller |Titel=Die schweizerische Bundesverfassung: St. Galler Kommentar |Auflage=4. |Datum=2023 |Seiten=1585, N 23}}</ref> |
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=== Vorrang des Bundesrechts === |
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{{Hauptartikel|Bundesrecht bricht Landesrecht#Schweiz|titel1=Bundesrecht bricht Landesrecht: Schweiz}} |
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Die subsidiäre Generalkompetenz der Kantone hat zur Folge, dass das System der Kompetenzaufteilung lückenlos ist. Alle Aufgaben, die nicht dem Bund zustehen, werden von den Kantonen erfüllt. Das ist jedoch nur theoretisch der Fall: In der Praxis sind die Aufgaben der drei Ebenen eng miteinander verflochten, wobei die genaue Tragweite der eidgenössischen oder kantonalen Kompetenz nicht immer ersichtlich ist. Dazu kommt, dass Bund und Kantone zum Teil entgegengesetzte Ziele verfolgen. Daher lassen sich Konflikte nicht vermeiden. Wenn es zu einer Kollision von Bundesrecht und kantonalem Recht kommt, ist dieses nicht anwendbar.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 319</ref> |
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Vom Vorrang des Bundesrechts – oft sprechen Lehre und Rechtsprechung nicht vom ''Vorrang,'' sondern von der ''[[Derogation|derogatorischen]]'' (d. h. ''aufhebenden'') ''Kraft'' des Bundesrechts – profitieren sämtliche Erlasse des Bundes. Somit gehen Bundesverfassung, Bundesgesetze und [[Verordnung (Schweiz)|Bundesverordnungen]] kantonalem Recht jeglicher Stufe vor (siehe [[Normenhierarchie (Schweiz)|Normenhierarchie]]). Im Extremfall müsste also eine kantonale Verfassungsbestimmung einer Bundesratsverordnung weichen. Zum Bundesrecht gehört wegen des [[Monistisches System|monistischen Systems]], zu dem sich die Schweiz bekennt, auch das [[Völkerrecht]].<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 323</ref> |
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=== Bundesaufsicht === |
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{{Hauptartikel|Bundesaufsicht}} |
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Der Bund überprüft laufend, ob das Handeln der Kantone im Rahmen des Bundesrechts erfolgt. Alle Massnahmen, die der Bund zu diesem Zweck trifft, werden unter dem Begriff ''Bundesaufsicht'' subsumiert. In einem weiteren Sinn soll die Bundesaufsicht sicherstellen, dass die Kantone jene Aufgaben, die ihnen zugewiesen sind, richtig erfüllen. Primäres Organ der Bundesaufsicht ist der [[Bundesrat (Schweiz)|Bundesrat]]. Er sorgt für die Einhaltung des Bundesrechts ({{Art.|186|BV|ch}} Abs. 4 BV). Das Instrumentarium der Bundesaufsicht beschränkt sich primär auf präventive Massnahmen, ohne dabei Zwang auszuüben. Das wichtigste Aufsichtsmittel ist die Genehmigung kantonaler Erlasse.<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 370–373</ref> |
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Unter ''[[Bundesexekution]]'' werden sämtliche Aufsichtsmassnahmen zusammengefasst, mit denen der Bund Zwang auf die Kantone ausübt. Darunter fallen Sanktionen, die einen Kanton anregen sollen, seine Aufgaben im Rahmen des Bundesrechts zu erfüllen, oder Interventionen des Bundes, um kantonale Versäumnisse zu beheben. Die Bundesexekution ist somit eine Weiterführung des Bundesaufsicht mit stärkeren Mitteln. Die Bundesversammlung ist zentrales Organ zur Durchsetzung des Bundesrechts. Nur bei Dringlichkeit ist der Bundesrat zuständig ({{Art.|185|BV|ch}} Abs. 4).<ref>Tschannen: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2021, S. 376 f.</ref> |
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Dem Bund stehen im Wesentlichen drei Mittel zur Verfügung, um das Bundesrecht mit Zwang durchzusetzen. Er darf Druck auf die Kantone ausüben, indem er finanzielle Mittel, die er den Kantonen zukommen lassen müsste, zurückhält und sie so zum Handeln bewegt. Das zweite Mittel ist die [[Ersatzvornahme]].<ref name=":4">Häfelin, Haller et al.: ''Bundesstaatsrecht''. 2020, S. 386 f.</ref> Die [[Ultima Ratio]] ist der Einsatz militärischer Truppen zur Durchsetzung des Bundesrechts. Dafür zuständig ist die Bundesversammlung, bei [[Dringlichkeitsrecht (Schweiz)|Dringlichkeit]] der Bundesrat.<ref>Biaggini: ''BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft''. 2017, S. 1405 Rz. 13</ref> Derartiges Einschreiten ist nur bei Verletzung elementarer Bundespflichten zulässig. Diese militärische Exekution würde gegen die kantonalen Behörden erfolgen, was sie von der Bundesintervention unterscheidet, die zur Unterstützung der Behörden dient. Zu einer militärischen Exekution ist es in der Geschichte der Schweiz noch nie gekommen.<ref name=":4" /> |
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== Föderale Zusammenarbeit == |
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=== Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen === |
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{{Hauptartikel|Kooperativer Föderalismus}} |
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Der Schweizer Föderalismus ist wie der deutsche kooperativ aufgebaut, d. h., gewisse Aufgaben werden von den Gliedstaaten und dem Bund gemeinsam erfüllt. In beiden Staaten gibt es kaum Aufgaben, die ausschliesslich eine Ebene abdeckt. Demgegenüber steht das duale System, das dem [[Föderalismus in den Vereinigten Staaten|Föderalismus der Vereinigten Staaten]] zugrunde liegt. Dort ist jede Staatsebene für ganz bestimmte Aufgaben zuständig.<ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Ladner |url=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |titel=Der Schweizer Föderalismus im Wandel |seiten=17 |format=PDF |abruf=2023-06-24}}</ref> |
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Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kanton ist selbstverständlich, vor allem in der Verwaltung. Sie kann in Form von Arbeitskontakten zwischen den Ämtern erfolgen, oder es können Vollzugshilfen des Bundes zuhanden der Kantone sein. Diese Zusammenarbeit zwischen Gliedstaaten und Bund wird ''kooperativer Föderalismus'' genannt. Er hat zwei Ausprägungen: den vertikalen und den horizontalen kooperativen Föderalismus.<ref name=":5" /> |
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Der vertikale kooperative Föderalismus meint die (freiwillige) Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. In der Rechtsetzung wirken Bund und Kantone in zwei Formen zusammen. Einerseits nehmen die Kantone mit ihren Mitwirkungsrechten Einfluss auf die Rechtsetzung des Bundes. Anderseits ergibt sich die Kooperation als Folge der Delegation von Rechtsetzungskompetenzen des Bundes an die Kantone. Die Kantone setzen des Weiteren das Bundesrecht um. Eine weitere Ausformung der föderalen Zusammenarbeit bilden Subventionen des Bundes an die Kantone.<ref name=":5">Häfelin, Haller et al.: ''Schweizerisches Bundesstaatsrecht''. 2020, S. 390 f.</ref> |
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=== Interkantonale Zusammenarbeit === |
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Unter dem horizontalen kooperativen Föderalismus wird das Zusammenwirken von Kantonen ohne Beteiligung des Bundes verstanden, vor allem durch [[Interkantonales Konkordat|interkantonale Konkordate]]. Die Anzahl an Konkordaten stieg zwischen 1980 und 2005 kontinuierlich; seitdem stagniert sie auf hohem Niveau.<ref>{{Literatur |Autor=Alexander Arens |Titel=Federal Reform and Intergovernmental Relations in Switzerland: An Analysis of Intercantonal Agreements and Parliamentary Scrutiny in the Wake of the NFA |Ort=Bern |Datum=2020 |Seiten=160 |Online=https://boristheses.unibe.ch/2469/1/20arens_a.pdf}}</ref> Da sie sämtliche Staatsfunktionen betreffen können, ist es möglich, dass Kantone auch gemeinsame Einrichtungen oder Organisationen schaffen. Vertragspartner sind die Kantone; an einigen Verträgen ist auch das Fürstentum [[Liechtenstein]] beteiligt. In diesem Fall handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag. Auch der Bund darf Vertragspartner sein ({{Art.|48|BV|ch}} Abs. 2); er erlangt dadurch aber keine neuen Kompetenzen. Ausserdem dürfen Verpflichtungen, die gegenüber anderen Kantonen bestehen, nicht eingeschränkt werden.<ref>Häfelin, Haller et al.: ''Schweizerisches Bundesstaatsrecht''. 2020, S. 395 f.</ref> |
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An zweiter Stelle stehen die interkantonalen Konferenzen. In bestimmten Themengebieten existieren Direktorenkonferenzen, an denen sich die zuständigen [[Kantonsregierung|Regierungsräte]] der betroffenen Kantone austauschen und aktuelle Schwierigkeiten besprechen, so die Finanzdirektorenkonferenz oder die [[Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren|Erziehungsdirektorenkonferenz]].<ref>Häfelin, Haller et al.: ''Schweizerisches Bundesstaatsrecht''. 2020, S. 389</ref><ref>{{Literatur |Autor=Johanna Schnabel, Sean Mueller |Titel=Vertical influence or horizontal coordination? The purpose of intergovernmental councils in Switzerland |Sammelwerk=Regional & Federal Studies |Band=27 |Nummer=5 |Datum=2017-10-20 |ISSN=1359-7566 |Seiten=549–572 |Sprache=en |DOI=10.1080/13597566.2017.1368017}}</ref> |
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Die interkantonale Zusammenarbeit intensivierte sich in den vergangenen Jahrzehnten und entwickelte sich zu einem Wesensmerkmal des schweizerischen Föderalismus. Die Konkordate ermöglichen eine Rechtsvereinheitlichung in der gesamten Schweiz, ohne dass die Kantone ihre Kompetenzen verlieren, wodurch der Zentralisierung entgegengewirkt wird.<ref>{{Literatur |Autor=Bernhard Waldmann |Titel=Perspektiven des schweizerischen Föderalismus |Sammelwerk=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Auflage=2. |Datum=2020 |Seiten=804}}</ref> Das ist zwar für den Föderalismus ein Gewinn, darunter hat jedoch die Demokratie zu leiden, da das Parlament in den Kantonen nur einen beschränkten Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung hat: Wie bei völkerrechtlichen Verträgen kann das Parlament im Genehmigungsverfahren das Konkordat lediglich gesamthaft annehmen und verwerfen, nicht aber auf dessen Inhalt Einfluss nehmen.<ref>Häfelin, Haller et al.: ''Schweizerisches Bundesstaatsrecht''. 2020, Rz. 1289</ref> |
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Zur Stärkung der interkantonalen Zusammenarbeit dient seit 2008 das [[Haus der Kantone]] in Bern als Sitz der Direktorenkonferenzen und weiterer Institutionen aus ihrem Umfeld. |
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=== Zusammenarbeit zwischen Kantonen und Gemeinden === |
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Eine Stufe tiefer, zwischen den Kantonen und den Gemeinden, haben sich vergleichbare Formen der vertikalen Zusammenarbeit etabliert. Auch diese ist getragen von dem Gedanken der Subsidiarität und fiskalischen Äquivalenz (siehe Abschnitt ''[[Föderalismus in der Schweiz#Grundsatz|Grundsatz]]''). Ebenso kam es zwischen den Gemeinden und den Kantonen seit den 1990er Jahren zu Reformen der Aufgabenteilung. Der Versuch, die Aufgaben optimal zwischen beiden Ebenen aufzuteilen, basierte auf denselben Überlegungen wie bei der NFA-Reform. Vielfach wurden dabei aber Aufgaben auf die Ebene des Kantons verschoben, weil viele Gemeinden zu klein waren, diese selbständig wahrzunehmen beziehungsweise für deren Kosten aufzukommen.<ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Ladner |url=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |titel=Der Schweizer Föderalismus im Wandel |seiten=97 |format=PDF |abruf=2023-04-12}}</ref> |
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Aus Sicht der Gemeinden wird die Zusammenarbeit mit der Kantonsebene als überwiegend positiv beurteilt. Schweizweit ziehen nur sehr wenige Gemeinden eine negative Bilanz (z. B. die Mehrheit im [[Kanton Obwalden]]). Die Zufriedenheit der Gemeinden hat sich in den vergangenen dreissig Jahren kaum verändert.<ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Ladner |url=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |titel=Der Schweizer Föderalismus im Wandel |seiten=97–99 |format=PDF |abruf=2023-04-12}}</ref> |
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=== Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden === |
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Auch zwischen den Gemeinden herrscht eine intensive Zusammenarbeit. Hier steht die gemeinsame Leistungserbringung noch stärker im Vordergrund als bei der Zusammenarbeit zwischen den Kantonen, während Koordination und Politikvereinheitlichung eher sekundär sind. Oft sind die Gemeinden direkt auf die Zusammenarbeit angewiesen, da viele zu klein sind, um gewisse Aufgaben selbständig zu erfüllen. Wie auch auf Bundesebene ({{Art.|48a|BV|ch}} BV) können die Gemeinden in gewissen Kantonen zur Zusammenarbeit gezwungen werden. Bereiche, in denen es häufig zu einer interkommunalen Zusammenarbeit kommt, sind [[Feuerwehr]], [[Altenheim|Alters-]] und [[Pflegeheim]]e, [[Spitex]], [[Sozialhilfe (Schweiz)|Sozialhilfe]], [[Energieversorgung]], [[Abfallentsorgung|Entsorgung]], [[Abwasser]] und [[Kanalisation]] und schliesslich auch die [[Schule]]. Politikwissenschaftliche Erhebungen deuten darauf hin, dass sich die Zusammenarbeit seit den 1990er Jahren verstärkt hat.<ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Ladner |url=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |titel=Der Schweizer Föderalismus im Wandel |seiten=121–123 |format=PDF |abruf=2023-04-12}}</ref> |
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=== Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden === |
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In jüngerer Zeit zeigte sich, dass die klassische Aufteilung der vertikalen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen sowie zwischen den Kantonen und ihren Gemeinden nicht in allen Bereichen sinnvoll ist. Gemeinden und Städte wollen vermehrt direkt und nicht über den Kanton, in dem teilweise auch andere politische Mehrheiten bestehen, Einfluss nehmen, und der Bund trifft Entscheidungen, die primär die Gemeinden betreffen. In vielen Fällen sind zudem alle drei Ebenen betroffen.<ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Ladner |url=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |titel=Der Schweizer Föderalismus im Wandel |seiten=105 f. |format=PDF |abruf=2023-04-12}}</ref> |
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== Herausforderungen == |
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=== Schleichende Zentralisierung === |
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In der Schweiz kann seit dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] eine sukzessive Übernahme von Aufgaben durch den Bund zulasten der Kantone und ihrer Aufgabenautonomie beobachtet werden. Dieser Prozess wird als ''schleichende Zentralisierung'' bezeichnet. Sie erreichte ihren Höhepunkt in der Zeit von 1910 bis 1950, besteht aber seitdem fort.<ref>{{Literatur |Autor=Paolo Dardanelli, Sean Mueller |Titel=Dynamic De/Centralization in Switzerland, 1848–2010 |Sammelwerk=Publius. The Journal of Federalism |Band=49 |Nummer=1 |Datum=2019-01-01 |ISSN=0048-5950 |Seiten=153 f. |Sprache=en |DOI=10.1093/publius/pjx056}}</ref> Im Zeitraum 2011–2016 verlangten föderalismusrelevante [[Bundesversammlung (Schweiz)|parlamentarische Vorstösse]] in National- und Ständerat in ca. 70 % der Fälle eine Zentralisierung im adressierten Aufgabenbereich, ca. 9 % zielten auf eine dezentrale Lösung ab.<ref>{{Literatur |Hrsg=Stiftung für eidgenössische Zusammenarbeit |Titel=Struktur und Wandel des Schweizer Föderalismus |Datum= |Seiten=3 |Online=https://chstiftung.ch/fileadmin/user_upload/III_Struktur_und_Wandel_des_Schweizer_Foederalismus.pdf |Format=PDF |KBytes=}}</ref> Zunehmend dringt der Bund in Bereiche vor, die eigentlich eine «kantonale Kernkompetenz» sind.<ref>{{Literatur |Autor=Bernhard Waldmann Titel |Titel=Perspektiven des schweizerischen Föderalismus |Sammelwerk=Verfassungsrecht der Schweiz |Auflage=2. |Datum=2020 |Seiten=802 |Fundstelle=N 12}}</ref> Die Zentralisierung ist einer der Hauptgründe, weshalb die Lehre den Föderalismus als den am stärksten gefährdeten staatlichen Grundwert erachtet.<ref>{{Literatur |Autor=Giovanni Biaggini |Titel=Verfassungstheoretische und verfassungspraktische Betrachtungen zur Bundesstaatlichkeit |Sammelwerk=[[Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht]] |Nummer=1 |Datum=2024-01 |Seiten=3–23 |Fundstelle=21}}</ref> |
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Eine Zentralisierung der Aufgaben ist nicht in allen Sachbereichen gleich zu beobachten. Während sie bei der Rechtsetzung am stärksten war und ist, ist sie im fiskalischen und im administrativen Bereich deutlich weniger ausgeprägt. Anders gesagt erfolgt die primäre Rechtsetzung, also der direkte Erlass von Rechtsnormen, immer öfter auf Bundesebene. Die Kantone geniessen jedoch noch immer einen vergleichsweise grossen Spielraum in der Umsetzung dieses Rechts und sind fiskalisch ziemlich autonom.<ref name=":3">{{Literatur |Autor=Paolo Dardanelli, Sean Mueller |Titel=Dynamic De/Centralization in Switzerland, 1848–2010 |Sammelwerk=Publius. The Journal of Federalism |Band=49 |Nummer=1 |Datum=2019-01-01 |ISSN=0048-5950 |Seiten=141 |Sprache=en |DOI=10.1093/publius/pjx056}}</ref> Im Vergleich mit anderen föderalen Staaten kann die Schweiz noch immer als stark dezentralisiertes Land charakterisiert werden.<ref>{{Literatur |Autor=Lucien Müller |Titel=Die schweizerische Bundesverfassung: St. Galler Kommentar |Band=1 |Auflage=4. |Datum=2023 |Seiten=1582 |Fundstelle=N 27}}</ref> |
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Die Bundeszuständigkeiten wachsen kontinuierlich, und oft vermischen sie sich mit kantonalen Aufgaben – dieser Entwicklung vermochte die NFA nicht abzuhelfen. Es sind jedoch nicht nur die immer umfassenderen Kompetenzen des Bundes, die ein zunehmend grösseres Problem darstellen. Sowohl die Bundesverwaltung als auch die Bundesversammlung pflegen die Bundeskompetenzen umfassend auszulegen. Immer häufiger trifft der Bund Regulierungen in Sachbereichen, in denen keine expliziten Vorbehalte für kantonale Zuständigkeiten existieren. Damit wird das Gebot der Einzelermächtigung umgangen.<ref>Tiefenthal: ''«Vielfalt in der Einheit» am Ende?.'' 2021, S. 181</ref> Zentralisierende Effekte gehen auch von zu detaillierten, engmaschigen Anweisungen der Bundesverwaltung an die Kantone aus. Ausserdem fordert das Volk durch Teilrevisionen der Bundesverfassung immer häufiger zentralistische Lösungen (siehe z. B. das [[Eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot»|Verhüllungsverbot]] oder die [[Eidgenössische Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!»|Zweitwohnungsinitiative]]). Allgemein ist eine zunehmende Skepsis gegenüber kantonalen und regionalen Regelungen festzustellen.<ref>{{Literatur |Autor=Lucien Müller |Titel=Die schweizerische Bundesverfassung: St. Galler Kommentar |Band=1 |Auflage=4. |Datum=2023 |Seiten=1583}}</ref> |
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Die Verfassung kann dieser Entwicklung nicht entgegentreten und versagt als Bremse der Zentralisierung, solange sich die Kantone nicht gegen Bundesgesetze (und darauf gestützte Verordnungen) zur Wehr setzen können ({{Art.|190|BV|ch}} BV).<ref>{{Literatur |Autor=Eva Maria Belser |Titel=Föderalismuskonzeption der Bundesverfassung |Sammelwerk=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Datum=2020 |Seiten=678}}</ref> An diesem fehlenden [[Rechtsschutz]] wird auch ersichtlich, dass der Föderalismus der [[Rechtsstaat (Schweiz)|Rechtsstaatlichkeit]] nicht gleichgestellt ist. Die Bürger der Schweiz können per Beschwerde an den [[Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte|Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte]] Menschenrechtsverletzungen geltend machen. Dagegen fehlt ein vergleichbares Instrument, mit dem die Kantone Verletzungen der Subsidiarität oder der Souveränität anfechten könnten.<ref>{{Literatur |Autor=Eva Maria Belser |Titel=Föderalismuskonzeption der Bundesverfassung |Sammelwerk=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Datum=2020 |Seiten=674}}</ref> |
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Die Zentralisierungstendenzen hängen mit verschiedenen Faktoren zusammen. Dazu zählen unter anderem die [[Modernisierung (Soziologie)|Modernisierung]], die die westliche Welt zu Beginn des [[20. Jahrhundert]]s durchlief, die [[Globalisierung]] nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]], aber ebenfalls die zunehmende Identifikation der Bürger mit dem Bund und das zunehmende Verlangen nach einheitlicher, sozialer [[Wohlfahrt]] werden als langfristige Ursachen angesehen.<ref name=":3" /> Im Fall der Schweiz spielte noch ein anderer Faktor eine wesentliche Rolle: Während der Bund in den ersten Jahren nach 1848 verschuldet war, löste er sich von seiner finanziellen Abhängigkeit der Kantone mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Dadurch verloren die Kantone ihre Machtposition dem Bund gegenüber, und durch die Subventionen, die er ihnen erteilte, fielen die Kantone stärker in dessen Abhängigkeit.<ref>Vatter: ''Swiss federalism: the transformation of a federal model''. 2018, S. 178 f.</ref> |
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=== Internationalisierung === |
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Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs prägen Globalisierung und [[Europäisierung (Politikwissenschaft)|Europäisierung]] das Recht und die Politik der Schweiz massgeblich. Zunehmend wird die Rechtsetzung auf eine globale Ebene verlagert. Quantitativ hat das [[Völkerrecht]] das Bundesrecht seit längerer Zeit überholt. Während das Völkerrecht in seinen Anfängen überwiegend Vorgaben über die Gestaltung der Aussenbeziehungen machte, bestimmt es vermehrt Rahmenbedingungen für die innerstaatliche Politik, wodurch das Landesrecht an Gestaltungsmacht einbüsst.<ref>{{Literatur |Autor=Matthias Oesch |Titel=Verfassungswandel durch Globalisierung und Europäisierung |Sammelwerk=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Datum=2020 |Seiten=137 f.}}</ref> |
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Die Aussenpolitik ist die Prärogative des Bundes. Er kann völkerrechtliche Verträge in Bereichen abschliessen, für die innerstaatlich die Kantone zuständig sind, sofern er die Subsidiarität beachtet.<ref>Häfelin, Haller et al.: ''Schweizerisches Bundesstaatsrecht.'' 2020, S. 361.</ref> Da die Rechtsetzung vermehrt auf internationaler Ebene geschieht, geht die Internationalisierung des Rechts mit einem Kompetenzverlust der Kantone einher. Während das Ständemehr auf Landesebene als Bremse der Zentralisierung wirken kann, haben die Kantone keinerlei Einfluss auf die internationale Rechtsetzung – ausser ein völkerrechtlicher Vertrag untersteht dem obligatorischen Referendum, was aber so gut wie nie vorkommt.<ref>{{Literatur |Autor=Giovanni Biaggini |Titel=Verfassungstheoretische und verfassungspraktische Betrachtungen zur Bundesstaatlichkeit |Sammelwerk=Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht |Nummer=1 |Datum=2024-01 |Seiten=3–22 |Fundstelle=14}}</ref> Auf diese Entwicklung reagierte der Verfassungsgeber. Der Bund muss auf die Kantone Rücksicht nehmen sowie ihre Interessen berücksichtigen ({{Art.|54|BV|ch}} BV). Zudem können die Kantone eigene völkerrechtliche Verträge unterzeichnen ({{Art.|55|BV|ch}} BV). Die Kantone reagierten ihrerseits. Im Zentrum steht die 1993 geschaffene ''[[Konferenz der Kantonsregierungen|Konferenz der Kantone]]''. Sie dient den Kantonen als Sprachrohr dem Bund gegenüber; im Idealfall sprechen die Kantone mit einer Stimme.<ref>{{Literatur |Autor=Matthias Oesch |Titel=Verfassungswandel durch Globalisierung und Europäisierung |Sammelwerk=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Datum=2020 |Seiten=149 f.}}</ref> |
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Der Trend zu einer Zentralisierung des Landesrechts, insbesondere des kantonalen Rechts, zugunsten des Völkerrechts wird sich eher verstärken als abnehmen. Bei einer Annäherung der Schweiz an die [[Europäische Union]] wirkt sich negativ aus, dass die Schweiz in [[Brüssel]] ([[Europäischer Rat]], [[Europäisches Parlament|EU-Parlament]]) nicht mitbestimmen kann, da sie nicht in den Rechtsetzungsprozess integriert ist. Den Kantonen fehlt überdies ein direkter Zugang zur EU-Bürokratie, der durch Institutionen abgesichert ist; jede Einflussnahme ihrerseits müsste über den Bund oder informell erfolgen.<ref>{{Literatur |Autor=Matthias Oesch |Titel= Verfassungswandel durch Globalisierung und Europäisierung |Sammelwerk=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Datum=2020 |Seiten=151}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Wolf Linder |Titel=Switzerland and the EU: the puzzling effects of Europeanisation without institutionalisation |Sammelwerk=Contemporary Politics |Band=19 |Nummer=2 |Datum=2013-06 |ISSN=1356-9775 |Seiten=190–202 |Sprache=en |DOI=10.1080/13569775.2013.785830}}</ref> |
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=== Verflechtung der Aufgaben und Zuständigkeiten === |
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Neben der Zentralisierung stellt auch die Verflechtung der Aufgaben eine Herausforderung dar. Es ist zunehmend unklar, ob der Bund für die Erfüllung einer Aufgabe zuständig und verantwortlich ist oder ob es die Kantone sind – insbesondere dort, wo eine Aufgabe von beiden Ebenen finanziert wird. Das sieht man bei den Programmvereinbarungen, die der Bund mit den Kantonen abschliesst und mit denen er die Kantone finanziell bei der Umsetzung des Bundesrechts unterstützt.<ref>{{Literatur |Autor=Bernhard Waldmann |Titel=Perspektiven des schweizerischen Föderalismus|Sammelwerk=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Datum=2020 |Seiten=803}}</ref> Diese Entwicklung ist problematisch, denn sie birgt das Risiko, dass Zuständigkeiten vermischt und Lasten auf die Kantone verschoben werden. Durch die Finanzierung des Bundes erweitert sich sein Einflussbereich, was die Gestaltungsmöglichkeiten der Kantone schwächen kann.<ref>{{Literatur |Autor=Lucien Müller |Titel=Die schweizerische Bundesverfassung: St. Galler Kommentar |Auflage=4. |Datum=2023 |Seiten=1584 f.}}</ref> |
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=== Föderales Ungleichgewicht === |
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In den letzten Jahrzehnten wurden die kantonalen Verhältnisse hinsichtlich der Bevölkerungszahl sowie der Wirtschafts- und Finanzkraft zunehmend uneinheitlicher – noch uneinheitlicher, als sie es zu Zeiten der Bundesstaatsgründung waren. Nun werden vermehrt Stimmen laut, die deswegen die rechtliche Gleichstellung der Kantone kritisieren. Im Fokus steht dabei das [[Volksmehr und Ständemehr|Ständemehr]], das die bevölkerungsschwachen Kantone der Zentral- und der Ostschweiz zulasten der Westschweiz privilegiere und zu einem problematischen Ungleichgewicht der Stimmkraft zwischen den Stimmbürgern führe. Eine Reform und eine mögliche Abschaffung des Ständemehrs zeichnen sich jedoch nicht ab.<ref name=":19" /> Zum einen besteht ein weitgehender Konsens, dass am Ständemehr als einem Grundpfeiler des schweizerischen Föderalismus nicht gerüttelt werden soll. Da ausserdem jede Änderung des gegenwärtigen Zustandes bei der abschliessenden Abstimmung auf das Erreichen des Ständemehrs angewiesen wäre, ist eine Abschaffung dieser Regelung unrealistisch.<ref>{{Literatur |Autor=Giovanni Biaggini |Titel=BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft |Auflage=2. |Datum=2017 |Seiten=1143}}</ref> Zum anderen ist der «Leidensdruck» noch zu gering, was daran liegen dürfte, dass Vorlagen, die vom Volk angenommen werden, nur selten am Ständemehr scheitern. Seit 1891 (Einführung der Volksinitiative auf Teilrevision der Bundesverfassung) sind es insgesamt 10 Vorlagen (Stand: Juni 2024<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bk.admin.ch/ch/d/pore/va/vab_2_2_4_4.html |titel=Am Ständemehr gescheiterte Verfassungsvorlagen |werk=bk.admin |hrsg=Bundeskanzlei |sprache=de |abruf=2023-06-28}}</ref>).<ref name=":19">{{Literatur |Autor=Bernhard Waldmann |Titel=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Datum=2020 |Seiten=805 f.}}</ref> |
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Aus diesem Ungleichgewicht erwachsen auch demokratiepolitische Schwierigkeiten. In der Rechtsetzung auf Bundesebene nimmt die Bedeutung der kleinen Kantone im Vergleich mit den grösseren Kantonen zu. Dadurch kommt es häufiger zu Konflikten zwischen den beiden Grundsätzen, dass jeder Bürger die gleiche Stimme und dass jeder Kanton dasselbe Gewicht hat. Heute könnten theoretisch weniger als 9 % der Bevölkerung (wenn die 11,5 kleinsten Kantone dasselbe Votum abgeben) eine Verfassungsänderung umstossen, die von der Bevölkerungsmehrheit befürwortet wird.<ref>{{Literatur |Autor=Wolf Linder, Adrian Vatter |Titel=Institutions and outcomes of Swiss federalism: The role of the cantons in Swiss politics |Sammelwerk=West European Politics |Band=24 |Nummer=2 |Datum=2001-04 |ISSN=0140-2382 |Seiten=98 |Sprache=en |DOI=10.1080/01402380108425435}}</ref> Dies trägt unter anderem dazu bei, dass föderale Lösungen in der Schweiz zunehmend an Akzeptanz verlieren.<ref>{{Literatur |Autor=Thea Bächler, Angelika Spiess |Titel=Föderalismus: Auslauf- oder Zukunftsmodell? |Sammelwerk=Newsletter Institut für Föderalismus |Datum=2016-04 |Seiten=4 |Online=https://www.unifr.ch/federalism/de/assets/public/files/Newsletter/IFF/16_4_2_Foederalismus_%20Auslauf_oder_Zukunftsmodell.pdf}}</ref> |
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=== Ökonomisierung === |
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In den 1990er Jahren setzte eine Tendenz ein, die staatliche Aufgabenerfüllung nur nach der Wirtschaftlichkeit zu beurteilen ([[Öffentliche Reformverwaltung|New Public Management]]). Die Effizienz wird seitdem zunehmend zum alleinigen Massstab erhoben, welche Ebene eine Aufgabe erfüllen soll. Dieser Paradigmenwechsel bedroht den Föderalismus, denn davon können zentralisierende Effekte ausgehen, die die Subsidiarität missachten.<ref>{{Literatur |Autor=Lucien Müller |Titel=Die schweizerische Bundesverfassung: St. Galler Kommentar |Band=1 |Auflage=4. |Datum=2023 |Seiten=1585}}</ref> Der Effizienzdruck birgt auch die Gefahr, dass Lasten vom Bund auf die Kantone und von den Kantone auf die Gemeinden abgeschoben werden, was im Hinblick auf die fiskalische Äquivalenz problematisch ist. Durch diese Ökonomisierung wird der Wettbewerb zwischen den Kantonen zusätzlich angeheizt, wodurch die bundesstaatliche Solidarität geschwächt werden könnte.<ref>{{Literatur |Autor=Bernhard Waldmann |Titel=Verfassungsrecht der Schweiz |Band=1 |Datum=2020 |Seiten=806 f.}}</ref> |
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== Literatur == |
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=== Historisch === |
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* {{HLS|46249|Föderalismus|Autor=Rainer J. Schweizer, Ulrich Zelger}} |
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* [[Alfred Kölz]]: ''Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte.'' |
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** {{Literatur |Titel=Ihre Grundlinien vom Ende der Alten Eidgenossenschaft bis 1848 |Band=1 |Verlag=Stämpfli |Datum=1992 |ISBN=978-3-7272-9380-1}} |
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** {{Literatur |Titel=Ihre Grundlinien in Bund und Kantonen seit 1848 |Band=2 |Verlag=Stämpfli |Ort=Bern |Datum=2004 |ISBN=978-3-7272-9455-6}} |
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* {{Literatur |Autor=Dieter Freiburghaus, Felix Buchli |Titel=Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964 |Sammelwerk=Swiss Political Science Review |Band=9 |Nummer=1 |Datum=2003-04 |DOI=10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x}} |
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=== Staatsrechtlich === |
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*[[Pierre Tschannen]]: ''Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 5. Auflage. [[Stämpfli AG|Stämpfli]], Bern Juni 2021, ISBN 978-3-7272-8928-6, S. 241–379. |
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*[[Giovanni Biaggini]]: ''BV Kommentar. Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft.'' 2. Auflage. [[Orell Füssli]], Zürich 2017, ISBN 978-3-280-07320-9. |
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* [[Oliver Diggelmann]], [[Maya Hertig Randall]], [[Benjamin Schindler]] (Hrsg.): ''Verfassungsrecht der Schweiz / Droit constitutionnel suisse.'' Band 1. Schulthess. Zürich/Basel/Genf 2020, ISBN 978-3-7255-7995-2, S. 531–815. |
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* [[Andreas Auer]]: ''Staatsrecht der schweizerischen Kantone.'' 1. Auflage, Stämpfli, Bern 2016, ISBN 978-3-7272-3217-6. |
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* [[Jürg Marcel Tiefenthal]]: ''«Vielfalt in der Einheit» am Ende? Aktuelle Herausforderungen des schweizerischen Föderalismus.'' EIZ, Zürich 2021, ISBN 978-3-03805-402-3. |
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=== Politikwissenschaftlich === |
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* [[Adrian Vatter]]: ''Das politische System der Schweiz.'' 4. Auflage, [[Nomos Verlag|Nomos]], Baden-Baden 2020, ISBN 978-3-8487-6564-5, S. 431–480. |
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* Adrian Vatter: ''Swiss federalism: the transformation of a federal model''. 2018, ISBN 978-1-138-29427-1 |
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* {{Literatur |Autor=Andreas Ladner |Online=http://www.andreasladner.ch/dokumente/Eigene%20Arbeiten/Ladner_Mathys_2018_F%C3%B6deralismus.pdf |Titel=Überlegungen und empirische Befunde zur territorialen Gliederung und der Organisation der staatlichen Aufgabenerbringung in der Schweiz |Format=PDF |KBytes=6000 |Verlag=IDHEAP |Ort=Lausanne |Datum=2018 |ISBN=978-2-940390-90-8}} |
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* {{Literatur |Autor=Rahel Freiburghaus |Titel=Lobbyierende Kantone. Subnationale Interessenvertretung im Schweizer Föderalismus |Verlag=Nomos |Ort=Bern |Datum=2024 |Reihe=Politik und Demokratie in den kleineren Ländern |BandReihe=19 |ISBN=978-37560-1408-8 |Kommentar=[https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783748919483/lobbyierende-kantone?page=1 Open Access]}} |
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* {{Literatur |Autor=Paolo Dardanelli, Sean Mueller |Titel=Dynamic De/Centralization in Switzerland, 1848–2010 |Sammelwerk=Publius. The Journal of Federalism |Band=49 |Nummer=1 |Datum=2019-01-01 |ISSN=0048-5950 |DOI=10.1093/publius/pjx056}} |
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== Weblinks == |
== Weblinks == |
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* {{Internetquelle |url=https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/staat/foederalismus.html |titel=Föderalismus |hrsg=Bundesamt für Justiz |abruf=2023-01-10 |abruf-verborgen=1}} |
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* [http://www.geschichte-schweiz.ch/bundesstaat.html Die Entstehung des Schweizerischen Bundesstaats] |
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* {{Internetquelle |url=https://www.unifr.ch/federalism/de/ |titel=Institut für Föderalismus |hrsg=Universität Freiburg |abruf=2023-01-10 |abruf-verborgen=1}} |
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** [https://www.unifr.ch/federalism/de/forschung/literatur-ch-foderalismus.html Zusammentragung der relevantesten Literatur und Rechtsprechung zum Föderalismus] |
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* [https://www.ipw.unibe.ch/ueber_uns/personen/vatter/forschungsschwerpunkte_und_forschungsprojekte/foederalismus/index_ger.html Institut für Politikwissenschaft der Universität, Forschung und Publikationen zum Föderalismus] |
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== Einzelnachweise == |
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<references responsive /> |
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{{SORTIERUNG:Foderalismus In Der Schweiz}} |
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{{Exzellent|15. Juli 2023|235506716}} |
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[[Kategorie:Föderalismus in der Schweiz| ]] |
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[[Kategorie: |
[[Kategorie:Schweizerische Politikgeschichte]] |
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[[Kategorie:Staatsrecht (Schweiz)]] |
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[[Kategorie:Politik (Schweiz)|!Politik (Schweiz)]] |
Aktuelle Version vom 20. Juni 2025, 14:56 Uhr
Der Föderalismus gehört zu den Grundpfeilern der schweizerischen Staatsordnung. Das föderalistische System ist aus drei Ebenen aufgebaut: Zuoberst steht der Bund, dann die Kantone und schliesslich die Gemeinden. Wie in einem Bundesstaat üblich werden die Staatsaufgaben auf die drei Staatsebenen aufgeteilt. Diese Aufgabenteilung beruht auf dem Prinzip der Subsidiarität: Eine Aufgabe darf nur dann von einer höheren Instanz übernommen werden, wenn sie die Kraft der unteren Stufe übersteigt. Im Idealfall führt das zu Gesetzen und Regelungen, die auf lokale Bedürfnisse zugeschnitten sind, was einerseits deren Akzeptanz erhöhen und anderseits eine fruchtbare Konkurrenz zwischen Kantonen und Gemeinden um niedrigere Steuern, effizientere öffentliche Verwaltung und andere Standortvorteile bewirken soll. Neben der Subsidiarität sieht die Bundesverfassung ein System der Einzelermächtigung vor. Der Bund übernimmt nur jene Aufgaben, die ihm von der Verfassung zugeschrieben werden; alle anderen kommen automatisch den Kantonen zu.

Der Schweizer Föderalismus ist durch die weitreichende Autonomie der Gliedstaaten (Kantone) geprägt. Die Kantone verfügen über voll ausgebaute staatliche Strukturen und damit über eigene politische Institutionen für die Exekutive (ausführende Gewalt), die Legislative (gesetzgebende Gewalt) und die Judikative (rechtsprechende Gewalt). Quantitativ ist es die wichtigste Aufgabe der Kantone, das Recht, das auf Bundesebene geschaffen wird, umzusetzen, wobei ihnen möglichst viel Freiheit eingeräumt werden soll. Die Autonomie existiert aber immer nur im Rahmen des Bundesrechts. Den Gemeinden kommt ebenfalls Autonomie zu, deren Ausprägung das kantonale Recht bestimmt.
Die Kantone verfügen über umfassende Mitwirkungsrechte auf Bundesebene: Bei jeder Änderung der Bundesverfassung haben die Kantone das Recht, ein Veto einzulegen; auf Bundesebene existiert ein Parlament aus zwei Kammern, deren eine die Kantone repräsentieren soll (Ständerat); sie können eine Standesinitiative oder ein Kantonsreferendum ergreifen; und sie wirken an der Rechtsetzung im Bund mit (Vernehmlassung). Die Verfassung geht von einer grundsätzlichen Gleichstellung der Kantone aus.
Ein Wesensmerkmal des Schweizer Föderalismus ist die intensive Zusammenarbeit innerhalb und zwischen den Staatsebenen. Sowohl die vertikale (Bund–Kantone, Kantone–Gemeinden) als auch die horizontale Kooperation (Kantone–Kantone, Gemeinden–Gemeinden) ist im internationalen Vergleich stark ausgeprägt. Dadurch versuchen die Kantone, dem Schwinden ihres Einflusses auf Bundesebene entgegenzuwirken.
Seit geraumer Zeit ist der Föderalismus mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, weshalb er von Teilen der Lehre als das am stärksten gefährdete Strukturprinzip erachtet wird. Vor allem die schleichende Zentralisierung, also die zunehmende Übernahme von eigentlich kantonalen Aufgaben durch den Bund, stellt ein Problem dar. Mit dem Abschluss interkantonaler Konkordate versuchen die Kantone, dem entgegenzuwirken. Die Zentralisierung erfolgt aber nicht nur innerstaatlich. Immer häufiger werden die Politik und die Rechtsetzung auf eine neue, internationale Ebene verlagert, wodurch der Bund, der über umfassende Kompetenzen im Bereich der völkerrechtlichen Verträge verfügt, immer mehr Bereiche regelt.
Der Föderalismus im politischen System der Schweiz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der föderale Staatsaufbau bildet eines der Kernelemente des politischen Systems der Schweiz, er wird zum Teil sogar als das tragende und identitätsstiftende Element angesehen.[1]
Die zentralen Funktionen des Föderalismus in der Schweiz werden mit den Phrasen «Einheit in der Vielfalt» (d. h. Vereinigung unterschiedlicher Völker und Regionen unter einer gemeinsamen Verfassung) und «Vielfalt in der Einheit» (d. h. Minderheitenschutz im demokratischen System) umschrieben.[2] Minderheiten soll nicht nur das Recht auf Selbstverwaltung zugesichert, sondern es soll verhindert werden, dass sich Mehrheiten im Gesamtstaat über sie hinwegsetzen.[3] Der Föderalismus dient ausserdem zur vertikalen Machthemmung und zur Stärkung der Demokratie, indem die Stimmberechtigten in den Gliedstaaten politisch partizipieren können; er führt zur bürgernahen Entscheidungsfindung und schafft dadurch höhere Legitimität für staatliches Handeln.[2]
Der Föderalismus basiert auf der Anerkennung der Unterschiedlichkeit und der Eigenständigkeit der Kantone. Diese Anerkennung zeigt sich in der Verfassung, ist in Institutionen und im Parteiensystem festgeschrieben und wird in der politischen Kultur gelebt.[4] Die Schweiz ist anders als Deutschland keine Kultur-, sondern eine Willensnation. Der Bundesstaat fusst auf dem Zusammenschluss heterogener Einheiten. Jede unilaterale Durchsetzungsstrategie wäre hier von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. In Deutschland ist die Dezentralisierung und Autonomie der Gliedstaaten weniger wichtig, demgegenüber spielen die Integration und die Gleichheit der Lebensbedingungen eine grosse Rolle. Nach Dietmar Braun, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Lausanne, «wählten [die Kantone] die Autonomie und Nicht-Zentralisierung zur Bewahrung ihrer Identität, während die Länder der Bundesrepublik die Strategie der Kontrolle und Teilhabe an bundespolitischen Entscheidungen voranstellten.»[5]
Der Föderalismus ist als politische Struktur zum Schutz einer multikulturellen Gesellschaft zu verstehen. Historisch bedingt ist die kommunale und kantonale Verwurzelung in der Schweiz sehr stark – viel stärker als in Deutschland, da die Bundesländer «ja mehrheitlich politisch artifizielle Gebilde darstellen.»[6]
Historische Entwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Alte Eidgenossenschaft (1291–1798)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Schweizerische Eidgenossenschaft entstand im 14. bis 16. Jahrhundert durch den Zusammenschluss von Städten und Länderorten.[7] Dieser Zusammenschluss war äusserst stabil, da die eingegangenen Bünde als unbefristet und unkündbar galten; zugleich war das Bündnis aber lose, da jeder Ort umfassende Selbstständigkeit beanspruchte.[8] Ab 1353 bestand die Eidgenossenschaft aus acht, von 1513 bis zu ihrem Untergang 1798 aus dreizehn vollberechtigten Kantonen sowie aus einigen zugewandten Orten und gemeinen Herrschaften.[9]
Obschon der Begriff selber nicht verwendet wurde, war das staatsrechtliche Denken der Eidgenossen genuin föderalistisch. Bis 1648 war die Schweiz in das Heilige Römische Reich eingegliedert, und die Kantone waren daher nur bedingt eigenständig. Erst mit dem Westfälischen Frieden erlangten sie ihre Souveränität. Die staatsrechtliche Einordnung der Schweiz zu dieser Zeit ist aber schwierig: Einerseits wurden die Dreizehn Alten Orte als souveräne Einheit angesehen (Corpus Helveticum), andererseits beanspruchten die einzelnen eidgenössischen Orte Souveränität. Während die Schweiz nach aussen ihre staatliche Eigenständigkeit erfolgreich behauptete und dabei durchaus geschlossen auftrat, wachten die eidgenössischen Orte im Inneren über ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Die Eidgenossenschaft war somit nicht als Staatenbund anzusehen – dafür war die Bindung der Orte untereinander zu eng und ihr Auftreten zu geschlossen. Sie war aber auch nicht als Bundesstaat einzustufen, denn dazu pochten die Orte zu sehr auf ihre Souveränität.[8]
Das Ringen um die föderale Ordnung (1798–1848)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Helvetik und Mediation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Einfall der Franzosen 1798 beendete das Ancien Régime. Am 12. April 1798 trat die von Frankreich aufgezwungene Verfassung in Kraft, eine Adaptation der französischen Direktorialverfassung. So entstand die Helvetische Republik. Die Helvetische Verfassung machte aus der Alten Eidgenossenschaft einen nationalen Einheitsstaat, der auf den Prinzipien der Rechtsgleichheit, der Volkssouveränität und der Gewaltenteilung beruhte.[10]
Die Debatte um den Föderalismus, die ihren Ursprung in den britischen Kolonien Nordamerikas hatte, war in den 1780er- und 1790er-Jahren auch in der Schweiz angekommen; mit der französischen Invasion nahm sie aber eine Wende. Während zuvor unter Föderalismus der engere Zusammenschluss der Orte und die Schaffung einer wirksamen Zentralgewalt verstanden wurde, war er um 1800 jene Bezeichnung für die politische Richtung, die den helvetischen Einheitsstaat bekämpfte. Die Bandbreite der Föderalisten war damals gross. Die Gemässigten befürworteten zum Beispiel die neu eingeführten Individualrechte. Es gab aber auch restaurative Kräfte, die die Helvetische Republik abschaffen und zum Ancien Régime zurückkehren wollten.[11]
Nachdem 1802 die letzten französischen Truppen die Schweiz verlassen hatten, wurde die Helvetische Republik 1803 aufgelöst. Zur Eidgenossenschaft kamen die zugewandten Orte Graubünden und St. Gallen sowie die ehemaligen Untertanengebiete Aargau, Tessin, Thurgau und Waadt als eigenständige Kantone. Die folgende Zeit bis zum Wiener Kongress 1815 wird als Mediation bezeichnet. In der Mediationsakte, der Verfassung der Mediation, machte sich Napoléon einige Argumente der Föderalisten, seiner einstigen Gegner, zu eigen und kodifizierte sie in der Verfassung.[12] Darauf gründet der schweizerische Föderalismusbegriff, der bis heute den Akzent auf eine möglichst dezentrale, örtlich verwurzelte Staatsstruktur und somit auf einen schwachen Zentralstaat setzt. Dem entgegen steht das angelsächsische Federalism, das die Integration der Gliedstaaten in den Bund in den Vordergrund rückt.[11]
«Je mehr ich über die Beschaffenheit Eueres Landes nachgedacht habe, desto stärker ergab sich für mich aus der Verschiedenheit seiner Bestandtheile die Überzeugung der Unmöglichkeit, es einer Gleichförmigkeit zu unterwerfen; alles führt Euch zum Föderalismus hin. […] Wie wolltet Ihr eine Central-Regierung bilden? […] Schon einen tüchtigen Landammann zu finden, würde Euch schwer genug fallen. […] Ich [würde] mich für unfähig halten, die Schweizer zu regieren. Wäre der erste Landammann von Zürich, so wären die Berner unzufrieden; wählt Ihr einen Berner, so schimpfen die Zürcher. Wählt Ihr einen Protestanten, so widerstreben alle Katholiken, und so wieder umgekehrt.»
Restauration und Regeneration
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Wiener Kongress brachte eine neue Ordnung in Europa. Die Vertreter der Heiligen Allianz wollten aus der Schweiz einen neutralen, militärisch gestärkten Pufferstaat zwischen den Grossmächten Frankreich und Österreich schaffen. Der Kongress bekräftigte die Integrität und Souveränität der 19 Schweizer Kantone. Die ehemaligen zugewandten Orte Wallis, Genf und das preussische Fürstentum Neuenburg wurden als Kantone der Schweiz angegliedert, was die Zahl der Kantone auf 22 erhöhte.[13]
Mit dem Bundesvertrag von 1815 wurde das einheitsstaatliche Element noch weiter zurückgedrängt als schon in der Mediation. Während dieser sogenannten Restauration war die Schweiz – wie bereits während der Mediation – ein Staatenbund. Die Restauration hatte zur Folge, dass viele Kantone zu ihren alten Ordnungen zurückkehrten: Verfassungen wurden aufgehoben, die politischen Rechte der Bürger beschränkt und die Herrschaft des städtischen Patriziats wieder hergestellt. Ein vollständiger Rückgang zu den alten Zuständen vor der «Franzosenzeit» war jedoch nicht mehr möglich. Bereits Mitte der 1820er-Jahre erstarkten vielerorts erneut die liberalen Kräfte, und die konservativen Regierungen sahen sich zunehmender Kritik ausgesetzt.[11]
Eine Verfassungs- und Föderalismusdiskussion setzte verstärkt erst wieder in der Regeneration der 1830er-Jahre ein, wobei die amerikanische Verfassung jetzt selbstverständlicher Gegenstand des politischen Diskurses wurde. In der Schweiz beabsichtigten besonders die Liberalen einen engeren Zusammenschluss der Stände. Sie strebten im Zuge der aufkommenden Industrialisierung einen gemeinsamen Wirtschaftsraum an und verlangten deshalb, dass Verkehrswege, Zölle und Masseinheiten einheitlich geregelt werden sollten.[14]
Geburtsstunde des Bundesstaates
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit der Bundesverfassung von 1848 vollzog die Alte Eidgenossenschaft den Schritt von einem losen Staatenbund zu einem Bundesstaat. Der Bundesverfassung ging mit dem Sonderbundskrieg ein Bürgerkrieg voraus, bei dem sich die liberalen Kantone, die eine stärkere Zentralisierung anstrebten, gegen die katholisch-konservativen durchsetzten, die als Föderalisten die kantonale Souveränität verteidigten. Dennoch war die Bundesverfassung von 1848 kein Siegerdiktat, sondern ein Ausgleich zwischen zentralistischen und föderalen Bestrebungen, wobei die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Kantone gewahrt wurde. Dieser föderalistische Verfassungskompromiss ermöglichte eine Abschwächung der Spannungen, die wegen des erst kurz zurückliegenden Bürgerkrieges noch schwelten.[15]
«Art. 1. Die durch gegenwärtigen Bund vereinigten Völkerschaften der zwei und zwanzig souveränen Kantone [...].
Art. 2. Der Bund hat zum Zwek: Behauptung der Unabhängigkeit des Vaterlandes gegen Außen, Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innern, Schuz der Freiheit und der Rechte der Eidgenossen und Beförderung ihrer gemeinsamen Wohlfahrt.
Art. 3. Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist, und üben als solche alle Rechte aus, welche nicht der Bundesgewalt übertragen sind.»
Mit der Annahme der Bundesverfassung wurden Kompetenzen von den Kantonen an den Bund übertragen, zum Beispiel in der Aussenpolitik, beim Zoll-, Post- und Münzwesen, bei den Massen und Gewichten (auf der Basis des Konkordats von 1835) sowie beim Militär. Ebenso wurden die Binnenzölle, die zuvor zwischen den Kantonen existiert hatten, abgeschafft und die Aussenzölle vereinheitlicht.[15] Die Unterschiede gegenüber der Zeit des Staatenbundes waren indes gering; die Schweiz war «extrem dezentralisiert».[16] Die Kantone blieben quasi souveräne Körperschaften. Wegen des Prinzips der Einzelermächtigung mussten alle Bundeskompetenzen einzeln in der Verfassung stehen. Und selbst in jenen Bereichen, deren Regelung dem Bund oblag, war er nicht eigenständig. Das ist zum Teil auf die beschränkten Mittel zurückzuführen, denn dem Bund fehlte es an Personal und Strukturen, um die Aufgaben zu erfüllen. Deswegen gehen einige Historiker – namentlich Daniel Speich Chassé – so weit zu sagen, die Bundesverfassung von 1848 stelle gar nicht die oft behauptete Zäsur dar.[17][18]
Viele Liberale erachteten die Bundesverfassung von 1848 als unzureichend. Sie monierten die übertriebene Kompromisshaftigkeit und die zu schwache Zentralmacht. Einige liberale Reformbemühungen, die wegen der Mehrheitsfindung 1848 zurückgestellt worden waren, flammten in den 1860er-Jahren wieder auf.[19] Im Jahr 1866 strebte die Bundesversammlung die erste Verfassungsrevision an, um sowohl weitere Individualrechte zu garantieren als auch neue Bundeskompetenzen einzuführen. Acht der neun Vorlagen scheiterten allerdings entweder am Volks- oder am Ständemehr; eine Ausnahme bildete die Niederlassungsfreiheit der Juden (siehe Volksabstimmungen in der Schweiz 1866). Die verbreitete Ablehnung lässt sich darauf zurückführen, dass es noch kein fakultatives Referendum gab. Viele Bürger, vor allem in der Westschweiz, befürchteten deswegen, dass zu viel der Gesetzgebung überlassen werde, auf die man keinen Einfluss hatte.[20]
Totalrevision von 1874 bis zum Ersten Weltkrieg
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine substantielle Zentralisierung brachte erst die Verfassungsrevision von 1874. Ein umfassender, weitreichender Vorschlag zu einer neuen Bundesverfassung kam schon 1872 zur Abstimmung, er wurde jedoch abgelehnt. Das Scheitern vieler liberal-radikaler Anliegen sowohl im Jahr 1866 als auch im Jahr 1872 führte dazu, dass ein unverändert grosser Reformwille bestand, sodass die Bundesversammlung noch im Dezember 1872 den Bundesrat beauftragte, eine Botschaft für eine Totalrevision der Bundesverfassung auszuarbeiten.[21]
Anders als 1872 hatten die zentralistischen Kräfte das Momentum auf ihrer Seite. Dass das Erste Vatikanische Konzil 1870 die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes zum Dogma erhob, führte zu immer schärferen Auseinandersetzungen zwischen dem Staat und der katholischen Kirche, dem Kulturkampf. Deshalb wechselten einige Kantone, die sich 1872 noch gegen die Vorlage ausgesprochen hatten, 1874 die Seite. Das Volk hatte zwei Jahre zuvor die Vorlage beinahe gutgeheissen (49,5 % Ja-Stimmen). Es galt, die konservativen Kantone zu überzeugen – was den Liberalen dann auch gelang. Am 19. April 1874 stimmten 63,2 Prozent der Stimmberechtigten und 15 Stände der neuen Verfassung zu. Unter anderem wurde das Heer in die Hände des Bundes gelegt, denn der Deutsch-Französische Krieg (1870–1871) hatte den Schweizern aufgezeigt, dass ihre zusammengewürfelte Streitmacht nicht fähig war, sich eines Aggressors zu erwehren.[22] Überdies wurden das fakultative Gesetzesreferendum und die Grundlage für die zunehmende Rechtsvereinheitlichung geschaffen. Erst dieser Übergang von der repräsentativen zur direkten Demokratie nach 1874 ermöglichte die Aussöhnung mit dem konservativen Lager, das im Sonderbundskrieg unterlegen war und deshalb den Bundesstaat anfänglich abgelehnt hatte. Seither gilt die Bundesstaatlichkeit auch in den Augen der Konservativen als Garantin des Föderalismus.[23]
Zwischen 1874 und 1891 wurden die Bundeskompetenzen sukzessive ausgebaut. In dieser Zeit nutzten vor allem die Katholisch-Konservativen aber auch das Veto-Potential des Referendums in den sogenannten Referendumsstürmen: Zwei Drittel der fakultativen Referenden waren erfolgreich (die Vorlage wurde abgelehnt) – und zwar überwiegend jene gegen Vorhaben, die zu einer stärkeren Zentralisierung geführt hätten.[24] Deshalb musste die von den Radikalen und den Liberalen beherrschte Bundesversammlung die obstruktiven Katholisch-Konservativen einbinden, indem sie 1891 ihren führenden Kopf Josef Zemp in den Bundesrat wählte. Dadurch beruhigte sich die Situation. Danach wurde ein grosser Teil der Gesetzesvorhaben durchgewunken, und die Föderalisten vermochten der zunehmenden Zentralisierung, zum Beispiel der Eisenbahn, nicht Einhalt zu gebieten. Daher konsolidierte sich der Schweizer Bundesstaat in den darauffolgenden Jahren bis zum Ersten Weltkrieg.[25]
In dieser von Prosperität und Fortschrittsglauben geprägten Zeit integrierte sich die Schweiz in die Weltwirtschaft. Aufgrund der Industrialisierung liessen sich immer mehr Aufgaben nicht innerhalb der Kantonsgrenzen erfüllen. Daher fielen neue Aufgaben in die Zuständigkeit des Bundes.[26] Er erhielt das Notenbankmonopol, die Kompetenz zur Rechtsvereinheitlichung im Zivil- und im Strafrecht sowie die Zuständigkeit bei der Krankenversicherung.[27] Diese Vorhaben konnten realisiert werden, da sich neu ein System der Konkordanzdemokratie in der Schweiz entwickelte, dank dem sich die Konservativen allmählich in den Bundesstaat integrierten. Das Majorzwahlsystem für den Nationalrat garantierte den Freisinnigen jedoch noch immer eine Übermacht, weshalb die anderen Gruppen weiterhin mit Initiativen und Referenden ihre Interessen verfochten.[28]
Kriege und Krisenzeit (1914–1945)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Zeit zwischen dem Ausbruch des Ersten und dem Ende des Zweiten Weltkriegs war von Kriegen, Wirtschafts- und Gesellschaftskrisen geprägt. Wenngleich die Schweiz nicht militärisch in die beiden Weltkriege involviert war, kam sie nicht unbeschadet davon. Betrachtet man den Föderalismus im Speziellen, ergeben sich zwei Teilphasen, die je 15 Jahre umfassen. In der Zeit von 1914 bis 1930 spielte der Föderalismus nur eine untergeordnete Rolle und fand im gesellschaftlichen Diskurs keine grosse Beachtung; der Fokus lag auf anderen Themen. Es gab Konflikte zwischen der West- und der Deutschschweiz, die in vielen Angelegenheiten divergierende Ansichten hatten. Auch führte die 1918 angenommene Initiative für eine Proporzwahl des Nationalrates zu einer Verschiebung der politischen Machtverhältnisse, nachdem bis dahin die Freisinnigen dominiert hatten. Der Diskurs um den Föderalismus hatte da keinen Platz.[29]
Die Weltwirtschaftskrise ergriff zwischen 1931 und 1936 auch die Schweiz. Nach der erstmaligen Abwertung des Schweizer Frankens und aufgrund der Aufrüstung vor allem im Dritten Reich kam es dann zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation, was zur Entspannung zwischen Arbeit und Kapital beitrug. Auf die Bedrohung durch den Aufstieg des Faschismus in Italien und des Nationalsozialismus in Deutschland antwortete die Schweiz mit einem breiten Zusammenschluss in der Mitte. Schon 1929 war der erste Vertreter der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei in den Bundesrat aufgenommen worden. Die Sozialdemokraten brachten sich nach der Trennung von den Kommunisten 1920/21[30] ebenfalls in den bürgerlichen Staat ein.[31] Das bereitete die Wahl des ersten sozialdemokratischen Bundesrates im Jahr 1943 vor. Aufgrund dieses nationalen Zusammenschlusses hatte der Föderalismus nie mehr die Bedeutung wie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zuweilen wurde er noch von verschiedenen Seiten instrumentalisiert; eine treibende Kraft war er aber nicht mehr.[32]
Nachkriegszeit und Wirtschaftsboom
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sah sich die Schweiz zwar unversehrt, jedoch international weitgehend isoliert. Die alliierten Mächte hatten kein Verständnis für die Schweizer Neutralität. Der Aufstieg des Kommunismus beendete jedoch diese unbequeme Situation. National war der Bund während der Krisen- und Kriegszeit zu einem zentralen Faktor der gesellschaftlichen Integration geworden. Auch die Bürgerlichen akzeptierten deshalb seine lenkenden Eingriffe in allen Bereichen.[33]
Als Folge der liberalen Wirtschaftspolitik der USA kam es zu einem noch nie dagewesenen Wirtschaftswachstum (Nachkriegsboom), von dem die Schweiz ausgesprochen profitierte. Diese Entwicklung führte aber auch zu massiven gesellschaftlichen Veränderungen. Es folgte eine Phase der Bevölkerungszunahme, Urbanisierung, Mobilität und Pluralisierung. Diese Modernisierungsprobleme forderten Lösungen durch den Staat, und zwar, weil sie sich kaum an die Kantonsgrenzen hielten, durch den Bund.[34] Waren bis dahin vor allem die ordnenden Funktionen des Bundes entscheidend (Schaffung von Bundesrecht und eines gemeinsamen Wirtschaftsraums), so spielten in der Nachkriegszeit die gestaltenden Bundesaufgaben eine immer grössere Rolle.[35]
Die meisten dieser Aufgaben konnten gar nicht von den Kantonen übernommen werden, da sie einer flächendeckenden Regelung bedurften. Das betraf zum Beispiel den stetigen Zustrom an ausländischen Arbeitern, die Atomenergie, den Umweltschutz oder die Grundlagen der Raumplanung. Deshalb wurde in raschem Rhythmus die Verfassung revidiert, um dem Bund die nötigen Kompetenzen zu verschaffen. Wichtig waren so die Wirtschaftsartikel von 1947, die dem Bund viele wirtschaftspolitische Kompetenzen übertrugen.[34]
Anstatt neue Bundesorgane zu schaffen – was kaum mit der schweizerischen Tradition vereinbar gewesen wäre –, betraute der Bund die Kantone immer mehr mit der Umsetzung der Gesetz- und Verfassungsgebung (siehe Vollzugsföderalismus),[34] denn im Unterschied zu anderen Föderationen (z. B. den USA) verfügt er über keine Vollzugsbeamten. Die Kantone wurden zwar finanziell unterstützt, sie mussten aber für Kosten aufkommen, derer sie sich gar nicht entziehen konnten; so trugen sie die Hauptlast der neuen Aufgaben. Diese zahlreichen am Einzelfall orientierten Verfassungsrevisionen führten zum kooperativen Föderalismus, aber eben auch zu einer Politikverflechtung mit dem Problem fehlender Verantwortlichkeit.[36]
Neugestaltung des Finanzausgleiches und der Aufgabenteilung (NFA)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schon wenige Jahre nach Inkrafttreten des Finanzausgleichs von 1958/59 wurden in Anbetracht der wachsenden Aufgabenverflechtungen Rufe nach einer Neugestaltung der Aufgabenverteilung laut. Über die Jahre hatte sich ein verwobenes System von Zuschlägen und Subventionen entwickelt. Neben den Finanztransfers, die im Rahmen des Finanzausgleichs aus Steueranteilen anfielen, richtete der Bund in zahlreichen Politikbereichen Zuschüsse an die Kantone aus. So wurde dem Bund de facto immer mehr Verantwortung – auch in an sich kantonalen Zuständigkeitsbereichen – übertragen. Hinzu kam, dass auch de iure (durch Verfassungsrevisionen) eine Aufgabenverlagerung hin zum Bund stattgefunden hatte. In zahlreichen Lebensbereichen wurden neue Bundeskompetenzen geschaffen. Die wachsende Unzufriedenheit angesichts der mangelhaften Aufteilung der Aufgaben und ihrer Finanzierung mündete im Jahr 2001 in die Neugestaltung des Finanz- und Lastenausgleichs, kurz NFA.[37]
Im Jahr 2004 nahmen Volk und Stände die Vorlage an. Es handelte sich um die bisher weitreichendste Föderalismus-Reform seit der Gründung des Bundesstaates. Die NFA trat 2008 in Kraft und sah im Wesentlichen vier Hauptmassnahmen vor: Es wurde ein Finanzausgleich geschaffen, der jedem Kanton ein Mindestmass an finanziellen Mitteln (86,5 % des nationalen Durchschnitts) gewähren soll, sowie ein Lastenausgleich für Kantone, die Sonderlasten zu tragen haben. Zudem wurde eine Entflechtung der Aufgaben vorgenommen. Sechs der 31 Gemeinschaftsaufgaben, die zuvor existiert hatten, waren fortan Sache des Bundes, 15 wurden in die Hände der Kantone gelegt. Dennoch gibt es Verbundaufgaben (siehe Gemeinsame Aufgabenerfüllung durch Bund und Kantone), beispielsweise bei der Krankenversicherung. Ausserdem kann der Bund die Kantone verpflichten, gewisse Aufgabenbereiche mithilfe von interkantonalen Konkordaten zu regeln (siehe Art. 48a BV). Das geschieht auf Antrag der Kantone und soll die horizontale, d. h. interkantonale Zusammenarbeit verstärken.[38][39] Diese neue Verfassungsnorm wird jedoch von Teilen der Staatsrechtslehre kritisiert.[40][41]
COVID-19-Pandemie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der COVID-19-Pandemie wurde der schweizerische Föderalismus einer grundlegenden Prüfung unterzogen. Die Pandemie verdichtete die horizontale und die vertikale innerstaatliche Zusammenarbeit (siehe den Hauptartikel Kooperativer Föderalismus). Insgesamt erwies sich die schon bestehende intensive föderale Zusammenarbeit als Trumpf bei der Pandemiebekämpfung.[42]
Zwar obliegt den Kantonen grundsätzlich die Regelung des Gesundheitswesens. Für den Fall, dass eine Infektionskrankheit bundesweit ausbrechen sollte, sieht das Epidemiengesetz aber gemäss einer dreistufigen Gefahrenlage verschiedene Massnahmen vor. Während der Bund in der nicht-epidemischen Lage den Kantonen keine Massnahmen vorschreiben kann, ist der Bundesrat befugt, in der «besonderen Lage» nach Konsultation der Kantone Massnahmen zu verhängen, um die weitere Ausbreitung zu verhindern.[43] Bevor die Landesregierung über einschneidende Massnahmen entschied, wurden in dieser Phase die Konferenz der Kantonsregierungen und die Gesundheitsdirektorenkonferenz konsultiert; beiden Organen steht ein permanenter Sitz im Koordinationsorgan Epidemiengesetz zu (Art. 82 lit. g. EpV). Während der «ausserordentlichen Lage» verzichtete der Bund aber ganz auf die Konsultation der Kantonen.[44] Es gab jedoch intensiven direkten Kontakt zwischen einzelnen Kantonen und dem Bund. So ersuchte der Kanton Tessin den Bundesrat um Grenzschliessung. Dieser kantonale Lobbyismus nahm solche Ausmasse an, dass zum Teil nicht mehr ersichtlich war, ob eine Massnahme von den Kantonen oder nur von einigen gefordert wurde.
Auf die Lehren aus der COVID-19-Pandemie folgten eine Reihe von Evaluationen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. Diese regten die betreffenden staatlichen Stellen an, punktuell die Kooperation anzupassen, sie effizienter zu machen und sie, wo nötig, zu intensivieren.[45]
Bund
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Ein Bundesstaat zeichnet sich durch eine föderalistische Gliederung aus; er ist ein Staat, der aus Gliedstaaten, in der Schweiz aus den Kantonen, zusammengesetzt ist. Die Bundesverfassung bezeichnet die Eidgenossenschaft indes nicht explizit als Bundesstaat (anders etwa Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz). Dennoch gehen dessen Elemente klar aus ihr hervor. Die Bundesverfassung widmet dem Verhältnis zwischen Bund und Kantonen ein eigenes Kapitel (Verhältnis von Bund und Kantonen, Art. 42–53 BV), und sie trägt dem dreistufigen Staatsaufbau Rechnung, indem sie die Gemeinden ausdrücklich erwähnt (Art. 50 BV).[46]
Den schweizerischen Bundesstaat machen im Wesentlichen zwei Elemente aus. Einerseits teilt die Bundesverfassung die Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen auf. Andererseits wirken die Kantone an der Willensbildung des Bundes mit, vor allem durch ihr Mitspracherecht bei der Verfassungsgebung. Da die Bundeskompetenzen in der Verfassung kodifiziert werden, bedeutet das, dass die Kantone jeder potentiellen Erweiterung dieser Kompetenzen zustimmen müssen. Das stellt einen Abwehrmechanismus gegen eine Usurpation der Staatsgewalt durch den Bund dar.[46]

Staatsrechtlich kommt dem Bund eine Doppelrolle zu. Einerseits erfüllt er jene Aufgaben, die ihm die Verfassung zuweist (Art. 42 Abs. 1 BV), wobei er primär seine eigenen Interessen wird wahren wollen. Aus dieser Perspektive erscheint er als Vertreter des zentralstaatlichen Elements. Andererseits ist er von Verfassungs wegen verpflichtet (Art. 2 Abs. 2 BV), für die Wohlfahrt der Bevölkerung und den inneren Zusammenhalt des Landes zu sorgen. Folglich muss er, soweit erforderlich, bereit sein, die eigenen Belange zurückzustellen. Daher ist er ebenso Wahrer des gesamtstaatlichen Elements.[47] Den daraus entstehenden Interessenskonflikten begegnet die Verfassung, indem Kompetenzkonflikte zwischen Bund und Kantonen mit Klage vor das Bundesgericht getragen können werden. Dem Bund ist auferlegt, seine Kompetenzhoheit nicht zu übernutzen; und er muss die Kantone in der Aussenpolitik berücksichtigen.[48]
Kantone
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Autonomie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Organisations-, Finanz- und Aufgabenautonomie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Organisationsautonomie räumt den Kantonen den Freiraum ein, ihre rechtliche Gestalt selbst zu bestimmen. Sie umfasst die Kompetenz der Kantone, ihr Territorium selbst zu gliedern (z. B. in Gemeinden und Bezirke) und ihr politisches System eigenständig einzurichten, indem sie die Staatsorgane – Parlament, Regierung und Gerichte – konstituieren sowie deren Organisation und Zuständigkeit regeln. Die Kantone umschreiben ebenso die Verfahren dieser Staatsorgane und definieren die politischen Rechte der Bürger in kantonalen Angelegenheiten.[49] Ausserdem kann ein Kanton entscheiden, niedergelassenen Ausländern das Stimmrecht zu gewähren, wie zum Beispiel Neuenburg oder Jura.[50] Wichtigste Konsequenz der Organisationsautonomie ist das Recht, eigene Verfassungen zu erlassen.[51] Die Organisationsautonomie ist jedoch nicht absolut. Sie darf beschnitten werden, wenn es die richtige und einheitliche Anwendung des Bundesrechts gebietet.[52] Für die Bestimmung des Wahlverfahrens und die Aufteilung der Wahlkreise unterliegen die Kantone etwa bundesgerichtlichen[53] Auflagen.[54]
Das Dezentrale des Schweizer Föderalismus geht vor allem auf die Finanz- bzw. Steuerautonomie der Kantone zurück, die eigene Steuern erheben können. Die finanzpolitische Autonomie «bildet das finanzielle Rückgrat der Eigenständigkeit der Kantone». Die Verwaltungen der Kantone und der Gemeinden kontrollieren zwei Drittel der gesamten Staatseinnahmen.[55] Der Bund kann sich hingegen seiner Ressourcen nie sicher sein; die direkte Bundessteuer wird immer auf Zeit gewährt. Zwar wird der Anspruch des Bundes hierauf wohl niemals angezweifelt werden, trotzdem zeigt diese Regelung symbolisch den Stellenwert der Zentralmacht in der Schweiz: Sie ist geliehene Macht, woran der Bund jederzeit erinnert wird.[56] Zwar ist die finanzpolitische Autonomie der Kantone beachtlich, sie ist jedoch aufgrund vielfältiger Restriktionen eingeschränkt. Dazu gehören die Lasten, die die Kantone wegen der Umsetzung des Bundesrechts tragen müssen, und bürokratische Strukturen in den Kantonen. Hier setzt der Finanz- und Lastenausgleich an; dessen Ziel ist es, diese Restriktionen etwas zu mildern.[57]
Die weitreichende Autonomie der Kantone wird oft als zentrales Merkmal des Schweizer Föderalismus angesehen. Das trifft jedoch nur auf die fiskalische Dezentralisierung zu: Nimmt man sie als Massstab, ist die Schweiz hinter Kanada jener Bundesstaat, der über die dezentralsten Einnahmen- und Ausgabenquellen verfügt.[58] Beurteilt man den Dezentralisierungsgrad jedoch anhand der Autonomie, eigenes Recht zu setzen, bewegt sich die Schweiz im internationalen Durchschnitt, verglichen mit anderen Bundesstaaten.[59]
Die Aufgabenautonomie garantiert eine substanzielle Unabhängigkeit der Kantone bei der Bestimmung, Gestaltung und Ausführung ihrer Aufgaben (siehe Abschnitt Schleichende Zentralisierung und Kompetenzaufteilung).[49]
Umsetzung des Bundesrechts durch die Kantone (Vollzugsföderalismus)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Bundesstaat existieren im Wesentlichen zwei Varianten der Umsetzung von Bundesrecht: Der Bund kann seine Erlasse entweder durch eigene Organe – sprich: die Bundesverwaltung – umsetzen lassen (so in den USA) oder die Umsetzung den Gliedstaaten zuweisen.[60] Diese Variante liegt der schweizerischen Regelung zugrunde. Damit wird das für die Schweiz wichtige Prinzip begründet, dass staatliche Leistungen durch die Kantone und die Gemeinden und nicht durch dezentrale Bundesstellen erbracht werden.[61]
Die Umsetzung des Bundesrechts erfolgt durch Rechtsetzung: Die Kantone erlassen Gesetze und Verordnungen, die die Bestimmungen des Bundesrechts konkretisieren. Umsetzung meint jedoch auch die Anwendung des Bundesrechts durch die Gerichte – indem sie es in ihrer Rechtsprechung berücksichtigen – oder durch die kantonalen Verwaltungen, die das Bundesrecht vollziehen. Der Begriff der Umsetzung ist zwar nicht so zu verstehen, dass die Kantone als Verwaltungseinheiten nur vollstrecken, was ihnen von der Zentralregierung diktiert wird; die Kantone sind nicht blosse Vollzugshelfer. Dennoch ist vom Vollzugsföderalismus die Rede.[62]
Die Umsetzung des Bundesrechts macht 75 % der kantonalen Staatstätigkeit aus.[63] Die Verfassung verpflichtet die Kantone, das Bundesrecht umzusetzen – was sich als zweischneidiges Schwert im Hinblick auf die Autonomie der Kantone erweist: Einerseits bindet die Umsetzungspflicht einen erheblichen Teil der Mittel der Kantone, wodurch sie behindert werden, selbstbestimmte Aufgaben zu erfüllen. Andererseits gestattet der Vollzug den Kantonen, das Bundesrecht angepasst an kantonale Verhältnisse umzusetzen.[64] Allerdings muss eine bundesrechtliche Norm in der ganzen Schweiz gleich angewendet werden – kantonsspezifische Gestaltungsfreiheiten gibt nur, wenn der Bundesgesetzgeber diese explizit festhält.[62] Daher darf das politische Gewicht des Vollzugsföderalismus nicht überschätzt werden.[60]
Mitwirkungsrechte im Bund
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Referendums- und Initiativrechte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Mitwirkungsrechte der Kantone im Bund sind neben der Autonomie zentral für den Schweizer Föderalismus. So müssen die Kantone bei jeder Verfassungsänderung ebenfalls zustimmen (siehe doppeltes Mehr); die alleinige Mehrheit der Volksstimmen reicht nicht aus (Art. 140 Abs. 1 lit. a und c, obligatorisches Referendum). Die Beteiligung an der Verfassungsrevision ist das wichtigste Mitwirkungsrecht der Kantone. Auch bei der Frage, ob die Schweiz einer Organisation für kollektive Sicherheit (z. B. UNO) oder einer supranationalen Gemeinschaft (z. B. EU) beitreten soll, wird sowohl das Volksmehr als auch das Ständemehr verlangt (Art. 140. Abs. 1 lit. c, obligatorisches Staatsvertragsreferendum).[65] Das Verfassungs- und das Staatsvertragsreferendum werden für die Kantone immer wichtiger; in den letzten Jahrzehnten kam es häufiger zu Abstimmungen, bei denen das Volk die Vorlage befürwortete, die Stände (Kantone) jedoch ihr Veto Veto einlegten. Während es von 1848 bis 1970 zwei solcher Fälle gab, sind es seitdem schon acht.[1] Auch der Beitritt der Schweiz zu den Vereinten Nationen 2002[66] wäre trotz klarem Volksmehr von 54,6 Prozent bei 12 Ja gegen 11 Nein beinahe am Ständemehr gescheitert.[67] In der Politik- und Rechtswissenschaft gibt es Positionen, dass das Ständemehr überhaupt kein Mitwirkungsrecht darstelle, seitdem die Standesstimme durch Volkswahl ermittelt wird. Das Ständemehr könne als Mittel des Minderheitenschutzes Wirkung entfalten, ermögliche den kantonalen Behörden jedoch keine Mitwirkung auf die Bundesebene.[68]
Die Kantonsparlamente können eine Standesinitiative lancieren (Art. 160 Abs. 1 BV; Art. 115 Parlamentsgesetz (ParlG)). Damit stellen die Kantone der Bundesversammlung einen Antrag für eine Gesetzes- oder Verfassungsrevision. Nach Art. 141 Abs. 1 BV können ausserdem acht Kantone – zuständig sind die jeweiligen Parlamente – gegen eine Gesetzesrevision oder bestimmte völkerrechtliche Verträge das fakultative Referendum ergreifen.[69] Standesinitiative und Kantonsreferendum sind jedoch in der Praxis von geringer Bedeutung. Bisher gab es ein einziges Kantonsreferendum, das zustande kam (siehe Steuerpaket 2001). Die Standesinitiative ist für mehr als zwei Drittel der Kantone bedeutungslos. Nur die Kantone St. Galler und Genf machen von ihrem Initiativrecht oft Gebrauch, wohingegen die Kantone Zürich, Bern, Obwalden, Zug, Aargau und Wallis sich dessen nie bedienen.[70]
Wahl des Ständerats
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Mitwirkungsrechte beschränken sich jedoch nicht auf die Verfassungsrevision. Die Bevölkerung jedes Kantons wählt zwei Abgeordnete in den Ständerat; davon ausgenommen sind jene mit halber Standesstimme. Die Ständeräte werden jedoch ohne Weisung gewählt; sie haben ein freies Mandat, weshalb die Kantone, in denen die jeweiligen Ständeräte gewählt wurden, keine Möglichkeit haben, die Haltung der Abgeordneten festzulegen. Die Ständeräte sind gleich wie die Nationalräte Parlamentarier des Bundes und keine juristische Vertretung der Kantone – im Unterschied zur deutschen Länderkammer, dem Bundesrat, in den Vertreter der Exekutive der Bundesländer entsandt werden.[71] Die Funktion des Ständerates als föderales Gegengewicht muss jedoch relativiert werden. Politikwissenschaftliche Befunde ergaben, dass der Ständerat föderalistische Interessen nicht signifikant stärker vertritt als der Nationalrat. Während bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in einigen Kantonen die Ständeräte durch die Kantonsregierung gewählt wurden, ging 1977 der Kanton Bern als letzter zur Volkswahl über. Seitdem ist der Kanton von seiner «Vertretung» institutionell entkoppelt.[72] Dass sich der Ständerat nicht klar zugunsten der Kantonsinteressen positioniert, erklärt womöglich auch die Gründung der Konferenz der Kantonsregierungen und die verstärkte interkantonale Zusammenarbeit.[73]
Vernehmlassung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schliesslich muss der Bund die Kantonsregierungen vor Gesetzes- und Verfassungsänderungen sowie vor dem Abschluss völkerrechtlicher Verträge, die dem Referendum unterstehen, konsultieren (Vernehmlassung, Art. 3 VlG). Die Empfehlungen und Anmerkungen der Kantonsregierungen und der anderen Vernehmlassungsteilnehmer sind für den Bundesgesetzgeber nicht verpflichtend. Sie sollen jedoch mithelfen, dass neu geschaffenes Bundesrecht einerseits die Interessen der Kantone berücksichtigt, andererseits aber auch von ihnen umgesetzt werden kann. Die Stellung der Kantone als (Mit-)Gliedstaaten, denen ein weiter Teil der Rechtsetzung zukommt, ist für den Schweizer Föderalismus von grosser Wichtigkeit. Anders als im Ständerat, der einem ähnlichen Zweck dient, können die Kantone während der Vernehmlassung ihre Ansichten als Gliedstaaten direkt äussern.[74] Die politikwissenschaftliche Föderalismusforschung ergab, dass die Vernehmlassung das wichtigste Mitspracherecht der Kantone ist. Sie sei die «prinzipiell einzige Möglichkeit der direkten und formalisierten Mitsprache der kantonalen Entscheidungsträger».[75] Die Kantone beklagen allerdings zunehmend, dass ihre Anmerkungen während der Vernehmlassung weniger berücksichtigt würden als jene der Privatwirtschaft.[74]
Das fehlende Gehör wird durch Ressourcenknappheit noch verstärkt: Während grössere Kantone ihre Meinung kundtun können, können die kleineren, finanziell schlechter gestellten, deren administrative Ressourcen begrenzt sind, nur begrenzt mitwirken. Ihnen fehlt zum Teil die Expertise, um komplexe Gesetzgebungsvorhaben des Bundes adäquat beurteilen und bewerten zu können. Deswegen sind die grossen Kantone tendenziell überrepräsentiert.[76] Diese Zweiteilung zwischen grossen und kleinen Kantonen wird von der neueren Forschung bestritten.[77] Die Hauptschwierigkeit liegt jedoch in der Organisation der Kantone: Im Unterschied zu anderen Interessengruppen (Parteien, Unternehmungen) repräsentieren die Kantonsregierungen ein heterogenes Volk, wobei alle vertreten werden sollen; sie sprechen deswegen selten mit einer Stimme. Dass daher widersprüchliche Positionen zwischen den Kantonen entstehen können, schwächt ihre Position – im Unterschied zu privatwirtschaftlichen Institutionen.[74]
Gleichheit der Kantone
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Grundsatz sind alle Kantone einander gleichgestellt, ungeachtet der Unterschiede von Kanton zu Kanton (symmetrischer Föderalismus). Damit ist der Umfang von Organisations-, Finanz- und Aufgabenautonomie für alle Kantone identisch; die Bundesgarantien kommen allen Kantonen gleich zu; und auch die Mitwirkungsrechte im Bund sind – mit einer Einschränkung – gleich. Diese Einschränkung betrifft die sechs sogenannten Halbkantone (Basel-Landschaft und Basel-Stadt, Obwalden und Nidwalden, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden), denen bei einer Volksabstimmung nur eine halbe Standesstimme zukommt und die nur einen Abgeordneten in den Ständerat entsenden. Während früher der Begriff «Halbkanton» in der Verfassung vorkam, verschwand er mit der Totalrevision von 1999. Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass die rechtliche Zurücksetzung besagter Kantone die Ausnahme ist. Wenn die Bundesverfassung nichts anderes festschreibt, sind sie den anderen Kantonen gleichgestellt.[78]
Die Kantone gleich zu behandeln, ist jedoch nur dann angebracht, wenn die Kantone als Glieder des Bundesstaates auftreten. Handelt es sich um die Vertretung der Kantonsbevölkerung im Bund oder um die Ausschüttung von Bundeseinnahmen an die Kantone, gilt dieser Grundsatz nicht. In solchen Fällen ist die Kantonsgrösse massgebend.[79]
Aufgrund von strukturellen Unterschieden zwischen den Kantonen existiert ein finanzielles Gefälle. Obwohl solche Unterschiede wegen des bundesstaatlichen Aufbaus nicht vermieden werden können, muss ein Ausgleich zwischen den Kantonen erfolgen, damit das Gleichgewicht nicht aus den Fugen gerät. Art. 135 BV verpflichtet deswegen den Bund, für einen Finanz- und Lastenausgleich zu sorgen. Die Beiträge zum Ausgleich von Ressourcen und Lasten sind nicht zweckgebunden.[80]
Gemeinden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Gemeinden bilden nach dem Bund und den Kantonen die dritte Ebene des Bundesstaates. Indem ihnen ein eigener Artikel in der Bundesverfassung gewidmet wird (Art. 50 BV), anerkennt der Bund ihre wichtige Rolle im staatlichen Gefüge. Die Gemeinden sind keine souveränen Körperschaften, sondern dem kantonalen Verfassungsrecht untergeordnet. Aufgrund der Organisationsautonomie, die den Kantonen zusteht, fallen der Bestand, das Gebiet und die Rechtsstellung der Gemeinden in die Zuständigkeit der Kantone.[81]
Ein zentrales Charakteristikum der Schweizer Gemeinden ist die weitreichende Autonomie, über die sie verfügen – obwohl sie tendenziell die Auffassung vertreten, dass ihre Aufgabenautonomie relativ stark beschränkt sei.[82] Der Grad der Autonomie, über den sie verfügen, variiert jedoch nach Bereich beträchtlich. Die fiskalische Autonomie ist sehr hoch; die Gemeinden verfügen also über grosse finanzielle Mittel.[83] Die Organisationsautonomie ist ebenfalls ausgeprägt und nimmt eher zu. Nicht besonders hoch ist hingegen die Aufgabenautonomie der Gemeinden. Und noch tiefer ist die kommunale Selbstständigkeit, in den vom Kanton zugewiesenen Sachbereichen die wichtigen Entscheidungen selbst zu treffen; hier bewegt sich die Schweiz im internationalen Mittelfeld.[84] In den nordischen Staaten – Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Island – sind Städte und Gemeinden über fast alle Autonomie-Parameter hinweg am eigenständigsten.[85]
Die Autonomie besteht dort, wo der Kanton eine Rechtsmaterie nicht abschliessend regelt. Damit unterscheidet sich die Gemeindeautonomie von der Residualkompetenz der Kantone: Während letztere sich dadurch definiert, dass die Kantone für alles zuständig sind, was sie nicht dem Bund übertragen haben, fallen den Gemeinden diejenigen Aufgaben zu, die nicht von den Kantonen wahrgenommen werden. Das System ist also genau umgekehrt.[86]
Weil die Gemeinden dem kantonalen Recht unterstehen, variiert der Grad der Autonomie beträchtlich. Er nimmt – grob gesagt – von Osten nach Westen ab.[87] Die Kantone Appenzell Ausserrhoden und Graubünden verfügen über die stärksten Dezentralisierungsstrukturen, die Gemeinden verfügen hier also über die ausgeprägteste Autonomie. Im Mittelfeld befinden sich Luzern, Solothurn und Aargau. Die zentralisiertesten Kantone sind die französischsprachigen Kantone Neuenburg, Waadt, Freiburg und Genf, das mit grossem Abstand die Spitzenposition einnimmt.[88][89]
Bei der Aufgabenteilung zwischen Kantonen und Gemeinden kommt das Subsidiaritätsprinzip zur Anwendung. Die Gemeinden sollen, soweit das möglich und sinnvoll ist, möglichst viele Aufgaben übernehmen. Das dient der besseren Legitimation sowie einer effektiveren und effizienteren Leistungserbringung. Obschon die Gemeindeautonomie weitreichend ist, zeigt sich eine Tendenz der Zentralisierung. In den letzten Jahren büssten die Gemeinden an Zuständigkeit im Bereich des Bauwesens, der Raumplanung und des Umweltschutzes ein.[90]
Bundesgarantien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gewährleistung der Kantonsverfassungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Bundesgarantien sichern der bundesstaatlichen Struktur der Schweiz ein Mindestmass an Homogenität und Stabilität. Sie stellen Sicherheiten dar, die der Bund dafür leistet, dass die bundesstaatliche Struktur und die Stellung der Gliedstaaten im Kern unangetastet bleiben. Eine der drei Garantien ist die Gewährleistung der Kantonsverfassungen. Sie zielt darauf ab, dass die staatsrechtlichen Strukturen der Kantone untereinander sowie im Vergleich mit dem Bund auf denselben Grundsätzen beruhen.[91] Das wird dadurch erreicht, dass jede Änderung einer Kantonsverfassung der Bundesversammlung zur Gewährleistung vorgelegt wird. Sie wird nur dann erteilt, wenn die Kantonsverfassung den Anforderungen der Bundesverfassung genügt.
Art. 51 BV verlangt von den Kantonen, dass sie sich eine demokratische Verfassung geben. Dies bedeutet, dass sich die kantonalen Behörden an die Gewaltenteilung halten müssen und dass das Parlament vom Volk direkt gewählt wird. Obwohl die Bundesverfassung den Kantonen nicht vorschreibt, sich als direkte Demokratien zu organisieren, haben sich alle Kantone – wenngleich in unterschiedlichem Mass – dafür entschieden.[92] Die Bundesverfassung verlangt nur ein Mindestmass an direktdemokratischen Elementen, nämlich das Verfassungsreferendum und die Verfassungsinitiative: Die Verfassung muss «revidiert werden können, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt». Daraus folgt, dass die Verfassung jederzeit geändert werden darf und dass sich die Änderung auf beliebige Verfassungsinhalte – im Rahmen des Bundesrechts – beziehen kann. Das schliesst Ewigkeitsklauseln aus, wie sie das Deutsche Grundgesetz in Art. 79 Abs. 3 vorsieht.[93]
Laut Art. 51 Abs. 2 darf die kantonale Verfassung dem gesamten Bundesrecht nicht entgegenstehen. Indem die Bundesversammlung die Kantonsverfassung gewährleistet, überprüft sie deren Rechtmässigkeit. Das geschieht nicht nur beim Erlass einer neuen Verfassung, sondern jede Änderung einer Kantonsverfassung muss der Bundesversammlung vorgelegt werden. Diese ist umgekehrt verpflichtet, die Genehmigung zu erteilen, wenn die Kantonsverfassung dem Bundesrecht nicht widerspricht.[94]
Garantie der verfassungsmässigen Ordnung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zunächst ist es die Aufgabe der Kantone, die verfassungsmässige Ordnung zu wahren. Der Schutz der verfassungsmässigen Ordnung durch den Bund erfolgt primär durch das Bundesgericht, indem er den Bürgern Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Die Beschwerde beim Bundesgericht kann zwar auch bei Unruhen geltend gemacht werden, sie ist aber kaum tauglich, um bei Unruhen oder Aufständen einzugreifen. In einem solchen Fall sind die Polizeibehörden des Kantons zuständig. Sehen sie sich nicht imstande, die Situation zu entschärfen, ersuchen sie andere Kantone um polizeiliche Hilfe; der Bund verfügt über keine polizeilichen Einsatzkräfte. Wenn all diese Mittel versagen, kann der betroffene Kanton beantragen, dass der Bund militärisch eingreift. Diese Bundesintervention ist jedoch immer die Ultima Ratio. Sie ergeht zum Schutz eines bundestreuen, aber überforderten Kantons und ist von der Bundesexekution abzugrenzen (siehe unten), die sich gegen einen Kanton richtet, der Bundesrecht bricht.[95]
Damit eine Bundesintervention erfolgen darf, muss eine Bedrohung, die den öffentlichen Frieden gefährden könnte, entweder unmittelbar bevorstehen oder bereits erfolgt sein. Derartige Störungen können aufgrund von sozialen Unruhen, Ausschreitungen oder Sabotageakten entstehen. Die zweite Voraussetzung ist die Unfähigkeit des Kantons, die Gefahr selbstständig abzuwenden. Für die Einleitung einer Bundesintervention ist die Bundesversammlung zuständig (Art. 173 Abs. 1 Bst. b BV), sofern sie dazu in der Lage ist. Bei Dringlichkeit geht die Kompetenz auf den Bundesrat über (Art. 185 Abs. 2 BV, Notrecht). Wenn der Fall eintritt, dass der Bund Truppen entsendet, obliegt ihm die Befehlsgewalt.[96]
Seit der Gründung des Bundesstaates 1848 kam die Bundesintervention zehnmal zum Einsatz; neunmal im 19. und einmal im 20. Jahrhundert (1932 in Genf). Fünf dieser Einsätze erfolgten im Kanton Tessin.[97]
Bestandes- und Gebietsgarantie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Art. 53 BV statuiert zwei Garantien, mit denen der Bund die Kantone zu schützen hat: Die Bestandsgarantie wahrt das Existenzrecht der Kantone nach Art. 1 und ihren rechtlichen Status als Gliedstaaten, d. h., die Kantone müssen nicht nur als solche erhalten bleiben, sondern dürfen auch nicht einfach zu blossen Verwaltungseinheiten des Bundes degradiert werden, wie das zum Beispiel in der Helvetischen Republik der Fall war. Die Gebietsgarantie schützt die kantonalen Territorien. Der Bund ist wegen Art. 53 verpflichtet, das Gebiet der einzelnen Kantonen vor Übergriffen zu schützen; er soll verhindern, dass das Gebiet oder der Bestand (darin ist auch eine selbstständige Sezession eines Kantons eingeschlossen) eigenmächtig geändert wird. Art. 53 deckt aber nur den Fall eines Übergriffs eines Kantons auf einen anderen Kanton ab. Erfolgt ein Angriff aus dem Ausland, ist der Bund aufgrund von Art. 2 Abs. 1 zum Handeln ermächtigt.
Die Verfassung verbietet Gebiets- oder Bestandesänderungen nicht. Massgebend ist, dass sie nicht gegen den Willen von betroffenen Kantonen erfolgen. Bestandesänderungen können sich zum Beispiel ergeben, wenn sich zwei Kantone zu einem neuen zusammenschliessen, wenn sich ein Kanton in zwei Kantone aufspaltet oder wenn ein Kanton mit halber Standesstimme zu einem Kanton mit ganzer aufgewertet wird. Sämtliche Bestandesänderungen müssen drei Abstimmungen durchlaufen: Zuerst müssen die Stimmberechtigten im betroffenen Territorium der Bestandesänderung zustimmen – es erfolgt ein obligatorisches Referendum auf Gemeindeebene. Stimmen sie zu, wird ein obligatorisches Referendum im betroffenen Kanton durchgeführt. Da Art. 1 BV, der die Kantone aufzählt, geändert werden muss, folgt ein obligatorisches Referendum auf Bundesebene. Zu einer solchen Abstimmung kam es bisher erst einmal: Am 24. September 1978 stimmten Volk und Stände der Gründung des Kantons Jura zu.
Auch Gebietsänderungen sind möglich. Sie verlangen ebenfalls Zustimmung auf allen drei Staatsebenen. Auf Bundesebene ist die Hürde aber tiefer: Anstelle eines obligatorischen Referendums tritt das fakultative, das keiner Zustimmung der Kantone bedarf.[98]
Kompetenzaufteilung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Grundsatz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Prinzip der Einzelermächtigung (Subsidiäre Generalkompetenz der Kantone)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Art. 3 der Bundesverfassung regelt die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen. Daraus geht hervor, dass der Bund nur jene Kompetenzen hat, die ihm durch die Verfassung zustehen (sogenanntes System der Einzelermächtigung).[99] Eine direkte Zuweisung ist aber nicht immer erforderlich. Neben den ausdrücklichen kennt das schweizerische Verfassungsrecht auch sogenannte stillschweigende Bundeskompetenzen. Das sind Bundeskompetenzen, die in einer Verfassungsnorm mitenthalten sind, ohne dass sie explizit genannt werden. So ist der Bund von der Verfassung nicht ausdrücklich ermächtigt, wichtige Gesetze wie das Parlamentsgesetz oder das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz zu erlassen. Die Ermächtigung zum Erlass lässt sich aus dem Sachzusammenhang herleiten. Die Aufgaben des Bundes entstammen jedoch alle dem geschriebenen Verfassungsrecht – auch die stillschweigenden Kompetenzen, die sich auf eine Verfassungsnorm stützen. Daher ist es unzulässig, Zuständigkeiten gewohnheitsrechtlich herzuleiten.[100]
Bei den kantonalen Kompetenzen kommt hingegen ein Automatismus zur Anwendung: Alle Rechte, die nicht explizit dem Bund übertragen sind, fallen automatisch in den Kompetenzbereich der Kantone. Dieser Automatismus wird subsidiäre Generalkompetenz der Kantone genannt. Somit fallen alle neu auftretenden Staatsaufgaben in den Kompetenzbereich der Kantone, sofern nicht eine neue Bundeskompetenz geschaffen wird.[101]
Subsidiaritätsprinzip
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Obgleich der Bund die Aufgaben der Kantone festlegt (sogenannte Kompetenz-Kompetenz), darf er nur jene übernehmen, die «die Kraft der Kantone übersteigen oder einer einheitlichen Regelung bedürfen» (Art. 43a BV). Damit wird ein bundesstaatliches Subsidiaritätsprinzip (Art. 5a BV) begründet. Das heisst, dass der Zentralstaat keine Zuständigkeiten an sich ziehen soll, die die Gliedstaaten übernehmen könnten. Das gilt ebenso bei der Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden.[102] Das Subsidiaritätsprinzip dient im Wesentlichen dazu, die oberste Staatsgewalt (den Bund) zu beschränken, um die kantonale Autonomie zu wahren, sowie staatliche Aufgaben bürgernah aufzuteilen. Die Subsidiarität fordert sowohl für die Zuweisung neuer Kompetenzen und Aufgaben an den Bund als auch für die Ausweitung bestehender Bundeskompetenzen eine besondere Rechtfertigung.[103] Art. 43a stellt aber keine Schranke der Verfassungsrevision dar. Es ist dem Bund nicht untersagt, die Verfassung so zu ändern, dass er Zuständigkeiten für sich beansprucht, die man auch den Kantonen überlassen könnte. Es existiert ohnehin keine Definition, welche Kompetenzen «die Kraft der Kantone übersteigen».[104]
Prinzip der fiskalischen Äquivalenz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zum Subsidiaritätsprinzip gesellt sich das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz, das in der Verfassung folgendermassen umschrieben wird: «Das Gemeinwesen, in dem der Nutzen einer staatlichen Leistung anfällt, trägt deren Kosten. Das Gemeinwesen, das die Kosten einer staatlichen Leistung trägt, kann über diese Leistung bestimmen.» (Art. 43a Abs. 2 und 3 BV). Daraus folgt: Einerseits sollen staatliche Leistungen, die weite Teile der Bevölkerung betreffen, vom Bund geregelt, finanziert und vollzogen werden. Andererseits sollen Leistungen, die sich nur regional auswirken, von den Kantonen getragen werden. Des Weiteren sollen jene, die zahlen, auch die Entscheidungsgewalt innehaben.[105] Der Zweck von Artikel 43a Abs. 3 BV wird vor dem Hintergrund seiner Entstehung ersichtlich: Er ist das Produkt der NFA von 2004 und dient der Aufgabenentflechtung, indem das Gemeinwesen, das die Kosten trägt, über die Leistungen bestimmen kann.[106]
Sowohl das Subsidiaritätsprinzip als auch das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz sind staatliche Maximen und keine Verfassungsgrundsätze, die eingeklagt werden können. Sie stellen Leitlinien dar, anhand derer die Gesetz- und Verfassungsgebung erfolgen muss.[107]
Kompetenzen des Bundes
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Aussenpolitik liegt im Zuständigkeitsbereich des Bundes. Darin eingeschlossen sind der Abschluss völkerrechtlicher Verträge, die Repräsentation der Schweiz und die diplomatischen Beziehungen. Die Kompetenz des Bundes, völkerrechtliche Verträge abzuschliessen, wird durch die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen nicht tangiert. Art. 54 der Bundesverfassung räumt dem Bund umfassende Kompetenzen für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge ein, die auch die innerstaatlich in den Kompetenzbereich der Kantone fallenden Materien betreffen können. Somit ergibt sich, dass die Kompetenz des Bundes im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten über seine Gesetzgebungskompetenz im innerstaatlichen Bereich hinausgeht. Allerdings steht den Kantonen ein Mitspracherecht zu, wenn ihre Interessen davon betroffen sind (Art. 55 BV, Bundesgesetz vom 22. Dezember 1999 über die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes).[108]
Des Weiteren stehen dem Bund umfassende Kompetenzen in Rechtsetzung und Verwaltung zu. Das sind (Auswahl):
- Bürger- und Ausländerrecht, Bundesbehörden
- Zivil- und Strafrecht, Obligationenrecht (daneben kantonale Residualrechte), Zivil- und Strafprozessrecht
- Arbeitsrecht
- Berufsbildung
- Gesundheitswesen (teilweise, namentlich Gentechnologie, Lebensmittelaufsicht, Epidemien)
- Krankenversicherung und andere Sozialversicherungen
- Finanzhaushalt, Steuern, Abgaben
- Messwesen
- Bankenrecht
- Verkehrsrecht
- nationale Infrastruktur (Landesteile verbindendes Eisenbahnnetz, Autobahnen)
- Landesverteidigung
Der Bund erhebt direkte Steuern (u. a. direkte Bundessteuer (Art. 128 Abs. 1 BV), Verrechnungssteuer (Art. 132 Abs. 2 BV)), indirekte Steuern (z. B. die Mehrwertsteuer (Art. 130 BV), Verbrauchssteuern (Art. 131 BV), Stempelsteuer (Art. 132 Abs. 1 BV)) und Zölle (Art. 133 BV). Wenn der Bund einen Tatbestand besteuert oder aber ihn für steuerfrei erklärt, ist es den Kantonen untersagt, ihn einer Steuer zu unterstellen. Daher ist die Steuererhebung eine konkurrierende Zuständigkeit zwischen Bund und Kantonen.[109]
Es kann vorkommen, dass der Bund ihm zugeschriebene Kompetenzen teilweise an die Kantone delegiert. Diese föderative Delegation dient der Dezentralisierung. Der Bund trägt im Rahmen seiner Bundesaufsicht dennoch die Verantwortung, dass die Aufgaben korrekt ausgeführt werden.[110] Die Verfassung äussert sich jedoch nicht zur Kompetenzübertragung des Bundes an die Kantone. Lehre und Praxis anerkennen diese Möglichkeit, weil sie dem Geist des Schweizer Föderalismus entspricht. Dass aber ein Kanton Zuständigkeiten an den Bund überträgt, ist unzulässig.[111]
Typische Kompetenzen der Kantone
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Aufgrund ihrer Aufgabenautonomie legen die Kantone fest, welche Aufgaben sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit erfüllen. Die grosse Mehrheit der Kantonsverfassungen enthält einen Aufgabenkatalog, der mehr oder weniger präzis Auskunft über den Inhalt kantonaler Tätigkeiten gibt. Vier Kantone (Luzern, Neuenburg, St. Gallen und Tessin) begnügen sich jedoch mit wenigen Grundsätzen zur Aufgabenerfüllung oder mit einer stichwortartigen Auflistung der öffentlichen Aufgaben. Drei ältere Verfassungen (Appenzell Innerrhoden, Wallis und Zug) enthalten gar keine Bestimmungen hierzu.[112] Umgekehrt haben drei Kantone (Aargau, Basel-Landschaft und Thurgau) Verfassungsvorbehalte wie auf Bundesebene festgeschrieben, was bedeutet, dass jedwede Staatsaufgabe, die neu aufgenommen wird, zwingend und vollständig in der Verfassung niedergelegt werden muss. Das erhöht zwar die demokratische Legitimation, da die Bürger Verfassungsänderungen zustimmen müssen. Die Flexibilität der staatlichen Institutionen leidet aber darunter.[113]
Kantonale Kompetenzen werden in der Politikwissenschaft klassisch in Gesetzgebungs-, Finanzierungs- und Vollzugskompetenzen unterteilt.[114] Nachfolgend sind einige typische kantonale Aufgaben aufgelistet, von denen die meisten auf Gesetzgebungskompetenzen beruhen:[115][116]
- kantonale Staats-, Gerichts- und Verwaltungsorganisation, Gemeindewesen
- öffentliches Personalrecht
- Staatshaftungsrecht
- Enteignungsrecht
- Steuerrecht
- Öffentliche Ordnung und Polizeirecht
- Raumplanung, Baugesetzgebung und Bauordnung
- Natur- und Heimatschutz
- öffentlicher Verkehr und Strassenwesen
- Wasser- und Energieversorgung
- Abwasserreinigung und Abfallentsorgung
- Sozialhilfe, Familie, Jugend und Alter, Integration
- Wohnungwesen
- Gesundheitswesen
- Schulen
- Universität und Fachhochschulen
- Kulturförderung
- Förderung von Freizeit, Sport und Erholung
- Wirtschaftspolizei, Gastgewerbe, Ladenöffnungszeiten
- Förderung der Land- und Forstwirtschaft
- Regalrechte
- Kantonalbank
Aufgrund der grossen Verflechtung zwischen Bund und Kantonen sind die Kantone in diesen Aufgabenbereichen jedoch nicht vollständig autonom.
Gemeinsame Aufgabenerfüllung durch Bund und Kantone
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Obschon die Bundesverfassung von einer binären Aufgabenteilung ausgeht (Bund oder Kanton), steht sie einer gemeinsamen Aufgabenerfüllung nicht explizit entgegen. Bei einer echten Gemeinschaftsaufgabe sind Bund und Kantone für die Erfüllung der Aufgabe gemeinsam verantwortlich. Sie können insbesondere nur gemeinsam die zur Aufgabenerfüllung notwendige Gesetzgebung erlassen. Die Gesetzgebungskompetenz obliegt in solchen Fällen weder dem Bund noch den Kantonen, sondern Bund und Kantonen zusammen. Eine solche Aufgabenzuweisung findet sich in der Bundesverfassung zwar nicht. Diese sieht aber Verpflichtungen zur Zusammenarbeit von Bund und Kantonen vor, um in Bereichen mit parallelen Zuständigkeiten Mehrspurigkeiten, Widersprüche oder Zuständigkeitskonflikte zu vermeiden (siehe dafür Föderale Zusammenarbeit).[117]
Mit der NFA-Reform wurden ausserdem Verbundaufgaben geschaffen. Der Begriff umfasst jene Aufgaben, die im Zuge der Aufgabenentflechtung weder dem Bund noch dem Kanton alleine zugewiesen werden konnten, wie der Natur- und Heimatschutz oder die Regionalpolitik.[118] Der Begriff «Verbund» steht für ein partnerschaftliches Zusammenwirken von Bund und Kantonen. Im Zentrum stehen die gemeinsame Finanzierung und der kooperative Ansatz bei der Umsetzung von Bundesrecht durch die Kantone.[119] Der Bundesrat bezeichnete die Verbundaufgaben deshalb als «eine Kategorie der Umsetzung des Bundesrechts nach Artikel 46 BV».[120] Von den Verbundaufgaben kann ein Harmonisierungsdruck auf die Kantone ausgehen, der sich negativ auf ihre Eigenständigkeit auswirken kann.[121]
Vorrang des Bundesrechts
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die subsidiäre Generalkompetenz der Kantone hat zur Folge, dass das System der Kompetenzaufteilung lückenlos ist. Alle Aufgaben, die nicht dem Bund zustehen, werden von den Kantonen erfüllt. Das ist jedoch nur theoretisch der Fall: In der Praxis sind die Aufgaben der drei Ebenen eng miteinander verflochten, wobei die genaue Tragweite der eidgenössischen oder kantonalen Kompetenz nicht immer ersichtlich ist. Dazu kommt, dass Bund und Kantone zum Teil entgegengesetzte Ziele verfolgen. Daher lassen sich Konflikte nicht vermeiden. Wenn es zu einer Kollision von Bundesrecht und kantonalem Recht kommt, ist dieses nicht anwendbar.[122]
Vom Vorrang des Bundesrechts – oft sprechen Lehre und Rechtsprechung nicht vom Vorrang, sondern von der derogatorischen (d. h. aufhebenden) Kraft des Bundesrechts – profitieren sämtliche Erlasse des Bundes. Somit gehen Bundesverfassung, Bundesgesetze und Bundesverordnungen kantonalem Recht jeglicher Stufe vor (siehe Normenhierarchie). Im Extremfall müsste also eine kantonale Verfassungsbestimmung einer Bundesratsverordnung weichen. Zum Bundesrecht gehört wegen des monistischen Systems, zu dem sich die Schweiz bekennt, auch das Völkerrecht.[123]
Bundesaufsicht
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Bund überprüft laufend, ob das Handeln der Kantone im Rahmen des Bundesrechts erfolgt. Alle Massnahmen, die der Bund zu diesem Zweck trifft, werden unter dem Begriff Bundesaufsicht subsumiert. In einem weiteren Sinn soll die Bundesaufsicht sicherstellen, dass die Kantone jene Aufgaben, die ihnen zugewiesen sind, richtig erfüllen. Primäres Organ der Bundesaufsicht ist der Bundesrat. Er sorgt für die Einhaltung des Bundesrechts (Art. 186 Abs. 4 BV). Das Instrumentarium der Bundesaufsicht beschränkt sich primär auf präventive Massnahmen, ohne dabei Zwang auszuüben. Das wichtigste Aufsichtsmittel ist die Genehmigung kantonaler Erlasse.[124]
Unter Bundesexekution werden sämtliche Aufsichtsmassnahmen zusammengefasst, mit denen der Bund Zwang auf die Kantone ausübt. Darunter fallen Sanktionen, die einen Kanton anregen sollen, seine Aufgaben im Rahmen des Bundesrechts zu erfüllen, oder Interventionen des Bundes, um kantonale Versäumnisse zu beheben. Die Bundesexekution ist somit eine Weiterführung des Bundesaufsicht mit stärkeren Mitteln. Die Bundesversammlung ist zentrales Organ zur Durchsetzung des Bundesrechts. Nur bei Dringlichkeit ist der Bundesrat zuständig (Art. 185 Abs. 4).[125]
Dem Bund stehen im Wesentlichen drei Mittel zur Verfügung, um das Bundesrecht mit Zwang durchzusetzen. Er darf Druck auf die Kantone ausüben, indem er finanzielle Mittel, die er den Kantonen zukommen lassen müsste, zurückhält und sie so zum Handeln bewegt. Das zweite Mittel ist die Ersatzvornahme.[126] Die Ultima Ratio ist der Einsatz militärischer Truppen zur Durchsetzung des Bundesrechts. Dafür zuständig ist die Bundesversammlung, bei Dringlichkeit der Bundesrat.[127] Derartiges Einschreiten ist nur bei Verletzung elementarer Bundespflichten zulässig. Diese militärische Exekution würde gegen die kantonalen Behörden erfolgen, was sie von der Bundesintervention unterscheidet, die zur Unterstützung der Behörden dient. Zu einer militärischen Exekution ist es in der Geschichte der Schweiz noch nie gekommen.[126]
Föderale Zusammenarbeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Schweizer Föderalismus ist wie der deutsche kooperativ aufgebaut, d. h., gewisse Aufgaben werden von den Gliedstaaten und dem Bund gemeinsam erfüllt. In beiden Staaten gibt es kaum Aufgaben, die ausschliesslich eine Ebene abdeckt. Demgegenüber steht das duale System, das dem Föderalismus der Vereinigten Staaten zugrunde liegt. Dort ist jede Staatsebene für ganz bestimmte Aufgaben zuständig.[128]
Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kanton ist selbstverständlich, vor allem in der Verwaltung. Sie kann in Form von Arbeitskontakten zwischen den Ämtern erfolgen, oder es können Vollzugshilfen des Bundes zuhanden der Kantone sein. Diese Zusammenarbeit zwischen Gliedstaaten und Bund wird kooperativer Föderalismus genannt. Er hat zwei Ausprägungen: den vertikalen und den horizontalen kooperativen Föderalismus.[129]
Der vertikale kooperative Föderalismus meint die (freiwillige) Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. In der Rechtsetzung wirken Bund und Kantone in zwei Formen zusammen. Einerseits nehmen die Kantone mit ihren Mitwirkungsrechten Einfluss auf die Rechtsetzung des Bundes. Anderseits ergibt sich die Kooperation als Folge der Delegation von Rechtsetzungskompetenzen des Bundes an die Kantone. Die Kantone setzen des Weiteren das Bundesrecht um. Eine weitere Ausformung der föderalen Zusammenarbeit bilden Subventionen des Bundes an die Kantone.[129]
Interkantonale Zusammenarbeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Unter dem horizontalen kooperativen Föderalismus wird das Zusammenwirken von Kantonen ohne Beteiligung des Bundes verstanden, vor allem durch interkantonale Konkordate. Die Anzahl an Konkordaten stieg zwischen 1980 und 2005 kontinuierlich; seitdem stagniert sie auf hohem Niveau.[130] Da sie sämtliche Staatsfunktionen betreffen können, ist es möglich, dass Kantone auch gemeinsame Einrichtungen oder Organisationen schaffen. Vertragspartner sind die Kantone; an einigen Verträgen ist auch das Fürstentum Liechtenstein beteiligt. In diesem Fall handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag. Auch der Bund darf Vertragspartner sein (Art. 48 Abs. 2); er erlangt dadurch aber keine neuen Kompetenzen. Ausserdem dürfen Verpflichtungen, die gegenüber anderen Kantonen bestehen, nicht eingeschränkt werden.[131]
An zweiter Stelle stehen die interkantonalen Konferenzen. In bestimmten Themengebieten existieren Direktorenkonferenzen, an denen sich die zuständigen Regierungsräte der betroffenen Kantone austauschen und aktuelle Schwierigkeiten besprechen, so die Finanzdirektorenkonferenz oder die Erziehungsdirektorenkonferenz.[132][133]
Die interkantonale Zusammenarbeit intensivierte sich in den vergangenen Jahrzehnten und entwickelte sich zu einem Wesensmerkmal des schweizerischen Föderalismus. Die Konkordate ermöglichen eine Rechtsvereinheitlichung in der gesamten Schweiz, ohne dass die Kantone ihre Kompetenzen verlieren, wodurch der Zentralisierung entgegengewirkt wird.[134] Das ist zwar für den Föderalismus ein Gewinn, darunter hat jedoch die Demokratie zu leiden, da das Parlament in den Kantonen nur einen beschränkten Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung hat: Wie bei völkerrechtlichen Verträgen kann das Parlament im Genehmigungsverfahren das Konkordat lediglich gesamthaft annehmen und verwerfen, nicht aber auf dessen Inhalt Einfluss nehmen.[135]
Zur Stärkung der interkantonalen Zusammenarbeit dient seit 2008 das Haus der Kantone in Bern als Sitz der Direktorenkonferenzen und weiterer Institutionen aus ihrem Umfeld.
Zusammenarbeit zwischen Kantonen und Gemeinden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Stufe tiefer, zwischen den Kantonen und den Gemeinden, haben sich vergleichbare Formen der vertikalen Zusammenarbeit etabliert. Auch diese ist getragen von dem Gedanken der Subsidiarität und fiskalischen Äquivalenz (siehe Abschnitt Grundsatz). Ebenso kam es zwischen den Gemeinden und den Kantonen seit den 1990er Jahren zu Reformen der Aufgabenteilung. Der Versuch, die Aufgaben optimal zwischen beiden Ebenen aufzuteilen, basierte auf denselben Überlegungen wie bei der NFA-Reform. Vielfach wurden dabei aber Aufgaben auf die Ebene des Kantons verschoben, weil viele Gemeinden zu klein waren, diese selbständig wahrzunehmen beziehungsweise für deren Kosten aufzukommen.[136]
Aus Sicht der Gemeinden wird die Zusammenarbeit mit der Kantonsebene als überwiegend positiv beurteilt. Schweizweit ziehen nur sehr wenige Gemeinden eine negative Bilanz (z. B. die Mehrheit im Kanton Obwalden). Die Zufriedenheit der Gemeinden hat sich in den vergangenen dreissig Jahren kaum verändert.[137]
Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auch zwischen den Gemeinden herrscht eine intensive Zusammenarbeit. Hier steht die gemeinsame Leistungserbringung noch stärker im Vordergrund als bei der Zusammenarbeit zwischen den Kantonen, während Koordination und Politikvereinheitlichung eher sekundär sind. Oft sind die Gemeinden direkt auf die Zusammenarbeit angewiesen, da viele zu klein sind, um gewisse Aufgaben selbständig zu erfüllen. Wie auch auf Bundesebene (Art. 48a BV) können die Gemeinden in gewissen Kantonen zur Zusammenarbeit gezwungen werden. Bereiche, in denen es häufig zu einer interkommunalen Zusammenarbeit kommt, sind Feuerwehr, Alters- und Pflegeheime, Spitex, Sozialhilfe, Energieversorgung, Entsorgung, Abwasser und Kanalisation und schliesslich auch die Schule. Politikwissenschaftliche Erhebungen deuten darauf hin, dass sich die Zusammenarbeit seit den 1990er Jahren verstärkt hat.[138]
Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In jüngerer Zeit zeigte sich, dass die klassische Aufteilung der vertikalen Beziehungen zwischen Bund und Kantonen sowie zwischen den Kantonen und ihren Gemeinden nicht in allen Bereichen sinnvoll ist. Gemeinden und Städte wollen vermehrt direkt und nicht über den Kanton, in dem teilweise auch andere politische Mehrheiten bestehen, Einfluss nehmen, und der Bund trifft Entscheidungen, die primär die Gemeinden betreffen. In vielen Fällen sind zudem alle drei Ebenen betroffen.[139]
Herausforderungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schleichende Zentralisierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Schweiz kann seit dem Ersten Weltkrieg eine sukzessive Übernahme von Aufgaben durch den Bund zulasten der Kantone und ihrer Aufgabenautonomie beobachtet werden. Dieser Prozess wird als schleichende Zentralisierung bezeichnet. Sie erreichte ihren Höhepunkt in der Zeit von 1910 bis 1950, besteht aber seitdem fort.[140] Im Zeitraum 2011–2016 verlangten föderalismusrelevante parlamentarische Vorstösse in National- und Ständerat in ca. 70 % der Fälle eine Zentralisierung im adressierten Aufgabenbereich, ca. 9 % zielten auf eine dezentrale Lösung ab.[141] Zunehmend dringt der Bund in Bereiche vor, die eigentlich eine «kantonale Kernkompetenz» sind.[142] Die Zentralisierung ist einer der Hauptgründe, weshalb die Lehre den Föderalismus als den am stärksten gefährdeten staatlichen Grundwert erachtet.[143]
Eine Zentralisierung der Aufgaben ist nicht in allen Sachbereichen gleich zu beobachten. Während sie bei der Rechtsetzung am stärksten war und ist, ist sie im fiskalischen und im administrativen Bereich deutlich weniger ausgeprägt. Anders gesagt erfolgt die primäre Rechtsetzung, also der direkte Erlass von Rechtsnormen, immer öfter auf Bundesebene. Die Kantone geniessen jedoch noch immer einen vergleichsweise grossen Spielraum in der Umsetzung dieses Rechts und sind fiskalisch ziemlich autonom.[59] Im Vergleich mit anderen föderalen Staaten kann die Schweiz noch immer als stark dezentralisiertes Land charakterisiert werden.[144]
Die Bundeszuständigkeiten wachsen kontinuierlich, und oft vermischen sie sich mit kantonalen Aufgaben – dieser Entwicklung vermochte die NFA nicht abzuhelfen. Es sind jedoch nicht nur die immer umfassenderen Kompetenzen des Bundes, die ein zunehmend grösseres Problem darstellen. Sowohl die Bundesverwaltung als auch die Bundesversammlung pflegen die Bundeskompetenzen umfassend auszulegen. Immer häufiger trifft der Bund Regulierungen in Sachbereichen, in denen keine expliziten Vorbehalte für kantonale Zuständigkeiten existieren. Damit wird das Gebot der Einzelermächtigung umgangen.[145] Zentralisierende Effekte gehen auch von zu detaillierten, engmaschigen Anweisungen der Bundesverwaltung an die Kantone aus. Ausserdem fordert das Volk durch Teilrevisionen der Bundesverfassung immer häufiger zentralistische Lösungen (siehe z. B. das Verhüllungsverbot oder die Zweitwohnungsinitiative). Allgemein ist eine zunehmende Skepsis gegenüber kantonalen und regionalen Regelungen festzustellen.[146]
Die Verfassung kann dieser Entwicklung nicht entgegentreten und versagt als Bremse der Zentralisierung, solange sich die Kantone nicht gegen Bundesgesetze (und darauf gestützte Verordnungen) zur Wehr setzen können (Art. 190 BV).[147] An diesem fehlenden Rechtsschutz wird auch ersichtlich, dass der Föderalismus der Rechtsstaatlichkeit nicht gleichgestellt ist. Die Bürger der Schweiz können per Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Menschenrechtsverletzungen geltend machen. Dagegen fehlt ein vergleichbares Instrument, mit dem die Kantone Verletzungen der Subsidiarität oder der Souveränität anfechten könnten.[148]
Die Zentralisierungstendenzen hängen mit verschiedenen Faktoren zusammen. Dazu zählen unter anderem die Modernisierung, die die westliche Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchlief, die Globalisierung nach dem Zweiten Weltkrieg, aber ebenfalls die zunehmende Identifikation der Bürger mit dem Bund und das zunehmende Verlangen nach einheitlicher, sozialer Wohlfahrt werden als langfristige Ursachen angesehen.[59] Im Fall der Schweiz spielte noch ein anderer Faktor eine wesentliche Rolle: Während der Bund in den ersten Jahren nach 1848 verschuldet war, löste er sich von seiner finanziellen Abhängigkeit der Kantone mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Dadurch verloren die Kantone ihre Machtposition dem Bund gegenüber, und durch die Subventionen, die er ihnen erteilte, fielen die Kantone stärker in dessen Abhängigkeit.[149]
Internationalisierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs prägen Globalisierung und Europäisierung das Recht und die Politik der Schweiz massgeblich. Zunehmend wird die Rechtsetzung auf eine globale Ebene verlagert. Quantitativ hat das Völkerrecht das Bundesrecht seit längerer Zeit überholt. Während das Völkerrecht in seinen Anfängen überwiegend Vorgaben über die Gestaltung der Aussenbeziehungen machte, bestimmt es vermehrt Rahmenbedingungen für die innerstaatliche Politik, wodurch das Landesrecht an Gestaltungsmacht einbüsst.[150]
Die Aussenpolitik ist die Prärogative des Bundes. Er kann völkerrechtliche Verträge in Bereichen abschliessen, für die innerstaatlich die Kantone zuständig sind, sofern er die Subsidiarität beachtet.[151] Da die Rechtsetzung vermehrt auf internationaler Ebene geschieht, geht die Internationalisierung des Rechts mit einem Kompetenzverlust der Kantone einher. Während das Ständemehr auf Landesebene als Bremse der Zentralisierung wirken kann, haben die Kantone keinerlei Einfluss auf die internationale Rechtsetzung – ausser ein völkerrechtlicher Vertrag untersteht dem obligatorischen Referendum, was aber so gut wie nie vorkommt.[152] Auf diese Entwicklung reagierte der Verfassungsgeber. Der Bund muss auf die Kantone Rücksicht nehmen sowie ihre Interessen berücksichtigen (Art. 54 BV). Zudem können die Kantone eigene völkerrechtliche Verträge unterzeichnen (Art. 55 BV). Die Kantone reagierten ihrerseits. Im Zentrum steht die 1993 geschaffene Konferenz der Kantone. Sie dient den Kantonen als Sprachrohr dem Bund gegenüber; im Idealfall sprechen die Kantone mit einer Stimme.[153]
Der Trend zu einer Zentralisierung des Landesrechts, insbesondere des kantonalen Rechts, zugunsten des Völkerrechts wird sich eher verstärken als abnehmen. Bei einer Annäherung der Schweiz an die Europäische Union wirkt sich negativ aus, dass die Schweiz in Brüssel (Europäischer Rat, EU-Parlament) nicht mitbestimmen kann, da sie nicht in den Rechtsetzungsprozess integriert ist. Den Kantonen fehlt überdies ein direkter Zugang zur EU-Bürokratie, der durch Institutionen abgesichert ist; jede Einflussnahme ihrerseits müsste über den Bund oder informell erfolgen.[154][155]
Verflechtung der Aufgaben und Zuständigkeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben der Zentralisierung stellt auch die Verflechtung der Aufgaben eine Herausforderung dar. Es ist zunehmend unklar, ob der Bund für die Erfüllung einer Aufgabe zuständig und verantwortlich ist oder ob es die Kantone sind – insbesondere dort, wo eine Aufgabe von beiden Ebenen finanziert wird. Das sieht man bei den Programmvereinbarungen, die der Bund mit den Kantonen abschliesst und mit denen er die Kantone finanziell bei der Umsetzung des Bundesrechts unterstützt.[156] Diese Entwicklung ist problematisch, denn sie birgt das Risiko, dass Zuständigkeiten vermischt und Lasten auf die Kantone verschoben werden. Durch die Finanzierung des Bundes erweitert sich sein Einflussbereich, was die Gestaltungsmöglichkeiten der Kantone schwächen kann.[157]
Föderales Ungleichgewicht
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den letzten Jahrzehnten wurden die kantonalen Verhältnisse hinsichtlich der Bevölkerungszahl sowie der Wirtschafts- und Finanzkraft zunehmend uneinheitlicher – noch uneinheitlicher, als sie es zu Zeiten der Bundesstaatsgründung waren. Nun werden vermehrt Stimmen laut, die deswegen die rechtliche Gleichstellung der Kantone kritisieren. Im Fokus steht dabei das Ständemehr, das die bevölkerungsschwachen Kantone der Zentral- und der Ostschweiz zulasten der Westschweiz privilegiere und zu einem problematischen Ungleichgewicht der Stimmkraft zwischen den Stimmbürgern führe. Eine Reform und eine mögliche Abschaffung des Ständemehrs zeichnen sich jedoch nicht ab.[158] Zum einen besteht ein weitgehender Konsens, dass am Ständemehr als einem Grundpfeiler des schweizerischen Föderalismus nicht gerüttelt werden soll. Da ausserdem jede Änderung des gegenwärtigen Zustandes bei der abschliessenden Abstimmung auf das Erreichen des Ständemehrs angewiesen wäre, ist eine Abschaffung dieser Regelung unrealistisch.[159] Zum anderen ist der «Leidensdruck» noch zu gering, was daran liegen dürfte, dass Vorlagen, die vom Volk angenommen werden, nur selten am Ständemehr scheitern. Seit 1891 (Einführung der Volksinitiative auf Teilrevision der Bundesverfassung) sind es insgesamt 10 Vorlagen (Stand: Juni 2024[160]).[158]
Aus diesem Ungleichgewicht erwachsen auch demokratiepolitische Schwierigkeiten. In der Rechtsetzung auf Bundesebene nimmt die Bedeutung der kleinen Kantone im Vergleich mit den grösseren Kantonen zu. Dadurch kommt es häufiger zu Konflikten zwischen den beiden Grundsätzen, dass jeder Bürger die gleiche Stimme und dass jeder Kanton dasselbe Gewicht hat. Heute könnten theoretisch weniger als 9 % der Bevölkerung (wenn die 11,5 kleinsten Kantone dasselbe Votum abgeben) eine Verfassungsänderung umstossen, die von der Bevölkerungsmehrheit befürwortet wird.[161] Dies trägt unter anderem dazu bei, dass föderale Lösungen in der Schweiz zunehmend an Akzeptanz verlieren.[162]
Ökonomisierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den 1990er Jahren setzte eine Tendenz ein, die staatliche Aufgabenerfüllung nur nach der Wirtschaftlichkeit zu beurteilen (New Public Management). Die Effizienz wird seitdem zunehmend zum alleinigen Massstab erhoben, welche Ebene eine Aufgabe erfüllen soll. Dieser Paradigmenwechsel bedroht den Föderalismus, denn davon können zentralisierende Effekte ausgehen, die die Subsidiarität missachten.[163] Der Effizienzdruck birgt auch die Gefahr, dass Lasten vom Bund auf die Kantone und von den Kantone auf die Gemeinden abgeschoben werden, was im Hinblick auf die fiskalische Äquivalenz problematisch ist. Durch diese Ökonomisierung wird der Wettbewerb zwischen den Kantonen zusätzlich angeheizt, wodurch die bundesstaatliche Solidarität geschwächt werden könnte.[164]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Historisch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rainer J. Schweizer, Ulrich Zelger: Föderalismus. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Alfred Kölz: Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte.
- Ihre Grundlinien vom Ende der Alten Eidgenossenschaft bis 1848. Band 1. Stämpfli, 1992, ISBN 978-3-7272-9380-1.
- Ihre Grundlinien in Bund und Kantonen seit 1848. Band 2. Stämpfli, Bern 2004, ISBN 978-3-7272-9455-6.
- Dieter Freiburghaus, Felix Buchli: Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964. In: Swiss Political Science Review. Band 9, Nr. 1, April 2003, doi:10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x.
Staatsrechtlich
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Pierre Tschannen: Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft. 5. Auflage. Stämpfli, Bern Juni 2021, ISBN 978-3-7272-8928-6, S. 241–379.
- Giovanni Biaggini: BV Kommentar. Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. 2. Auflage. Orell Füssli, Zürich 2017, ISBN 978-3-280-07320-9.
- Oliver Diggelmann, Maya Hertig Randall, Benjamin Schindler (Hrsg.): Verfassungsrecht der Schweiz / Droit constitutionnel suisse. Band 1. Schulthess. Zürich/Basel/Genf 2020, ISBN 978-3-7255-7995-2, S. 531–815.
- Andreas Auer: Staatsrecht der schweizerischen Kantone. 1. Auflage, Stämpfli, Bern 2016, ISBN 978-3-7272-3217-6.
- Jürg Marcel Tiefenthal: «Vielfalt in der Einheit» am Ende? Aktuelle Herausforderungen des schweizerischen Föderalismus. EIZ, Zürich 2021, ISBN 978-3-03805-402-3.
Politikwissenschaftlich
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Adrian Vatter: Das politische System der Schweiz. 4. Auflage, Nomos, Baden-Baden 2020, ISBN 978-3-8487-6564-5, S. 431–480.
- Adrian Vatter: Swiss federalism: the transformation of a federal model. 2018, ISBN 978-1-138-29427-1
- Andreas Ladner: Überlegungen und empirische Befunde zur territorialen Gliederung und der Organisation der staatlichen Aufgabenerbringung in der Schweiz. IDHEAP, Lausanne 2018, ISBN 978-2-940390-90-8 (andreasladner.ch [PDF; 6,0 MB]).
- Rahel Freiburghaus: Lobbyierende Kantone. Subnationale Interessenvertretung im Schweizer Föderalismus (= Politik und Demokratie in den kleineren Ländern. Band 19). Nomos, Bern 2024, ISBN 978-3-7560-1408-8 (Open Access).
- Paolo Dardanelli, Sean Mueller: Dynamic De/Centralization in Switzerland, 1848–2010. In: Publius. The Journal of Federalism. Band 49, Nr. 1, 1. Januar 2019, ISSN 0048-5950, doi:10.1093/publius/pjx056.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Föderalismus. Bundesamt für Justiz
- Institut für Föderalismus. Universität Freiburg
- Institut für Politikwissenschaft der Universität, Forschung und Publikationen zum Föderalismus
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Adrian Vatter: Das politische System der Schweiz. 4. Auflage. 2020, S. 470.
- ↑ a b Tiefenthal: «Vielfalt in der Einheit» am Ende? 2021, S. 183
- ↑ Eva Maria Belser: Föderalismus und Minderheitenschutz. In: Verfassungsrecht der Schweiz. Band 1, 2020, S. 774.
- ↑ Dietmar Braun: Dezentraler und unitarischer Föderalismus. Die Schweiz und Deutschland im Vergleich. In: Swiss Political Science Review. Band 9, Nr. 1, April 2003, S. 67, doi:10.1002/j.1662-6370.2003.tb00400.x.
- ↑ Dietmar Braun: Dezentraler und unitarischer Föderalismus. Die Schweiz und Deutschland im Vergleich. In: Swiss Political Science Review. Band 9, Nr. 1, April 2003, S. 59, doi:10.1002/j.1662-6370.2003.tb00400.x.
- ↑ Dietmar Braun: Dezentraler und unitarischer Föderalismus. Die Schweiz und Deutschland im Vergleich. In: Swiss Political Science Review. Band 9, Nr. 1, April 2003, S. 60 f., doi:10.1002/j.1662-6370.2003.tb00400.x.
- ↑ Hans Stadler: Länderorte. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 11. November 2008, abgerufen am 20. Dezember 2023.
- ↑ a b Rainer J. Schweizer, Ulrich Zelger: Föderalismus. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 5. November 2009, abgerufen am 18. März 2023. Ziffer 2.
- ↑ Andreas Ladner: Der Schweizer Föderalismus im Wandel. (PDF) S. 21, abgerufen am 18. März 2023.
- ↑ Andreas Ladner: Der Schweizer Föderalismus im Wandel. (PDF) S. 22, abgerufen am 18. März 2023.
- ↑ a b c Rainer J. Schweizer, Ulrich Zelger: Föderalismus. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 5. November 2009, abgerufen am 18. März 2023. Ziffer 3.
- ↑ Aus der Ansprache Bonaparte's an den Ausschuß der helvetischen Consulta zu St. Cloud. 12. Dezember 1802. (PDF) verfassungsgeschichte.ch, abgerufen am 14. Juli 2023.
- ↑ Andreas Ladner: Der Schweizer Föderalismus im Wandel. (PDF) S. 24, abgerufen am 18. März 2023.
- ↑ Andreas Ladner: Der Schweizer Föderalismus im Wandel. (PDF) S. 27, abgerufen am 18. März 2023.
- ↑ a b Adrian Vatter: Das politische System der Schweiz. 4. Auflage. 2020, S. 432 f.
- ↑ Paolo Dardanelli: Routledge handbook of regionalism and federalism. Hrsg.: John Loughlin, John Kincaid, Wilfried Swenden. London 2013, ISBN 978-1-136-72762-7, S. 251 (englisch).
- ↑ Vatter: Swiss federalism: the transformation of a federal model. 2018, S. 169 f.
- ↑ Thomas M. Studer: Die Schweizer Bundesfinanzen. Die Finanzgeschichte des Bundes von der Bundesstaatsgründung bis zur Gegenwart. Universität Luzern, Luzern 2021 (Dissertation).
- ↑ Alfred Kölz: Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte. Ihre Grundlinien in Bund und Kantonen seit 1848. Band 2. Stämpfli, Bern 2004, ISBN 3-7272-9455-8, S. 497.
- ↑ Alfred Kölz: Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte. Ihre Grundlinien in Bund und Kantonen seit 1848. Band 2. Stämpfli, Bern 2004, ISBN 3-7272-9455-8, S. 507 f.
- ↑ Alfred Kölz: Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte. Ihre Grundlinien in Bund und Kantonen seit 1848. Band 2. Stämpfli, Bern 2004, ISBN 3-7272-9455-8, S. 599.
- ↑ Dieter Freiburghaus, Felix Buchli: Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964. In: Swiss Political Science Review. Band 9, Nr. 1, April 2003, S. 51, doi:10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x.
- ↑ Rainer J. Schweizer, Ulrich Zelger: Föderalismus. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 5. November 2009, abgerufen am 18. März 2023. Ziffer 4.
- ↑ Andreas Ladner: Der Schweizer Föderalismus im Wandel. (PDF) S. 30 f., abgerufen am 18. März 2023.
- ↑ Alfred Kölz: Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte. Ihre Grundlinien in Bund und Kantonen seit 1848. Band 2, 2004, ISBN 3-7272-9455-8, S. 651.
- ↑ Dieter Freiburghaus, Felix Buchli: Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964. In: Swiss Political Science Review. Band 9, Nr. 1, April 2003, S. 36, doi:10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x.
- ↑ Alfred Kölz: Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte. Ihre Grundlinien in Bund und Kantonen seit 1848. Band 2. Stämpfli, Bern 2004, ISBN 3-7272-9455-8, S. 649–659.
- ↑ Dieter Freiburghaus, Felix Buchli: Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964. In: Swiss Political Science Review. Band 9, Nr. 1, April 2003, S. 36, doi:10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x.
- ↑ Dieter Freiburghaus, Felix Buchli: Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964. In: Swiss Political Science Review. Band 9, Nr. 1, April 2003, S. 40 f., doi:10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x.
- ↑ Bernard Degen: Sozialdemokratische Partei (SP). In: Historisches Lexikon der Schweiz. 24. Januar 2022, abgerufen am 23. Juli 2023.
- ↑ Pietro Morandi: Konkordanzdemokratie. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 13. April 2016, abgerufen am 23. Juli 2023.
- ↑ Dieter Freiburghaus, Felix Buchli: Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964. In: Swiss Political Science Review. Band 9, Nr. 1, April 2003, S. 42–44, doi:10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x.
- ↑ Dieter Freiburghaus, Felix Buchli: Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964. In: Swiss Political Science Review. Band 9, Nr. 1, April 2003, S. 45, doi:10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x.
- ↑ a b c Dieter Freiburghaus, Felix Buchli: Die Entwicklung des Föderalismus und der Föderalismus-Diskussion in der Schweiz von 1874 bis 1964. In: Swiss Political Science Review. Band 9, Nr. 1, April 2003, S. 46–48, doi:10.1002/j.1662-6370.2003.tb00399.x.
- ↑ Vatter: Das politische System der Schweiz. 2020, S. 435.
- ↑ Vatter: Das politische System der Schweiz. 2020, S. 436
- ↑ Christoph A. Schaltegger, Marc M. Winistörfer: Zur Begrenzung der schleichenden Zentralisierung im Schweizerischen Bundesstaat / On government centralization and its limitation in Switzerland. In: ORDO. Band 65, Nr. 1, 1. Januar 2014, ISSN 2366-0481, S. 194–196, doi:10.1515/ordo-2014-0111.
- ↑ Vatter: Das politische System der Schweiz. 2020, S. 437 f.
- ↑ Tobias Arnold, Alexander Arens, Sean Mueller, Adrian Vatter: Schweizer Föderalismus im Wandel. Die versteckten politischen Effekte der NFA. In: Jahrbuch des Föderalismus 2019. 1. Auflage. Nomos, Baden-Baden 2019, ISBN 978-3-8487-6007-7, S. 175–186, doi:10.5771/9783748901174-175.
- ↑ Biaggini: BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. 2017, S. 529
- ↑ Rainer J. Schweizer: Die schweizerische Bundesverfassung. St. Galler Kommentar. Hrsg.: Bernhard Ehrenzeller, Patricia Egli, Peter Hettich, Peter Hongler, Benjamin Schindler, Stefan G. Schmid, Rainer J. Schweizer. 4. Auflage. Band 1. Dike, Schulthess, Zürich/St. Gallen 2023, ISBN 978-3-7255-7994-5, S. 1730.
- ↑ Rahel Freiburghaus, Sean Mueller, Adrian Vatter: Switzerland: Overnight centralization in one of the world’s most federal countries. In: Federalism and the Response to COVID-19. A Comparative Analysis. Routledge, 2022, ISBN 978-1-03-207790-1, S. 222 f., doi:10.4324/9781003251217-22 (englisch).
- ↑ Johanna Schnabel, Yvonne Hegele: Explaining Intergovernmental Coordination during the COVID-19 Pandemic. Responses in Australia, Canada, Germany, and Switzerland. In: Publius. The Journal of Federalism. Band 51, Nr. 4, 12. September 2021, ISSN 0048-5950, S. 553, doi:10.1093/publius/pjab011, PMC 8344706 (freier Volltext) – (englisch).
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- ↑ Föderalismus im Krisentest: Die Lehren aus der Covid-19-Krise ziehen. Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 20.4522 Cottier vom 16. Dezember 2020. In: Der Bundesrat. Bern 15. Dezember 2023, S. 6 f. (admin.ch [PDF]).
- ↑ a b Häfelin, Haller et al.: Schweizerisches Bundesstaatsrecht. 2020, S. 317.
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- ↑ a b Tschannen: Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft. 2021, S. 247.
- ↑ Rainer J. Schweizer: Entstehung und Entwicklung des schweizerischen Föderalismus. In: Verfassungsrecht der Schweiz. Band 1, 2020, S. 554.
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- ↑ Biaggini: BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. 2017, S. 515
- ↑ BGE 140 I 394 E. 8–11.
- ↑ Giovanni Biaggini: Majorz und majorzgeprägte Mischsysteme: Parlamentswahlverfahren mit Verfalldatum? In: Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht. Nr. 8. Schulthess, 2016, S. 415.
- ↑ Denise Brühl-Moser: Schweizerischer Föderalismus im internationalen Vergleich. In: Verfassungsrecht der Schweiz. Band 1, 2020, S. 589.
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- ↑ Tschannen: Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft. 2021, S. 247 f.
- ↑ Vatter: Das politische System der Schweiz. 2020, S. 469
- ↑ a b c Paolo Dardanelli, Sean Mueller: Dynamic De/Centralization in Switzerland, 1848–2010. In: Publius. The Journal of Federalism. Band 49, Nr. 1, 1. Januar 2019, ISSN 0048-5950, S. 141, doi:10.1093/publius/pjx056 (englisch).
- ↑ a b Häfelin, Haller et al.: Schweizerisches Bundesstaatsrecht. 2020, S. 365
- ↑ Tiefenthal: «Vielfalt in der Einheit» am Ende?. 2021, S. 24
- ↑ a b Biaggini: BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. 2017, S. 508 f.
- ↑ Rainer J. Schweizer: Entstehung und Entwicklung des schweizerischen Föderalismus. In: Verfassungsrecht der Schweiz. Band 1, 2020, S. 555.
- ↑ Eva Maria Belser: Föderalismuskonzeption der Bundesverfassung. In: Verfassungsrecht der Schweiz. Band 1, 2020, S. 681.
- ↑ Matthias Lanz: Bundesversammlung und Aussenpolitik Möglichkeiten und Grenzen parlamentarischer Mitwirkung. Dike, Zürich/St.Gallen 2020, ISBN 978-3-03891-248-4, S. 173 (unibe.ch [PDF]).
- ↑ Initiative für den UNO-Beitritt. In: Swissvotes. Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern, abgerufen am 23. Dezember 2022.
- ↑ Wolf Linder, Adrian Vatter: Institutions and outcomes of Swiss federalism: The role of the cantons in Swiss politics. In: West European Politics. Band 24, Nr. 2, April 2001, ISSN 0140-2382, S. 95–122, doi:10.1080/01402380108425435 (englisch).
- ↑ Für die Politikwissenschaft etwa Rahel Freiburghaus: Lobbyierende Kantone. Subnationale Interessenvertretung im Schweizer Föderalismus. 2024, S. 182; in der Rechtswissenschaft siehe Yvo Hangartner: Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen. Bern, S. 402.
- ↑ Häfelin, Haller et al.: Schweizerisches Bundesstaatsrecht. 2020, S. 322 f.
- ↑ Rahel Freiburghaus: Lobbyierende Kantone. Subnationale Interessenvertretung im Schweizer Föderalismus (= Politik und Demokratie in den kleineren Ländern. Band 19). Nomos, Bern 2024, ISBN 978-3-7560-1408-8, S. 182 f.
- ↑ René Rhinow, Markus Schefer, Peter Uebersax: Schweizerisches Verfassungsrecht. 3. Auflage. Helbing Lichtenhahn, Basel 2016, ISBN 978-3-7190-3366-8, S. 438, Rz. 2304.
- ↑ Rahel Freiburghaus: Lobbyierende Kantone. Subnationale Interessenvertretung im Schweizer Föderalismus (= Politik und Demokratie in den kleineren Ländern. Band 19). Nomos, Bern 2024, ISBN 978-3-7560-1408-8, S. 181.
- ↑ Adrian Vatter, Andreas Ladner: Der Ständerat. In: Sean Müller, Adrian Vatter (Hrsg.): Politik und Gesellschaft in der Schweiz. 1. Auflage. Band 11. NZZ Libro, Basel 2020, ISBN 978-3-907291-08-5, S. 54 f.
- ↑ a b c Vatter: Swiss federalism: the transformation of a federal model. 2018, S. 53–57.
- ↑ Adrian Vatter: Das politische System der Schweiz. 2020, S. 446; siehe auch Fritz Sager, Isabelle Stadelmann-Steffen: Die Kantone im Vernehmlassungsverfahren des Bundes. In: Adrian Vatter (Hrsg.), Föderalismusreform. Wirkungsweise und Reformmodelle föderativer Institutionen in der Schweiz. 2006, S. 152 ff. (online); Rahel Freiburghaus: Lobbyierende Kantone. Subnationale Interessenvertretung im Schweizer Föderalismus. 2024, S. 204.
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