„Imamiten“ – Versionsunterschied
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Als '''Imamiten''' ({{arS|الامامية|d=al-Imāmīya}}) werden in der [[islam]]ischen [[Doxographie]] diejenigen [[Schia|Schiiten]] bezeichnet, die nach dem Ende des umayyadischen [[Kalif]]ats das [[Imam]]at in der [[Aliden|husainidischen]] Linie der Nachkommenschaft von [[ʿAlī ibn Abī Tālib]] weiterführten und den Imam als allwissenden Führer betrachteten, sich auf politischer Ebene jedoch [[Politischer Quietismus|quietistisch]] verhielten.<ref>Vgl. dazu Halm: ''Die Schia.'' 1988, S. 34 und 49.</ref> Mehrere von ihnen lehrten, dass ihr jeweiliger Imam entrückt worden sei. In nicht-imamitischen Quellen werden diese Gruppen auch unter der abwertenden Bezeichnung [[Rāfida|Rāfiditen]] zusammengefasst. Der arabische Begriff der ''Imāmīya'' erscheint zum ersten Mal in einer [[Zaiditen|zaiditischen]] Quelle, die von [[Abū l-Hasan al-Aschʿarī]] (gest. 935) zitiert wird und wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts stammt.<ref>Vgl. Kohlberg: ''From Imāmiyya to Ithnā-ʿAshariyya'', 2011, S. 328.</ref> |
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Die '''Imamiten''' oder Zwölfer-[[Schiiten]] (von [[Arabische Sprache|arabisch]] ''Schi'at Ali'' = "Partei Alis") sind die größte Gruppe der Schiiten, die eine der drei ursprünglichen Glaubensrichtungen des [[Islam]]s darstellen. (Siehe auch [[Sunniten]] und [[Charidschiten]]). |
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Ihre Anhänger, die Imamiten, betrachten [[Ali ibn Abi Talib]] als rechtmäßigen Nachfolger ([[Kalif]]en) des Propheten [[Mohammed (Prophet)|Mohammed]]. |
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Die meisten imamitischen Gruppierungen gingen schon im [[Mittelalter]] unter, die einzige imamitische Gruppe, die bis in die Gegenwart fortbesteht, ist die [[Zwölfer-Schia]]. Deswegen wird der Begriff ''Imamiten'' heute meist als [[Synonym]] für die Zwölfer-Schiiten verwendet. |
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==Verbreitung== |
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== Die Imamiten nach asch-Schahrastānī == |
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Die Schiiten haben ihr ursprüngliches Zentrum im [[Irak]]. Mehr als die Hälfte der Iraker (ca.60%), vor allem im Süden des Landes, sind Schiiten. Mit Gründung der arabischen [[Kolonie]] [[Qom]] im [[8. Jahrhundert]] breitete die Schia sich auch in den [[Iran]] aus, der heute mit 91% seiner Bevölkerung den höchsten Anteil an Schiiten hat. Imamitische Schiiten gibt es u.a. auch im [[Libanon]], in [[Afghanistan]], in [[Saudi-Arabien]], [[Aserbaidschan]], [[Indien]] und [[Pakistan]], weltweit sind es ca. 110 Millionen. |
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[[Asch-Schahrastānī]] zählt in seinem Buch ''Religionspartheien und Philosophen-Schulen''<ref>Vgl. ''[[Muhammad al-Schahrastani|Abu-'l-Fath' Muhammad asch-Schahrastâni's]] Religionspartheien und Philosophen-Schulen.'' Zum ersten Male vollständig aus dem Arabischen übersetzt und mit erklärenden Anmerkungen versehen von Theodor Haarbrücker. Erster Theil. Schwetschke und Sohn, Halle 1850, S. 184–199, [http://archive.org/stream/abulfathmuhamma00unkngoog#page/n209/mode/2up hier online verfügbar].</ref> die folgenden Gruppen unter den Imamiten auf: |
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* die Bāqirīya und die stehenbleibende Dschaʿfarīya. Sie sind nach [[Muhammad al-Bāqir|Muhammad ibn ʿAlī al-Bāqir]] und seinem Sohn [[Dschaʿfar as-Sādiq]] (gest. 765) benannt und meinten jeweils von diesen Personen, dass sie nicht gestorben, sondern nur entrückt worden seien. |
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* die Nāwusīya. Die Anhänger dieser Gruppe nahmen ebenfalls an, das Dschaʿfar noch weiter lebt und als [[Mahdi]] zurückkehren werde. |
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* die Aftahīya. Sie verehrten den ältesten Sohn von Dschaʿfar, ʿAbdallāh al-Aftah, der der [[Murdschiʾa]] zuneigte,<ref>Vgl. Momen: ''An Introduction to Shiʿi Islam.'' 1985, S. 54.</ref> als siebten Imam. |
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* die Schumaitīya. Sie waren die Anhänger von Yahyā ibn Abī Schumait und meinten, dass sich das Imamat nach Dschaʿfar über seinen vierten Sohn Muhammad ad-Dībādsch vererbe.<ref>Vgl. Momen: ''An Introduction to Shiʿi Islam.'' 1985, S. 55.</ref> |
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* die Mūsāwīya und die Mufaddalīya. Sie behaupteten, dass das Imamat nach dem Tode Dschaʿfars auf seinen Sohn [[Mūsā ibn Dschaʿfar al-Kāzim|Mūsā al-Kāzim]] übergegangen sei. Einige ließen das Imamat bei ihm enden. |
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* die stehenbleibende Ismāʿīlīya. Nach ihrer Auffassung ging das Imamat nach Dschaʿfars Tod auf seinen Sohn Ismāʿīl über, endete aber mit ihm oder seinem Sohn Muhammad. Asch-Schahrastānī unterscheidet diese Ismailiten von den „bekannten“ späteren Ismailiten, die das Imamat über verborgene Personen weiterführten und die [[Fatimiden|fatimidischen]] [[Kalif]]en als Erben dieses Imamats betrachteten. |
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* die [[Zwölfer-Schia]] (''al-Ithnāʿašarīya''). Sie gehen aus denjenigen Imamiten hervor, die das Imamat über Mūsā al-Kāzim bis zu [[Hasan al-Askari]] weiterführten. Als letzterer kinderlos gestorben war, machte sich große Verunsicherung unter den Schiiten breit. Es kam zu einer Reihe von unterschiedlichen Lehrmeinungen über die Nachfolge im Imamat. Asch-Schahrastānī zählt insgesamt elf verschiedene Gruppen auf. Die Zwölfer-Schiiten, bei ihm die sechste Gruppe, behaupteten, dass Hasan al-ʿAskarī einen kleinen Sohn zurückgelassen hätte, der sich allerdings aus Angst vor seiner Tötung in die Verborgenheit zurückgezogen habe. Dieser Sohn mit dem Namen Muhammad sei der erwartete Imam. |
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== Imamitische Gelehrte bis zur Herausbildung der Zwölfer-Schia == |
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==Glaubenslehre== |
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In der frühen Abbasidenzeit begannen verschiedene imamitische Gelehrte, [[Hadith]]sammlungen zu erstellen. Sie enthalten Worte, Taten und überlieferte Verhaltensweise des [[Mohammed|Propheten]], der Imāme und der Prophetentochter [[Fātima bint Muhammad|Fātima]]. Die ältesten schiitischen Hadithsammlungen sind die ''400 Uṣūl'' (Prinzipien), die von Schülern des sechsten Imams Dschaʿfar as-Sādiq kompiliert wurden. Von diesen ''400 Uṣūl'' existieren einzelne Auszüge, die noch zu Lebzeiten der Imame zusammengestellt wurden. Ein weiterer bekannter imamitischer Traditionarier war Yūnus ibn ʿAbd ar-Rahmān (743–821). Er gehörte zu den Anhängern von Mūsā al-Kāzim. Der imamitische Traditionist Abū l-Hasan ʿAlī ibn Ibrāhīm al-Qummī (gest. nach 919) stellte einen ''Tafsīr'' zusammen. Dieses Werk ist eine der wichtigsten Quellen für die frühe imamitische Koranexegese. Es enthält auch lange Auszüge aus dem ''Tafsīr'' von Abū l-Dschārūd, dem Gründer der [[Zaiditen|zaiditischen]] Sekte der Dschārūdīya.<ref>Bar-Asher: ''Scripture and Exegesis in Early Imāmī Shiism''. 1999, S. 33–56.</ref> |
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Um die Mitte des 8. Jahrhunderts begannen imamitische Gelehrte, sich auch stärker mit dem [[Kalām]] zu beschäftigen. Zu den führenden imamitischen Kalām-Gelehrten des späten achten Jahrhunderts gehörten Schaitān at-Tāq (gest. 796; von Imamiten selbst oft „Mu'min at-Tāq“ genannt) und [[Hischām ibn al-Hakam]] (gest. nach 795).<ref>Vgl. van Ess: ''Theologie und Gesellschaft''. 1992, S. 336–382.</ref> Um die Mitte des neunten Jahrhunderts hielten [[Muʿtazila|muʿtazilitische]] Ansichten in der imamitischen Schia Einzug. Zu denjenigen, die diesen Trend beförderten, gehörten der philosophisch orientierte Gelehrte [[al-Hasan ibn Mūsā an-Naubachtī]] sowie die Gelehrten Abū ʿAbdallāh Muhammad ibn ʿAbdallāh Ibn Mumlak al-Isfahānī und Abū Dschaʿfar Ibn Qiba ar-Rāzī (gest. vor 931), die beide als Muʿtaziliten begonnen hatten, dann aber zur imamitischen Schia übergingen.<ref>Vgl. Modarressi: ''Crisis and Consolidation.'' 1993, S. 115–117.</ref> |
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Kerngedanke der schiitischen Religion in ihrer imamitischen Form ist der Glaube an die '''Vierzehn Unfehlbaren''': Der Prophet [[Mohammed (Prophet)|Mohammed]], dessen Tochter [[Fatima (Tochter des Propheten Mohammed)|Fatima]], und die zwölf [[Imam]]e. Die Schiiten beziehen sich dabei auf den Vers 33:33 des [[Koran]]s, in dem es heißt: ''"...Siehe, Allah will euch von jedem Übel bewahren, o Leute des Hauses (Ahl-ul Bait), und euch völlig reinhalten."'' Mit der Ahl-ul Bait sind die Vierzehn Unfehlbaren gemeint. Die zwölf Imame der Imamiten sind: |
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# [[Ali ibn Abi Talib]] (Hazrat Ali) (gest. 661) |
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* Meir Bar-Asher: ''Scripture and Exegesis in Early Imāmī Shiism''. Brill, Leiden 1999. |
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# [[Hasan ibn 'Alī]] (al-Hasan) (gest. 669) |
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* [[Josef van Ess]]: ''Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert der Hidschra. Eine Geschichte des religiösen Denkens im frühen Islam.'' Band 1. de Gruyter Berlin u. a. 1991, ISBN 3-11-011859-9, S. 272–403. |
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# [[Al-Husain ibn 'Alī|Hussein ibn-Ali]] (al-Husain) (gest. 680) |
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* Toufic Fahd (ed.): ''Le Shî'isme imâmite.'' Paris, 1970. |
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# [[Ali Zain al-Abidin]] (gest. um 713) |
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# [[Muhammad al-Baqir]] (gest. um 733) |
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* [[Etan Kohlberg]]: ''From Imāmiyya to Ithnā-ʿAshariyya'' in ''Bulletin of the School of Oriental and African Studies'' 39 (1976) 521–534. – Wiederabdruck in Abdullah Saeed (ed.): ''Islamic Political Thought and Governance. Critical Concepts in Political Science''. 4 Bde. Routledge, London and New York, 2011. Bd. I, S. 319–332. |
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# [[Dschafar ibn Muhammad|Dschafar al-Sadiq]] (gest. 765), Begründer der [[Dschafariten|Dschafaritischen]] Rechtsschule |
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* Etan Kohlberg: ''Belief and Law in Imami Shi'ism''. Variorum Reprints, Aldershot, 1991. |
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# [[Musa al-Kazim]] (gest. 799) |
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* Hossein Modarressi: ''Crisis and Consolidation in the formative period of Shiʿite Islam. Abū Jaʿfar ibn Qiba al-Rāzī and his contribution to Imāmite Shīʿite thought.'' Darwin Press, Princeton, New Jersey, 1993. |
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# [[Ali al-Rida]] (gest. 818) |
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* Moojan Momen: ''An Introduction to Shiʿi Islam. The History and Doctrines of Twelver Shiʿism.'' Yale University Press, New Haven CT u. a. 1985, ISBN 0-300-03499-7. |
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# [[Muhammad al-Taqi]] (gest. 835) |
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* W. Watt: "The Significance of the early stages of Imāmī Shiism" in Nikki Keddie (Hrsg.): ''Religion and Politics in Iran. Shiʿism from Quietism to Revolution''. New Haven 1983. S. 21–33. |
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# [[Ali al-Hadi]] (gest. 865) |
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# [[al-Hasan al-Askari]] (gest. 873) |
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# [[Muhammad al-Mahdi]] |
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Der zwölfte, [[Verborgener Imam|verborgene Imam]] [[Muhammad al-Mahdi]] -- dessen Existenz als historische Person in der Wissenschaft umstritten ist -- ist nach Ansicht der Zwölfer-Schiiten nicht gestorben, sondern wurde von Gott entrückt und lebt seitdem in Verborgenheit. Die Zwölfer-Schiiten glauben, dass er dereinst wiederkehren wird, um die [[Mission]] des Propheten zu vollenden und ein Reich der Gerechtigkeit auf Erden zu errichten. Dieser zwölfte Imam ist im [[Glauben]] der imamitischen Schiiten das einzig legitime Oberhaupt der [[Muslim]]e (in der heutigen Verfassung des Staats Iran ist er deshalb auch eigentliches Staatsoberhaupt). Der Klerus herrscht nach dieser Auffassung nur in Stellvertretung des zwölften Imans (''Wilayat-e Faqih'') bis zu dessen Wiederkehr aus der Verborgenheit. |
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== Belege == |
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Charakteristisch für die Schia ist der Gedanke des Büßertums, der sich vor allem in den [[Aschura]]-Riten zum Gedenken an die Ermordung des dritten Imams Hussein ibn-Ali in der [[Schlacht von Kerbela]] ausdrückt. In den 10-tägigen [[Muharram]]-Passionsfeiern geißeln sich viele Gläubige und klagen über die unterlassene Hilfe, die Hussein ibn-Ali das Leben kostete. Die Passionsfeiern bilden den wichtigsten Teil des schiitischen Festtagskalenders und einen alle Schiiten im Gedenken an Hussein ibn-Ali. |
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<references /> |
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==Klerus== |
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Die Hierarchie des Shia-Klerus: |
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# [[Mohammed (Prophet)|Mohammed]] und die Imame |
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# Marja-e taqlid-e motlaq (Absolute Instanz der Nachahmung) |
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# [[Groß-Ayatollah]] |
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# [[Ayatollah]] |
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# [[Hujjatulislam]] (Autorität des Islam) |
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# Einfache Geistliche, Studenten |
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Der Aufstieg zu einem Groß-Ayatollah ist für einen schiitischen Geistlichen ein langer und beschwerlicher Weg. Als Student durchläuft man drei Stufen. Die ''muqaddima''-Stufe (4-5 Jahre; arabisch lernen, islamisches Recht), die ''sath''-Stufe (5 jahre; [[Fiqh|islam. Rechtswissenschaft]] (''Fiqh''), [[Philosophie]]) und die ''kharij''-Stufe (ca. 8 Jahre). Erst wenn ein Lehrmeister den Reifstatus erteilt, wird man zur Autorität des Islams. Weitere Jahrzehnte vergehen mit dem Studium der Rechtswissenschaften auf dem Weg zum Groß-Ayatollah. Die Geistlichen sind die Rechtsprecher der Schiiten, wobei ein Spruch eines Groß-Ayatollah nur von einem Marja nichtig gemacht werden kann. Jeder Gläubige sucht sich einen Groß-Ayatollah als ''"Quelle der Nachahmung"'' und lebt dessen Rechtsauslegung. Diese Wahl ist allerdings nicht bindend. Missfällt der Spruch eines Ayatollah, so ist es legitim sich einen anderen zu suchen. Stirbt eine ''"Quelle der Nachahmung"'', so werden all ihre Rechtsprüche unwirksam. Die Gläubigen entrichten einen Teil ihres Geldes an ihren Ayatollah, womit u.a. die Lehre bezahlt wird. Die Macht eines Geistlichen misst sich an der Anzahl der Gläubigen die ihm folgen. Die Besetzung der höchsten Würde unterhalb des Propheten und der Imame, des Postens eines Marja-e taqlid-e motlaq kommt nur vor, wenn alle Groß-Ayatollah einen aus ihrer Mitte einstimmig als höher in Frömmigkeit und Weisheit ansehen. Zuletzt besetzte Groß-Ayatollah [[Borujerdi]] († 1961) dieses Amt. |
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==Geschichte== |
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Nach dem Tode des Propheten [[Mohammed (Prophet)|Mohammed]] wurde Ali, den nach Ansicht seiner Anhänger Mohammed persönlich als Nachfolger designiert hatte, übergangen und [[Abdallah Abu Bakr|Abu Bakr]] wurde zum [[Kalif]]en gewählt, während Ali und seine Familie noch mit der Bestattung des Propheten beschäftigt waren. Kurz vor dem Tod Abu Bakrs wurde [[Umar ibn al-Chattab|Omar]] nicht gewählt, sondern direkt zum Kalifen ernannt. Und schließlich, nach Omars Tod, wurde [[Uthman ibn Affan|Uthman]] von einem Gremium von loyalen Anhängern Omars, die Omar selbst ernannt hatte, zum Kalifen gewählt. Nach der Ermordung des dritten Kalifen eskalierte schließlich der Konflikt. Alis Anhänger erhoben ihn [[656]] zum Kalifen, er wurde jedoch nicht allgemein anerkannt. |
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Ein Schiedsgericht im Ort [[Adhruh]] sollte zwischen Ali und seinem Gegenspieler [[Mu'awija]] aus dem [[Klan]] der [[Omajaden]] entscheiden. Was das Gericht entschied, ist heute nicht mehr festzustellen, jedenfalls ließ sich Mu'awija [[660]] ebenfalls zum Kalifen proklamieren. Mu'awija verbündete sich mit Mohammeds Witwe [[Aischa bint Abi-Bakr|Aischa]] und erklärte Ali den Krieg. Ali konnte zwar die Schlacht gewinnen, sich aber nicht gegen die Macht der reichen [[Omajaden]] durchsetzen. |
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Ein halbes Jahr später fiel Ali der [[Blutrache]] zum Opfer. Mu'awija überlebte durch Zufall. Damit war die Herrschaftsfrage zugunsten der Omajaden entschieden. |
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Hassan, einer von Alis Söhnen aus der Ehe mit [[Fatima (Tochter des Propheten Mohammeds)|Fatima]], der Prophetentochter, der von den Schiiten als der zweite Imam angesehen wird, verzichtete auf eine Konfrontation mit Mu'awija. [[680]] erhob hingegen sein Bruder Hussein Anspruch auf das Kalifat, das mittlerweile Mu'awijas Sohn [[Jesid]] innehatte. In [[Kerbela]], einem kleinen Flecken in der Nähe des [[Euphrat]], kam es am 10. [[Muharram]] [[680]] zu der von den Schiiten als Massaker angesehen [[Schlacht von Kerbela]], in der die Truppen Jesids, angeblich ca. 4000 Mann, Hussein und seine kleine Truppe - nach schiitischer Überlieferung hauptsächlich Frauen und Kinder, unter anderem Husseins eigene Familie - mit fast allen seinen Begleitern töteten. Husseins Kopf wurde aufgespießt und als Warnung an andere Rebellen nach Damaskus gebracht. Dieses Ereignisses gedenken die Zwölfer-Schiiten an [[Aschura]], was soviel wie "zehn" heißt. |
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(Fortsetzung folgt) |
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==Siehe auch== |
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* [[Aschura]] |
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* [[Ruhollah Chomeini|Ayatollah Khomeini]] |
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* [[Sunniten]] |
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===Andere schiitische Gruppierungen=== |
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*[[Ismailiten (Schia)|Ismailiten]] |
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*[[Zaiditen]] |
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===Mit den Schiiten verwandte Gruppen=== |
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*[[Alawiten]] |
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*[[Drusen]] |
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* Wilfried Buchta: ''Schiiten.'' Kreuzlingen/München 2004, ISBN 3-7205-2491-4 |
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[[ar:اثنى عشرية]] |
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[[Kategorie:Islamische Richtung]] |
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[[en:Twelvers]] |
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[[fr:Chiisme duodécimain]] |
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[[ja:十二イマーム派]] |
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[[nl:Ithna ashri]] |
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[[pl:Imamici]] |
Aktuelle Version vom 27. August 2023, 23:04 Uhr
Als Imamiten (arabisch الامامية, DMG al-Imāmīya) werden in der islamischen Doxographie diejenigen Schiiten bezeichnet, die nach dem Ende des umayyadischen Kalifats das Imamat in der husainidischen Linie der Nachkommenschaft von ʿAlī ibn Abī Tālib weiterführten und den Imam als allwissenden Führer betrachteten, sich auf politischer Ebene jedoch quietistisch verhielten.[1] Mehrere von ihnen lehrten, dass ihr jeweiliger Imam entrückt worden sei. In nicht-imamitischen Quellen werden diese Gruppen auch unter der abwertenden Bezeichnung Rāfiditen zusammengefasst. Der arabische Begriff der Imāmīya erscheint zum ersten Mal in einer zaiditischen Quelle, die von Abū l-Hasan al-Aschʿarī (gest. 935) zitiert wird und wahrscheinlich aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts stammt.[2]
Die meisten imamitischen Gruppierungen gingen schon im Mittelalter unter, die einzige imamitische Gruppe, die bis in die Gegenwart fortbesteht, ist die Zwölfer-Schia. Deswegen wird der Begriff Imamiten heute meist als Synonym für die Zwölfer-Schiiten verwendet.
Die Imamiten nach asch-Schahrastānī
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Asch-Schahrastānī zählt in seinem Buch Religionspartheien und Philosophen-Schulen[3] die folgenden Gruppen unter den Imamiten auf:
- die Bāqirīya und die stehenbleibende Dschaʿfarīya. Sie sind nach Muhammad ibn ʿAlī al-Bāqir und seinem Sohn Dschaʿfar as-Sādiq (gest. 765) benannt und meinten jeweils von diesen Personen, dass sie nicht gestorben, sondern nur entrückt worden seien.
- die Nāwusīya. Die Anhänger dieser Gruppe nahmen ebenfalls an, das Dschaʿfar noch weiter lebt und als Mahdi zurückkehren werde.
- die Aftahīya. Sie verehrten den ältesten Sohn von Dschaʿfar, ʿAbdallāh al-Aftah, der der Murdschiʾa zuneigte,[4] als siebten Imam.
- die Schumaitīya. Sie waren die Anhänger von Yahyā ibn Abī Schumait und meinten, dass sich das Imamat nach Dschaʿfar über seinen vierten Sohn Muhammad ad-Dībādsch vererbe.[5]
- die Mūsāwīya und die Mufaddalīya. Sie behaupteten, dass das Imamat nach dem Tode Dschaʿfars auf seinen Sohn Mūsā al-Kāzim übergegangen sei. Einige ließen das Imamat bei ihm enden.
- die stehenbleibende Ismāʿīlīya. Nach ihrer Auffassung ging das Imamat nach Dschaʿfars Tod auf seinen Sohn Ismāʿīl über, endete aber mit ihm oder seinem Sohn Muhammad. Asch-Schahrastānī unterscheidet diese Ismailiten von den „bekannten“ späteren Ismailiten, die das Imamat über verborgene Personen weiterführten und die fatimidischen Kalifen als Erben dieses Imamats betrachteten.
- die Zwölfer-Schia (al-Ithnāʿašarīya). Sie gehen aus denjenigen Imamiten hervor, die das Imamat über Mūsā al-Kāzim bis zu Hasan al-Askari weiterführten. Als letzterer kinderlos gestorben war, machte sich große Verunsicherung unter den Schiiten breit. Es kam zu einer Reihe von unterschiedlichen Lehrmeinungen über die Nachfolge im Imamat. Asch-Schahrastānī zählt insgesamt elf verschiedene Gruppen auf. Die Zwölfer-Schiiten, bei ihm die sechste Gruppe, behaupteten, dass Hasan al-ʿAskarī einen kleinen Sohn zurückgelassen hätte, der sich allerdings aus Angst vor seiner Tötung in die Verborgenheit zurückgezogen habe. Dieser Sohn mit dem Namen Muhammad sei der erwartete Imam.
Imamitische Gelehrte bis zur Herausbildung der Zwölfer-Schia
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der frühen Abbasidenzeit begannen verschiedene imamitische Gelehrte, Hadithsammlungen zu erstellen. Sie enthalten Worte, Taten und überlieferte Verhaltensweise des Propheten, der Imāme und der Prophetentochter Fātima. Die ältesten schiitischen Hadithsammlungen sind die 400 Uṣūl (Prinzipien), die von Schülern des sechsten Imams Dschaʿfar as-Sādiq kompiliert wurden. Von diesen 400 Uṣūl existieren einzelne Auszüge, die noch zu Lebzeiten der Imame zusammengestellt wurden. Ein weiterer bekannter imamitischer Traditionarier war Yūnus ibn ʿAbd ar-Rahmān (743–821). Er gehörte zu den Anhängern von Mūsā al-Kāzim. Der imamitische Traditionist Abū l-Hasan ʿAlī ibn Ibrāhīm al-Qummī (gest. nach 919) stellte einen Tafsīr zusammen. Dieses Werk ist eine der wichtigsten Quellen für die frühe imamitische Koranexegese. Es enthält auch lange Auszüge aus dem Tafsīr von Abū l-Dschārūd, dem Gründer der zaiditischen Sekte der Dschārūdīya.[6]
Um die Mitte des 8. Jahrhunderts begannen imamitische Gelehrte, sich auch stärker mit dem Kalām zu beschäftigen. Zu den führenden imamitischen Kalām-Gelehrten des späten achten Jahrhunderts gehörten Schaitān at-Tāq (gest. 796; von Imamiten selbst oft „Mu'min at-Tāq“ genannt) und Hischām ibn al-Hakam (gest. nach 795).[7] Um die Mitte des neunten Jahrhunderts hielten muʿtazilitische Ansichten in der imamitischen Schia Einzug. Zu denjenigen, die diesen Trend beförderten, gehörten der philosophisch orientierte Gelehrte al-Hasan ibn Mūsā an-Naubachtī sowie die Gelehrten Abū ʿAbdallāh Muhammad ibn ʿAbdallāh Ibn Mumlak al-Isfahānī und Abū Dschaʿfar Ibn Qiba ar-Rāzī (gest. vor 931), die beide als Muʿtaziliten begonnen hatten, dann aber zur imamitischen Schia übergingen.[8]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Meir Bar-Asher: Scripture and Exegesis in Early Imāmī Shiism. Brill, Leiden 1999.
- Josef van Ess: Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert der Hidschra. Eine Geschichte des religiösen Denkens im frühen Islam. Band 1. de Gruyter Berlin u. a. 1991, ISBN 3-11-011859-9, S. 272–403.
- Toufic Fahd (ed.): Le Shî'isme imâmite. Paris, 1970.
- Heinz Halm: Die Schia. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, ISBN 3-534-03136-9, S. 34–47.
- Etan Kohlberg: From Imāmiyya to Ithnā-ʿAshariyya in Bulletin of the School of Oriental and African Studies 39 (1976) 521–534. – Wiederabdruck in Abdullah Saeed (ed.): Islamic Political Thought and Governance. Critical Concepts in Political Science. 4 Bde. Routledge, London and New York, 2011. Bd. I, S. 319–332.
- Etan Kohlberg: Belief and Law in Imami Shi'ism. Variorum Reprints, Aldershot, 1991.
- Hossein Modarressi: Crisis and Consolidation in the formative period of Shiʿite Islam. Abū Jaʿfar ibn Qiba al-Rāzī and his contribution to Imāmite Shīʿite thought. Darwin Press, Princeton, New Jersey, 1993.
- Moojan Momen: An Introduction to Shiʿi Islam. The History and Doctrines of Twelver Shiʿism. Yale University Press, New Haven CT u. a. 1985, ISBN 0-300-03499-7.
- W. Watt: "The Significance of the early stages of Imāmī Shiism" in Nikki Keddie (Hrsg.): Religion and Politics in Iran. Shiʿism from Quietism to Revolution. New Haven 1983. S. 21–33.
Belege
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Vgl. dazu Halm: Die Schia. 1988, S. 34 und 49.
- ↑ Vgl. Kohlberg: From Imāmiyya to Ithnā-ʿAshariyya, 2011, S. 328.
- ↑ Vgl. Abu-'l-Fath' Muhammad asch-Schahrastâni's Religionspartheien und Philosophen-Schulen. Zum ersten Male vollständig aus dem Arabischen übersetzt und mit erklärenden Anmerkungen versehen von Theodor Haarbrücker. Erster Theil. Schwetschke und Sohn, Halle 1850, S. 184–199, hier online verfügbar.
- ↑ Vgl. Momen: An Introduction to Shiʿi Islam. 1985, S. 54.
- ↑ Vgl. Momen: An Introduction to Shiʿi Islam. 1985, S. 55.
- ↑ Bar-Asher: Scripture and Exegesis in Early Imāmī Shiism. 1999, S. 33–56.
- ↑ Vgl. van Ess: Theologie und Gesellschaft. 1992, S. 336–382.
- ↑ Vgl. Modarressi: Crisis and Consolidation. 1993, S. 115–117.