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„Malinche“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel|behandelt die historische Figur. Zum mexikanischen Berg siehe [[Malinche (Berg)]].}}
'''La Malinche''' (* ca. [[1501]] nahe [[Coatzacoalcos]]; † ca. [[1529]] in [[Mexiko-Stadt]]), indianisch '''Malintzin''' oder '''Malinalli''' genannt, und von den [[Spanien|Spaniern]] auf den Namen [[Marina_(Vorname)|Marina]] getauft, spielte als Übersetzerin und Geliebte des spanischen Eroberers [[Hernán Cortés]] eine bedeutende Rolle während dessen Eroberungsfeldzug in [[Mexiko]].

[[Datei:Malinche Tlaxcala.jpg|mini|La Malinche und [[Hernán Cortés]]]]
'''La Malinche''' (* um 1505 nahe [[Coatzacoalcos]]; † um 1529 in [[Tenochtitlan]]), im [[Nahuatl]] '''Malintzin''' oder '''Malinalli''' genannt, von den Spaniern auf den Namen [[Marina (Vorname)|Marina]] getauft und danach '''Doña Marina''' genannt, spielte als [[Dolmetscher]]in und spätere [[Liebesbeziehung|Geliebte]] des [[Konquistador]]s [[Hernán Cortés]] eine bedeutende Rolle während dessen [[Spanische Eroberung Mexikos|Eroberungsfeldzuges]] gegen die [[Azteken]]. Auch Cortés selbst wurde „Malinche“ genannt, etwa von [[Moctezuma II.|Moctezuma]].<ref>[[William Hickling Prescott|William H. Prescott]]: ''Die Eroberung Mexikos''. [[Deutsche Buch-Gemeinschaft|DBG]], Berlin 1956, S. 336 u.&nbsp;a.</ref>


== Name ==
== Name ==
[[Datei:Malinalli.jpg|mini|Codex Magliabechiano: Der Name ''Malinalli'' in der Bilderschrift der Azteken]]
Malinche ist heute unter mehreren Namen bekannt:
Die spanischen Chronisten erwähnen ihren Nahuatl-Namen nicht, in mündlichen Überlieferungen wird sie zumeist ''Malintzin'' bzw. ''Malinalli'' genannt. Das deutet darauf hin, dass sie, wie bei den Azteken üblich, bei der Geburt den Namen des Tages, an dem sie auf die Welt gekommen war, erhielt. ''Malinalli'' ist im 260-tägigen Ritualkalender [[Azteken-Kalender|tonalpohualli]] die zwölfte der zwanzig „Wochen“ (es gab diesen „Heiligen Kalender“ verzahnt mit dem am Umlauf der Sonne orientierten [[Azteken-Kalender|xiuhpohualli]] mit 360 Tagen bei den meisten [[mesoamerika]]nischen Völkern). Diesem auch als Tageszeichen bekannten „Wochennamen“ wurde jeweils noch die Tageszahl (in der Reihenfolge von 1 bis 13) vorangestellt, also etwa: ''Ce Malinalli'' („Eins Gras“).
* ''Marina'' (oder ''Doña Marina'') war ihr christlicher Taufname, den die Spanier stets verwendeten
* ''Malintzin'' ist vermutlich eine [[Nahuatl]]-Form von ''Marina''. Im [[Nahuatl]] gibt es keinen "R"-Laut, anstelle dessen das "L" eingesetzt worden sein kann. Der Suffix "-tzin" steht im [[Nahuatl]] für "Frau" oder "Herrin"
* ''Malinche'' ist die in spanischen Berichten verwendete fehlerhafte Wiedergabe von ''Malintzin''
* ''Malinalli'' ist Malinches Name in der mündlichen indianischen Überlieferung und zugleich der Name des zwölften Tages im [[Azteken-Kalender|aztekischen Kalender]]. Er steht eigentlich für "Gras", soll aber auch die Bedeutung "wie ein wildes Tier" haben. Möglicherweise hat man Malinche erst im Zuge der nachträglichen Legendenbildung diesen Namen gegeben.


Es ist nicht bekannt, ob die einheimische Bevölkerung ihr das Suffix ''-tzin'' zugebilligt hat, bevor oder nachdem sie Cortés geschenkt wurde. Es drückt Hochachtung, Wertschätzung sowie Ehrfurcht aus und taucht häufig im Zusammenhang mit Göttern und Adligen auf, z.&nbsp;B. ''Tonantzin'' („Unsere verehrte Mutter“, Beiname der Erdgöttin [[Coatlicue]]); ''Topiltzin'' („Unser verehrter Fürst“, Titel des Priesterfürsten [[Cē Acatl Tōpīltzin Quetzalcōātl|Quetzalcoatl ]] von Tula); ''Matlalcihuatzin'' (Name der Mutter von [[Nezahualcóyotl (König)|Nezahualcóyotl]], Dichter und Herrscher von Texcoco).
Da in den zeitgenössischen Berichten der Spanier der Name ''Malinalli'' niemals erwähnt wird, ist nicht geklärt, wie ihr wirklicher indianischer Name lautete.


Bei den Spaniern hieß sie nur ''Doña Marina'', und auch Hernán Cortés nannte sie in seinen Briefen an Kaiser [[Karl V. (HRR)|Karl V.]] nie anders. Üblicherweise wurde bei der Taufe von [[Indianer]]n deren ursprünglicher Name nicht berücksichtigt, hier mag aber angesichts ihrer herausgehobenen Stellung der ähnliche Klang eine Rolle gespielt haben.


== Leben ==
== Leben ==
=== Sklavin ===
Während [[Hernán Cortés|Cortés]] Malinche in seinen Briefen und späteren Schriften nur flüchtig erwähnt, stellt der Bericht, den [[Bernal Díaz del Castillo|Bernal Díaz del Castillos]], ein Soldat Cortés', in seiner ''Geschichte der Eroberung von Mexiko'' niederschrieb, die wesentliche Quelle für die Biographie Malinches bis zur Eroberung [[Tenochtitlán|Tenochtitláns]] dar.
Malinche wurde im Jahr 1505 in der Nähe von [[Coatzacoalcos]] (an der Golfküste des [[Isthmus von Tehuantepec]]) geboren, wo ihre Eltern, die dem [[Nahua]]-Adel zugerechnet werden, als [[Kazike]]n über Painala und weitere Ortschaften geherrscht haben sollen.


Schon im Kindesalter verlief Malinches Leben tragisch. Nachdem ihr Vater gestorben war, heiratete ihre Mutter erneut und bekam einen Sohn. Wahrscheinlich wollte Malinches Mutter ihrem Sohn anstelle der erstgeborenen Malinche das Anrecht auf das Erbe der Familie sichern, deshalb wurde das Mädchen von ihrer Mutter an [[Maya]]-Sklavenhändler aus dem weiter östlich gelegenen Xicalango verkauft. Die Mutter verbreitete das Gerücht, dass ihre Tochter gestorben sei. Später muss Malinche weiter nach [[Tabasco (Mexiko)|Tabasco]] verkauft oder verschleppt worden sein. Von Malinches Zeit in Tabasco ist nichts bekannt.
Malinche dürfte um das Jahr 1501 herum in der Nähe von [[Coatzocoalcos]] (an der Golfküste des [[Isthmus von Tehuantepec]]) geboren worden sein, wo ihre Eltern, die dem indianischen Adel zugerechnet werden, als [[Kazike|Kaziken]] geherrscht haben sollen. Von ihrer Mutter, der sie während der spanischen Herrschaft wieder begegnete, ist der christliche Name ''Marta'' bekannt. Bernal Díaz berichtet außerdem, dass sie einen Bruder besaß, der später als ''Lázaro'' christlich getauft wurde.


Nachdem die von Cortés befehligte Expedition 1519 in Tabasco an Land gegangen war, wurden die Spanier von den Maya angegriffen, die den Konquistadoren nach einem heftigen Kampf unterlagen. Die Besiegten schenkten Cortés daraufhin am 15. März 1519 als Zeichen der Ehrerbietung neben einigen Kostbarkeiten zwanzig [[Sklave|Sklavinnen]]. Unter diesen befand sich Malinche.<ref>Hanns J. Prem: ''Die Azteken: Geschichte – Kultur – Religion.'' Verlag C. H. Beck, München 1996, S. 107.</ref>
Schon im Kindesalter beginnt Malinches Leben tragisch zu verlaufen, als sie, wie [[Bernal Díaz del Castillo|Bernal Díaz]] berichtet, von ihrer Mutter an [[Maya]]-Sklavenhändler aus dem weiter östlich gelegenen [[Xicalango]] verkauft wird. Angeblich wollte Malinches Mutter dadurch ihrem Sohn anstelle der erstgeborenen Malinche das Anrecht auf das Erbe der Familie sichern. Später muss Malinche weiter nach [[Potonchan]] ([[Tabasco]]) verkauft oder verschleppt worden sein. Von Malinches Zeit in [[Potonchan]] ist nichts bekannt.


Nachdem man den Sklavinnen die Grundsätze der christlichen Religion erklärt hatte, wurden sie getauft und erhielten spanische Namen. Malinche wurde von nun an ''Doña Marina'' genannt. Die Stadt Tabasco erhielt im Rahmen dieser Feierlichkeiten den neuen Namen ''Santa Maria de la Victoria''.<ref name="Castillo96">Bernal Díaz del Castillo: ''Geschichte der Eroberung von Mexiko.'' Herausgegeben von Georg Adolf Narziß. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32767-3, S. 96.</ref> Nach der [[Taufe]] wurden die Sklavinnen an die spanischen Offiziere verteilt. Cortés gab Malinche an Alonso Hernández Portocarrero.
Nachdem die von [[Hernán Cortés|Cortés]] befehligte Expedition 1519 in [[Potonchan]] an Land ging, wurde sie von den [[Maya]] angegriffen, die den Konquistadoren nach einem heftigen Kampf unterlagen. Die besiegten [[Indianer]] schenkten [[Hernán Cortés|Cortés]] daraufhin am 15. März 1519 als Zeichen der Ehrerbietung neben einigen Kostbarkeiten zwanzig Sklavinnen. Unter diesen befand sich Malinche, möglicherweise in Begleitung eines Kindes.


=== Dolmetscherin von Hernán Cortés ===
In der Nähe des heutigen [[Veracruz_Llave|Veracruz]] traf die spanische Expedition auf [[Geronimo de Aguilar]], einen Spanier, der acht Jahre in Maya-Gefangenschaft gelebt hatte. Er diente [[Hernán Cortés|Cortés]] zunächst als dessen einziger Dolmetscher. Bald schon allerdings schienen dessen Dienste wertlos zu werden, als die Konquistadoren das Herrschaftsgebiet der Azteken betraten, wo man im Gegensatz zu den Maya [[Nahuatl]] sprach. In dieser Zeit erfuhr Cortés, dass Malinche sowohl [[Nahuatl]] beherrschte - vermutlich ihre Muttersprache - als auch die Sprache der [[Maya]], deren Sklavin sie lange gewesen ist. Für Cortés muss dies ein Glücksfall gewesen sein, der allein die weitere Kommunikation mit den Azteken und ihren Vasallen sicherstellte. Wenn Cortés' Expedition in der Folgezeit auf Azteken oder andere [[Nahuatl]] sprechende Völker traf, übersetzten Malinche und Aguilar das [[Nahuatl]] aztektischer oder [[Tlaxcala|tlaxkaltekischer]] Gesandter zunächst in die [[Maya]]-Sprache und schließlich ins Spanische. Bald lernte Malinche selbst Spanisch, und die Dienste Aguilars in dieser komplizierten Kommunikationskette wurden überflüssig.
Auf der Insel [[Cozumel]] war die spanische Expedition zuvor auf [[Gerónimo de Aguilar]] getroffen, einen Spanier, der acht Jahre als Sklave in Maya-Gefangenschaft gelebt hatte.<ref>Hernán Cortés: ''Die Eroberung Mexicos. Drei Berichte an Kaiser Karl V.'' S. 38.</ref><ref>Bernal Díaz del Castillo: [https://www.cervantesvirtual.com/obra-visor/historia-verdadera-de-la-conquista-de-la-nueva-espana-tomo-i--0/html/481f665e-69c1-4064-9d6a-6333c5711ecc_124.htm ''Historia verdadera de la conquista de la Nueva España.''], S. 122 (spanisch).</ref> Er diente Cortés zunächst als dessen einziger Dolmetscher. Als die Konquistadoren das Herrschaftsgebiet der Azteken betraten, wo man im Gegensatz zu den Maya Nahuatl sprach, wurden seine Dienste wertlos. In dieser Zeit erfuhr Cortés, dass Malinche sowohl Nahuatl beherrschte – vermutlich ihre Muttersprache – als auch die Sprache der Maya, deren Sklavin sie lange gewesen war. Mit Malinches Hilfe ließ sich die Kommunikation mit den Azteken und ihren Vasallen sicherstellen. Wichtig war auch, dass Malinche die Denkweise der Völker in Mesoamerika sowie ihre jeweiligen Beziehungen zueinander kannte. Sie übersetzte die Worte von Cortés und ergänzte sie oft mit eigenen, hinzugefügten Erklärungen.<ref>Bernal Díaz del Castillo: ''Geschichte der Eroberung von Mexiko.'' Herausgegeben von Georg Adolf Narziß. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32767-3, S. 135.</ref> Wenn Cortés mit seiner Expedition in der Folgezeit auf Azteken oder andere Nahuatl sprechende Völker traf, übersetzte Malinche das Nahuatl aztekischer oder [[Tlaxcalteken|tlaxcaltekischer]] Gesandter zunächst in die Maya-Sprache und Aguilar übersetzte dies schließlich ins Spanische. Bald lernte Malinche selbst Spanisch, und die Dienste Aguilars in dieser komplizierten Kommunikationskette wurden überflüssig.


Als Dolmetscherin war Malinche immer in der Nähe von Hernán Cortés. Vermutlich war sie ab dem Sommer 1519 auch seine Geliebte. Der Konquistador wurde von den Indigenen schon bald ''Capitán Malinche'' genannt&nbsp;– ''Capitán'', weil sie ihn als ihren Gebieter wahrnahmen.
Auch bei der historischen Begegnung zwischen [[Hernán Cortés|Cortés]] und [[Moctezuma_II.]] war es die Sklavin Malinche, die dem aztekischen Herrscher gegenüber die Stimme erhob und die Worte der Konquistadoren verkündete - dies muss in der aztekischen Gesellschaft, in der Frauen bei öffentlichen Anlässen zu schweigen hatten, als ungeheuerlicher Tabubruch erschienen sein.


[[Datei:Cortez & La Malinche.jpg|mini|Cortés und Malinche (rechts) bei ihrer Begegnung mit Moctezuma II.]]
Nicht zuletzt durch Malinches Übersetzungsdienste gelang Cortés an entscheidende Informationen und konnte durch diplomatisches Geschick die [[Kazike|Kaziken]] von Völkern, die ursprünglich den Azteken tributpflichtig waren, als seine Verbündete gewinnen. Schließlich entstand eine mehrheitlich aus indianischen Soldaten zusammengesetzte Streitmacht, die die [[Azteken|aztekische]] Hauptstadt [[Tenochtitlán]], das heutige [[Mexiko-Stadt]] eroberte, welche im [[1521|August 1521]] kapitulierte.


Besonders zu Beginn des Feldzuges war Malinche bei jeder Schlacht unmittelbar dabei und teilte die Todesgefahr mit den Spaniern. Als Cortés von den Tlaxcalteken angegriffen wurde, richtete sie die Männer in der Schlacht wieder auf, wenn sie den Mut verloren.<ref>Bernal Díaz del Castillo: ''Geschichte der Eroberung von Mexiko.'' Herausgegeben von Georg Adolf Narziß. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32767-3, S. 168.</ref> Als [[Xicotencatl der Jüngere|Xicotencatl]] Spione in das Lager der Spanier schickte, war es Malinche, die diese Männer in der Befragung enttarnte. Darauf ließ Hernán Cortés den tlaxcaltekischen Spionen die Hände abhacken und schickte sie in diesem Zustand zurück.
Malinche war vermutlich seit dem Sommer 1519 Cortés' Geliebte. Im Jahre 1522 gebar sie ihm einen Sohn, Martín, der jedoch von seiner Mutter getrennt aufwachsen sollte.


Auch bei der historischen Begegnung zwischen Cortés und [[Moctezuma II.]] war es die Sklavin Malinche, die dem aztekischen Herrscher gegenüber die Stimme erhob und die Worte der Konquistadoren verkündete.
Am 20. Oktober 1524 heiratete Malinche [[Juan Xaramillo de Salvatierra]], einen Offizier aus dem Umfeld von [[Hernán Cortés|Cortés]], mit dem sie bis zu ihrem Tod (vermutlich im Jahre [[1529]]) in Mexiko-Stadt lebte. Mit Xaramillo hatte sie ein weiteres Kind, ihre Tochter ''María''. Aus dieser Zeit sind weniger Quellen bekannt als aus der Zeit des Feldzugs Cortés' gegen [[Montezuma]]; ihr Todesjahr ist nicht eindeutig belegt. Die Todesumstände sind unbekannt.


Die Relevanz von Malinche für Cortés wird deutlich in der [[Noche Triste]]. Bei der verlustreichen Flucht aus [[Tenochtitlán]] ließ er sie zusammen mit anderen Frauen von dreihundert Tlaxcalteken und dreißig Spaniern schützen.<ref>Bernal Díaz del Castillo: ''Geschichte der Eroberung von Mexiko.'' Herausgegeben von Georg Adolf Narziß. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32767-3, S. 357.</ref> Malinche erreichte in der Vorhut als eine der ersten das rettende Ufer. Viele andere Frauen und zwei Drittel der spanischen Streitmacht verloren in dieser Nacht ihr Leben.


Durch Malinches Dolmetscherdienste gelangte Cortés an entscheidende Informationen und konnte durch diplomatisches Geschick die Kaziken von Völkern, die ursprünglich den Azteken tributpflichtig waren, als seine Verbündeten gewinnen. Schließlich entstand eine mehrheitlich aus indigenen Soldaten zusammengesetzte Streitmacht, die die aztekische Hauptstadt Tenochtitlán, das heutige [[Mexiko-Stadt]], im August 1521 erobern konnte.
== Malinche und das heutige Mexiko ==
Im heutigen [[Mexiko]] genießt die [[Indianer|Indianerin]] Malinche eine sehr geteilte Wertschätzung, manche sehen in ihr sogar eine der umstrittensten Frauen der Weltgeschichte. Während die nach der Eroberung verfassten aztekischen und tlaxkaltekischen Chroniken noch ein positives von Malinche zeichneten, steht seit dem Aufkommen des mexikanischen [[Nationalismus]] im 19. Jahrhundert der Begriff ''malinchismo'' für den Verrat am eigenen Volk. Andere Mexikaner sehen in ihr, der Mutter der ersten historisch belegten [[Mestize|Mestizen]], eine Art Mutter der Nation (die Mestizen stellen heute die Mehrheit der mexikanischen Bevölkerung). Beide Haltungen sind sicher als moderne Sichtweisen zu bewerten, die eine mexikanische Nation voraussetzen oder auch deren Besonderheit durch die Abgrenzung vom Land der Konquistadoren betonen wollen; eine Nation also, wie sie zumindest zur Zeit Malinches nicht existierte.


Warum Malinche den spanischen Eroberern half, ist nicht geklärt. Als mögliche Motive werden ihre Dankbarkeit für die Befreiung aus der Sklaverei, ihre [[Abscheu]] gegen die Azteken, Malinches christlicher Glaube oder ihre Liebe zu Cortés genannt.<ref>Carmen Wurm: ''Doña Marina, la Malinche. Eine historische Figur und ihre literarische Rezeption''. Vervuert, Frankfurt am Main 1996, ISBN 978-3-96456-698-0, S. 29 (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online).</ref> Die Erzählung vom [[Quetzalcoatl]]-Mythos, wonach die Indigenen Cortés für einen Gott bzw. Fürsten hielten, dessen Wiederkunft über das Meer prophezeit worden sein soll, gilt mittlerweile als ein von den Spaniern erfundener [[Geschichtsmythos]] und dürfte daher keine Rolle gespielt haben.
Malinches schillernder Lebenslauf ließ sie in Folklore und Legenden Mexikos eingehen. So führen viele Orte Mexikos jährliche ''Malinche-Tänze'' auf; auch der Charakter der ''la llorana'' (der Weinenden), deren Geist ruhelos in den Straßen von Mexiko-Stadt umherirrt und um ihre Kinder weint, wird häufig mit Malinche verbunden.


Nach dem Fall von Tenochtitlán stand Maliche Cortés noch eine Weile beratend zur Seite und begleitete ihn auch auf seinem [[Honduras-Feldzug]]. Als Cortés’ Truppen während diesem den Geburtsort von Malinche erreichten, traf sie im Jahre 1523 ihren Bruder und ihre Mutter wieder, die sie in die Sklaverei verkauft hatte. Die beiden waren zum christlichen Glauben übergetreten und nannten sich jetzt Lázaro und Marta. Malinche war zu dieser Zeit die mächtigste Frau in [[Neuspanien]]. Unter großer Angst trafen der Bruder und die Mutter sie in Painala, Malinches Geburtsort in der Nähe von Coatzacoalcos. Bei diesem Treffen fürchteten sie um ihr Leben, doch Malinche verzieh ihnen.<ref name="Castillo96" />
Malinches Namen trägt auch ein Vulkan in [[Tlaxcala_(Bundesstaat)|Tlaxcala]], der fünfhöchste Berg Mexikos, der zuvor nach einer tlaxkaltekischen Regengöttin benannt war.


=== Mutter und Ehefrau ===
La Malinches Haus, in dem [[Hernán Cortés|Cortés]] und seine [[Indianer|indianische]] Geliebte einst wohnten, steht heute noch in Nachbarschaft von [[Coyoacán]].
Ungefähr im Jahr 1523 gebar Malinche Hernán Cortés’ ersten Sohn [[Martín Cortés (El Mestizo)|Martín]], der jedoch von seiner Mutter getrennt aufwachsen sollte.

Am 20. Oktober 1524 heiratete Malinche [[Juan Xaramillo de Salvatierra]], einen Offizier aus Cortés’ Umfeld, während des Honduras-Feldzugs. Nach ihrer Rückkehr lebte sie mit ihrem Mann bis zu ihrem Tod in Tenochtitlán. Mit Xaramillo de Salvatierra hatte sie ein weiteres Kind, ihre Tochter María. Aus dieser Zeit sind weniger Quellen bekannt als aus der Zeit des Feldzugs Cortés’ gegen Moctezuma. Ihr Todesjahr (vermutlich 1529) ist nicht eindeutig belegt, die Todesumstände sind unbekannt.

== Rezeption ==
[[Datei:Casa de la Malinche.JPG|mini|La Malinches Haus im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt]]
[[Datei:Casa de Malinche - Coyoacán - Mexico 2024.jpg|mini|La Malinches Haus in Coyoacán]]
Cortés erwähnte Malinche in seinen Briefen und späteren Schriften nur flüchtig. Die wesentliche Quelle für die Biographie Malinches bis zur Eroberung Tenochtitláns ist der Bericht, den [[Bernal Díaz del Castillo]], ein Soldat Cortés’, in seiner ''[[Wahrhafte Geschichte der Eroberung von Neuspanien|Geschichte der Eroberung Mexikos]]'' niederschrieb. Ihre Bedeutung für die Spanier beschrieb er mit den Worten: „Diese Frau war ein entscheidendes Werkzeug bei unseren Entdeckungsfahrten. Vieles haben wir nur mit Gottes Beistand und ihrer Hilfe vollbringen können. Ohne sie hätten wir die mexikanische Sprache nicht verstanden, zahlreiche Unternehmungen hätten wir ohne sie einfach nicht durchführen können.“<ref>Bernal Díaz del Castillo: ''Geschichte der Eroberung von Mexiko.'' Herausgegeben von Georg Adolf Narziß. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32767-3, S. 98.</ref>

Die von La Malinche bewohnten Häuser in der ''calle Higuera'' Nr. 57<ref>[https://programadestinosmexico.com/casa-colorada-coyoacan-cdmx/ ''Casa Colorada''] (spanisch; abgerufen am 4. Januar 2025)</ref> des [[Barrio La Concepción]] von Coyoacán, und in der ''calle República de Cuba'' Nr. 95 im historischen Zentrum der mexikanischen Hauptstadt, sind noch immer erhalten und gelten als Kulturgüter.<ref>[https://www.infobae.com/america/mexico/2022/04/20/como-luce-actualmente-la-casa-donde-vivio-la-malinche-en-ciudad-de-mexico/ Cómo luce actualmente la casa donde vivió La Malinche en Ciudad de México] (spanisch; abgerufen am 4. Januar 2025)</ref>

Im heutigen Mexiko genießt Malinche eine sehr geteilte Wertschätzung, manche sehen in ihr sogar eine der umstrittensten Frauen der Weltgeschichte. Während die nach der Eroberung verfassten aztekischen und tlaxkaltekischen Chroniken noch ein positives Bild von Malinche zeichneten, steht seit dem Aufkommen des mexikanischen [[Nationalismus]] im 19. Jahrhundert der Begriff ''malinchismo'' für den Verrat am eigenen Volk. Andere Mexikaner sehen in ihr, die fälschlicherweise als Mutter des ersten [[Mestize]]n bezeichnet wird, eine Art Mutter der Nation (die Mestizen stellen heute die Mehrheit der mexikanischen Bevölkerung dar). Beide Haltungen sind sicher als moderne Sichtweisen zu bewerten, die eine mexikanische Nation voraussetzen oder auch deren Besonderheit durch die Abgrenzung vom Land der Konquistadoren betonen wollen; eine Nation also, wie sie zumindest zur Zeit Malinches nicht existierte.

Malinches schillernder Lebenslauf ließ sie in Folklore und Legenden Mexikos eingehen. So führen viele Orte Mexikos jährliche ''Malinche-Tänze'' auf; auch die Figur der ''[[Llorona|la llorona]]'' (der Weinenden), deren Geist ruhelos in den Straßen von Mexiko-Stadt umherirrt und um ihre Kinder weint, wird häufig mit Malinche verbunden.

Malinches Namen trägt auch der Vulkan [[Malinche (Berg)|Malinche]] an der Grenze der Bundesstaaten [[Tlaxcala (Bundesstaat)|Tlaxcala]] und [[Puebla (Bundesstaat)|Puebla]], einer der höchsten Berge Mexikos.


== Literatur ==
== Literatur ==
* Lanyon, Anna: ''Malinche - Die andere Geschichte der Eroberung Mexikos''. Zürich: Ammann Verlag & Co, 2001 ISBN 3-442-72909-2
* Anna Lanyon: ''Malinche Die andere Geschichte der Eroberung Mexikos''. Ammann, Zürich 2001, ISBN 3-442-72909-2.
* Barbara Dröscher, Carlos Rincón (Hrsg.): ''La Malinche. Übersetzung, Interkulturalität und Geschlecht.'' 2. Auflage. edition tranvía, Berlin 2010 (1. Aufl.: 2001), ISBN 978-3-938944-43-1.
* Díaz del Castillo, Bernal: ''Geschichte der Eroberung von Mexiko'' / hrsg. u. bearb. von Georg A. Narziß. - Frankfurt a.M. : Insel-Verl., 1988. - ISBN 3-458-32767-3
* James D. Henderson, Linda R. Henderson, Suzanne M. Litrel: ''Malinche, 1504?–1528?''. In: dies.: ''Ten notable women of colonial Latin America.'' Rowman & Littlefield, Lanham u.&nbsp;a. 2023, ISBN 978-1-5381-5299-7, S. 41–60.
* Carmen Wurm: ''Doña Marina, la Malinche. Eine historische Figur und ihre literarische Rezeption.'' Vervuert, Frankfurt am Main 1996, ISBN 978-3-96456-698-0, (abgerufen über [[Verlag Walter de Gruyter|De Gruyter]] Online)


== Weblinks ==
[[Kategorie:Frau]]
{{Commons|La Malinche|audio=0|video=0}}
* [http://www.motecuhzoma.de/start-deu.html motecuhzoma.de]
* [https://www.ristani.eu/malinche-ambivalenteste-dolmetscherin-der-geschichte/ Malinche, ambivalenteste Dolmetscherin der Geschichte]
* [[Spektrum.de|Spektrum]].de: ''[https://www.spektrum.de/news/eine-heimatlose-die-ihre-heimat-verriet/1678734 Eine Heimatlose, die ihre Heimat verriet?]'' 26. Oktober 2019
* Sylvia Schopf: [https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/urmutter-der-mexikaner-malinche-1/1834946 ''Urmutter der Mexikaner - Malinche''] [[Bayern 2]] [[Radiowissen]]. Ausstrahlung am 13. September 2021 (Podcast)
* Jasmin Lörchner: [https://podcasts.apple.com/de/podcast/malinche-die-%C3%BCbersetzerin-der-spanischen-konquistadoren/id1518305087?i=1000586035016 Malinche: Die Übersetzerin der spanischen Konquistadoren], vom 14. November 2022, Podcast HerStory, Frauen und Queers in die Geschichtsbücher, Episode 61

== Einzelnachweise ==
<references />

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[[Kategorie:Person (mexikanische Geschichte)]]
[[Kategorie:Spanische Eroberung Mexikos]]
[[Kategorie:Indianer]]
[[Kategorie:Indianer]]
[[Kategorie:Mexikanische_Geschichte]]
[[Kategorie:Dolmetschen]]
[[Kategorie:Geboren im 16. Jahrhundert]]
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{{Personendaten
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Aktuelle Version vom 22. April 2025, 14:03 Uhr

La Malinche und Hernán Cortés

La Malinche (* um 1505 nahe Coatzacoalcos; † um 1529 in Tenochtitlan), im Nahuatl Malintzin oder Malinalli genannt, von den Spaniern auf den Namen Marina getauft und danach Doña Marina genannt, spielte als Dolmetscherin und spätere Geliebte des Konquistadors Hernán Cortés eine bedeutende Rolle während dessen Eroberungsfeldzuges gegen die Azteken. Auch Cortés selbst wurde „Malinche“ genannt, etwa von Moctezuma.[1]

Codex Magliabechiano: Der Name Malinalli in der Bilderschrift der Azteken

Die spanischen Chronisten erwähnen ihren Nahuatl-Namen nicht, in mündlichen Überlieferungen wird sie zumeist Malintzin bzw. Malinalli genannt. Das deutet darauf hin, dass sie, wie bei den Azteken üblich, bei der Geburt den Namen des Tages, an dem sie auf die Welt gekommen war, erhielt. Malinalli ist im 260-tägigen Ritualkalender tonalpohualli die zwölfte der zwanzig „Wochen“ (es gab diesen „Heiligen Kalender“ verzahnt mit dem am Umlauf der Sonne orientierten xiuhpohualli mit 360 Tagen bei den meisten mesoamerikanischen Völkern). Diesem auch als Tageszeichen bekannten „Wochennamen“ wurde jeweils noch die Tageszahl (in der Reihenfolge von 1 bis 13) vorangestellt, also etwa: Ce Malinalli („Eins Gras“).

Es ist nicht bekannt, ob die einheimische Bevölkerung ihr das Suffix -tzin zugebilligt hat, bevor oder nachdem sie Cortés geschenkt wurde. Es drückt Hochachtung, Wertschätzung sowie Ehrfurcht aus und taucht häufig im Zusammenhang mit Göttern und Adligen auf, z. B. Tonantzin („Unsere verehrte Mutter“, Beiname der Erdgöttin Coatlicue); Topiltzin („Unser verehrter Fürst“, Titel des Priesterfürsten Quetzalcoatl von Tula); Matlalcihuatzin (Name der Mutter von Nezahualcóyotl, Dichter und Herrscher von Texcoco).

Bei den Spaniern hieß sie nur Doña Marina, und auch Hernán Cortés nannte sie in seinen Briefen an Kaiser Karl V. nie anders. Üblicherweise wurde bei der Taufe von Indianern deren ursprünglicher Name nicht berücksichtigt, hier mag aber angesichts ihrer herausgehobenen Stellung der ähnliche Klang eine Rolle gespielt haben.

Malinche wurde im Jahr 1505 in der Nähe von Coatzacoalcos (an der Golfküste des Isthmus von Tehuantepec) geboren, wo ihre Eltern, die dem Nahua-Adel zugerechnet werden, als Kaziken über Painala und weitere Ortschaften geherrscht haben sollen.

Schon im Kindesalter verlief Malinches Leben tragisch. Nachdem ihr Vater gestorben war, heiratete ihre Mutter erneut und bekam einen Sohn. Wahrscheinlich wollte Malinches Mutter ihrem Sohn anstelle der erstgeborenen Malinche das Anrecht auf das Erbe der Familie sichern, deshalb wurde das Mädchen von ihrer Mutter an Maya-Sklavenhändler aus dem weiter östlich gelegenen Xicalango verkauft. Die Mutter verbreitete das Gerücht, dass ihre Tochter gestorben sei. Später muss Malinche weiter nach Tabasco verkauft oder verschleppt worden sein. Von Malinches Zeit in Tabasco ist nichts bekannt.

Nachdem die von Cortés befehligte Expedition 1519 in Tabasco an Land gegangen war, wurden die Spanier von den Maya angegriffen, die den Konquistadoren nach einem heftigen Kampf unterlagen. Die Besiegten schenkten Cortés daraufhin am 15. März 1519 als Zeichen der Ehrerbietung neben einigen Kostbarkeiten zwanzig Sklavinnen. Unter diesen befand sich Malinche.[2]

Nachdem man den Sklavinnen die Grundsätze der christlichen Religion erklärt hatte, wurden sie getauft und erhielten spanische Namen. Malinche wurde von nun an Doña Marina genannt. Die Stadt Tabasco erhielt im Rahmen dieser Feierlichkeiten den neuen Namen Santa Maria de la Victoria.[3] Nach der Taufe wurden die Sklavinnen an die spanischen Offiziere verteilt. Cortés gab Malinche an Alonso Hernández Portocarrero.

Dolmetscherin von Hernán Cortés

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Auf der Insel Cozumel war die spanische Expedition zuvor auf Gerónimo de Aguilar getroffen, einen Spanier, der acht Jahre als Sklave in Maya-Gefangenschaft gelebt hatte.[4][5] Er diente Cortés zunächst als dessen einziger Dolmetscher. Als die Konquistadoren das Herrschaftsgebiet der Azteken betraten, wo man im Gegensatz zu den Maya Nahuatl sprach, wurden seine Dienste wertlos. In dieser Zeit erfuhr Cortés, dass Malinche sowohl Nahuatl beherrschte – vermutlich ihre Muttersprache – als auch die Sprache der Maya, deren Sklavin sie lange gewesen war. Mit Malinches Hilfe ließ sich die Kommunikation mit den Azteken und ihren Vasallen sicherstellen. Wichtig war auch, dass Malinche die Denkweise der Völker in Mesoamerika sowie ihre jeweiligen Beziehungen zueinander kannte. Sie übersetzte die Worte von Cortés und ergänzte sie oft mit eigenen, hinzugefügten Erklärungen.[6] Wenn Cortés mit seiner Expedition in der Folgezeit auf Azteken oder andere Nahuatl sprechende Völker traf, übersetzte Malinche das Nahuatl aztekischer oder tlaxcaltekischer Gesandter zunächst in die Maya-Sprache und Aguilar übersetzte dies schließlich ins Spanische. Bald lernte Malinche selbst Spanisch, und die Dienste Aguilars in dieser komplizierten Kommunikationskette wurden überflüssig.

Als Dolmetscherin war Malinche immer in der Nähe von Hernán Cortés. Vermutlich war sie ab dem Sommer 1519 auch seine Geliebte. Der Konquistador wurde von den Indigenen schon bald Capitán Malinche genannt – Capitán, weil sie ihn als ihren Gebieter wahrnahmen.

Cortés und Malinche (rechts) bei ihrer Begegnung mit Moctezuma II.

Besonders zu Beginn des Feldzuges war Malinche bei jeder Schlacht unmittelbar dabei und teilte die Todesgefahr mit den Spaniern. Als Cortés von den Tlaxcalteken angegriffen wurde, richtete sie die Männer in der Schlacht wieder auf, wenn sie den Mut verloren.[7] Als Xicotencatl Spione in das Lager der Spanier schickte, war es Malinche, die diese Männer in der Befragung enttarnte. Darauf ließ Hernán Cortés den tlaxcaltekischen Spionen die Hände abhacken und schickte sie in diesem Zustand zurück.

Auch bei der historischen Begegnung zwischen Cortés und Moctezuma II. war es die Sklavin Malinche, die dem aztekischen Herrscher gegenüber die Stimme erhob und die Worte der Konquistadoren verkündete.

Die Relevanz von Malinche für Cortés wird deutlich in der Noche Triste. Bei der verlustreichen Flucht aus Tenochtitlán ließ er sie zusammen mit anderen Frauen von dreihundert Tlaxcalteken und dreißig Spaniern schützen.[8] Malinche erreichte in der Vorhut als eine der ersten das rettende Ufer. Viele andere Frauen und zwei Drittel der spanischen Streitmacht verloren in dieser Nacht ihr Leben.

Durch Malinches Dolmetscherdienste gelangte Cortés an entscheidende Informationen und konnte durch diplomatisches Geschick die Kaziken von Völkern, die ursprünglich den Azteken tributpflichtig waren, als seine Verbündeten gewinnen. Schließlich entstand eine mehrheitlich aus indigenen Soldaten zusammengesetzte Streitmacht, die die aztekische Hauptstadt Tenochtitlán, das heutige Mexiko-Stadt, im August 1521 erobern konnte.

Warum Malinche den spanischen Eroberern half, ist nicht geklärt. Als mögliche Motive werden ihre Dankbarkeit für die Befreiung aus der Sklaverei, ihre Abscheu gegen die Azteken, Malinches christlicher Glaube oder ihre Liebe zu Cortés genannt.[9] Die Erzählung vom Quetzalcoatl-Mythos, wonach die Indigenen Cortés für einen Gott bzw. Fürsten hielten, dessen Wiederkunft über das Meer prophezeit worden sein soll, gilt mittlerweile als ein von den Spaniern erfundener Geschichtsmythos und dürfte daher keine Rolle gespielt haben.

Nach dem Fall von Tenochtitlán stand Maliche Cortés noch eine Weile beratend zur Seite und begleitete ihn auch auf seinem Honduras-Feldzug. Als Cortés’ Truppen während diesem den Geburtsort von Malinche erreichten, traf sie im Jahre 1523 ihren Bruder und ihre Mutter wieder, die sie in die Sklaverei verkauft hatte. Die beiden waren zum christlichen Glauben übergetreten und nannten sich jetzt Lázaro und Marta. Malinche war zu dieser Zeit die mächtigste Frau in Neuspanien. Unter großer Angst trafen der Bruder und die Mutter sie in Painala, Malinches Geburtsort in der Nähe von Coatzacoalcos. Bei diesem Treffen fürchteten sie um ihr Leben, doch Malinche verzieh ihnen.[3]

Mutter und Ehefrau

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Ungefähr im Jahr 1523 gebar Malinche Hernán Cortés’ ersten Sohn Martín, der jedoch von seiner Mutter getrennt aufwachsen sollte.

Am 20. Oktober 1524 heiratete Malinche Juan Xaramillo de Salvatierra, einen Offizier aus Cortés’ Umfeld, während des Honduras-Feldzugs. Nach ihrer Rückkehr lebte sie mit ihrem Mann bis zu ihrem Tod in Tenochtitlán. Mit Xaramillo de Salvatierra hatte sie ein weiteres Kind, ihre Tochter María. Aus dieser Zeit sind weniger Quellen bekannt als aus der Zeit des Feldzugs Cortés’ gegen Moctezuma. Ihr Todesjahr (vermutlich 1529) ist nicht eindeutig belegt, die Todesumstände sind unbekannt.

La Malinches Haus im historischen Zentrum von Mexiko-Stadt
La Malinches Haus in Coyoacán

Cortés erwähnte Malinche in seinen Briefen und späteren Schriften nur flüchtig. Die wesentliche Quelle für die Biographie Malinches bis zur Eroberung Tenochtitláns ist der Bericht, den Bernal Díaz del Castillo, ein Soldat Cortés’, in seiner Geschichte der Eroberung Mexikos niederschrieb. Ihre Bedeutung für die Spanier beschrieb er mit den Worten: „Diese Frau war ein entscheidendes Werkzeug bei unseren Entdeckungsfahrten. Vieles haben wir nur mit Gottes Beistand und ihrer Hilfe vollbringen können. Ohne sie hätten wir die mexikanische Sprache nicht verstanden, zahlreiche Unternehmungen hätten wir ohne sie einfach nicht durchführen können.“[10]

Die von La Malinche bewohnten Häuser in der calle Higuera Nr. 57[11] des Barrio La Concepción von Coyoacán, und in der calle República de Cuba Nr. 95 im historischen Zentrum der mexikanischen Hauptstadt, sind noch immer erhalten und gelten als Kulturgüter.[12]

Im heutigen Mexiko genießt Malinche eine sehr geteilte Wertschätzung, manche sehen in ihr sogar eine der umstrittensten Frauen der Weltgeschichte. Während die nach der Eroberung verfassten aztekischen und tlaxkaltekischen Chroniken noch ein positives Bild von Malinche zeichneten, steht seit dem Aufkommen des mexikanischen Nationalismus im 19. Jahrhundert der Begriff malinchismo für den Verrat am eigenen Volk. Andere Mexikaner sehen in ihr, die fälschlicherweise als Mutter des ersten Mestizen bezeichnet wird, eine Art Mutter der Nation (die Mestizen stellen heute die Mehrheit der mexikanischen Bevölkerung dar). Beide Haltungen sind sicher als moderne Sichtweisen zu bewerten, die eine mexikanische Nation voraussetzen oder auch deren Besonderheit durch die Abgrenzung vom Land der Konquistadoren betonen wollen; eine Nation also, wie sie zumindest zur Zeit Malinches nicht existierte.

Malinches schillernder Lebenslauf ließ sie in Folklore und Legenden Mexikos eingehen. So führen viele Orte Mexikos jährliche Malinche-Tänze auf; auch die Figur der la llorona (der Weinenden), deren Geist ruhelos in den Straßen von Mexiko-Stadt umherirrt und um ihre Kinder weint, wird häufig mit Malinche verbunden.

Malinches Namen trägt auch der Vulkan Malinche an der Grenze der Bundesstaaten Tlaxcala und Puebla, einer der höchsten Berge Mexikos.

  • Anna Lanyon: Malinche – Die andere Geschichte der Eroberung Mexikos. Ammann, Zürich 2001, ISBN 3-442-72909-2.
  • Barbara Dröscher, Carlos Rincón (Hrsg.): La Malinche. Übersetzung, Interkulturalität und Geschlecht. 2. Auflage. edition tranvía, Berlin 2010 (1. Aufl.: 2001), ISBN 978-3-938944-43-1.
  • James D. Henderson, Linda R. Henderson, Suzanne M. Litrel: Malinche, 1504?–1528?. In: dies.: Ten notable women of colonial Latin America. Rowman & Littlefield, Lanham u. a. 2023, ISBN 978-1-5381-5299-7, S. 41–60.
  • Carmen Wurm: Doña Marina, la Malinche. Eine historische Figur und ihre literarische Rezeption. Vervuert, Frankfurt am Main 1996, ISBN 978-3-96456-698-0, (abgerufen über De Gruyter Online)
Commons: La Malinche – Album mit Bildern

Einzelnachweise

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  1. William H. Prescott: Die Eroberung Mexikos. DBG, Berlin 1956, S. 336 u. a.
  2. Hanns J. Prem: Die Azteken: Geschichte – Kultur – Religion. Verlag C. H. Beck, München 1996, S. 107.
  3. a b Bernal Díaz del Castillo: Geschichte der Eroberung von Mexiko. Herausgegeben von Georg Adolf Narziß. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32767-3, S. 96.
  4. Hernán Cortés: Die Eroberung Mexicos. Drei Berichte an Kaiser Karl V. S. 38.
  5. Bernal Díaz del Castillo: Historia verdadera de la conquista de la Nueva España., S. 122 (spanisch).
  6. Bernal Díaz del Castillo: Geschichte der Eroberung von Mexiko. Herausgegeben von Georg Adolf Narziß. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32767-3, S. 135.
  7. Bernal Díaz del Castillo: Geschichte der Eroberung von Mexiko. Herausgegeben von Georg Adolf Narziß. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32767-3, S. 168.
  8. Bernal Díaz del Castillo: Geschichte der Eroberung von Mexiko. Herausgegeben von Georg Adolf Narziß. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32767-3, S. 357.
  9. Carmen Wurm: Doña Marina, la Malinche. Eine historische Figur und ihre literarische Rezeption. Vervuert, Frankfurt am Main 1996, ISBN 978-3-96456-698-0, S. 29 (abgerufen über De Gruyter Online).
  10. Bernal Díaz del Castillo: Geschichte der Eroberung von Mexiko. Herausgegeben von Georg Adolf Narziß. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32767-3, S. 98.
  11. Casa Colorada (spanisch; abgerufen am 4. Januar 2025)
  12. Cómo luce actualmente la casa donde vivió La Malinche en Ciudad de México (spanisch; abgerufen am 4. Januar 2025)