„Landnahme“ – Versionsunterschied
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Man versteht unter '''Landnahme''' zunächst die Inbesitznahme |
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'''Landnahme''' ist jede Inbesitznahme [[Grund und Boden]]s unabhängig von Eigentumsverhältnissen, Zustimmung bzw. Duldung.<ref>F. A. Brockhaus (Hrsg.), ''Brockhaus Enzyklopädie'', Band 13, Mannheim, 1990, S. 43.</ref> |
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'''1:eines bislang unbewohnten Landes.''' |
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Im Rahmen der [[Geschichtsschreibung]] bedeutet Landnahme die [[Okkupation]] und [[Besiedlung]] eines Territoriums durch ein [[Volk]] oder eine [[Volksgruppe]], mitunter als Endpunkt einer vorherigen territorial unsteten Lebensweise. Der Begriff wird heute teilweise kritisch betrachtet, da er in bestimmten Kontexten einen starken ideologischen Hintergrund hat.<ref>Siehe Artikel ''Landnahme''. In: ''[[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]]'' Bd. 17, S. 602–611.</ref> Davon zu unterscheiden sind [[Kolonisation|Kolonisierung]] und [[Kolonialismus]], die von einem [[Mutterland]] ausgehen und Erweiterungen des Einflussgebietes darstellen. |
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Im engeren Sinne bezeichnet '''Landnahme''' die Besiedelung der bis dato unbewohnten [[Färöer]] und [[Island]]s durch [[Wikinger]] aus diversen nordischen Ländern, vor allem [[Norwegen]], sowie [[Kelten|keltisch]]e Siedler. Diese fand zwischen dem [[9. Jahrhundert|9.]] und [[10. Jahrhundert]] n. Chr. statt. |
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== Beispiele == |
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Über sie wird im berühmten ''Landnámabók'' berichtet. Es ist in drei Fassungen aus dem [[13. Jahrhundert]] erhalten. Man weiß aber, dass noch ältere, uns nicht erhaltene Fassungen existiert haben. In diesem Buch, das zu den ältesten Schriftzeugnissen Islands zählt, werden über 400 frühe Siedler mit allen Verwandtschaftsgraden genau dargestellt. |
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Bekannte Beispiele für historische Landnahmen sind: |
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* [[Landnahme der Israeliten]] in Kanaan |
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'''2: die Inbesitznahme eines schon bewohnten Landes''' (im Sinne von "Land-wegnahme") |
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* [[Geschichte Islands#Landnahmezeit (874 bis 930)|Landnahme der Wikinger in Island]] |
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* [[Fränkische Landnahme]] |
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* [[Alamannen#Ansiedlung|Alamannische Landnahme]] |
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* [[Bajuwarische Landnahme]] |
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* [[Geschichte Ungarns#Landnahmezeit|Landnahme der Magyaren]] |
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* [[Landnahme der Slawen auf dem Balkan]] |
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* Landnahmen in Mikronesien und Neuseeland |
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Die entsprechende geschichtliche Epoche des jeweiligen Volkes wird auch als dessen ''Landnahmezeit'' bezeichnet. Der Begriff Landnahme umfasst dabei jede Ansiedelung auf fremden Gebieten, seien sie menschenleer, herrschaftslos oder bereits besiedelt, seien sie gewaltsam erobert oder durch friedliche Einwanderung eingenommen. Bei einer bereits ansässigen Bevölkerung kann es zu einer Vermischung oder einer Verdrängung kommen. |
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SO die INBESITZNAHME des Landes [[Kanaan]] durch die Israeliten unter Josua in einem "Heiligen Krieg" [[Heiliger Krieg]] und die Aufteilung des Gebietes unter die 12 Söhne Jakobs in einer [[12-er Amphiktionie]] |
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== Neuzeitliche Konzepte im Sinne einer Landnahme == |
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Eine sozialreformerisch motivierte Landnahme praktizierten ab Mitte des 17. Jahrhunderts die [[Diggers]] in England. In Nordamerika hatte die individuelle Landnahme durch [[Squatter]]s weitreichende Bedeutung für die Besiedelung des amerikanischen Westens. Die spätere Legalisierung wurde nach und nach durch einzelstaatliche Gesetze und 1862 mit dem bundesweit geltenden [[Homestead Act|Heimstättengesetz]] erreicht. |
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*Roman: [[Landnahme (Christoph Hein)]] |
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Einen Sonderfall aus der neueren Geschichte stellt der Staat Israel dar. Grundlage ist die [[Balfour-Deklaration]] von 1917, in der Großbritannien seine Unterstützung für die Errichtung einer jüdischen ''nationalen Heimstätte'' in Palästina zusicherte. Die Landnahme sollte friedlich ohne Verdrängung der ansässigen Bevölkerung geschehen. |
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== Siehe auch == |
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* [[Nomos (Carl Schmitt)]] (grundlegende Überlegungen zur Landnahme) |
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* [[Uti possidetis]] (Inbesitznahme eines Territoriums durch kriegerische Handlungen) |
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== Literatur == |
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* {{Literatur |Autor=[[Karl Siegfried Bader|Karl S. Bader]], [[Gerhard Dilcher]] |Titel=Deutsche Rechtsgeschichte. Land und Stadt - Bürger und Bauer im Alten Europa | Verlag=Springer |Ort=Berlin u. a. |Datum=1999 |Kommentar=Rechts- und sozialgeschichtliche Darstellung der Landnahmen in Deutschland von der Frühzeit bis ins Mittelalter |Kapitel=1. Teil ''Rechtsgeschichte der ländlichen Siedlung'' Kap. B ''Landnahme und ländliche Siedlung'' |Seiten=17–62 |ISBN=978-3-642-63677-6}} |
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* Anna-Maria Post, Michaela Holdenried (Hrsg.): ''„Land in Sicht!“ Literarische Inszenierungen von Landnahmen und ihren Folgen.'' Berlin 2021 (literaturwissenschaftliche Perspektiven). |
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== Weblinks == |
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Aktuelle Version vom 8. Oktober 2024, 23:46 Uhr
Landnahme ist jede Inbesitznahme Grund und Bodens unabhängig von Eigentumsverhältnissen, Zustimmung bzw. Duldung.[1]
Im Rahmen der Geschichtsschreibung bedeutet Landnahme die Okkupation und Besiedlung eines Territoriums durch ein Volk oder eine Volksgruppe, mitunter als Endpunkt einer vorherigen territorial unsteten Lebensweise. Der Begriff wird heute teilweise kritisch betrachtet, da er in bestimmten Kontexten einen starken ideologischen Hintergrund hat.[2] Davon zu unterscheiden sind Kolonisierung und Kolonialismus, die von einem Mutterland ausgehen und Erweiterungen des Einflussgebietes darstellen.
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bekannte Beispiele für historische Landnahmen sind:
- Landnahme der Israeliten in Kanaan
- Landnahme der Wikinger in Island
- Fränkische Landnahme
- Alamannische Landnahme
- Bajuwarische Landnahme
- Landnahme der Magyaren
- Landnahme der Slawen auf dem Balkan
- Landnahmen in Mikronesien und Neuseeland
Die entsprechende geschichtliche Epoche des jeweiligen Volkes wird auch als dessen Landnahmezeit bezeichnet. Der Begriff Landnahme umfasst dabei jede Ansiedelung auf fremden Gebieten, seien sie menschenleer, herrschaftslos oder bereits besiedelt, seien sie gewaltsam erobert oder durch friedliche Einwanderung eingenommen. Bei einer bereits ansässigen Bevölkerung kann es zu einer Vermischung oder einer Verdrängung kommen.
Neuzeitliche Konzepte im Sinne einer Landnahme
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine sozialreformerisch motivierte Landnahme praktizierten ab Mitte des 17. Jahrhunderts die Diggers in England. In Nordamerika hatte die individuelle Landnahme durch Squatters weitreichende Bedeutung für die Besiedelung des amerikanischen Westens. Die spätere Legalisierung wurde nach und nach durch einzelstaatliche Gesetze und 1862 mit dem bundesweit geltenden Heimstättengesetz erreicht.
Einen Sonderfall aus der neueren Geschichte stellt der Staat Israel dar. Grundlage ist die Balfour-Deklaration von 1917, in der Großbritannien seine Unterstützung für die Errichtung einer jüdischen nationalen Heimstätte in Palästina zusicherte. Die Landnahme sollte friedlich ohne Verdrängung der ansässigen Bevölkerung geschehen.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Nomos (Carl Schmitt) (grundlegende Überlegungen zur Landnahme)
- Uti possidetis (Inbesitznahme eines Territoriums durch kriegerische Handlungen)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Karl S. Bader, Gerhard Dilcher: Deutsche Rechtsgeschichte. Land und Stadt - Bürger und Bauer im Alten Europa. Springer, Berlin u. a. 1999, ISBN 978-3-642-63677-6, 1. Teil Rechtsgeschichte der ländlichen Siedlung Kap. B Landnahme und ländliche Siedlung, S. 17–62 (Rechts- und sozialgeschichtliche Darstellung der Landnahmen in Deutschland von der Frühzeit bis ins Mittelalter).
- Anna-Maria Post, Michaela Holdenried (Hrsg.): „Land in Sicht!“ Literarische Inszenierungen von Landnahmen und ihren Folgen. Berlin 2021 (literaturwissenschaftliche Perspektiven).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Landnahme im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ F. A. Brockhaus (Hrsg.), Brockhaus Enzyklopädie, Band 13, Mannheim, 1990, S. 43.
- ↑ Siehe Artikel Landnahme. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 17, S. 602–611.