Zum Inhalt springen

„Bleiazid“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K kat
+Sprengstoffgesetz
 
(132 dazwischenliegende Versionen von 76 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
{{Infobox Chemikalie
'''Bleiazid''', Pb(N<sub>3</sub>)<sub>2</sub>, Mol-Gew. 291,23 ist seit seiner ersten Verwendung als [[Initialsprengstoff]] (Wöhler-Martin) zu dem wichtigsten Initialsprengstoff geworden, der das früher übliche [[Knallquecksilber]] fast völlig verdrängt hat. Trotz geringeren [[Energieinhalt|Energieinhaltes]] und kleinerer [[Dichte]] hat es größere Initialkraft, ist weniger schlagempfindlich als Knallquecksilber und hat außerdem eine bedeutend größere Stabilität bei höheren Temperaturen und gegen Feuchtigkeit. Die Einführung von [[Aluminium]] zur [[Sprengkapsel]]herstellung und damit eine bedeutende Verbilligung war nur durch Verwendung von Bleiazid möglich, da Quecksilberfulminat mit Aluminium [[Amalgam]] bildet.
| Strukturformel = [[Datei:Pb2+.svg|x30px|Bleiion]] <math>\mathrm{ \ \Biggl[}</math> [[Datei:Azid-Ion.svg|80px|Azidion]] <math>\mathrm{ \ \!\ \Biggr]_2^-}</math>
| Suchfunktion = PbN6 Pb(N3)2
| Andere Namen = Bleidiazid
| Summenformel = Pb(N<sub>3</sub>)<sub>2</sub>
| CAS = {{CASRN|13424-46-9}}
| EG-Nummer = 236-542-1
| ECHA-ID = 100.033.206
| PubChem = 61600
| ChemSpider = 21250825
| Beschreibung = farblose, nadelförmige Kristalle<ref name="Römpp" />
| Molare Masse = 291,23 g·mol<sup>−1</sup>
| Aggregat = fest
| Dichte = *4,763 g·cm<sup>−3</sup> (α-Form)<ref name="Römpp" />
* 4,845 g·cm<sup>−3</sup> (β-Form)<ref name="Römpp" />
* 4,38 g·cm<sup>−3</sup> (91,5 %ig mit Dextrin)<ref name="Römpp" />
| Schmelzpunkt = Zersetzung ab 190 [[Grad Celsius|°C]]<ref name="GESTIS">{{GESTIS|Name=Bleiazid|ZVG=490539|CAS=13424-46-9|Abruf=2016-02-01}}</ref>
| Siedepunkt =
| Dampfdruck =
| Löslichkeit = schlecht in Wasser (230 mg·l<sup>−1</sup>)<ref name="GESTIS" />
| CLH = {{CLH-ECHA|ID=100.033.206|Name=Lead diazide|Abruf=2016-02-01}}
| Quelle GHS-Kz = <ref name="GESTIS" />
| GHS-Piktogramme = {{GHS-Piktogramme|01|08|07|09}}
| GHS-Signalwort = Gefahr
| H = {{H-Sätze|200|302|332|360Df|373|410}}
| EUH = {{EUH-Sätze|-}}
| P = {{P-Sätze|201|202|273|308+313|373}}
| Quelle P = <ref name="GESTIS" />
| REACH = {{REACH|ECHA-ID=100.033.206|Artikel57=c|Abruf=2014-07-16}}
| MAK =
}}


'''Bleiazid''' ist das [[Blei]]salz der [[Stickstoffwasserstoffsäure]]. Es ist explosionsgefährlich und wird als [[Initialsprengstoff]] verwendet.
==Stoffdaten==


== Geschichte ==
* [[dichte|Spez. Gewicht]] 4,38 g/cm<sup>3</sup>
Bleiazid wurde 1891 erstmals wie auch [[Silberazid]] und [[Quecksilberazid]] von [[Theodor Curtius (Chemiker)|Theodor Curtius]] dargestellt.<ref name="Römpp" /> Die Bedeutung der Verbindung wurde vom Militärversuchsamt in [[Berlin]] früh erkannt und schon 1907 wurde ein Initialzünder auf Basis dieses Salzes von [[Lothar Wöhler]] patentiert.<ref name="Römpp" /><ref name="DRP">{{Patent
* [[Detonationsgeschwindigkeit]]: 4630 m/s
| Land = DE
* [[Verpuffungspunkt]]: 340 °C / 10 s
| V-Nr = 196824
* [[Verbrennungswärme]]: 630 cal/g
| Typ = Erteilung
* [[Explosionswärme]]: 367 cal/g
| Titel = Initialzünder
* [[Schlagempfindlichkeit nach Koenen]]: 0,4 kg×m
| A-Datum = 1907-03-02
* Gewichtsverlust bei 100 °C nach 2 Tagen: 0,05 %
| V-Datum = 1908-03-27
* Feuchtigkeitsaufnahme bei 30 °C und 90 % rel. [[Luftfeuchtigkeit]]: 0,84 %
| Erfinder = L. Wöhler
| DB =
}}</ref> Auf Grund der hohen Neigung zu spontanen Explosionen vergingen bis zur allgemeinen internationalen Anwendung noch einige Jahrzehnte.<ref name="Römpp" />


== Darstellung und Gewinnung ==
==Herstellung==
Die Herstellung erfolgt in diskontinuierlichen oder kontinuierlichen Verfahren durch die Umsetzung wässriger Lösungen von [[Natriumazid]] und [[Bleinitrat]]. Hierbei ist es wichtig, die Bildung großer Kristalle zu vermeiden, da schon geringe mechanische Belastungen wie das Zerbrechen von Kristallnadeln eine Explosion auslösen können. Aus diesem Grund werden [[Dextrin]], [[Polyvinylalkohol]] oder andere ein Kristallwachstum störende Stoffe zugesetzt, so dass ein technisches Produkt mit einem Bleiazidgehalt von 92–96 % resultiert.<ref name="Römpp" /><ref name="Explosivstoffe">J. Köhler, R. Meyer, A. Homburg: ''Explosivstoffe.'' 10., vollst. überarb. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-32009-7.</ref>


Im Labor erfolgt lediglich eine verkleinerte Anwendung der technischen Darstellung über die Fällung einer Natriumazidlösung mit einer Bleinitratlösung unter starkem Rühren zur Vermeidung der Bildung größerer Kristalle<ref name="Brauer">{{Literatur |Autor=Georg Brauer |Titel=Bleiazid |Sammelwerk=Handbuch der Präparativen Anorganischen Chemie |Verlag=Ferdinand Enke Verlag Stuttgart |Datum=1954 |Seiten=363}}</ref>:
Bleiazid entsteht durch doppelte Umsetzung von wasserlöslichen [[Bleisalze|Bleisalzen]] mit Salzen der [[Stickstoffwasserstoffsäure]]. Je nach Verwendungszweck werden durch Variation der Verfahrensbedingungen, zum Beispiel der Temperatur, der [[Konzentration]] der Lösungen und der Art des Bleisalzes, Produkte von [[kolloid]]aler Struktur bis zu regelmäßig ausgebildeten [[kristall|Kristallen]] hergestellt. Die Steuerung der Kristalltracht wird noch durch Zusätze unterstützt, die das Kristallwachstum in bestimmter Richtung beeinflussen, beispielsweise [[Dextrin]] oder [[Polyvinylalkohol]]. Man ist bestrebt, diejenige Bleiazid-Form herzustellen, die ihren Zweck unter möglichster Herabsetzung der Gefahren erfüllt, die mit der Verwendung eines derart sensiblen [[sprengstoff|Sprengstoffes]] verbunden sind. Aus dem gleichen Grunde wird in der Praxis kein reines Bleiazid verwendet, sondern man stellt Produkte her, die als „Verdünnungsmittel“ basische oder sonstige schwerlösliche Bleisalze enthalten. Das am meisten verwendete technische Bleiazid enthält 87&nbsp;% Bleiazid, circa 5&nbsp;% Dextrin und etwa 8&nbsp;% [[Bleihydroxyd]].


<chem>Pb(NO3)2 + 2 NaN3 -> Pb(N3)2 + 2 NaNO3</chem>
'''Darstellung:'''
2 g Natriumazid werden in ca. 100 ml Wasser gelöst. 10 g Bleiazetat wird in 200 ml Wasser gelöst. Man gießt die erste Lösung zu der zweiten und rührt vorsichtig um. Es bildet sich sofort Bleiazid was zu Boden fällt. Alles über einen Kaffeefilter gießen und dann noch zweimal mit Wasser nach waschen. Das Bleiazid im Filter lassen und auf Küchenrollenpapier trocknen. Aber nicht in die Sonne oder auf eine Heizung. Bleiazid trocknet bei ca.20° C Zimmer- temperatur.


Um ein reineres Produkt für die Laboranwendung zu erhalten, wird hierbei oft auf den Zusatz von Additiven verzichtet.
Bei Natriumazid aufpassen, es ist sehr giftig. Berührung mit Händen vermeiden. Handschuhe sind angebracht. 15 mg pro kg Gewicht oral eingenommen sind tödlich für einen Menschen. Ein 100 kg schwerer Mensch ist bei Einnahme von 1,5 g tot. Immer schön vorsichtig sein. Bei Augenkontakt mit viel Wasser ausspülen. Augenlieder aufhalten. Bei verschlucken viel Wasser mit Aktivkohle trinken und sofort erbrechen und sofort den Arzt aufsuchen oder ins Krankenhaus zur Notaufnahme.


== Eigenschaften ==
Bleiazid bildet farblose Kristalle, die relativ beständig gegen Wärme und Feuchtigkeit bzw. wenig hygroskopisch sind.<ref name="Explosivstoffe" /> Es ist in Wasser praktisch unlöslich.<ref name="Explosivstoffe" /> Bleiazid tritt in vier [[Polymorphie (Stoffeigenschaft)|polymorphen]] Modifikationen auf. Das sind eine [[orthorhombisch]]e α-Form, eine [[Monoklines Kristallsystem|monokline]] β-Form, eine monokline γ-form und eine [[triklin]]e δ-Form.<ref name="Römpp">{{RömppOnline|ID=RD-02-01905|Name=Bleiazid|Abruf=2014-06-14}}</ref> Die Verbindung besitzt explosionsgefährliche Eigenschaften, wobei besonders die mechanische Empfindlichkeit gegenüber Stoß, Schlag und Reibung relevant ist. Es ist relativ temperaturstabil und zerfällt erst oberhalb von 315 °C.<ref name="Römpp" /> Die Zerfallsprodukte sind fein verteiltes Blei und [[Stickstoff]].<ref>''ABC Chemie.'' F.A. Brockhausverlag, Leipzig 1971, S. 187.</ref> Wichtige Explosionskennzahlen sind:
* [[Explosionswärme]]: 1639 kJ·kg<sup>−1</sup>.<ref name="Explosivstoffe" />
* [[Detonationsgeschwindigkeit]]: 4630&nbsp;m·s<sup>−1</sup> bei der Dichte von 3,0&nbsp;g·cm<sup>−3</sup><ref name="Explosivstoffe" /> bzw. 5180&nbsp;m·s<sup>−1</sup> bei der Dichte von 4,0&nbsp;g·cm<sup>−3</sup><ref name="Explosivstoffe" />
* [[Sprengstoff#Spezifisches Schwadenvolumen (Normalgasvolumen)|Normalgasvolumen]]: 308&nbsp;l·kg<sup>−1</sup>.<ref name="Explosivstoffe" />
* [[Sprengstoff#Spezifische Energie|Spezifische Energie]]: 380&nbsp;kJ·kg<sup>−1</sup><ref name="Explosivstoffe" />
* [[Verpuffungspunkt]]: 315 – 360&nbsp;°C<ref name="Explosivstoffe" />
* [[Bleiblockausbauchung]]: 11&nbsp;cm<sup>3</sup>·g<sup>−1</sup><ref name="Explosivstoffe" />
* [[Schlagempfindlichkeit]]: 2,5 – 4&nbsp;N·m <small>(rein)</small><ref name="Explosivstoffe" /> bzw. 3 – 6,5&nbsp;N·m <small>(technisch)</small><ref name="Explosivstoffe" />
* [[Reibempfindlichkeit]]: 0,1 N<ref name="Explosivstoffe" />
Reines Bleiazid ist zudem sehr hoch elektrostatisch empfindlich und zündet leicht durch [[Felddurchbruch]].<ref name="Römpp" /> Die Daten beziehen sich auf die gebräuchliche α-Form. Die β-Form ist wesentlich empfindlicher.<ref name="Römpp" />
Eine Vernichtung von Bleiazid kann in einer wässrigen Lösung mit 8 % [[Natriumnitrit]] und 15 % [[Salpetersäure]] oder in einer 10%igen [[Natronlauge]] erfolgen.<ref name="Römpp" />


Ein besonderes technisches Problem für die historische Munitionsherstellung war die Reaktion von Bleiazid mit dem in Geschosshülsen vorhandenen Kupfer zum noch explosionsfreudigeren [[Kupfer(II)-azid]].<ref>Thomas Enke: ''Grundlagen der Waffen- und Munitionstechnik,'' 2., aktualisierte Auflage. Walhalla Fachverlag, Regensburg 2021, [[doi:10.5771/9783802947780]], S. 101.</ref>


== Darstellung ==
== Verwendung ==
Bleiazid ist seit seiner ersten Verwendung als Initialsprengstoff (Wöhler-Martin)<ref name="DRP" /> zu dem wichtigsten Initialsprengstoff geworden, der das früher übliche [[Knallquecksilber]] (Quecksilberfulminat) fast völlig verdrängt hat. Trotz geringeren [[Chemische Energie|Energieinhaltes]] und kleinerer [[Dichte]] hat es größere Initialkraft, ist weniger schlagempfindlich als Knallquecksilber und hat außerdem eine bedeutend größere Stabilität bei höheren Temperaturen und gegen Feuchtigkeit. Die Einführung von [[Aluminium]] zur [[Sprengkapsel]]herstellung und damit eine bedeutende Verbilligung war nur durch Verwendung von Bleiazid möglich, da Quecksilberfulminat mit Aluminium ein [[Amalgam]] bildet.


== Sicherheit ==
[[Kategorie:Chemische Verbindung]]
Die Verbindung ist in der Liste der explosionsgefährlichen Stoffe gemäß §2 Abs. 6 Satz 2 des [[Sprengstoffgesetz (Deutschland)|Sprengstoffgesetzes]] ([[Altstoffliste (Sprengstoffgesetz)|Altstoffliste]]) aufgeführt.<ref>*''[https://archive.org/details/liste-der-explosionsgefahrlichen-stoffe-nach-2-abs.-6-satz-2-spreng-g-altstoffliste/page/2/mode/2up Bekanntmachung der explosionsgefährlichen Stoffe gemäß § 2 Abs. 6 Satz 2 des Sprengstoffgesetzes].''In: ''Bundesanzeiger.'' Nr. 233a vom 16. Dezember 1986, abgerufen am 7. Februar 2025.</ref>
[[Kategorie:Sprengstoff]]


== Toxizität ==
[[en:Lead azide]]
Bleiazid ist als [[Teratogen|fruchtschädigend]], Kategorie 1A und mit [[Spezifische Zielorgan-Toxizität|spezifischer Zielorgan-Toxizität]], Kategorie 2 eingestuft.<ref name="GESTIS" />
[[pl:Azydek ołowiu]]

== Einzelnachweise ==
<references />

[[Kategorie:Bleiverbindung]]
[[Kategorie:Azid]]
[[Kategorie:Sprengstoff]]
[[Kategorie:Beschränkter Stoff nach REACH-Anhang XVII, Eintrag 30]]
[[Kategorie:Beschränkter Stoff nach REACH-Anhang XVII, Eintrag 63]]
[[Kategorie:Beschränkter Stoff nach REACH-Anhang XVII, Eintrag 72]]

Aktuelle Version vom 7. Februar 2025, 12:23 Uhr

Strukturformel
Bleiion Azidion
Allgemeines
Name Bleiazid
Andere Namen

Bleidiazid

Summenformel Pb(N3)2
Kurzbeschreibung

farblose, nadelförmige Kristalle[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 13424-46-9
EG-Nummer 236-542-1
ECHA-InfoCard 100.033.206
PubChem 61600
ChemSpider 21250825
Wikidata Q111213
Eigenschaften
Molare Masse 291,23 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte
  • 4,763 g·cm−3 (α-Form)[1]
  • 4,845 g·cm−3 (β-Form)[1]
  • 4,38 g·cm−3 (91,5 %ig mit Dextrin)[1]
Schmelzpunkt

Zersetzung ab 190 °C[2]

Löslichkeit

schlecht in Wasser (230 mg·l−1)[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[3] ggf. erweitert[2]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 200​‐​302​‐​332​‐​360Df​‐​373​‐​410
P: 201​‐​202​‐​273​‐​308+313​‐​373[2]
Zulassungs­verfahren unter REACH

besonders besorgnis­erregend: fortpflanzungs­gefährdend (CMR)[4]

Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Bleiazid ist das Bleisalz der Stickstoffwasserstoffsäure. Es ist explosionsgefährlich und wird als Initialsprengstoff verwendet.

Bleiazid wurde 1891 erstmals wie auch Silberazid und Quecksilberazid von Theodor Curtius dargestellt.[1] Die Bedeutung der Verbindung wurde vom Militärversuchsamt in Berlin früh erkannt und schon 1907 wurde ein Initialzünder auf Basis dieses Salzes von Lothar Wöhler patentiert.[1][5] Auf Grund der hohen Neigung zu spontanen Explosionen vergingen bis zur allgemeinen internationalen Anwendung noch einige Jahrzehnte.[1]

Darstellung und Gewinnung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Herstellung erfolgt in diskontinuierlichen oder kontinuierlichen Verfahren durch die Umsetzung wässriger Lösungen von Natriumazid und Bleinitrat. Hierbei ist es wichtig, die Bildung großer Kristalle zu vermeiden, da schon geringe mechanische Belastungen wie das Zerbrechen von Kristallnadeln eine Explosion auslösen können. Aus diesem Grund werden Dextrin, Polyvinylalkohol oder andere ein Kristallwachstum störende Stoffe zugesetzt, so dass ein technisches Produkt mit einem Bleiazidgehalt von 92–96 % resultiert.[1][6]

Im Labor erfolgt lediglich eine verkleinerte Anwendung der technischen Darstellung über die Fällung einer Natriumazidlösung mit einer Bleinitratlösung unter starkem Rühren zur Vermeidung der Bildung größerer Kristalle[7]:

Um ein reineres Produkt für die Laboranwendung zu erhalten, wird hierbei oft auf den Zusatz von Additiven verzichtet.

Bleiazid bildet farblose Kristalle, die relativ beständig gegen Wärme und Feuchtigkeit bzw. wenig hygroskopisch sind.[6] Es ist in Wasser praktisch unlöslich.[6] Bleiazid tritt in vier polymorphen Modifikationen auf. Das sind eine orthorhombische α-Form, eine monokline β-Form, eine monokline γ-form und eine trikline δ-Form.[1] Die Verbindung besitzt explosionsgefährliche Eigenschaften, wobei besonders die mechanische Empfindlichkeit gegenüber Stoß, Schlag und Reibung relevant ist. Es ist relativ temperaturstabil und zerfällt erst oberhalb von 315 °C.[1] Die Zerfallsprodukte sind fein verteiltes Blei und Stickstoff.[8] Wichtige Explosionskennzahlen sind:

Reines Bleiazid ist zudem sehr hoch elektrostatisch empfindlich und zündet leicht durch Felddurchbruch.[1] Die Daten beziehen sich auf die gebräuchliche α-Form. Die β-Form ist wesentlich empfindlicher.[1] Eine Vernichtung von Bleiazid kann in einer wässrigen Lösung mit 8 % Natriumnitrit und 15 % Salpetersäure oder in einer 10%igen Natronlauge erfolgen.[1]

Ein besonderes technisches Problem für die historische Munitionsherstellung war die Reaktion von Bleiazid mit dem in Geschosshülsen vorhandenen Kupfer zum noch explosionsfreudigeren Kupfer(II)-azid.[9]

Bleiazid ist seit seiner ersten Verwendung als Initialsprengstoff (Wöhler-Martin)[5] zu dem wichtigsten Initialsprengstoff geworden, der das früher übliche Knallquecksilber (Quecksilberfulminat) fast völlig verdrängt hat. Trotz geringeren Energieinhaltes und kleinerer Dichte hat es größere Initialkraft, ist weniger schlagempfindlich als Knallquecksilber und hat außerdem eine bedeutend größere Stabilität bei höheren Temperaturen und gegen Feuchtigkeit. Die Einführung von Aluminium zur Sprengkapselherstellung und damit eine bedeutende Verbilligung war nur durch Verwendung von Bleiazid möglich, da Quecksilberfulminat mit Aluminium ein Amalgam bildet.

Die Verbindung ist in der Liste der explosionsgefährlichen Stoffe gemäß §2 Abs. 6 Satz 2 des Sprengstoffgesetzes (Altstoffliste) aufgeführt.[10]

Bleiazid ist als fruchtschädigend, Kategorie 1A und mit spezifischer Zielorgan-Toxizität, Kategorie 2 eingestuft.[2]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c d e f g h i j k l m Eintrag zu Bleiazid. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 14. Juni 2014.
  2. a b c d e Eintrag zu Bleiazid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 1. Februar 2016. (JavaScript erforderlich)
  3. Eintrag zu Lead diazide in der Datenbank ECHA CHEM der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  4. Eintrag in der SVHC-Liste der Europäischen Chemikalienagentur, abgerufen am 16. Juli 2014.
  5. a b Patent DE196824: Initialzünder. Angemeldet am 2. März 1907, veröffentlicht am 27. März 1908, Erfinder: L. Wöhler.
  6. a b c d e f g h i j k l m J. Köhler, R. Meyer, A. Homburg: Explosivstoffe. 10., vollst. überarb. Auflage. Wiley-VCH, Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-32009-7.
  7. Georg Brauer: Bleiazid. In: Handbuch der Präparativen Anorganischen Chemie. Ferdinand Enke Verlag Stuttgart, 1954, S. 363.
  8. ABC Chemie. F.A. Brockhausverlag, Leipzig 1971, S. 187.
  9. Thomas Enke: Grundlagen der Waffen- und Munitionstechnik, 2., aktualisierte Auflage. Walhalla Fachverlag, Regensburg 2021, doi:10.5771/9783802947780, S. 101.
  10. *Bekanntmachung der explosionsgefährlichen Stoffe gemäß § 2 Abs. 6 Satz 2 des Sprengstoffgesetzes.In: Bundesanzeiger. Nr. 233a vom 16. Dezember 1986, abgerufen am 7. Februar 2025.