Zum Inhalt springen

„Chromosomenaberration“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Keine Bearbeitungszusammenfassung
K Tippfehler (Leerzeichen)
 
(82 dazwischenliegende Versionen von 61 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
'''Chromosomenaberrationen''' (von {{laS|''aberrare''}} „abweichen“), auch '''Chromosomenanomalien''' genannt, sind lichtmikroskopisch sichtbare strukturelle oder zahlenmäßige Veränderungen der [[Chromosom]]en eines [[Organismus]] oder einer [[Zelle (Biologie)|Zelle]].<ref name="Busel">Werner Buselmaier, Gholamali Tariverdian: ''Humangenetik. Begleittext zum Gegenstandskatalog''. Springer, Berlin 1991, ISBN 3-540-54095-4.</ref>
Der Ausdruck '''Chromosomenabberation''' (griech./ lat. ''aberrare'' = abweichen) ist der Oberbegriff für Veränderungen in der Struktur und/oder in der Anzahl der [[Chromosom]]en eines Organismus. Es handelt sich also um eine [[Erbgut]]veränderung. Die Begriffe [[Mutation]], [[Chromosomenmutation]], [[Genmutation]], [[Punktmutation]] und [[Genommutation]] werden für Teilbereiche möglicher Aberrationen verwendet.


== Definition und Unterscheidung ==
Bei Chromosomenaberrationen handelt es sich um größere Veränderungen des [[Genom|Erbguts]], die bei Menschen zu schwerwiegenden Krankheitsbildern führen können und in der klinischen [[Zytogenetik]] mit der ISCN-Nomenklatur beschrieben werden (International System for Human Cytogenetic Nomenclature)<ref>ISCN 2009: An International System for Human Cytogenetic Nomenclature (2009). Recommendations of the International Standing Committee on Human Cytogenetic Nomenclature</ref>.


Kleinere, in zytogenetischen Präparaten lichtmikroskopisch nicht sichtbare Veränderungen wie beispielsweise [[Mutation]]en an einzelnen Genen ([[Genmutation]]en) werden dagegen nicht zu den Chromosomenaberrationen gezählt.<ref>William Hovanitz: Textbook of Genetics. Elsevier Press, Inc., Houston, New York, 1953 (S. 190). „(...) if a change in structure (of chromosomes) is large enough to be visible in cytological preparations it is considered a chromosomal mutation. If it is too small to be readily observed, is known only from the genetic results of segregation and can be localized on a chromosome, it is known as a gene mutation. There is no sharp dividing line between gene mutations and chromosomal mutations. Eventually all gene mutations in their ultra-fine structure will be found to be structural, if only in the molecular arrangement of which the gene is composed.“</ref><ref name=Busel/>
== Formen der Chromosomenaberration ==
Man unterscheidet hinsichtlich der Veränderungsart zwischen :


Chromosomenaberrationen werden in numerische und strukturelle Chromosomenaberrationen unterteilt, die in ihren eigenen Artikeln näher beschrieben sind.


=== Numerische Chromosomenaberrationen ===
* '''struktureller Aberration''': eine Veränderung des Chromosomenaufbaus, -zusammensetzung, auch als [[Chromosomenmutation]] bezeichnet.
{{Hauptartikel|Genommutation}}
Bei numerischen Chromosomenaberrationen, die auch als [[Genommutation]] bezeichnet werden, kommt es zu einer Veränderung der Chromosomenanzahl.


* [[Aneuploidie]]n entstehen durch eine sogenannte [[Non-Disjunction]], welche zur Folge hat, dass entweder ein Chromosom geht, oder mehrfach vorhanden ist. Die Abweichung kann sowohl [[Geschlechtschromosom]]en als auch [[Autosom]]en betreffen. Bei [[Monosomie]]n ist z.&nbsp;B. ein normalerweise paariges Chromosom nur als Einzelchromosom vorhanden, während es bei [[Trisomie]]n dreifach vorhanden ist.<ref>[https://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/aneuploidie/640 '' Kompaktlexikon der Biologie: Aneuploidie''] [[Spektrum der Wissenschaft]], abgerufen am 18. März 2023</ref>
In diese Gruppe gehören auch die [[Genmutation]]en.
Eine der vielen genetischen Besonderheiten, die durch strukturelle Aberrationen beim Menschen hervorgerufen werden, ist das [[Cri-du-chat-Syndrom]], das mit einigen körperlichen und kognitiven Besonderheiten einhergeht. Auslöser ist der Verlust eines Abschnitts ([[Deletion]]) am Chromosom der Nummer 5.


* Die [[Polyploidie]] ist eine bestimmte Form der [[Euploidie]], bei der mehr als zwei vollständige Chromosomensätze vorliegen, so sind es bei der [[Triploidie]] z.&nbsp;B. drei.<ref>[https://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/aneuploidie/640 ''Kompaktlexikon der Biologie: Polyploidie''] [[Spektrum der Wissenschaft]], abgerufen am 18. März 2023</ref> Polyploidie ist bei zahlreichen Kulturpflanzen ein gezielt herbeigeführter Zustand, der durch den Einsatz mutagener Substanzen oder Kreuzungen entsteht.<ref>[https://www.transgen.de/lexikon/1569.polyploidie.html ''Polyploidie. Vorhandensein von mehr als zwei Chromosomensätzen in der Zelle''] transgen, abgerufen am 18. März 2023</ref>
* '''numerische Aberration''': eine Veränderung der Chromosomenanzahl, auch [[Genommutation]] genannt.


=== Strukturelle Chromosomenaberrationen===
Die Anzahl kann sowohl verringert als auch erhöht werden.
[[File:Two Chromosome Mutations.png|thumb|Insertion (1) und Translokation (2) sind die häufigsten Formen der Chromosomenmutation]]
Besonders innerhalb dieser Veränderungsmöglichkeit beim Menschen bekannt, da weltweit am häufigsten vorkommend, ist die [[Down-Syndrom|Freie Trisomie 21]]. Dies ist eine numerische Aberration, bei der in allen Körperzellen das Chromosom der Nummer 21 dreifach vorliegt.
{{Hauptartikel|Chromosomenmutation}}
Strukturelle Chromosomenaberrationen können durch [[Mutagen]]e mit ''[[clastogen]]em'' Potential verursacht werden. Numerische Chromosomenaberrationen können durch Substanzen mit ''[[aneugen]]em'' Potential ausgelöst werden und verändern den Aufbau einzelner Chromosomen.


Folgende Chromosomenmutationen werden unterschieden:<ref>[https://simpleclub.com/lessons/biologie-chromosomenmutationen ''Chromosomenmutation Arten''] [[Simpleclub]], abgerufen am 18. März 2023</ref>
== Veränderungsursache ==


* [[Insertion (Genetik)|Insertion]]; ein zusätzliches Teilstück wird eingefügt
Chromosomenaberrationen werden mit großer Wahrscheinlichkeit häufig durch eine Störung der [[Meiose]] verursacht, sie können aber auch durch Störungen in den [[Furchungsteilung]]en der [[Zygote]], durch ionisierende Strahlung (z.B. [[Röntgenstrahlung]]) auftreten und durch verschiedene chemische Stoffe ( z.B. [[Dioxin]]e) mit erbgutverändernder Wirkung ausgelöst werden.
* [[Translokation (Genetik)|Translokation]]; abgebrochene Teilstücke von Chromosomen, heften sich an ein anderes Chromosom
* [[Inversion (Genetik)|Inversion]]; umgekehrter Einbau eines Teilstückes, nach einem Doppelbruch
* [[Deletion]]; Verlust eines Chromosomenteilstücks
* [[Genduplikation|Duplikation]]; ein Chromosomenstück wird doppelt eingebaut
* Bildung eines [[Isochromosom]]s


== Einzelnachweise ==
<references />


{{Normdaten|TYP=s|GND=4010163-0}}
== Veränderungszeitpunkt ==


[[Kategorie:Mutation]]
Die Veränderung des Erbmaterials kann zu allen Zeitpunkten der Entwicklungs- oder Lebenszeit eines Organismus stattfinden. Bereits vor der Zeugung kann bei höheren Lebewesen (Tieren und Menschen) während der Eizellen- bzw. Spermienbildung in der Phase der [[Meiose]] eine unübliche Kombination der Chromosomen entstehen (z.B. beim sogenannten [[Crossing over|Crossing over]]). Genau so gut können die Aberrationen auch im [[Embrionalstadium]] oder zu jedem anderen Lebenszeitpunkt nach der Geburt auftreten.


== Veränderungsauswirkungen ==

Viele Chromosomenaberrationen haben Auswirkung auf die körperliche Funktion, das Erscheinungsbild und die kognitive Leistungsfähigkeit des jeweiligen Lebewesens. Andere Veränderungen in genetisch wahrscheinlich unbedeutenden Bereichen haben nach heutigem Kenntnisstand jedoch keinerlei Auswirkungen.

==siehe auch==
*Beispiele für durch Chromosomenaberrationen beim Menschen ausgelöste [[Chromosomenbesonderheit]]en:
**[[Down-Syndrom]] (Trisomie 21)
**[[Edwards-Syndrom]] (Trisomie 18)
**[[Pätau-Syndrom]] (Trisomie 13)
**[[Trisomie 8]]
**[[Trisomie 9]]
**[[Triplo-X-Syndrom]]
**[[Klinefelter-Syndrom]]

*allgemein:
**[[Liste der Syndrome]]
**[[Genetik]]
**[[Translokation (Genetik)]]
**[[Inversion]]
**[[Deletion]]


[[Kategorie:Genetik]]
[[Kategorie:Medizin]]

{{Gesundheitshinweis}}

Aktuelle Version vom 29. Dezember 2024, 04:04 Uhr

Chromosomenaberrationen (von lateinisch aberrare „abweichen“), auch Chromosomenanomalien genannt, sind lichtmikroskopisch sichtbare strukturelle oder zahlenmäßige Veränderungen der Chromosomen eines Organismus oder einer Zelle.[1]

Definition und Unterscheidung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Chromosomenaberrationen handelt es sich um größere Veränderungen des Erbguts, die bei Menschen zu schwerwiegenden Krankheitsbildern führen können und in der klinischen Zytogenetik mit der ISCN-Nomenklatur beschrieben werden (International System for Human Cytogenetic Nomenclature)[2].

Kleinere, in zytogenetischen Präparaten lichtmikroskopisch nicht sichtbare Veränderungen wie beispielsweise Mutationen an einzelnen Genen (Genmutationen) werden dagegen nicht zu den Chromosomenaberrationen gezählt.[3][1]

Chromosomenaberrationen werden in numerische und strukturelle Chromosomenaberrationen unterteilt, die in ihren eigenen Artikeln näher beschrieben sind.

Numerische Chromosomenaberrationen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei numerischen Chromosomenaberrationen, die auch als Genommutation bezeichnet werden, kommt es zu einer Veränderung der Chromosomenanzahl.

  • Die Polyploidie ist eine bestimmte Form der Euploidie, bei der mehr als zwei vollständige Chromosomensätze vorliegen, so sind es bei der Triploidie z. B. drei.[5] Polyploidie ist bei zahlreichen Kulturpflanzen ein gezielt herbeigeführter Zustand, der durch den Einsatz mutagener Substanzen oder Kreuzungen entsteht.[6]

Strukturelle Chromosomenaberrationen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Insertion (1) und Translokation (2) sind die häufigsten Formen der Chromosomenmutation

Strukturelle Chromosomenaberrationen können durch Mutagene mit clastogenem Potential verursacht werden. Numerische Chromosomenaberrationen können durch Substanzen mit aneugenem Potential ausgelöst werden und verändern den Aufbau einzelner Chromosomen.

Folgende Chromosomenmutationen werden unterschieden:[7]

  • Insertion; ein zusätzliches Teilstück wird eingefügt
  • Translokation; abgebrochene Teilstücke von Chromosomen, heften sich an ein anderes Chromosom
  • Inversion; umgekehrter Einbau eines Teilstückes, nach einem Doppelbruch
  • Deletion; Verlust eines Chromosomenteilstücks
  • Duplikation; ein Chromosomenstück wird doppelt eingebaut
  • Bildung eines Isochromosoms

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Werner Buselmaier, Gholamali Tariverdian: Humangenetik. Begleittext zum Gegenstandskatalog. Springer, Berlin 1991, ISBN 3-540-54095-4.
  2. ISCN 2009: An International System for Human Cytogenetic Nomenclature (2009). Recommendations of the International Standing Committee on Human Cytogenetic Nomenclature
  3. William Hovanitz: Textbook of Genetics. Elsevier Press, Inc., Houston, New York, 1953 (S. 190). „(...) if a change in structure (of chromosomes) is large enough to be visible in cytological preparations it is considered a chromosomal mutation. If it is too small to be readily observed, is known only from the genetic results of segregation and can be localized on a chromosome, it is known as a gene mutation. There is no sharp dividing line between gene mutations and chromosomal mutations. Eventually all gene mutations in their ultra-fine structure will be found to be structural, if only in the molecular arrangement of which the gene is composed.“
  4. Kompaktlexikon der Biologie: Aneuploidie Spektrum der Wissenschaft, abgerufen am 18. März 2023
  5. Kompaktlexikon der Biologie: Polyploidie Spektrum der Wissenschaft, abgerufen am 18. März 2023
  6. Polyploidie. Vorhandensein von mehr als zwei Chromosomensätzen in der Zelle transgen, abgerufen am 18. März 2023
  7. Chromosomenmutation Arten Simpleclub, abgerufen am 18. März 2023