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„Sinus und Kosinus“ – Versionsunterschied

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[[Bild:Sin.png|thumb|Graph der Sinusfunktion]]
[[bild:Cos.png|thumb|Graph der Kosinusfunktion]]
Die '''Sinusfunktion''' und die '''Kosinusfunktion''' sind mathematische [[Funktion (Mathematik)|Funktionen]] aus der Klasse der [[Trigonometrische Funktion|trigonometrischen Funktionen]]. In einem [[Dreieck#Das_rechtwinklige_Dreieck|rechtwinkligen Dreieck]] ist der Sinus eines [[Winkel (Geometrie)|Winkels]] das Verhältnis der Gegenkathete (das ist jene [[Kathete]], die dem Winkel gegenüberliegt) zur Hypotenuse (also zur längsten Seite), der Kosinus ist das Verhältnis der Ankathete (das ist jene Kathete, die einen Schenkel des Winkel bildet) zur Hypotenuse.


[[Datei:Sine cosine one period.svg|mini|380px|[[Funktionsgraph|Graphen]] der Sinusfunktion (rot) und der Kosinusfunktion (blau). Beide Funktionen haben eine [[Periodische Funktion#Eigenschaften der Perioden|kleinste positive Periode]] von <math>2 \pi</math> und nehmen jeweils alle [[Bild (Mathematik)|Werte]] von −1 bis 1 an.]]
Im rechtwinkeligen Dreieck lassen sich Sinus und Kosinus nur für Winkel zwischen 0 und 90 Grad definieren; für beliebige Winkel ist der Sinus als y-Koordinate und der Kosinus als x-Koordinate eines Punktes am [[Einheitskreis]] definiert, mittels Potenzreihendarstellung lässt sich die Definition auf [[komplexe Zahl|komplexe]] Argumente verallgemeinern.


'''Sinus-''' und '''Kosinusfunktion''' (andere Schreibweise: '''Cosinusfunktion''') sind [[Elementare Funktion|elementare mathematische Funktionen]].
Vor [[Tangens und Kotangens]] sowie [[Sekans und Kosekans]] sind sie die wichtigsten [[Trigonometrische Funktion|trigonometrischen Funktionen]]. Sinus und Kosinus werden unter anderem in der Geometrie für [[Dreieck]]sberechnungen in der ebenen und [[Sphärische Trigonometrie|sphärischen]] [[Trigonometrie]] benötigt. Auch in der [[Analysis]] sind sie wichtig.

[[Welle]]n wie [[Schallwelle]]n, [[Wasserwelle]]n und [[elektromagnetische Welle]]n lassen sich als Zusammensetzung aus Sinus- und Kosinuswellen beschreiben, sodass die Funktionen auch in der [[Physik]] als [[harmonische Schwingung]]en allgegenwärtig sind.

== Herkunft des Namens ==
Die lateinische Bezeichnung ''Sinus'' „Bogen, Krümmung, Busen“ für diesen mathematischen Begriff wählte [[Gerhard von Cremona]] 1175<ref>J. Ruska: ''Zur Geschichte des „Sinus“.'' In: ''Zeitschrift für Mathematik und Physik.'' Teubner, Leipzig 1895. S.&nbsp;126&nbsp;ff. Auch online zugänglich: [https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN599415665_0040?tify=%7B%22pages%22:%5B548%5D%7D Digitalisierungszentrum der Universität Göttingen.]</ref> als Übersetzung der arabischen Bezeichnung ''dschaib'' oder {{arF|جيب&lrm;|dschība|DMG=|de=Tasche, Kleiderfalte}}, selbst entlehnt von [[Sanskrit]] ''jiva'' „Bogensehne“ indischer Mathematiker.

Die Bezeichnung „Cosinus“ ergibt sich aus ''complementi sinus,'' also Sinus des [[Komplementärwinkel]]s. Diese Bezeichnung wurde zuerst in den umfangreichen trigonometrischen Tabellen verwendet, die von [[Georg von Peuerbach]] und seinem Schüler [[Regiomontanus]] erstellt wurden.<ref>Josef Laub (Hrsg.): ''Lehrbuch der Mathematik für die Oberstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen. 2. Band.'' 2. Auflage. Hölder-Pichler-Tempsky, Wien 1977, ISBN 3-209-00159-6, S.&nbsp;207.</ref>


== Geometrische Definition ==
== Geometrische Definition ==
=== Definition mit rechtwinkeligem Dreieck ===
=== Definition am rechtwinkligen Dreieck ===
[[Bild:RechtwinkligesDreieck.png|thumb|right|Dreieck mit einem rechten Winkel in C]]
[[Datei:RechtwinkligesDreieck.svg|mini|hochkant=2|Dreieck ABC mit einem rechten Winkel <math>\gamma</math> am Eckpunkt&nbsp;C. Die Benennung „Ankathete“ und „Gegenkathete“ bezieht sich auf den Winkel&nbsp;<math>\alpha</math>]]


Wenn zwei ebene Dreiecke die gleichen [[Winkel|Innenwinkel]] <math>\alpha, \beta, \gamma</math> haben, dann sind auch die [[Seitenlänge#Seitenlänge von Dreiecken|Längenverhältnisse der Seiten]] <math>a:b:c</math> gleich. Auch das Umgekehrte gilt: Wenn die Längenverhältnisse gleich sind, sind die Innenwinkel gleich. Man sagt, diese Dreiecke sind zueinander ''[[Ähnlichkeit (Geometrie)|ähnlich]]''.
Der Sinus und der Kosinus definieren sich über die Seitenverhältnisse im rechtwinkligen Dreieck. Betrachtet man den Winkel zwischen Hypotenuse und einer der beiden Katheten, dann ist der Sinus das Verhältnis von der dem Winkel gegenüberliegenden Seite (die eine Kathete ist) zur Hypotenuse,
und der Kosinus das Verhältnis von der Kathete, die einen Schenkel des Winkel bildet, zur Hypotenuse (die den anderen Schenkel des Winkel bildet).


Bei [[Rechtwinkliges Dreieck|rechtwinkligen Dreiecken]] kommt hinzu, dass die beiden [[Winkel#Arten von Winkeln|spitzen Winkel]] zusammen 90° ergeben. Wenn man also den einen spitzen Winkel <math>\alpha</math> kennt, ist dadurch der andere spitze Winkel <math>\beta</math> festgelegt und der dritte Winkel <math>\gamma</math> als rechter Winkel ohnehin. Somit hängen die Längenverhältnisse im rechtwinkligen Dreieck nur noch vom Maß eines der beiden spitzen Winkel ab.
Formelmäßig gilt hier: Ist ''c'' die Hypotenuse und liegt der Winkel <math>\alpha</math> zwischen ''c'' und der Kathete ''b'', also der Kathete ''a'' gegenüber, dann ist der Sinus
:<math>\sin (\alpha) = \frac{a}{c}</math>
und der Kosinus
:<math>\cos (\alpha) = \frac{b}{c}</math>


Diese Längenverhältnisse bekommen spezielle Namen:
Da aus geometrischen Gründen die Hypotenuse die längste Seite ist (denn sie liegt dem größten Winkel, also dem rechten Winkel, gegenüber), gelten auch stets <math>\sin (\alpha) \leq 1 </math> und <math>\cos (\alpha) \leq 1 </math>.


Der '''Sinus''' eines [[Winkel]]s ist das Verhältnis der Länge der [[Gegenkathete]] ([[Kathete]], die dem Winkel gegenüberliegt) zur Länge der [[Hypotenuse]] (Seite gegenüber dem rechten Winkel).
Betrachtet man statt <math>\alpha</math> den gegenüberliegenden Winkel <math>\beta</math>, so wechseln beide Katheten ihre Rolle, die Ankathete von <math>\alpha</math> ist die Gegenkathete von <math>\beta</math> und die Gegenkathete von <math>\alpha</math> ist die Ankathete von <math>\beta</math>, es gilt also


:<math>\sin (\beta) = \frac{b}{c}</math>
:<math>\text{Sinus eines Winkels}
= \frac{\text{Gegenkathete des Winkels}}{\text{Hypotenuse}}</math>
und
:<math>\cos (\beta) = \frac{a}{c}</math>


Der '''Kosinus''' ist das Verhältnis der Länge der Ankathete (das ist jene Kathete, die einen Schenkel des Winkels bildet) zur Länge der Hypotenuse.
Da im rechtwinkeligen Dreieck <math>\alpha+\beta=90^\circ </math> gilt, folgt


:<math>\text{Kosinus eines Winkels}
:<math>\cos(\alpha) = \sin(90^\circ - \alpha)</math>
= \frac{\text{Ankathete des Winkels}}{\text{Hypotenuse}}</math>

Mit den für Dreiecke üblichen Bezeichnungen der Größen (siehe Abbildung) heißt das in Formelschreibweise:
:<math>\sin \alpha = \frac{a}{c} \quad \text{und} \quad \cos \alpha = \frac{b}{c}</math>

Da die Hypotenuse die längste Seite eines Dreiecks ist (denn sie liegt dem größten Winkel, also dem rechten Winkel, gegenüber), gelten die Ungleichungen <math>\sin\alpha\leq 1</math> und <math>\cos\alpha\leq 1</math>.

Wird statt von <math>\alpha</math> von dem gegenüberliegenden Winkel <math>\beta</math> ausgegangen, so wechseln beide Katheten ihre Rolle, die Ankathete von <math>\alpha</math> wird zur Gegenkathete von <math>\beta</math>, die Gegenkathete von <math>\alpha</math> bildet nun die Ankathete von <math>\beta</math>, und es gilt:

:<math>\sin \beta = \frac{b}{c} </math>
:<math>\cos \beta = \frac{a}{c} </math>

Da im rechtwinkligen Dreieck <math>\alpha + \beta = 90^\circ</math> gilt, folgt:

:<math>\cos \alpha = \sin(90^\circ \! - \! \alpha) = \sin\beta</math>
und
und
:<math>\sin(\alpha) = \cos(90^\circ - \alpha)</math>.
:<math>\sin \alpha = \cos(90^\circ \! - \!\alpha) = \cos\beta</math>


Auf dieser Beziehung beruht auch die Bezeichnung ''Kosinus'', nämlich der Sinus des [[Komplementärwinkel]]s.
Auf dieser Beziehung beruht auch die Bezeichnung ''Kosinus'' als Sinus des [[Komplementärwinkel]]s.


Aus dem [[Satz des Pythagoras]] folgt die Beziehung
Aus dem [[Satz des Pythagoras]] lässt sich die Beziehung („[[trigonometrischer Pythagoras]]“) ableiten:
:<math>\sin^2 (\alpha) + \cos^2 (\alpha) = 1\!</math>.
:<math>\sin^2 \alpha + \cos^2 \alpha = \frac{a^2 + b^2}{c^2} = 1</math>


Im rechtwinkligen Dreieck sind Sinus und Kosinus nur für Winkel zwischen 0° und 90° definiert. Für beliebige Winkel wird der Wert der Kosinusfunktion als <math>x</math>-Koordinate und der Wert der Sinusfunktion als <math>y</math>-Koordinate eines Punktes am [[Einheitskreis]] ([[#Definition am Einheitskreis|siehe unten]]) definiert. Hier ist es üblich, den Wert, auf den die Funktion angewendet wird (hier: den Winkel), als ''Argument'' zu bezeichnen. Dies betrifft insbesondere die Winkelfunktionen und die [[Exponentialfunktion#Exponentialfunktion auf den komplexen Zahlen|komplexe Exponentialfunktion]] ([[#Beziehung zur Exponentialfunktion|siehe unten]]).
=== Definition mit Einheitskreis ===
[[Bild:Einheitskreis_Ani.gif|right|Trigonometrische Funktionen am Einheitskreis]]
[[bild:Winkelfunktionen_einheitskreis.PNG|thumb|right|Einheitskreis]]


=== Definition am Einheitskreis ===
Da im rechtwinkeligen Dreieck der Winkel zwischen Hypotenuse und Kathete zwischen 0 und 90 Grad ist, sind Sinus und Kosinus zunächst nur für solche Winkel definiert. Für eine allgemeine Definition betrachtet man einen Punkt <math>P</math> mit den [[Koordinaten]] <math>(x,y)</math> auf dem [[Einheitskreis]], also <math>x^2+y^2=1</math>. Der [[Ortsvektor]] von <math>P</math> schließt mit der x-Achse einen Winkel <math>\alpha</math> ein.
[[Datei:Sinus und Kosinus am Einheitskreis 1.svg|mini|Definition des Sinus und Kosinus am Einheitskreis]]
Der Koordinatenursprung <math>(0,0)</math>, der Punkt <math>(x,0)</math> auf der x-Achse und der Punkt <math>P(x,y)</math> bilden ein rechtwinkeliges Dreieck. Die Länge der Hyptonuse beträgt <math>\sqrt{x^2+y^2}=1</math>. Die Ankathete des Winkels <math>\alpha</math> ist der Vektor <math>(x,0)</math> der Länge <math>x</math>, es gilt also
[[Datei:Einheitskreis Ani.gif|mini|Trigonometrische Funktionen am Einheitskreis im ersten Quadranten]]
:<math>\cos(\alpha)=x\!</math>,
die Gegenkathete des Winkels <math>\alpha</math> ist der Vektor von <math>(x,0)</math> nach <math>(x,y)</math>, also der Vektor <math>(0,y)</math> der Länge <math>y</math>, es gilt also
Im rechtwinkligen Dreieck ist der Winkel zwischen Hypotenuse und Kathete nur für Werte von 0 bis 90 Grad definiert. Für eine allgemeine Definition wird ein Punkt <math>P</math> mit den [[Koordinaten]] <math>(x,y)</math> auf dem [[Einheitskreis]] betrachtet, hier gilt <math>x^2+y^2=1</math>. Die positive <math>x</math>-Achse schließt mit dem [[Ortsvektor]] von <math>P</math> einen Winkel <math>\alpha</math> ein.
Der Koordinatenursprung <math>(0,0)</math>, der Punkt <math>(x,0)</math> auf der <math>x</math>-Achse und der Punkt <math>P(x,y)</math> bilden ein rechtwinkliges Dreieck. Die Länge der Hypotenuse beträgt <math>\sqrt{x^2+y^2}=1</math>. Die Ankathete des Winkels <math>\alpha</math> ist die Strecke zwischen <math>(0,0)</math> und <math>(x,0)</math> und hat die Länge <math>|x|</math>. Es gilt:
:<math>\sin(\alpha)=y\!</math>.
:<math>\cos\alpha = x</math>
Die Gegenkathete des Winkels <math>\alpha</math> ist die Strecke zwischen <math>(x,0)</math> und <math>(x,y)</math> und hat die Länge <math>|y|</math>. Somit gilt:
:<math>\sin\alpha = y</math>
Wegen des [[Strahlensatz]]es ist die folgende Definition des [[Tangens]] [[wohldefiniert]]:
:<math>\tan\alpha = \frac{\sin\alpha}{\cos\alpha}</math>


Die y-Koordinate eines Punktes im ersten [[Quadrant]]en des Einheitskreises entspricht also dem Sinus des Winkels zwischen seinem [[Ortsvektor]] und der x-Achse, die x-Koordinate dem Kosinus des Winkels. Setzt man diese Definiton in den anderen Quadranten fort, so lassen sich Sinus und Kosinus für beliebige Winkel definieren.
Die <math>x</math>-Koordinate eines Punktes im ersten [[Quadrant (Mathematik)|Quadrant]]en des Einheitskreises ist also der Kosinus des Winkels zwischen seinem Ortsvektor und der <math>x</math>-Achse, während die <math>y</math>-Koordinate der Sinus dieses Winkels ist. Die Fortsetzung über den ersten Quadranten hinaus ergibt eine Definition von Sinus und Kosinus für beliebige Winkel.


Die Umkehrungen der Sinus- und Kosinusfunktion sind nicht eindeutig. Zu jeder Zahl <math>y</math> zwischen −1 und 1 (<math>-1 < y < 1</math>) gibt es schon zwischen 0° und 360° (<math>0^\circ < \alpha \leq 360^\circ</math>) immer genau zwei Winkel. Symmetrien der Winkelfunktionen erkennt man an folgenden Beziehungen:
Für negative Winkel betrachte man die Beziehung
:<math>\sin(-\alpha)= -\sin(\alpha)\!</math>
und
:<math>\cos(-\alpha)= \cos(\alpha)\!</math>,
aus der sich Sinus und Cosinus für den vierten [[Quadrant]]en, also Winkel zwischen -90 und 0 Grad berechnen lassen. Der Sinus ist also eine [[Gerade und ungerade Funktionen|ungerade]] Funktion, der Kosinus eine [[Gerade und ungerade Funktionen|gerade]].


Punktsymmetrien:
Für Winkel größer 90 Grad betrachte man die Beziehung
:<math>\sin(90^\circ+\alpha)=\sin(90^\circ-\alpha)</math>
:<math>\sin(-\alpha) = -\sin\alpha</math>
:<math>\cos(90^\circ+\alpha) = -\cos(90^\circ\!-\!\alpha)</math>
und
:<math>\cos(90^\circ+\alpha)=-\cos(90^\circ-\alpha)</math>,
aus der sich Sinus und Cosinus für den zweiten und dritten [[Quadrant]]en, also Winkel zwischen 90 und 270 Grad berechnen lassen.


Achsensymmetrien:
Für Winkel kleiner -90 Grad und größer 270 Grad ergeben sich Sinus und Kosinus aus den Beziehungen
:<math>\sin(\alpha)= \sin(\alpha+360^\circ)</math>
:<math>\cos(-\alpha) = \cos\alpha</math>
:<math>\sin(90^\circ+\alpha) = \sin(90^\circ\! -\!\alpha)</math>
und
:<math>\cos(\alpha)= \cos(\alpha+360^\circ)</math>;
Sinus und Kosinus sind also [[periodische Funktion]]en mit Periode 360 Grad.


Der Sinus ist also eine [[Gerade und ungerade Funktionen|ungerade]] Funktion, der Kosinus eine [[Gerade und ungerade Funktionen|gerade]].
== Wertebereich und spezielle Funktionswerte ==


Sinus und Kosinus sind [[periodische Funktion]]en mit der Periode 360 Grad. (Man kann einen Winkel von beispielsweise 365° nicht von einem Winkel von 5° unterscheiden. Aber der eine beschreibt eine Drehbewegung von reichlich einer Umdrehung, der andere eine sehr kleine Drehbewegung&nbsp;‒ nur eine zweiundsiebzigstel Umdrehung.) Also gilt auch
Die Sinusfunktion und die Kosinusfunktion können für [[reelle Zahl|reelle]] [[Funktion (Mathematik)|Argumente]] nur Werte zwischen -1 und 1 annehmen.
:<math>\sin(\alpha + k \cdot 360^\circ) = \sin\alpha</math>
sowie
:<math>\cos(\alpha + k \cdot 360^\circ) = \cos\alpha</math>,
wobei <math>k</math> eine beliebige ganze Zahl ist. Es gibt also nicht nur die Symmetrien zu <math>\alpha=0^\circ</math> (cos) bzw. <math>\alpha=90^\circ</math> (sin) und zu <math>(0^\circ|0)</math> (sin) bzw. <math>(90^\circ|0)</math> (cos), sondern unendlich viele Symmetrieachsen und Symmetriezentren für beide Funktionen.


Die Entstehung der Sinus- und Kosinusfunktion aus der Drehbewegung eines Winkelschenkels beginnend bei der <math>x</math>-Achse veranschaulicht folgende Animation. Der Winkel wird im [[Bogenmaß]] gemessen. Ein Winkel von <math>360^\circ</math> entspricht einem Bogenmaß von <math>2 \pi</math>.
===Verlauf des Sinus in den vier Quadranten===
[[Datei:Sinus und Cosinus am Einheitskreis.gif|zentriert|Animation zur Konstruktion der Sinus- und Kosinusfunktion]]


== Analytische Definition ==
[[Datei:Sine.svg|mini|Graph der Sinusfunktion <math>x\mapsto \sin(x)</math>]]
[[Datei:Cosine.svg|mini|Graph der Kosinusfunktion <math>x\mapsto \cos(x)</math>]]

Sinus und Kosinus können auch auf einer [[axiom]]atischen Basis behandelt werden; dieser [[Formalisierung|formalere]] Zugang spielt auch in der [[Analysis]] eine Rolle. Die analytische Definition erlaubt zusätzlich die Erweiterung auf [[Komplexe Zahl|komplexe]] Argumente. Sinus und Kosinus als [[komplexwertige Funktion]] aufgefasst sind [[Holomorphe Funktion|holomorph]] und [[surjektiv]].

=== Motivation durch Taylorreihen ===
[[Datei:Taylorreihenentwicklung des Kosinus.svg|mini|<math>\cos(x)</math> zusammen mit den ersten Taylorpolynomen <math>p_n(x)=\sum_{k=0}^n (-1)^k \frac{x^{2k}}{(2k)!}</math>]]
[[Datei:Sine.gif|mini|Diese Animation illustriert die Definition der Sinusfunktion durch eine Reihe. Je größer die Zahl <math>N</math> ist, desto mehr Summanden werden in der Reihendefinition verwendet. So ist bei <math>N=2</math> neben der Sinusfunktion zusätzlich das kubische Polynom <math>\sum_{k=0}^1 \tfrac{(-1)^k}{(2k+1)!}x^{2k+1} = x - \tfrac{x^3}{6}</math> eingezeichnet.]]
Sinus und Kosinus sind als [[Funktion (Mathematik)|Funktionen]] von <math>\R</math> nach <math>\R</math> erklärt. Sie sind beliebig oft differenzierbar. Für die Ableitungen im Nullpunkt gilt:

:<math>
\sin^{(4n+k)} 0 = \sin\frac{k\,\pi}2 = \left\{\begin{matrix}
0 & \text{wenn } k=0 \\
1 & \text{wenn } k=1 \\
0 & \text{wenn } k=2 \\
-1 & \text{wenn } k=3 \end{matrix}\right.
</math>
:<math>
\cos^{(4n+k)} 0 = \cos\frac{k\,\pi}2 = \left\{\begin{matrix}
1 & \text{wenn } k=0 \\
0 & \text{wenn } k=1 \\
-1 & \text{wenn } k=2 \\
0 & \text{wenn } k=3 \end{matrix}\right.
</math>
Die sich daraus ergebenden [[Taylorreihe]]n stellen die Funktionen <math>\sin</math> und <math>\cos</math> dar, das heißt:

:<math>\sin x = \sum_{n=0}^\infty (-1)^n\frac{x^{2n+1}}{(2n+1)!} = \frac{x}{1!} -\frac{x^3}{3!}+\frac{x^5}{5!}\mp\dotsb</math>
:<math>\cos x = \sum_{n=0}^\infty (-1)^n\frac{x^{2n}} {(2n)!} = \frac{x^0}{0!}-\frac{x^2}{2!}+\frac{x^4}{4!}\mp\dotsb</math>

=== Reihenentwicklung in der Analysis ===
In der Analysis geht man umgekehrt von den [[Reihe (Mathematik)|Reihenentwicklungen]] aus und leitet daraus alles her, indem die Funktionen sin und cos durch die oben angegebenen [[Potenzreihe]]n erklärt werden.
Mit dem [[Quotientenkriterium]] lässt sich zeigen, dass diese Potenzreihen für jede [[komplexe Zahl]] <math>x</math> [[Absolute Konvergenz|absolut]] und in jeder [[Supremum#Existenz des Supremums für beschränkte Teilmengen der reellen Zahlen|beschränkten Teilmenge]] der komplexen Zahlen [[Gleichmäßige Konvergenz|gleichmäßig konvergieren]]. Diese [[Unendliche Reihe|unendlichen Reihen]] verallgemeinern die Definition des Sinus und des Kosinus von reellen auf komplexe Argumente. Auch <math>\pi</math> wird dort üblicherweise nicht geometrisch, sondern beispielsweise über die cos-Reihe und die Beziehung <math>\cos\tfrac{\pi}{2}=0</math> als das Doppelte der kleinsten positiven Nullstelle der Kosinusfunktion definiert. Damit ist eine präzise analytische Definition von <math>\pi</math> gegeben.

Für kleine Werte zeigen diese Reihen ein sehr gutes Konvergenzverhalten. Zur [[Numerische Mathematik|numerischen]] Berechnung lassen sich daher die Periodizität und [[Symmetrische Funktion|Symmetrie der Funktionen]] ausnutzen und der <math>x</math>-Wert bis auf den Bereich <math>-\pi/4</math> bis <math>\pi/4</math> reduzieren. Danach sind je nach geforderter Genauigkeit nur noch relativ wenige Glieder der Reihe zu berechnen. Das [[Taylorpolynom]] der Kosinusfunktion bis zur vierten Potenz z.&nbsp;B. hat im Intervall <math>[-\pi/4, \pi/4]</math> einen [[Fehlerschranke#Relativer Fehler|relativen Fehler]] von unter 0,05 %. Im Artikel [[Taylor-Formel]] sind einige dieser Taylorpolynome grafisch dargestellt und man findet eine Näherungsformel mit Genauigkeitsangabe. Zu beachten ist allerdings, dass die Teilsummen der Taylorpolynome nicht die bestmögliche numerische Approximation darstellen; beispielsweise in [[Abramowitz-Stegun]] finden sich Näherungspolynome mit noch kleinerem Approximationsfehler.<ref>[[Milton Abramowitz]], [[Irene Stegun]]: ''[[Abramowitz-Stegun|Handbook of Mathematical Functions]].'' Dover Publications, New York 1964. ISBN 0-486-61272-4, {{Webarchiv |url=http://www.math.hkbu.edu.hk/support/aands/page_76.htm |text=''('''4.3.96'''–'''4.3.99''').'' |wayback=20090201155054}}.</ref>

=== Beziehung zur Exponentialfunktion ===
[[Datei:Sinus und Kosinus am Einheitskreis 3.svg|mini|Der Realteil von <math>\mathrm{e}^{\mathrm{i} \theta}</math> ist <math>\cos \theta</math> und der Imaginärteil ist <math>\sin \theta</math>]]
Die [[Trigonometrische Funktion|trigonometrischen Funktionen]] sind eng mit der [[Exponentialfunktion]] verbunden, wie folgende Rechnung zeigt:

:<math>\begin{align}
\mathrm{e}^{\mathrm{i}x}
&= \sum^{\infty}_{k=0}\frac{(\mathrm{i}x)^k}{k!}
= \sum^{\infty}_{l=0}\frac{(\mathrm{i}x)^{2l}}{(2l)!}
+ \sum^{\infty}_{l=0}\frac{(\mathrm{i}x)^{2l+1}}{(2l+1)!}\\

&= \underbrace{\sum^{\infty}_{l=0}(-1)^l \frac{x^{2l}}{(2l)!}}_{\cos x}
+ \mathrm{i} \underbrace{\sum^{\infty}_{l=0} (-1)^l \frac{x^{2l+1}}{(2l+1)!}}_{\sin x}\\
&= \cos x + \mathrm{i} \sin x
\end{align}</math>

Dabei wurde verwendet:
:<math>\mathrm{i}^{2l} = (\mathrm{i}^2)^l = (-1)^l</math>
:<math>\mathrm{i}^{2l+1} = \mathrm{i}\cdot \mathrm{i}^{2l} = \mathrm{i}\cdot (-1)^l</math>

[[Datei:Sine Cosine Exponential qtl1.svg|mini|Beziehung zwischen Sinus, Kosinus und Exponentialfunktion]]
Somit ergibt sich die sogenannte [[Eulersche Formel|Eulerformel]]:
:<math>\mathrm{e}^{\mathrm{i} x} = \cos x + \mathrm{i}\cdot \sin x</math>

Für eine reelle Zahl <math>x</math> ist also <math>\cos(x)</math> der [[Realteil]] und <math>\sin(x)</math> der [[Imaginärteil]] der komplexen Zahl <math>\mathrm{e}^{\mathrm{i} x}</math>.

Durch Ersetzung von <math>x</math> durch <math>-x</math> ergibt sich:
:<math>\mathrm{e}^{-\mathrm{i} x} = \cos x - \mathrm{i}\cdot \sin x</math>
Diese und die vorangegangenen Gleichungen lassen sich nach den trigonometrischen Funktionen auflösen. Es folgt:

:<math>\sin x = \frac{1}{2\mathrm{i}} \left(\mathrm{e}^{\mathrm{i}x} - \mathrm{e}^{-\mathrm{i}x} \right)</math>
:<math>\cos x = \frac{1}{2} \left(\mathrm{e}^{\mathrm{i}x} + \mathrm{e}^{-\mathrm{i}x} \right)</math>

Diese Gleichungen gelten nicht nur für reelle Argumente, sondern für beliebige komplexe Zahlen. Somit ergibt sich eine alternative Definition für die Sinus- und Kosinusfunktion. Durch Einsetzen der Exponentialreihe leiten sich die oben vorgestellten Potenzreihen ab.

Ausgehend von dieser Definition lassen sich viele Eigenschaften, wie zum Beispiel die [[Formelsammlung Trigonometrie#Additionstheoreme|Additionstheoreme]] des Sinus und Kosinus, nachweisen.

=== Definition über das Integral ===
Der [[Sinus]] ist die Umkehrfunktion des [[Integralrechnung|Integrals]] zur Berechnung der Bogenlänge <math>s(r)</math>
:<math>s(r) = \int_0^r \frac{\mathrm{d}\rho}{\sqrt{1-\rho^2}}
\qquad \text{und}\qquad
\int_0^1 \frac{\mathrm{d}\rho}{\sqrt{1-\rho^2}} = \frac{\pi}{2},
</math>
also <math>r = \sin s</math> und <math>\cos s = \sin(\tfrac{\pi}{2} - s)</math> (siehe [[#Umkehrfunktion|unten]]).

=== Definition über analytische Berechnung der Bogenlänge ===
Die Definition des Sinus und Kosinus als Potenzreihe liefert einen sehr bequemen Zugang, da die [[Differentialrechnung|Differenzierbarkeit]] durch die Definition als konvergente Potenzreihe automatisch gegeben ist. Die [[Eulersche Identität|Eulerformel]] ist ebenfalls eine einfache Konsequenz aus den Reihendefinitionen, da sich die Reihen für <math>\cos</math> und <math>\mathrm i \sin</math> ganz offenbar zur Exponentialfunktion zusammenfügen, wie oben gezeigt wurde. Durch Betrachtung der Funktion <math>x \mapsto \mathrm e^{\mathrm i x}</math>, die das Intervall <math>[0,2\pi]</math> auf die Kreislinie abbildet, ergibt sich die Beziehung zur Geometrie, denn <math>\cos(x)</math> und <math>\sin(x)</math> sind nichts weiter als der Real- bzw. Imaginärteil von <math>\mathrm e^{\mathrm i x}</math>, das heißt die [[Projektion (Mengenlehre)|Projektionen]] dieses Punktes auf die Koordinatenachsen.

Neben <math>x\mapsto \mathrm e^{\mathrm i x}</math> gibt es auch andere sinnvolle Parametrisierungen des Einheitskreises, etwa
:<math>\gamma(t) = \left(\frac{1-t^2}{1+t^2},\frac{2t}{1+t^2}\right),\quad -\infty<t<\infty.</math>
Geht man von dieser Formel aus, erhält man einen alternativen Zugang. Die [[Länge (Mathematik)|Länge]] dieser [[Funktionsgraph|Kurve]] wird auch als Bogenlänge bezeichnet und berechnet sich zu
: <math>s(t) = \int_0^t |\dot\gamma(\tau)|\,\mathrm d\tau
=\int_0^t\frac{2\,\mathrm d\tau}{\tau^2+1}.</math>
Wie leicht zu zeigen ist, ist <math>s(t)</math> ungerade, [[Stetige Funktion|stetig]], streng [[Reelle monotone Funktion|monoton]] wachsend und beschränkt. Da die gesamte Bogenlänge dem Kreisumfang entspricht, folgt, dass das Supremum von <math>s(t)</math> gleich <math>\pi</math> ist; <math>\pi</math> wird bei dieser Vorgangsweise analytisch als [[Supremum]] von <math>s(t)</math> definiert.

Die Funktion
:<math>s(t)\colon\mathbb R\to(-\pi,\pi) </math>
ist auch differenzierbar:
:<math>\frac{\mathrm d s}{\mathrm d t} = \frac{2}{1+t^2}</math>
Weil sie stetig und streng monoton wachsend ist, ist sie auch invertierbar, und für die [[Umkehrfunktion]]
:<math>t(s)\colon(-\pi,\pi) \to \mathbb R </math>
gilt:
:<math>\frac{\mathrm d t}{\mathrm d s} = \frac{1+t^2(s)}{2}</math>

Mit Hilfe dieser Umkehrfunktion <math>t(s)</math> lassen sich nun Sinus und Kosinus als <math>y</math>- und <math>x</math>-Komponente von <math>\gamma</math> analytisch definieren:
:<math>\sin s := \frac{2t(s)}{1+t^2(s)}</math>
:<math>\cos s := \frac{1-t^2(s)}{1+t^2(s)}</math>

Bei dieser Definition des Sinus und Kosinus über die analytische Berechnung der Bogenlänge werden die geometrischen Begriffe sauber formalisiert. Sie hat allerdings den Nachteil, dass im didaktischen Aufbau der Analysis der Begriff der Bogenlänge erst sehr spät formal eingeführt wird und daher Sinus und Kosinus erst relativ spät verwendet werden können.

=== Definition als Lösung einer Funktionalgleichung ===
Ein anderer analytischer Zugang ist, Sinus und Kosinus als Lösung einer [[Funktionalgleichung]] zu definieren, die im Wesentlichen aus den Additionstheoremen besteht: Gesucht ist ein Paar [[Stetige Funktion|stetiger Funktionen]] <math>\sin, \cos\colon\R\to\R</math>, das für alle <math>x,y\in\R</math> die Gleichungen
:<math>\sin(x+y) = \sin x\,\cos y+\cos x\,\sin y</math>
:<math>\cos(x+y) = \cos x\,\cos y-\sin x\,\sin y</math>
erfüllt. Die Lösung <math>\sin</math> definiert dann den Sinus, die Lösung <math>\cos</math> den Kosinus. Um Eindeutigkeit zu erreichen, sind einige Zusatzbedingungen zu erfüllen. In Heuser, Lehrbuch der Analysis, Teil 1 wird zusätzlich gefordert, dass
:<math>\sin x</math> eine [[Gerade und ungerade Funktionen|ungerade]] Funktion,
:<math>\cos x</math> eine [[Gerade und ungerade Funktionen|gerade]] Funktion,
:<math>\lim_{x\to 0}\frac{\sin x}{x} = 1</math> und
:<math>\cos 0 = 1</math>
ist. Bei diesem Zugang wird offensichtlich die [[Differenzierbarkeit]] des Sinus an der Stelle 0 vorausgesetzt; <math>\pi</math> wird in weiterer Folge analytisch als das Doppelte der kleinsten positiven Nullstelle des Kosinus definiert. Verwendet man den Zugang von [[Leopold Vietoris]]<ref name="Vietoris">Leopold Vietoris: ''Vom Grenzwert <math>\lim_{x\to 0}\tfrac{\sin x}{x}</math>.'' In: ''Elemente der Mathematik.'' Band 12, 1957.</ref> und berechnet die Ableitung des Sinus aus den Additionstheoremen, so ist es zweckmäßiger, <math>\pi</math> auf geeignete Weise analytisch (beispielsweise als Hälfte des Grenzwerts des Umfangs des dem Einheitskreis eingeschriebenen <math>2^n</math>-Ecks) zu definieren und dann die Differenzierbarkeit der Lösung dieser Funktionalgleichung zu beweisen. Als Zusatzbedingung zu den Additionstheoremen fordert man dann beispielsweise:
:<math>\sin\frac{\pi}{2}=1</math>,
:<math>\cos\frac{\pi}{2}=0</math> und
:<math>\cos\frac{\pi}{2n}\ne 0</math> für alle <math>n\in\N\backslash\lbrace 1 \rbrace</math>.

Unter den gewählten Voraussetzungen ist die Eindeutigkeit der Lösung der Funktionalgleichung relativ einfach zu zeigen; die geometrisch definierten Funktionen Sinus und Kosinus lösen auch die Funktionalgleichung. Die Existenz einer Lösung lässt sich analytisch beispielsweise durch die Taylorreihen von Sinus und Kosinus oder eine andere der oben verwendeten analytischen Darstellungen von Sinus und Kosinus die Funktionalgleichung nachweisen und tatsächlich lösen.

=== Produktentwicklung ===
Die Kreisfunktionen '''Sinus''' und '''Cosinus''' haben folgende zwei Produktentwicklungen:
:<math>\sin{x} = \prod_{k=-\infty}^\infty \frac{x+k\pi}{\frac\pi2+k\pi} = x \prod_{k=1}^\infty \left( 1 - \frac{x^2}{k^2\pi^2} \right) </math>

:<math>\cos{x} = \prod_{k=-\infty}^\infty \frac{x+k\pi+\frac\pi2}{\frac\pi2+k\pi} = \prod_{k=1}^\infty \left( 1 - \frac{4x^2}{(2k-1)^2\pi^2} \right) </math>
Die genannte Produktentwicklung für den Sinus zog der schweizerische Mathematiker [[Leonhard Euler]] für den Beweis vom [[Basler Problem]] heran.

Der ebenso nach diesem Mathematiker benannte Eulersche Ergänzungssatz für die [[Fakultät (Mathematik)|Fakultätsfunktion 𝚷(n)]] liefert in Kombination mit der Eulerschen Produktdefinition der Fakultätsfunktion direkt die gezeigte Produktformel für die trigonometrische Sinusfunktion:

: <math>\sin(x) = \frac{x}{\Pi(x \div \pi) \,\Pi(- x \div \pi)}</math>
: <math>w! = \Pi(w) = \Gamma(w + 1) = \prod_{n = 1}^{\infty} \bigl(1 + \frac{1}{n}\bigr)^{w} \bigl(1 + \frac{w}{n}\bigr)^{-1}</math>

Mit dem Buchstaben des kleinen <math>\pi</math> ist hier in der Tat die [[Kreiszahl]] gemeint.

Jedoch steht das große <math>\Pi</math> in der genannten Formel für die Gaußsche Pifunktion also für die kontinuisierte Form der Fakultätsfunktion.

== Regeln über den Wertebereich ==
=== Zusammenhang zwischen Sinus und Kosinus ===
:<math>\sin\alpha = -\cos\left(\alpha + 90^\circ \right) = \cos\left(\alpha-90^\circ\right)</math> ([[Gradmaß]])
:<math>\sin\alpha = -\cos\left(\alpha + \pi/2 \right) = \cos\left(\alpha - \pi/2\right)</math> ([[Bogenmaß]])
:<math>\sin^2\alpha + \cos^2\alpha = 1</math> („[[trigonometrischer Pythagoras]]“)

Insbesondere folgt daraus <math>|{\sin\alpha}|\leq 1</math> und <math>|{\cos\alpha}|\leq 1</math>. Diese Ungleichungen gelten aber nur für [[Reelle Zahl|reelle]] [[Funktion (Mathematik)|Argumente]] <math>\alpha</math>; für komplexe Argumente können Sinus und Kosinus beliebige Werte annehmen.

=== Verlauf des Sinus in den vier Quadranten ===
In den vier Quadranten ist der Verlauf der Sinusfunktion folgendermaßen:
In den vier Quadranten ist der Verlauf der Sinusfunktion folgendermaßen:


{| class="wikitable"
{| border="1" cellpadding="4" cellspacing="0"
|-- class="hintergrundfarbe8"
!Quadrant
![[Quadrant (Mathematik)|Quadrant]]
!Grad
![[Gradmaß]]
![[Bogenmaß]]
![[Bogenmaß]]
![[Bildmenge]]
![[Bildmenge]]
![[Monotonie (Mathematik)|Monotonie]]
![[Reelle monotone Funktion|Monotonie]]
![[Konvexe und konkave Funktionen|Konvexität]]
![[Konvexe und konkave Funktionen|Konvexität]]
!Punkttyp
!|Punkttyp
|-
|-
|
|
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|
|
|
|
|[[Maximum (Mathematik)|Maximum]]
|[[Extremwert|Maximum]]
|-
|-
|2. Quadrant
|2. Quadrant
Zeile 127: Zeile 291:
|<math>180^\circ<x<270^\circ</math>
|<math>180^\circ<x<270^\circ</math>
|<math>\pi<x<3\pi/2</math>
|<math>\pi<x<3\pi/2</math>
|negativ:<math>-1<\sin x<0</math>
|negativ: <math>-1<\sin x<0</math>
|fallend
|fallend
|konvex
|konvex
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|
|
|
|
|[[Minimum (Mathematik)|Minimum]]
|[[Extremwert|Minimum]]
|-
|-
|4. Quadrant
|4. Quadrant
Zeile 149: Zeile 313:
|}
|}


Für Argumente außerhalb dieses Bereiches ergibt sich der Wert des Sinus daraus, dass der Sinus periodisch mit der Periode 360° (bzw. 2π [[Radiant (Einheit)|rad]]) ist, d.&nbsp;h. <math>\sin(\alpha + 360^\circ) = \sin\alpha</math>. Außerdem gilt <math>\sin(\alpha + 180^\circ) = -\sin\alpha</math>, <math>\sin(90^\circ + \alpha) = \sin(90^\circ - \alpha)</math> , <math>\sin(180^\circ - \alpha) = \sin\alpha</math> etc.


=== Verlauf des Kosinus in den vier Quadranten ===
Für Argumente außerhalb dieses Bereiches erhält man den Wert des Sinus daraus, dass der Sinus [[periodische Funktion|periodisch]] mit der Periode 360° (bzw. 2π [[Radiant]]) ist, d. h. <math>\sin(\alpha + 360^\circ) = \sin(\alpha)</math>. Außerdem gilt <math>\sin(\alpha + 180^\circ) = -\sin(\alpha)</math>.
Der Kosinus stellt einen um 90° (bzw. π/2 [[Radiant (Einheit)|rad]]) phasenverschobenen Sinus dar und es gilt <math>\cos\alpha=\sin(\alpha+90^\circ)</math>.

===Verlauf des Kosinus in den vier Quadranten===
Der Kosinus ist ein um 90° (bzw. π/2 [[Radiant]]) phasenverschobener Sinus, es gilt <math>\cos(\alpha)=\sin(\alpha+90^\circ)</math>.


In den vier Quadranten ist der Verlauf der Kosinusfunktion daher folgendermaßen:
In den vier Quadranten ist der Verlauf der Kosinusfunktion daher folgendermaßen:


{| class="wikitable"
{| border="1" cellpadding="4" cellspacing="0"
|-- class="hintergrundfarbe8"
!Quadrant
![[Quadrant (Mathematik)|Quadrant]]
!Grad
![[Gradmaß]]
![[Bogenmaß]]
![[Bogenmaß]]
![[Bildmenge]]
![[Bildmenge]]
![[Monotonie (Mathematik)|Monotonie]]
![[Reelle monotone Funktion|Monotonie]]
![[Konvexe und konkave Funktionen|Konvexität]]
![[Konvexe und konkave Funktionen|Konvexität]]
!Punkttyp
!Punkttyp
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|[[Maximum (Mathematik)|Maximum]]
|[[Extremwert|Maximum]]
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|1. Quadrant
|1. Quadrant
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|[[Minimum (Mathematik)|Minimum]]
|[[Extremwert|Minimum]]
|-
|-
|3. Quadrant
|3. Quadrant
Zeile 231: Zeile 395:
|}
|}


Für Argumente außerhalb dieses Bereiches erhält man den Wert des Kosinus daraus, dass der Kosinus so wie der Sinus [[periodische Funktion|periodisch]] mit der Periode 360° (bzw. 2π [[Radiant]]) ist, d. h. <math>\cos(\alpha + 360^\circ) = \cos(\alpha)</math>. Außerdem gilt <math>\cos(\alpha + 180^\circ) = -\cos(\alpha)</math>.
Für Argumente außerhalb dieses Bereiches lässt sich der Wert des Kosinus –&nbsp;so wie der des Sinus&nbsp;– periodisch mit der Periode 360° (bzw. 2π [[Radiant (Einheit)|rad]]) bestimmen, d.&nbsp;h. <math>\cos(\alpha + 360^\circ) = \cos\alpha</math>. Außerdem gilt <math>\cos(\alpha + 180^\circ) = -\cos\alpha</math>.


=== Wichtige Funktionswerte ===
=== Komplexes Argument ===
[[Datei:Complex sin.jpg|mini|Der Sinus ist auch für komplexe Eingabewerte definiert. Da sowohl Ein- als auch Ausgabe eine Zahl auf einer ''Ebene'' und nicht nur einem ''Strahl'' sind, schlagen die Versuche eines klassischen Schaubildes fehl, bei dem Ein- und Ausgabe jeweils 1-dimensional war (<math>x</math> und <math>y</math>-Achse). Es kann aber mit Farben nachgeholfen werden: Ein beliebiger Punkt auf diesem Bild ist (ortstechnisch!) die Eingabe. Die angenommene Farbe symbolisiert über einen Farbschlüssel den Wert, den die Funktion annimmt. Die 0 ist schwarz, die Nullstellen <math>0, \pi</math> usw. des Sinus lassen sich ablesen.]]
<!--[[Image:Sinxy.gif|thumb|right|sinxy]] keine Ahnung was das Bild hier verloren hat und was die Färbung zu bedeuten hat. Ich würde es daher weglassen. Dr. Schorsch -->
[[Datei:Complex cos.jpg|mini|Graph der komplexen Kosinusfunktion]]
Eine Reihe einfach zu merkender und häufig verwendeter Werte:
[[Datei:complex coloring.jpg|mini|Farbfunktion, die für die beiden obigen Bilder verwendet wurde]]
* <math>\sin(0^\circ)=\cos(90^\circ)=\frac{\sqrt{0}}{2}=0</math>
* <math>\sin(30^\circ)=\cos(60^\circ)=\frac{\sqrt{1}}{2}=\frac{1}{2}</math>
* <math>\sin(45^\circ)=\cos(45^\circ)=\frac{\sqrt{2}}{2}=\sqrt{\frac{1}{2}}</math>
* <math>\sin(60^\circ)=\cos(30^\circ)=\frac{\sqrt{3}}{2}</math>
* <math>\sin(90^\circ)=\cos(0^\circ)=\frac{\sqrt{4}}{2}=1</math>


Für [[Komplexe Zahl|komplexe Argumente]] kann man Sinus und Kosinus entweder über die Reihenentwicklung oder über die Formeln
=== Zusammenhang zwischen Sinus und Kosinus ===
:<math>\sin z = \frac{1}{2\mathrm{i}} \left(\mathrm{e}^{\mathrm{i}z} - \mathrm{e}^{-\mathrm{i}z} \right)</math>
<!---- Bild raus, da Beschriftung der Nullstelle falsch (pi statt pi/2)
:<math>\cos z = \frac{1}{2} \left(\mathrm{e}^{\mathrm{i}z} + \mathrm{e}^{-\mathrm{i}z} \right)</math>
[[Image:SinusCosinus.png|thumb|Sinus und Cosinus]]
definieren.
---->
:<math>\sin(\alpha)=\cos\left(\frac{\pi}{2}-\alpha\right)=\cos\left(\alpha-\frac{\pi}{2}\right)</math><br />
:<math>\sin^2\left(\alpha\right)+\cos^2(\alpha)=1</math> ([[Satz des Pythagoras]])<br />
Insbesondere folgt daraus <math>|\sin(\alpha)|\leq 1</math> und <math>|\cos(\alpha)|\leq 1</math>. Diese Ungleichung gilt aber nur für reelle <math>\alpha</math>; für die über die Potenzreihe definierten komplexen Argumente können Sinus und Kosinus beliebige Werte annehmen.


Für komplexe Argumente <math>z=x+\mathrm{i}\cdot{y}</math> gilt
==Umkehrfunktion==
:<math>\sin z = \sin\left(x+\mathrm{i}\cdot{y}\right) = \sin x\,\cosh y+\mathrm{i}\cos x\,\sinh y</math>
Da sich zu einem gegebenen Wert <math>\sin\alpha\in [-1,1]</math> ein passender Winkel im ersten oder vierten Quadranten und zu einem gegebenen Wert <math>\cos\alpha\in [-1,1]</math> ein passender Winkel im ersten oder zweiten Quadranten konstruieren lässt, folgt aus diesen geometrischen Überlegungen, dass die Funktionen
und
:<math>\sin x: [-90^\circ, 90^\circ]\to[-1,1]</math> und
:<math>\cos x: [0^\circ, 180^\circ]\to[-1,1]</math>
: <math>\cos z = \cos\left(x+\mathrm{i}\cdot{y}\right) = \cos x\,\cosh y-\mathrm{i}\sin x\,\sinh y</math>,
was aus den [[Formelsammlung Trigonometrie#Additionstheoreme|Additionstheoremen]] und den Zusammenhängen <math>\sin\left(\mathrm{i}\cdot{y}\right)=\mathrm{i}\cdot{\sinh y}</math> sowie <math>\cos\left(\mathrm{i}\cdot{y}\right)=\cosh y</math> hergeleitet werden kann, wobei <math>\sinh</math> und <math>\cosh</math> die [[Hyperbelfunktion]]en [[Sinus hyperbolicus und Kosinus hyperbolicus|Sinus und Cosinus hyperbolicus]] bezeichnen.
eine [[Umkehrfunktion]] besitzen. Diese Umkehrfunktionen
:<math>\arcsin x: [-1,1] \to [-90^\circ, 90^\circ] </math> bzw.
:<math>\arccos x: [-1,1] \to [0^\circ, 180^\circ]</math>
werden [[Arcus-Funktion|Arkusfunktionen]] genannt. Der Name rührt daher, dass sich deren Wert nicht nur als Winkel, sondern auch als Bogenlänge (Arcus bedeutet Bogen) interpretieren lässt; für diese Interpretation ist die Angabe des Wertebereichs im Bogenmaß
:<math>\arcsin x: [-1,1] \to [-\pi/2, \pi/2] </math> bzw.
:<math>\arccos x: [-1,1] \to [0, \pi]</math>
üblich. Eine andere Interpretation des Wertes als doppelter [[Flächeninhalt]] des dazugehörigen [[Kreissektor]]s am Einheitskreis ist ebenfalls möglich; diese Interpretation ist insbesondere für die Analgoie zwischen [[Kreis- und Hyperbelfunktionen]] nützlich.


Sinus und Kosinus sind für reelle Argumente auf [[Bild (Mathematik)|Werte]] aus dem [[Intervall (Mathematik)|Intervall]] <math>[-1, 1]</math> beschränkt; im [[Definitionsbereich]] der komplexen Zahlen <math>\mathbb{C}</math> sind sie dagegen unbeschränkt, was aus dem [[Satz von Liouville (Funktionentheorie)|Satz von Liouville]] folgt. Sinus und Kosinus können für komplexe Argumente sogar beliebige reelle oder komplexe Werte annehmen.
Für die Arkusfunktionen gelten unter anderem folgende Formeln:


Zum Beispiel gilt:
:<math>\sin(\arccos(x))=\sqrt{1-x^2}</math>, das folgt aus <math>\sin(y)=\sqrt{1-\cos^2 y}</math> und <math>y=\arccos(x)\! </math>.
:<math>\cos(\arcsin(x))=\sqrt{1-x^2}</math>, das folgt aus <math>\cos(y)=\sqrt{1-\sin^2 y}</math> und <math>y=\arcsin(x)\! </math>.
:<math>\cos\mathrm{i} = \cosh 1 = \frac{\mathrm e^1 + \mathrm e^{-1}}{2} \approx 1{,}54</math>
:<math>\sin(\arctan(x))=\frac{x}{\sqrt{1+x^2}}</math>, das folgt aus <math>\sin(y)=\frac{\tan y}{\sqrt{1+\tan^2y}}</math> und <math>y=\arctan(x)\! </math>.
Für reelle <math>x</math> nimmt <math>\cos x</math> diesen Wert aber nie an.
:<math>\cos(\arctan(x))=\frac{1}{\sqrt{1+x^2}}</math>, das folgt aus <math>\cos(y)=\frac{1}{\sqrt{1+\tan^2y}}</math> und <math>y=\arctan(x)\! </math>.


In den Bildern auf der rechten Seite gibt die Farbe den Winkel des Arguments an, die Farbintensität den Betrag, wobei volle Intensität für kleine Werte steht und bei großen Beträgen ein Übergang zu weiß stattfindet. Die genaue Zuordnung ergibt sich aus nebenstehendem Bild, das jeder komplexen Zahl eine Farbe und eine Intensität zuordnet. An den Bildern zu Sinus und Kosinus ist erkennbar, dass auch im Komplexen Periodizität in <math>x</math>-Richtung vorliegt (nicht aber in <math>y</math>-Richtung) und dass Sinus und Kosinus durch eine Verschiebung um <math>\pi/2</math> auseinander hervorgehen.
==Stetigkeit==
Da die Sinusfunktion
:<math>\sin x: [-90^\circ, 90^\circ]\to[-1,1]</math>
und die Kosinusfunktion
:<math>\sin x: [0^\circ, 180^\circ]\to[-1,1]</math>
[[Monotonie|monoton]] und [[Glossar_mathematischer_Attribute#invertierbar|invertierbar]] sind, folgt, dass sie in diesen Quadranten [[Stetigkeit|stetig]] sind. Da die Funktionen in den anderen Quadranten lediglich gespiegelt bzw. periodisch fortgesetzt sind, sind die Sinus- und Kosinusfunktion für alle reellen Argumente stetig.


== Spezielle Funktionswerte ==
==Zusammenhang mit dem Skalarprodukt==
Der Kosinus steht in enger Beziehung mit dem [[Skalarprodukt]] zweier [[Vektor]]en <math>\vec{a}=\left( a_1, a_2, \dots, a_n \right)</math> und <math>\vec{b}=\left( b_1, b_2, \dots, b_n \right)</math>:
:<math>\vec{a}\cdot \vec{b} = |\vec{a} | \cdot | \vec{b} | \cdot \cos \angle (\vec{a},\vec{b})= {a_1}{b_1}+{a_2}{b_2}+\dots + {a_n}{b_n}</math>,
das Skalarprodukt ist also die Länge der Vektoren multipliziert mit dem Kosinus des eingeschlossenen Winkels.
In endlichdimensionalen Räumen lässt sich diese Beziehung aus dem [[Kosinussatz]] ableiten. In abstrakten [[Prähilbertraum|Vektorräumen mit innerem Produkt]] wird über diese Beziehung der Winkel zwischen Vektoren definiert.


=== Wichtigste Funktionswerte ===
==Additionstheoreme==
Da Sinus und Kosinus [[periodische Funktion]]en mit der Periode <math>2 \pi</math> (entspricht im Gradmaß <math>360^\circ</math>) sind, reicht es, die Funktionswerte der beiden trigonometrischen Funktionen für den Bereich <math>[0,2\pi]</math> (entspricht dem Bereich <math>0^\circ</math> bis <math>360^\circ</math>) zu kennen. Funktionswerte außerhalb dieses Bereichs können also aufgrund der Periodizität durch den Zusammenhang
Aus dem Skalarprodukt lassen sich die sogenannten Additionstheoreme herleiten:
:<math>\sin x = \sin(x + 2k \pi)\quad \text{und}\quad \cos x = \cos(x + 2k \pi)</math>
bestimmt werden. In Gradmaß lautet der Zusammenhang analog:
:<math>\sin x = \sin(x + k \cdot 360^\circ)\quad \text{und}\quad \cos x = \cos(x + k \cdot 360^\circ)</math>


Hierbei bezeichnet <math>k \in \Z</math> eine [[ganze Zahl]]. Die folgende Tabelle listet die wichtigen Funktionswerte der beiden trigonometrischen Funktionen in einer leicht zu merkenden Reihe auf.<ref>{{Literatur |Autor=Georg Hoever |Titel=Höhere Mathematik kompakt |Verlag=Springer Spektrum |Ort=Berlin/Heidelberg |Datum=2014 |ISBN=978-3-662-43994-4 |Online={{Google Buch |BuchID=jQnvAwAAQBAJ |Seite=25}}}}</ref>
Die Vektoren <math>\vec{a}=\left(\cos\alpha, \sin\alpha\right)</math> und <math>\vec{b}_1=\left(\cos\beta, \sin\beta\right)</math> der Länge 1 schließen den Winkel <math>\alpha-\beta</math> ein; mit dem Skalarprodukt folgt also
:<math>\cos\left(\alpha-\beta\right)= \vec{a}\cdot \vec{b}_1 = \cos\alpha \cos\beta + \sin\alpha \sin\beta</math>.
Die Vektoren <math>\vec{a}=\left(\cos\alpha, \sin\alpha\right)</math> und <math>\vec{b}_2=\left(\cos\beta, -\sin\beta\right)</math> der Länge 1 schließen den Winkel <math>\alpha+\beta</math> ein; mit dem Skalarprodukt folgt also
:<math>\cos\left(\alpha+\beta\right)= \vec{a}\cdot \vec{b}_2 = \cos\alpha \cos\beta - \sin\alpha \sin\beta</math>.


{| class="wikitable"
Aus <math>\sin\alpha=\cos\left(\alpha-90^\circ\right)</math> und <math>\sin\left(\alpha-90^\circ\right)=\cos\left(\alpha-180^\circ\right)=-\cos\alpha</math>erhält man die Additionstheoreme für den Sinus:
!Gradmaß
:<math>\sin\left(\alpha+\beta\right)=\cos\left(\alpha-90^\circ+\beta\right)= \cos\left(\alpha-90^\circ\right) \cos\beta - \sin\left(\alpha-90^\circ\right) \sin\beta = \sin\alpha \cos\beta + \cos\alpha\sin\beta</math>
!Bogenmaß
sowie
!Sinus
:<math>\sin\left(\alpha-\beta\right)=\cos\left(\alpha-90^\circ-\beta\right)= \cos\left(\alpha-90^\circ\right) \cos\beta + \sin\left(\alpha-90^\circ\right) \sin\beta = \sin\alpha \cos\beta - \cos\alpha\sin\beta</math>.
!Kosinus
|-
| style="text-align:center;"|<math>0^\circ</math>
| style="text-align:center;"| <math>0</math>
|<math>\frac12\sqrt0 = 0</math>
|<math>\frac12\sqrt4 = 1</math>
|-
| style="text-align:center;"| <math>30^\circ</math>
| style="text-align:center;"| <math>\frac{\pi}{6}</math>
|<math>\frac12\sqrt1 = \frac12</math>
|<math>\frac12\sqrt3</math>
|--
| style="text-align:center;"| <math>45^\circ</math>
| style="text-align:center;"| <math>\frac{\pi}{4}</math>
|<math>\frac12\sqrt2=\frac{1}{\sqrt2}</math>
|<math>\frac12\sqrt2=\frac{1}{\sqrt2}</math>
|-
| style="text-align:center;"| <math>60^\circ</math>
| style="text-align:center;"| <math>\frac{\pi}{3}</math>
|<math>\frac12\sqrt3</math>
|<math>\frac12\sqrt1 = \frac12</math>
|-
| style="text-align:center;"| <math>90^\circ</math>
| style="text-align:center;"| <math>\frac{\pi}{2}</math>
|<math>\frac12\sqrt4 = 1</math>
|<math>\frac12\sqrt0 = 0</math>
|-
|}
Weitere wichtige Werte sind:
{| class="wikitable" style="text-align:center;"
!Gradmaß
!Bogenmaß
!Sinus
!Kosinus
|--
|<math>15^\circ</math>
|<math>\tfrac{\pi}{12}</math>
|<math>\tfrac14(\sqrt{6}-\sqrt{2})</math>
|<math>\tfrac14(\sqrt{6}+\sqrt{2})</math>
|-
|<math>18^\circ</math>
|<math>\tfrac{\pi}{10}</math>
|<math>\tfrac{1}{4}\left(\sqrt{5}-1\right)</math>
|<math>\tfrac{1}{4}\sqrt{10+2\sqrt{5}}</math>
|-
|<math>22{,}5^\circ</math>
|<math>\tfrac{\pi}{8}</math>
|<math>\tfrac{1}{2}\sqrt{2-\sqrt{2}}</math>
|<math>\tfrac{1}{2}\sqrt{2+\sqrt{2}}</math>
|-
|<math>36^\circ</math>
|<math>\tfrac{\pi}{5}</math>
|<math>\tfrac{1}{4} \sqrt{10- 2\sqrt{5}}</math>
|<math>\tfrac{1}{4} \left (1+ \sqrt{5} \right)</math>
|-
|<math>54^\circ</math>
|<math>\tfrac{3\pi}{10}</math>
|<math>\tfrac{1}{4} \left (1+ \sqrt{5} \right)</math>
|<math>\tfrac{1}{4} \sqrt{10- 2\sqrt{5}}</math>
|-
|<math>67{,}5^\circ</math>
|<math>\tfrac{3\pi}{8}</math>
|<math>\tfrac{1}{2}\sqrt{2+\sqrt{2}}</math>
|<math>\tfrac{1}{2}\sqrt{2-\sqrt{2}}</math>
|-
|<math>72^\circ</math>
|<math>\tfrac{2\pi}{5}</math>
|<math>\tfrac{1}{4} \sqrt{10+ 2\sqrt{5}}</math>
|<math>\tfrac{1}{4} \left (\sqrt{5}-1 \right)</math>
|-
|<math>75^\circ</math>
|<math>\tfrac{5\pi}{12}</math>
|<math>\tfrac14(\sqrt{6}+\sqrt{2})</math>
|<math>\tfrac14(\sqrt{6}-\sqrt{2})</math>
|-
|<math>180^\circ</math>
|<math>\pi</math>
|<math> 0</math>
|<math>-1</math>
|-
|<math>270^\circ</math>
|<math>\tfrac{3\pi}{2}</math>
|<math>-1</math>
|<math> 0</math>
|-
|<math>360^\circ</math>
|<math>2\pi</math>
|<math>0</math>
|<math> 1</math>
|}


=== Beweisskizzen der Werte ===
Setzt man in diesen Beziehungen <math>u=\alpha+\beta</math> und <math>v=\alpha-\beta</math> (beziehungsweise <math>\alpha=\frac{u+v}{2}</math> und<math>\beta=\frac{u-v}{2}</math>), so erhält man durch Addition bzw. Subtraktion je zweier Additionstheoreme
In folgender Liste werden die Beweise für die einzelnen Werte skizziert dargestellt:
:<math>\cos u + \cos v = 2\cos\frac{u+v}{2} \cos\frac{u-v}{2}</math>,
* <math>\cos 45^\circ=\sin 45^\circ=\tfrac12\sqrt2</math>, weil das [[Rechtwinkliges Dreieck|rechtwinklige Dreieck]] im [[Einheitskreis]] (mit der [[Hypotenuse]] 1) dann [[Gleichschenkliges Dreieck|gleichschenklig]] ist, und nach [[Satz des Pythagoras|Pythagoras]] gilt <math>x^2+x^2=1^2 \Rightarrow x=\tfrac12\sqrt2</math>.
:<math>\cos u - \cos v = -2\sin\frac{u+v}{2} \sin\frac{u-v}{2}</math>,
* <math>\cos 60^\circ=\sin 30^\circ=\tfrac12</math>, weil das rechtwinklige Dreieck im Einheitskreis (mit der Hypotenuse 1) gespiegelt an der <math>x</math>-Achse dann gleichseitig ist (mit Seitenlänge 1) und somit die [[Gegenkathete]] (Sinus) die halbe Seitenlänge beträgt.
:<math>\sin u + \sin v = 2\sin\frac{u+v}{2} \cos\frac{u-v}{2}</math> und
* <math>\cos 30^\circ=\sin 60^\circ=\tfrac12\sqrt3</math>, weil für das rechtwinklige Dreieck im Einheitskreis (mit der Hypotenuse 1) wegen <math>\sin 30^\circ=\tfrac12</math> für den Cosinus nach Pythagoras gilt <math>x^2+\left(\tfrac12\right)^2=1^2 \ \Rightarrow \ x^2=\tfrac34 \ \Rightarrow \ x = \tfrac12\sqrt3</math>.
:<math>\sin u - \sin v = 2\cos\frac{u+v}{2} \sin\frac{u-v}{2}</math>.
* <math>\cos 72^\circ=\sin 18^\circ=\tfrac14(\sqrt5-1)</math>, weil im [[Pentagramm]] das Inverse des [[Goldener Schnitt|Goldenen Schnitts]] auftritt, wobei der halbierte [[Winkel]] in den Spitzen gleich 18° ist.
* <math>\cos 36^\circ=\sin 54^\circ=\tfrac14(1+\sqrt5)</math>, weil im [[Regelmäßiges Fünfeck|regelmäßigen Fünfeck]] der [[Goldener Schnitt|Goldene Schnitt]] auftritt, wobei der halbierte [[Innenwinkel]] gleich 54° ist.
* <math>\cos 75^\circ=\sin 15^\circ</math> und <math>\cos 15^\circ=\sin 75^\circ</math> lassen sich mit Hilfe der [[Halbwinkelformeln]] für Sinus und Kosinus herleiten.
Die Fünftel der Werte können unter anderem so ermittelt werden:


{| class = "wikitable"
Weitere Identitäten finden sich in der [[Formelsammlung Trigonometrie]].
|Zusammenhang zwischen Sinus und Cosinus:


:<math>\sin\bigl(\tfrac{\pi}{5}\bigr) = \cos\bigl(\tfrac{3\pi}{10}\bigr)</math>
==Ableitung (Differentiation) und Integration von Sinus und Kosinus==
Nachfolgend wird eine geometrische Berechnung der [[Differentialrechnung|Ableitung]] der Sinusfunktion dargestellt. Eine exakte Berechnung mit Methoden der [[Analysis]] ist nicht möglich, da Sinus und Kosinus bisher nur gemoetrisch und nicht analytisch definiert sind.


Verdopplungstheorem des Sinus:
=== Berechnung der Ableitung mit Bogenlänge ===
Der Nachweis wird mit Hilfe des Einheitskreises erbracht, wobei der Winkel zweckmäßigerweise im [[Bogenmaß]] angegeben wird.


:<math>\sin\bigl(\tfrac{\pi}{5}\bigr) = 2 \sin\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr) \cos\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr)</math>
[[Bild:sinus-diff2.PNG|thumb|Ableitung Sinus]]


Verdreifachungstheorem des Cosinus:
Aus der Skizze kann man folgende Zusammenhänge erkennen.


:<math>\cos\bigl(\tfrac{3\pi}{10}\bigr) = \cos\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr) \bigl[1 - 4\sin\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr)^2 \bigr]</math>
''x'' ist das Bogenmaß zum Sinuswert. Im Einheitskreis ist


Durch Kombination der drei nun genannten Formeln entsteht diese Gleichung:
:<math>y\ = \sin (x)</math>


:<math>2 \sin\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr) \cos\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr) = \cos\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr) \bigl[1 - 4\sin\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr)^2 \bigr]</math>
Ändert sich der Bogen ''x'' um das Maß ''dx'', so ergibt sich auch das Maß ''dy''.
Denkt man sich dx gegen Null gehend, so ergeben sich zwei ähnliche Dreiecke ABC und EDC.
Setzt man diese ins Verhältnis so erhält man die Verhältnisgleichung


:<math>\frac{dy}{dx} = \frac {\overline{AB}}{1}</math>
:<math>2 \sin\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr) = 1 - 4\sin\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr)^2</math>


:<math>16 \sin\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr)^2 + 8 \sin\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr) = 4</math>
Da die Strecke


:<math>\overline{AB} = \cos (x)</math>
:<math>16 \sin\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr)^2 + 8 \sin\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr) + 1 =5</math>


:<math>\bigl[4 \sin\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr) + 1\bigr]^2 = 5</math>
ist und


:<math>y^\prime = \frac{dy}{dx}</math>
:<math>4 \sin\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr) +1 =\sqrt{5}</math>


:<math>\sin\bigl(\tfrac{\pi}{10}\bigr) = \tfrac{1}{4}(\sqrt{5} - 1)</math>
die Ableitung ist, ergibt sich als Lösung
|}


=== Weitere mit Quadratwurzeln angebbare Funktionswerte ===
:<math>y^\prime = \cos (x)</math>.


Der Mathematiker [[Carl Friedrich Gauß]] entdeckte die Tatsache, dass die Sinus- und Cosinuswerte der [[Siebzehneck|Siebzehntel]] des Vollwinkels auf rein quadratisch radikale Weise dargestellt werden können. Damit bewies er, dass das reguläre Siebzehneck mit Zirkel und Lineal alleine konstruiert werden kann. Besonders effizient können die Cosinuswerte des Musters <math>2\pi z \div 17</math> mittels Lösen quadratischer Gleichungen ermittelt werden.
=== Berechnung der Ableitung mit Flächen ===
Obige Berechnung der Ableitung beruht auf dem nicht elementaren Begriff der [[Bogenlänge]]; es ist nicht so einfach zu zeigen, dass die Länge des [[Kreisbogen]]s <math>EC</math> einfach durch die Länge der [[Sehne (Mathematik)|Sehne]] <math>EC</math> angenährt werden darf. Eine andere Berechnung der Ableitung der Sinusfunktion, die auf Flächenüberlegungen beruht, vermeidet dieses Problem.
Für diesen Zugang interpretiert man den Winkel als doppelten [[Flächeninhalt]] des dazugehörigen [[Kreissektor|Sektors]] am Einheitskreis, analog zu den [[Umkehrfunktion]]en der [[Hyperbelfunktion]]en. Numerisch ist das zwar der selbe Wert wie das Bogenmaß, diese Interpretation vermeidet aber die Problematik der [[Bogenlänge]].


Tabellarisch lassen sich so nach Wickner insgesamt folgende Identitäten zusammenfassen:


{| class="wikitable"
Zunächst folgt aus <math>\sin x-\sin y=2\cos \frac{x+y}{2}\sin \frac{x-y}{2}</math>, dass
! Summe
:<math>\frac{\sin(x+h)-\sin(x)}{h}=\cos(x+h/2)\frac{\sin(h/2)}{h/2}</math>,
! Produkt
also wegen der [[Stetigkeit]] der Kosinusfunktion
! Radikalische Identität
:<math>\lim_{h\to 0}\frac{\sin(x+h)-\sin(x)}{h}=\cos(x)\lim_{h\to 0}\frac{\sin(h/2)}{h/2}</math>,
!Tangentielle Identität
es reicht also, den Grenzwert
|-
:<math>\lim_{h\to 0}\frac{\sin(h)}{h}</math>
| style="background-color: LimeGreen;" | <math>2\cos\left(\frac{6\pi}{17}\right) + 2\cos\left(\frac{10\pi}{17}\right) =</math>
zu berechnen.
| style="background-color: Magenta;" | <math>4\cos\left(\frac{2\pi}{17}\right) \cos\left(\frac{8\pi}{17}\right)=</math>
| <math>\frac{1}{4}\left(- 1 - \sqrt{17} + \sqrt{2\left(17 + \sqrt{17}\right)}\right)=</math>
|<math>\tan\left[\frac{1}{4} \arctan(4)\right]</math>
|-
| style="background-color: CornflowerBlue;" | <math>2\cos\left(\frac{12\pi}{17}\right) + 2\cos\left(\frac{14\pi}{17}\right) =</math>
| style="background-color: Yellow;" | <math>4\cos\left(\frac{4\pi}{17}\right) \cos\left(\frac{16\pi}{17}\right) =</math>
| <math>\frac{1}{4}\left(- 1 - \sqrt{17} + \sqrt{2\left(17 + \sqrt{17}\right)}\right) =</math>
|<math>- \cot\left[\frac{1}{4} \arctan(4)\right]</math>
|-
| style="background-color: Yellow;" | <math>2\cos\left(\frac{4\pi}{17}\right) + 2\cos\left(\frac{16\pi}{17}\right) =</math>
| style="background-color: LimeGreen;" | <math>4\cos\left(\frac{6\pi}{17}\right) \cos\left(\frac{10\pi}{17}\right) =</math>
| <math>\frac{1}{4}\left(- 1 - \sqrt{17} + \sqrt{2\left(17 + \sqrt{17}\right)}\right) =</math>
|<math>- \tan\left[\frac{\pi}{4} - \frac{1}{4} \arctan(4)\right]</math>
|-
| style="background-color: Magenta;" | <math>2\cos\left(\frac{2\pi}{17}\right) + 2\cos\left(\frac{8\pi}{17}\right) =</math>
| style="background-color: CornflowerBlue;" | <math>4\cos\left(\frac{12\pi}{17}\right) \cos\left(\frac{14\pi}{17}\right) =</math>
| <math>\frac{1}{4}\left(- 1 - \sqrt{17} + \sqrt{2\left(17 + \sqrt{17}\right)}\right) =</math>
|<math>\cot\left[\frac{\pi}{4} - \frac{1}{4} \arctan(4)\right]</math>
|}


Beispielsweise<ref>{{Internetquelle |autor=Eric W. Weisstein |url=https://mathworld.wolfram.com/ |titel=Trigonometry Angles--Pi/17 |sprache=en |abruf=2023-02-04}}</ref> ergeben sich folgende Formeln:
[[Bild:sinxoverx.png|thumb|sin x < x < tan x]]
:<math>{\color{magenta} \cos \left(\frac{2\pi}{17}\right)} = \frac{1}{4}\cot\left[\frac{\pi}{4} - \frac{1}{4} \arctan(4)\right] + \frac{1}{4}\sqrt{\cot\left[\frac{\pi}{4} - \frac{1}{4}\arctan(4)\right]^2-4\tan\left[\frac{1}{4}\arctan(4)\right]}</math>
Betrachtet man in nebenstehender Abbildung die Punkte <math>O(0,0), A(1,0), B(1,\tan x), C(\cos x, 0)\!</math> und <math>D(\cos x, \sin x)\!</math> und ist <math>x</math> in Bogenmaß gegeben, so hat das Dreieck <math>OCD</math> (rote Fläche) den [[Flächeninhalt]] <math>\frac{\sin x \cos x}{2}</math>, der [[Kreissektor]] <math>OAD</math> (rote plus orange Fläche) den Flächeninhalt <math>\frac{x}{2}</math>, und das Dreieck <math>OAB</math> (rote plus orange plus gelbe Fläche) den Flächeninhalt <math>\frac{\tan x}{2}</math>. Da eine Fläche jeweils die vorige umfasst, gilt erstens
:<math>\frac{x}{2}\ge \frac{\sin x \cos x}{2}=\frac{\sin 2x}{4}</math>, also <math>1 \ge \frac{\sin 2x}{2x}</math>,
und zweitens
:<math>\frac{x}{2}\le \frac{\tan x}{2}=\frac{\sin x}{2\cos x}</math>, also <math>\cos x \le \frac{\sin x}{x}</math>,
insgesamt also
:<math>\cos h \le \frac{\sin h}{h} \le 1</math>
und daher
:<math>\lim_{h \to 0}\frac{\sin h}{h}=1</math>.
Für die Ableitung der Sinusfunktion ergibt das
:<math>\frac{{\rm d} \sin x}{{\rm d} x}=\lim_{h\to 0}\frac{\sin(x+h)-\sin(x)}{h} = \cos x</math>.


:<math>{\color{magenta} \cos \left(\frac{8\pi}{17}\right)} = \sin \left(\frac{\pi}{34}\right) = \frac{1}{4}\cot\left[\frac{\pi}{4} - \frac{1}{4} \arctan(4)\right] - \frac{1}{4}\sqrt{\cot\left[\frac{\pi}{4} - \frac{1}{4}\arctan(4)\right]^2-4\tan\left[\frac{1}{4}\arctan(4)\right]}</math>
=== Höhere Ableitungen ===
Aus <math>\cos(x)=\sin\left(\frac{\pi}{2}-x\right)</math> und der [[Kettenregel]] erhält man die Ableitung des Kosinus:


Diese Formeln gehen aus dem Werk ''Solution to Problem 1562: A Tangent and Cosine Identity'' des Mathematikers John Wickner hervor und erklären die Konstruktion des Siebzehnecks über die Winkelvierteilungen.
:<math>\cos^\prime(x) = - \sin(x)</math>


=== Mit Winkeldreiteilung angebbare Funktionswerte ===
und daraus die zweite Ableitung des Sinus:
Die trigonometrischen Werte der Siebtel und der Dreizehntel können vereinfacht mittels Winkeldreiteilung dargestellt werden. Daraus folgt, dass das reguläre Siebeneck und das reguläre [[Dreizehneck]] mit der Kombination der Werkzeuge Zirkel, Lineal und Winkeldreiteiler dargestellt werden können:
:<math>\sin\left(\frac{\pi}{7}\right) = \frac{\sqrt{3}}{4} \sec\left[\frac{1}{3}\arctan\left( \frac{\sqrt{3}}{9}\right)\right]</math>
:<math>\sin\left(\frac{\pi}{13}\right) = \frac{1}{12}\sqrt{26+6\sqrt{13}}-\frac{1}{6}\sqrt{26-6\sqrt{13}}\,\cos\biggl[\frac{1}{3}\arctan\biggl(\frac{3\sqrt{3}}{5}\biggr)\biggr]</math>


== Mulitplikationsformeln und begrenzte Reihe ==
:<math>\sin^{\prime\prime}(x)=-\sin(x)</math>.
Die folgenden Multiplikationsformeln gelten für alle <math>n\in\N</math> und komplexen Argumente <math>z</math>:


:<math>\sin{z} = 2^{n-1} \prod\limits_{k=0}^{n-1} \sin{\frac{z+k\,\pi}{n}}</math>
Die dritte Ableitung ist daher


:<math>\sin^{\prime\prime\prime}(x)=-\cos(x)</math>.
:<math>\cos{z} = 2^{n-1} \prod\limits_{k=0}^{n-1} \cos{\frac{z+\left(k-\frac{n-1}{2}\right)\,\pi}{n}}</math>
Für alle Werte <math>n \in \N</math> gilt auch folgende Summenreihe:
:<math>\sum_{k = 1}^{n} \cos\frac{2\pi k}{n} =0</math>


== Fixpunkte ==
und die vierte Ableitung ist wieder die Sinusfunktion selbst:
[[Datei:Dottie number.svg|mini|hochkant=1.5|Fixpunkt der Kosinusfunktion]]
Die [[Fixpunkt (Mathematik)|Fixpunktgleichung]] <math>\sin x = x</math> besitzt


:<math>\sin^{\prime\prime\prime\prime}(x)=\sin(x)</math>.
:<math>x = 0</math>


als einzige reelle Lösung.
In weiterer Folge erhält man daraus für die <math>4n+k</math>-te Ableitung des Sinus


Die Gleichung <math>\cos x = x</math> hat als einzige reelle Lösung
:<math>\sin^{(4n+k)}(x)=\left\{\begin{matrix}
\sin (x) & \mbox{wenn } k=0 \\
\cos (x) & \mbox{wenn } k=1 \\
-\sin (x) & \mbox{wenn } k=2 \\
-\cos(x) & \mbox{wenn } k=3 \end{matrix}\right.</math>


:<math>x = 0{,}73908513321516\ldots</math> &nbsp; ({{OEIS|A003957}}).
und für die <math>4n+k</math>-te Ableitung des Kosinus
:<math>\cos^{(4n+k)}(x)=\left\{\begin{matrix}
\cos (x) & \mbox{wenn } k=0 \\
-\sin (x) & \mbox{wenn } k=1 \\
-\cos (x) & \mbox{wenn } k=2 \\
\sin(x) & \mbox{wenn } k=3 \end{matrix}\right.</math>


Die Lösung dieser Fixpunktgleichung wurde bereits 1748 von [[Leonhard Euler]] untersucht.<ref>{{Literatur |Autor=[[Leonhard Euler]] |Titel=Introductio in analysin infinitorum |Band=2 |Verlag=Marc Michel Bousquet |Ort=Lausanne |Datum=1748 |Seiten=306–308}}</ref> Sie ist ein einfaches Beispiel für einen nichttrivialen global [[Attraktor|attraktiven]] Fixpunkt. Das heißt, die [[Fixpunktiteration]] <math>x_{n+1} = \cos x_n</math> konvergiert für jeden Startwert <math>x_0</math> gegen die Lösung. Mit dem [[Satz von Lindemann-Weierstraß]] kann nachgewiesen werden, dass es sich dabei um eine [[transzendente Zahl]] handelt. Diese [[mathematische Konstante]] wird im englischen Sprachraum auch als ''Dottie number'' bezeichnet und mit dem [[Armenisches Alphabet|armenischen Buchstaben]] ա ([[Ա|Ayb]]) abgekürzt.<ref>{{MathWorld|title=Dottie number|id=DottieNumber}}</ref>
Diese Beziehung gilt nur, wenn <math>x</math> im Bogenmaß angegeben wird. Wird der Winkel <math>\alpha</math> in Grad gemessen, so kommt nach der [[Kettenregel]] bei jeder Ableitung ein Faktor <math>\frac{\pi}{180}</math> dazu, also beispielsweise <math>\sin^{\prime}(\alpha)=\frac{\pi}{180}\cos(\alpha)</math>. Um diese störenden Faktoren zu vermeiden, wird in der [[Analysis]] der Winkel ausschließlich im Bogenmaß angegeben; die Angabe von Winkel in Grad ist allerdings anschaulicher und daher bei geometrischen Überlegungen zweckmäßiger.


===Integration===
== Berechnung ==
Zur Berechnung von Sinus und Cosinus gibt es mehrere Verfahren. Die Wahl des Berechnungsverfahrens richtet sich nach Kriterien wie Genauigkeit, Geschwindigkeit der Berechnung und Leistungsfähigkeit der verwendeten [[Hardware]] wie zum Beispiel [[Mikrocontroller]]:
Aus den Ergebnissen über die Ableitung ergibt sich unmittelbar die [[Stammfunktion]] von Sinus und Kosinus im Bogenmaß:
:<math>\int\sin(\alpha)\,{\rm d}\alpha=-\cos(\alpha)+C,</math>


* Tabellierung aller benötigten Funktionswerte
:<math>\int\cos(\alpha)\,{\rm d}\alpha=\sin(\alpha)+C</math>.
* Tabellierung von Funktionswerten zusammen mit [[Interpolation (Mathematik)|Interpolationsverfahren]]
* Berechnung mit dem [[CORDIC]]-Algorithmus
* Verwendung der [[#Motivation durch Taylorreihen|Taylor-Reihe]]
* schnelle, aber grob genäherte Abschätzung mit Hilfe der [[Zwölftel-Regel]]


Die Tabellierung aller Werte ist angezeigt bei geschwindigkeitskritischen [[Echtzeitsystem]]en, wenn diese nur eine recht kleine Winkelauflösung benötigen. CORDIC ist i.&nbsp;d.&nbsp;R. effizienter umsetzbar als die Taylor-Reihe und zudem besser [[Kondition (Mathematik)|konditioniert]].
==Analytische Definition==
Obige Definitionen des Sinus und des Kosinus beinhalten geometrische Überlegungen. [[Geometrie]] wird üblicherweise naiv-intuitiv und nicht auf axiomatischer Basis behandelt. Sinus und Kosinus spielen auch eine wichtige Rolle in der [[Analysis]]. Da für die Analysis ein viel [[Formalisierung|formalerer]] Zugang zweckmäßig ist, sind die geometrischen Definitionen für die Analysis nicht ausreichend, daher wird eine analytische Defintion benötigt. Auf Basis einer streng formalisierten Geometrie lässt sich die Äquivalenz der geometrischen und der analytischen Definition zeigen; auf Basis einer naiven Geometrie sind die geometrischen Überlegungen allerdings lediglich als [[Heuristik]] zur Begründung der analytischen Definition zu betrachten.


== Umkehrfunktion ==
Die analytische Definition erlaubt zusätzlich die Erweiterung auf komplexe Argumente. Sinus und Kosinus als komplexwertige Funktion aufgefasst sind [[holomorph]] und [[surjektiv]].
{{Hauptartikel|Arkussinus und Arkuskosinus}}


Da sich zu einem gegebenen Wert <math>\sin\alpha\in [-1,1]</math> ein passender Winkel im ersten oder vierten Quadranten und zu einem gegebenen Wert <math>\cos\alpha\in [-1,1]</math> ein passender Winkel im ersten oder zweiten Quadranten konstruieren lässt, folgt aus diesen geometrischen Überlegungen, dass die Funktionen
Für die analytische Definition gibt es in der Literatur keinen einheitlichen Zugang; es sind mehrere äquivalente Varianten verbreitet.
:<math>\begin{align}
\sin \colon [-90^\circ, 90^\circ] &\to [-1,1] \\
\cos \colon [ 0^\circ, 180^\circ] &\to [-1,1]
\end{align}</math>
[[Umkehrfunktion]]en besitzen. Die Umkehrfunktionen
:<math>\begin{align}
\arcsin \colon [-1,1] &\to [-90^\circ, 90^\circ] \\
\arccos \colon [-1,1] &\to [ 0^\circ, 180^\circ]
\end{align}</math>
werden Arkussinus bzw. Arkuskosinus genannt. Der Name rührt daher, dass sich deren Wert nicht nur als Winkel, sondern auch als [[Länge (Mathematik)|Länge]] eines [[Kreisbogen]]s (Arcus bedeutet Bogen) interpretieren lässt.


In der Analysis ist die Verwendung des Bogenmaßes praktisch, weil andernfalls (beim Gradmaß) oft die Identität <math>g^\circ=g\cdot\pi/180</math> zu berücksichtigen wäre.
===Definition als Taylorreihe ===
Die Sinusfunktion
Mit Hilfe der aus geometrischen Überlegungen berechneten Ableitung des Sinus gilt für die <math>4n+k</math>-te Ableitung an der Stelle 0
:<math>\sin \colon \left[-\tfrac\pi2, \tfrac\pi2\right] \to [-1,1]</math>
und die Kosinusfunktion
:<math>\cos \colon [0, \pi] \to [-1,1]</math>
sind auf den angegebenen Definitionsbereichen [[Streng monotone Funktion|streng monoton]], [[surjektiv]] und daher [[Umkehrfunktion|invertierbar]].
Die Umkehrfunktionen sind
:<math>\begin{align}
\arcsin \colon [-1,1] &\to \left[-\tfrac{\pi}{2}, \tfrac{\pi}{2}\right] \\
\arccos \colon [-1,1] &\to \left[0, \pi\right]
\end{align}</math>
Eine andere Interpretation des Wertes als doppelter [[Flächeninhalt]] des dazugehörigen [[Kreissektor]]s am Einheitskreis ist ebenfalls möglich; diese Interpretation ist insbesondere für die Analogie zwischen [[Kreis- und Hyperbelfunktionen]] nützlich.


== Zusammenhang mit dem Skalarprodukt ==
:<math>\sin^{(4n+k)}(0)=\left\{\begin{matrix}
Der Kosinus steht in enger Beziehung mit dem [[Skalarprodukt]] zweier zwei- oder dreidimensionaler [[Vektor]]en <math>\vec{a}</math> und <math>\vec{b}</math>:
0 & \mbox{wenn } k=0 \\
1 & \mbox{wenn } k=1 \\
0 & \mbox{wenn } k=2 \\
-1 & \mbox{wenn } k=3 \end{matrix}\right.</math>


:<math>\vec{a}\cdot \vec{b} = |\vec{a} | \, | \vec{b} | \, \cos \measuredangle (\vec{a},\vec{b})</math>
Daraus ergibt sich folgende [[Taylorreihe]]nentwicklung um ''x''=0:


Das Skalarprodukt ist also die Länge der Vektoren multipliziert mit dem Kosinus des eingeschlossenen Winkels. In abstrakten [[Prähilbertraum|Skalarprodukträumen]] wird über diese Beziehung der Winkel zwischen Vektoren definiert.
:<math>\sin (x) = \sum_{n=0}^\infty (-1)^n\frac{x^{2n+1}}{(2n+1)!} = \frac{x}{1!}-\frac{x^3}{3!}+\frac{x^5}{5!}-\ldots = x-\frac{x^3}{6}+\frac{x^5}{120}-\ldots</math>


== Zusammenhang mit dem Kreuzprodukt ==
Für die aus geometrischen Überlegungen berechneten Ableitung des Kosinus gilt für die <math>4n+k</math>-te Ableitung an der Stelle 0
{{Hauptartikel|Kreuzprodukt}}


Der Sinus steht in enger Beziehung mit dem Kreuzprodukt zweier dreidimensionaler [[Vektor]]en <math>\vec{a}</math> und <math>\vec{b}</math>:
:<math>\cos^{(4n+k)}(0)=\left\{\begin{matrix}
:<math>|\vec{a}\times\vec{b}| = |\vec{a}| \, | \vec{b} | \, \sin \measuredangle (\vec{a},\vec{b})</math>
1 & \mbox{wenn } k=0 \\
0 & \mbox{wenn } k=1 \\
-1 & \mbox{wenn } k=2 \\
0 & \mbox{wenn } k=3 \end{matrix}\right.</math>


== Additionstheoreme ==
Daraus ergibt sich folgende [[Taylorreihe]]nentwicklung um ''x''=0:
{{Hauptartikel|Additionstheoreme (Trigonometrie)}}


Die Additionstheoreme für Sinus und Kosinus lauten:
<math>
:<math>\sin (x \pm y) = \sin x \; \cos y \pm \cos x \; \sin y</math>
\cos (x)= \sum_{n=0}^\infty (-1)^n\frac{x^{2n}}{(2n)!}=1-\frac{x^2}{2}+\frac{x^4}{24}-...
:<math>\cos (x \pm y) = \cos x \; \cos y \mp \sin x \; \sin y</math>
</math>


Aus den Additionstheoremen folgt insbesondere für doppelte Winkel
Mit dem [[Quotientenkriterium]] lässt sich zeigen, dass diese [[Potenzreihe]]n für jede [[komplexe Zahl]] ''x'' [[absolute Konvergenz|absolut]] und in jeder beschränkten Teilmenge der komplexen Zahlen [[gleichmäßige Konvergenz|gleichmäßig]] konvergieren. Diese [[unendliche Reihe|unendlichen Reihen]] verallgemeinern also die Definition des Sinus und des Kosinus von reellen auf komplexe Argumente. In der [[Analysis]] werden die Sinusfunktion und die Kosinusfunktion häufig mittels dieser Reihenentwicklung definiert. Auch <math>\pi</math> wird in der Analysis üblicherweise nicht geometrisch, sondern beispielsweise über diese Reihe und die Beziehung <math>\cos\left(\frac{\pi}{2}\right)=0</math> als das Doppelte der kleinsten positiven Nullstelle der Kosinusfunktion defniert.
:<math>\sin (2x) = 2 \sin x \; \cos x</math>
:<math>\cos (2x) = \cos^2 x - \sin^2 x = 1 - 2 \sin^2 x = 2 \cos^2 x - 1</math>


== Orthogonale Zerlegung ==
Die harmonische Schwingung
:<math>a(x) = \sqrt{2}A\sin(x+\varphi_a)</math>
wird durch
:<math>a(x) = \frac{1}{B^2}\overline{a(x)b(x)}\cdot b(x) + \frac{1}{B^2}\overline{a(x)b'(x)}\cdot b'(x)</math>
in [[Orthogonalität#Orthogonale Funktionen|orthogonale]] Komponenten zur Basis der harmonischen Schwingung
:<math>b(x) = \sqrt{2}B\sin(x+\varphi_b)</math>
zerlegt.
<math>A</math> und <math>B</math> sind [[Effektivwert]]e, <math>\varphi_a</math> und <math>\varphi_b</math> [[Nullphasenwinkel]]. Ihre Differenz
:<math>\varphi = \varphi_a-\varphi_b</math>
heißt [[Phasenverschiebungswinkel]]. Die Ableitung der Basisfunktion
:<math>b'(x) = \frac{\text{d}b(x)}{\text{d}x}</math>
läuft <math>b(x)</math> um eine Viertelperiode voraus. Die in den Zerlegungskoeffizienten enthaltenen [[Gleichwert#Gleichwert bei periodischen Vorgängen|Gleichwerte]] folgen aus einer modifizierten [[Fourier-Analyse]], bei der nicht die Sinus- und Kosinusfunktion, sondern <math>b(x)</math> und <math>b'(x)</math> als Basis dienen. Durch Einsetzen der harmonischen Ansätze ergibt sich schließlich:
:<math>a(x) = \frac{A}{B}\cos\varphi \cdot b(x) + \frac{A}{B}\sin\varphi\cdot b'(x)</math>
Die Zerlegung gilt auch bei Ansatz von <math>a(x)</math> und <math>b(x)</math> mit der Kosinusfunktion.


== Ableitung, Integration und Krümmung von Sinus und Kosinus ==
Für kleine Werte zeigen diese Reihen ein sehr gutes Konvergenzverhalten. Zur [[numerische Mathematik|numerischen]] Berechnung kann man daher die Periodizität und Symmetrie der Funktionen ausnutzen und den ''x''-Wert bis auf den Bereich -π/4 bis π/4 reduzieren (siehe [[Reduktionsformel]]). Danach sind für eine geforderte Genauigkeit nur noch wenige Glieder der Reihe zu berechnen. Das Taylorpolynom der Kosinusfunktion bis zur vierten Potenz z.B. hat im Intervall [-π/4, π/4] einen relativen Fehler von unter 0,05%. Im Artikel [[Taylor-Formel]] sind einige dieser so genannten Taylorpolynome grafisch dargestellt und eine Näherungsformel mit Genauigkeitsangabe angegeben. Zu beachten ist allerdings, dass die Teilsummen der Taylorpolynome nicht die bestmögliche numerische Approximation darstellen; im "Handbook of Mathematical Functions" von Abrahmovitz und Stegun finden sich Näherungspolynome mit noch kleinerem Approximationsfehler.
=== Ableitung ===
Für die Ableitung der Sinusfunktion gilt:<ref>[[b:Beweisarchiv: Analysis: Differentialrechnung: Differentiation der Sinusfunktion|Wikibooks: Beweisarchiv: Analysis: Differentialrechnung: Differentiation der Sinusfunktion]]</ref>


:<math>\sin^\prime x = \cos x</math>
===Definition mit Hilfe der Exponentialfunktion===
Die trigonometrischen Funktionen können auch mit Hilfe der [[Exponentialfunktion]] definiert werden. Dieser Ansatz führt zum einen Sinus und Kosinus auf nur eine [[unendliche Reihe|Reihe]] zurück, und ist aus der [[Eulersche Identität|Eulerformel]]


:<math> e^{i \varphi} = \cos\left(\varphi \right) + i \sin\left( \varphi\right) </math>.
Aus <math>\cos x=\sin\left(\tfrac{\pi}{2}-x\right)</math> und der [[Kettenregel]] erhält man die Ableitung des Kosinus:


:<math>\cos^\prime x = -\sin x</math>
motiviert. Für eine reelle Zahl <math>\varphi</math> ist also <math> \cos\left(\varphi \right)</math> der [[Realteil]] von <math> e^{i \varphi}</math> und <math> \sin\left(\varphi \right)</math> der [[Imaginärteil]] von <math> e^{i \varphi}</math>.


und daraus schließlich auch alle höheren Ableitungen von Sinus und Kosinus
Für beliebige [[komplexe Zahl]]en <math>z</math> definiert man dann
:<math>\sin z = {1 \over 2i} \left(e^{iz} - e^{-iz} \right)</math>
und
:<math>\cos z = {1 \over 2} \left(e^{iz} + e^{-iz} \right)</math>


:<math>\sin^{(4n+k)} x = \sin\left(x + k\frac{\pi}2\right) = \left\{\begin{matrix}
Selbstverständlich kann man auch den Sinus wie oben als [[Taylorreihe]] definieren und dann die Übereinstimmung mit dieser Definition zeigen.
\sin x, & \text{wenn } k=0 \\
\cos x, & \text{wenn } k=1 \\
-\sin x, & \text{wenn } k=2 \\
-\cos x, & \text{wenn } k=3 \end{matrix}\right.</math>


:<math>\cos^{(4n+k)} x = \cos\left(x + k\frac{\pi}2\right) = \left\{\begin{matrix}
Ausgehend von dieser Definition lassen sich sehr leicht die Eigenschaften des Sinus und die [[Trigonometrische Funktion#Additionstheoreme|Additionstheoreme]] des Sinus und Kosinus nachweisen.
\cos x, & \text{wenn } k=0 \\
-\sin x, & \text{wenn } k=1 \\
-\cos x, & \text{wenn } k=2 \\
\sin x, & \text{wenn } k=3 \end{matrix}\right.</math>


Dabei ist es wegen <math>1^\circ := \tfrac {\pi}{180}</math> (also <math>\tfrac {\pi}{180^\circ}=1</math>) egal, ob der Winkel <math>x</math> im Grad- oder im Bogenmaß gemessen wird, denn für <math>x=g^\circ</math> gilt nicht nur <math>\sin^\prime x=\tfrac {\mathrm d\sin x}{\mathrm dx}=\cos x,</math> sondern auch <math>\sin^\prime g=\tfrac {\mathrm d\sin g}{\mathrm dg}=\cos g.</math> Nur für die Ableitung <math>\tfrac {\mathrm d\sin x}{\mathrm dg}</math> des Sinus eines Winkels <math>x=g^\circ</math> nach seiner Gradzahl <math>g</math> käme ein störender Faktor <math>1^\circ=\tfrac{\pi}{180} \ne 1</math> hinzu:
===Definition über analytische Berechnung der Bogenlänge===
:<math>\frac {\mathrm d\sin x}{\mathrm dg} = \frac {\mathrm d\sin (g \cdot 1^\circ)}{\mathrm dg} = 1^\circ \cdot \frac {\mathrm d\sin g}{\mathrm dg} = 1^\circ \cdot \cos g = \frac {\pi}{180} \cdot \cos x</math>
Die Definition des Sinus und Kosinus als Taylorreihe liefert keinen analytischen Beweis der Differenzierbarkeit des Sinus und Kosinus, sondern setzt die Differenzierbarkeit letzlich axiomatisch voraus. Die Definition mit Hilfe der Exponentialfunktion hat das selbe Problem, versteckt es allerdings im Beweis der [[Eulersche Identität|Eulerformel]].


Um dies zu vermeiden, wird üblicherweise in der [[Analysis]] der Winkel ausschließlich im Bogenmaß angegeben.
Ein echter analytischer Beweis der Differenzierbarkeit des Sinus und Kosinus erfordert, dass die geometrische Defintion des Sinus und Kosinus zuerst analytisch formalisiert wird. Dies ist möglich, indem man den Einheitskreis <math>x^2+y^2=1\!</math> beispielsweise als
:<math>\gamma(t)=\left(\frac{1-t^2}{1+t^2},\frac{2t}{1+t^2}\right),\quad -\infty<t<\infty.</math>
parametrisiert. Die [[Bogenlänge]] dieser Kurve berechnet sich als
: <math>s(t)=\int_0^t |\dot\gamma(\tau)|\,\mathrm d\tau
=\int_0^t\frac{2\,\mathrm d\tau}{\tau^2+1}.</math>
Wie leicht zu zeigen ist, ist <math>s(t)\!</math> ungerade, stetig, streng monoton wachsend und beschränkt. Da die gesamte Bogenlänge dem Kreisumfang entspricht, folgt, dass
das Supremum von <math>s(t)\!</math> gleich <math>\pi\!</math> ist; <math>\pi\!</math> wird bei dieser Vorgangsweise also analytisch als Supremum von <math>s(t)\!</math> definiert.


=== Stammfunktion ===
Die Funktion
Aus den Ergebnissen über die Ableitung ergibt sich unmittelbar die [[Stammfunktion]] von Sinus und Kosinus:
:<math>s(t):\mathbb R\to(-\pi,\pi) </math>
:<math>\int\sin x\,\mathrm{d}x = -\cos x+C</math>
ist auch differenzierbar:
:<math>\frac{\mathrm d s}{\mathrm d t}=\frac{2}{1+t^2}</math>.
:<math>\int\cos x\,\mathrm{d}x = \sin x+C</math>
Weil sie stetig und streng monoton wachsend ist, ist sie auch invertierbar, und für die [[Umkehrfunktion]]
:<math>t(s):(-\pi,\pi) \to \mathbb R </math>
gilt
:<math>\frac{\mathrm d t}{\mathrm d s}=\frac{1+t^2(s)}{2}</math>.


=== Krümmung ===
Mit Hilfe dieser Umkehrfunktion <math>t(s)\!</math> lassen sich nun Sinus und Kosinus als <math>y\!</math>- und <math>x\!</math>-Komponente von <math>\gamma\!</math> analytisch definieren:
Die [[Krümmung]] des [[Funktionsgraph|Graphen]] wird mit Hilfe der Formel


:<math>\sin s:=\frac{2t(s)}{1+t^2(s)}</math>
:<math>\kappa(x) = \frac{f''(x)}{\left(1 + f'(x)^2\right)^{3/2}}</math>


berechnet. Für <math>f(x)=\sin x</math> erhält man damit die Krümmungsfunktion
sowie


:<math>\cos s:=\frac{1-t^2(s)}{1+t^2(s)}</math>.
:<math>\kappa(x) = -\frac{\sin x}{\left(1 + \cos^2 x\right)^{3/2}}</math>


und für <math>f(x)=\cos x</math> entsprechend
Aus der [[Quotientenregel]] und der [[Kettenregel]] folgen dann


:<math>\frac{\mathrm d\sin s}{\mathrm d s}=\frac{2\left(1+t^2(s)\right) -4t^2(s)}{\left(1+t^2(s)\right)^2}\cdot\frac{1+t^2(s)}{2}=\frac{1-t^2(s)}{1+t^2(s)}=\cos s</math>
:<math>\kappa(x) = -\frac{\cos x}{\left(1 + \sin^2 x\right)^{3/2}}</math>.


An den [[Wendepunkt]]en ist die Krümmung gleich null. Dort hat die Krümmungsfunktion einen [[Vorzeichenwechsel]]. An der Stelle des Maximums ist die Krümmung gleich −1 und an der Stelle des Minimums gleich 1. Der [[Krümmungskreis]] hat an den [[Extrempunkt]]em also jeweils den [[Radius]] 1.
sowie


== Anwendungen ==
:<math>\frac{\mathrm d\cos s}{\mathrm d s}
=== Allgemeines Dreieck ===
=\frac{-2t(s)\left(1+t^2(s)\right)-2t(s)\left(1-t^2(s)\right)}{\left(1+t^2(s)\right)^2}\cdot\frac{1+t^2(s)}{2}
[[Datei:Sinussatz Beispiel.svg|mini|Skizze zum Beispiel]]
=\frac{-2t(s)}{1+t^2(s)}=-\sin s</math>.


Mit der Sinusfunktion können auch im nicht rechtwinkligen Dreieck Größen, speziell die Höhen, berechnet werden; ein Beispiel ist die Berechnung von <math>h_c</math> im Dreieck ''ABC'' bei gegebener Länge <math>a=5{,}4</math> und Winkel <math>\beta=42^\circ</math>:
Bei dieser Definition des Sinus und Kosinus über die analytische Berechnung der Bogenlänge werden die geometrischen Begriffe tatsächlich sauber formalisiert. Sie hat allerdings den Nachteil, dass im didaktischen Aufbau der Analysis der Begriff der Bogenlänge erst sehr spät formal eingeführt wird und daher Sinus und Kosinus erst relativ spät verwendet werden können.


:<math>\begin{align}
==Anwendungen==
\frac{h_c}{a} &= \sin\beta\\
===Geometrische Anwendungen===
h_c &= a\cdot \sin\beta\\
[[Bild:Sinussatz_Beispiel.png|right|thumb|Skizze zum Beispiel]]
h_c &= 5{,}4 \cdot \sin 42^\circ \approx 3{,}613
\end{align}</math>


Andere wichtige Anwendungen sind der [[Sinussatz]] und der [[Kosinussatz]].
Mit der Definition des Sinus können auch im nicht rechtwinkligen Dreieck Größen, speziell die Höhen, berechnet werden; ein Beispiel ist die Berechnung von <math>h_c</math> im Dreieck ''DBC'' bei gegebener Länge <math>a</math> und Winkel &beta;:


=== Sektrix ===
<math>\frac{h_c}{a}= \sin(\beta)</math>
{{Hauptartikel|Trisektrix}}
[[Datei:01 Dreiteilung des Winkels-Sinuslinie-Beweis.svg|mini|hochkant=2.5|Teilung des Winkels in <math>n</math> gleich große Teile mithilfe der Sinuskurve]]
Die ''Sinuskurve'' ist eine der bekanntesten Funktionsgraphen. Trotz alledem ist nahezu nichts über ihre Eigenschaft bekannt, einen Winkel in <math>n</math> gleich große Teile zu zerlegen. Das nebenstehende Bild zeigt exemplarisch die Teilung des Winkels <math>\alpha</math> in sechs gleich große [[Winkel]]weiten.<ref>{{Literatur | Autor=Hung Tao Sheng | Titel=A Method of Trisection of an Angle and X-Section of an Angle | TitelErg=4. Xsection of an angle, X = 7 | Sammelwerk=Mathematics Magazine | Band=42, No. 2 | Verlag=Taylor & Francis | Datum=März 1969 | Sprache=en | JSTOR=2689193 | Seiten=79}}</ref>


==== Konstruktion ====
<math>h_c = a\cdot \sin(\beta)</math>
Zuerst wird ein Viertelkreis mit Radius gleich <math>1\; [LE]</math><ref><math>[LE]</math> = Längeneinheit</ref> um <math>A</math> gezogen und anschließend der Radius <math>\overline{AB}</math> über <math>B</math> hinaus verlängert. Der Graph der Funktion <math>f(x)=\sin (x)</math>, sprich die Sinuskurve, wird nun z.&nbsp;B. mittels einer [[Schablone]] oder einer sogenannten [[Dynamische Geometrie|Dynamischen-Geometrie-Software (DGS)]] eingetragen. Dabei schneidet die Sinuskurve die Verlängerung des Radius <math>\overline{AB}</math> und liefert so die [[Kreiszahl]] <math>\pi</math> auf der <math>x</math>-Achse.


In den nächsten Schritten werden vier Werte des [[Sinus und Kosinus#Wichtigste Funktionswerte|Bogenmaßes]] für den [[Sinus und Kosinus#Verlauf des Sinus in den vier Quadranten|2. Quadranten]] der Sinuskurve auf der <math>x</math>-Achse bestimmt mit jeweils gleichem Abstand zueinander. Es ist in diesem Fall für die Plausibilität von Vorteil, die Bogenmaße mit dem gemeinsamen [[Bruchrechnung#Nenner|Nenner]] <math>8</math> zu bezeichnen. Durch Halbieren des Abstandes <math>|A\pi|</math> ergibt sich das Bogenmaß <math>\tfrac{1}{2}\pi = \tfrac{4\pi}{8}\;\widehat{=}\;90^\circ</math>. Mittels einer [[Orthogonalität|Senkrechten]] und einer [[Parallelität (Geometrie)|Parallelen]] – jeweils zur <math>x</math>-Achse – wird <math>\tfrac{4\pi}{8}</math> auf den Viertelkreis übertragen; dabei trifft <math>\tfrac{4\pi}{8}</math> den Punkt <math>C</math>.
<math>h_c = 5,\!4~{\rm [LE]} \cdot \sin (44^\circ) = 3,\!751~{\rm [LE]}</math>


Die darauf folgende Dreiteilung des Abstandes <math>|\tfrac{4\pi}{8}\pi|</math> liefert, unter Verwendung des [[Strahlensatz#Formulierung der Strahlensätze|ersten Strahlensatzes]], die Bogenmaße <math>\tfrac{5\pi}{8}</math>, <math>\tfrac{6\pi}{8}</math> und <math>\tfrac{7\pi}{8}</math> sowie die Schnittpunkte <math>D, F</math> und <math>H</math>. Das Übertragen dieser Punkte auf die Sinuskurve erfolgt mithilfe von Senkrechten zur <math>x</math>-Achse; nun bezeichnet mit <math>D_1, F_1</math> und <math>H_1</math>. Anschließend werden diese Punkte mittels Parallelen zur <math>x</math>-Achse auf den Viertelkreisbogen projiziert, nun bezeichnet mit <math>D_2, F_2</math> und <math>H_2</math>. Da die Bogenmaße quasi vom 2. Quadranten der Sinuskurve zum 1. Quadranten des Kreises wechseln, werden sie zu Pendants mit den Bezeichnungen <math>\tfrac{4\pi}{8},\;\tfrac{3\pi}{8},\;\tfrac{2\pi}{8},\;</math> und <math>\tfrac{\pi}{8}</math>.
Andere wichtige Anwendungen sind der [[Sinussatz]] und der [[Kosinussatz]].


Auf die gleiche Art und Weise werden die Punkte <math>E, G</math> und <math>I</math> bestimmt und schließlich auf den Viertelkreisbogen, nun mit den Bezeichnungen <math>E_2, G_2</math> und <math>I_2</math>, übertragen. Im dargestellten Beispiel ist der Winkel <math>BAI_2</math> der sechste Teil des Winkels <math>\alpha</math>.
===Fourierreihen===
Im [[Hilbertraum]] <math>L^2 [-\pi,\pi]\!</math> der auf dem [[Intervall]] <math>[-\pi,\pi]\!</math> bezüglich des [[Lebesgue-Maß]]es [[quadratintegrabel|quadratisch integrierbaren]] Funktionen bilden die Funktionen
:<math>1, \cos nx, \sin nx \quad n=1,2,\dots</math>
ein vollständiges [[Orthogonalsystem]], das sogenannte ''trigonometrische System''. Daher lassen sich alle Funktionen <math>f\in L^2[-\pi,\pi]</math> als [[Fourierreihe]]
:<math>S_n(x)=\frac{a_0}{2} + \sum_{k=1}^n (a_k\cos nx + b_k \sin nx)</math>
darstellen, wobei die [[Folge (Mathematik)|Funktionenfolge]] <math>S_n(x)\!</math> in der <math>L^2</math>-[[normierter Raum|Norm]] gegen <math>f(x)\!</math> [[Konvergenz (Mathematik)|konvergiert]].


===Physikalische Anwendungen===
==== Nachweis ====
Für die betreffenden [[Sinus und Kosinus#Wichtigste Funktionswerte|Funktionswerte]] der Sinuskurve gilt: Der Winkel (Grad) entspricht dem Bogenmaß (Teil von <math>\pi</math> bzw. <math>\pi</math>).
In der [[Physik]] werden Sinus- und Kosinusfunktion zur Beschreibung von [[Schwingung]]en verwendet. Insbesondere lassen sich durch die oben erwähnten [[Fourierreihe]]n beliebige Signale als Summe von Sinus- und Kosinusfunktionen darstellen, siehe [[Fourieranalyse]].
: <math>90^\circ \; \widehat{=} \; \frac{\pi}{2} = \frac{4\pi}{8}</math>; &nbsp;&nbsp; <math>112{,}5^\circ \; \widehat{=} \; \frac{5\pi}{8}</math>; &nbsp;&nbsp; <math>135^\circ \; \widehat{=} \frac{6\pi}{8}</math>; &nbsp;&nbsp; <math>157{,}5^\circ \; \widehat{=} \; \frac{7\pi}{8}</math>; &nbsp;&nbsp; <math>180^\circ \; \widehat{=} \; \pi</math>,
daraus folgt:
* Der Winkel und das Bogenmaß sind zueinander direkt proportional, z.&nbsp;B.: <math>112{,}5^\circ : 135^\circ = \frac{5\pi}{8} : {\frac{6\pi}{8}}.</math>
Dies bedeutet:
* Der ''n''-te Teil des Abstandes <math>\left|\frac{4\pi}{8}\,\pi\right|</math> (z.&nbsp;B.: <math>|I\;\pi|</math>) und der ''n''-te Teil des Viertelkreisbogens (z.&nbsp;B.: <math>ABI_2</math>) sind gleich lang.


=== Fourierreihen ===
Im [[Hilbertraum]] <math>L^2 [-\pi,\pi]</math> der auf dem [[Intervall (Mathematik)|Intervall]] <math>[-\pi,\pi]</math> bezüglich des [[Lebesgue-Maß]]es [[Quadratintegrabel|quadratisch integrierbaren]] Funktionen bilden die Funktionen
:<math>1, \cos (nx), \sin (nx) \quad n = 1, 2, \dotsc</math>
ein vollständiges [[Orthogonalsystem]], das sogenannte ''trigonometrische System.'' Daher lassen sich alle Funktionen <math>f\in L^2[-\pi,\pi]</math> als [[Fourierreihe]]
:<math>S_n(x)=\frac{a_0}{2} + \sum_{k=1}^n \left(a_k\cos (kx) + b_k \sin (kx)\right)</math>
darstellen, wobei die [[Funktionenfolge]] <math>S_n(x)</math> in der [[Norm (Mathematik)#Lp-Normen|''L''<sup>2</sup>-Norm]] gegen <math>f(x)</math> [[Grenzwert (Folge)|konvergiert]].


=== Informatik ===
==Herkunft des Namens==
In der [[Informatik]] wird zur Erstellung von [[Audiodatei]]en (zum Beispiel im [[Audioformat]] [[MP3]]),<ref>Joebert S. Jacaba: {{Webarchiv |url=https://www.mp3-tech.org/programmer/docs/jacaba_main.pdf |text=''AUDIO COMPRESSION USING MODIFIEDDISCRETE COSINE TRANSFORM: THE MP3 CODING STANDARD.'' |wayback=20100613053259}}.</ref> [[Digitales Bild|digitalen Bildern]] im [[Grafikformat]] [[JPEG]],<ref>International Telecommunication Union: [https://www.w3.org/Graphics/JPEG/itu-t81.pdf INFORMATION TECHNOLOGY – DIGITAL COMPRESSION AND CODING OF CONTINUOUS-TONE STILL IMAGES – REQUIREMENTS AND GUIDELINES]</ref> Videodateien (zum Beispiel im [[Containerformat]] [[MP4]] oder [[WebM]]) die [[diskrete Kosinustransformation]] oder die [[modifizierte diskrete Kosinustransformation]] verwendet. Zum Abspielen oder Anzeigen solcher Dateien wird die inverse diskrete Kosinustransformation, also die [[Umkehrfunktion]] verwendet.<ref>ITWissen, Klaus Lipinski: [https://www.media-schmid.de/downloads/videokompression.pdf Videokompression]</ref> Bei der [[Digitale Signalverarbeitung|digitalen Verarbeitung]] von [[Akustik|akustischen]] und [[Optik|optischen]] Signalen wird unter anderem die [[Schnelle Fourier-Transformation]] verwendet.<ref>Tomas Sauer, Justus-Liebig-Universität Gießen: {{Webarchiv |url=https://www.fim.uni-passau.de/fileadmin/files/lehrstuhl/sauer/geyer/DigiSig.pdf |text=''Digitale Signalverarbeitung'' |wayback=20180709153910}}.</ref>
Die Bezeichnung "Sinus" leitet sich von dem lateinischen "sinus" ab, was soviel heißt wie "Bogen" oder "Busen". Das Wort ist mit "jiva" aus dem [[Sanskrit]] verwandt, wo es etwa "Bogensehne" bedeutet. Im Arabischen entwickelte sich das Wort zu "jiba": "Tasche" oder "Kleiderfalte". "Kosinus" bedeutet "Sinus des [[Komplementärwinkel]]s".


== Weitere Bedeutung ==
=== Physik ===
In der [[Physik]] werden Sinus- und Kosinusfunktion zur Beschreibung von [[Schwingung]]en verwendet. Insbesondere lassen sich durch die oben erwähnten [[Fourierreihe]]n beliebige periodische Signale als Summe von Sinus- und Kosinusfunktionen darstellen, siehe [[Fourieranalyse]].


=== Elektrotechnik ===
*'''[[Kosinus (Comic)|Kosinus]]''' ist auch eine Comicfigur einer deutschen Computerzeitschrift.
[[Datei:Leistung-PQS-Zeiger.svg|mini|Leistungszeigerdiagramm und Phasenverschiebungswinkel bei sinusförmigen Spannungen und Strömen in der [[Komplexe Ebene|komplexen Ebene]]]]
* SINUS ist auch das Akronym für die Weiterbildungsinitiative zur Steigerung der Effizienz des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts [URL: http://blk.mat.uni-bayreuth.de/indexblk.html bzw. http://www.sinus-transfer.de/]


In der [[Elektrotechnik]] sind häufig elektrische [[Stromstärke]] <math>I</math> und [[Elektrische Spannung|Spannung]] <math>U</math> sinusförmig. Wenn sie sich um einen [[Phasenverschiebungswinkel]]&nbsp;<math>\varphi</math> unterscheiden, dann unterscheidet sich die aus Stromstärke und Spannung gebildete [[Scheinleistung]] <math>S</math> von der [[Wirkleistung]]&nbsp;<math>P</math>:
==Siehe auch==
:<math>S = U \cdot I</math>
* [[Kreis-_und_Hyperbelfunktionen|Zusammenhang mit den Hyperbelfunktionen]]
:<math>P = U \cdot I \cdot \cos \varphi</math>
* [[Sinussatz]]

* [[Kosinussatz]]
Bei nicht sinusförmigen Größen (z.&nbsp;B. bei einem [[Netzteil]] mit herkömmlichem [[Brückengleichrichter]] am Eingang) entstehen [[Oberschwingungen]], bei denen sich kein einheitlicher Phasenverschiebungswinkel angeben lässt. Dann lässt sich zwar noch ein [[Leistungsfaktor]]
:<math>\lambda = \frac{|P|}S</math>
angeben, dieser Leistungsfaktor <math>\lambda</math> darf aber mit <math>\cos(\varphi)</math> nicht verwechselt werden.

== Siehe auch ==
* [[Kreis- und Hyperbelfunktionen|Trigonometrische Funktion]]
* [[Sinus hyperbolicus und Kosinus hyperbolicus]]
* [[Formelsammlung Trigonometrie]]
* [[Sinuston]]
* [[Sinuston]]


==Links==
== Literatur ==
* I. N. Bronstein, K. A. Semendjajew: ''[[Taschenbuch der Mathematik]].'' 19. Auflage. B. G. Teubner Verlagsgesellschaft, Leipzig, 1979.
* Java Applet "Dreieck und Sinussatz" zur Veranschaulichung [URL: http://www.mathe-online.at/mathint/trig/applet_b_dreieck.html]
* Kurt Endl, Wolfgang Luh: ''Analysis I. Eine integrierte Darstellung.'' 7. Auflage. Aula-Verlag, Wiesbaden 1989.
* [http://jove.prohosting.com/~skripty/page_76.htm Näherungspolynome aus Abramowitz and Stegun]
* [[Harro Heuser]]: ''Lehrbuch der Analysis – Teil 1.'' 6. Auflage. Teubner, 1989.

== Weblinks ==
{{Wikibooks|Mathe für Nicht-Freaks: Sinus und Kosinus}}
{{Wikibooks|Beweisarchiv: Analysis: Differentialrechnung: Differentiation der Sinusfunktion|Differentiation der Sinusfunktion}}
{{Wikiversity|Sinus und Kosinus}}
{{Wiktionary|Kosinus}}
{{Wiktionary|Sinus}}
* {{Internetquelle|autor= |url=https://www.geogebra.org/m/nbfsr7rf |titel=Interaktive Darstellung der trigonometrischen Funktionen am Einheitskreis |werk=[[GeoGebra]] |abruf=2023-05-19 |abruf-verborgen=1}}

== Einzelnachweise ==
<references />


{{Navigationsleiste Trigonometrische Funktionen}}
[[Kategorie:Analytische Funktion]]
[[Kategorie:Trigonometrie]]


[[Kategorie:Trigonometrische Funktion]]
[[da:Sinus (matematisk funktion)]]
[[en:Sine]]
[[et:Siinus]]
[[nl:Sinus en cosinus]]
[[pl:Sinus]]

Aktuelle Version vom 4. Juni 2025, 11:58 Uhr

Graphen der Sinusfunktion (rot) und der Kosinusfunktion (blau). Beide Funktionen haben eine kleinste positive Periode von und nehmen jeweils alle Werte von −1 bis 1 an.

Sinus- und Kosinusfunktion (andere Schreibweise: Cosinusfunktion) sind elementare mathematische Funktionen. Vor Tangens und Kotangens sowie Sekans und Kosekans sind sie die wichtigsten trigonometrischen Funktionen. Sinus und Kosinus werden unter anderem in der Geometrie für Dreiecksberechnungen in der ebenen und sphärischen Trigonometrie benötigt. Auch in der Analysis sind sie wichtig.

Wellen wie Schallwellen, Wasserwellen und elektromagnetische Wellen lassen sich als Zusammensetzung aus Sinus- und Kosinuswellen beschreiben, sodass die Funktionen auch in der Physik als harmonische Schwingungen allgegenwärtig sind.

Herkunft des Namens

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Die lateinische Bezeichnung Sinus „Bogen, Krümmung, Busen“ für diesen mathematischen Begriff wählte Gerhard von Cremona 1175[1] als Übersetzung der arabischen Bezeichnung dschaib oder dschība / جيب / ‚Tasche, Kleiderfalte‘, selbst entlehnt von Sanskrit jiva „Bogensehne“ indischer Mathematiker.

Die Bezeichnung „Cosinus“ ergibt sich aus complementi sinus, also Sinus des Komplementärwinkels. Diese Bezeichnung wurde zuerst in den umfangreichen trigonometrischen Tabellen verwendet, die von Georg von Peuerbach und seinem Schüler Regiomontanus erstellt wurden.[2]

Geometrische Definition

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Definition am rechtwinkligen Dreieck

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Dreieck ABC mit einem rechten Winkel am Eckpunkt C. Die Benennung „Ankathete“ und „Gegenkathete“ bezieht sich auf den Winkel 

Wenn zwei ebene Dreiecke die gleichen Innenwinkel haben, dann sind auch die Längenverhältnisse der Seiten gleich. Auch das Umgekehrte gilt: Wenn die Längenverhältnisse gleich sind, sind die Innenwinkel gleich. Man sagt, diese Dreiecke sind zueinander ähnlich.

Bei rechtwinkligen Dreiecken kommt hinzu, dass die beiden spitzen Winkel zusammen 90° ergeben. Wenn man also den einen spitzen Winkel kennt, ist dadurch der andere spitze Winkel festgelegt und der dritte Winkel als rechter Winkel ohnehin. Somit hängen die Längenverhältnisse im rechtwinkligen Dreieck nur noch vom Maß eines der beiden spitzen Winkel ab.

Diese Längenverhältnisse bekommen spezielle Namen:

Der Sinus eines Winkels ist das Verhältnis der Länge der Gegenkathete (Kathete, die dem Winkel gegenüberliegt) zur Länge der Hypotenuse (Seite gegenüber dem rechten Winkel).

Der Kosinus ist das Verhältnis der Länge der Ankathete (das ist jene Kathete, die einen Schenkel des Winkels bildet) zur Länge der Hypotenuse.

Mit den für Dreiecke üblichen Bezeichnungen der Größen (siehe Abbildung) heißt das in Formelschreibweise:

Da die Hypotenuse die längste Seite eines Dreiecks ist (denn sie liegt dem größten Winkel, also dem rechten Winkel, gegenüber), gelten die Ungleichungen und .

Wird statt von von dem gegenüberliegenden Winkel ausgegangen, so wechseln beide Katheten ihre Rolle, die Ankathete von wird zur Gegenkathete von , die Gegenkathete von bildet nun die Ankathete von , und es gilt:

Da im rechtwinkligen Dreieck gilt, folgt:

und

Auf dieser Beziehung beruht auch die Bezeichnung Kosinus als Sinus des Komplementärwinkels.

Aus dem Satz des Pythagoras lässt sich die Beziehung („trigonometrischer Pythagoras“) ableiten:

Im rechtwinkligen Dreieck sind Sinus und Kosinus nur für Winkel zwischen 0° und 90° definiert. Für beliebige Winkel wird der Wert der Kosinusfunktion als -Koordinate und der Wert der Sinusfunktion als -Koordinate eines Punktes am Einheitskreis (siehe unten) definiert. Hier ist es üblich, den Wert, auf den die Funktion angewendet wird (hier: den Winkel), als Argument zu bezeichnen. Dies betrifft insbesondere die Winkelfunktionen und die komplexe Exponentialfunktion (siehe unten).

Definition am Einheitskreis

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Definition des Sinus und Kosinus am Einheitskreis
Trigonometrische Funktionen am Einheitskreis im ersten Quadranten

Im rechtwinkligen Dreieck ist der Winkel zwischen Hypotenuse und Kathete nur für Werte von 0 bis 90 Grad definiert. Für eine allgemeine Definition wird ein Punkt mit den Koordinaten auf dem Einheitskreis betrachtet, hier gilt . Die positive -Achse schließt mit dem Ortsvektor von einen Winkel ein. Der Koordinatenursprung , der Punkt auf der -Achse und der Punkt bilden ein rechtwinkliges Dreieck. Die Länge der Hypotenuse beträgt . Die Ankathete des Winkels ist die Strecke zwischen und und hat die Länge . Es gilt:

Die Gegenkathete des Winkels ist die Strecke zwischen und und hat die Länge . Somit gilt:

Wegen des Strahlensatzes ist die folgende Definition des Tangens wohldefiniert:

Die -Koordinate eines Punktes im ersten Quadranten des Einheitskreises ist also der Kosinus des Winkels zwischen seinem Ortsvektor und der -Achse, während die -Koordinate der Sinus dieses Winkels ist. Die Fortsetzung über den ersten Quadranten hinaus ergibt eine Definition von Sinus und Kosinus für beliebige Winkel.

Die Umkehrungen der Sinus- und Kosinusfunktion sind nicht eindeutig. Zu jeder Zahl zwischen −1 und 1 () gibt es schon zwischen 0° und 360° () immer genau zwei Winkel. Symmetrien der Winkelfunktionen erkennt man an folgenden Beziehungen:

Punktsymmetrien:

Achsensymmetrien:

Der Sinus ist also eine ungerade Funktion, der Kosinus eine gerade.

Sinus und Kosinus sind periodische Funktionen mit der Periode 360 Grad. (Man kann einen Winkel von beispielsweise 365° nicht von einem Winkel von 5° unterscheiden. Aber der eine beschreibt eine Drehbewegung von reichlich einer Umdrehung, der andere eine sehr kleine Drehbewegung ‒ nur eine zweiundsiebzigstel Umdrehung.) Also gilt auch

sowie

,

wobei eine beliebige ganze Zahl ist. Es gibt also nicht nur die Symmetrien zu (cos) bzw. (sin) und zu (sin) bzw. (cos), sondern unendlich viele Symmetrieachsen und Symmetriezentren für beide Funktionen.

Die Entstehung der Sinus- und Kosinusfunktion aus der Drehbewegung eines Winkelschenkels beginnend bei der -Achse veranschaulicht folgende Animation. Der Winkel wird im Bogenmaß gemessen. Ein Winkel von entspricht einem Bogenmaß von .

Animation zur Konstruktion der Sinus- und Kosinusfunktion
Animation zur Konstruktion der Sinus- und Kosinusfunktion

Analytische Definition

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Graph der Sinusfunktion
Graph der Kosinusfunktion

Sinus und Kosinus können auch auf einer axiomatischen Basis behandelt werden; dieser formalere Zugang spielt auch in der Analysis eine Rolle. Die analytische Definition erlaubt zusätzlich die Erweiterung auf komplexe Argumente. Sinus und Kosinus als komplexwertige Funktion aufgefasst sind holomorph und surjektiv.

Motivation durch Taylorreihen

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zusammen mit den ersten Taylorpolynomen
Diese Animation illustriert die Definition der Sinusfunktion durch eine Reihe. Je größer die Zahl ist, desto mehr Summanden werden in der Reihendefinition verwendet. So ist bei neben der Sinusfunktion zusätzlich das kubische Polynom eingezeichnet.

Sinus und Kosinus sind als Funktionen von nach erklärt. Sie sind beliebig oft differenzierbar. Für die Ableitungen im Nullpunkt gilt:

Die sich daraus ergebenden Taylorreihen stellen die Funktionen und dar, das heißt:

Reihenentwicklung in der Analysis

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In der Analysis geht man umgekehrt von den Reihenentwicklungen aus und leitet daraus alles her, indem die Funktionen sin und cos durch die oben angegebenen Potenzreihen erklärt werden. Mit dem Quotientenkriterium lässt sich zeigen, dass diese Potenzreihen für jede komplexe Zahl absolut und in jeder beschränkten Teilmenge der komplexen Zahlen gleichmäßig konvergieren. Diese unendlichen Reihen verallgemeinern die Definition des Sinus und des Kosinus von reellen auf komplexe Argumente. Auch wird dort üblicherweise nicht geometrisch, sondern beispielsweise über die cos-Reihe und die Beziehung als das Doppelte der kleinsten positiven Nullstelle der Kosinusfunktion definiert. Damit ist eine präzise analytische Definition von gegeben.

Für kleine Werte zeigen diese Reihen ein sehr gutes Konvergenzverhalten. Zur numerischen Berechnung lassen sich daher die Periodizität und Symmetrie der Funktionen ausnutzen und der -Wert bis auf den Bereich bis reduzieren. Danach sind je nach geforderter Genauigkeit nur noch relativ wenige Glieder der Reihe zu berechnen. Das Taylorpolynom der Kosinusfunktion bis zur vierten Potenz z. B. hat im Intervall einen relativen Fehler von unter 0,05 %. Im Artikel Taylor-Formel sind einige dieser Taylorpolynome grafisch dargestellt und man findet eine Näherungsformel mit Genauigkeitsangabe. Zu beachten ist allerdings, dass die Teilsummen der Taylorpolynome nicht die bestmögliche numerische Approximation darstellen; beispielsweise in Abramowitz-Stegun finden sich Näherungspolynome mit noch kleinerem Approximationsfehler.[3]

Beziehung zur Exponentialfunktion

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Der Realteil von ist und der Imaginärteil ist

Die trigonometrischen Funktionen sind eng mit der Exponentialfunktion verbunden, wie folgende Rechnung zeigt:

Dabei wurde verwendet:

Beziehung zwischen Sinus, Kosinus und Exponentialfunktion

Somit ergibt sich die sogenannte Eulerformel:

Für eine reelle Zahl ist also der Realteil und der Imaginärteil der komplexen Zahl .

Durch Ersetzung von durch ergibt sich:

Diese und die vorangegangenen Gleichungen lassen sich nach den trigonometrischen Funktionen auflösen. Es folgt:

Diese Gleichungen gelten nicht nur für reelle Argumente, sondern für beliebige komplexe Zahlen. Somit ergibt sich eine alternative Definition für die Sinus- und Kosinusfunktion. Durch Einsetzen der Exponentialreihe leiten sich die oben vorgestellten Potenzreihen ab.

Ausgehend von dieser Definition lassen sich viele Eigenschaften, wie zum Beispiel die Additionstheoreme des Sinus und Kosinus, nachweisen.

Definition über das Integral

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Der Sinus ist die Umkehrfunktion des Integrals zur Berechnung der Bogenlänge

also und (siehe unten).

Definition über analytische Berechnung der Bogenlänge

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Die Definition des Sinus und Kosinus als Potenzreihe liefert einen sehr bequemen Zugang, da die Differenzierbarkeit durch die Definition als konvergente Potenzreihe automatisch gegeben ist. Die Eulerformel ist ebenfalls eine einfache Konsequenz aus den Reihendefinitionen, da sich die Reihen für und ganz offenbar zur Exponentialfunktion zusammenfügen, wie oben gezeigt wurde. Durch Betrachtung der Funktion , die das Intervall auf die Kreislinie abbildet, ergibt sich die Beziehung zur Geometrie, denn und sind nichts weiter als der Real- bzw. Imaginärteil von , das heißt die Projektionen dieses Punktes auf die Koordinatenachsen.

Neben gibt es auch andere sinnvolle Parametrisierungen des Einheitskreises, etwa

Geht man von dieser Formel aus, erhält man einen alternativen Zugang. Die Länge dieser Kurve wird auch als Bogenlänge bezeichnet und berechnet sich zu

Wie leicht zu zeigen ist, ist ungerade, stetig, streng monoton wachsend und beschränkt. Da die gesamte Bogenlänge dem Kreisumfang entspricht, folgt, dass das Supremum von gleich ist; wird bei dieser Vorgangsweise analytisch als Supremum von definiert.

Die Funktion

ist auch differenzierbar:

Weil sie stetig und streng monoton wachsend ist, ist sie auch invertierbar, und für die Umkehrfunktion

gilt:

Mit Hilfe dieser Umkehrfunktion lassen sich nun Sinus und Kosinus als - und -Komponente von analytisch definieren:

Bei dieser Definition des Sinus und Kosinus über die analytische Berechnung der Bogenlänge werden die geometrischen Begriffe sauber formalisiert. Sie hat allerdings den Nachteil, dass im didaktischen Aufbau der Analysis der Begriff der Bogenlänge erst sehr spät formal eingeführt wird und daher Sinus und Kosinus erst relativ spät verwendet werden können.

Definition als Lösung einer Funktionalgleichung

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Ein anderer analytischer Zugang ist, Sinus und Kosinus als Lösung einer Funktionalgleichung zu definieren, die im Wesentlichen aus den Additionstheoremen besteht: Gesucht ist ein Paar stetiger Funktionen , das für alle die Gleichungen

erfüllt. Die Lösung definiert dann den Sinus, die Lösung den Kosinus. Um Eindeutigkeit zu erreichen, sind einige Zusatzbedingungen zu erfüllen. In Heuser, Lehrbuch der Analysis, Teil 1 wird zusätzlich gefordert, dass

eine ungerade Funktion,
eine gerade Funktion,
und

ist. Bei diesem Zugang wird offensichtlich die Differenzierbarkeit des Sinus an der Stelle 0 vorausgesetzt; wird in weiterer Folge analytisch als das Doppelte der kleinsten positiven Nullstelle des Kosinus definiert. Verwendet man den Zugang von Leopold Vietoris[4] und berechnet die Ableitung des Sinus aus den Additionstheoremen, so ist es zweckmäßiger, auf geeignete Weise analytisch (beispielsweise als Hälfte des Grenzwerts des Umfangs des dem Einheitskreis eingeschriebenen -Ecks) zu definieren und dann die Differenzierbarkeit der Lösung dieser Funktionalgleichung zu beweisen. Als Zusatzbedingung zu den Additionstheoremen fordert man dann beispielsweise:

,
und
für alle .

Unter den gewählten Voraussetzungen ist die Eindeutigkeit der Lösung der Funktionalgleichung relativ einfach zu zeigen; die geometrisch definierten Funktionen Sinus und Kosinus lösen auch die Funktionalgleichung. Die Existenz einer Lösung lässt sich analytisch beispielsweise durch die Taylorreihen von Sinus und Kosinus oder eine andere der oben verwendeten analytischen Darstellungen von Sinus und Kosinus die Funktionalgleichung nachweisen und tatsächlich lösen.

Produktentwicklung

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Die Kreisfunktionen Sinus und Cosinus haben folgende zwei Produktentwicklungen:

Die genannte Produktentwicklung für den Sinus zog der schweizerische Mathematiker Leonhard Euler für den Beweis vom Basler Problem heran.

Der ebenso nach diesem Mathematiker benannte Eulersche Ergänzungssatz für die Fakultätsfunktion 𝚷(n) liefert in Kombination mit der Eulerschen Produktdefinition der Fakultätsfunktion direkt die gezeigte Produktformel für die trigonometrische Sinusfunktion:

Mit dem Buchstaben des kleinen ist hier in der Tat die Kreiszahl gemeint.

Jedoch steht das große in der genannten Formel für die Gaußsche Pifunktion also für die kontinuisierte Form der Fakultätsfunktion.

Regeln über den Wertebereich

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Zusammenhang zwischen Sinus und Kosinus

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(Gradmaß)
(Bogenmaß)
(„trigonometrischer Pythagoras“)

Insbesondere folgt daraus und . Diese Ungleichungen gelten aber nur für reelle Argumente ; für komplexe Argumente können Sinus und Kosinus beliebige Werte annehmen.

Verlauf des Sinus in den vier Quadranten

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In den vier Quadranten ist der Verlauf der Sinusfunktion folgendermaßen:

Quadrant Gradmaß Bogenmaß Bildmenge Monotonie Konvexität Punkttyp
0 0 Nullstelle, Wendepunkt
1. Quadrant positiv: steigend konkav
1 Maximum
2. Quadrant positiv: fallend konkav
0 Nullstelle, Wendepunkt
3. Quadrant negativ: fallend konvex
Minimum
4. Quadrant negativ: steigend konvex

Für Argumente außerhalb dieses Bereiches ergibt sich der Wert des Sinus daraus, dass der Sinus periodisch mit der Periode 360° (bzw. 2π rad) ist, d. h. . Außerdem gilt , , etc.

Verlauf des Kosinus in den vier Quadranten

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Der Kosinus stellt einen um 90° (bzw. π/2 rad) phasenverschobenen Sinus dar und es gilt .

In den vier Quadranten ist der Verlauf der Kosinusfunktion daher folgendermaßen:

Quadrant Gradmaß Bogenmaß Bildmenge Monotonie Konvexität Punkttyp
0 1 Maximum
1. Quadrant positiv: fallend konkav
0 Nullstelle, Wendepunkt
2. Quadrant negativ: fallend konvex
Minimum
3. Quadrant negativ: steigend konvex
Nullstelle, Wendepunkt
4. Quadrant positiv: steigend konkav

Für Argumente außerhalb dieses Bereiches lässt sich der Wert des Kosinus – so wie der des Sinus – periodisch mit der Periode 360° (bzw. 2π rad) bestimmen, d. h. . Außerdem gilt .

Komplexes Argument

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Der Sinus ist auch für komplexe Eingabewerte definiert. Da sowohl Ein- als auch Ausgabe eine Zahl auf einer Ebene und nicht nur einem Strahl sind, schlagen die Versuche eines klassischen Schaubildes fehl, bei dem Ein- und Ausgabe jeweils 1-dimensional war ( und -Achse). Es kann aber mit Farben nachgeholfen werden: Ein beliebiger Punkt auf diesem Bild ist (ortstechnisch!) die Eingabe. Die angenommene Farbe symbolisiert über einen Farbschlüssel den Wert, den die Funktion annimmt. Die 0 ist schwarz, die Nullstellen usw. des Sinus lassen sich ablesen.
Graph der komplexen Kosinusfunktion
Farbfunktion, die für die beiden obigen Bilder verwendet wurde

Für komplexe Argumente kann man Sinus und Kosinus entweder über die Reihenentwicklung oder über die Formeln

definieren.

Für komplexe Argumente gilt

und

,

was aus den Additionstheoremen und den Zusammenhängen sowie hergeleitet werden kann, wobei und die Hyperbelfunktionen Sinus und Cosinus hyperbolicus bezeichnen.

Sinus und Kosinus sind für reelle Argumente auf Werte aus dem Intervall beschränkt; im Definitionsbereich der komplexen Zahlen sind sie dagegen unbeschränkt, was aus dem Satz von Liouville folgt. Sinus und Kosinus können für komplexe Argumente sogar beliebige reelle oder komplexe Werte annehmen.

Zum Beispiel gilt:

Für reelle nimmt diesen Wert aber nie an.

In den Bildern auf der rechten Seite gibt die Farbe den Winkel des Arguments an, die Farbintensität den Betrag, wobei volle Intensität für kleine Werte steht und bei großen Beträgen ein Übergang zu weiß stattfindet. Die genaue Zuordnung ergibt sich aus nebenstehendem Bild, das jeder komplexen Zahl eine Farbe und eine Intensität zuordnet. An den Bildern zu Sinus und Kosinus ist erkennbar, dass auch im Komplexen Periodizität in -Richtung vorliegt (nicht aber in -Richtung) und dass Sinus und Kosinus durch eine Verschiebung um auseinander hervorgehen.

Spezielle Funktionswerte

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Wichtigste Funktionswerte

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Da Sinus und Kosinus periodische Funktionen mit der Periode (entspricht im Gradmaß ) sind, reicht es, die Funktionswerte der beiden trigonometrischen Funktionen für den Bereich (entspricht dem Bereich bis ) zu kennen. Funktionswerte außerhalb dieses Bereichs können also aufgrund der Periodizität durch den Zusammenhang

bestimmt werden. In Gradmaß lautet der Zusammenhang analog:

Hierbei bezeichnet eine ganze Zahl. Die folgende Tabelle listet die wichtigen Funktionswerte der beiden trigonometrischen Funktionen in einer leicht zu merkenden Reihe auf.[5]

Gradmaß Bogenmaß Sinus Kosinus

Weitere wichtige Werte sind:

Gradmaß Bogenmaß Sinus Kosinus

Beweisskizzen der Werte

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In folgender Liste werden die Beweise für die einzelnen Werte skizziert dargestellt:

  • , weil das rechtwinklige Dreieck im Einheitskreis (mit der Hypotenuse 1) dann gleichschenklig ist, und nach Pythagoras gilt .
  • , weil das rechtwinklige Dreieck im Einheitskreis (mit der Hypotenuse 1) gespiegelt an der -Achse dann gleichseitig ist (mit Seitenlänge 1) und somit die Gegenkathete (Sinus) die halbe Seitenlänge beträgt.
  • , weil für das rechtwinklige Dreieck im Einheitskreis (mit der Hypotenuse 1) wegen für den Cosinus nach Pythagoras gilt .
  • , weil im Pentagramm das Inverse des Goldenen Schnitts auftritt, wobei der halbierte Winkel in den Spitzen gleich 18° ist.
  • , weil im regelmäßigen Fünfeck der Goldene Schnitt auftritt, wobei der halbierte Innenwinkel gleich 54° ist.
  • und lassen sich mit Hilfe der Halbwinkelformeln für Sinus und Kosinus herleiten.

Die Fünftel der Werte können unter anderem so ermittelt werden:

Zusammenhang zwischen Sinus und Cosinus:

Verdopplungstheorem des Sinus:

Verdreifachungstheorem des Cosinus:

Durch Kombination der drei nun genannten Formeln entsteht diese Gleichung:

Weitere mit Quadratwurzeln angebbare Funktionswerte

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Der Mathematiker Carl Friedrich Gauß entdeckte die Tatsache, dass die Sinus- und Cosinuswerte der Siebzehntel des Vollwinkels auf rein quadratisch radikale Weise dargestellt werden können. Damit bewies er, dass das reguläre Siebzehneck mit Zirkel und Lineal alleine konstruiert werden kann. Besonders effizient können die Cosinuswerte des Musters mittels Lösen quadratischer Gleichungen ermittelt werden.

Tabellarisch lassen sich so nach Wickner insgesamt folgende Identitäten zusammenfassen:

Summe Produkt Radikalische Identität Tangentielle Identität

Beispielsweise[6] ergeben sich folgende Formeln:

Diese Formeln gehen aus dem Werk Solution to Problem 1562: A Tangent and Cosine Identity des Mathematikers John Wickner hervor und erklären die Konstruktion des Siebzehnecks über die Winkelvierteilungen.

Mit Winkeldreiteilung angebbare Funktionswerte

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Die trigonometrischen Werte der Siebtel und der Dreizehntel können vereinfacht mittels Winkeldreiteilung dargestellt werden. Daraus folgt, dass das reguläre Siebeneck und das reguläre Dreizehneck mit der Kombination der Werkzeuge Zirkel, Lineal und Winkeldreiteiler dargestellt werden können:

Mulitplikationsformeln und begrenzte Reihe

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Die folgenden Multiplikationsformeln gelten für alle und komplexen Argumente :

Für alle Werte gilt auch folgende Summenreihe:

Fixpunkt der Kosinusfunktion

Die Fixpunktgleichung besitzt

als einzige reelle Lösung.

Die Gleichung hat als einzige reelle Lösung

  (Folge A003957 in OEIS).

Die Lösung dieser Fixpunktgleichung wurde bereits 1748 von Leonhard Euler untersucht.[7] Sie ist ein einfaches Beispiel für einen nichttrivialen global attraktiven Fixpunkt. Das heißt, die Fixpunktiteration konvergiert für jeden Startwert gegen die Lösung. Mit dem Satz von Lindemann-Weierstraß kann nachgewiesen werden, dass es sich dabei um eine transzendente Zahl handelt. Diese mathematische Konstante wird im englischen Sprachraum auch als Dottie number bezeichnet und mit dem armenischen Buchstaben ա (Ayb) abgekürzt.[8]

Zur Berechnung von Sinus und Cosinus gibt es mehrere Verfahren. Die Wahl des Berechnungsverfahrens richtet sich nach Kriterien wie Genauigkeit, Geschwindigkeit der Berechnung und Leistungsfähigkeit der verwendeten Hardware wie zum Beispiel Mikrocontroller:

Die Tabellierung aller Werte ist angezeigt bei geschwindigkeitskritischen Echtzeitsystemen, wenn diese nur eine recht kleine Winkelauflösung benötigen. CORDIC ist i. d. R. effizienter umsetzbar als die Taylor-Reihe und zudem besser konditioniert.

Da sich zu einem gegebenen Wert ein passender Winkel im ersten oder vierten Quadranten und zu einem gegebenen Wert ein passender Winkel im ersten oder zweiten Quadranten konstruieren lässt, folgt aus diesen geometrischen Überlegungen, dass die Funktionen

Umkehrfunktionen besitzen. Die Umkehrfunktionen

werden Arkussinus bzw. Arkuskosinus genannt. Der Name rührt daher, dass sich deren Wert nicht nur als Winkel, sondern auch als Länge eines Kreisbogens (Arcus bedeutet Bogen) interpretieren lässt.

In der Analysis ist die Verwendung des Bogenmaßes praktisch, weil andernfalls (beim Gradmaß) oft die Identität zu berücksichtigen wäre. Die Sinusfunktion

und die Kosinusfunktion

sind auf den angegebenen Definitionsbereichen streng monoton, surjektiv und daher invertierbar. Die Umkehrfunktionen sind

Eine andere Interpretation des Wertes als doppelter Flächeninhalt des dazugehörigen Kreissektors am Einheitskreis ist ebenfalls möglich; diese Interpretation ist insbesondere für die Analogie zwischen Kreis- und Hyperbelfunktionen nützlich.

Zusammenhang mit dem Skalarprodukt

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Der Kosinus steht in enger Beziehung mit dem Skalarprodukt zweier zwei- oder dreidimensionaler Vektoren und :

Das Skalarprodukt ist also die Länge der Vektoren multipliziert mit dem Kosinus des eingeschlossenen Winkels. In abstrakten Skalarprodukträumen wird über diese Beziehung der Winkel zwischen Vektoren definiert.

Zusammenhang mit dem Kreuzprodukt

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Der Sinus steht in enger Beziehung mit dem Kreuzprodukt zweier dreidimensionaler Vektoren und :

Additionstheoreme

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Die Additionstheoreme für Sinus und Kosinus lauten:

Aus den Additionstheoremen folgt insbesondere für doppelte Winkel

Orthogonale Zerlegung

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Die harmonische Schwingung

wird durch

in orthogonale Komponenten zur Basis der harmonischen Schwingung

zerlegt. und sind Effektivwerte, und Nullphasenwinkel. Ihre Differenz

heißt Phasenverschiebungswinkel. Die Ableitung der Basisfunktion

läuft um eine Viertelperiode voraus. Die in den Zerlegungskoeffizienten enthaltenen Gleichwerte folgen aus einer modifizierten Fourier-Analyse, bei der nicht die Sinus- und Kosinusfunktion, sondern und als Basis dienen. Durch Einsetzen der harmonischen Ansätze ergibt sich schließlich:

Die Zerlegung gilt auch bei Ansatz von und mit der Kosinusfunktion.

Ableitung, Integration und Krümmung von Sinus und Kosinus

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Für die Ableitung der Sinusfunktion gilt:[9]

Aus und der Kettenregel erhält man die Ableitung des Kosinus:

und daraus schließlich auch alle höheren Ableitungen von Sinus und Kosinus

Dabei ist es wegen (also ) egal, ob der Winkel im Grad- oder im Bogenmaß gemessen wird, denn für gilt nicht nur sondern auch Nur für die Ableitung des Sinus eines Winkels nach seiner Gradzahl käme ein störender Faktor hinzu:

Um dies zu vermeiden, wird üblicherweise in der Analysis der Winkel ausschließlich im Bogenmaß angegeben.

Aus den Ergebnissen über die Ableitung ergibt sich unmittelbar die Stammfunktion von Sinus und Kosinus:

Die Krümmung des Graphen wird mit Hilfe der Formel

berechnet. Für erhält man damit die Krümmungsfunktion

und für entsprechend

.

An den Wendepunkten ist die Krümmung gleich null. Dort hat die Krümmungsfunktion einen Vorzeichenwechsel. An der Stelle des Maximums ist die Krümmung gleich −1 und an der Stelle des Minimums gleich 1. Der Krümmungskreis hat an den Extrempunktem also jeweils den Radius 1.

Allgemeines Dreieck

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Skizze zum Beispiel

Mit der Sinusfunktion können auch im nicht rechtwinkligen Dreieck Größen, speziell die Höhen, berechnet werden; ein Beispiel ist die Berechnung von im Dreieck ABC bei gegebener Länge und Winkel :

Andere wichtige Anwendungen sind der Sinussatz und der Kosinussatz.

Teilung des Winkels in gleich große Teile mithilfe der Sinuskurve

Die Sinuskurve ist eine der bekanntesten Funktionsgraphen. Trotz alledem ist nahezu nichts über ihre Eigenschaft bekannt, einen Winkel in gleich große Teile zu zerlegen. Das nebenstehende Bild zeigt exemplarisch die Teilung des Winkels in sechs gleich große Winkelweiten.[10]

Zuerst wird ein Viertelkreis mit Radius gleich [11] um gezogen und anschließend der Radius über hinaus verlängert. Der Graph der Funktion , sprich die Sinuskurve, wird nun z. B. mittels einer Schablone oder einer sogenannten Dynamischen-Geometrie-Software (DGS) eingetragen. Dabei schneidet die Sinuskurve die Verlängerung des Radius und liefert so die Kreiszahl auf der -Achse.

In den nächsten Schritten werden vier Werte des Bogenmaßes für den 2. Quadranten der Sinuskurve auf der -Achse bestimmt mit jeweils gleichem Abstand zueinander. Es ist in diesem Fall für die Plausibilität von Vorteil, die Bogenmaße mit dem gemeinsamen Nenner zu bezeichnen. Durch Halbieren des Abstandes ergibt sich das Bogenmaß . Mittels einer Senkrechten und einer Parallelen – jeweils zur -Achse – wird auf den Viertelkreis übertragen; dabei trifft den Punkt .

Die darauf folgende Dreiteilung des Abstandes liefert, unter Verwendung des ersten Strahlensatzes, die Bogenmaße , und sowie die Schnittpunkte und . Das Übertragen dieser Punkte auf die Sinuskurve erfolgt mithilfe von Senkrechten zur -Achse; nun bezeichnet mit und . Anschließend werden diese Punkte mittels Parallelen zur -Achse auf den Viertelkreisbogen projiziert, nun bezeichnet mit und . Da die Bogenmaße quasi vom 2. Quadranten der Sinuskurve zum 1. Quadranten des Kreises wechseln, werden sie zu Pendants mit den Bezeichnungen und .

Auf die gleiche Art und Weise werden die Punkte und bestimmt und schließlich auf den Viertelkreisbogen, nun mit den Bezeichnungen und , übertragen. Im dargestellten Beispiel ist der Winkel der sechste Teil des Winkels .

Für die betreffenden Funktionswerte der Sinuskurve gilt: Der Winkel (Grad) entspricht dem Bogenmaß (Teil von bzw. ).

;    ;    ;    ;    ,

daraus folgt:

  • Der Winkel und das Bogenmaß sind zueinander direkt proportional, z. B.:

Dies bedeutet:

  • Der n-te Teil des Abstandes (z. B.: ) und der n-te Teil des Viertelkreisbogens (z. B.: ) sind gleich lang.

Im Hilbertraum der auf dem Intervall bezüglich des Lebesgue-Maßes quadratisch integrierbaren Funktionen bilden die Funktionen

ein vollständiges Orthogonalsystem, das sogenannte trigonometrische System. Daher lassen sich alle Funktionen als Fourierreihe

darstellen, wobei die Funktionenfolge in der L2-Norm gegen konvergiert.

In der Informatik wird zur Erstellung von Audiodateien (zum Beispiel im Audioformat MP3),[12] digitalen Bildern im Grafikformat JPEG,[13] Videodateien (zum Beispiel im Containerformat MP4 oder WebM) die diskrete Kosinustransformation oder die modifizierte diskrete Kosinustransformation verwendet. Zum Abspielen oder Anzeigen solcher Dateien wird die inverse diskrete Kosinustransformation, also die Umkehrfunktion verwendet.[14] Bei der digitalen Verarbeitung von akustischen und optischen Signalen wird unter anderem die Schnelle Fourier-Transformation verwendet.[15]

In der Physik werden Sinus- und Kosinusfunktion zur Beschreibung von Schwingungen verwendet. Insbesondere lassen sich durch die oben erwähnten Fourierreihen beliebige periodische Signale als Summe von Sinus- und Kosinusfunktionen darstellen, siehe Fourieranalyse.

Leistungszeigerdiagramm und Phasenverschiebungswinkel bei sinusförmigen Spannungen und Strömen in der komplexen Ebene

In der Elektrotechnik sind häufig elektrische Stromstärke und Spannung sinusförmig. Wenn sie sich um einen Phasenverschiebungswinkel  unterscheiden, dann unterscheidet sich die aus Stromstärke und Spannung gebildete Scheinleistung von der Wirkleistung :

Bei nicht sinusförmigen Größen (z. B. bei einem Netzteil mit herkömmlichem Brückengleichrichter am Eingang) entstehen Oberschwingungen, bei denen sich kein einheitlicher Phasenverschiebungswinkel angeben lässt. Dann lässt sich zwar noch ein Leistungsfaktor

angeben, dieser Leistungsfaktor darf aber mit nicht verwechselt werden.

  • I. N. Bronstein, K. A. Semendjajew: Taschenbuch der Mathematik. 19. Auflage. B. G. Teubner Verlagsgesellschaft, Leipzig, 1979.
  • Kurt Endl, Wolfgang Luh: Analysis I. Eine integrierte Darstellung. 7. Auflage. Aula-Verlag, Wiesbaden 1989.
  • Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis – Teil 1. 6. Auflage. Teubner, 1989.
Wikibooks: Differentiation der Sinusfunktion – Lern- und Lehrmaterialien
Wikiversity: Sinus und Kosinus – Kursmaterialien
Wiktionary: Kosinus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Sinus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. J. Ruska: Zur Geschichte des „Sinus“. In: Zeitschrift für Mathematik und Physik. Teubner, Leipzig 1895. S. 126 ff. Auch online zugänglich: Digitalisierungszentrum der Universität Göttingen.
  2. Josef Laub (Hrsg.): Lehrbuch der Mathematik für die Oberstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen. 2. Band. 2. Auflage. Hölder-Pichler-Tempsky, Wien 1977, ISBN 3-209-00159-6, S. 207.
  3. Milton Abramowitz, Irene Stegun: Handbook of Mathematical Functions. Dover Publications, New York 1964. ISBN 0-486-61272-4, (4.3.964.3.99). (Memento vom 1. Februar 2009 im Internet Archive).
  4. Leopold Vietoris: Vom Grenzwert . In: Elemente der Mathematik. Band 12, 1957.
  5. Georg Hoever: Höhere Mathematik kompakt. Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg 2014, ISBN 978-3-662-43994-4 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Eric W. Weisstein: Trigonometry Angles--Pi/17. Abgerufen am 4. Februar 2023 (englisch).
  7. Leonhard Euler: Introductio in analysin infinitorum. Band 2. Marc Michel Bousquet, Lausanne 1748, S. 306–308.
  8. Eric W. Weisstein: Dottie number. In: MathWorld (englisch).
  9. Wikibooks: Beweisarchiv: Analysis: Differentialrechnung: Differentiation der Sinusfunktion
  10. Hung Tao Sheng: A Method of Trisection of an Angle and X-Section of an Angle. 4. Xsection of an angle, X = 7. In: Mathematics Magazine. 42, No. 2. Taylor & Francis, März 1969, S. 79, JSTOR:2689193 (englisch).
  11. = Längeneinheit
  12. Joebert S. Jacaba: AUDIO COMPRESSION USING MODIFIEDDISCRETE COSINE TRANSFORM: THE MP3 CODING STANDARD. (Memento vom 13. Juni 2010 im Internet Archive).
  13. International Telecommunication Union: INFORMATION TECHNOLOGY – DIGITAL COMPRESSION AND CODING OF CONTINUOUS-TONE STILL IMAGES – REQUIREMENTS AND GUIDELINES
  14. ITWissen, Klaus Lipinski: Videokompression
  15. Tomas Sauer, Justus-Liebig-Universität Gießen: Digitale Signalverarbeitung (Memento vom 9. Juli 2018 im Internet Archive).