„Bergkarabach“ – Versionsunterschied
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{{Dieser Artikel|behandelt die geographische Region Bergkarabach; zu der gleichnamigen Republik siehe [[Republik Arzach]].}} |
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'''Bergkarabach''' (aserbaidschanisch ''Dağlıq Qarabağ''; armenisch ''Արցախ''; ''Artsach'') ist ein autonomes Gebiet in [[Aserbaidschan]] mit 146.000 Einwohnern (Stand 1. Januar 2003) und einer Fläche von 4.400 km². |
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Es handelt sich dabei um eine zwischen [[Aserbaidschan]] und [[Armenien]] umstrittene Bergregion. Hauptstadt ist [[Stepanakert]] (''armenischer Name der Stadt'') bzw. Xankəndi (alte Umschrift Chankendi) (''aserbaidschanischer Name der Stadt''). |
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| Alternativkarte = Karabakh-Map-Mountainous-Karabakh.svg |
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| caption=Lage Bergkarabachs in der größeren Region Karabach, die sich über Armenien und Aserbaidschan erstreckt<br /> |
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{{Farbindex|A11}} Bergkarabach |
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{{Positionskarte~ | Y=35 | X=10 | position=right | label_style=bold | label_color=#646464 | label=Armenien}} |
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'''Bergkarabach''' ({{hyS|Լեռնային Ղարաբաղ|Lernajin Gharabagh}}, wissenschaftliche Transliteration ''Leṙnayin Łarabał;'' {{azS|Dağlıq Qarabağ}} oder ''Yuxarı Qarabağ'', „gebirgiger schwarzer Garten“ oder „oberer schwarzer Garten“; auch ''Berg-Karabach'') ist eine bis zu deren Flucht im September 2023<ref>{{Internetquelle |url=https://news.am/eng/news/784232.html |titel=Artak Beglaryan: Almost no Armenians are left in Nagorno-Karabakh |datum=2023-10-01 |sprache=en |abruf=2023-10-01}}</ref> mehrheitlich von [[Armenier]]n bewohnte Region im Südosten des [[Kleiner Kaukasus|Kleinen Kaukasus]]. Gebräuchlich ist außerdem die Transkription der russischen Bezeichnung Нагорный Карабах, '''Nagorny Karabach'''. Sie ist Teil der größeren Region Karabach und umfasst deren mittleren, gebirgigen Teil, dominiert vom [[Karabachgebirge]] und dem [[Karabach-Hochland]]. |
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<!--todo: geschichte bis 1988, siehe auch [[Diskussion:Aserbaidschan]]--> |
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Die Region ist zwischen [[Armenien]] und [[Aserbaidschan]] umstritten, der [[Bergkarabachkonflikt]] dauert noch immer an. Als politischer Begriff wird Bergkarabach oft mit dem ehemaligen [[Autonome Oblast Bergkarabach|Autonomen Gebiet Bergkarabach]] innerhalb der früheren [[Aserbaidschanische Sozialistische Sowjetrepublik|Aserbaidschanischen SSR]] und mit dem daraus entstandenen [[De-facto-Regime]] der [[Republik Arzach]] gleichgesetzt, das unter anderem nach Ansicht der [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] und des [[Europarat]]es weiterhin Teil des Staatsgebietes Aserbaidschans ist. Nach dem [[Zerfall der Sowjetunion]] 1991 eskalierte der Konflikt zu einem Krieg, sodass ab Ende 1994 Bergkarabach und angrenzende Gebiete zu einem großen Teil von Armeniern kontrolliert wurden. Ab dem [[Krieg um Bergkarabach 2020]] wurden größere Gebiete der Region wieder von Aserbaidschan kontrolliert. Seit [[Offensive Aserbaidschans gegen Arzach (September 2023)|September 2023]] hat Aserbaidschan die alleinige Kontrolle über Bergkarabach. |
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'''Historischer Hintergrund''' |
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== Namen == |
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Berg-Karabach ist historisch gesehen mehrheitlich armenisch besiedeltes Gebiet und Teil des christlich-armenisch dominierten Kulturkreises. Im Laufe seiner Geschichte unterstand es christlichen und islamischen Mächten wie dem Reich der Kaukasischen Albanier, [[Georgien]], dem arabischen Kalifat, den [[Seldschuken]], den [[Mongolen]], dem [[Persisches Reich|Persischen Reich]] – 1639 von den Türken an das Khanat Gjandscha abgetreten, einem Tributärstaat Persiens –, so regierten dennoch in Artsach (armenischer Name für Berg-Karabach) lokale armenische Fürsten de facto autonom als Vassalenherrscher der Khanen von Gjandscha, später (im 18. Jahrhudert) der Khanen von Karabach. 1805 als Folge des Abkommens über das Protektorat zwischen dem Khanat Karabach und [[Russland]] annektierte die zaristische Armee dieses Gebiet. Als Karabach (Karabach: türk. = "Schwarzer Garten") durch den Vertrag von Gülistan 1813 offiziell von Persien an das [[Russisch-Orthodoxe Kirche|christlich-orthodoxe]] Russland fiel, wurde Karabach Teil der Provinz Elisabethpol (heute Gjandscha), dem späteren [[Aserbaidschan]], dessen südlicher Teil noch heute zum Iran gehört. Erst 1828 kam Khanat Eriwan (historisches Ostarmenien) mit [[Nachitschewan]] ebenfalls zum [[Russisches Reich|Russischen Reich]] und bildete dann als Armenische Region, später Provinz Jerewan, eine eigene Verwaltungseinheit. |
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Die Bezeichnung leitet sich vom Namen der größeren Region ''Karabach'' ab. Diese setzt sich aus ursprünglich persischen und türkischen Wortbestandteilen zusammen, so bedeutet im [[Aserbaidschanische Sprache|Aserbaidschanischen]] ''qara'' „schwarz“ und ''bağ'' „Garten“ (von {{faS|باغ|DMG=bāġ}}), zusammen bedeuten sie „schwarzer Garten“.<ref name=hess>{{Literatur |Autor=Michael Reinhard Heß |Titel=Panzer im Paradies. Der Berg-Karabach-Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan |Verlag=Verlag Dr. Köster |Ort=Berlin |Datum=2016 |ISBN=978-3-89574-906-3 |Seiten=29-32, 23–28 |Kommentar=– Leseprobe des Verlags |Online=https://www.verlag-koester.de/wp-content/uploads/2016/06/6.pdf |Format=PDF |KBytes=1609<!-- |Abruf=2020-09-29 -->}}</ref> Die Armenier nutzen für Bergkarabach vor allem die Bezeichnung ''Arzach'' (armenisch Արցախ', in wissenschaftlicher Transliteration ''Arc‘ax'', in englischer Transkription ''Artsakh''), die sich historisch auf die [[Provinz Arzach]] des antiken armenischen Königreiches der [[Artaxiden]] und das mittelalterliche [[Königreich Arzach]] bezieht. |
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== Geographie == |
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Bereits zu jener Zeit wurde der Grundstein für den heutigen Karabach-Konflikt gelegt, da ein kultur-historisch und ethnisch naheliegender Anschluss Karabachs an die armenische Provinz Eriwan nicht erfolgte. Auch nach der sowjetischen Machtübernahme im Kaukasus wurde dieser Zustand nicht korrigiert. Auch ein ehemaliges aserbaidschanisches Gebiet, Sangesur, wurde nicht an die aserbaidschanische Provinz Elisabethpol angeschlossen. |
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[[Datei:Topo map Arzach de.png|mini|hochkant=1.5|Topographische Karte von Karabach mit Bergkarabach in der Mitte, aus der Zeit bis 2020]] |
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Die Region liegt in der Großregion '''Karabach''', die sich zwischen den Flüssen [[Kura]] und [[Aras (Fluss)|Aras]] erstreckt.<ref>{{Internetquelle |url=https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/bergkarabach |titel=Bergkarabach - Enzyklopädie - Brockhaus.de |abruf=2020-10-07}}</ref> Während das nordöstlich benachbarte Niederkarabach in den Ebenen der Kura in der [[Kura-Aras-Niederung]] liegt, umfasst Bergkarabach die daran anschließenden Ausläufer des [[Kleiner Kaukasus|Kleinen Kaukasus]], insbesondere das [[Karabachgebirge]] und das [[Karabach-Hochland]] sowie im Norden den Gebirgszug [[Murovdağ]]. In diesem befindet sich mit dem 3724 Meter hohen [[Gamış dağı]] auch die höchste Erhebung. Im Süden wird die Region vom Aras begrenzt, der hier auch die Staatsgrenze zum [[Iran]] bildet. Im Westen schließt sich die Region [[Sangesur]] beziehungsweise [[Sjunik]] an. Die Region ist nicht genau abgegrenzt. In jüngerer Zeit wird sie oft mit der ehemaligen [[Autonome Oblast Bergkarabach|Autonomen Oblast Bergkarabach]] innerhalb der früheren [[Aserbaidschanische SSR|Aserbaidschanischen SSR]] identifiziert, die sich jedoch nur in einem Teil des Karabach-Gebirges erstreckte. Das Autonomiegebiet umfasste 4400 Quadratkilometer.<ref>Robert H. Hewsen, ''Armenia: A Historical Atlas''. The University of Chicago Press, 2001, S. 163ff, 264.</ref><ref name=":0">{{Internetquelle |autor= |url=https://www.britannica.com/place/Nagorno-Karabakh |titel=Nagorno-Karabakh |werk=Encyclopaedia Britannica |abruf=2020-10-07 |sprache=en}}</ref> |
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Bergkarabach fällt nach Osten zur Kuraniederung sowie nach Süden zum Aras hin ab, fast alle Flüsse fließen von Westen nach Osten oder nach Süden. Die größten Flüsse sind der Hakari, der in den Aras mündet, sowie die durch Niederkarabach in den Kura abfließenden [[Tartar (Fluss)|Tartar]] und [[Chatschintschaj|Chatschen]]. Im Laufe der Jahrtausende entstanden an diesen Wasserläufen dabei [[Canyon]]s. Der größte See ist der [[Sarsang-Stausee]] am Tartar. Die größte Stadt in der Region ist mit über 50.000 Einwohnern [[Stepanakert]], das auch Hauptstadt der Republik Arzach ist. Alle anderen Orte sind mit höchstens einigen tausend Einwohnern deutlich kleiner. Historisch bedeutsam als frühere Hauptstadt des Khanats Karabach ist [[Şuşa|Schuscha]] ({{hyS|Շուշի|Schuschi}}), das wegen des Bergkarabachkonflikts jedoch einen großen Teil seiner Bevölkerung verloren hat. |
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Am 2. September 1991 erklärte Berg-Karabach die Unabhängigkeit von Aserbaidschan, das sich seinerseits wenige Tage zuvor einseitig von der UdSSR getrennt hatte. In einem Referendum bestätigten die Karabach-Armenier am 10. Dezember 1991 die staatsrechtliche Trennung von Aserbaidschan. Es kam zum blutigen Krieg, mit dem massiven Einsatz aller Waffengatten seitens der aserbaidschanischen Armee. Mit der Unterstützung der Streitkräfte Armeniens wurden jedoch die aserbaidschanischen Militäreinheiten hinter die heutige Frontlinie zurückgedrängt. Seit dem 12. Mai 1994 ruhen die Waffen. Die Verhandlungen der Minsk-Gruppe – bestehend aus USA, Russland und Frankreich – über den zukünftigen Status des Gebietes brachten bisher keinen Durchbruch. |
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Die Landschaft wechselt von Steppe in den tieferliegenden Tälern und Ebenen über dichte Eichen- und Buchenwälder zu Birkenwäldern und alpinen Wiesen in den höheren Lagen.<ref name=":0" /> Die jährliche Durchschnittstemperatur beträgt 11 Grad Celsius.<!-- Wo genau? --> |
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Zur Zeit bildet die Republik Berg-Karabach einen völkerrechtlich nicht anerkannten, eigenständigen Staat, obwohl das gar nicht gewollt ist. Ein Anschluss an Armenien wird erstrebt, stößt jedoch auf die strikte Ablehnung der aserbaidschanischen Seite. |
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== Geschichte == |
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=== Bis ins 19. Jahrhundert === |
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[[Datei:2014 Górski Karabach, Klasztor Gandzasar (14).jpg|mini|Das Kloster [[Gandsassar]], 1240 fertiggestellt, 1400 bis 1816 Sitz des [[Katholikat von Albanien|Katholikos von Albania]]]] |
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Das Gebiet von Bergkarabach war in der Antike oft Teil Armeniens, mehrfach aber auch des benachbarten [[Albania]] im heutigen Aserbaidschan oder bildete das Grenzland beider Staaten. Im 4. Jahrhundert wurde das [[Christentum]] in beiden Ländern Staatsreligion. Nach armenischer Auffassung war Bergkarabach mindestens ab dem Mittelalter mehrheitlich armenisch besiedelt. Infolge der arabischen Besetzung im 8. Jahrhundert stand die Region unter der Kontrolle verschiedener, vorwiegend muslimischer Völker, von [[Kurden]], [[Araber]]n, [[Perser (Volk)|Persern]] und ins [[Niederkarabach]] zugewanderten [[Turkvölker|Turk-Stämmen]]. Spätestens mit der Landnahme der [[Seldschuken]] im 11. Jahrhundert stellten die dem islamischen Kulturkreis zugehörigen Ethnien die Bevölkerungsmehrheit in der Großregion. In Bergkarabach gab es dagegen durch die Fürstentümer der [[Melik]]s eine starke armenische Präsenz, wobei vom 12. bis zum 15. Jahrhundert die armenischen Fürsten des [[Haus Hassan-Dschalaljan|Hauses Hassan-Dschalaljan]] vom [[Fürstentum Chatschen]] über das Gebiet herrschten und 1216 das Kloster [[Gandsassar]] als Sitz des [[Katholikat von Albanien|Katholikats von Aghwank (Albanien)]] der [[Armenische Apostolische Kirche|Armenischen Apostolischen Kirche]] gründeten. |
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[[Datei:Russia Caucusus 1882.jpg|mini|hochkant=1.5|Grenzen im Jahr 1882]] |
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'''Ab 1988''' |
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Bis ins 18. Jahrhundert konnten sich lokale armenische Fürstentümer halten: die [[Fünf Fürstentümer von Karabach]], die als Vasallen wechselnder Reiche regierten. Unter der Dynastie der [[Safawiden]] (1501–1736) waren die Fürsten Vasallen der persischen Schahs und zeitweise dem [[Khanat Gandscha|Khan von Gandscha]] unterstellt. Im ausgehenden 16. Jahrhundert übernahmen zeitweise die [[Osmanisches Reich|Osmanen]] die Vorherrschaft, wurden aber im 17. Jahrhundert in mehreren Kriegen vom Persischen Reich erfolgreich zurückgedrängt.<ref name="hess" /> Mit dem Zerfall der Zentralmacht der Safawiden im 18. Jahrhundert machte sich das benachbarte [[Khanat Karabach]] unabhängig, unterwarf daraufhin die armenischen Fürsten und gliederte sie 1750 in das Khanat ein. 1805 unterstellte sich der Khan von Karabach dem [[Russisches Kaiserreich|Russischen Reich]]. 1813 trat Persien im [[Friede von Gulistan|Vertrag von Golestan]] Karabach und andere Khanate an Russland ab, wobei Karabach Teil des Gouvernements [[Elisawetpol]] wurde.<ref name=aslanyan>{{Literatur |Autor=Andranik Eduard Aslanyan |Titel=Bergkarabach-Chronologie |Sammelwerk=Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus. Der Bergkarabach-Konflikt im Spannungsfeld von Interessen (1991–2015) |WerkErg=Hochschulschrift |Verlag=Springer Fachmedien Verlag |Ort=Wiesbaden |Datum=2019 |ISBN=978-3-658-28516-6 |Seiten=335–349 |DOI=10.1007/978-3-658-28516-6 |Online=https://link.springer.com/content/pdf/bbm%3A978-3-658-28516-6%2F1.pdf |Format=PDF |KBytes=710<!-- |Abruf=2020-09-28 -->}}</ref> |
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=== Im 20. und 21. Jahrhundert === |
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Am [[20. Februar]] [[1988]] beschloss der Gebietssowjet von Berg-Karabach, die Obersten Sowjets von Aserbaidschan und Armenien förmlich zu ersuchen, dieses Gebiet Armenien anzugliedern. Damit begann eine neue Runde der bewaffneten armenisch-aserbaidschanischen Auseinandersetzungen, die erst mit der Unterzeichnung des Bischkeker Waffenstillstands-Abkommens vom Mai 1994 gestoppt wurden. |
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Nach der [[Oktoberrevolution]] von 1917 erhoben sowohl Armenier als auch Aserbaidschaner Anspruch auf Bergkarabach. Um das Gebiet kam es zu heftigen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der [[Demokratische Republik Armenien|Demokratischen Republik Armenien]] und der [[Demokratische Republik Aserbaidschan|Demokratischen Republik Aserbaidschan]], nachdem [[Transkaukasische Demokratisch-Föderative Republik|der gemeinsame Staatenbund]] zerfallen war. Nach der Eroberung durch die [[Rote Armee]] entschied das Zentralkomitee der [[Kommunistische Partei Russlands (Bolschewiki)|Kommunistischen Partei Russlands]] im Juli 1921, das Gebiet von Bergkarabach aufzuteilen und den Kernteil davon als sogenannte [[Autonome Oblast Bergkarabach]] und den Rest unmittelbar an die [[Aserbaidschanische SSR]] einzugliedern, was 1923 umgesetzt wurde.<ref name=aslanyan /> Bis 1929 gehörte ein anderer Teil Bergkarabachs zum Roten Kurdistan, einer autonomen Provinz. In den 1960er Jahren kam es erneut zu vereinzelten Unruhen. Die Armenier fühlten sich diskriminiert und waren besorgt, weil ihr Anteil an der Bevölkerung in Bergkarabach langsam, aber stetig abnahm (1926: 93,5 Prozent, 1989: 73,5 Prozent).<ref>{{Literatur |Autor=Aser Babajew |Titel=Armenien |Sammelwerk=Weder Krieg noch Frieden im Südkaukasus. Hintergründe, Akteure, Entwicklungen zum Bergkarabach-Konflikt |Verlag=Nomos |Ort=Baden-Baden |Datum=2014 |ISBN=978-3-8487-1396-7 |Seiten=73–90<!-- |DNB=1049707125 --> |DOI=10.5771/9783845254500 |Online=https://www.nomos-elibrary.de/369047/armenien |Kommentar=Verlagsvorschau}}</ref> |
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1988 eskalierte der Konflikt. Es gab Massendemonstrationen in Armenien sowie Schießereien mit mehreren hundert Toten und [[Pogrom]]e in Aserbaidschan. In der Folge kam es zu beidseitigen Ausweisungswellen und Flucht der jeweiligen Minderheit. Im September 1991 erklärte die [[Republik Arzach|Republik Bergkarabach]] ihre Unabhängigkeit, im November schaffte daraufhin Aserbaidschan den autonomen Status der Region ab. Ab 1992 kam es nach dem [[Massaker von Chodschali]], dem [[Massaker von Maraga]] und mit einer Gegenoffensive der [[Streitkräfte der Republik Bergkarabach|Armee Bergkarabachs]] zu verstärkter Gewaltanwendung von beiden Seiten, ab 1993 beteiligte sich Armenien mit eigenen Verbänden am Konflikt. Beim Waffenstillstand 1994 kontrollierten Armenier einen Großteil des von der Republik Bergkarabach beanspruchten Gebiets und eine Pufferzone zu Aserbaidschan.<ref>{{Internetquelle |autor=Uwe Halbach |url=https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/224129/nagorny-karabach |titel=Nagorny-Karabach |titelerg=Dossier |werk=Konfliktporträts |hrsg=Bundeszentrale für politische Bildung |datum=2017-11-20 |abruf=2020-09-28}}</ref> Die Unabhängigkeit Bergkarabachs wird international nicht anerkannt. Nach 1994 gab es mehrere gescheiterte Vermittlungsversuche sowie wiederholt Kampfhandlungen. Nach Gefechten im Sommer 2020 kam es Ende September zu [[Krieg um Bergkarabach 2020|einem erneuten Krieg]].<ref>{{Internetquelle |url=https://www.dw.com/de/schwere-k%C3%A4mpfe-in-aserbaidschanischer-region-berg-karabach/a-55068261 |titel=Schwere Kämpfe in aserbaidschanischer Region Berg-Karabach |hrsg=[[Deutsche Welle]] |datum=2020-09-27 |abruf=2020-09-28}}</ref> Am 9. November 2020 unterzeichneten beide Konfliktparteien eine erneute [[Waffenstillstandsabkommen im Bergkarabachkrieg 2020|Waffenruhevereinbarung]] unter Vermittlung Russlands.<ref name="zeit-2020-11-10">{{Internetquelle |url=https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-11/bergkarabach-russischer-hubschrauber-abschuss-aserbaidschan-armenien |titel=Bergkarabach: Armeniens Regierungschef ordnet Ende der Kämpfe um Bergkarabach an |werk=[[Die Zeit#Zeit Online|zeit.de]] |datum=2020-11-10 |abruf=2020-11-11}}</ref> Durch die aserbaidschanische Offensive hatte die Republik Arzach ein Drittel ihres Gebietes verloren, darunter auch früher zur Autonomen Oblast zählende, traditionell armenische Siedlungen und Städte wie [[Hadrut (Stadt)|Hadrut]]. In Folge des Waffenstillstands musste Arzach ein weiteres Drittel seines Gebiets, das die frühere Oblast umgab, an aserbaidschanische Kontrolle abgeben. |
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Der Sicherheitsrat der UNO hat 1993 vier Resolutionen bezüglich der Berg-Karabach- Frage verabschiedet, die den Abzug der armenischen Truppen aus den besetzten aserbaidschanischen Bezirken forderten und denen bis heute nicht Genüge getan worden ist [http://www.state.gov/p/eur/rls/or/13508.htm]. Die Okkupation von 15,25 % des aserbaidschanischen Staatsgebietes (Berg-Karabach und Nachbarbezirke) durch die Republik Armenien wurde zuletzt in einer Resolution des [[Europarat]]s vom Januar 2005 als rechtswidrig gerügt [http://assembly.coe.int/Documents/AdoptedText/TA05/ERES1416.htm]<!--"The Assembly reiterates that the occupation of foreign territory by a member state constitutes a grave violation of that state’s obligations as a member of the Council of Europe"-->. |
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Ab dem Sommer 2023 war der [[Latschin-Korridor]] gesperrt, und [[Nahrungsmittel]] und [[Medikament]]e kamen nicht mehr nach Bergkarabach. Deswegen breitete sich eine [[Hungersnot]] in Bergkarabach aus. Die armenische Regierung versuchte über den [[Europarat]] oder den [[UN-Sicherheitsrat]] auf das Thema aufmerksam zu machen, jedoch konnte sich die internationale Staatengemeinschaft nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen.<ref>{{Internetquelle |autor=Alexander Kauschanski |url=https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-08/bergkarabach-armenien-aserbaidschan-hunger-tod/komplettansicht |titel=Vor dem Verhungern |titelerg=Seit Monaten ist Bergkarabach von der Versorgung abgeschnitten. Nun soll es einen Hungertoten geben. Der unterernährten Bevölkerung läuft die Zeit davon. |werk=Zeit Online |hrsg=Zeit Online GmbH |datum=2023-08-25 |abruf=2023-08-22}}</ref> |
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Der Konflikt erwies sich als destruktiver Faktor so weit reichend, dass die durch ihn verursachten innenpolitischen Krisen in beiden Ländern mehrmals zum Umsturz der amtierenden Regierungs- und Staatschefs führten. Nach dem aserbaidschanischen Präsidenten Eltschibej fiel auch der armenische Präsident Levon Ter-Petrosjan Anfang Februar 1998 dem Berg-Karabach-Konflikt "zum Opfer". |
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Im [[Offensive Aserbaidschans gegen Arzach (September 2023)|September 2023 eroberte Aserbaidschan Bergkarabach]] vollständig, was zur Flucht der Armenier führte.<ref>{{Internetquelle |url=https://news.am/eng/news/784232.html |titel=Artak Beglaryan: Almost no Armenians are left in Nagorno-Karabakh |datum=2023-10-01 |sprache=en |abruf=2023-10-01}}</ref> |
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1992 hat die Minsker Gruppe der [[Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa]] (seit 1994 OSZE, zwischen 1975-1994 Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa – KSZE) ihre Arbeit aufgenommen, deren wichtigste Aufgabe es ist, einen internationalen Beitrag zur friedlichen Lösung des Berg-Karabach-Konfliktes zu leisten. Zu den Mitgliedern dieses Gremiums gehören neben den direkt am Konflikt beteiligten Seiten elf weitere Staaten, darunter auch Russland, die USA, Frankreich, die Türkei, Deutschland, Italien u.a. Seit 1997 wird dieses Gremium von einer dreiköpfigen russisch-amerikanisch-französischen Gruppe von Co-Vorsitzenden<!--"co-chairmen" -evtl. bessere übersetzung?--> geleitet. Die Co-Vorsitzenden unternehmen regelmäßige Reisen in die Krisenregion und unterbreiten den beteiligten Seiten verschiedene Lösungsvorschläge, die vollendete Tatsachen (armenische Kontrolle über Berg-Karabach und die sechs umliegenden aserbaidschanischen Bezirke) mit der territorialen Integrität Aserbaidschans zu vereinbaren versuchen. Doch diese Vorschläge, sowie die während der Budapester Gipfelkonferenz der OSZE (1994) erzielten Durchbrüche im Konfliktlösungsprozess blieben erfolglos. |
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Infolge des bewaffneten Konflikts mit Armenien und der seit 1993-1994 andauernden armenischen Besetzung dieser Gebiete leben 700.000 bis 800.000 Aserbaidschaner (Stand 2003) als Flüchtlinge unter miserablen Lebensbedingungen. Ebenso mussten umgekehrt ca. 300.000 Armenier aus Aserbaidschan fliehen. |
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Five principalities of karabakh.png|Die [[Fünf Fürstentümer von Karabach]] im 16. Jh. |
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Nagorno Karabakh03.png|Die [[Autonome Oblast Bergkarabach]], 1923–1991 |
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Artsakh locator.png|[[Republik Arzach]] von 1994 bis 2020<br>orange: Bergkarabach, wie es sich 1991 für unabhängig erklärt hat<br>gelb: Andere besetzte Gebiete Aserbaidschans<br>gelb-orange schraffiert: Von Bergkarabach beanspruchte Gebiete unter aserbaidschanischer Kontrolle |
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== Literatur == |
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Seit 1998 sind die Friedensverhandlungen zwischen Aserbaidschan und Armenien auf die Ebene der im unregelmäßigen Turnus stattfindenden Zusammentreffen der aserbaidschanischen und armenischen Präsidenten verlegt worden. |
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* Emil Souleimanov: ''Der Konflikt um Berg-Karabach.'' In: ''OSZE-Jahrbuch'' 10 (2004), Bd. 10 (2004), S. 217–236. |
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* Haig E. Asenbauer: ''Zum Selbstbestimmungsrecht des armenischen Volkes von Berg-Karabach''. Wilhelm Braumüller, Wien 1993, (Reihe Ethnos Bd. 41), ISBN 3-7003-0978-3. |
|||
* Hravard Hakobian, Manfred Richter (Hrsg.): ''Armenisches Berg-Karabach/Arzach im Überlebenskampf: christliche Kunst, Kultur, Geschichte''. Edition Hentrich, Berlin 1993, ISBN 3-89468-072-5. |
|||
* Johannes Rau: ''Berg-Karabach in der Geschichte Aserbaidschans und die Aggression Armeniens gegen Aserbaidschan''. Köster, Berlin 2009, (Schriftenreihe Politikwissenschaft; Band 16), ISBN 978-3-89574-695-6. |
|||
* Heiko Langner: ''Krisenzone Südkaukasus – Berg-Karabach, Abchasien und Südossetien im Spannungsfeld von Identität, Völkerrecht und geostrategischen Interessen.'' Köster, Berlin 2009, (Schriftenreihe Sicherheitspolitik; Band 1), ISBN 978-3-89574-702-1. |
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== Weblinks == |
== Weblinks == |
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{{Commonscat|Republic of Artsakh|Bergkarabach|audio=0|video=0}} |
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{{Wiktionary}} |
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* [https://karabakh.co.uk/ Internetseite über Geschichte und Kultur der Aserbaidschaner von Karabach] (englisch) |
|||
* [https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/541909/das-ende-der-republik-berg-karabach/ „Das Ende der Republik Berg-Karabach“, Bundeszentrale für politische Bildung, 19. Oktober 2023] |
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* [http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/europe/country_profiles/3658938.stm BBC] über Bergkarabach (englisch) |
|||
* [http://www.nkr.am/en/ Außenministerium] der international nicht anerkannten Republik Arzach (englisch){{Toter Link|date=2025-01-06|url= http://www.nkr.am/en/}} |
|||
* [https://eng.kavkaz-uzel.eu/karabah Englischsprachige] und [https://www.kavkaz-uzel.eu/karabakh russischsprachige] Kurznachrichten von [[Kawkasski Usel]] aus Bergkarabach |
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== Einzelnachweise == |
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*[http://www.travel-images.com/nagorno-karabakh.html Bergkarabach - Bilder] |
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<references /> |
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{{Normdaten|TYP=g|GND=4224579-5|LCCN=n92070805|VIAF=239968712}} |
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{{Coordinate|NS=39.8|EW=46.7|dim=150000|type=landmark|region=AZ}} |
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[[Kategorie:Aserbaidschan]] [[Kategorie:Armenien]] |
|||
[[Kategorie:Bergkarabach| ]] |
|||
[[az:Dağlıq Qarabağ]] |
|||
[[Kategorie:Umstrittenes Territorium]] |
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[[ca:Alt Karabagh]] |
|||
[[Kategorie:Region im Kaukasus]] |
|||
[[en:Nagorno-Karabakh]] |
|||
[[Kategorie:Armenisch-aserbaidschanische Beziehungen]] |
|||
[[et:Mägi-Karabahh]] |
|||
[[fa:قرهباغ]] |
|||
[[hy:Լեռնային Ղարաբաղ]] |
|||
[[ka:მთიანი ყარაბაღი]] |
|||
[[nl:Nagorno-Karabach]] |
|||
[[pl:Górski Karabach]] |
|||
[[ru:Нагорный Карабах]] |
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[[sl:Gorski Karabah]] |
Aktuelle Version vom 24. März 2025, 19:45 Uhr
Lage Bergkarabachs in der größeren Region Karabach, die sich über Armenien und Aserbaidschan erstreckt Bergkarabach |
Bergkarabach (armenisch Լեռնային Ղարաբաղ Lernajin Gharabagh, wissenschaftliche Transliteration Leṙnayin Łarabał; aserbaidschanisch Dağlıq Qarabağ oder Yuxarı Qarabağ, „gebirgiger schwarzer Garten“ oder „oberer schwarzer Garten“; auch Berg-Karabach) ist eine bis zu deren Flucht im September 2023[1] mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region im Südosten des Kleinen Kaukasus. Gebräuchlich ist außerdem die Transkription der russischen Bezeichnung Нагорный Карабах, Nagorny Karabach. Sie ist Teil der größeren Region Karabach und umfasst deren mittleren, gebirgigen Teil, dominiert vom Karabachgebirge und dem Karabach-Hochland.
Die Region ist zwischen Armenien und Aserbaidschan umstritten, der Bergkarabachkonflikt dauert noch immer an. Als politischer Begriff wird Bergkarabach oft mit dem ehemaligen Autonomen Gebiet Bergkarabach innerhalb der früheren Aserbaidschanischen SSR und mit dem daraus entstandenen De-facto-Regime der Republik Arzach gleichgesetzt, das unter anderem nach Ansicht der Vereinten Nationen und des Europarates weiterhin Teil des Staatsgebietes Aserbaidschans ist. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 eskalierte der Konflikt zu einem Krieg, sodass ab Ende 1994 Bergkarabach und angrenzende Gebiete zu einem großen Teil von Armeniern kontrolliert wurden. Ab dem Krieg um Bergkarabach 2020 wurden größere Gebiete der Region wieder von Aserbaidschan kontrolliert. Seit September 2023 hat Aserbaidschan die alleinige Kontrolle über Bergkarabach.
Namen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Bezeichnung leitet sich vom Namen der größeren Region Karabach ab. Diese setzt sich aus ursprünglich persischen und türkischen Wortbestandteilen zusammen, so bedeutet im Aserbaidschanischen qara „schwarz“ und bağ „Garten“ (von persisch باغ, DMG bāġ), zusammen bedeuten sie „schwarzer Garten“.[2] Die Armenier nutzen für Bergkarabach vor allem die Bezeichnung Arzach (armenisch Արցախ', in wissenschaftlicher Transliteration Arc‘ax, in englischer Transkription Artsakh), die sich historisch auf die Provinz Arzach des antiken armenischen Königreiches der Artaxiden und das mittelalterliche Königreich Arzach bezieht.
Geographie
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Die Region liegt in der Großregion Karabach, die sich zwischen den Flüssen Kura und Aras erstreckt.[3] Während das nordöstlich benachbarte Niederkarabach in den Ebenen der Kura in der Kura-Aras-Niederung liegt, umfasst Bergkarabach die daran anschließenden Ausläufer des Kleinen Kaukasus, insbesondere das Karabachgebirge und das Karabach-Hochland sowie im Norden den Gebirgszug Murovdağ. In diesem befindet sich mit dem 3724 Meter hohen Gamış dağı auch die höchste Erhebung. Im Süden wird die Region vom Aras begrenzt, der hier auch die Staatsgrenze zum Iran bildet. Im Westen schließt sich die Region Sangesur beziehungsweise Sjunik an. Die Region ist nicht genau abgegrenzt. In jüngerer Zeit wird sie oft mit der ehemaligen Autonomen Oblast Bergkarabach innerhalb der früheren Aserbaidschanischen SSR identifiziert, die sich jedoch nur in einem Teil des Karabach-Gebirges erstreckte. Das Autonomiegebiet umfasste 4400 Quadratkilometer.[4][5]
Bergkarabach fällt nach Osten zur Kuraniederung sowie nach Süden zum Aras hin ab, fast alle Flüsse fließen von Westen nach Osten oder nach Süden. Die größten Flüsse sind der Hakari, der in den Aras mündet, sowie die durch Niederkarabach in den Kura abfließenden Tartar und Chatschen. Im Laufe der Jahrtausende entstanden an diesen Wasserläufen dabei Canyons. Der größte See ist der Sarsang-Stausee am Tartar. Die größte Stadt in der Region ist mit über 50.000 Einwohnern Stepanakert, das auch Hauptstadt der Republik Arzach ist. Alle anderen Orte sind mit höchstens einigen tausend Einwohnern deutlich kleiner. Historisch bedeutsam als frühere Hauptstadt des Khanats Karabach ist Schuscha (armenisch Շուշի Schuschi), das wegen des Bergkarabachkonflikts jedoch einen großen Teil seiner Bevölkerung verloren hat.
Die Landschaft wechselt von Steppe in den tieferliegenden Tälern und Ebenen über dichte Eichen- und Buchenwälder zu Birkenwäldern und alpinen Wiesen in den höheren Lagen.[5] Die jährliche Durchschnittstemperatur beträgt 11 Grad Celsius.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bis ins 19. Jahrhundert
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Das Gebiet von Bergkarabach war in der Antike oft Teil Armeniens, mehrfach aber auch des benachbarten Albania im heutigen Aserbaidschan oder bildete das Grenzland beider Staaten. Im 4. Jahrhundert wurde das Christentum in beiden Ländern Staatsreligion. Nach armenischer Auffassung war Bergkarabach mindestens ab dem Mittelalter mehrheitlich armenisch besiedelt. Infolge der arabischen Besetzung im 8. Jahrhundert stand die Region unter der Kontrolle verschiedener, vorwiegend muslimischer Völker, von Kurden, Arabern, Persern und ins Niederkarabach zugewanderten Turk-Stämmen. Spätestens mit der Landnahme der Seldschuken im 11. Jahrhundert stellten die dem islamischen Kulturkreis zugehörigen Ethnien die Bevölkerungsmehrheit in der Großregion. In Bergkarabach gab es dagegen durch die Fürstentümer der Meliks eine starke armenische Präsenz, wobei vom 12. bis zum 15. Jahrhundert die armenischen Fürsten des Hauses Hassan-Dschalaljan vom Fürstentum Chatschen über das Gebiet herrschten und 1216 das Kloster Gandsassar als Sitz des Katholikats von Aghwank (Albanien) der Armenischen Apostolischen Kirche gründeten.

Bis ins 18. Jahrhundert konnten sich lokale armenische Fürstentümer halten: die Fünf Fürstentümer von Karabach, die als Vasallen wechselnder Reiche regierten. Unter der Dynastie der Safawiden (1501–1736) waren die Fürsten Vasallen der persischen Schahs und zeitweise dem Khan von Gandscha unterstellt. Im ausgehenden 16. Jahrhundert übernahmen zeitweise die Osmanen die Vorherrschaft, wurden aber im 17. Jahrhundert in mehreren Kriegen vom Persischen Reich erfolgreich zurückgedrängt.[2] Mit dem Zerfall der Zentralmacht der Safawiden im 18. Jahrhundert machte sich das benachbarte Khanat Karabach unabhängig, unterwarf daraufhin die armenischen Fürsten und gliederte sie 1750 in das Khanat ein. 1805 unterstellte sich der Khan von Karabach dem Russischen Reich. 1813 trat Persien im Vertrag von Golestan Karabach und andere Khanate an Russland ab, wobei Karabach Teil des Gouvernements Elisawetpol wurde.[6]
Im 20. und 21. Jahrhundert
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach der Oktoberrevolution von 1917 erhoben sowohl Armenier als auch Aserbaidschaner Anspruch auf Bergkarabach. Um das Gebiet kam es zu heftigen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Demokratischen Republik Armenien und der Demokratischen Republik Aserbaidschan, nachdem der gemeinsame Staatenbund zerfallen war. Nach der Eroberung durch die Rote Armee entschied das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Russlands im Juli 1921, das Gebiet von Bergkarabach aufzuteilen und den Kernteil davon als sogenannte Autonome Oblast Bergkarabach und den Rest unmittelbar an die Aserbaidschanische SSR einzugliedern, was 1923 umgesetzt wurde.[6] Bis 1929 gehörte ein anderer Teil Bergkarabachs zum Roten Kurdistan, einer autonomen Provinz. In den 1960er Jahren kam es erneut zu vereinzelten Unruhen. Die Armenier fühlten sich diskriminiert und waren besorgt, weil ihr Anteil an der Bevölkerung in Bergkarabach langsam, aber stetig abnahm (1926: 93,5 Prozent, 1989: 73,5 Prozent).[7]
1988 eskalierte der Konflikt. Es gab Massendemonstrationen in Armenien sowie Schießereien mit mehreren hundert Toten und Pogrome in Aserbaidschan. In der Folge kam es zu beidseitigen Ausweisungswellen und Flucht der jeweiligen Minderheit. Im September 1991 erklärte die Republik Bergkarabach ihre Unabhängigkeit, im November schaffte daraufhin Aserbaidschan den autonomen Status der Region ab. Ab 1992 kam es nach dem Massaker von Chodschali, dem Massaker von Maraga und mit einer Gegenoffensive der Armee Bergkarabachs zu verstärkter Gewaltanwendung von beiden Seiten, ab 1993 beteiligte sich Armenien mit eigenen Verbänden am Konflikt. Beim Waffenstillstand 1994 kontrollierten Armenier einen Großteil des von der Republik Bergkarabach beanspruchten Gebiets und eine Pufferzone zu Aserbaidschan.[8] Die Unabhängigkeit Bergkarabachs wird international nicht anerkannt. Nach 1994 gab es mehrere gescheiterte Vermittlungsversuche sowie wiederholt Kampfhandlungen. Nach Gefechten im Sommer 2020 kam es Ende September zu einem erneuten Krieg.[9] Am 9. November 2020 unterzeichneten beide Konfliktparteien eine erneute Waffenruhevereinbarung unter Vermittlung Russlands.[10] Durch die aserbaidschanische Offensive hatte die Republik Arzach ein Drittel ihres Gebietes verloren, darunter auch früher zur Autonomen Oblast zählende, traditionell armenische Siedlungen und Städte wie Hadrut. In Folge des Waffenstillstands musste Arzach ein weiteres Drittel seines Gebiets, das die frühere Oblast umgab, an aserbaidschanische Kontrolle abgeben.
Ab dem Sommer 2023 war der Latschin-Korridor gesperrt, und Nahrungsmittel und Medikamente kamen nicht mehr nach Bergkarabach. Deswegen breitete sich eine Hungersnot in Bergkarabach aus. Die armenische Regierung versuchte über den Europarat oder den UN-Sicherheitsrat auf das Thema aufmerksam zu machen, jedoch konnte sich die internationale Staatengemeinschaft nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen.[11]
Im September 2023 eroberte Aserbaidschan Bergkarabach vollständig, was zur Flucht der Armenier führte.[12]
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Die Fünf Fürstentümer von Karabach im 16. Jh.
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Die Autonome Oblast Bergkarabach, 1923–1991
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Republik Arzach von 1994 bis 2020
orange: Bergkarabach, wie es sich 1991 für unabhängig erklärt hat
gelb: Andere besetzte Gebiete Aserbaidschans
gelb-orange schraffiert: Von Bergkarabach beanspruchte Gebiete unter aserbaidschanischer Kontrolle
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Emil Souleimanov: Der Konflikt um Berg-Karabach. In: OSZE-Jahrbuch 10 (2004), Bd. 10 (2004), S. 217–236.
- Haig E. Asenbauer: Zum Selbstbestimmungsrecht des armenischen Volkes von Berg-Karabach. Wilhelm Braumüller, Wien 1993, (Reihe Ethnos Bd. 41), ISBN 3-7003-0978-3.
- Hravard Hakobian, Manfred Richter (Hrsg.): Armenisches Berg-Karabach/Arzach im Überlebenskampf: christliche Kunst, Kultur, Geschichte. Edition Hentrich, Berlin 1993, ISBN 3-89468-072-5.
- Johannes Rau: Berg-Karabach in der Geschichte Aserbaidschans und die Aggression Armeniens gegen Aserbaidschan. Köster, Berlin 2009, (Schriftenreihe Politikwissenschaft; Band 16), ISBN 978-3-89574-695-6.
- Heiko Langner: Krisenzone Südkaukasus – Berg-Karabach, Abchasien und Südossetien im Spannungsfeld von Identität, Völkerrecht und geostrategischen Interessen. Köster, Berlin 2009, (Schriftenreihe Sicherheitspolitik; Band 1), ISBN 978-3-89574-702-1.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Internetseite über Geschichte und Kultur der Aserbaidschaner von Karabach (englisch)
- „Das Ende der Republik Berg-Karabach“, Bundeszentrale für politische Bildung, 19. Oktober 2023
- BBC über Bergkarabach (englisch)
- Außenministerium der international nicht anerkannten Republik Arzach (englisch) (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Januar 2025. Suche in Webarchiven)
- Englischsprachige und russischsprachige Kurznachrichten von Kawkasski Usel aus Bergkarabach
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Artak Beglaryan: Almost no Armenians are left in Nagorno-Karabakh. 1. Oktober 2023, abgerufen am 1. Oktober 2023 (englisch).
- ↑ a b Michael Reinhard Heß: Panzer im Paradies. Der Berg-Karabach-Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Verlag Dr. Köster, Berlin 2016, ISBN 978-3-89574-906-3, S. 29–32, 23–28 (verlag-koester.de [PDF; 1,7 MB] – Leseprobe des Verlags).
- ↑ Bergkarabach - Enzyklopädie - Brockhaus.de. Abgerufen am 7. Oktober 2020.
- ↑ Robert H. Hewsen, Armenia: A Historical Atlas. The University of Chicago Press, 2001, S. 163ff, 264.
- ↑ a b Nagorno-Karabakh. In: Encyclopaedia Britannica. Abgerufen am 7. Oktober 2020 (englisch).
- ↑ a b Andranik Eduard Aslanyan: Bergkarabach-Chronologie. In: Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus. Der Bergkarabach-Konflikt im Spannungsfeld von Interessen (1991–2015). Hochschulschrift. Springer Fachmedien Verlag, Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-658-28516-6, S. 335–349, doi:10.1007/978-3-658-28516-6 (springer.com [PDF; 710 kB]).
- ↑ Aser Babajew: Armenien. In: Weder Krieg noch Frieden im Südkaukasus. Hintergründe, Akteure, Entwicklungen zum Bergkarabach-Konflikt. Nomos, Baden-Baden 2014, ISBN 978-3-8487-1396-7, S. 73–90, doi:10.5771/9783845254500 (nomos-elibrary.de – Verlagsvorschau).
- ↑ Uwe Halbach: Nagorny-Karabach. Dossier. In: Konfliktporträts. Bundeszentrale für politische Bildung, 20. November 2017, abgerufen am 28. September 2020.
- ↑ Schwere Kämpfe in aserbaidschanischer Region Berg-Karabach. Deutsche Welle, 27. September 2020, abgerufen am 28. September 2020.
- ↑ Bergkarabach: Armeniens Regierungschef ordnet Ende der Kämpfe um Bergkarabach an. In: zeit.de. 10. November 2020, abgerufen am 11. November 2020.
- ↑ Alexander Kauschanski: Vor dem Verhungern. Seit Monaten ist Bergkarabach von der Versorgung abgeschnitten. Nun soll es einen Hungertoten geben. Der unterernährten Bevölkerung läuft die Zeit davon. In: Zeit Online. Zeit Online GmbH, 25. August 2023, abgerufen am 22. August 2023.
- ↑ Artak Beglaryan: Almost no Armenians are left in Nagorno-Karabakh. 1. Oktober 2023, abgerufen am 1. Oktober 2023 (englisch).
Koordinaten: 39° 48′ N, 46° 42′ O