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„Pfaffsche Form“ – Versionsunterschied

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Kilian Klaiber (Diskussion | Beiträge)
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In den [[Mathematik|mathematischen]] Teilgebieten der [[Analysis]] und der [[Differentialgeometrie]] bezeichnet '''Pfaffsche Form''' (nach [[Johann Friedrich Pfaff]])<ref>Günther J. Wirsching: ''Gewöhnliche Differentialgleichungen. Eine Einführung mit Beispielen, Aufgaben und Musterlösungen.'' Teubner Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 3-519-00515-8, S. 63, [https://books.google.de/books?id=yyiqlI8euUsC&pg=PA63&hl=de books.google.de]</ref>, '''Kovektorfeld'''<ref>{{Literatur |Autor=Rainer Oloff |Titel=Geometrie der Raumzeit: Eine mathematische Einführung in die Relativitätstheorie |Auflage=5. |Verlag=Vieweg+Teubner Verlag |Ort= |Datum=2010 |ISBN=978-3834810076 |Seiten=39}}</ref> oder kurz '''1-Form'''<ref name="Lee130">John M. Lee: ''Introduction to Smooth Manifolds'' (= ''Graduate Texts in Mathematics'' 218). Springer-Verlag, New York NY u. a. 2003, ISBN 0-387-95448-1, S. 130.</ref> ein Objekt, das in gewisser Weise dual zu einem [[Vektorfeld]] ist. Es ist eine [[Differentialform]] vom Grad 1. Pfaffsche Formen sind die natürlichen Integranden für [[Kurvenintegral|Wegintegrale]].
{{Doppeleintrag|Differentialform|--[[Benutzer:Gunther|Gunther]] 13:34, 15. Mär 2005 (CET)}}
''Diskussion bitte [[Diskussion:Differentialform|dort]]''


==Definition der Pfaffschen Form==
== Definition ==


Mit <math>U \subset \R^n</math> wird im Folgenden eine offene Teilmenge des euklidischen Raums bezeichnet. Eine ''Pfaffsche Form'' <math>\omega</math> auf <math>U</math> ordnet jedem Punkt <math>p\in U</math> eine [[Linearform]] <math>\omega_p\colon\mathrm T_pU\to\mathbb R</math> zu. Derartige Linearformen heißen ''Kotangentialvektoren''; sie sind Elemente des [[Dualraum]]es <math>\mathrm T^*_pU</math> des [[Tangentialraum]]es <math>\mathrm T_pU</math>. Der Raum <math>\mathrm T^*_pU</math> wird ''[[Kotangentialraum]]'' genannt. Mit <math>\textstyle \bigsqcup_{p\in U}\mathrm T^*_pU</math> wird die [[disjunkte Vereinigung]] aller Kotangentialräume bezeichnet. Dieser Raum heißt [[Kotangentialbündel]].
Die '''Pfaffsche Form''' <math>\vec w</math>, auch '''[[Differentialform]] 1. Ordnung''' genannt, ist ein Begriff aus der [[Differentialgeometrie]]. Sie ordnet jedem Punkt <math>\vec p</math> aus einer [[offen]]en Menge <math>U\subset\mathbb{R}^n </math> einen Cotangential[[vektor]] <math>\vec w\left(\vec p \right)</math> zu. Das heißt:


Eine Pfaffsche Form <math>\omega</math> ist also eine Abbildung
: <math>\omega\colon U\to\bigsqcup_{p\in U}\mathrm T^*_pU,\quad p\mapsto\omega_p\in\mathrm T^*_pU</math>.


== Andere Definitionen ==
<div align="center"><math>\vec p\mapsto \vec w\left( \vec p \right)</math>
</div>


Sei weiterhin <math>U \subset \R^n</math> eine offene Teilmenge. Obige Definition ist zu jeder der folgenden Aussagen äquivalent:
* Eine differenzierbare Pfaffsche Form ist eine <math>C^\infty(U)</math>-lineare Abbildung <math>\Gamma\mathrm (TU)\to C^\infty(U)</math>, wobei <math>\Gamma\mathrm (TU)</math> den Vektorraum der differenzierbaren Vektorfelder auf <math>U</math> bezeichnet. Stetige oder messbare Pfaffsche Formen sind analog definiert.
* Die oben gegebene Menge <math>\textstyle \bigsqcup_{p\in U}\mathrm T^*_pU</math> wird als [[Kotangentialbündel]] bezeichnet. Das ist nichts anderes als das duale [[Vektorbündel]] des [[Tangentialbündel]]s. Eine Pfaffsche Form kann damit als [[Schnitt (Faserbündel)|Schnitt]] des Kotangentialbündels definiert werden.
* Die Pfaffschen Formen sind genau die kovarianten [[Tensorfeld]]er erster Stufe.


== Totales Differential einer Funktion ==
<div align="center"><math>\vec w:U\rightarrow \bigcup_{\vec p\in U}^{} T^*_\vec p\left( U \right) </math>
{{Hauptartikel|Totales Differential}}
</div>


Ein zentrales Beispiel einer Pfaffschen Form ist das totale Differential einer [[Differenzierbare Funktion|differenzierbaren Funktion]].


Sei also <math>f\colon U\rightarrow\mathbb{R}</math> eine differenzierbare Funktion und ist <math>X\in\mathrm T_pU</math> ein Tangentialvektor, so ist das totale Differential <math>\mathrm df</math> definiert als
Ein Cotangentialvektor <math>\vec w\left(\vec p \right)</math> ist eine [[lineare Abbildung]], welche die Elemente <math>\vec v</math> des Tangential[[vektorraum]]s <math>T_\vec p\left( U \right)</math> auf Punkte <math>\left\langle \vec w\left(\vec p \right), \vec v\right\rangle\in \mathbb{R} </math> abbildet.
: <math>(\mathrm df)_p(X)=Xf</math>,
also gleich der [[Richtungsableitung]] von <math>f</math> in Richtung <math>X</math>.


Ist also <math>\gamma\colon(-\varepsilon,\varepsilon)\to U</math> ein Weg mit <math>\gamma(0)=p</math> und <math>\dot\gamma(0)=X</math>, so ist
<div align="center"><math>\vec v\mapsto \left\langle \vec w\left(\vec p \right), \vec v\right\rangle </math>
:<math>(\mathrm df)_p(X)=\left.\frac{\mathrm d}{\mathrm dt}\right|_{t=0}f(\gamma(t))</math>.
</div>


Es gilt:
* <math>\mathrm d\lambda=0,</math> falls <math>\lambda\in\mathbb R</math> eine konstante Funktion ist;
* <math>\mathrm d(fg)=f\cdot\mathrm dg+g\cdot\mathrm df</math> für differenzierbare Funktionen <math>f,g\in C^\infty(U)</math>.


Ist auf <math>U</math> ein [[Skalarprodukt]] <math>\langle \cdot , \cdot \rangle</math> gegeben, so lässt sich das totale Differential von <math>f</math> mit Hilfe des [[Gradient (Mathematik)|Gradienten]] darstellen:
<div align="center"><math>\vec w\left(\vec p \right):T_\vec p\left( U \right)\rightarrow\mathbb{R}</math>
: <math>(\mathrm df)_p(X)=\langle\mathrm{grad}\,f,X\rangle</math>.
</div>


== Koordinatendarstellung ==


Es sei <math>x_1,\ldots,x_n</math> ein [[Koordinatensystem]] auf der offenen Menge <math>U \subset \R^n</math>. Die Koordinaten können als Funktionen
Der Tangentialvektorraum <math>T_\vec p\left( U \right)</math> bezeichnet die Menge aller Vektoren <math>\vec v</math>, die Tangentenvektoren von in U liegenden, stetig differenzierbaren Kurven am Punkt <math>\vec p</math> sind.
: <math>x_i\colon U\to\mathbb R,\quad p\mapsto x_i(p)</math>
aufgefasst werden, die einem Punkt seine <math>i</math>-te Koordinate zuordnen. Die totalen Differentiale <math>\mathrm dx_1,\ldots,\mathrm dx_n</math> dieser Funktionen bilden eine ''lokale Basis''. Das heißt, für jeden Punkt <math>p\in U</math> ist
: <math>\{(\mathrm dx_1)_p,\ldots,(\mathrm dx_n)_p\}</math>
eine Vektorraumbasis von <math>\mathrm T^*_pU</math>. Somit hat jeder Kotangentialvektor <math>\phi \in \mathrm T^*_pU</math> eine Koordinatendarstellung
:<math>\phi = \sum_{i=1}^n c_i (\mathrm{d} x_i)_p </math>
mit eindeutig bestimmten Koeffizienten <math>c_i \in \R</math>. Also kann auch jede Pfaffsche Form <math>\omega</math> auf eindeutige Weise durch
: <math>\omega = f_1\,\mathrm dx_1+\dotsb +f_n\,\mathrm dx_n = \sum_{i=1}^n f_i \mathrm{d} x_i</math>
mit Funktionen <math>f_i\colon U\to\mathbb R</math> dargestellt werden.<ref>[[Otto Forster]]: ''Analysis.'' Band 3: ''Integralrechnung im <math>\R^n</math> mit Anwendungen.'' 4. Auflage. Vieweg + Teubner, Braunschweig u. a. 2007, ISBN 978-3-528-37252-1, S. 193–194.</ref>


Die totale Ableitung einer beliebigen differenzierbaren Funktion <math>f\colon U\to\mathbb R</math> hat die Darstellung
Da jeder beliebige Vektor <math>\vec v\varepsilon\mathbb{R}^n</math> Tangentialvektor am Punkt <math>\vec p</math> der stetig differenzierbaren Kurve <math>\vec \phi\left( t \right)=\vec p+t\vec v</math> ist, gilt <math>T_\vec p\left( U \right)=\mathbb{R}^n</math>. Die Existenz der Kurve <math>\vec \phi</math> in <math>U\subset\mathbb{R}^n</math> ergibt sich daraus, dass <math>U\subset\mathbb{R}^n</math> eine offene Menge ist.
: <math>\mathrm df=\frac{\partial f}{\partial x_1}\mathrm dx_1+\dotsb+\frac{\partial f}{\partial x_n}\mathrm dx_n = \sum_{i=1}^n \frac{\partial f}{\partial x_i} \mathrm dx_i</math>.


== Kurvenintegral ==


{{Hauptartikel|Kurvenintegral}}
Die Menge der Cotangentialvektoren <math>\vec w\left(\vec p \right)</math> bildet einen [[Vektorraum]] mit derselben [[Dimension]] wie der Tangentialvektorraum<math>T_\vec p\left( U \right)</math>. Der Begriff Cotangentialvektorraum <math>T^*_\vec p\left( U \right)</math> bezeichnet deshalb die Menge der linearen Abbildungen <math>\vec w\left(\vec p \right)</math>. Die Vereinigung aller Cotangentialvektorräume über der Teilmenge U stellt den Bildraum der Pfaffschen Form dar.


=== Definition des Kurvenintegrals ===
==Koordinaten-Darstellung==


Es sei <math>\varphi\colon[a,b]\rightarrow U</math> ein stetig differenzierbarer [[Weg (Mathematik)|Weg]] in <math>U</math> und <math>\omega</math> eine 1-Form auf <math>U</math>. Dann ist das Integral von <math>\omega</math> entlang <math>\varphi</math> definiert als:
Für jede Pfaffsche Form existiert eine ''Koordinaten-Darstellung'':
: <math>\int_\varphi\omega=\int_a^b\omega_{\varphi(t)}(\dot\varphi(t))\,\mathrm dt</math>
Dabei bezeichnet <math>\dot\varphi</math> die Ableitung von <math>\varphi</math> nach dem Parameter <math>t</math>.


=== Geometrische Interpretation des Kurvenintegrals ===
<math>\vec w\left(\vec p \right)=\sum_{i=1}^n f_i\left( \vec p \right)\overrightarrow {dx}_i\left( \vec p \right)</math> für alle <math> \vec p\varepsilon U</math> bzw.


Eine stetig differenzierbare Funktion <math>\varphi\colon[a,b]\to\R^3</math> stellt die Parametrisierung einer Raumkurve dar. Der Parameter <math>t\in[a,b]</math> kann als Zeitparameter aufgefasst werden. Zum Zeitpunkt <math>t=a</math> befindet man sich am Ort <math>\varphi(a)</math>. Dann wird entlang einer bestimmten Bahn oder Kurve zum Ort <math>\varphi(b)</math> gefahren. Also zum Zeitpunkt <math>t=b</math> ist der Endpunkt <math>\varphi(b)</math> der Kurve erreicht. Wird zu jedem Zeitpunkt <math>t</math> der Ort des Überfahrens notiert, so ergibt sich die Abbildung <math>\varphi\colon[a,b]\rightarrow\R^3</math>.
<div align="center"><math>\vec w =\sum_{i=1}^n f_i \overrightarrow {dx}_i </math></div>


Dieselbe Kurve kann auf unterschiedliche Weise durchfahren werden. So ist konstante Geschwindigkeit eine Möglichkeit. Eine weitere ergibt sich aus einem langsamen Start und mit anschließender Beschleunigung. Für dieselbe Kurve gibt es unterschiedliche Parametrisierungen. Die Bezeichnung „Kurvenintegral“ ist gerechtfertigt, weil gezeigt werden kann, dass der Wert des Integrals unabhängig von der gewählten Parametrisierung der Kurve ist, mit einer Ausnahme: Wird der Anfangs- und Endpunkt der Kurve vertauscht, erfolgt also die Bewegung vom Endpunkt zurück zum Anfangspunkt der Kurve, so ändert sich das [[Vorzeichen (Zahl)|Vorzeichen]] des Integrals.


[[Datei:Pfaffsche Form 001.jpg|mini|hochkant=1.3|Kurve <math>\varphi(t)</math> nach der Bogenlänge parametrisiert]]
Im Anschauungsraum <math>\R^3</math> können Tangential- und Kotangentialvektoren mithilfe des Skalarproduktes miteinander identifiziert werden: Einem Kotangentialvektor <math>\omega</math> entspricht der Vektor <math>\vec w</math>, für den
: <math>\omega(\vec x)=\langle\vec w,\vec x\rangle</math> für alle <math>\vec x\in\R^3</math>
gilt. So können 1-Formen mit Vektorfeldern identifiziert werden.


Dem Integral einer 1-Form entspricht das (gewöhnliche) Integral über das Skalarprodukt mit dem Tangentenvektor:
: <math>\int_\varphi\omega=\int_{a}^{b} \langle \vec w, \dot\varphi(t)\rangle\,\mathrm dt</math>
Ist die Kurve [[Länge (Mathematik)#Parametrisierung einer Kurve nach der Weglänge|nach der Bogenlänge parametrisiert]], so ist der Integrand die (gerichtete) Länge der Projektion des Vektors <math>\vec w</math> auf die Tangente <math>\tau</math> an die Kurve:
: <math>\int_\varphi\omega=\int \|\vec w\|\cdot\cos\angle(\vec w,\vec\tau)\,\mathrm ds</math>


=== Kurvenintegral des totalen Differentials ===
Die ''Funktionen <math>f_i</math>'' sind beliebige Abbildungen aus der offenen Menge <math>U\subset\mathbb{R}^n </math> in den Körper der reellen Zahlen <math>\mathbb{R} </math>, d.h. <math>f_i\left( \vec p \right)\varepsilon\mathbb{R} </math>.


Für das Kurvenintegral des totalen Differentials <math>\mathrm dF</math> entlang eines Weges <math>\varphi\colon[a,b]\to U</math> gilt:
Die ''Differentiale <math>\overrightarrow {dx}_i\left(\vec p \right)</math>'' stellen jeweils Basisvektoren des Cotangentialvektorraums <math>T^*_\vec p\left( U \right)</math> dar. Deshalb lässt sich jede Pfaffsche Form <math>\vec w</math> als Entwicklung der Differentiale <math>\overrightarrow {dx}_i</math> darstellen, d.h. für jede Pfaffsche Form existiert genau eine Koordinatendarstellung.
: <math>\int_\varphi\mathrm dF = F(\varphi(b))-F(\varphi(a))</math>


Das Integral des totalen Differentials hängt also nicht von der Kurvenform, sondern nur von den Endpunkten der Kurve ab. Das Integral über eine geschlossene Kurve, also <math>\varphi(a)=\varphi(b)</math>, ist somit gleich Null:
Sei <math>\vec e_j=\left( 0, ..., 0, j , 0, ..., 0 \right)</math> einer der Basisvektoren <math>\vec e_1</math>, ...,<math>\vec e_n</math> des Tangentialvektorraums <math>T_\vec p\left( U \right)</math>. Jede der linearen Abbildungen <math>\overrightarrow {dx}_i</math> ist eindeutig durch das Bild der Basisvektoren <math>\vec e_1</math>, ...,<math>\vec e_n</math> definiert. Es gilt:
: <math>\oint_\varphi\mathrm dF=0</math>


Im Spezialfall <math>U\subset\R</math> und <math>\varphi(t)=t</math> ergibt sich der [[Fundamentalsatz der Analysis]], da das Integral auf der linken Seite
<math>\overrightarrow {dx}_i\left(\vec p \right)\left\{ e_j \right\} </math>=<math>\left\langle \overrightarrow {dx}_i\left(\vec p \right),\vec e_j\right\rangle</math>=<math>\delta_{i, j}</math> für alle <math> \vec p\varepsilon U</math> bzw.
: <math>\int_\varphi\mathrm dF=\int_a^bF'(t)\,\mathrm dt</math>
ist. Die obigen Aussagen lassen sich direkt auf den Fundamentalsatz zurückführen.


== Stammfunktion ==
<div align="center"><math>\left\langle \overrightarrow {dx}_i,\vec e_j\right\rangle</math>=<math>\delta_{i, j}</math>
Jede stetige Differentialform <math>f \mathrm{d} x</math> auf einem Intervall <math>I \subset \R</math> besitzt nach dem [[Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung]] eine [[Stammfunktion]], also eine Funktion <math>F</math> mit <math>\mathrm{d} F = f \mathrm{d} x</math>. Im mehrdimensionalen Fall gilt dies nicht mehr.
</div>


=== Definition der Stammfunktion für Pfaffsche Formen ===
<math>\delta_{i, j}</math> repräsentiert das sogenannte [[Kronecker-Delta]]


Eine stetig differenzierbare Funktion <math>F\colon U\rightarrow\mathbb{R}</math> heißt Stammfunktion der Pfaffschen Form <math>\omega</math>, wenn
==Kurvenintegral der Pfaffschen Form==
: <math>\mathrm dF=\omega</math>
gilt.<ref>[[Konrad Königsberger]]: ''Analysis 2.'' Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg, 2000, ISBN 3-540-43580-8, S. 182.</ref>


=== Exakte und geschlossene Formen ===
Sei <math>\vec\varphi:\left[a,b\right]\rightarrow U</math> eine stetig differenzierbare Kurve in <math>U\subset\mathbb{R}^n </math>, dann ist das Integral der Pfaffschen Form entlang der Kurve <math>\varphi</math> definiert durch:


Eine 1-Form heißt ''exakt'', wenn sie eine Stammfunktion besitzt.
<math>\int_\vec \varphi \vec w</math>:= <math>\int_{a}^{b} \left\langle \vec w\left(\vec\varphi\left( t \right)\right), \vec\varphi'\left(t\right)\right\rangle dt</math>


Eine 1-Form <math>\textstyle \omega =\sum_{i=1}^n f_i\,\mathrm dx_i</math> heißt ''geschlossen'', wenn gilt:
<math>=\int_{a}^{b}\left\langle\sum_{i=1}^n f_i\left( \vec \varphi \right)\overrightarrow {dx}_i\left( \vec \varphi \right), \vec \varphi'\right\rangle dt</math>
: <math>\frac{\partial f_i}{\partial x_j}=\frac{\partial f_j}{\partial x_i}</math> für alle <math>i,j</math>
Allgemeiner kann ein [[totales Differential]] definiert werden, das jeder 1-Form eine [[Differentialform|2-Form]] <math>\mathrm d\omega</math> zuordnet. Eine Form heißt genau dann geschlossen, wenn <math>\mathrm d\omega=0</math> gilt. Aus dem [[Satz von Schwarz]] folgt, dass jede exakte Form geschlossen ist.


=== Existenz einer Stammfunktion ===
<math>=\int_{a}^{b}\sum_{i=1}^n f_i\left( \vec \varphi \right)\varphi' _idt</math>


Geschlossenheit einer Pfaffschen Form ist also eine [[notwendige Bedingung]] für Exaktheit. Das [[Poincaré-Lemma]] macht eine Aussage darüber, wann geschlossene Pfaffsche Formen auch exakt sind. Die Voraussetzungen für die Umkehrung sind von globaler Natur: In einem [[Sterngebiet|sternförmigen Gebiet]] <math>U\subset\mathbb{R}^n </math> besitzt jede geschlossene Pfaffsche Form eine Stammfunktion – ist also exakt. Insbesondere ist jede geschlossene Pfaffsche Form lokal exakt.
Dabei gilt für <math>\varphi' _i</math>=<math>\left\langle \overrightarrow {dx}_i\left( \vec \varphi \right), \vec \varphi' \right\rangle</math>


Eine stetige Pfaffsche Form <math>\omega</math> auf einem Gebiet <math>U\subset\mathbb{R}^n </math> besitzt genau dann eine Stammfunktion, wenn das Integral von <math>\omega</math> entlang jeder geschlossenen Kurve <math>\varphi</math> in <math>U</math> verschwindet.<ref>[[Konrad Königsberger]]: ''Analysis 2.'' Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg, 2000, ISBN 3-540-43580-8, S. 183–184.</ref>
In Kurzform lässt sich das folgendermaßen ausdrücken:


== Pfaffsche Formen auf Mannigfaltigkeiten ==
Bisher wurden Pfaffsche Formen auf einer offenen Menge des <math>\R^n</math> betrachtet. Es ist möglich, diese Definition auf [[differenzierbare Mannigfaltigkeit]]en zu erweitern. Mannigfaltigkeiten sind [[Raum (Mathematik)|Räume]] die lokal wie der <math>\R^n</math> aussehen. So kann man Pfaffsche Formen auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit <math>M</math> ebenfalls als Schnitt im Kotangentialbündel <math>T^*M</math> definieren.<ref name=Lee130 />


Gleichungen der Form <math>\omega = 0</math>, wobei <math>\omega</math> eine Pfaffsche Form ist, werden Pfaffsche Gleichungen genannt. Ist <math>N \subset M</math> eine ([[Immersierte Untermannigfaltigkeit|immersierte]]) [[Untermannigfaltigkeit]] von <math>M</math>, so heißt <math>N</math> [[Integralmannigfaltigkeit]], wenn ein <math>\omega</math> existiert, so dass für alle <math>\xi \in T_pN</math> die Pfaffsche Gleichung <math>\omega_p(\xi) = 0</math> für alle <math>p \in N</math> erfüllt ist.<ref>{{Literatur |Titel=Pfaffsche Gleichung |Autor= |Herausgeber=Guido Walz |Sammelwerk=Lexikon der Mathematik |Auflage=1 |Verlag=Spektrum Akademischer Verlag |Ort=Mannheim/Heidelberg |Jahr=2000 |ISBN=3-8274-0439-8}}</ref>
<div align="center"><math>\int_\vec \varphi \vec w</math>:=<math>\int_{a}^{b} \left\langle \vec w\left(\vec\varphi\right), \vec\varphi'\right\rangle dt</math> </div>


== Physikalische Beispiele für Pfaffsche Formen ==


=== Kraftfeld ===
Durch das Kurventintegral wird letztlich die Definition der Pfaffschen Form motiviert.


Ein Kraftfeld beschreibt die Kraft, die auf einen Gegenstand an einem beliebigen Ort <math>\vec r</math> ausgeübt wird. Beispielsweise bewegt sich die Erde im Kraftfeld der Sonne. Das Kraftfeld ordnet jedem Punkt <math>\vec r\in \mathbb{R}^3</math> einen Kraftvektor <math>\vec F(\vec r)</math> zu. Jedem Kraftvektor <math>\vec F(\vec r)</math> kann eine lineare Abbildung <math>\left\langle \vec F, \cdot \right\rangle</math> zugeordnet werden, die mittels des [[Skalarprodukt]]es <math>\left\langle \cdot, \cdot \right\rangle</math> einen beliebigen Vektor <math>\vec r</math> linear auf den Zahlenkörper <math>\mathbb{R}</math> abbildet. Aufgrund dieser Interpretation kann das Kraftfeld als Pfaffsche Form oder Differentialform 1. Ordnung verstanden werden.
Die Menge der Ableitungsvektoren <math>\vec\varphi'</math> bildet den Tangentialvektorraum.


Wird das Kraftfeld in kartesischen Koordinaten dargestellt, wobei <math>\vec e_i</math> mit <math>i=1,2</math> oder <math>3</math> die Einheitsvektoren in kartesischen Koordinaten sind, so gilt für die Koordinatendarstellung der Pfaffschen Form:
Die Menge der linearen Abbildungen <math>\left\langle \vec w\left(\vec\varphi\right), \cdot \right\rangle</math> bildet den Kotangentialvektorraum.


Die Abbildung <math>\vec p\mapsto \left\langle \vec w\left(\vec p\right), \cdot \right\rangle</math> wird Pfaffsche Form genannt.
: <math>\left\langle \vec F, \cdot \right\rangle =\sum_{i=1}^3 F_i dx_i</math>


Die Differentiale <math>dx_i</math> sind einfach die entsprechenden Basisvektoren des Dualraums, also:
==Geometrische Interpretation des Kurvenintegrals==


: <math>\left\langle \vec e_i, \cdot \right\rangle = dx_i</math>.
===Parametrisierung einer Kurve===


Es muss Arbeit geleistet werden, um einen Gegenstand in einem Kraftfeld entlang eines Weges <math>\vec\varphi\colon\left[a,b\right]\rightarrow \mathbb{R}^3</math> von einem Ort <math>\vec\varphi(a)</math> zu einem Ort <math>\vec\varphi(b)</math> zu bewegen. Die Größe <math>W</math> der geleisteten Arbeit ist gegeben durch das Kurvenintegral entlang des Weges:
Die stetig differenzierbare Funktion <math>\vec\varphi:\left[a,b\right]\rightarrow U</math> stellt die Parametrisierung einer Raumkurve dar. Der Parameter <math>t \varepsilon \left[a,b\right]</math> kann - muss aber nicht - als Zeitparameter aufgefasst werden. Zum Zeitpunkt t=a befinde man sich am Ort <math>\vec\varphi\left( a \right)</math>. Dann fahre man entlang einer bestimmten Bahn bzw. Kurve zum Ort <math>\vec\varphi\left( b \right)</math>, d.h. zum Zeitpunkt t=b gelangt man zum Endpunkt <math>\vec\varphi\left( b \right)</math> der Kurve. Notiert man zu jedem Zeitpunkt t den Ort, an dem man sich beim Überfahren der Kurve befindet, so erhält man die Abbildung <math>\vec\varphi:\left[a,b\right]\rightarrow U</math>.


: <math>W=\int_{\vec \varphi} \left\langle \vec F, \cdot \right\rangle = \int_{a}^{b} \left\langle \vec F(\vec \varphi(s)), \dot{\vec \varphi}(s)\right\rangle \mathrm{d}s</math>.
Die Bedingung der Stetigkeit hat zur Folge, dass die Kurve keine Lücken aufweist. Die Differenzierbarkeit ist eine notwendige Bedingung, da zur Berechnung des Integrals die Kurve abgeleitet bzw. differenziert werden muss.


In einem konservativen Kraftfeld ist die Größe <math>W</math> der geleisteten Arbeit wegunabhängig. Eine konservative Kraft leistet auf einem geschlossenen Weg keine Arbeit.

Es ist anschaulich klar, dass man auf unterschiedliche Weise dieselbe Kurve überfahren kann. Man könnte mit konstanter Geschwindigkeit die Kurve überfahren. Man könnte aber auch langsam losfahren und immer schneller werden. Für dieselbe Kurve gibt es unterschiedliche Parametrisierungen. Die Bezeichnung "Kurvenintegral" ist deshalb gerechtfertigt, weil man zeigen kann, dass der Wert des Integrals unabhängig von der gewählten Parametrisierung der Kurve ist. Mit einer Ausnahme: Vertauscht man den Anfangs und Endpunkt der Kurve, d.h. fährt man vom Endpunkt zurück zum Anfangspunkt der Kurve, so ändert sich das Vorzeichen (+,-) des Integrals.

===Ableitung einer Kurve===

Die [[Ableitung]] <math>\vec\varphi'\left( t \right)={d\vec\varphi \over dt}\left( t \right)</math> repräsentiert die Steigung der Kurve am Kurvenpunkt <math>\vec x=\vec\varphi\left( t \right)</math>. D.h. die Ableitung stellt einen [[Tangente]]nvektor am Kurvenpunkt dar.


Der Tangenten-Einheitsvektor am Punkt <math>\vec x</math> ist definiert durch:

<div align="center"> <math>\vec \tau \left(\vec x \right):=\frac{1}{\left\| \vec \varphi' \left( t \right) \right\| }\vec \varphi' \left( t \right)</math> </div>



Dabei wird vorausgesetzt, dass <math>\vec \varphi' \left( t \right)\not=\vec 0</math> ist. Gilt dies für alle t, so wird die Kurve [[regulär]] genannt. Man kann auch sagen: Eine Kurve ist genau dann regulär, wenn sie eine stetig differenzierbare Parametrisierung besitzt, deren Ableitung nirgendwo gleich Null ist. Die [[Norm]] <math>\left\| \vec \tau \right\|</math> des Vektors <math>\vec \tau</math> ist gleich 1.

===Länge der Kurve===

Die Länge der Kurve <math>\vec\varphi</math> ist gegeben durch:

<div align="center"> <math>\int_\vec \varphi ds</math>:=<math>\int_{a}^{b}\left\| \vec\varphi'\left( t \right) \right\|dt</math> </div>



Deshalb wird ds als Streckenelement oder Bogenelement der Kurve bezeichnet. Weder "ds" noch "dt" stellen totale Differentiale dar. Durch dt wird lediglich ausgedrückt, dass über den Kurvenparameter t integriert wird. Die Bezeichnung dt ist motiviert durch die Definition der Partialsummen des [[Riemann-Integrals]].

===Kurvenintegral===
<div align="center">[[Bild:Pfaffsche Form 001.jpg||thumb|]]</div>
Für das Kurvenintegral gilt somit:


<div align="center"><math>\int_\vec \varphi \vec w</math>=<math>\int_{a}^{b} \left\langle \vec w, \vec\tau\right\rangle ds</math></div>



<math>\left\langle \vec w, \vec\tau\right\rangle\vec\tau</math> stellt die senkrechte [[Projektion]] der Form auf den Tangenteneinheitsvektor dar, d.h.:

<math>\left\langle \vec w, \vec\tau\right\rangle</math>=<math>\left\| \vec w \right\|cos(\vec w,\vec\tau) </math>

==Totales Differential==

Das ''totale Differential <math>DF</math>'' der stetig differenzierbaren Funktion <math>F:U\rightarrow\mathbb{R} </math> ist eine Pfaffsche Form bzw. eine [[Differentialform]] 1. Ordnung, die definiert ist durch:

<math>\left\langle \overrightarrow {DF}\left(\vec p \right),\vec v\right\rangle</math>=<math>\left\langle grad F\left(\vec p \right),\vec v\right\rangle</math>=<math>\sum_{i=1}^n {\partial F \over \partial x_i}\left( \vec p \right)v_i</math>

Da <math>v_i</math> definiert ist durch <math> v_i=\left\langle \overrightarrow {dx}_i\left(\vec p \right),\vec v\right\rangle</math>, gilt:

<div align="center"><math> \overrightarrow {DF}=\sum_{i=1}^n {\partial F \over \partial x_i}\overrightarrow {dx} _i</math>
</div>


==Stammfunktion einer Pfaffschen Form==

Eine stetig differenzierbare Funktion <math>F:U\rightarrow\mathbb{R} </math> heißt Stammfunktion der stetigen Pfaffschen Form <math>\vec w</math>, wenn gilt:

<div align="center"><math>\overrightarrow { DF } =\vec w</math></div>



Die Pfaffsche Form <math>\vec w =\sum_{i=1}^n f_i \overrightarrow {dx}_i </math> besitzt nur dann eine Stammfunktion, wenn die Form ''geschlossen'' ist, d.h. es gilt:

<div align="center"><math> {\partial f_i \over\partial x_j}={\partial f_j \over\partial x_i}</math></div>

für alle i,j.

Diese Bedingung ist jedoch nicht hinreichend. In einem einfach [[zusammenhängend]]en [[Gebiet]] <math>U\subset\mathbb{R}^n </math> besitzt jede geschlossene Pfaffsche Form eine Stammfunktion. Insbesondere gilt: Ist die geschlossene Pfaffsche Form auf dem gesamten <math>\mathbb{R}^n </math> definiert, so besitzt die Form eine Stammfunktion.

==Kurvenintegral des totalen Differentials==


Für das Kurvenintegral des totalen Differentials DF gilt:

<div align="center"><math>\int_{\vec \varphi}\overrightarrow { DF } </math>=<math>F\left( \vec q \right)-F\left( \vec p \right)</math>
</div>


mit <math>\vec q:=\vec \varphi\left( b \right)</math> und <math>\vec p:=\vec \varphi\left( a \right)</math>

Das Integral des totalen Differentials hängt nicht von der Kurvenform sondern nur vom Anfangspunkt <math>\vec p</math> und Endpunkt <math>\vec q</math> der Kurve ab. Das Integral über eine geschlossene Kurve, d.h. <math>\vec p</math>=<math>\vec q</math>, ist immer gleich Null. Es gilt somit:


<div align="center"><math>\oint_\vec \varphi\overrightarrow { DF }=0</math>
</div>

Beweis:

<math>\int_{\vec \varphi}\overrightarrow { DF } </math>=<math> \int_{a}^{b} \left\langle \overrightarrow { DF }\left(\vec\varphi\right), \vec\varphi'\right\rangle dt </math>

=<math>\int_{a}^{b} \left\langle \sum_{i=1}^n {\partial F \over \partial x_i}\overrightarrow {dx} _i , \sum_{j=1}^n \varphi_j' \vec e_j\right\rangle dt </math>

= <math>\int_{a}^{b}\sum_{i=1}^n \sum_{j=1}^n \frac{\partial F}{\partial x_i}\varphi_j'\left\langle \overrightarrow {dx} _i, \vec e_j \right\rangle dt </math>

= <math>\int_{a}^{b}\sum_{i=1}^n \sum_{j=1}^n \frac{\partial F}{\partial x_i}\varphi_j' \delta_{i,j} dt </math>

= <math>\int_{a}^{b}\sum_{i=1}^n \frac{\partial F}{\partial x_i}\varphi_i' dt </math>


Durch Anwendung der [[Kettenregel]] erhält man:

<div align="center"><math>\int_{\vec \varphi}\overrightarrow { DF } </math>=<math>\int_{a}^{b} \frac{dF}{dt}\left( \vec \varphi \left( t \right) \right) dt </math></div>

Aus dem [[Fundamentalsatz der Analysis]] folgt nun die Behauptung.


Der obige Satz kann als eine Verallgemeinerung des Fundamentalsatzes verstanden werden. Ist die Pfaffsche Form über der offenen Menge <math>U \subset \mathbb{R}^1</math> definiert, so entspricht der Satz dem Fundamentalsatz der Analysis.

==Physikalische Beispiele für Pfaffsche Formen==

=== 1. Beispiel "Kraftfeld" ===



Ein Kraftfeld beschreibt die Kraft, die auf einen Gegenstand an einem beliebigen Ort <math>\vec r</math> ausgeübt wird. Beispielsweise bewegt sich die Erde im Kraftfeld der Sonne. Das Kraftfeld ordnet jedem Punkt <math>\vec r\in \mathbb{R}^3 </math> eine Kraftvektor <math>\vec F(\vec r)</math> zu. Jedem Kraftvektor <math>\vec F(\vec r)</math> kann eine lineare Abbildung <math>\left\langle \vec F, \cdot \right\rangle</math> zugeordnet werden, die mittels des [[Skalarprodukt]]es <math>\left\langle \cdot, \cdot \right\rangle</math> einen beliebigen Vektor <math>\vec r</math> linear auf den Zahlenkörper <math>\mathbb{R}</math> abbildet. Aufgrund dieser Interpretation kann das Kraftfeld auch als Pfaffsche Form bzw. Differentialform 1. Ordnung verstanden werden.


Wird das Kraftfeld in kartesischen Koordinaten dargestellt, wobei <math>\vec e_i</math> mit i=1,2 oder 3 die Einheitsvektoren in kartesischen Koordinaten sind, so gilt für die Koordinatendarstellung der Pfaffschen Form <math>\vec F</math>:

<math>\vec F =\sum_{i=1}^3 f_i \vec e_i </math>.


Es muss Arbeit geleistet werden, um einen Gegenstand in einem Kraftfeld entlang eines Weges <math>\vec\varphi:\left[a,b\right]\rightarrow \mathbb{R}^3</math> von einem Ort <math>\vec\varphi(a)</math> zu einem Ort <math>\vec\varphi(b)</math> zu bewegen. Die Größe W der geleisteten Arbeit ist gegeben durch das Kurvenintegral entlang des Weges:

<math>W=\int_\vec \varphi \vec F</math>=<math>\int_{a}^{b} \left\langle \vec F, \vec\tau\right\rangle ds</math>

In einem konservativen Kraftfeld ist die Größe W der geleisteten Arbeit wegunabhängig. Eine konservative Kraft leistet auf einem geschlossenen Weg keine Arbeit. Das Kraftfeld ist genau dann konservativ, wenn gilt: <math>rot \vec F = \vec 0</math>


Die Stammfunktion <math>V</math> eines konservativen Kraftfeldes wird Potential oder potentielle Energie der Kraft <math>\vec F</math> genannt. Also stellt das totale Differential des Potentials <math>V</math> wiederum die Kraft <math>\vec F</math> dar. Es gilt:
Die Stammfunktion <math>V</math> eines konservativen Kraftfeldes wird Potential oder potentielle Energie der Kraft <math>\vec F</math> genannt. Also stellt das totale Differential des Potentials <math>V</math> wiederum die Kraft <math>\vec F</math> dar. Es gilt:


: <math>\vec F=-\mathrm{grad}\, V = -\nabla \, V</math>.


<div align="center"><math>\vec F=-gradV </math></div>



Das Vorzeichen ist lediglich Konvention.
Das Vorzeichen ist lediglich Konvention.


=== 2. Beispiel "Entropie" ===
=== Thermodynamik ===
In der Thermodynamik werden Gesetzmäßigkeiten meist als Beziehungen zwischen 1-Formen formuliert. Den Gleichgewichtszuständen eines [[Thermodynamisches System|thermodynamischen Systems]] entsprechen im mathematischen Modell Punkte einer reellen Mannigfaltigkeit <math>Z_g</math>. Zur eindeutigen Kennzeichnung eines Gleichgewichtszustandes reicht bei einfachen thermodynamischen Systemen die Angabe von <math>n</math> Arbeitskoordinaten und dem Wert der inneren Energie <math>U</math> des Systems aus. Diese Größen bilden Tupel <math>( U, \alpha_1,...,\alpha_n)</math> eines Koordinatensystems, das die Mannigfaltigkeit <math>Z_g</math> eineindeutig auf ein Gebiet <math>\mathcal U \subset \mathbb R^{n+1}</math> abbildet. Die Arbeitsparameter <math>\alpha_1,...,\alpha_n</math> sind je nach dem betrachteten konkreten System etwa Volumenwerte oder andere messbare Größen, mit welchen im mathematischen Modell der Zustand der äußeren Bedingungen des Systems erfasst werden kann.<ref name="LudwigBd4Thermostatik"/><ref name="TheodoreFrankel_GeometryOfPhysics_6.3"/>


Eine weitere wichtige Anwendung der Theorie der Differentialformen liegt im Bereich der Thermodynamik. Gemäß der Clausiuschen Ungleichung gilt:

<math>\oint_c\frac{1}{T}\overrightarrow {\delta Q} \le 0</math>

<math>T</math> stellt die Temperatur des thermodynamischen Systems und <math>\delta Q</math> den Wärmeaustauschkontakt des Systems mit seiner Umgebung dar. Das thermodynamische System kann beispielsweise ein Gas darstellen, dessen unabhängige Zustandsgrößen Temperatur <math>T</math>, Druck <math>P</math> und Volumen <math>V</math> des Gases sind. Die Koordinatendarstellung des Wärmeaustauschkontakts ist damit gegeben durch:


<math>\overrightarrow {\delta Q} = f_P*\overrightarrow {dP} + f_V*\overrightarrow {dV} + f_T*\overrightarrow {dT} </math>.


Das vorstehende Integral wird entlang eines geschlossenen Weges c im dreidimensionalen Zustandsraum (P,V,T) gebildet. Ein geschlossener Weg c im Zustandsraum wird in der Thermodynamik Kreisprozess genannt.Die Differentialform <math>\frac{1}{T}\overrightarrow {\delta Q}</math> besitzt genau dann eine Stammfunktion, wenn der Kreisprozess reversibel ist, d.h.:



Wenn bei einer [[Adiabatische Zustandsänderung|adiabatischen Zustandsänderung]] allein die Arbeitsparameter quasistatisch verändert werden, so dass dem System praktisch zu jedem Zeitpunkt ein Gleichgewichtszustand <math>z \in Z_g</math> zugeordnet werden kann, ergibt ein Wegintegral längs des ''Prozessweges'' in <math>Z_g</math> über eine 1-Form der Gestalt
<math>\oint_c\frac{1}{T}\overrightarrow {\delta Q}_{rev} = 0</math>


: <math>\sum_{i=1}^{n} \beta_i(z) d\alpha_i</math>


die an dem System bei dem Prozess geleistete Arbeit und damit die Zunahme der inneren Energie. In einführenden Lehrbüchern der Thermodynamik wird häufig das einfache thermodynamische System bestehend aus einem Gas in einem [[Kolben (Technik)|Kolben]] als Beispiel betrachtet. In diesem Fall gibt es nur eine einzige Arbeitskoordinate nämlich das Volumen, die obige 1-Form reduziert sich auf den Ausdruck
In diesem Fall besitzt die Pfaffsche Form <math>\frac{1}{T}\overrightarrow {\delta Q}_{rev}</math> eine Stammfunktion <math>S</math>, die Entropie genannt wird. Für reversible Kreisprozesse gilt:


: <math> - p dV</math>


und die Funktion <math>\beta_1(z)</math> ist gleich dem Negativen des Gasdrucks: <math>\beta_1(z) = - p(z)</math>.
<math>\overrightarrow {DS} = \frac{1}{T}\overrightarrow {\delta Q}_{rev}</math>


Die innere Energie <math>U</math> ist als eine Zustandsgröße eines thermodynamischen Systems eine reelle Funktion über der Mannigfaltigkeit <math>Z_g</math>. Änderungen der inneren Energie werden durch ihr totales Differential <math>dU</math> beschrieben. Für konkrete einfache thermodynamische Systeme lässt sich jeweils eine 1-Form finden, welche die Energieänderungen durch verschiedene äußere Beeinflussungen und Stoffumwandlungen in dem System erfasst. Die 1-Form <math>dU</math> lässt sich durch


: <math>d U = T dS + \sum_{i=1}^{n} \beta_i(z) d\alpha_i + \sum_{j=1}^{m} \mu_j(z) dN_j</math>
1/T stellt einen integrierenden Faktor dar, der aus der Differentialform <math>\vec {\delta Q}_{rev}</math> ein totales Differential <math>\vec {DS}</math> erzeugt.


darstellen. In dieser Beziehung beschreibt der Anteil <math> T dS </math> die dem System zugeführte Wärme, wobei <math>T</math> die Temperatur und <math>S</math> die Entropie des Systems sind. Der zweite Term auf der rechten Seite berücksichtigt, die oben erläuterte Arbeit an dem System mittels äußerer Vorrichtungen. Die <math>N_1,...,N_m</math> im dritten Term entsprechen den Stoffmengen der Reinstoffe jeweils getrennt für die einzelnen Phasen des Systems und die <math>\mu_1,...,\mu_m</math> sind die zugeordneten [[Chemisches Potential|chemischen Potentiale]]. Im Allgemeinen müssen die Stoffmengen einen Satz von [[Stöchiometrie|stöchiometrischen]] Bilanzgleichungen befriedigen. Stoffmengen, die durch diese stöchiometrischen Gleichungen unbestimmt bleiben, werden in dem oben betrachteten Tupel als zusätzliche Koordinaten berücksichtigt.<ref name="Stierstadt_1"/>
Hieraus folgt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik:


Da bei thermodynamischen Fragestellungen oft nicht die Größen <math>U, \alpha_1,...,\alpha_n</math> und <math>N_1,...,N_m</math> konstant gehalten oder im Experiment kontrolliert verändert werden können, sondern eher andere Größen wie die Temperatur <math>T</math> oder der Druck <math>p</math>, wechselt man je nach Fragestellung oft zu anderen Koordinaten und schreibt die zugehörigen 1-Formen in anderen Koordinatendifferentialen, hierbei ist die Kenntnis der [[Thermodynamisches Potential|thermodynamischen Potentiale]] von Vorteil.<ref name="Stierstadt_1"/>
<div align="center"><math>\int_\vec \varphi \overrightarrow {DS} \ge\int_\vec \varphi \frac{1}{T}\overrightarrow {\delta Q}</math> bzw. <math> \Delta S \ge \frac{1}{T} \Delta Q </math></div>


== Literatur ==


* [[Otto Forster]]: ''Analysis.'' Band 3: ''Maß- und Integrationstheorie, Integralsätze im <math>\R^n</math> und Anwendungen''. 8. verbesserte Auflage. Springer Spektrum, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-16745-5.
In einem isolierten System gibt es keinen Wärmeaustausch mit der Umgebung, weshalb gilt <math> \Delta S \ge 0</math>. Es folgt aus dem zweite Hauptsatz, dass die Entropie eines isolierten Systems nicht abnehmen kann.
* Martin Schottenloher: ''Geometrie und Symmetrie in der Physik. Leitmotiv der mathematischen Physik'' (= ''Vieweg-Lehrbuch mathematischen Physik''). Vieweg, Braunschweig 1995, ISBN 3-528-06565-6.
* Konrad Königsberger: ''Analysis 2''. Springer, 5. Auflage, 2006, ISBN 9783540350774, Kapitel ''Felder von Linearformen, Pfaffsche Formen, Kurvenintegrale'', S. [https://books.google.de/books?id=x9qbBgAAQBAJ&pg=PA177 177–196].


== Einzelnachweise ==


<references>
<ref name="Stierstadt_1">
{{Literatur
|Autor=Klaus Stierstadt
|Titel=Thermodynamik für das Bachelorstudium
|Kapitel=9 Thermodynamik der Stoffe und 11 Chemisches Potenzial
|Verlag=Springer
|Ort=Berlin, New York
|Auflage=2
|Datum=2018
|DOI=10.1007/978-3-662-55716-7
}}
</ref>
<ref name="LudwigBd4Thermostatik">
{{Literatur
|Autor=Günther Ludwig
|Titel=Einführung in die Grundlagen der theoretischen Physik
|Band=4
|Verlag=Vieweg & Sohn
|Ort=Braunschweig
|Datum=1979
|ISBN=3-528-09184-3
|Kapitel=XIV § 1 Thermostatik (1.1 Der Zustandsraum und 1.2 Der Energiesatz)
|Seiten=6-29}}
</ref>
<ref name="TheodoreFrankel_GeometryOfPhysics_6.3">
{{Literatur
|Autor=[[:en:Theodore Frankel]]
|Titel=The Geometry of Physics – An Introduction
|Kapitel=6.3 Heuristic Thermodynamics via Caratheodory
|Verlag= Cambridge University Press
|Auflage= korrigierte und ergänzte
|Datum=2001
|ISBN=0-521-38753-1
|Seiten=178-187}}</ref>
</references>
[[Kategorie:Differentialgeometrie]]
[[Kategorie:Differentialgeometrie]]

Aktuelle Version vom 8. Januar 2024, 21:30 Uhr

In den mathematischen Teilgebieten der Analysis und der Differentialgeometrie bezeichnet Pfaffsche Form (nach Johann Friedrich Pfaff)[1], Kovektorfeld[2] oder kurz 1-Form[3] ein Objekt, das in gewisser Weise dual zu einem Vektorfeld ist. Es ist eine Differentialform vom Grad 1. Pfaffsche Formen sind die natürlichen Integranden für Wegintegrale.

Mit wird im Folgenden eine offene Teilmenge des euklidischen Raums bezeichnet. Eine Pfaffsche Form auf ordnet jedem Punkt eine Linearform zu. Derartige Linearformen heißen Kotangentialvektoren; sie sind Elemente des Dualraumes des Tangentialraumes . Der Raum wird Kotangentialraum genannt. Mit wird die disjunkte Vereinigung aller Kotangentialräume bezeichnet. Dieser Raum heißt Kotangentialbündel.

Eine Pfaffsche Form ist also eine Abbildung

.

Andere Definitionen

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Sei weiterhin eine offene Teilmenge. Obige Definition ist zu jeder der folgenden Aussagen äquivalent:

  • Eine differenzierbare Pfaffsche Form ist eine -lineare Abbildung , wobei den Vektorraum der differenzierbaren Vektorfelder auf bezeichnet. Stetige oder messbare Pfaffsche Formen sind analog definiert.
  • Die oben gegebene Menge wird als Kotangentialbündel bezeichnet. Das ist nichts anderes als das duale Vektorbündel des Tangentialbündels. Eine Pfaffsche Form kann damit als Schnitt des Kotangentialbündels definiert werden.
  • Die Pfaffschen Formen sind genau die kovarianten Tensorfelder erster Stufe.

Totales Differential einer Funktion

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Ein zentrales Beispiel einer Pfaffschen Form ist das totale Differential einer differenzierbaren Funktion.

Sei also eine differenzierbare Funktion und ist ein Tangentialvektor, so ist das totale Differential definiert als

,

also gleich der Richtungsableitung von in Richtung .

Ist also ein Weg mit und , so ist

.

Es gilt:

  • falls eine konstante Funktion ist;
  • für differenzierbare Funktionen .

Ist auf ein Skalarprodukt gegeben, so lässt sich das totale Differential von mit Hilfe des Gradienten darstellen:

.

Koordinatendarstellung

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Es sei ein Koordinatensystem auf der offenen Menge . Die Koordinaten können als Funktionen

aufgefasst werden, die einem Punkt seine -te Koordinate zuordnen. Die totalen Differentiale dieser Funktionen bilden eine lokale Basis. Das heißt, für jeden Punkt ist

eine Vektorraumbasis von . Somit hat jeder Kotangentialvektor eine Koordinatendarstellung

mit eindeutig bestimmten Koeffizienten . Also kann auch jede Pfaffsche Form auf eindeutige Weise durch

mit Funktionen dargestellt werden.[4]

Die totale Ableitung einer beliebigen differenzierbaren Funktion hat die Darstellung

.

Definition des Kurvenintegrals

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Es sei ein stetig differenzierbarer Weg in und eine 1-Form auf . Dann ist das Integral von entlang definiert als:

Dabei bezeichnet die Ableitung von nach dem Parameter .

Geometrische Interpretation des Kurvenintegrals

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Eine stetig differenzierbare Funktion stellt die Parametrisierung einer Raumkurve dar. Der Parameter kann als Zeitparameter aufgefasst werden. Zum Zeitpunkt befindet man sich am Ort . Dann wird entlang einer bestimmten Bahn oder Kurve zum Ort gefahren. Also zum Zeitpunkt ist der Endpunkt der Kurve erreicht. Wird zu jedem Zeitpunkt der Ort des Überfahrens notiert, so ergibt sich die Abbildung .

Dieselbe Kurve kann auf unterschiedliche Weise durchfahren werden. So ist konstante Geschwindigkeit eine Möglichkeit. Eine weitere ergibt sich aus einem langsamen Start und mit anschließender Beschleunigung. Für dieselbe Kurve gibt es unterschiedliche Parametrisierungen. Die Bezeichnung „Kurvenintegral“ ist gerechtfertigt, weil gezeigt werden kann, dass der Wert des Integrals unabhängig von der gewählten Parametrisierung der Kurve ist, mit einer Ausnahme: Wird der Anfangs- und Endpunkt der Kurve vertauscht, erfolgt also die Bewegung vom Endpunkt zurück zum Anfangspunkt der Kurve, so ändert sich das Vorzeichen des Integrals.

Kurve nach der Bogenlänge parametrisiert

Im Anschauungsraum können Tangential- und Kotangentialvektoren mithilfe des Skalarproduktes miteinander identifiziert werden: Einem Kotangentialvektor entspricht der Vektor , für den

für alle

gilt. So können 1-Formen mit Vektorfeldern identifiziert werden.

Dem Integral einer 1-Form entspricht das (gewöhnliche) Integral über das Skalarprodukt mit dem Tangentenvektor:

Ist die Kurve nach der Bogenlänge parametrisiert, so ist der Integrand die (gerichtete) Länge der Projektion des Vektors auf die Tangente an die Kurve:

Kurvenintegral des totalen Differentials

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Für das Kurvenintegral des totalen Differentials entlang eines Weges gilt:

Das Integral des totalen Differentials hängt also nicht von der Kurvenform, sondern nur von den Endpunkten der Kurve ab. Das Integral über eine geschlossene Kurve, also , ist somit gleich Null:

Im Spezialfall und ergibt sich der Fundamentalsatz der Analysis, da das Integral auf der linken Seite

ist. Die obigen Aussagen lassen sich direkt auf den Fundamentalsatz zurückführen.

Jede stetige Differentialform auf einem Intervall besitzt nach dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung eine Stammfunktion, also eine Funktion mit . Im mehrdimensionalen Fall gilt dies nicht mehr.

Definition der Stammfunktion für Pfaffsche Formen

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Eine stetig differenzierbare Funktion heißt Stammfunktion der Pfaffschen Form , wenn

gilt.[5]

Exakte und geschlossene Formen

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Eine 1-Form heißt exakt, wenn sie eine Stammfunktion besitzt.

Eine 1-Form heißt geschlossen, wenn gilt:

für alle

Allgemeiner kann ein totales Differential definiert werden, das jeder 1-Form eine 2-Form zuordnet. Eine Form heißt genau dann geschlossen, wenn gilt. Aus dem Satz von Schwarz folgt, dass jede exakte Form geschlossen ist.

Existenz einer Stammfunktion

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Geschlossenheit einer Pfaffschen Form ist also eine notwendige Bedingung für Exaktheit. Das Poincaré-Lemma macht eine Aussage darüber, wann geschlossene Pfaffsche Formen auch exakt sind. Die Voraussetzungen für die Umkehrung sind von globaler Natur: In einem sternförmigen Gebiet besitzt jede geschlossene Pfaffsche Form eine Stammfunktion – ist also exakt. Insbesondere ist jede geschlossene Pfaffsche Form lokal exakt.

Eine stetige Pfaffsche Form auf einem Gebiet besitzt genau dann eine Stammfunktion, wenn das Integral von entlang jeder geschlossenen Kurve in verschwindet.[6]

Pfaffsche Formen auf Mannigfaltigkeiten

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Bisher wurden Pfaffsche Formen auf einer offenen Menge des betrachtet. Es ist möglich, diese Definition auf differenzierbare Mannigfaltigkeiten zu erweitern. Mannigfaltigkeiten sind Räume die lokal wie der aussehen. So kann man Pfaffsche Formen auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit ebenfalls als Schnitt im Kotangentialbündel definieren.[3]

Gleichungen der Form , wobei eine Pfaffsche Form ist, werden Pfaffsche Gleichungen genannt. Ist eine (immersierte) Untermannigfaltigkeit von , so heißt Integralmannigfaltigkeit, wenn ein existiert, so dass für alle die Pfaffsche Gleichung für alle erfüllt ist.[7]

Physikalische Beispiele für Pfaffsche Formen

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Ein Kraftfeld beschreibt die Kraft, die auf einen Gegenstand an einem beliebigen Ort ausgeübt wird. Beispielsweise bewegt sich die Erde im Kraftfeld der Sonne. Das Kraftfeld ordnet jedem Punkt einen Kraftvektor zu. Jedem Kraftvektor kann eine lineare Abbildung zugeordnet werden, die mittels des Skalarproduktes einen beliebigen Vektor linear auf den Zahlenkörper abbildet. Aufgrund dieser Interpretation kann das Kraftfeld als Pfaffsche Form oder Differentialform 1. Ordnung verstanden werden.

Wird das Kraftfeld in kartesischen Koordinaten dargestellt, wobei mit oder die Einheitsvektoren in kartesischen Koordinaten sind, so gilt für die Koordinatendarstellung der Pfaffschen Form:

Die Differentiale sind einfach die entsprechenden Basisvektoren des Dualraums, also:

.

Es muss Arbeit geleistet werden, um einen Gegenstand in einem Kraftfeld entlang eines Weges von einem Ort zu einem Ort zu bewegen. Die Größe der geleisteten Arbeit ist gegeben durch das Kurvenintegral entlang des Weges:

.

In einem konservativen Kraftfeld ist die Größe der geleisteten Arbeit wegunabhängig. Eine konservative Kraft leistet auf einem geschlossenen Weg keine Arbeit.

Die Stammfunktion eines konservativen Kraftfeldes wird Potential oder potentielle Energie der Kraft genannt. Also stellt das totale Differential des Potentials wiederum die Kraft dar. Es gilt:

.

Das Vorzeichen ist lediglich Konvention.

In der Thermodynamik werden Gesetzmäßigkeiten meist als Beziehungen zwischen 1-Formen formuliert. Den Gleichgewichtszuständen eines thermodynamischen Systems entsprechen im mathematischen Modell Punkte einer reellen Mannigfaltigkeit . Zur eindeutigen Kennzeichnung eines Gleichgewichtszustandes reicht bei einfachen thermodynamischen Systemen die Angabe von Arbeitskoordinaten und dem Wert der inneren Energie des Systems aus. Diese Größen bilden Tupel eines Koordinatensystems, das die Mannigfaltigkeit eineindeutig auf ein Gebiet abbildet. Die Arbeitsparameter sind je nach dem betrachteten konkreten System etwa Volumenwerte oder andere messbare Größen, mit welchen im mathematischen Modell der Zustand der äußeren Bedingungen des Systems erfasst werden kann.[8][9]

Wenn bei einer adiabatischen Zustandsänderung allein die Arbeitsparameter quasistatisch verändert werden, so dass dem System praktisch zu jedem Zeitpunkt ein Gleichgewichtszustand zugeordnet werden kann, ergibt ein Wegintegral längs des Prozessweges in über eine 1-Form der Gestalt

die an dem System bei dem Prozess geleistete Arbeit und damit die Zunahme der inneren Energie. In einführenden Lehrbüchern der Thermodynamik wird häufig das einfache thermodynamische System bestehend aus einem Gas in einem Kolben als Beispiel betrachtet. In diesem Fall gibt es nur eine einzige Arbeitskoordinate nämlich das Volumen, die obige 1-Form reduziert sich auf den Ausdruck

und die Funktion ist gleich dem Negativen des Gasdrucks: .

Die innere Energie ist als eine Zustandsgröße eines thermodynamischen Systems eine reelle Funktion über der Mannigfaltigkeit . Änderungen der inneren Energie werden durch ihr totales Differential beschrieben. Für konkrete einfache thermodynamische Systeme lässt sich jeweils eine 1-Form finden, welche die Energieänderungen durch verschiedene äußere Beeinflussungen und Stoffumwandlungen in dem System erfasst. Die 1-Form lässt sich durch

darstellen. In dieser Beziehung beschreibt der Anteil die dem System zugeführte Wärme, wobei die Temperatur und die Entropie des Systems sind. Der zweite Term auf der rechten Seite berücksichtigt, die oben erläuterte Arbeit an dem System mittels äußerer Vorrichtungen. Die im dritten Term entsprechen den Stoffmengen der Reinstoffe jeweils getrennt für die einzelnen Phasen des Systems und die sind die zugeordneten chemischen Potentiale. Im Allgemeinen müssen die Stoffmengen einen Satz von stöchiometrischen Bilanzgleichungen befriedigen. Stoffmengen, die durch diese stöchiometrischen Gleichungen unbestimmt bleiben, werden in dem oben betrachteten Tupel als zusätzliche Koordinaten berücksichtigt.[10]

Da bei thermodynamischen Fragestellungen oft nicht die Größen und konstant gehalten oder im Experiment kontrolliert verändert werden können, sondern eher andere Größen wie die Temperatur oder der Druck , wechselt man je nach Fragestellung oft zu anderen Koordinaten und schreibt die zugehörigen 1-Formen in anderen Koordinatendifferentialen, hierbei ist die Kenntnis der thermodynamischen Potentiale von Vorteil.[10]

  • Otto Forster: Analysis. Band 3: Maß- und Integrationstheorie, Integralsätze im und Anwendungen. 8. verbesserte Auflage. Springer Spektrum, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-16745-5.
  • Martin Schottenloher: Geometrie und Symmetrie in der Physik. Leitmotiv der mathematischen Physik (= Vieweg-Lehrbuch mathematischen Physik). Vieweg, Braunschweig 1995, ISBN 3-528-06565-6.
  • Konrad Königsberger: Analysis 2. Springer, 5. Auflage, 2006, ISBN 9783540350774, Kapitel Felder von Linearformen, Pfaffsche Formen, Kurvenintegrale, S. 177–196.

Einzelnachweise

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  1. Günther J. Wirsching: Gewöhnliche Differentialgleichungen. Eine Einführung mit Beispielen, Aufgaben und Musterlösungen. Teubner Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 3-519-00515-8, S. 63, books.google.de
  2. Rainer Oloff: Geometrie der Raumzeit: Eine mathematische Einführung in die Relativitätstheorie. 5. Auflage. Vieweg+Teubner Verlag, 2010, ISBN 978-3-8348-1007-6, S. 39.
  3. a b John M. Lee: Introduction to Smooth Manifolds (= Graduate Texts in Mathematics 218). Springer-Verlag, New York NY u. a. 2003, ISBN 0-387-95448-1, S. 130.
  4. Otto Forster: Analysis. Band 3: Integralrechnung im mit Anwendungen. 4. Auflage. Vieweg + Teubner, Braunschweig u. a. 2007, ISBN 978-3-528-37252-1, S. 193–194.
  5. Konrad Königsberger: Analysis 2. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg, 2000, ISBN 3-540-43580-8, S. 182.
  6. Konrad Königsberger: Analysis 2. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg, 2000, ISBN 3-540-43580-8, S. 183–184.
  7. Pfaffsche Gleichung. In: Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Mannheim/Heidelberg 2000, ISBN 3-8274-0439-8.
  8. Günther Ludwig: Einführung in die Grundlagen der theoretischen Physik. Band 4. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1979, ISBN 3-528-09184-3, XIV § 1 Thermostatik (1.1 Der Zustandsraum und 1.2 Der Energiesatz), S. 6–29.
  9. en:Theodore Frankel: The Geometry of Physics – An Introduction. korrigierte und ergänzte Auflage. Cambridge University Press, 2001, ISBN 0-521-38753-1, 6.3 Heuristic Thermodynamics via Caratheodory, S. 178–187.
  10. a b Klaus Stierstadt: Thermodynamik für das Bachelorstudium. 2. Auflage. Springer, Berlin, New York 2018, 9 Thermodynamik der Stoffe und 11 Chemisches Potenzial, doi:10.1007/978-3-662-55716-7.