„Überexpression“ – Versionsunterschied
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Als '''Überexpression''' bezeichnet man die stark erhöhte [[Genexpression|Expression]] eines Genes in einer [[Zelle (Biologie)|Zelle]]. Daraus resultiert eine entsprechend erhöhte [[Proteinbiosynthese|Synthese]] des [[Protein]]s, das durch dieses [[Gen]] [[Genetischer Code|codiert]] wird. |
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Unter '''Proteinüberexpression''' versteht man die Herstellung eines bestimmten [[Protein]]s in [[Prokaryot|prokaryontischen]] oder [[Eukaryot|eukaryontischen]] Zellen unter Verwendung eines [[Rekombinanter Vektor|rekombinanten Vektors]]. Entscheidend ist dabei , dass eine möglichst große Menge des Proteins gewonnen werden kann. Man unterscheidet |
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* [[homologe]] Expression (d. h. Protein und Expressionswirt sind von gleicher Spezies) und |
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* [[heterologe]] Expression (Protein und Wirt sind unterschiedlicher Spezies). |
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Eine natürliche Überexpression kann im Rahmen einer [[Viren|viralen]] [[Infektion]] vorkommen,<ref>Marc Cruts u. a.: ''Null mutations in progranulin cause ubiquitin-positive frontotemporal dementia linked to chromosome 17q21.'' In: ''Nature.'' 442, S. 920–924 (24. August 2006) [[doi:10.1038/nature05017]].</ref> bei [[Tumor]]en durch eine fehlerhafte [[Genregulation]] verursacht oder künstlich im Labor gezielt zur Erzeugung eines rekombinanten Proteins mit Hilfe eines [[Expressionsvektor]]s herbeigeführt werden. |
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Standardmäßig benutzt man zur heterologen Expression ''[[E.coli]]''-Zellen, da diese Bakterien schnell in großen Ansätzen vermehrt werden können und so die Proteinausbeute optimal ist. So können viele humane Proteine in Bakterienzellen hergestellt und dann aufgereinigt werden (klassisches Beispiel: [[Insulin]]). Anders wäre die große Menge an Insulin, die sich Diabetiker spritzen müssen, nur schwer zu erlangen. |
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Bei komplexeren Proteinen versagt diese einfache Methode jedoch, da Bakterien nicht alle Mechanismen der Proteinweiterverarbeitung in der Zelle besitzen, wie sie höhere Organismen aufweisen. Deshalb ist es z. B. bei Membranproteinen notwendig, auf ein Expressionssystem umzusteigen, welches in der Entwicklungsstufe möglichst nahe dem des Zielproteins steht (z.B. eukaryontische [[Hefe]]zellen oder [[Insekten]]zellen). |
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== Anwendungen der gezielten Überexpression == |
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Im Folgenden sind die grundlegenden '''Vorgehensweisen der Proteinüberexpression''' anhand des Beispiels "Insulin" beschrieben: |
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{{Hauptartikel|Rekombinantes Protein}} |
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Es gibt zwei Bereiche der Anwendung einer Überexpression zur Erzeugung eines rekombinanten Proteins: |
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== Klonierung und Transformation == |
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* Überexpression des Proteins zur späteren Aufreinigung und Weiterverwendung (hier kann man noch unterscheiden zwischen wirtschaftlichen Prozessen und Prozessen, die geringe Proteinmengen zu Forschungszwecken generieren sollen) |
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[[Bild:promotor2.png|thumb|Promotor-Bereich eines typischen Überexpressionsvektors]] |
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* Überexpression zur Analyse des Proteins und seiner Eigenschaften und des Einflusses auf den Produktionsorganismus |
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Bei der analytischen Überexpression wird weniger Wert auf Wirtschaftlichkeit des Prozesses gelegt. Es erfolgt keine Optimierung der Produktion, sondern es wird in der Regel auf erprobte kommerziell erhältliche Standardsysteme zurückgegriffen. Ein Upscale, d. h. Hochstufen der Menge, ist nicht vorgesehen. |
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Um ein Bakterien dazu zu bewegen, das menschliches Protein Insulin herzustellen, muss man ihm die Bauanleitung dafür zur Verfügung stellen. Dies geschieht, indem man das Insulin-[[Gen]] in die Bakterienzelle einschleust. Mit dem Gen alleine kann die Zelle aber nichts anfangen. Deshalb bringt man das Insulin-Gen vorher in einen Vektor, der als Sonde funktioniert und alle wichtigen Informationen enthält, damit das Gen abgelesen werden kann. |
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Im Artikel "[[Klonierung]]" ist beschrieben, wie ein solcher Vektor mit Gen-Insert hergestellt wird. |
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Bei der Etablierung von Produktionsprozessen erfolgt häufig eine weitgehende Optimierung der Überexpression, um einen möglichst stabilen und produktiven Prozess zu erhalten. Hierbei variiert man diverse Parameter auf genetischer und prozesstechnischer Ebene, um am Ende eine möglichst große Produktmenge zu erhalten. |
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Der Vektor enthält neben dem Insulin-Gen noch einen [[Promotor]] (rot), welcher als Startpunkt für die Ablesung des Gens ([[Transkription]]) fungiert. Noch dazu kann der Promotor induziert werden; er wird also erst dann aktiv, wenn man eine bestimmte Substanz zugibt. |
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=== Prokaryoten === |
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[[Bild:transformation2.png|thumb|Transformation und Selektion]] |
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Die häufigste Form der Proteinüberexpression in [[Prokaryoten]] ist die Verwendung von [[Vektor (Gentechnik)|Plasmidvektoren]]. Hierbei wird ein Expressionskassette auf einem Plasmid eingebaut (Lokalisierung), in den Organismus transformiert und dort über den Kultivierungszeitraum stabilisiert. Der Vorteil dieser Methode liegt in der gentechnisch einfachen Arbeitsweise und der hohen Gendosis die über die Plasmidkopiezahl erreicht wird. |
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Eine weitere Methode der Überexpression in Prokaryoten ist der genomische Einbau von Überexpressionskassetten. Für eine Überexpression muss hierbei entweder ein starkes Promotorsystem, eventuell kombiniert mit RNA stabilisierenden Modifikationen, gewählt oder eine hohe Gendosis durch Mehrfachintegration der Kassette ins Genom erreicht werden. |
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Hinter dem Insulin-Gen befindet sich noch ein "Tag", ein kleines Genstück, welches dazu führt, dass am Insulin-Protein ein Bereich angehängt wird, der später zur Reinigung des Proteins aus der Bakterienkultur notwendig ist. |
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Ebenfalls möglich ist die Lokalisierung von Genen zur Überexpression in Phagengenomen. Mit den gentechnisch veränderten Phagen wird dann das Expressionssystem infiziert. Im Zuge der Übernahme des Stoffwechsels des Bakteriums durch den Phagen wird auch das Zielgen verstärkt exprimiert. |
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Der Vektor mit Insulin-Gen wird in E.coli-Bakterienzellen eingebracht ([[Transformation]]). Ein [[Antibiotikum]]-[[Resistenz]]gen auf dem Vektor sorgt dafür, dass nur die Zellen im Antibiotikum-haltigen Nährmedium wachsen, die den Vektor auch wirklich aufgenommen haben. |
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=== Eukaryoten === |
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== Proteinsynthese und -aufreinigung == |
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Auch in [[Eukaryoten]] werden Gene überexprimiert. Dies kann entweder in Zellkultur erfolgen oder im kompletten Organismus. Für die Überexpression im kompletten Organismus werden transiente oder genomintegrierte Expressionskassetten verwendet. Als [[Promotor (Genetik)|Promotoren]] werden der [[CMV-Promotor]] und der [[CAG-Promotor]] verwendet. Bei der Expression in Zellkultur kommen auch Plasmide zum Einsatz. Hierbei werden große Mengen in Bakterien hergestellter Plasmid-DNA, die die entsprechende Expressionskassette enthalten, in die Zelle [[Transfektion|eingebracht]]. Die Plasmide können sich allerdings in den eukaryotischen Zellen nicht replizieren und gehen daher nach einiger Zeit verloren. Diese Methode wird häufig zu Forschungszwecken angewandt, um die Auswirkung von Überexpression auf eine Zelle zu charakterisieren. Produktionsstämme werden in der Regel über genomische Integration der Kassette erstellt. |
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=== Zellfreie Expression === |
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Eine Kolonie wird benutzt, um eine größere Menge Nährmedium anzuimpfen. Auch dieses Medium enthält Antibiotikum. Die resistenten Zellen vermehren sich im Nährmedium bei 37°C durch Zweiteilung. Sobald eine bestimmte Bakterienzahl pro Milliliter Medium (OD ~ 0.9) erreicht ist, wird IPTG (Isopropyl-ß-Thio-Galactosid) zugegeben. Dieser Stoff dienst als Induktor für das Anschalten der Genablesung (siehe auch: [[Operon]]): das Insulin-Gen wird vervielfältigt ([[Transkription]]), das Protein wird hergestellt ([[Translation]]). |
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Die [[zellfreie Genexpression]] beruht auf der Herstellung von Zelllysaten, die mit Plasmiden oder [[mRNA]] versetzt werden und dann zellfrei (''[[in vitro]]'') das codierte Zielprotein herstellen. Diese Methode ist noch relativ ineffizient. Sie eignet sich, um hochtoxische Produkte herzustellen.<ref name="ghoshdastider">{{cite journal | author = Ma Y, Ghoshdastider U, Wang J, Ye W, DötschV, Filipek S, Bernhard F, Wang X | year = 2012 | title= Cell-free expression of human Glucosamine 6-phosphate N-acetyltransferase (HsGNA1) for inhibitor screening. | journal = Protein Expres Purif | volume = 86 | issue =2 | pages = 120–126 | pmid = 23036358 | doi = 10.1016/j.pep.2012.09.011 }}</ref><ref>{{Cite journal |
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| pmid = 24395412 |
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| year = 2014 |
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| volume = 1118 |
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| pages = 109–30 |
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| author = C. Roos, L. Kai, S. Haberstock, D. Proverbio, U. Ghoshdastider, Y. Ma, S. Filipek, X. Wang, V. Dötsch, F. Bernhard |
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| doi = 10.1007/978-1-62703-782-2_7 |
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| title = High-Level Cell-Free Production of Membrane Proteins with Nanodiscs |
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| journal = Methods in Molecular Biology |
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}}</ref><ref>{{Cite journal |
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| pmid = 22716775 |
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| year = 2013 |
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| author = Roos |
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| first1 = C |
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| title = Co-translational association of cell-free expressed membrane proteins with supplied lipid bilayers |
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| journal = Molecular Membrane Biology |
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| volume = 30 |
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| issue = 1 |
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| pages = 75–89 |
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| last2 = Kai |
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| first2 = L |
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| last3 = Proverbio |
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| first3 = D |
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| last4 = Ghoshdastider |
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| first4 = U |
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| last5 = Filipek |
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| first5 = S |
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| last6 = Dötsch |
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| first6 = V |
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| last7 = Bernhard |
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| first7 = F |
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| doi = 10.3109/09687688.2012.693212 |
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}}</ref> |
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== Verschiedene Expressionstypen == |
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Der regulierbare Promotor hat den Vorteil, dass die Proteinsynthese erst bei maximaler Zelldichte aktiviert werden kann. So ist es auch möglich, evtuell für die Bakterien toxische Proteine herstellen zu lassen, die bei andauernder Aktivität des Promotors das Wachstum der Zellen behindern würden. |
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Bei der Überexpression gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten der Expression: |
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* kontinuierliche Expression |
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* induzierte Expression |
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Bei der kontinuierlichen Expression wird das Gen über einen konstitutiven Promoter durchgehend exprimiert und das entsprechende Protein akkumuliert sich in der Zelle. |
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Nachdem die Zellen einige Stunden lang das Protein hergestellt haben, werden die Bakterien "geerntet". Dazu überführt man das Nährmedium in [[Zentrifugation|Zentrifugationsgefäße]] und zentrifugiert bei geringer Drehzahl. Die Zellen setzen sich dabei am Boden des Röhrchens ab und bilden einen Klumpen (Pellet). Das Nährmedium kann abgegossen werden. |
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[[Bild:pellet.png|thumb|Von der Kolonie zum Pellet]] |
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Bei der induzierten Expression wird ein induzierbarer Promotor verwendet. Durch einen Induktor wird die Expression des Zielgens induziert, das heißt freigeschaltet. Diese Methode wird gerne verwendet, wenn die Überexpression negative Auswirkungen auf den Produktionsorganismus hat und deshalb der Startzeitpunkt der Induktion genau auf die Kulturentwicklung in der Wachstumsphase abgestimmt werden muss. Ein Grund hierfür ist u. a. die hohe Beanspruchung der metabolischen Ressourcen der Zelle und die Veränderung der metabolischen Flüsse (Flux) während der Produktionsphase. Beide Parameter sind unter „Normalbedingungen“ von der Zelle so reguliert, dass sie einzig der Bildung von zelleigenen, für [[Zellproliferation]] und Metabolismus nützlichen Proteinen (Host Cell Protein) dienen. Darüber hinaus kann bereits die Bildung hoher Konzentrationen an mRNA während der Transkription des eingebrachten Zielgens Wachstums-inhibierend wirken. Weiterhin trägt auch die verstärkte Akkumulation von [[Einschlusskörperchen|''Inclusion Bodies'']] des Zielproteins zur Inhibition der Zellproliferation bei.<ref name="Jaopeng Li">{{Literatur |Autor=Zhaopeng Li & Ursula Rinas |Titel=Recombinant protein production associated growth inhibition results mainly from transcription and not from translation |Sammelwerk=Microb Cell Fact |Band=19 |Nummer=83 |Datum=2020 |DOI=10.1186/s12934-020-01343-y}}</ref> Diese Begleiteffekte werden unter dem Begriff ''metabolic burden'' zusammengefasst. Die Folgen des langsameren Wachstums sind verlängerte Laufzeiten in den eingesetzten Bioreaktoren und damit speziell bei industriellen Prozessen verbunden eine Erhöhung der Produktionskosten. Ebenfalls von Vorteil ist eine induzierte Expression bei zelltoxischen Produkten. Hier kommt es nach der Induktion der Expression zu einer Selbstvergiftung und zum Absterben der Zelle. Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit eines Produktionsprozesses versucht man daher, den Prozess in eine Wachstumsphase und eine Produktionsphase zu unterteilen. In der Wachstumsphase wird eine möglichst große Menge an Biomasse erzeugt und in der Produktionsphase wird dann durch Induktion des Promotors das Zielprotein produziert. Auf diese Weise erhält man eine maximale Produktmenge vor dem Absterben der Zellen, was den Prozess deutlich wirtschaftlicher macht. |
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Da sich das überexprimierte Protein noch in den Bakterienzellen befindet, müssen diese erst ausgeschlossen werden ([[Zellaufschluss]]). |
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== Verbreitete Systeme zur Überexpression == |
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[[Kategorie:Stoffwechsel]] |
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Das häufigst verwendete System zur Überexpression von rekombinanten Proteinen ist das [[Gram-negativ]]e Bakterium [[Escherichia coli|''E. coli'']]. Es werden aber inzwischen diverse andere Organismen verwendet, wie das [[Gram-positiv]]e ''[[Bacillus megaterium]]'', [[Corynebakterien]] und [[Hefen]]. Für diverse Proteine ist eine Expression in Eukaryoten notwendig und daher werden auch diverse Zellkulturlinien wie tierische [[Zelllinie]]n (z. B. [[Sf9]]-Zellen, [[CHO-Zellen]], [[Vero-Zellen]] oder [[HEK-Zellen]]) verwendet. Einige Proteine werden im Zuge des [[Pharming (Biotechnologie)|Pharming]] auch in [[Gentechnisch veränderter Organismus|gentechnisch veränderten Organismen]] produziert, wie etwa [[Pflanze]]n. Seltener werden auch ganze Organismen höherer Eukaryoten wie etwa [[Ziegen]] oder [[Rinder]] verwendet. |
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[[Kategorie:Chemische Industrie]] |
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== Gezielte Überexpression durch Substratinduktion in ''E. coli'' == |
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Die gezielte Überexpression von Proteinen in Zellen von [[Modellorganismus|Modellorganismen]] (z. B. ''E. coli'') mit Hilfe von [[Transgen]]en ist eine Möglichkeit der biologischen und medizinischen Forschung, eine größere Menge (mehrere [[Gramm|mg]]) eines Proteins zu produzieren, um in weiteren Experimenten dessen Funktion oder [[Proteinstruktur|Struktur]] zu untersuchen. |
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Eine gängige Methode ist die Überexpression eines Transgenes, dessen [[Transkription (Biologie)|Transkription]] durch das [[bakterien]]eigene [[lac-Operon]] reguliert wird. |
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=== Vektoren === |
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Am häufigsten werden Vektoren auf Basis des [[PBR322|pBR322-Plasmids]] verwendet und durch [[Vektordesign]] angepasst, wie etwa die [[PUC19|pUC]]-Plasmide oder die pET-Vektoren. |
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=== Induktion === |
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Das weit verbreitetste System zur Induktion von Promotoren ist das lac Operon aus ''E. coli''. Hierbei wird entweder Lactose oder IPTG als Induktor verwendet. Aber auch Systeme mit [[Arabinose]] (vgl. pBAD-System) oder Rhamnose (vgl. ''E. coli'' KRX) als Induktor sind verbreitet. Ein System zur physikalischen Induktion ist beispielsweise das Temperatur induzierte ''cold shock''-Promotor System basierend auf dem ''E. coli'' cspA-Promotor der Firma Takara. |
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=== Promotoren === |
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Die Auswahl an kommerziellen Systemen mit unterschiedlichen Promotoren ist relativ groß. Es werden sowohl natürliche Promotoren benutzt, wie etwa der T7-Promotor oder der bla-Promotor verwendet, aber auch synthetische Promotoren und Hybridpromotoren wie der tac-Promotor, ein Hybrid aus den Promotoren trp und lac aus dem Genom von ''E. coli''. |
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=== Genetische Voraussetzungen === |
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Das Transgen liegt außerhalb des Bakteriengenoms auf einem [[Plasmid]]. Bevor die eigentliche codierende Region beginnt, also ''stromaufwärts'' des Transgenes, liegt der [[Operator (Genetik)|Operator]] des lac-Operons (''lacO''). Das Plasmid enthält ebenso das Gen ''lacI'', das für den Lac-Repressor LacI codiert. LacI bindet den Operator ''lacO'' vor dem Transgen und versperrt dessen [[Promotor (Genetik)|Promotor]], verhindert also die Expression des Transgens und somit die Überproduktion des codierten Proteins. |
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=== Substratinduktion durch IPTG === |
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[[IPTG]], ein der [[Allolactose]] sehr ähnliches Molekül, bindet den Repressor, der auf dem Operator vor dem Transgen sitzt. Dadurch ändert sich die Konformation des Repressors, er kann die [[DNA]] nicht mehr binden und gibt den Operator frei. Dies macht den Promotor zugänglich für die [[RNA-Polymerase]]. Ihre Bindung an den Promotor leitet die Transkription der DNA in [[mRNA]] ein. |
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=== Geeignete Promotoren für die Überexpression === |
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Die Freigabe eines Promotors für die Initiation der Transkription allein reicht nicht aus, um sehr große Mengen eines Proteins zu produzieren. Hierfür müssen große Mengen mRNA vorhanden sein, das heißt die Transkription muss sehr effizient verlaufen. Man benötigt starke Promotoren, die die RNA-Polymerasen in schneller Folge an den Promotor rekrutieren und einen ebenso schnellen Transkriptionsstart ermöglichen. |
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Beispiele hierfür sind bei Bakterien der ''T7''-Promotor<ref>D. A. Mead, E. Szczesna-Skorupa, B. Kemper: ''Single-stranded DNA 'blue’ T7 promoter plasmids: a versatile tandem promoter system for cloning and protein engineering.'' In: ''Protein Engineering.'' Jahrgang 1986, Nr. 1, S. 67–74.</ref> aus dem gleichnamigen [[Bakteriophage]]n oder der ''tac''-Promotor, ein [[Hybrid]] aus den Promotoren ''trp'' und ''lac'' aus dem Genom von ''E. coli''.<ref>H. A. de Boer, L. J. Comstock, M. Vasser: ''The tac promoter: a functional hybrid derived from the trp and lac promoters.'' In: ''[[Proceedings of the National Academy of Sciences]].'' Nr. 80, 1983, S. 21–25.</ref> Für den T7-Promotor muss allerdings auch die entsprechende [[T7-RNA-Polymerase]] im Genom des [[Expressionssystem]]s vorhanden sein.<ref>[http://www.sigmaaldrich.com/life-science/molecular-biology/cloning-and-expression/vector-systems/t7-promoter-system.html ''T7-Promotor Systeme''] Website von Sigma-Aldrich, abgerufen am 29. Mai 2011.</ref> Bei Säugetierzellen werden unter anderem der [[CAG-Promotor]] und der [[CMV-Promotor]] verwendet. |
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== Literatur == |
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* [[Joseph Sambrook]], David W. Russell: ''Molecular Cloning. A Laboratory Manual.'' Volume 3. 3rd edition. Cold Spring Harbor Laboratory Press, New York NY 2001, ISBN 0-87969-576-5. |
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== Einzelnachweise == |
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<references /> |
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{{SORTIERUNG:Uberexpression}} |
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[[Kategorie:Protein-Methode]] |
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[[Kategorie:Genexpression]] |
Aktuelle Version vom 16. April 2024, 22:12 Uhr
Als Überexpression bezeichnet man die stark erhöhte Expression eines Genes in einer Zelle. Daraus resultiert eine entsprechend erhöhte Synthese des Proteins, das durch dieses Gen codiert wird.
Eine natürliche Überexpression kann im Rahmen einer viralen Infektion vorkommen,[1] bei Tumoren durch eine fehlerhafte Genregulation verursacht oder künstlich im Labor gezielt zur Erzeugung eines rekombinanten Proteins mit Hilfe eines Expressionsvektors herbeigeführt werden.
Anwendungen der gezielten Überexpression
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es gibt zwei Bereiche der Anwendung einer Überexpression zur Erzeugung eines rekombinanten Proteins:
- Überexpression des Proteins zur späteren Aufreinigung und Weiterverwendung (hier kann man noch unterscheiden zwischen wirtschaftlichen Prozessen und Prozessen, die geringe Proteinmengen zu Forschungszwecken generieren sollen)
- Überexpression zur Analyse des Proteins und seiner Eigenschaften und des Einflusses auf den Produktionsorganismus
Bei der analytischen Überexpression wird weniger Wert auf Wirtschaftlichkeit des Prozesses gelegt. Es erfolgt keine Optimierung der Produktion, sondern es wird in der Regel auf erprobte kommerziell erhältliche Standardsysteme zurückgegriffen. Ein Upscale, d. h. Hochstufen der Menge, ist nicht vorgesehen.
Bei der Etablierung von Produktionsprozessen erfolgt häufig eine weitgehende Optimierung der Überexpression, um einen möglichst stabilen und produktiven Prozess zu erhalten. Hierbei variiert man diverse Parameter auf genetischer und prozesstechnischer Ebene, um am Ende eine möglichst große Produktmenge zu erhalten.
Prokaryoten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die häufigste Form der Proteinüberexpression in Prokaryoten ist die Verwendung von Plasmidvektoren. Hierbei wird ein Expressionskassette auf einem Plasmid eingebaut (Lokalisierung), in den Organismus transformiert und dort über den Kultivierungszeitraum stabilisiert. Der Vorteil dieser Methode liegt in der gentechnisch einfachen Arbeitsweise und der hohen Gendosis die über die Plasmidkopiezahl erreicht wird.
Eine weitere Methode der Überexpression in Prokaryoten ist der genomische Einbau von Überexpressionskassetten. Für eine Überexpression muss hierbei entweder ein starkes Promotorsystem, eventuell kombiniert mit RNA stabilisierenden Modifikationen, gewählt oder eine hohe Gendosis durch Mehrfachintegration der Kassette ins Genom erreicht werden.
Ebenfalls möglich ist die Lokalisierung von Genen zur Überexpression in Phagengenomen. Mit den gentechnisch veränderten Phagen wird dann das Expressionssystem infiziert. Im Zuge der Übernahme des Stoffwechsels des Bakteriums durch den Phagen wird auch das Zielgen verstärkt exprimiert.
Eukaryoten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auch in Eukaryoten werden Gene überexprimiert. Dies kann entweder in Zellkultur erfolgen oder im kompletten Organismus. Für die Überexpression im kompletten Organismus werden transiente oder genomintegrierte Expressionskassetten verwendet. Als Promotoren werden der CMV-Promotor und der CAG-Promotor verwendet. Bei der Expression in Zellkultur kommen auch Plasmide zum Einsatz. Hierbei werden große Mengen in Bakterien hergestellter Plasmid-DNA, die die entsprechende Expressionskassette enthalten, in die Zelle eingebracht. Die Plasmide können sich allerdings in den eukaryotischen Zellen nicht replizieren und gehen daher nach einiger Zeit verloren. Diese Methode wird häufig zu Forschungszwecken angewandt, um die Auswirkung von Überexpression auf eine Zelle zu charakterisieren. Produktionsstämme werden in der Regel über genomische Integration der Kassette erstellt.
Zellfreie Expression
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die zellfreie Genexpression beruht auf der Herstellung von Zelllysaten, die mit Plasmiden oder mRNA versetzt werden und dann zellfrei (in vitro) das codierte Zielprotein herstellen. Diese Methode ist noch relativ ineffizient. Sie eignet sich, um hochtoxische Produkte herzustellen.[2][3][4]
Verschiedene Expressionstypen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bei der Überexpression gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten der Expression:
- kontinuierliche Expression
- induzierte Expression
Bei der kontinuierlichen Expression wird das Gen über einen konstitutiven Promoter durchgehend exprimiert und das entsprechende Protein akkumuliert sich in der Zelle.
Bei der induzierten Expression wird ein induzierbarer Promotor verwendet. Durch einen Induktor wird die Expression des Zielgens induziert, das heißt freigeschaltet. Diese Methode wird gerne verwendet, wenn die Überexpression negative Auswirkungen auf den Produktionsorganismus hat und deshalb der Startzeitpunkt der Induktion genau auf die Kulturentwicklung in der Wachstumsphase abgestimmt werden muss. Ein Grund hierfür ist u. a. die hohe Beanspruchung der metabolischen Ressourcen der Zelle und die Veränderung der metabolischen Flüsse (Flux) während der Produktionsphase. Beide Parameter sind unter „Normalbedingungen“ von der Zelle so reguliert, dass sie einzig der Bildung von zelleigenen, für Zellproliferation und Metabolismus nützlichen Proteinen (Host Cell Protein) dienen. Darüber hinaus kann bereits die Bildung hoher Konzentrationen an mRNA während der Transkription des eingebrachten Zielgens Wachstums-inhibierend wirken. Weiterhin trägt auch die verstärkte Akkumulation von Inclusion Bodies des Zielproteins zur Inhibition der Zellproliferation bei.[5] Diese Begleiteffekte werden unter dem Begriff metabolic burden zusammengefasst. Die Folgen des langsameren Wachstums sind verlängerte Laufzeiten in den eingesetzten Bioreaktoren und damit speziell bei industriellen Prozessen verbunden eine Erhöhung der Produktionskosten. Ebenfalls von Vorteil ist eine induzierte Expression bei zelltoxischen Produkten. Hier kommt es nach der Induktion der Expression zu einer Selbstvergiftung und zum Absterben der Zelle. Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit eines Produktionsprozesses versucht man daher, den Prozess in eine Wachstumsphase und eine Produktionsphase zu unterteilen. In der Wachstumsphase wird eine möglichst große Menge an Biomasse erzeugt und in der Produktionsphase wird dann durch Induktion des Promotors das Zielprotein produziert. Auf diese Weise erhält man eine maximale Produktmenge vor dem Absterben der Zellen, was den Prozess deutlich wirtschaftlicher macht.
Verbreitete Systeme zur Überexpression
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das häufigst verwendete System zur Überexpression von rekombinanten Proteinen ist das Gram-negative Bakterium E. coli. Es werden aber inzwischen diverse andere Organismen verwendet, wie das Gram-positive Bacillus megaterium, Corynebakterien und Hefen. Für diverse Proteine ist eine Expression in Eukaryoten notwendig und daher werden auch diverse Zellkulturlinien wie tierische Zelllinien (z. B. Sf9-Zellen, CHO-Zellen, Vero-Zellen oder HEK-Zellen) verwendet. Einige Proteine werden im Zuge des Pharming auch in gentechnisch veränderten Organismen produziert, wie etwa Pflanzen. Seltener werden auch ganze Organismen höherer Eukaryoten wie etwa Ziegen oder Rinder verwendet.
Gezielte Überexpression durch Substratinduktion in E. coli
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die gezielte Überexpression von Proteinen in Zellen von Modellorganismen (z. B. E. coli) mit Hilfe von Transgenen ist eine Möglichkeit der biologischen und medizinischen Forschung, eine größere Menge (mehrere mg) eines Proteins zu produzieren, um in weiteren Experimenten dessen Funktion oder Struktur zu untersuchen. Eine gängige Methode ist die Überexpression eines Transgenes, dessen Transkription durch das bakterieneigene lac-Operon reguliert wird.
Vektoren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am häufigsten werden Vektoren auf Basis des pBR322-Plasmids verwendet und durch Vektordesign angepasst, wie etwa die pUC-Plasmide oder die pET-Vektoren.
Induktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das weit verbreitetste System zur Induktion von Promotoren ist das lac Operon aus E. coli. Hierbei wird entweder Lactose oder IPTG als Induktor verwendet. Aber auch Systeme mit Arabinose (vgl. pBAD-System) oder Rhamnose (vgl. E. coli KRX) als Induktor sind verbreitet. Ein System zur physikalischen Induktion ist beispielsweise das Temperatur induzierte cold shock-Promotor System basierend auf dem E. coli cspA-Promotor der Firma Takara.
Promotoren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Auswahl an kommerziellen Systemen mit unterschiedlichen Promotoren ist relativ groß. Es werden sowohl natürliche Promotoren benutzt, wie etwa der T7-Promotor oder der bla-Promotor verwendet, aber auch synthetische Promotoren und Hybridpromotoren wie der tac-Promotor, ein Hybrid aus den Promotoren trp und lac aus dem Genom von E. coli.
Genetische Voraussetzungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Transgen liegt außerhalb des Bakteriengenoms auf einem Plasmid. Bevor die eigentliche codierende Region beginnt, also stromaufwärts des Transgenes, liegt der Operator des lac-Operons (lacO). Das Plasmid enthält ebenso das Gen lacI, das für den Lac-Repressor LacI codiert. LacI bindet den Operator lacO vor dem Transgen und versperrt dessen Promotor, verhindert also die Expression des Transgens und somit die Überproduktion des codierten Proteins.
Substratinduktion durch IPTG
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]IPTG, ein der Allolactose sehr ähnliches Molekül, bindet den Repressor, der auf dem Operator vor dem Transgen sitzt. Dadurch ändert sich die Konformation des Repressors, er kann die DNA nicht mehr binden und gibt den Operator frei. Dies macht den Promotor zugänglich für die RNA-Polymerase. Ihre Bindung an den Promotor leitet die Transkription der DNA in mRNA ein.
Geeignete Promotoren für die Überexpression
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Freigabe eines Promotors für die Initiation der Transkription allein reicht nicht aus, um sehr große Mengen eines Proteins zu produzieren. Hierfür müssen große Mengen mRNA vorhanden sein, das heißt die Transkription muss sehr effizient verlaufen. Man benötigt starke Promotoren, die die RNA-Polymerasen in schneller Folge an den Promotor rekrutieren und einen ebenso schnellen Transkriptionsstart ermöglichen.
Beispiele hierfür sind bei Bakterien der T7-Promotor[6] aus dem gleichnamigen Bakteriophagen oder der tac-Promotor, ein Hybrid aus den Promotoren trp und lac aus dem Genom von E. coli.[7] Für den T7-Promotor muss allerdings auch die entsprechende T7-RNA-Polymerase im Genom des Expressionssystems vorhanden sein.[8] Bei Säugetierzellen werden unter anderem der CAG-Promotor und der CMV-Promotor verwendet.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Joseph Sambrook, David W. Russell: Molecular Cloning. A Laboratory Manual. Volume 3. 3rd edition. Cold Spring Harbor Laboratory Press, New York NY 2001, ISBN 0-87969-576-5.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Marc Cruts u. a.: Null mutations in progranulin cause ubiquitin-positive frontotemporal dementia linked to chromosome 17q21. In: Nature. 442, S. 920–924 (24. August 2006) doi:10.1038/nature05017.
- ↑ Ma Y, Ghoshdastider U, Wang J, Ye W, DötschV, Filipek S, Bernhard F, Wang X: Cell-free expression of human Glucosamine 6-phosphate N-acetyltransferase (HsGNA1) for inhibitor screening. In: Protein Expres Purif. 86. Jahrgang, Nr. 2, 2012, S. 120–126, doi:10.1016/j.pep.2012.09.011, PMID 23036358.
- ↑ C. Roos, L. Kai, S. Haberstock, D. Proverbio, U. Ghoshdastider, Y. Ma, S. Filipek, X. Wang, V. Dötsch, F. Bernhard: High-Level Cell-Free Production of Membrane Proteins with Nanodiscs. In: Methods in Molecular Biology. 1118. Jahrgang, 2014, S. 109–30, doi:10.1007/978-1-62703-782-2_7, PMID 24395412.
- ↑ C Roos, L Kai, D Proverbio, U Ghoshdastider, S Filipek, V Dötsch, F Bernhard: Co-translational association of cell-free expressed membrane proteins with supplied lipid bilayers. In: Molecular Membrane Biology. 30. Jahrgang, Nr. 1, 2013, S. 75–89, doi:10.3109/09687688.2012.693212, PMID 22716775.
- ↑ Zhaopeng Li & Ursula Rinas: Recombinant protein production associated growth inhibition results mainly from transcription and not from translation. In: Microb Cell Fact. Band 19, Nr. 83, 2020, doi:10.1186/s12934-020-01343-y.
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