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„Kreationismus“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel|beschäftigt sich mit dem Kreationismus im engeren Sinne. Im weiteren Sinne bezeichnet der Begriff auch den [[Schöpfung]]sglauben allgemein.}}
'''Kreationismus''' (v. [[Latein|lat.]] ''creare'' = erschaffen) bezeichnet ein religiöses Weltbild, wonach die Entstehung des [[Universum]] als Schöpfungswerk [[Gott]]es zu erklären sei. Kreationismus ist somit eine besondere Ausprägung des [[Schöpfungsglaube]]ns, wie er in verschiedenen [[Religion]]en vorkommt und bei Naturvölkern in vielen Varianten verbreitet ist.
[[Datei:Ark-encounter-2514667 960 720.jpg|mini|Nachbau der [[Arche Noah]] im ''[[Ark Encounter]]'', einem kreationistischen [[Themenpark]] im [[Grant County (Kentucky)]]. Die [[Answers in Genesis|Betreiber des Parks]] vertreten die These, [[Dinosaurier]] hätten gleichzeitig mit Menschen existiert, seien sogar auf der Arche gewesen, und erst nach der Sintflut ausgestorben.]]
'''Kreationismus''' (von {{laS|creatio}} „[[Schöpfung]]“) bezeichnet die religiöse Auffassung, dass das [[Universum]], das [[Leben]] und der [[Mensch]] buchstäblich so entstanden sind, wie es in den [[Heilige Schriften|Heiligen Schriften]] der [[Abrahamitische Religionen|abrahamitischen Religionen]] und insbesondere in der [[Altes Testament|alttestamentlichen]] [[Genesis (Bibel)|Genesis]]<ref>siehe {{b|Genesis|}}</ref> geschildert wird. Als bedeutende Strömung trat der Kreationismus im frühen 20. Jahrhundert im Bereich des [[Evangelikalismus]] in den [[Vereinigte Staaten|USA]] auf, wo er bis heute auch seine größte Verbreitung besitzt. In seiner strengsten Form postuliert er ein Erdalter von einigen Tausend Jahren und geht von der Existenz einer [[Sintflut]] aus, bei der die meisten Menschen und Tiere umgekommen seien. Ebenfalls kennzeichnend ist die Ablehnung der [[Evolutionstheorie]].


Anhänger findet der Kreationismus vor allem bei der [[Christliche Rechte|religiösen Rechten]]. Diese befürwortet teilweise, seine Auffassung zum Inhalt des Biologieunterrichts zu machen. Da die [[Verfassung der Vereinigten Staaten|US-amerikanische Verfassung]] jedoch ein Verbot religiöser Inhalte im Schulunterricht vorsieht, wird der Kreationismus von manchen seiner Verfechter als wissenschaftliche Theorie bezeichnet („[[Intelligent Design]]“). Damit soll ein Konflikt mit der Verfassung vermieden werden. Die US-Rechtsprechung hat sich dieser Auslegung jedoch nicht angeschlossen. In seinen verschiedenen Formen bewegt sich der Kreationismus zwischen Religionslehre und [[Pseudowissenschaft]].<ref>Jochem Kotthaus: ''Propheten des Aberglaubens. Der deutsche Kreationismus zwischen Mystizismus und Pseudowissenschaft.'' LIT Verlag, Münster 2003.</ref><ref>Zum Problem der Zuschreibung des Begriffs „Pseudowissenschaft“, insbesondere für die Kritiker des 19. Jahrhunderts vgl. Ronald L. Numbers: ''The Creationists: The Evolution of Scientific Creationism.'' Harvard University Press, veränderte Neuauflage 2006 (orig.: Alfred A. Knopf, New York, 1992) auf Seite 12, Ralph O’Connor: ''Young-Earth Creationists in Early Nineteenth Century Britain? Towards a reassessment of „Scriptural Geology“''. History of Science 45 (4), 2007.</ref>
Spezifische Eigenart des Kreationismus gegenüber anderen Ausprägungen des Schöpfungsglaubens ist, dass der Kreationismus seine Erklärung der Weltentstehung explizit als [[Alternative]] zu den Erklärungen der [[Naturwissenschaft]]en versteht; da die Annahme der Existenz eines Gottes nicht [[Falsifizierbarkeit|falsifizierbar]] ist und aus wissenschaftlicher Sicht auch keinen [[Erklärungswert]] hat, wird der Kreationismus zu den [[Pseudowissenschaft]]en gerechnet. Ein Schöpfungs''glaube'' ohne kreationistischen Anspruch andererseits gilt ''nicht'' als Pseudowissenschaft, da die Existenz eines Gottes von den Naturwissenschaften weder bejaht noch verneint, sondern schlichtweg nicht benötigt wird.


Im [[Islam]] vertritt heute u.&nbsp;a. [[Harun Yahya]] den Kreationismus,<ref>{{Internetquelle |autor=Jens Lubbadeh |url=https://www.stern.de/panorama/wissen/natur/islamischer-kreationismus-mit-allah-gegen-darwin-3356700.html |titel=Mit Allah gegen Darwin |datum=2007-03-29 |abruf=2019-10-06}}</ref> im [[Judentum]] sind es vor allem Anhänger [[Orthodoxes Judentum|orthodoxer Richtungen]].
==Grundhaltung==


== Abgrenzung ==
Im wissenschaftlichen [[Diskurs]] wird unter einem ''kreationistischen Ansatz'' insbesondere eine Hypothese verstanden, die die [[Evolutionstheorie]] oder Teile davon in Frage stellt. Diese Bezeichnung wird oft als disqualifizierendes [[Attribut]] verwendet.
Der Kreationismus in seiner modernen, heute einflussreichen Form geht auf amerikanische Autoren des frühen 20. Jahrhunderts zurück. Sie griffen Ansichten von Autoren des 17. bis 19. Jahrhunderts auf, die vorher sowohl in der wissenschaftlichen wie auch in der theologischen Fachdebatte keine Rolle mehr spielten. Als grundlegend gelten das 1923 erschienene „The New Geology“ von [[George McCready Price]] und, dieses popularisierend, „The Genesis Flood: The Biblical Record and Its Scientific Implications“ von John C. Whitcomb und [[Henry M. Morris]] (1961).<ref>Ronald L. Numbers: ''Creationism since 1859. Chapter 56.'' In: Garry B. Ferngren (general editor): ''The History of Science and Religion in the Western Tradition. An Encyclopedia.'' Taylor and Francis, New York, London, 2000, ISBN 0-8153-1656-9.</ref><ref name="Montgomery">David R. Montgomery: ''The evolution of creationism.'' GSA today 22 (11), 2012, S. 4–9.</ref> Eine unabhängige Tradition in Europa existierte nur in den Niederlanden im auf [[Abraham Kuyper]] zurückgehenden Neocalvinismus.<ref>Abraham C. Flipse (2012): ''The Origins of Creationism in the Netherlands: The Evolution Debate among Twentieth-Century Dutch Neo-Calvinists.'' Church History 81 (1): 104–147. [[doi:10.1017/S000964071100179X]]</ref> Der übrige moderne europäische Kreationismus geht auf die amerikanischen Autoren zurück. Die Anti-Evolutionisten, die die Evolutionstheorie Charles Darwins im 19. Jahrhundert ablehnten, nannten sich nicht Kreationisten. Der Begriff taucht allenfalls als abwertende Zuschreibung in privater Korrespondenz aus dieser Zeit gelegentlich auf.<ref name="num">{{Internetquelle |autor=Ronald L. Numbers |url=https://www.counterbalance.net/history/anticreat-frame.html |titel=Antievolutionists and Creationists |werk=Creationism History |hrsg=Counterbalance Meta-Library |abruf=2007-08-15}}</ref>


Viele Menschen, die eine [[Schöpfung]] vertreten, sehen dies als Teil ihres religiösen [[Glaube (Religion)|Glaubens]] und als vereinbar mit der [[Naturwissenschaft]] oder davon grundsätzlich unabhängig.<ref>Oberkirchenrat und Publizist Joachim Schmidt, Leiter Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, in ''Echt Glaube kompakt'': [https://web.archive.org/web/20230729171305/https://www.webcitation.org/1206823009708069 Verdrängungswettbewerb] abgerufen am 29. März 2008.</ref> Darunter fallen viele große Konfessionen, einschließlich der katholischen und vieler protestantischer Kirchen, sowie auch manche islamische Glaubensgemeinschaften. Sie lehnen die durchgängig wörtliche Interpretation der Heiligen Schrift und der darin beschriebenen Schöpfungsgeschichte grundsätzlich ab.<ref>[http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/pcb_documents/rc_con_cfaith_doc_19930415_interpretazione_ge.html ''Die Interpretation der Bibel in der Kirche.''] In: ''vatican.va'', 15. April 1993 (Standpunkt der katholischen Kirche zur [[Historisch-kritische Methode (Theologie)|historisch-kritischen Methode]] in der [[Päpstliche Bibelkommission|Päpstlichen Bibelkommission]]).</ref><ref>Zur evangelischen Theologie siehe [http://www.ekd.de/download/ratsbericht_synodemai2003_redigiert.pdf Ratsbericht der Synode] (PDF; 125&nbsp;kB).</ref> Sie wird als Text verstanden, der kritisch im historischen Zusammenhang seiner Verfasser gelesen werden muss ([[Historisch-kritische Methode (Theologie)|historisch-kritische Methode]]). Viele religiöse Menschen verstehen sie auch als [[Metapher]], die eine Bedeutung lediglich außerhalb der Naturwissenschaft hat.
Neben [[Darwinismus]] und [[Evolutionstheorie]] werden auch [[Abiogenese]], [[Makroevolution]], und [[Mikroevolution]] von manchen Vertretern des Kreationismus in Frage gestellt. Uneinheitlich ist die Haltung zur [[Urknalltheorie]]. "Junge-Erde-Kreationisten" müssen sie konsequenterweise verwerfen, islamischen Kreationisten dient sie dagegen als Beleg dafür, dass die Theorien der [[Marxismus|Marxisten]] und [[Materialismus|Materialisten]] von der Ewigkeit der [[Materie]] unhaltbar seien. Manche Kreationisten sind auch [[Geozentrisches Weltbild|Geozentriker]], und eine extreme Minderheit (Flat Earth Society) betrachtet die Erde heute noch als flach.


Solche Standpunkte werden manchmal in eine breitere Definition des Begriffs Kreationismus mit aufgenommen, werden aber besser unter dem Stichwort [[theistische Evolution]] gefasst. Der Kreationismus im engeren Sinn vertritt jedoch die Ansicht, dass wissenschaftliche Aspekte für eine wörtliche Interpretation des im Buch [[Genesis (Bibel)|Genesis]] (bei Christen und Juden) oder im [[Koran]] (bei Muslimen) beschriebenen Schöpfungsberichts sprächen. Diese Auffassung der Irrtumslosigkeit und wörtlichen Interpretation der Bibel ([[evangelikale Exegese]], [[fundamentalistische Hermeneutik]]) findet sich vorrangig in [[Evangelikalismus|evangelikalen]] und in [[Christlicher Fundamentalismus|fundamentalistischen]] Bewegungen des [[Christentum]]s sowie mitunter im Islam.
Neben der Entstehung verlangt auch die weitere Entwicklung des Universums nach der Auffassung vieler Ausrichtungen des Kreationismus den fortgesetzten Eingriff einer höheren [[Instanz]]. Damit lehnt der Kreationismus auch hier das naturalistische Weltbild ab, nach dem allein naturwissenschaftlich erfassbare Vorgänge zur Erklärung der Welt und des [[Weltall]]s ausreichen.


Obwohl der [[Hebräische Sprache|hebräische]] Urtext so ausgelegt werden kann, dass er die Schöpfung aus dem Nichts ([[creatio ex nihilo]]) implizit bestreitet, sehen einige [[Judentum|Juden]] und Christen die Genesis als Stütze für den [[Absolutheitsanspruch]] ihres Schöpfungsglaubens.<!-- siehe auch: creation according to genesis, deutsche Fassung? --> Sie gehen davon aus, dass die Schrift faktisch zutreffende Aussagen aus der Perspektive Gottes enthalte und ein Augenzeugenbericht über den Ursprung der Dinge sei.
Da die Erklärung der Welt als Schöpfung die Existenz eines Schöpfers impliziert, handelt es sich bei den Kreationisten [[Weltanschauung|weltanschaulich]] gesehen meist um [[Theismus|Theisten]].


Naturwissenschaftliche Erkenntnisse (als eine [[Empirie|empirische]] Informationsquelle über die Naturgeschichte) stehen jedoch weitestgehend im Widerspruch zu dieser wörtlichen Interpretation der Bibel. Einige Kreationisten sind daher der Auffassung, dass die Sichtweise der Naturwissenschaft und ihre Grundannahmen unvereinbar mit dem religiösen Glauben seien und sich diesem unterordnen sollten. Kreationisten lehnen oft die Sichtweise der Naturwissenschaft im Allgemeinen und bestimmte wissenschaftliche Theorien im Besonderen ab. Dies bezieht sich vor allem auf die darwinsche Evolutionstheorie und ihre Bedeutung für die moderne [[Evolutionsbiologie]]. Die meisten Kreationisten bestreiten auch die naturwissenschaftlichen Theorien über den Ursprung des Lebens und der menschlichen Spezies, die [[Geologie|geologische]] [[Entstehung der Erde|Erdgeschichte]], die [[Evolutionsgeschichte]], die Entwicklung des [[Sonnensystem]]s und den Ursprung des [[Universum]]s.
== Verbreitung ==
Kreationisten innerhalb des [[Christentum]]s sind innerhalb des letzten Jahrhunderts vielfach in Auseinandersetzungen mit naturwissenschaftlich geprägten Ansichten bekannt geworden, insbesondere in den [[USA]]. Aber auch innerhalb des [[Judentum]]s, insbesondere des [[orthodox]]en, ist der Kreationismus eine akzeptierte Anschauung.


Kreationismus im weiteren Sinn durchzieht die gesamte [[Geschichte der Religion|Religionsgeschichte]]. Im Allgemeinen jedoch wird damit Bezug genommen auf die Zeit ab den ersten Widersprüchen zwischen Erkenntnissen moderner Naturforscher und Vertretern einer wortgetreuen Bibelauslegung bei der Datierung der Größenordnung des Erdalters, in deutlicherer Form dann mit der Aufstellung der Evolutionstheorie durch [[Charles Darwin]]. Andere Definitionen beziehen sich dagegen auf die Einführung der Evolutionstheorie im Schulunterricht.
In der [[Islam|islamischen]] Welt wurde die Evolutionstheorie seit dem späten [[19. Jahrhundert]] [[Kulturelle Rezeption|rezipiert]]. Naturwissenschaftliche Lehrmeinungen, wie sie in [[Europa]] durch die [[Aufklärung]] weiten Bevölkerungsschichten bekannt wurden, sind dort oft nur einer Minderheit bekannt. Deshalb dauerte es länger, bis sich in islamischen Ländern ein "wissenschaftlicher Kreationismus" herausbildete. Er wird heute vor allem in der [[Türkei]] im Umfeld der Anhängerschaft von [[Said Nursi]] (1876?-1960) gepflegt. Die Hauptvertreter sind zur Zeit [[Fethullah Gülen]] (1941-) und [[Harun Yahya]] (eigentlich Adnan Oktar, 1956-). Das Bilim Araştırma Vakfı (Stiftung für wissenschaftliche Forschung) von letzterem organisierte Konferenzen mit führenden westlichen Kreationisten. Islamische Kreationisten orientieren sich an der "Intelligent Design"-Theorie, da es keinen der [[Genesis]] vergleichbaren "Sechs-Tage"-Schöpfungsbericht im [[Koran]] gibt. Durch das [[Internet]] finden ihre Thesen weite Verbreitung, vor allem in [[Indonesien]] und [[Malaysia]] sowie der westlichen [[Diaspora]]. In den [[Arabien|arabischen]] Ländern und im [[Iran]] scheint das Interesse eher gering zu sein. Wie im westlichen [[Kontext]] wird die Evolutionstheorie in der islamischen Welt für eine materialistische Lebenseinstellung sowie deren soziale und politische Folgen verantwortlich gemacht.


== Vorgeschichte ==
Während wissenschaftlich tätige Vertreter des Kreationismus nach eigener Aussage naturwissenschaftliche Methoden akzeptieren und anwenden, stehen sie einem absolut gesetzten wissenschaftlichen [[Naturalismus (Philosophie)|Naturalismus]] als Weltanschauung und insbesondere als einzig akzeptable [[Prämisse]] wissenschaftlicher Thesen kritisch gegenüber. Sie sehen das als eine unzulässige Vermischung von Naturwissenschaft und Weltanschauung, die die wissenschaftliche Objektivität einschränkt. Insbesondere in den USA versuchen inzwischen fundamentalreligiöse Gruppen gezielte [[Lobby]]arbeit zu betreiben und es gelang, Politiker für ihre Zwecke zu gewinnen. Die Gegner des Kreationismus sehen das wiederum als außerwissenschaftliche Einmischung in wissenschaftliche Belange.
=== Antike: Die heiligen Bücher ===
Eine der Wurzeln des Kreationismus liegt in den [[Kosmogonie]]n, den seit [[antike]]n Zeiten aufgeschriebenen Erklärungsmodellen zur Entstehung der Welt. Die Schriften zur [[Schöpfung]] in den [[Buchreligion]]en wurden in der [[Bibel]] und im [[Koran]] gesammelt und durch die Schriftform fixiert. Beide Werke verarbeiten die Ansichten der [[Abrahamitische Religionen|abrahamitischen Religionen]] zu [[Weltgeschichte|Welt-]] und [[Naturgeschichte]]. Arabische bzw. muslimische Gelehrte ergänzten ihre Ansichten zur Schöpfung weiterhin durch Verwendung von griechischen Texten. In der Antike selbst ist eine dem Kreationismus vergleichbare Weltanschauung quasi unbekannt. Die antiken Philosophen der Schulen der [[Platonismus|Platoniker]] und Neuplatoniker, der [[Stoa]] und der [[Epikureismus|Epikureer]] betrachteten übereinstimmend die Lehre von den Göttern als dunkles und schwieriges Problem, über das der Mensch kaum sichere Kunde besitze.<ref>vgl. etwa Marcus Tullius Cicero: ''De natura deorum'' („''Vom Wesen der Götter''“).</ref> Aufgabe der Philosophen sei es, durch Nachdenken zum Kern der Probleme vorzudringen. Die mythischen Erzählungen zum Weltursprung und zu den Göttern wurden in unterschiedlichem Maße ernst genommen, meist aber als allegorische Fabeln für das ungebildete Volk abgetan. Auch die auf der Schwelle zum Mittelalter stehenden [[Kirchenvater|Kirchenväter]] lehnten wortinspirierte Lesungen der Bücher weitgehend ab. Der bis in die Neuzeit immens einflussreiche [[Augustinus von Hippo]] besaß eine profunde philosophische Bildung und war stark vom [[Neuplatonismus]] [[Plotin]]s beeinflusst. Seiner Ansicht nach hatte die antike Philosophie durch reines Nachdenken die meisten (wenn auch nicht alle) der Glaubenswahrheiten der Bibel unabhängig von Gottes Offenbarung entdeckt. Für ihn waren die wesentlichen Wahrheiten über den Menschen und die Welt allerdings innerlich. Eine zu starke Beschäftigung mit den Angelegenheiten der Welt galt zwar nicht ausgesprochen als sündhaft, lenke aber doch eher von den Dingen ab, auf die es wirklich ankomme. Augustinus schrieb, in verschiedenem Alter, fünf Abhandlungen über das Buch Genesis, ohne zu einem abschließenden Urteil zu kommen. Er warnt aber davor, die Aussagen der Schrift zu wörtlich zu nehmen und gegen die Texte der Philosophen auszuspielen, da alle Wahrheit in der Natur letztlich ebenfalls von Gott stamme. Der Sinn von vielem in den Texten müsse durch allegorische Auslegung enträtselt werden. Ein direkter, wörtlicher Glaube könne zwar der Seele nie schaden, es sei aber theologischen Denkern erlaubt, darüber hinaus zu forschen.<ref>Kurt Flasch: ''Augustin: Einführung in sein Denken.'' Reclam-Verlag, 2. Auflage 1994.</ref><ref>Kenneth J. Howell: ''Augustine of Hippo. Chapter 24.'' In: Garry B. Ferngren (general editor): ''The History of Science and Religion in the Western Tradition. An Encyclopedia''. Taylor and Francis, New York, London, 2000, ISBN 0-8153-1656-9.</ref>


=== Mittelalter ===
== Richtungen des Kreationismus ==
Im [[Mittelalter]] (ca. 600 n.&nbsp;Chr. bis 1500 n.&nbsp;Chr.) galt seit [[al-Ghazālī]] (gestorben 1111) im islamischen Kulturraum die Beschäftigung mit den Werken der Philosophen über die Natur als unnötig und tendenziell schädlich; sie wurde in den [[Madrasa|Medressen]] nicht mehr gelehrt. In der davor liegenden philosophischen Blütezeit war aber vor allem das Werk des [[Aristoteles]] rezipiert und umfassend ausgelegt worden. Nur durch islamische (und im islamischen Kulturkreis lebende jüdische) Denker ist dieses im Abendland, das jede Kenntnis davon verloren hatte, wieder zugänglich geworden. Dem frühen Mittelalter im Okzident waren davor nur anekdotische, meist stark allegorisch geprägte, im weitesten Sinne naturkundliche Werke zugänglich, die [[Bestiarium|Bestiarien]] genannt werden. Die hochmittelalterliche [[Scholastik]] strebte eine Synthese zwischen dieser nun neu zugänglichen (antiken) Naturphilosophie und der Theologie (die erst jetzt, durch [[Petrus Abaelardus]] neu begründet wurde) an. Als maßgeblich an den neu entstehenden Universitäten galt vor allem die Lehre des [[Thomas von Aquin]] (gestorben 1274).<ref>vgl. William A. Wallace: ''Thomas Aquinas and Thomism. Chapter 25.'' In: Garry B. Ferngren (general editor): ''The History of Science and Religion in the Western Tradition. An Encyclopedia.'' Taylor and Francis, New York, London, 2000, ISBN 0-8153-1656-9.</ref>
Im [[Thomismus]] besteht zwischen Glauben und Vernunft kein grundlegender Widerspruch. Der Mensch kann, gestützt auf seine Sinne und seine (immer fehlbare) Vernunft, in der Schöpfung wie in einem Buch lesen. Gegenüber dem durch Gott eingegebenen Glauben handelt es sich um eine geringere Tugend, die trotzdem eine Tugend bleibt. Der Mensch vermag, natürliche Wahrheiten über die Welt mittels der Methoden der [[Geschichte der Logik#Die aristotelische Begriffslogik|aristotelischen Logik]] zu entdecken, die Vernunft versage allerdings angesichts der übernatürlichen Wahrheiten, die nur der Glauben fassen könne. Trotz des absoluten Vorrangs der Glaubenswahrheiten ermöglichte die scholastische Lehre eine vom offenbarten Wissen unabhängige Naturphilosophie, die letztlich zur Wurzel der modernen Naturwissenschaften wurde. Das Verbot (zumindest außerhalb der abgehobenen akademischen Sphären) über Wahrheiten zu spekulieren, die im Widerspruch zum, als fraglos richtig angesehenen, offenbarten Wissen standen, verhinderte zunächst jeden offenen Konflikt. Jede Bibelstelle musste seit [[Johannes Cassianus]], neben der wörtlichen Aussage ([[Literalsinn]]), allerdings bereits im allegorischen, moralischen (oder [[Tropus (Rhetorik)|tropologischen]]) und [[Anagoge|anagogischen]] Sinn ausgelegt und dabei Widersprüche und Mehrdeutigkeiten ausgeräumt werden, wodurch eine naiv-wörtliche [[Biblische Exegese|Exegese]] nie gefördert wurde.


[[Datei:Michelangelo Buonarroti 018.jpg|mini|''Der Schöpfergott scheidet Licht und Finsternis (Sonne und Mond)'' von [[Michelangelo]]. Ein wörtliches Verständnis der Schöpfungsgeschichte hat die Kunst immer wieder inspiriert.]]
Es gibt innerhalb des Kreationismus ein weites Spektrum von Ansichten.
[[Datei:Creation of Light.png|mini|''Die Erschaffung des Lichts'' von [[Gustave Doré]]]]


=== Theistische Evolution ===
=== Frühe Neuzeit ===
Erst in der Neuzeit entwickelte sich, zunächst ausschließlich im Okzident, aus der mittelalterlichen Naturphilosophie die moderne, empirische Naturwissenschaft. Diese wurde lange Zeit aber nicht als Problem oder gar als Konkurrenz für das religiöse Weltbild aufgefasst. Klassische Autoren wie [[Isaac Newton|Newton]] oder [[Galileo Galilei|Galilei]] verwiesen noch, in mittelalterlicher Tradition, darauf, dass die Enträtselung der Mechanismen von Gottes Schöpfung dessen Ehre nur erhöhen würden. Wissenschaftler wie [[Robert Boyle]] betrachteten ihre Forschungen als quasi-theologische Erforschung von Gottes Wirken in der Natur, er stiftete aus seinem Nachlass die Mittel für eine Vorlesungsreihe (die Boyle lectures), die speziell aufzeigen sollte, wie die Wissenschaft den Atheismus widerlege und die christlichen Wahrheiten bestätige. Viele philosophische Autoren verwiesen auf die Harmonie und Zweckmäßigkeit der Natur, die für Autoren wie [[William Paley (Theologe)|William Paley]] eine „natürliche Theologie“ begründete. Gott habe die Natur so geschaffen, dass sie auch vom menschlichen Verstand begriffen werden könne. Für die vor allem englischen [[Deismus|Deisten]] verwies die Untersuchung der Natur aus reinen Verstandesgründen, auch ohne jede Offenbarung, notwendig auf das Wirken eines gütigen Schöpfergottes. Konflikte, zum Beispiel über den [[Atomismus]] oder das [[Heliozentrisches Weltbild|heliozentrische Weltbild]], ergaben sich weniger zwischen Glauben und Wissenschaft, sondern eher zwischen den modernen, [[Empirie|empirischen]] Methoden und dem aristotelischen, scholastischen Weltbild, das eher auf der Erklärung der Welt durch abstraktes, logisches Denken beruhte. Kirchliche und weltliche Autoritäten betrachteten die Entwicklung zwar mit Misstrauen, weil sie Veränderungen generell ablehnten und eine Verbindung zwischen freiem Denken und sozialen Forderungen befürchteten, die wissenschaftlichen und philosophischen Kontroversen erreichten aber die breitere Öffentlichkeit fast gar nicht. Dies änderte sich erst im frühen 19. Jahrhundert, insbesondere durch die neuen Lehren der Geologie und der Evolutionsforschung innerhalb der Biologie.


=== 18. und 19. Jahrhundert ===
Die theistische Evolution sieht Gott als Schöpfer, der das Leben mittels Evolution erschuf, wobei es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie stark er in diesen Prozess eingreift und eingegriffen hat. Vertreter dieser Richtung akzeptieren die meisten Ergebnisse der modernen Naturwissenschaft, daher verstehen sie sich selbst nicht als Kreationisten im hier dargestellten Sinn und werden auch von Gegnern des eigentlichen Kreationismus nicht als solche bezeichnet, sondern nur von Kreationisten. Diese Position wird von der katholischen Kirche vertreten und ist allgemein unter Christen weit verbreitet.
==== Geologie ====
Die britischen Forscher [[William Smith (Geologe)|William Smith]], [[James Hutton]] und [[Charles Lyell]] begannen im 18. Jahrhundert mit einer Abschätzung des Erdalters. Sie begründeten eine neue Wissenschaft, die [[Geologie]]. Ihre Schlussfolgerungen waren für viele zeitgenössische Theologen, die aufgrund anderer philosophischer und theologischer Elemente die auf wortwörtlicher Auslegung biblischer Texte beruhende Chronologie (berühmt ist die Rückrechnung von Bischof [[James Ussher]], der den Zeitpunkt der Schöpfung auf den 23. Oktober des Jahres 4004 v. Chr. rückrechnete) bereits ablehnten, völlig unproblematisch. Andere Theologen, mehr aber noch die gebildete breite Öffentlichkeit, sahen darin eine Herausforderung der Autorität der Bibel. In den 1790er Jahren warnte die Royal Society ihr Mitglied [[John Hunter (Mediziner)|John Hunter]], seine öffentlichen Auslassungen über das hohe Alter der Erde könnten die „verständlichen“ Vorurteile der Öffentlichkeit reizen. Das Drama „Kain“ des Dichters und Freigeists [[George Gordon Byron|Lord Byron]], in dem das Alter der Erde und Fossilien eine prominente Rolle spielen, rief eine Flut verächtlicher Kritiken hervor. Opponenten, die sich selbst als „Geologen der Schrift“ (scriptural) oder „mosaische Geologen“ bezeichneten, argumentierten gegen die neuartigen Auffassungen, wobei sie in der breiten Öffentlichkeit viele Sympathien hatten. Diese Opponenten bildeten aber keine geschlossene Front (viele schrieben völlig unabhängig voneinander) und keine Schule wie die späteren Kreationisten (die allerdings auf ihren Werken aufbauten). Berühmt wurde die Kontroverse über die biblische [[Sintflut]]. Der Geologe und Geistliche [[William Buckland]] behauptete in seinem Werk ''Reliquiae Diluvianae'', seine Forschungen hätten die Wahrheit des biblischen Berichts klar bestätigt; die damals entdeckten Fossilien großer, ausgestorbener Wirbeltiere seien urzeitliche Bestien, die in der Flut ertrunken seien. Andere, zu ihrer Zeit prominente Autoren wie [[Granville Penn]] und [[Andrew Ure]], darunter neben einigen Geistlichen viele traditionelle Amateurforscher aus der Oberschicht ([[Gentleman|Gentlemen]] of science) schrieben Werke, die die wörtliche Wahrheit der biblischen Berichte bestätigen sollten.<ref>Ralph O’Connor (2007): Young-earth creationists in early nineteenth-century Britain? Towards a reassessment of scriptural geology. History of Science 45 (4): 357-402.</ref><ref name="Montgomery" />


=== Intelligent Design (ID) ===
==== Biologie ====
[[Charles Darwin]]s Theorie der Evolution wurde von konservativen Christen seit dem Erscheinen seines Hauptwerks ''[[Über die Entstehung der Arten]]'' im Jahr 1859 sofort erbittert bekämpft. Während die bisherigen Kontroversen die Welt als Ganzes betrafen, wurde die Evolutionstheorie als frontaler Angriff auf das Wesen und die Würde des Menschen aufgefasst; hier ging es nicht um nebensächliche Einzelheiten, sondern zentral um das Menschenbild, was die Härte des Streits erklärbar macht. Obwohl Darwin selbst, die Kritik vorhersehend, anfangs zögerte, seine Theorie überhaupt auf den Menschen anzuwenden, wurde dieser Punkt von seinen Kritikern von Anfang an klar gesehen und stand immer im Zentrum der Debatte (Darwin erkannte später seinen Fehler und veröffentlichte 1871 ''[[Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl]]''). Die Evolutionstheorie postuliert einen Aufstieg des Menschen aus tierischen Vorfahren (was auch als Ermöglichung weiteren Fortschritts gelesen werden konnte), während die Theologie klassisch einen Abstieg des ursprünglich vollkommenen Menschen aufgrund der [[Erbsünde]] voraussetzte. Der Widerspruch zum Fall Adams, und damit implizit zu Christus als dem „zweiten Adam“ war theologisch schwerer hinzunehmen als die nicht wortwörtliche Interpretation des Buches Genesis, mit dem die meisten aufgeklärteren Kirchenleute auch im 19. Jahrhundert keine Probleme mehr hatten. Außerdem eliminierte die Lehre den tiefen Spalt, der bisher den Menschen von den anderen Geschöpfen getrennt hatte. Was war nun mit der unsterblichen Seele, die nur dem Menschen zukam? In welchem Sinne war der Mensch nun noch das Ebenbild Gottes? Worauf beruhten die moralischen Werte, wenn alles im Kampf ums Dasein entschieden würde? Wo blieb beim Spiel des Zufalls, der die Entwicklung lenkte, der göttliche Plan? Der Widerstand gegen diese als Entwürdigung des Menschen als [[Krone der Schöpfung]] empfundene Herausforderung ging weit über kirchliche Kreise hinaus, sie versetzte der natürlichen Theologie und dem Deismus letztlich den Todesstoß. Sie wurde als Grenzüberschreitung wahrgenommen, mit der sich die Wissenschaft in Dinge einmischte, die sie nichts angingen.<ref>John Hedley Brooke: Darwin and Victorian Christianity. Chapter 8 in: Michael Jonathan Sessions Hodge, Gregory Radick (Hrsg.): ''The Cambridge Companion to Darwin.'' Cambridge University Press, 2003, ISBN 978-0-521-77730-8.</ref> Obwohl Darwin zeit seines Lebens in öffentlichen Äußerungen zögerlich blieb, sprachen seine Unterstützer eine offene Sprache. Sein wichtigster Unterstützer, „Darwins Bulldogge“ [[Thomas Henry Huxley]] war es, der den Begriff des [[Agnostizismus]] prägte. [[Herbert Spencer]] wandte den neuen [[Evolution (Begriff)|Begriff der Evolution]] in ''First Principles'' (1862) ohne Zögern auch auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft an und begründete damit den [[Sozialdarwinismus]]. (Im 20. Jahrhundert wandten Forscher wie [[Edward B. Tylor]], später auch [[Robert N. Bellah]] den Evolutionsgedanken dann auf die Religion selbst an und begründeten einen Evolutionismus vor allem in der [[Religionsethnologie]].)


Zu Darwins Gegnern zählten Geistliche wie der anglikanische Bischof [[Samuel Wilberforce]], daneben aber auch zahlreiche eminente Wissenschaftler wie der englische Anatom und Zoologe [[Richard Owen]] oder der führende amerikanische Naturforscher [[Louis Agassiz]]. Der katholische (später wegen unorthodoxer Ansichten exkommunizierte) Zoologe [[St. George Mivart]] argumentierte, wenn auch der menschliche Körper natürlichen Ursprungs wäre, so ginge doch seine Seele allein auf Gott zurück. In ''Genesis of Species'' sprach er für eine Evolution, die unter göttlicher Kontrolle ablief. Selbst [[Alfred Russel Wallace]], der die Evolutionstheorie unabhängig von Darwin entdeckt hatte, nahm noch an, dass ein Eingriff des Schöpfers notwendig bleibe, da anders die Sonderstellung des Menschen nicht erklärbar sei. Einflussreiche Denker wie der Schriftsteller [[Samuel Butler (Schriftsteller)|Samuel Butler]], aber auch viele Biologen, griffen auf die konkurrierende Evolutionstheorie des [[Lamarckismus]] zurück, die ihnen eher mit einem göttlichen Plan in der Natur vereinbar schien. Da Ende des 19. Jahrhunderts insbesondere Darwins Selektionstheorie innerhalb der Wissenschaft scharf angegriffen wurde und zeitweise in die Defensive geriet, konnten sich religiöse Kritiker bestätigt fühlen, dass es sich um eine kurzfristige Verirrung handele, die bald überwunden sei.<ref>Peter J.Bowler: ''Evolution.'' Chapter 85 in Garry B. Ferngren (general editor): The History of Science and Religion in the Western Tradition. An Encyclopedia. Taylor and Fracis, New York, London, 2000, ISBN 0-8153-1656-9.</ref> Speziell in Deutschland äußerten sich führende Anthropologen wie [[Rudolf Virchow]] und [[Adolf Bastian]] ablehnend. Dies könnte teilweise auf die Position führender deutscher Darwinisten wie [[Ernst Haeckel]] zurückgehen, die die Abstammung des Menschen als Argument für „niedere“ Menschenrassen und damit [[Rassismus]] verwendeten.<ref>[[Jonathan M. Marks|Jonathan Marks]] (2010): ''Why Were the First Anthropologists Creationists?'' Evolutionary Anthropology 19: 222–226.</ref> (Die Evolutionstheorie als Begründung für Rassismus wurde als Ablehnungsgrund später auch von den führenden amerikanischen Kreationisten wie Henry M. Morris herausgestellt.) Mit der Durchsetzung der Evolutionstheorie innerhalb der Wissenschaft bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts schien die Debatte zunächst erledigt. Konservative protestantische Christen, vor allem in den USA, lehnten sie zwar weiterhin ab, fanden aber keine wissenschaftlichen Unterstützer mehr, so dass der Kampf bereits entschieden schien.<ref>Ronald L. Numbers: ''[[The Creationists]]: From Scientific Creationism to Intelligent Design.'' Harvard University Press, 2006, ISBN 978-0-674-02339-0. darin vor allem Evolution comes to America, S. 16 ff.</ref>
Vertreter dieser Richtung akzeptieren nach eigener Aussage wissenschaftliche Methodik, stellen aber Thesen wie die [[Evolutionstheorie]] oder [[Abiogenese]] in Frage, weil sie diese nicht als befriedigende Erklärungen für gewisse wissenschaftliche Beobachtungen ansehen. Ihre alternative These ist, dass sich das Leben nur durch einen intelligenten Designer entwickelt haben könne. Es sei nach heutigen Erkenntnissen unmöglich, dass gewisse Entwicklungen in der Evolution "rein zufällig" geschehen seien (wobei es unter Intelligent Design-Vertretern verschiedene Auffassungen zur Reichweite evolutiver Prozesse gibt). Es gibt u.&nbsp;a. wahrscheinlichkeitsbasierte Argumentationen zu diesem Punkt. Daraus folgern sie, dass sich das Leben nicht anhand von Gesetzmäßigkeiten entwickelt habe, sondern das explizite Eingreifen einer Intelligenz den Anstoß gegeben habe beziehungsweise maßgeblich gewesen sei. Argumente dafür seien in der [[Mikrobiologie]], der mathematischen [[Logik]] und der [[Sprachwissenschaft|Linguistik]] zu finden.


== Geschichte ==
Die Argumentationsstrategie der ID-Vertreter besteht in der Regel darin, zu versuchen, alle naturalistischen Erklärungen zu bestreiten und Intelligent Design als einzige Erklärungsmöglichkeit darzustellen. Während die meisten Argumente der ID-Vertreter im Gegensatz zur heute vorherrschenden naturalistischen Sichtweise stehen, gibt es aber auch ein ID-Argument, das die Gültigkeit heutiger naturwissenschaftlicher Theorien erst voraussetzt. Dieses bezieht sich auf die von Naturwissenschaftlern diskutierte, bisher noch umstrittene, Feinabstimmung von Naturkonstanten, welche irdisches intelligentes Leben demnach erst ermögliche.
=== Entstehung ===
Dass die Bibel buchstäblich für wahr gehalten wird, ist in der Geschichte des Christentums erst seit relativ kurzer Zeit von Bedeutung. Schon die [[Kirchenvater|Kirchenväter]] [[Origenes]] (185–254)<ref>Vgl. Origenes, ''[[De principiis (Origenes)|De principiis]]'' IV, 2, 9. Online in Bibliothek der Kirchenväter: Origenes, [https://bkv.unifr.ch/de/works/318/versions/339/divisions/107819 ''Über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft'', IV, 2, 9].</ref> und [[Augustinus von Hippo]] (354–430) legten Wert auf eine kritische Betrachtung des alttestamentlichen Schöpfungsberichts (Genesis). Und vor der ersten Übersetzung in eine geläufige Sprache durch [[Martin Luther]] war die Bibel nur wenigen Menschen zugänglich. Die Genesis wörtlich für eine wahre Beschreibung vergangener Ereignisse zu halten, kam erst nach dem amerikanischen [[Sezessionskrieg]] (1861–1865) in den damals unterlegenen [[Südstaaten]] auf, insbesondere unter [[Baptisten]], und wurde ein bedeutender Teil des kulturellen Selbstverständnisses der Südstaatler und ihrer Ablehnung [[Nordstaaten|nordstaatlicher]] Werte. Besonders vorangetrieben wurde das von [[Siebenten-Tags-Adventisten]] wie George McCready Price, die an ein baldiges Ende der Welt ([[Harmagedon|Armageddon]]) glaubten. Die Verbesserung des Schulwesens, durch die mehr Kinder mit der Evolutionstheorie bekannt wurden, trug zur Entwicklung dieser Abwehrhaltung bei. Die erfolgreiche Durchsetzung des [[Prohibition in den Vereinigten Staaten|Alkoholverbots]] im Jahre 1919 ermutigte diese Bewegung, und hinzu kam eine Assoziation des Darwinismus mit dem [[Sozialdarwinismus]] und dessen vermeintlich bedeutender Rolle auf Seiten der Deutschen im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]].<ref name="ruse">Michael Ruse: ''[https://plato.stanford.edu/archives/spr2018/entries/creationism/ Creationism].'' In: ''[[Stanford Encyclopedia of Philosophy]].'' 2003/2018 (englisch).</ref>


=== Der Scopes-Prozess und die Folgen ===
Kritiker des Intelligent Design weisen darauf hin, daß seine Vertreter für die Entstehung und Existenz eines intelligenten Designers keine Erklärung anbieten und sich daher die Situation durch seine Einführung verschlechtern statt verbessern würde. Zudem sei nach gegenwärtigem Forschungsstand das Univerum wahrscheinlich groß genug oder sogar unendlich groß, so dass die von den ID-Vertreter behaupteten Unwahrscheinlichkeiten, selbst wenn es sie gäbe, auch durch ein [[anthropisches Prinzip]] erklärt werden können. Ebenso könne eine eventuell vorhandene Feinabstimmung der Naturkonstanten auch durch Viele-Welten-Modelle erklärt werden, so dass die Schlussweise der ID-Vertreter keinesfalls zwingend wäre.
Einen Höhepunkt der Auseinandersetzung mit dem Kreationismus bildete der [[Scopes-Prozess]] im Jahr 1925 in [[Dayton (Tennessee)]], bei dem ein Lehrer stellvertretend für aufklärerische Gruppen einen Musterprozess gegen den US-amerikanischen Bundesstaat führte, der kurz zuvor einen Bann gegen Darwins Evolutionstheorie beschlossen hatte. Der Prozess, der großes Aufsehen auch außerhalb der USA erregte, wurde im Ergebnis gegen den Lehrer entschieden, das Urteil jedoch aufgrund von Formfehlern wieder aufgehoben. Beobachter werteten das Verfahren selbst als Niederlage für die Anliegen des Kreationismus. Das Verbot, die Evolution zu unterrichten, blieb in Tennessee bis in die 1960er Jahre in Kraft, wurde jedoch nie wieder angewendet. Dennoch verschwand in den folgenden Jahrzehnten der Darwinismus zunehmend aus den US-amerikanischen Schulbüchern. Erst infolge des [[Sputnikschock]]s 1957 kam es diesbezüglich zu einer Wende, indem die US-Regierung Gelder für die Produktion neuer naturwissenschaftlicher Schulbücher zur Verfügung stellte, in denen auch die Evolution ausführlich behandelt wurde. In dieser Situation erschien 1961 das Buch ''Genesis Flood'' von Whitcomb und Morris, das unter gläubigen Christen sehr populär wurde und die Creation Science-Bewegung (wörtlich: Schöpfungs-Wissenschaft) begründete. Deren Ansatz war der Versuch, den Kreationismus als eine der Evolutionstheorie gleichwertige Wissenschaft darzustellen und ihr auf diese Weise – unter Umgehung des Verbots eines Religionsunterrichts in der US-Verfassung – Eingang in den Schulunterricht zu verschaffen.<ref name="ruse" />


=== Arkansas ===
Die Vertreter des Intelligent Designs sind ein Anziehungspunkt für andere Kreationisten und werden von diesen oft für eine religiöse Agenda missbraucht, die sie selbst nicht vertreten. Auf der anderen Seite werden sie von Seiten der etablierten Wissenschaft oft pauschal als fundamentalistische Kreationisten betrachtet. Einer der bekanntesten Vertreter des Intelligent Design ist der Biochemiker [[Michael J. Behe]] aus [[Pennsylvania]], Autor von '''Darwin's Black Box'''. Ein anderer ist der Jurist [[Phillip Johnson]] vom ''Discovery Institute'' in Seattle, das vorwiegend durch Spenden christlich-fundamentalistischer Organisationen finanziert wird.
1981 hatten die Bemühungen, den Kreationismus im Biologie-Unterricht zuzulassen, im Bundesstaat [[Arkansas]] Erfolg. Gegen dieses neue Gesetz reichte die [[American Civil Liberties Union]] eine Klage mit der Begründung ein, dass es nicht mit dem [[1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten|First Amendment]], dem 1. Zusatzartikel der US-Verfassung, zu vereinbaren sei. An dem Prozess waren der Paläontologe [[Stephen Jay Gould]], der Genetiker [[Francisco J. Ayala]], der Philosoph [[Michael Ruse]] und der Theologe [[Langdon Gilkey]] als Sachverständige beteiligt. Der Richter kam zu dem Schluss, dass „Creation Science“ keine Wissenschaft, sondern Religion sei und daher an öffentlichen Schulen nicht gelehrt werden dürfe.<ref name="ruse" />


== Richtungen ==
Neben der rein wissenschaftlichen Diskussion, ob die Entwicklung eines bestimmten Systems wirklich im Rahmen der Evolutionstheorie bisher nicht erklärt sei, wird auch grundsätzlich kritisiert, dass der „Designer“ eine Art [[Lückenbüßer]]rolle einnehme. Nicht erklärte [[Phänomen]]e auf eine (übermächtige) Intelligenz zurückzuführen, sei nicht Ziel und Inhalt einer wissenschaftlichen Theorie, sondern eine bequeme Scheinlösung für jede beliebige Schwierigkeit. Weiterhin sei die Theorie aufgrund der [[Transzendenz]] (Außerweltlichkeit) des Designers nicht verifizierbar. Ferner erfüllt die Intelligent Design Theorie nicht grundlegende Anforderungen wie Falsifizierbarkeit oder Voraussagefähigkeit, um als wissenschaftliche Theorie zu gelten.
=== Kurzzeitkreationismus ===
{{Hauptartikel|Junge-Erde-Kreationismus}}


Der Junge-Erde-Kreationismus (auch „Kurzzeitkreationismus“ oder „24-Stunden-Tag-Theorie“) ist der hauptsächlich von [[Evangelikalismus|evangelikalen]] und [[Christlicher Fundamentalismus|fundamentalistischen Christen]], aber auch von [[Ultraorthodoxes Judentum|ultraorthodoxen Juden]] vertretene Glaube, dass die Erde von Gott vor wenigen tausend Jahren erschaffen worden sei. Anhänger vertreten eine wörtliche Auslegung der Bibel und interpretieren den Schöpfungsbericht in der Bibel als Tatsachenschilderung. Aufgrund des vom englischen [[Erzbischof]] [[James Ussher]] (1581–1656) anhand biblischer Lebensläufe und Stammbäume berechneten ''[[Ussher-Lightfoot-Kalender]]s'' wird als Zeitpunkt der [[Schöpfung]] der 23. Oktober 4004 v.&nbsp;Chr. angenommen. Dies entspricht einem Erdalter von rund 6000 Jahren. In der Regel gehen Junge-Erde-Kreationisten davon aus, dass die Erde bis etwa 10.000 Jahre alt sei (die Auffassungen darüber, ob das Universum das gleiche Alter hat, sind unterschiedlich). Deshalb werden von ihnen wissenschaftliche Methoden wie [[Radiokarbonmethode|radiometrische Altersbestimmung]], [[Isochronenmethode]], [[Eiskerndatierung]] und [[Dendrochronologie]] (siehe auch [[Altersbestimmung (Archäologie)]]) in Frage gestellt. Stattdessen werden die geologischen Belege hauptsächlich als das Resultat einer globalen Flut erklärt. Mitunter werden auch gängige Thesen wie die Kontinuität der Naturgesetze über historische Zeiträume in Frage gestellt; damit werden alternative Datierungen geologischer und astronomischer Ereignisse erzielt.
Dem Intelligent Design wird vorgeworfen, kreationistisches Gedankengut unter einem anderen Namen zu verbreiten, nachdem Klagen von Kreationisten in einigen US-Bundesstaaten gegen die Verbreitung von Wissenschaft, die ihren spezifischen religiösen Vorstellungen widersprachen, scheiterten. So urteilte 1987 ein Gericht im US-Gliedstaat [[Louisiana]], Kreationismus diene religiösen, nicht etwa wissenschaftlichen Zielen. In den USA herrsche strikte Trennung von Religion und Staat. Intelligent Design könne als Versuch der Kreationisten angesehen werden, eine für das US-System nötige Wissenschaftlichkeit vorzutäuschen. So spricht man im ID statt von ''Gott'' stets neutral von einem ''höhreren Wesen'' oder einer ''höheren Instanz''. Die [[Neue Zürcher Zeitung]] titelte in diesem Zusammenhang mit der ''Talibanisierung des Biologie- und Wissenschaftsunterrichts''.


Die [[Flache Erde]] wird manchmal ebenfalls zum Kurzzeitkreationismus gerechnet.<ref>[http://people.howstuffworks.com/creationism2.htm how stuff works]</ref> Sie ist aber ein Standpunkt, von dem sich Kreationisten selbst im Allgemeinen zu distanzieren versuchen.<ref>Ian Taylor, Jeffrey Burton Russell, Paula McKerlie: ''[http://www.answersingenesis.org/creation/v16/i2/flatearth.asp Who invented the flat earth?].'' In: ''Creation.'' Berkeley Cal 16.1994,2 (März), {{ISSN|0738-6001}}, S.&nbsp;48–49.</ref> Sie wird immer wieder in diesem Kontext als Stilmittel zur zynischen Übertreibung, Karikierung und als stereotype Analogie verwendet. Im 20. Jahrhundert wurde die Flache Erde von der [[Flat Earth Society]] vertreten.
=== Junge-Erde-Kreationisten ===


==== Moderner Geozentrismus ====
Die am weitesten vom naturalistischen Weltbild abweichende Gruppe sind die ''Kurzzeitkreationisten''. Unter ihnen finden sich in erster Linie (aber nicht nur) [[evangelikal]]e und [[amerikanischer_Fundamentalismus|fundamentalistische]] Christen, die für eine wörtliche Bibelauslegung einstehen wollen. Sie interpretieren den Schöpfungsbericht in der Bibel als Tatsachenschilderung und formulieren daraus ein Gegenmodell zu Evolutionstheorie, Urknalltheorie etc., für das sie wissenschaftliche Bestätigungen zu erarbeiten suchen.
{{Hauptartikel|Geozentrisches Weltbild}}


Als Geozentrismus bezeichnet man die Ansicht, dass Gott eine sphärische Welt erschaffen und sie im Zentrum des Universums platziert habe. Sie werde von der Sonne, den Planeten und allem anderen umkreist. Alle wissenschaftlichen Behauptungen über das Erdalter seien Lügen; Evolution fände nicht statt. Sehr wenige Menschen vertreten heutzutage einen solchen Glauben.
Dabei werden Fakten wie [[Fossilien]]funde und biologische oder [[Morphologie (Biologie)|morphologische]] Verwandtschaften nicht bestritten, aber in andere Zusammenhänge gebracht und anders interpretiert, als das in der Naturwissenschaft üblich ist.
Diese Gruppe stellt viele gängige Thesen in Biologie und [[Geologie]] in Frage, und weist auf einige angebliche Schwachstellen der heutigen wissenschaftlichen Modelle hin. Es liegt in der Natur der Sache, dass es massive Kontroversen zwischen dieser Gruppe und Vertretern der Evolutionstheorie gibt. Zumal es sich nicht nur um die unterschiedliche Interpretation von Fakten handelt, sondern auch um darunterliegende entgegengesetzte philosophische Weltanschauungen.


==== Omphalos-Hypothese ====
In Deutschland gehört die Studiengemeinschaft "Wort und Wissen" zu den bekanntesten Vertretern dieser Gruppe.
Die Omphalos-Hypothese postuliert, dass Gott die Erde in jüngerer Zeit erschaffen habe, sie aber viel älter habe aussehen lassen. Dieser Glaube wird von einer kleinen Untergruppe der Junge-Erde-Kreationisten vertreten. Das Argument wurde erstmals 1857 von [[Philip Henry Gosse]] vorgebracht. Er hielt daran fest, dass bestimmte physikalische und biologische Prozesse eine ältere Erscheinung benötigten, da die Welt periodisch ablaufe (Henne-Ei-Henne usw.). Sie trägt den Namen Omphalos-Hypothese (Nabelhypothese), da sie auf der Frage basiert, ob [[Adam und Eva|Adam]] (oder [[Adam und Eva|Eva]]) einen [[Bauchnabel]] gehabt hätten (da sie als Erwachsene erschaffen und nicht geboren worden seien, könne davon ausgegangen werden, dass sie nie eine Nabelschnur gehabt hätten). Gosse nahm an, dass Adam einen Nabel gehabt habe, weil er bei allen Menschen vorhanden ist. Es ergebe sich eine scheinbare Vergangenheit (die vom Nabel angedeutet werde), obwohl sie auf diese Weise einfach miterschaffen worden sei. Er nahm an, dass es zum Funktionieren der Erde notwendig gewesen sei, sie älter aussehen zu lassen. Diese Hypothese hat heute jedoch keine nennenswerte Anhängerschaft mehr. Keiner der führenden Kreationisten wendet das Konzept auf den [[Fossilbericht]] oder etwaig geschaffene Lichtbrücken an. Mit Hilfe der Annahme solcher Lichtbrücken sollte es dem Licht angeblich möglich sein, einen Raum zu überspannen und durch die Umgehung dieses Raumes der – wie sonst im ganzen Universum gültigen – Begrenzung der Lichtgeschwindigkeit nicht unterworfen zu sein. Das heißt ähnlich, wie dies im Mikroskopischen in der Quantenmechanik mit dem [[Tunneleffekt]] möglich ist. Dadurch wäre es angeblich möglich, dass Menschen auf der Erde Licht von weit entfernten Sternen sehen könnten, obwohl das Licht bei Einhaltung der Lichtgeschwindigkeit länger unterwegs sein müsste, als die aus der Bibel entnommene Zeitspanne seit der Erschaffung der Welt.


Eine die Omphalos-Hypothese [[Reductio ad absurdum|ad absurdum]] führende Hypothese, nach der die Welt vor fünf Minuten geschaffen worden sei, findet sich bei [[Bertrand Russell]] als Gedankenspiel im Rahmen des philosophischen [[Skeptizismus]] bezüglich Erinnerungen:
(Der [[Erzbischof]] [[James Ussher]] (1581-1656) berechnete den Zeitpunkt der [[Schöpfung]] für den 23. Oktober 4004 vor Christi Geburt, 14.30 Uhr.)
{{Zitat
|Text=There is no logical impossibility in the hypothesis that the world sprang into being five minutes ago, exactly as it then was, with a population that ‘remembered’ a wholly unreal past. There is no logically necessary connection between events at different times; therefore nothing that is happening now or will happen in the future can disprove the hypothesis that the world began five minutes ago.
|Sprache=en
|Autor=Bertrand Russell
|Quelle=The Analysis of Mind (1921)
|Übersetzung=Es besteht keine logische Unmöglichkeit in der Hypothese, dass die Welt vor fünf Minuten entstand, genauso wie sie war, mit einer Bevölkerung, die sich an eine gänzlich irreale Vergangenheit ‚erinnert‘. Es besteht keine logisch notwendige Verbindung zwischen Ereignissen zu unterschiedlichen Zeiten; daher kann nichts, was jetzt oder in der Zukunft passiert, die Hypothese widerlegen, dass die Welt vor fünf Minuten begann.}}


==Kontroversen zwischen Kreationismus und Evolutionstheorie==
==== Wissenschaftlicher Kreationismus ====
{{Anker|Scientific Creationism}}
Seit den 1960er Jahren versuchen Aktivisten des sogenannten „wissenschaftlichen Kreationismus“ im angelsächsischen Raum zu zeigen, dass man auch wissenschaftliche Argumente für das kreationistische Weltbild vorbringen könne. Die Anhänger halten ihre alternativen, vorgeblich wissenschaftlichen Erklärungen zur Evolution denjenigen der vorherrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung für ebenbürtig, und fordern deren Zulassung zum Schulunterricht.<ref>Ben Dupré: ''50 Schlüsselideen der Menschheit.'' Spektrum Akademischer Verlag 2012, S. 86f.</ref> Anfang der 1980er Jahre schafften es amerikanische Aktivisten, dass der „wissenschaftliche Kreationismus“ vorübergehend in zwei US-Bundesstaaten als gleichberechtigte Alternative zur Evolutionstheorie vorgetragen werden durfte. 1987 sprach der [[Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten|Supreme Court]] jedoch dem Kreationismus die Wissenschaftlichkeit ab und klassifizierte ihn als Religion, woraufhin er aus dem Biologieunterricht verbannt wurde.<ref>[[Ulrich Kutschera]]: ''Evolutionsbiologie. Eine allgemeine Einführung.'' Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2015, S. 297.</ref>


Vertreten werden Ideen zu einer Schöpfungskosmologie, die auf ein Alter des Universums in der Größenordnung von einigen Tausend Jahren hinausläuft. Der Fossilbericht wird als Bericht der Zerstörung durch eine globale [[Flutkatastrophe|Flut]] gedeutet, wie sie in der Genesis als Sintflut beschrieben wird. In den USA wird diese Sichtweise vom [[Institute for Creation Research]] und der [[Creation Research Society]] befürwortet, in Deutschland in abgewandelter Form von der [[Studiengemeinschaft Wort und Wissen]],<ref>Peter Carstens: [https://www.geo.de/natur/7982-rtkl-der-kreationismus-ist-ein-florierendes-business ''„Der Kreationismus ist ein florierendes Business“'']. In: ''[[Geo (Zeitschrift)|GEO]]'', abgerufen am 25. Juni 2013.</ref> in der Schweiz von [[ProGenesis]]. Ein amerikanischer Hauptvertreter ist [[Kent Hovind]].
Da Kreationisten sich nicht auf einen naturwissenschaftlich akzeptierten [[Schöpfungsglaube|Schöpfungs''glauben'']] beschränken, sondern ihr Weltbild als "[[Wissenschaftliche Methode|wissenschaftlich überprüfbar]]" propagieren, tritt der Kreationismus in direkte Konkurrenz zur [[Evolutionstheorie]]. Da es aus Sicht der Mehrheit der Naturwissenschaftler keine Hinweise auf die Richtigkeit des kreationistischen Weltbildes gibt, wird dieses als (bereits widerlegte) [[Hypothese]] bezeichnet. Die Evolutionstheorie hingegen beinhalte eine so große Zahl von empirisch und deduktiv belegten Hypothesen und könne in so viele etablierte [[Theorie]]n widerspruchsfrei integriert werden, dass sie selbst als "Theorie" bezeichnet wird. Kreationisten wiederum verweisen auf die (aus Sicht der Mehrheit der Naturwissenschaftler stetig schrumpfende und schon jetzt unbedeutende) Menge ungelöster Detailfragen und bezweifeln auf dieser Basis teilweise das Gesamtkonzept der Evolution (Junge-Erde-Kreationisten), teilweise speziellere Annahmen der Evolutionstheorie (ID).


=== Langzeitkreationismus ===
===Grundlegende Gegensätze===
Die Befürworter des Langzeitkreationismus (auch genannt Alte-Erde-Kreationismus) versuchen, die wörtliche Interpretation der Genesis in Einklang mit den astronomischen und geologischen Hypothesen zum Alter des Universums und der Erde (mehrere Milliarden Jahre) zu bringen. Im Gegensatz zum evolutionistischen Kreationismus wird dabei jedoch die Theorie der gemeinsamen Abstammung abgelehnt. Hauptvertreter des Langzeitkreationismus sind die [[Zeugen Jehovas]]. Es gibt mehrere Schöpfungsthesen, mit denen die Auffassung begründet wird:


==== Lückentheorie ====
Die Gegensätze zwischen Kreationismus (hier dargestellt am Beispiel der Junge-Erde-Kreationisten, da sie die Evolutionstheorie am radikalsten ablehnen) und dem naturalistischen Weltbild stellen sich im Wesentlichen wie folgt dar:
{{Hauptartikel|Lückentheorie (Kreationismus)|titel1=Lückentheorie}}
*Das gesamte Dasein entstand in sechs Tagen und war am siebten vollendet (Kreationismus). - Das Universum begann vor mehreren Milliarden Jahren und ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht "fertig" (naturalistisches Weltbild)..
Diese Anschauung (auch Restitutionstheorie genannt) besagt, dass das Leben in einer kurzen Zeit auf der vorher schon existierenden alten Erde geschaffen worden sei, weil eine vorherige Schöpfung durch eine unbestimmte Katastrophe vernichtet worden sei. Der Lücken-Kreationismus hat {{B|1. Mose|1|2}} als Grundlage, und dies besonders in der englischen Bibelübersetzung ''Scofield Reference Bible'' (in der Version von 1917). Von Kreationisten, die sich auf den hebräischen Wortlaut der Bibel berufen, erhält dieser Typ des Kreationismus keine Zustimmung.
*Alle Grundtypen von Lebewesen entstanden unmittelbar aus dem Schöpfungswillen eines [[Gott]]es (Kreationismus). - Das Spektrum der Arten hat sich in einem langen Entwicklungsprozess durch Fortpflanzung der besser Angepassten und Aussterben der schlechter Angepassten aufgefächert. Hinter dem allgemeinen Gesetz ist kein "Wille" erkennbar (naturalistisches Weltbild). (Die Zusammenfassung der Lebewesen zu Arten ist in Evolutionstheorie und Kreationismus unterschiedlich.)
*Der Mensch ist Gott ebenbildlich und herrscht über die Schöpfung im Sinne eines Hüters der Schöpfung (Kreationismus). - Der heutige Mensch ist ein Zwischenergebnis der Evolution, nicht ihr Abschluss. Er war bisher beispiellos erfolgreich, doch kann sein Erfolgsmodell kippen. Es kann aber auch in eine neue, selbstgesteuerte Evolutionsphase übergehen (naturalistisches Weltbild).


==== Konkordanzhypothese ====
Kreationisten bringen lange Listen von Argumenten vor, die ihrer Meinung nach gegen Evolution sprechen. Unten sind einige Beispiele genannt. Diese Beispiele für kreationistische Argumentationen haben nach Meinung von Wissenschaftlern (Evolutionsbiologen, Physiker, Chemiker, Geologen, etc.) folgende Merkmale gemeinsam:
Die Konkordanzhypothese (auch Tag–Alter-Kreationismus, Zeitalter-Tag-Theorie, Theorie der unterschiedlichen Tageslängen oder Vorzeit-Kreationismus) besagt, dass die sechs Tage der biblischen Schöpfungsgeschichte nicht vierundzwanzigstündige Tage darstellen, sondern sehr viel längere Zeiträume – wie Millionen von Jahren. Die Vertreter dieser Richtung berufen sich auf das Wort yôm in der hebräischen Bibel, welches nach ihrer Ansicht im Kontext der Genesis zur Bedeutung „Zeitalter“ gedehnt werden könne. Einige Vertreter sagen, dass die Gegenwart das siebte Alter darstelle, also den siebten Tag der Schöpfung. Gegen den Deutungsansatz der Konkordanzhypothese wird argumentiert, dass die Bedeutung des Wortes aus dem Kontext eindeutig hervorgehe, da das hebräische Wort yôm „Tag“ bedeute und mit der Formulierung „es wurde Abend und wieder Morgen“ nur ein Tag im gängigen Wortsinn gemeint sein könne (zum Beispiel {{Bibel|Mt|25|29|ELB}}).


==== Schöpfung auf Raten ====
1. Sie stützen nicht direkt den Kreationismus, sondern streben eher danach, naturwissenschaftliche Theorien im Allgemeinen und/oder die Evolutionstheorie im Besonderen für falsch zu erklären.
Diese Sicht wird auch Progressiver Kreationismus oder fortdauernde Schöpfung genannt und besagt, dass die Arten sich in einem ständig von Gott begleiteten Vorgang verändert und herausgebildet haben. Dabei gibt es verschiedene Ideen darüber, wie das Ganze ablaufe (es wird oft Platz gelassen für ein direktes göttliches Eingreifen bei Schlüsselzeitpunkten in der Geschichte der Erde und des Lebens). Diese Sicht akzeptiert die meisten Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften, lehnt aber die moderne Evolutionsbiologie ab oder sucht nach Hinweisen darauf, dass die Evolution nur über natürliche Auslese unpassend sei. Dieser Standpunkt kann in Zusammenwirkung mit anderen Alte-Erde-Standpunkten vertreten werden, wie Tag–Alter-Kreationismus oder diverse Sichtweisen über Rahmenbedingungen, Metaphern und Poesie der Schöpfungsgeschichte.


=== Evolutionistischer Kreationismus ===
2. Die unten vorgestellten Argumente gelten ihrerseits aus wissenschaftlicher Sicht entweder als widerlegt (siehe beispielsweise "Ursuppe"), aus dem Zusammenhang gerissen (siehe beispielsweise "Erdalter") oder als unfalsifizierbar und damit pseudowissenschaftlich (siehe beispielsweise "Erdmagnetismus").
Der Evolutionistische Kreationismus sieht Gott als Schöpfer, der die Lebensformen mittels Evolution erschaffen habe und weiterentwickle, wobei es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie stark er in diesen Prozess eingreife. Dennoch halten seine Anhänger die Evolutionstheorie, wie die Naturwissenschaft sie beschreibt, für unzureichend und sehen das zusätzliche Eingreifen eines Gottes als zwingend notwendig an. Die Richtung stimmt einigen Positionen des Langzeitkreationismus zu (wie der Konkordanzhypothese oder Lückentheorie), unterscheidet sich ansonsten aber deutlich von den übrigen Richtungen des Kreationismus, da ihre Vertreter (insbesondere im Gegensatz zum progressiven Kreationismus) die Theorie der gemeinsamen Abstammung akzeptieren. Deshalb wird sie manchmal nicht als Kreationismus eingeordnet, obwohl sich ihre Vertreter so verstehen. Gemeinsam mit den übrigen Richtungen des Kreationismus ist der Standpunkt, dass die natürliche Selektion nicht die Ursache für die Entstehung neuer Arten ist. Dies soll stattdessen durch das direkte Eingreifen Gottes in den Evolutionsprozess bewirkt werden.


Der Unterschied zwischen dem evolutionistischen Kreationismus und dem Mainstream der christlichen Theologie in Deutschland ist, dass er die Heilige Schrift wörtlich interpretiert und dabei Aussagen über eine gemeinsame Abstammung aus dem Bibeltext herzuleiten versucht. Die Mainstream-Standpunkte stellen sich im Gegensatz zum evolutionistischen Kreationismus auch nicht gegen die natürliche Selektion als Mechanismus für die Entstehung der Arten. Die Trennung zwischen diesen Richtungen ist aber sehr unscharf und es gibt mehrere Zwischenpositionen; meist werden sie alle unter dem Oberbegriff [[Theistische Evolution]] zusammengefasst.
Kreationisten wenden zwar ein, dass man eine Theorie nicht an deren unfähigsten Vertretern messen solle, tolerieren aber diese "unfähigen Vertreter", statt sich einer wissenschaftlichen Selbstreinigung zu unterziehen. Sie weisen nicht nur auf die angeblich vielfach mangelnde Falsifizierbarkeit von evolutionstheoretischen Erklärungsansätzen hin, sondern auch darauf, dass der Rationalismus die Existenz eines Schöpfers dogmatisch ausschließe und daher Falsifizierbarkeit für die Beantwortung der betrachteten Fragestellung ein nur bedingt zweckmäßiges Kriterium sei. Außerdem sei selbst im Rationalismus eine einzelne Falsifikation nicht als Gegenbeweis für eine Theorie zu betrachten.


===Hauptkonfliktfelder===
=== Neo-Kreationismus ===
Neo-Kreationisten distanzieren sich selbst betont von anderen Arten des Kreationismus und wollen als vollständig vom Kreationismus getrennt betrachtet werden. Ihr Ziel ist es, den Kreationismus in Begriffen neu zu formulieren, die von der Öffentlichkeit, Bildungspolitik und [[Wissenschaftsgemeinde]] besser angenommen werden. Sie beabsichtigen, ohne religiöse Worte und ohne Bezug auf die jeweilige Heilige Schrift eine Debatte über den Ursprung des Lebens in Gang zu setzen und unter die Menschen zu tragen.


In ihren Augen sind die Naturwissenschaften nur scheinbar objektiv und in Wirklichkeit eine dogmatische [[Atheismus|atheistische]] [[Religion]]. Sie argumentieren, dass die wissenschaftliche Methodik bestimmte Erklärungen von Phänomenen insbesondere dann ausschließe, wenn [[Transzendenz|übernatürliche]] Elemente eine Rolle spielen. Dies würde im Ergebnis religiöse Aspekte beim Verständnis des Universums ausschließen. Neo-Kreationisten behaupten auch, dass die Naturwissenschaft der Grund für viele gegenwärtige soziale Missstände sei (wie soziale Unruhen und hohe Scheidungsraten).
Sowohl Evolution als auch Kreationismus subsumieren jeweils eine breite Palette von Hypothesen für die Entwicklung des Lebens auf der Erde. So seien auch kreationistische Hypothesen mit kreationistischen und evolutionsspezifische mit evolutionsspezifischen Theorien untereinander ganz oder teilweise unvereinbar.


Im Gegensatz zu den anderen Formen des Kreationismus machen Neo-Kreationisten betont keine Aussagen über das Erdalter oder die wörtliche Auslegung der Bibel, schließen andererseits aber auch betont einen Junge-Erde-Kreationismus nicht aus. Allen Arten des Neo-Kreationismus gemeinsam ist die Ablehnung des [[Naturalismus (Philosophie)|Naturalismus]], üblicherweise zusammen mit dem stillschweigenden Eingeständnis des Übernatürlichen, sowie eine offene und oft feindlich ausgerichtete Opposition gegen den von ihnen so bezeichneten [[Darwinismus]], womit sie im Allgemeinen die Evolutionstheorie meinen.
'''Fossilien und Makroevolution'''


Es gibt drei verbreitete Formen des Neo-Kreationismus.<ref>Robert T. Pennock: ''[http://ncse.com/rncse/19/6/review-tower-babel Tower of Babel. The Evidence Against the New Creationism.]'' In: ''Reports of the National Center for Science Education (RNCSE).'' 19, Nr. 6, 1999, {{ISSN|1064-2358}}, S. 40–42.</ref>
*Kreationismus
Kreationisten weisen immer wieder darauf hin, dass es trotz der großen Variationen von verschiedenen Gruppen keinen Fund gebe, der die Überbrückung zwischen ihnen fülle. Fossilien wie der [[Archaeopteryx]] stellten keine [[Missing Link|Übergangsformen]] dar, sondern von Gott eigens erschaffene Arten.


==== Intelligent Design ====
*Evolutionstheorie
{{Hauptartikel|Intelligent Design}}
Die Intelligent-Design-Bewegung vertritt seit 1990 eine Kreationismus-Version ohne Bibelbezug. Grund dafür war der Versuch, die Gerichtsurteile zu umgehen, die eine Behandlung des „scientific creationism“ im Biologieunterricht untersagt hatten. Um die Anhänger der verschiedenen Richtungen des Kreationismus (und möglichst viele Vertreter einer Schöpfung auch außerhalb des Kreationismus) zu einen und mit allen kreationistischen Sichtweisen kompatibel zu sein, macht Intelligent Design keine spezifischen Aussagen zum Erdalter, und beschränkt sich rein auf die Behauptung, dass die Entstehung des Lebens einer Intelligenz als Ursache bedürfe. Seine führenden Vertreter, die alle dem [[Discovery Institute]] angehören, sind der Meinung, dass Intelligent Design eine wissenschaftliche Theorie sei, die mit vorhandenen wissenschaftlichen Theorien zum Ursprung des Lebens auf einer Stufe stehe oder ihnen überlegen sei. Daher dürfe sie im Biologieunterricht behandelt werden. Im Verfahren ''Kitzmiller v. Dover Area School District'' konnte sich diese Rechtsauffassung jedoch nicht durchsetzen. Intelligent Design wurde durch das Discovery Institute als Teil einer gesellschaftspolitischen PR-Strategie vertreten, wie durch das durchgestochene interne Papier ''Wedge Strategy'' bekannt wurde. Beispielsweise wurde dem Discovery Institute im Juli 2022 die plumpe Manipulation eines Filmdokuments nachgewiesen, um dadurch dem Paläontologen und Evolutionsbiologen [[Claude Owen Lovejoy]] die Fälschung eines [[Australopithecinen]]-Fossils zu unterstellen.<ref>M. Neukamm, A. Beyer: ''Wie das evangelikale Discovery Institute Filmdokumente fälscht: Meinungsmanipulation im Zeichen der Keil-Strategie''. https://www.ag-evolutionsbiologie.net/html/2022/discovery-institute-evolution-mensch.html</ref>


==== Abrupt Appearance ====
Eine Theorie zu dem Umstand, dass gewisse Übergangsformen fehlen, biete das [[punctuated equilibrium]]-Modell, das die [[Evolution]] nur im kleinen Maßstab als [[Gradualismus|graduell]] und in großem Rahmen als sprunghaft, mit Phasen der ''Stasis'' beschreibt. Diese Theorie folge zwangsläufig aus der Populationsdynamik, da Evolution vor allem in kleinen Populationen erfolge und damit geringen Niederschlag in Fossilien finde. Evolutionstheoretiker behaupten zudem, wichtige [[Missing Link|Übergangsformen]] würden von der kreationistischen Seite einfach ignoriert ([[Rahonavis]]). Spontane Artbildung und damit Makroevolution sei bei einem über mehrere Jahren isolierten Stamm der Art ''Drosophila paulistorum''(Fruchtfliege) schon im Labor beobachtet worden (Dobzhansky, Pavlovyks, Nature 23, 1971), kann also sehr schnell erfolgen.
Ein ursprünglich in der Evolutionsbiologie verwendeter Begriff für das sprunghafte Auftreten ({{enS|abrupt appearance}}) von neuen Arten im [[Fossilbericht]]. Vertreter dieser Richtung, unter denen [[Wendell Bird]]<ref>Wendell Bird: ''The Origin of Species Revisited: The Theories of Evolution and of Abrupt Appearance''</ref> am bekanntesten ist, haben den Begriff übernommen und sagen, dass dieses Phänomen am besten durch eine direkte Beeinflussung von außen statt durch einen natürlichen Vorgang erklärt werden könne. Das Argument wird begleitet von der ausdrücklichen Behauptung, dass es auf jeden Zeitrahmen anwendbar sei, womit insbesondere auch ein Bereich von 10.000 Jahren nicht ausgeschlossen werden soll.<ref>Paul Nelson: [http://www.leaderu.com/orgs/arn/orpages/or151/151meta.htm ''The Whole Question of Metaphysics.''] In: ''Origins Research.'' 15, Nr. 1, 1993 (englisch).</ref>


==== Evidence against Evolution ====
Diese Richtung versucht, Beweise gegen die Evolution (engl. ''evidence against evolution'') zu sammeln und bedient sich dazu hauptsächlich der Ergebnisse in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Es wird versucht, diese als Widerlegung der Evolutionstheorie zu deuten. Die Richtung ist mehr oder weniger identisch mit der Evolutionskritik in der „Schöpfungswissenschaft“, jedoch ohne Bezug zur Bibel zu nehmen und ohne der Evolutionstheorie eine Alternative mit wissenschaftlichem Anspruch entgegenzustellen. Die Frage des Ursprungs des Menschen wird stattdessen als Frage des persönlichen Glaubens angesehen.


== Positionen liberaler Christen ==
'''Chemische Evolution'''
Spätestens seit den 1950er Jahren vertraten sowohl die meisten staatlich anerkannten [[Protestantismus|protestantischen Kirchen]] als auch die [[römisch-katholische Kirche]] die Auffassung, dass die Evolutionstheorie und das Christentum miteinander vereinbar sind.<ref>[http://stjosef.at/dokumente/evolutio.htm Christliches Menschenbild und moderne Evolutionstheorien] Botschaft von Papst [[Johannes Paul II.]] an die Mitglieder der [[Päpstliche Akademie der Wissenschaften|Päpstlichen Akademie der Wissenschaften]] anlässlich ihrer Vollversammlung am 22. Oktober 1996.</ref> Wesentliche Fortschritte für eine Neuinterpretation der Evolution in Bezug zur christlichen Überlieferung und Heilsbotschaft stammen von [[Pierre Teilhard de Chardin]], einem Jesuiten, Evolutionsforscher und Anthropologen, nach dessen Auffassung die Schöpfung nicht abgeschlossen ist, sondern nach wie vor andauert.
*Kreationismus
Kreationisten verweisen auf die angeblich geringe Aussagekraft von "Ursuppenversuchen", bei denen sich zunächst Aminosäuren und aus diesen Proteine gebildet haben sollen. So könnten bisher nur 14 der 20 in Lebewesen vorkommenden (essentielle, proteinogene) Aminosäuren überhaupt in einem einzigen Versuchsaufbau synthetisiert werden. In den simulierten Umgebungen stünde ein hoher Anteil monofunktionaler Aminosäuren einer Höherentwicklung zu Proteinen entgegen. Das Verhältnis zwischen linkshändigen und rechtshändigen Aminosäuren entspräche nicht dem Verhältnis in der Natur. Die Evolutionsgeschichtlich nachgelagerten Proteinsynthese-Experimente seien dabei von zu den Aminosäuresynthese-Experimenten deutlich verschiedenen Umweltbedingungen ausgegangen oder hätten von monofunktionalen Aminosäuren befreite "Ursuppe" verwendet. Es hätten sich zudem nicht die gewünschten Proteine (lineare Ketten) gebildet, sondern Proteinoide (dreidimensional vernetzte Moleküle), die die Aufgabe eines Proteins nicht besser als Metallionen erfüllen und sich vor allem nicht in den Code-gesteuerten Zellstoffwechsel integrieren ließen.


Von einigen Vertretern der [[Liberale Theologie|liberalen Theologie]] wird die Genesis als eine [[Metapher]] verstanden, die keine wissenschaftlichen Aussagen macht. Eine Reduktion des Schöpfungsberichts der Bibel auf einen reinen Mythos wird etwa von [[Eugen Drewermann]] vertreten.<ref>Eugen Drewermann: ''Im Anfang … Die moderne Kosmologie und die Frage nach Gott.'' Walter, Düsseldorf 2002, ISBN 3-530-16900-5, zitiert nach: Peter Tepe (Hrsg.): ''Politische Mythen.'' Königshausen & Neumann, Würzburg 2006, ISBN 3-8260-3242-X, S.&nbsp;366–367.</ref> Dieser bringe vor allem Grundstrukturen des Menschseins und das Verhältnis des Menschen zu Gott ({{B|1. Mose|1|26}}: ''„Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich.“'') zum Ausdruck.
An einer anderen Kategorie von "Ursuppenversuchen" kritisieren Kreationisten, dass die zur Bildung von Nukleinsäuren (RNA und DNA) notwendigen Bausteine Zucker und Stickstoffbasen mit ihrer geringen Halbwertszeit von maximal 44 bzw. 100 Jahren in geologischen Zeiträumen praktisch nicht zur Verfügung stünden. Das für die Zuckersynthese als wichtig eingestufte Formaldehyd hemme zudem die Synthese von Adenin aus Cyanwasserstoff (HCN) wirksam. Die oftmals hohen Ansprüche and die präbiotische Umwelt (z.B. periodisch trockenfallende Lagunen) ließen weitere Zweifel aufkommen, da wechselnde Umweltbedingungen den Zerfall anderer notwendiger Komponenten beschleunige. Wiederum seien bei einigen Experimenten optimierte Ausgangsgemische verwendet worden, deren natürliche Entstehung die Kreationisten unter präbiotischen Bedingungen nicht nachvollziehen können.


Im Mainstream der christlichen Theologie in Deutschland, sowohl der [[Evangelische Kirche in Deutschland|evangelischen]] und [[Römisch-katholische Kirche|katholischen]] Kirche, wird nach wie vor systematisch angestrebt, auch in der Nachfolge [[Rudolf Bultmann]]s, entsprechend der [[Existentiale Interpretation|existentialen Interpretation]] wie der [[Historisch-kritische Methode (Theologie)|historisch-kritischen Methode]] die biblische Botschaft gerade auch an Menschen mit wissenschaftlichem Weltbild zu vermitteln. Dies gilt auch für neuere Interpretationen des Alten Testamentes, inklusive der Schöpfungsberichte.<ref>Überblick in [[Manfred Oeming]]: ''Verstehen und Glauben. Exegetische Bausteine zu einer Theologie des Alten Testaments.'' Philo, Berlin 2003, ISBN 3-86572-325-X (''Bonner biblische Beiträge.'' 142).</ref>
Schließlich meinen Kreationisten, die Wahrscheinlichkeit, daß sich die richtigen Stoffe, in der richtigen Reihenfolge (und nicht mit irgendwelchen anderen Verbindungen eingegangenen), auf entsprechend kleinem Raum zusammenfänden, sei gering. Einige Kreationisten geben Wahrscheinlichkeiten an. Für einen Stecknadelkopf (ø1 mm ) großen Raum beispielsweise (10<sup><small>-36</small></sup>).


In einer Studie der [[Evangelische Kirche in Deutschland|Evangelischen Kirche in Deutschland]] (EKD), die Anfang April 2008 veröffentlicht wurde, erteilt die EKD dem Kreationismus eine deutliche Absage.<ref>[[Evangelischer Pressedienst]]: ''{{Webarchiv |url=http://www.epd.de/bild_index_55124.html |text=Absage an den Kreationismus |wayback=20080403130554}}''</ref>
*Evolutionstheorie
Die Argumente bezüglich der unvollständigen Synthese von "Lebensbausteinen" betrachtet die Evolutionstheorie als am Thema vorbei - natürlich sei bei so einfachen Experimenten kein besseres Ergebnis zu erwarten, sondern bereits dieses Ergebnis sei eine positive Überraschung gewesen. Das derzeitige einseitige Verhältnis zwischen linkshändigen und rechtshändigen Aminosäuren sei durch genetische Drift einfach zu erklären.


== Politische Kontroversen ==
[[Astrobiologie|Astrobiologen]] weisen darauf hin, dass in Meteoriten und sogar im interstellaren Raum inzwischen eindeutig komplexe organische Moleküle wie etwa [[Aminosäure|Aminosäuren]] und andere Lebensbausteine nachgewiesen wurden. Es gäbe viele denkbare Modelle zur Entstehung von Leben, bei welchen die Scheinprobleme, die auf einer missbräuchlichen Anwendung von Wahrscheinlichkeitsrechnung beruhten, vermieden würden.
Nach säkularem Verständnis bezieht sich der Begriff Kreationismus auf eine politische [[Doktrin]]. Sie macht die Gültigkeit und Überlegenheit eines religiösen Schöpfungsglaubens im Vergleich zu anderen Weltanschauungen geltend, insbesondere einschließlich derjenigen, die auf einer säkularen und wissenschaftlichen Grundlage basieren. Die Bedeutung des Begriffs „Kreationismus“ hängt dabei vom Kontext eines bestimmten Schöpfungsglaubens in einer bestimmten politischen Kultur ab, in dem er benutzt wird.


In den Vereinigten Staaten, mehr als in der übrigen Welt, ist der Kreationismus zentral in einer politischen Kontroverse zur Unterrichtung des Kreationismus in öffentlichen Schulen verankert, die sich um die staatliche Bildung dreht und um die Frage, ob die Unterrichtung der Evolutionstheorie in unfairer Weise mit der kreationistischen Weltanschauung in Konflikt steht. In den letzten Jahren tritt die Kontroverse in Form der Frage in Erscheinung, ob die Unterstützer der Intelligent-Design-Bewegung, die in naturwissenschaftlichen Fächern die Kontroverse unterrichten wollen, damit die Grenzen der Trennung von Staat und Kirche überschreiten würden.
'''Datierungsmethoden'''
*Kreationismus
Kreationisten weisen auf die angebliche Ungenauigkeit der verschiedenen Datierungsmethoden hin. Grundsätzlich wird die Postulierung von Ursprungszuständen und Umgebung infrage gestellt, d.h. es werde mit Idealbedingungen gerechnet. Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Eichung der Datierungsmethoden oft an Proben erfolge, deren Alter durch das Evolutionsmodell mitbestimmt würde.


Die wortgetreue biblische Schöpfungslehre soll nach Ansicht von Kreationisten gleichberechtigt zur naturwissenschaftlichen [[Urknall]]theorie und [[Synthetische Evolutionstheorie|Evolutionstheorie]] im Schulunterricht behandelt werden. Bislang haben Kreationisten ihre stärksten politischen Erfolge in den [[Vereinigte Staaten|Vereinigten Staaten]] verbucht; sporadisch sind jedoch auch in [[Europa]] kreationistische Tendenzen in der Politik zu finden.
Beispielsweise meinen Kreationisten, der Versuch, eine direkte Altersbestimmung von toten Organismen mit Hilfe von [[Radiokarbonmethode|Kohlenstoffdatierungen]] ([[Altersbestimmung (Archäologie)|radiometrische Altersbestimmung]]) durchzuführen, beruhe auf zum Teil unbeweisbaren Grundannahmen. Daher seien die so ermittelten Altersangaben keine tatsächlichen Werte, sondern "Modellalter" (also relativ zur Auslegung und zu den Annahmen). Es sollte nach Berechnungen die modernste dieser Meßmethoden eine Altersangabe bis 100.000 Jahre liefern. Es könnten aber nur Alter bis zu 60.000 Jahre nachgewiesen werden.
Bezüglich der zur Altersbestimmung von Gesteinsschichten eingesetzten Kalium-Argon und der Uran-Blei-Methode weisen Kreationisten auf die verfälschenden Auswirkungen von Verschmutzungen, Aussickerungen und ungewissen Ausgangszuständen hin. Teilweise würden verschiedene Methoden deutlich verschiedene Daten messen. Bei der für den gleichen Zweck eingesetzte Rubidium-Strontium-Methode sei aufgrund der extrem hohen Halbwertszeit eine erhöhte Gefahr von Messfehlern gegeben.


Evangelikale Gruppen betreiben seit geraumer Zeit gezielte politische Lobbyarbeit, um zu erreichen, dass der Kreationismus an den Schulen als gleichberechtigte Alternative zur Evolutionstheorie unterrichtet wird. Es gelang ihnen sogar, den US-amerikanischen Präsidenten [[George W. Bush]] für diese Forderung zu gewinnen. So hat er sich im August 2005 dafür ausgesprochen, dass die Lehre vom „Intelligent Design“ als gleichwertig mit der Evolutionstheorie in den Schulen im Fach [[Biologie]] gelehrt werden solle, da es in öffentlichen Schulen der Vereinigten Staaten aufgrund der in der Verfassung verankerten Trennung von Staat und Kirche keinen [[Religionsunterricht]] gibt.<ref>[[Florian Rötzer]]: [https://www.heise.de/tp/features/US-Praesident-Bush-stellt-sich-hinter-die-Lehre-vom-Intelligent-Design-3402093.html ''US-Präsident Bush stellt sich hinter die Lehre vom „Intelligent Design“.''] In: ''[[Telepolis]].'' 3. August 2005, abgerufen am 25. Februar 2013.</ref> Im US-Bundesstaat [[Kansas]] hat die Schulbehörde angeordnet, „Intelligent Design“ gleichberechtigt neben der Evolutionslehre in den Schulen zu unterrichten. Daraufhin haben zwei bedeutende Wissenschaftsverbände, die [[National Academy of Sciences|Nationale Wissenschaftsakademie]] und der Nationale Verband der Lehrer von Naturwissenschaften das Verwertungsrecht für ihre Materialien zur Evolutionstheorie den Behörden in Kansas für die Verwendung in Schulbüchern entzogen. Als weitere Protestreaktion gründete der amerikanische Autor [[Bobby Henderson (Autor)|Bobby Henderson]] 2005 die [[Religionsparodie]] des [[Fliegendes Spaghettimonster|Fliegenden Spaghettimonsters]], deren Anhänger wie die Kreationisten staatliche Förderungen und Berücksichtigung im Schulunterricht fordern, sodass alle Gegenargumente sich auch gegen deren Ansprüche richten.<ref>Carole M. Cusack: ''Invented Religions. Imagination, Fiction and Faith''. Ashgate Publishing, Farnham 2010, S.&nbsp;132&nbsp;ff.</ref>
*Naturalismus
Physiker, Paläontologen und Geologen bezeichnen die Behauptungen bezüglich der Eichung der Datierungsmethoden als unhaltbar und aus der Luft gegriffen. Bezüglich der Kohlenstoffdatierung weisen Evolutionsbiologen darauf hin, dass die Radiokohlenstoffmethode gerade wegen ihrer bekannten Beschränkung auf wenige tausend Jahre von Paläontologen gar nicht angewandt werde (mit wenigen Ausnahmen, nämlich für sehr junge [[Fossilien]], die noch organischen Kohlenstoff enthalten). Vor allem zur Bestimmung des Erdalters sei sie denkbar ungeeignet, dazu würden viele verschiedene Methoden wie zum Beispiel die [[Uran-Blei-Datierung|U-Pb-Methode]], Rb-Sr-Methode oder die Sm-Nd-Methode erfolgreich angewendet.


Viele Kreationisten formulieren ihre Sichtweise in Form einer [[Teleologisches Argument|teleologischen Argumentation]], setzen dies in Kontrast zu einer eigenen Erklärung auf Basis eines Schöpfers und erheben dafür den Anspruch wissenschaftlicher Aussagekraft. Dabei greifen sie auf ein [[Ideologie|ideologisches]] Wissenschaftsverständnis zurück, das mit der [[wissenschaft]]lichen Methodik nicht vereinbar und somit [[pseudowissenschaft]]lich ist. Kreationisten, die diesen Anspruch erheben, bestreiten diesen Status. Mit der „Schöpfungswissenschaft“ und später ''[[Intelligent Design]]'' sind vor Gerichten bereits zwei Versuche von Kreationisten gescheitert, diese in den Vereinigten Staaten an öffentlichen Schulen im Biologieunterricht zu verankern. Zwei führende Wissenschaftsorganisationen in den Vereinigten Staaten, die [[National Academy of Sciences]] und die [[American Association for the Advancement of Science]], bestätigten, dass es keine wissenschaftliche Basis dafür gebe. Die [[American Civil Liberties Union]] begrüßte die Entscheidung im Fall [[Kitzmiller vs. Dover Area School District]], dass Intelligent Design keine wissenschaftliche Theorie und dessen Unterrichtung in öffentlichen Schulen verfassungswidrig ist.
Verfälschungen der radiometrischen Datierungsmethoden durch Verschmutzungen oder sonstige Störungen des jeweiligen verwendeten [[Isotop]]ensystems könnten durch Verwendung von Drei-Isotopendiagrammen oder - im Fall der U-Pb-Methode - eines Konkordia-Diagrammes zuverlässig ausgeschlossen werden. Im Fall des K-Ar Systems stehe mit der <sup>39</sup>Ar-<sup>40</sup>Ar Messtechnik sogar ein besonders ausgefeilte Technik zur Verfügung, mit der Verfälschungen ausgeschlossen werden könnten.


Der [[Europarat]] erklärte 2007 zum Thema Kreationismus im Bildungswesen, man müsse aufpassen, dass sich daraus nicht „eine Gefahr für die [[Menschenrechte]]“ entwickle.<ref>{{Internetquelle |url=http://assembly.coe.int/Main.asp?link=/Documents/WorkingDocs/Doc07/EDOC11297.htm |titel=The dangers of creationism in education |hrsg=Europarat |datum=2007-06-08 |sprache=en |offline=1 |archiv-url=http://web.archive.org/web/20070704161127/http://assembly.coe.int/Main.asp?link=/Documents/WorkingDocs/Doc07/EDOC11297.htm |archiv-datum=2007-07-04 |abruf=2018-01-18 |kommentar=Dok. 11297}}</ref>
Geeicht würden die radiometrischen Methoden durch Messung der Zerfallskonstanten der radioaktiven Elemente unter Laborbedingungen. Besonders die Zerfallsraten des Urans seien sehr genau bekannt, da diese beispielsweise notwendig zur Planung und Betrieb von Kernkraftwerken seien.


== Internationale Bedeutung ==
'''Überlagernde Erdschichten'''
=== Christentum ===
*Kreationismus
==== Nordamerika ====
Kreationisten behaupten, es seien [[Fossilien]] gefunden worden, die durch mehrere verschiedene Ablagerungsschichten hindurch lagen, obwohl viele Wissenschaftler diese Ablagerungsschichten auch in mehrere verschiedene Erdzeitalter eingeordnet hätten. ('' "Wie solle ein Schwanz eines [[Dinosaurier|Dinosauriers]] 100 Millionen Jahre aus der Erde ragen?" '') Diese Funde könnten im Rahmen des Kreationismus als Hinweis auf eine irrtümliche Datierung der Erdschichten durch die Wissenschaft oder als Hinweis auf eine Flutkatastrophe betrachtet werden.
[[Datei:CabazonDinosaurs-EvolutionImpossible.jpg|mini|Kreationistische Informationstafel an einer Dinosaurierfigur in [[Cabazon]], Kalifornien]]
*Naturalismus
[[Paläontologie|Paläontologen]] weisen darauf hin, daß solche Behauptungen in mehreren Versionen in Kreationistenkreisen kursieren würden, und bei näherer Betrachtung nicht stichhaltig seien. Beispielsweise sei eine häufige Version die eines Wal-Fossils, das senkrecht durch mehrere Ablagerungschichten läge. In Wirklichkeit läge das entsprechende Wal-Fossil jedoch innerhalb einer Ablagerungschicht, die zur Zeit der Ablagerung horizontal gewesen sei und erst später durch geologische Prozesse etwa 50° aus der Horizontalen gehoben worden sei. Des weiteren seien plötzliche meterdicke Ablagerungen, etwa durch vereinzelte lokale Überschwemmmungen auch kein Problem für die herkömmliche Paläontologie.


Hauptstütze des Kreationismus sind die in den Vereinigten Staaten stark vertretenen [[Evangelikalismus|evangelikalen]] Christen, die über großen politischen Einfluss verfügen.
===Abgrenzung durch Fachbegriffe===


Laut einer Umfrage ''Pew Forums on Religion and Public Life'' (2005) glauben etwa 26 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung, dass sich das Leben über Jahrmillionen durch natürliche Auslese entwickelt hat. Der Aussage, dass ein höheres Wesen die Entwicklung der Lebewesen gesteuert habe, stimmen 18 Prozent zu. Während insgesamt 48 Prozent an eine evolutionäre Entwicklung der Lebewesen glauben, sind 42 Prozent der Ansicht, dass „die Lebewesen seit Anbeginn der Zeit in ihrer heutigen Form existierten“. Außerdem befürwortet die Mehrheit der US-Amerikaner, dass in den Schulen beides nebeneinander gelehrt werden soll.<ref>[http://pewforum.org/Politics-and-Elections/Public-Divided-on-Origins-of-Life.aspx#3 ''Public Divided on Origins of Life.''] Umfrage in den Vereinigten Staaten von ''Pew Forum on Religion & Public Life'' (englisch).</ref>
Kreationisten weisen darauf hin, dass viele Fachbegriffe der Wissenschaft bereits eine - ihrer Meinung nach unbewiesene - Evolution als gegeben voraussetzen.


Insbesondere die Faktoren Alter und Ausbildung bestimmen dabei die Einstellung der US-Amerikaner. So akzeptieren von den College-Absolventen etwa 40 Prozent die natürliche Auslese im Gegensatz zu 18 Prozent bei den Amerikanern ohne College-Ausbildung. Die Hälfte der Amerikaner mit einem Alter über 65 akzeptiert den Kreationismus, verglichen mit 37 Prozent bei den unter 30-Jährigen.
Kreationisten bezeichnen daher ''Übergangsformen'' gewöhnlich als ''[[Mosaikform]]en'', weil die Vielfalt der in solchen Fossilien vorhandenen Merkmale, eine durch den Begriff angedeutete, eindeutige Zuordnung von Vorfahren und Nachfahren sowie einer Klassifizierung als "höher entwickelte" oder "primitive" Spezies nicht erlaube.


Die wichtigsten kreationistischen Organisationen haben ihren Sitz in den Vereinigten Staaten, darunter die [[Creation Research Society]].
Die (zum Teil aus der Zeit vor Darwin stammenden und veralteten) wissenschaftlichen Attributierungen "modern", "fortschrittlich", "höher entwickelt", "primitiv", "urtümlich", "Ur-", "Archae-", "Pro-", "Proto-" u.v.a. werden als implizite Voraussetzung einer Makroevolution und damit als nicht objektiv kritisiert.
Hier einige Beispiele:


In Kansas und Pennsylvania sowie einigen anderen Staaten wurden Kreationismus und Intelligent Design in den Lehrplan der Schulen integriert.<ref>Marcia Pally: ''Die Neuen Evangelikalen.'' Berlin University Press, Berlin 2010, ISBN 978-3-940432-93-3, S.&nbsp;86.</ref><ref>vgl. [http://www.n-tv.de/panorama/Kansas-zieht-Darwin-in-Zweifel-article163258.html ''Wo die Erde eine Scheibe ist – Kansas zieht Darwin in Zweifel''] Bericht bei [[n-tv]], 9.&nbsp;November 2005.</ref>
* Die Gruppierung von Organismen in [[Prokaryoten]] und [[Eukaryoten]] sei irreführend, da "pro-" (vor-) eine angeblich nicht belegte Makroevolution unterstelle.
* [[Archaeopteryx]], werde als "Urvogel" bezeichnet, obwohl er auch sehr "moderne" Merkmale habe.
* Der Bezeichnung von Organen als rudimentär (z.&nbsp;B. [[Wurmfortsatz]] des [[Blinddarm]]), unterstelle eine makroevolutionäre Entwicklungsgeschichte und gegenwärtige Mangelhaftigkeit.


Eine große Anhängerschaft hat der Kreationismus auch im Westen [[Kanada]]s gefunden.<ref name="ruse" />
In kreationistischer Literatur findet man daher "evolutionistisch" geprägte Begriffe in Anführungszeichen oder nach der Meinung der Kreationisten in neutraler Form.


==== Europa ====
Evolutionsbiologen weisen darauf hin, es sei üblich, Bezeichnungen für Arten und höhere [[Taxon|Taxa]] möglichst konstant zu halten, um keine unnötige Verwirrung zu erzeugen. [[Basilosaurus]] z.B. sei ein Wal, trage aber dennoch weiterhin den irrtümlich vergebenen griechischen Namen für "Königs-Echse". Ideologische Bedenken außerwissenschaftlicher Minderheiten seien ein wesentlich geringfügigerer Grund, solche Namen zu ändern, als objektive Fehlbezeichnungen.
In Europa nimmt der Kreationismus allgemein nur eine Nischenstellung ein, findet jedoch verstärkt Zulauf.<ref>[http://www.spektrum.de/news/immer-mehr-kreationisten-in-europa/1430337 ''Darwin und Evolution: Kreationismus auf dem Vormarsch in Europa'']. In: ''[[Spektrum der Wissenschaft|Spektrum]]'', Artikel vom 22. November 2016.</ref> Dies ist hauptsächlich auf die gesellschaftliche und kulturelle Struktur zurückzuführen, die sich in Verbindung mit der Französischen Revolution und der Aufklärung herausgebildet hat. In Staaten mit großen Teilen an römisch-katholischer Bevölkerung hat die Anerkennung der Evolution von Seiten des Papstes für die meisten Menschen das Thema abgeschlossen. Ähnlich sieht die Situation in Großbritannien aus. [[Rowan Williams]], bis 2012 Oberhaupt der [[Anglikanische Gemeinschaft|Anglikanischen Kirche]], hat deutliche Kritik an den Thesen der Kreationisten geübt und sich klar gegen die Unterrichtung von Intelligent Design an Schulen ausgesprochen.<ref>[[The Guardian]]: ''[https://www.theguardian.com/uk/2006/mar/21/religion.topstories3 Archbishop: stop teaching creationism]'', 21. März 2006.</ref> Mehrere bekannte britische Theologen wie [[Arthur Peacocke]] und [[John Polkinghorne]] haben sich zudem in der Vergangenheit intensiv um den Dialog zwischen Naturwissenschaften und Theologie bemüht und Argumentationen für eine völlige Vereinbarkeit von Religion und [[Evolutionstheorie]] vorgelegt (siehe [[Theistische Evolution]]).


Den Vereinigten Staaten vergleichbare politische Forderungen nach Gleichstellung des Kreationismus mit der Evolutionstheorie an öffentlichen Schulen werden in Deutschland bisher quasi nicht vertreten. Unter den politischen Parteien wurde diese Forderung nur von der [[Partei Bibeltreuer Christen]]<ref>{{Webarchiv |url=http://www.pbc.de/fileadmin/pbc-de/editors/print/pbc-gp.pdf |text=Grundsatzprogramm der Partei bibeltreuer Christen – PBC - |wayback=20150421211942}}, Punkt 3.1 „''Darum fordert die PBC in den Lehrplänen aller Schulen auch die Berücksichtigung der Bibel und ihrer Prinzipien. Das gilt auch für die Schöpfungslehre der Bibel. Die reine Wissensvermittlung soll gestrafft und von überflüssigem Ballast befreit werden.''“</ref> und ihrem Nachfolger [[Bündnis C – Christen für Deutschland]]<ref>Bündnis C – Christen für Deutschland: [https://buendnis-c.de/wp-content/uploads/2019/03/Buendnis-C-Grundsaetze-und-Eckpunkte.pdf Grundsätze und Eckpunkte für eine Politik nach christlichen Werten], 2.3.3, „''Weiterhin ist ein weltanschaulich einseitiger Missbrauch der Medien oder der Hochschulen zu unterbinden. Es sind Bedingungen zu schaffen, unter denen wirklich das beste Argument und nicht das weltanschauliche Klima zur Durchsetzung einer Idee beiträgt. Beispiele sind hier die Konflikte zwischen Schöpfungslehre und Evolutionslehre oder dem traditionellen Konzept von Ehe und Familie und dem Gender-Mainstreaming.''“</ref> erhoben.
===Politische Kontroversen ===


Nach einer vom evangelikalen [[Factum-Magazin]] und [[ProGenesis]] in Auftrag gegebenen Umfrage des Schweizer Meinungsforschungsinstituts [[IHA-Gfk]] nimmt die Interpretation der Bibel, wonach das Universum, die Erde und das Leben vor etwa sechstausend Jahren von Gott erschaffen wurden, jeder Fünfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz wörtlich. Etwa genauso viele stimmen der Ansicht zu, dass es zwar die Evolution gebe, dass sie aber von Gott gesteuert werde. Eine Evolution, wie Darwin sie beschrieb, bei der Gott keine Rolle spielt, erkennt in Deutschland mit 46 Prozent fast jeder Zweite an, in Österreich knapp 41 Prozent, in der Schweiz jeder Dritte (33 Prozent).<ref>[http://www.progenesis.ch/diverses/umfrage/umfrage.html ''Gott hat die Hand im Spiel.''] Umfrage von progenesis.ch</ref> Eine von der naturalistisch-humanistisch orientierten [[Giordano-Bruno-Stiftung]] in Auftrag gegebene Umfrage spricht in Deutschland von 12,5 Prozent für eine wörtliche Interpretation der Schöpfungsgeschichte und 60,9 Prozent für die reine Evolutionstheorie.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.fowid.de/fileadmin/datenarchiv/Evolution_Kreationismus_Deutschland__2005.pdf |text=Umfrage der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland |wayback=20070705200317}} (PDF)</ref> Die Studie setzt [[theistische Evolution]] und Intelligent Design gleich und gibt für beides zusammen einen Anteil von 25,2 Prozent an. Eine 2005 vom Magazin „Zeit Wissen“ beauftragte [[TNS Emnid|Emnid]]-Umfrage ergab, dass jeder zweite Deutsche an einen Schöpfergott glaubt.<ref>[https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/umfrage-jeder-zweite-deutsche-glaubt-an-schoepfergott-a-391542.html ''Jeder zweite Deutsche glaubt an Schöpfergott.''] In: ''[[Spiegel Online]].'' 20. Dezember 2005.</ref>
Vertreter des Kreationismus haben sich insbesondere in den [[USA]] politisch engagiert.
Die christliche Schöpfungslehre soll dort nach Ansicht von Kreationisten gleichberechtigt zu naturwissenschaftlichen Lehren wie [[Urknall]]theorie und [[Evolutionstheorie]] im Schulunterricht im Fach [[Biologie]] behandelt werden. (In öffentlichen Schulen der [[USA]] gibt es keinen [[Religionsunterricht]].)


==== Australien ====
Jedoch auch in [[Europa]] hat sich seit einigen Jahren eine erneute Kreationistendebatte etabliert, die vor allem von [[Pietismus|Pietisten]] und [[Evangelikal]]en getragen wird. In Deutschland wurde [[2003]] [[Wolf-Eckehard Lönnig]], Biologe am [[Max-Planck-Institut]] für Pflanzenzüchtung [[Köln]] und [[Zeugen Jehovas|Zeuge Jehovas]], untersagt, via Institutswebsite die Intelligent-Design-Idee zu verbreiten. In [[Italien]] scheiterte im April [[2004]] nach Protesten ein Versuch, die Evolutionstheorie aus dem Lehrplan der Mittelstufe zu streichen. Kritiker brachten dies damit in Zusammenhang, dass in den Reihen der Regierungspartei [[Alleanza Nazionale]] gegen den Darwinismus als angebliche Grundlage linker [[Ideologie]] polemisiert wird. Kritiker sahen darin eine Förderung kreationistischen Gedankenguts. Die Regierung begründete ihren Vorstoß mit einer Straffung des Lehrplans und wies darauf hin, dass die Evolutionstheorie nach wie vor auf dem Lehrplan der Oberschulen stehe. Daneben sind es in Westeuropa vor allem junge Muslime oder muslimische Organisationen, welche die Evolution mit Augenmerk auf das Bildungswesen in Frage stellen. Dabei unterscheidet sich ihre Argumentation allerdings nicht wesentlich von der christlichen.
Laut einer [[Public Broadcasting Service|PBS]]-Dokumentation<ref>[http://www.pbs.org/wgbh/evolution/religion/revolution/1980.html ''Evolution Revolution.''] In: ''[[Public Broadcasting Service]]'' (englisch).</ref> über die Evolution haben australische Junge-Erde-Kreationisten behauptet, dass fünf Prozent der australischen Bevölkerung ihre Standpunkte teilen. Die Dokumentation sieht Australien als eine Hochburg dieser Bewegung. Demnach wäre der Junge-Erde-Kreationismus eine sehr kleine Minderheitenposition in der westlichen Welt außerhalb der Vereinigten Staaten.


=== Judentum ===
===Kreationistische Tendenzen in der Bevölkerung===
Innerhalb des Judentums gibt es eine große Bandbreite von Ansichten über den Kreationismus. Im Allgemeinen vertreten die meisten jüdischen Richtungen (darunter auch manche orthodoxe Gruppen) die Unabhängigkeit von Glauben und Wissenschaft oder die [[theistische Evolution]]. Der heutige Ansatz des Judentums (von orthodoxen Traditionen abgesehen) ist es, die Tora nicht als einen buchstäblich zu verstehenden Text, sondern eher als einen symbolischen anzusehen.


Viele orthodoxe Juden hingegen hinterfragen die Ansicht, dass man die Wissenschaft und die Bibel durch wissenschaftliche Mittel miteinander in Einklang bringen könne. Für diese Gruppen kann Wissenschaft nur so wahr sein wie die Tora, und wenn sich daraus ein anscheinend unauflöslicher Widerspruch ergibt, dann liegt es an dem begrenzten menschlichen Wissen oder Verstehen. Sie verweisen auf diverse Diskrepanzen zwischen dem, was man erwartet und dem, was man wissenschaftlich vorfindet, um zu zeigen, dass Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen. Sie weisen darauf hin, dass sogar die Wurzel des hebräischen Wortes für Welt (עולם – olam) ''verborgen'' bedeutet. Sie glauben, dass Gott den Menschen, die Pflanzen und das Licht der Sterne in ihrem „erwachsenen Zustand“ geschaffen habe und dass es keine physikalischen Wege gebe, dies zu verifizieren.
Die Darstellungen der Bibel, wonach das Universum, die Erde und das Leben vor 10.000 Jahren von Gott erschaffen wurden, nimmt - nach einer Umfrage des Schweizer Meinungsforschungsinstituts IHA-Gfk - jeder Fünfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz wörtlich.


=== Islam ===
Etwa genauso viele stimmen der Ansicht zu, dass es zwar die Evolution gebe, dass sie aber von Gott gesteuert werde. Eine Evolution, wie Darwin sie beschrieb, bei der Gott keine Rolle spielt, erkennt in Deutschland mit 46 Prozent fast jeder Zweite an, in Österreich knapp 41 Prozent, in der Schweiz aber nur jeder Dritte (33 Prozent).
Auch im Islam gibt es Anhänger des Kreationismus. Dabei werden von den Gegnern nicht nur religiöse Gründe genannt. Die religiösen Gründe sind ähnliche wie im Christentum: Man sieht einen Widerspruch zwischen dem Koran und der Evolutionstheorie. Im Unterschied zur Bibel gibt es im Koran zwar keinen ausformulierten Schöpfungstext wie im Buch Genesis, aber verschiedene Suren (6:2, 15:26–33, 23:12, 37:11, 32:7–9, 55:14) stellen doch eine Erschaffung Adams aus Lehm durch Gott dar. Daraus schließen die islamischen Kreationisten, den christlichen durchaus vergleichbar, auf eine göttliche Erschaffung der Arten. Politisch problematischer ist allerdings die mit dem Kreationismus verbundene „[[Dichotomie|dichotome]] Weltsicht“.<ref name="riexinger">Martin Riexinger: [https://www.bpb.de/system/files/pdf/MQELJW.pdf ''Wider den Materialismus.''] In: Bundeszentrale für politische Bildung: Jugendkultur. Religion und Demokratie. Politische Bildung mit jungen Muslimen, Nr. 10, 9. Februar 2009. Abgerufen am 11. März 2020.</ref> Gottesfürchtige Muslime sehen sich in einem Gegensatz zu den Nicht-Muslimen, die dem „Darwinismus“ anhängen. Es besteht die Gefahr, dass aus diesem Gegensatz Feindbilder entstehen, die eine Abgrenzung zur nicht-islamischen Gesellschaft zur Folge haben.<ref name="riexinger" /> Als einer der bekanntesten Kreationisten der islamischen Welt gilt [[Harun Yahya]].


== Vergleichstabelle ==
=== Südkorea ===
In Südkorea, in dem 30 % der Bevölkerung christlichen Glaubensrichtungen angehören, erreicht der Prozentanteil der Bevölkerung, die an Kreationismus glaubt, ähnliche Werte wie in den USA. Im Juni 2012 wurde die Streichung von Details der Evolutionstheorie in Schulbüchern diskutiert.<ref>[https://www.dailymail.co.uk/news/article-2155403/South-Korean-publishers-forced-remove-examples-evolution-school-textbooks.html ''South Korea outlaws evolution: Publishers remove examples from school textbooks after protests from creationists.''] In: ''[[Daily Mail]].'' 6. Juni 2012, abgerufen am 4. Juli 2012 (englisch).</ref> Diese Änderung wurde aber verhindert.<ref>Veronika Szentpetery-Kessler: [https://www.heise.de/tr/blog/artikel/Suedkorea-wehrt-Kreationisten-ab-1704338.html ''Südkorea wehrt Kreationisten ab.''] In: ''[[heise online]].'' 12. September 2012, abgerufen am 4. Februar 2013.</ref>


== Literatur ==
{| border=1 cellpadding="2" cellspacing="1"
<!-- Bitte hier keine Literatur über Schöpfungswissenschaft oder Intelligent Design. Diese gehört zum jeweiligen Artikel! Dieser Artikel behandelt hauptsächlich die theologischen und gesellschaftlichen Aspekte zum Kreationismus, und die Literatur sollte dann auch auf dieses Thema passen. -->
|- bgcolor="#EFEFEF" align="center"
* Warren D. Allmon: ''[http://images.derstandard.at/20051012/Evolution-and-Creationism.pdf Evolution and Creationism, a very short guide]'' (PDF; 209&nbsp;kB). Paleontological Research Institution, Ithaca/NY 2006, ISBN 0-87710-469-7 (''Special publications.'' Band 27).
|
* Bernhard W. Anderson (Hrsg.): ''Creation Versus Chaos. The Reinterpretation of Mythical Symbolism in the Bible.'' Fortress Press, Philadelphia 1987, ISBN 0-8006-1998-6.
|'''Naturalistische Evolution'''
* Herbert Huber: ''{{Webarchiv |url=http://www.gavagai.de/HHP29.htm |text=Geschichte des Kreationismus in den USA |wayback=20100420082546}}'' Januar 2003 (Onlineartikel).
|'''Theistische Evolution'''
* Mark Isaak: ''[http://www.waschke.de/twaschke/artikel/kreati/kreati.htm Was ist Kreationismus?]'' 2000 (Übersetzung des englischen Onlineartikels vom 30. Mai 2000).
|'''Intelligent Design'''
* [[Ulrich Kutschera]] (Hrsg.): ''Kreationismus in Deutschland – Fakten und Analysen.'' LIT, Münster 2007, ISBN 978-3-8258-9684-3.
|'''Alte-Erde Kreationismus'''
* Ronald L. Numbers: ''[[The Creationists]]: From Scientific Creationism to Intelligent Design.'' Expanded Edition. Harvard University Press, ISBN 0-674-02339-0, S. 268–285.
|'''Junge-Erde Kreationismus'''
* [[Eugenie C. Scott]]: ''[http://www.ncseweb.org/resources/articles/1593_the_creationevolution_continu_12_7_2000.asp The Creation – Evolution Continuum.]'' In: ''Reports of the National Center for Science Education.'' 19, Nr.&nbsp;4, 1999, {{ISSN|1064-2358}}, S.&nbsp;16–17, 21–23.
|-
* [[David Sedley]]: ''Creationism and its Critics in Antiquity'' (= ''[[Sather Classical Lectures]]'', vol. 66). Berkeley / Los Angeles 2007.
| width="20%" |'''Überzeugung'''
* Thomas Waschke: ''[http://www.waschke.de/twaschke/gedank/diskuss/miz.htm Die Kreationisten.]'' In: ''[[Materialien und Informationen zur Zeit]].'' 31, Nr.&nbsp;3, 2002, {{ISSN|0170-6748}}, S.&nbsp;39–48.
| width="20%" |naturalistische Weltanschauung
| width="20%" |Deismus / Theismus
| width="20%" |Theismus
| width="20%" |Theismus
| width="20%" |Theismus
|-
| '''berühmte Verfechter'''
|[[Carl Sagan]]
|Howard Van Till,<br /> [[Katholische Kirche]]
|Michael Behe,<br /> William Dembski
|Robert C. Newman,<br /> Hugh Ross,<br /> [[Zeugen Jehovas]]
|Studiengemeinschaft Wort und Wissen,<br /> [[Werner Gitt]], [[Siegfried Scherer]], [[Reinhard Junker]], Arthur Ernest Wilder-Smith
|-
| '''Notwendigkeit von Wundern'''
|Keine Wunder notwendig
|Ein bis drei Wunder (Universum, Leben, Seele)
|Wunder, da Intelligent-Design-Vertreter manche biologischen Fakten nicht anders erklären können
|Viele Wunder
|Viele Wunder
|-
| '''Ursprung des Lebens und der biologischen Vielfalt'''
|Abiogenese und Evolution
|Schöpfungsbeginn und Makroevolution.
|verschiedene Meinungen
|Schöpfungsbeginn und Mikroevolution
|Schöpfungsbeginn und Mikroevolution
|-
| '''Alter des Kosmos'''
|Kosmos ist Milliarden Jahre alt
|Kosmos ist Milliarden Jahre alt
|keine offizielle Aussage
|Kosmos ist Milliarden Jahre alt
|Erde (und gewöhnlich auch Kosmos) Tausende von Jahren alt
|-
|'''Entstehung des Menschen'''
|Menschen haben sich aus nichtmenschlichem Leben entwickelt.
|Menschen haben sich aus nichtmenschlichem Leben entwickelt;
Seele möglicherweise geschaffen
|Abstammungslehre von einzelnen Vertretern anerkannt, irreduzible Strukturen benötigen intelligenten Designer
|Menschen mit Körper und Seele als besondere Wesen erschaffen. Separate Schöpfung aller "Arten"
|Menschen mit Körper und Seele als besondere Wesen erschaffen. Separate Schöpfung aller "Arten"
|-
|'''die ersten Menschen'''
|Weder Adam noch Eva
|Möglicherweise weder Adam noch Eva
|keine offizielle Aussage
|Adam und Eva waren die ersten Menschen
|Adam und Eva waren die ersten Menschen
|-
| '''Bedeutung des Genesis'''
|Genesis ist ein Mythos und für die Beurteilung der Wirklichkeit irrelevant.
|Genesis vermittelt als Mythos geistliche Wahrheit
|keine offizielle Stellungnahme
|Genesis ist eine historische Erzählung die teilweise symbolische Sprache verwendet.
|Genesis ist eine historische Erzählung die wörtlich genommen werden muss.
|-
| '''Stellung der Wissenschaft'''
|Theologie ist in Hinblick auf von der Wissenschaft beschriebene Wirklichkeit irrelevant.
|Wissenschaft befasst sich mit physikalischer Wirklichkeit, Theologie mit geistlicher Wirklichkeit.
|Wissenschaft darf nicht selbst durch Ausschluss nicht-wissenschaftlicher Erklärungen zur Religion werden, Kritik am methodologischen Naturalismus.
|Im Konfliktfall zwischen Wissenschaft und dem unfehlbaren Wort der Bibel muss sich die Wissenschaft unterordnen.
|Es gibt keinen Konflikt zwischen operationaler Wissenschaft und dem unfehlbaren Wort der Bibel. Hypothesen über die Vergangenheit lassen sich nicht überprüfen und können daher nur vertrauensvoll geglaubt werden.
|}
Diese Tabelle veranschaulicht das Spektrum der unter Kreationismus subsumierten Thesen - vielfach entziehen sich kreationistische Thesen und deren Vertreter jedoch einer derart exakten Kategorisierung.


== Referenzen ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Creationism|Kreationismus}}
{{Wiktionary}}
* [http://www.ezw-berlin.de/html/15_797.php Hansjörg Hemminger: ''Kreationismus – die bessere Wissenschaft? Erscheinungsformen in Deutschland und in den USA'']
* {{SEP|https://plato.stanford.edu/archives/spr2018/entries/creationism/}}
<!-- bitte hier keine Links zu Schöpfungswissenschaft und Intelligent design, sondern lediglich zu theologischen und gesellschaftlichen Aspekten des Kreationismus -->
* {{Webarchiv |url=http://www.urzeitundendzeit.de/Kurzzeitkreationismus.htm |text=Zehn biblische Gründe, nicht an den ‚Kurzzeit-Kreationismus‘ zu glauben |wayback=20060117025105}} (Die wörtliche Interpretation der Bibel aus Sicht des evolutionistischen Kreationismus)
* [http://www.howstuffworks.com/creationism.htm How Creationism Works] (Mit Illustrationen veranschaulichte Darstellung des Kreationismus und seiner verschiedenen Richtungen, englisch)
* [http://www.karl-leisner-jugend.de/Evolution.htm Schöpfung, Urknall oder Evolution?] (Kritische Betrachtung des Kreationismus aus der Sicht eines Katholiken)


<!--Dies sind formal Webseiten zu Organisationen, die den Kreationismus vertreten, nicht zum Thema Kreationismus an sich. Sie sollten im jeweiligen Artikel zu der Organisation genannt und diese dann im Text dieses Artikels verlinkt werden. Falls es Sub-Sites darunter gibt, die sich dem Kreationismus widmen, sollten diese stattdessen verlinkt werden.
=== Verwandte Themen ===
* [http://www.progenesis.ch/ ProGenesis]: Schweizer Kreationisten.
* [[Evolution]]
* [http://www.weloennig.de/ Homepage von W.-E. Lönnig]: Prominenter ID-Vertreter, enthält zahlreiche Aufsätze zu dem Thema.
* [[Natürliche Theologie]]
* [http://www.discovery.org/ Discovery Institute]: US-amerikanische Verfechter von Intelligent Design (englisch).
* [[Pierre Teilhard de Chardin]]
* [http://www.icr.org/ Institute for Creation Research]: Beschreibt sich als Speerspitze der Verteidigung des bibeltreuen Christentums gegen das gottlose und kompromittierende Dogma des Menschenbildes der Evolution (englisch).
* [[Schöpfungsglaube]]
Kritisch.
* [[Fundamentalismus]]
* [http://www.waschke.de/ Homepage von Thomas Waschke]
* [http://www.evolutionsbiologen.de/ AG Evolutionsbiologie im Verband deutscher Biologen]: Sehen ihr Ziel darin, ideologisch begründeten Strategien gegen die moderne Evolutionsbiologie öffentlichkeitswirksam zu begegnen.
* [http://www.martin-neukamm.de/ Homepage von Martin Neukamm]
* [http://www.gwup.org/themen/texte/kreationismus/ kritische Informationen zum Thema Kreationismus aus wissenschaftlicher Sicht]
* [http://creationwiki.org/Main_Page CreationWiki] (englisch)
-->
== Einzelnachweise ==
<references />


{{Normdaten|TYP=s|GND=4226745-6|LCCN=sh85033830}}
===Literatur===


[[Kategorie:Kreationismus| ]]
==== Kreationistische Literatur ====
* John F. Ashton: ''Die Akte Genesis'' (ISBN 3856664521)
* Erich Blechschmidt: ''Wie beginnt das menschliche Leben? Vom Ei zum Embryo'', 6. neubearbeitete Auflage, Stein am Rhein 1989
* [[Werner Gitt]]: ''Am Anfang war die Information'', 2. überarbeitete Auflage, Neuhausen / Stuttgart 1994 (ISBN 3775137025)
* Werner Gitt: ''Schuf Gott durch Evolution?'', 6. Auflage, Neuhausen / Stuttgart 1998 (ISBN 3775113916)
* Anna Maria Hennen: ''Die Gestalt der Lebewesen, Versuch einer Erklärung im Sinne der aristotelisch-scholastischen Philosophie'', Würzburg 2000
* Jost Herbig und Rainer Hohlfeld (Hrsg.): ''Die zweite Schöpfung, Geist und Ungeist in der Biologie des [[20. Jahrhundert]]s'', München/Wien 1990
* Reinhard Junker und Siegfried Scherer: ''Evolution - Ein kritisches Lehrbuch'', 5., aktualisierte Auflage, Gießen 2001 (ISBN 3921046106)
* Andreas Krafczyk: ''Naturphilosophische Erwägungen im Vorfeld einer theoretischen Anthropologie, Kritische Einschätzung der Tragfähigkeit und Konsequenzen neo-darwinis-tischer Erklärungsmuster zur Evolution unter besonderer Berücksichtigung der Thesen Bruno Vollmerts'', Würzburg 2002
* Willem Ouweneel: ''Evolution in der Zeitenwende'' (ISBN 389287364X)
* Bruno Vollmert: ''Das Molekül und das Leben, Vom makromolekularen Ursprung des Lebens: Was Darwin nicht wissen konnte und Darwinisten nicht wissen wollen'', Reinbek bei Hamburg 1985
* A. E. Wilder-Smith: ''Die Naturwissenschaften kennen keine Evolution, Experimentelle und theoretische Einwände gegen die Evolutionstheorie'', 2. Auflage, Basel/Stuttgart 1978

====Evolutionskritische Literatur====
* Krafczyk, Andreas: Naturphilosophische Erwägungen im Vorfeld einer theoretischen Anthropologie. Kritische Einschätzung der Tragfähigkeit und Konsequenzen neodarwinistischer Erklärungsmuster zur Evolution unter besonderer Berücksichtigung der Thesen Bruno Vollmerts, Würzburg 2002
* Löw, Reinhard: Evolution und Erkenntnis – Tragweite und Grenzen der evolutionären Erkenntnistheorie in philosophischer Absicht, in: Herbig, Jost und Hohlfeld, Rainer (Hrsg.): Die zweite Schöpfung. Geist und Ungeist in der Biologie des [[20. Jahrhundert]]s, S. 221-245, München / Wien 1990
* Zillmer, Hans-Joachim: Darwins Irrtum, Langen Müller, München 1998, 7. Auflage 2004, ISBN 3-7844-2709-X. Englische Ausgabe: Darwins Mistake, Enkhuizen 2002, ISBN 193188207X. Übersetzt in weitere 9 Fremdsprachen, u.a. Italienisch, Spanisch, Koreanisch
* Zillmer, Hans-Joachim: Irrtümer der Erdgeschichte, Langen Müller, München 2001, 3. Auflage 2003, ISBN 3-7884-2819-3; Knauer-Taschenbuch Nr. 77630, München 2003. Übersetzt in Italienisch, Tschechisch, Polnisch.

====Kreationismuskritische Literatur====
* [[Richard Dawkins]]: ''Der blinde Uhrmacher'' (ISBN 3423305584) (Kritik am Kreationismus)
* Rolf Jeßberger: ''Kreationismus-Kritik des modernen Antievolutionismus'' (ISBN 3489645340)
* Jochem Kotthaus: ''Propheten des Aberglaubens -- Der deutsche Kreationismus zwischen Mystizismus und Pseudowissenschaft'' (ISBN 3825870324)
* Kutschera, U. (2004) ''Streitpunkt Evolution. Darwinismus und Intelligentes Design'' Münster; Hamburg; London, LIT Verlag

====Literatur zur Streitschlichtung====
* Reinhard Schmidt: ''Der Gott der Liebe ist für Leid, Schmerz und Tod nicht verantwortlich. Texte und Gedichte im Spannungsfeld zwischen natürlicher Evolution und christlichem Glauben.'' Helmbrechts 2004 ISBN 3-8311-0704-1

===Weblinks===

====Kreationistische und evolutionskritische Links====
*[http://www.genesisnet.info Genesisnet.info - Portal zur Ursprungsfrage - Schöpfung oder Evolution]
*[http://www.intelligentdesign.de.vu Homepage von Markus Rammerstorfer mit Thema "Planung in der Natur: Illusion oder Realität?"]
*[http://www.weloennig.de/AuIn.html Wolf Ekkehard Lönnig, Auge widerlegt Zufallsevolution, 1989, Online-Buch]
*[http://www.wort-und-wissen.de/ Wort und Wissen (deutsche ID-Kreationisten)]
*[http://www.kreationismus.ch Kreationismus]
*[http://trueorigin.org True Origin - Kritik an Evolutionstheorie]<small>englisch</small>
*[http://www.arn.org/index.html Eine Pro-ID Organisation]<small>englisch</small>
*[http://www.answersingenesis.org AnswersInGenesis - Viele biblisch und/oder wissenschaftlich begründete Artikel zur Unterstützung des bibeltreuen Kreationismus]<small>englisch</small>

====Kreationismuskritische Links====

*[http://www.gemeindedienst.de/weltanschauung/texte/inmatkreationismus.htm Kreationismuskritik aus evangelischer Sicht]
*[http://www.waschke.de Thomas Waschke - Evolution oder Schöpfung?]
*[http://www.martin-neukamm.de/ Martin Neukamm: Evolution, Kreationismus, Entstehung des Lebens und Wissenschaftstheorie]
*[http://www.evolutionsbiologen.de AG Evolutionsbiologie des Verbands Deutscher Biologen (VdBiol)]
*[http://wiki.cotch.net/wiki.phtml?title=Main_Page EvoWiki]

====Kritik an ID====

*[http://www.martin-neukamm.de/mizid.html Weshalb die Intelligent Design-Theorie nicht wissenschaftlich überzeugen kann]
*[http://www.martin-neukamm.de/kreation.pdf Kreationismus und Intelligent Design]
*[http://www.waschke.de/id.htm Ausführliche Darstellung und Kritik ID]
*[http://www.gwup.org/skeptiker/archiv/2003/4/intellegentdesigngwup.html Intelligent Design: Eine Alternative zur naturalistischen Wissenschaft? In: Skeptiker Heft 4/2003]

====Religiöse Unbedenklichkeitserklärungen für die Evolutionstheorie====

* [http://stjosef.at/dokumente/evolutio.htm Johannes Paul II. - Christliches Menschenbild und moderne Evolutionstheorien]
* [http://www.reinhardschmidt.de/willgott.htm Der Wille Gottes]
*[http://www.forum-grenzfragen.de forum-grenzfragen: Dialog zwischen Naturwissenschaft - Philosophie - Theologie]

====Dokumentationen, Abhandlungen, Berichte====

*[http://omnibus.uni-freiburg.de/~riexinge/EvolutionIslam.html Islam und Evolution]
*[http://www.meta-library.net/history/intro-frame.html Ron L. Numbers: Historical Perspectives on Creationism]
*[http://www.talkorigins.org/ Talk.Origins Archive]
*[http://huizen.dds.nl/~fsteeman/europe/euroframe.html Creationism in Europe]
*[http://www.vbginstitut.ch/uploads/media/ins_bulletin1-03.pdf VBG Bulletin: Darwin oder Gott im Schulzimmer]

[[Kategorie:Pseudowissenschaft]]
[[Kategorie:Religion]]

[[da:Kreationisme]]
[[en:Creationism]]
[[es:Creacionismo]]
[[fi:Kreationismi]]
[[fr:Créationnisme]]
[[he:בריאתנות]]
[[ja:創造論]]
[[nl:Creationisme]]
[[no:Kreasjonisme]]
[[pl:Kreacjonizm]]
[[ro:Teoria creaţionistă]]
[[ru:Креационизм]]
[[sv:Kreationism]]

Aktuelle Version vom 26. Mai 2025, 08:29 Uhr

Nachbau der Arche Noah im Ark Encounter, einem kreationistischen Themenpark im Grant County (Kentucky). Die Betreiber des Parks vertreten die These, Dinosaurier hätten gleichzeitig mit Menschen existiert, seien sogar auf der Arche gewesen, und erst nach der Sintflut ausgestorben.

Kreationismus (von lateinisch creatioSchöpfung“) bezeichnet die religiöse Auffassung, dass das Universum, das Leben und der Mensch buchstäblich so entstanden sind, wie es in den Heiligen Schriften der abrahamitischen Religionen und insbesondere in der alttestamentlichen Genesis[1] geschildert wird. Als bedeutende Strömung trat der Kreationismus im frühen 20. Jahrhundert im Bereich des Evangelikalismus in den USA auf, wo er bis heute auch seine größte Verbreitung besitzt. In seiner strengsten Form postuliert er ein Erdalter von einigen Tausend Jahren und geht von der Existenz einer Sintflut aus, bei der die meisten Menschen und Tiere umgekommen seien. Ebenfalls kennzeichnend ist die Ablehnung der Evolutionstheorie.

Anhänger findet der Kreationismus vor allem bei der religiösen Rechten. Diese befürwortet teilweise, seine Auffassung zum Inhalt des Biologieunterrichts zu machen. Da die US-amerikanische Verfassung jedoch ein Verbot religiöser Inhalte im Schulunterricht vorsieht, wird der Kreationismus von manchen seiner Verfechter als wissenschaftliche Theorie bezeichnet („Intelligent Design“). Damit soll ein Konflikt mit der Verfassung vermieden werden. Die US-Rechtsprechung hat sich dieser Auslegung jedoch nicht angeschlossen. In seinen verschiedenen Formen bewegt sich der Kreationismus zwischen Religionslehre und Pseudowissenschaft.[2][3]

Im Islam vertritt heute u. a. Harun Yahya den Kreationismus,[4] im Judentum sind es vor allem Anhänger orthodoxer Richtungen.

Der Kreationismus in seiner modernen, heute einflussreichen Form geht auf amerikanische Autoren des frühen 20. Jahrhunderts zurück. Sie griffen Ansichten von Autoren des 17. bis 19. Jahrhunderts auf, die vorher sowohl in der wissenschaftlichen wie auch in der theologischen Fachdebatte keine Rolle mehr spielten. Als grundlegend gelten das 1923 erschienene „The New Geology“ von George McCready Price und, dieses popularisierend, „The Genesis Flood: The Biblical Record and Its Scientific Implications“ von John C. Whitcomb und Henry M. Morris (1961).[5][6] Eine unabhängige Tradition in Europa existierte nur in den Niederlanden im auf Abraham Kuyper zurückgehenden Neocalvinismus.[7] Der übrige moderne europäische Kreationismus geht auf die amerikanischen Autoren zurück. Die Anti-Evolutionisten, die die Evolutionstheorie Charles Darwins im 19. Jahrhundert ablehnten, nannten sich nicht Kreationisten. Der Begriff taucht allenfalls als abwertende Zuschreibung in privater Korrespondenz aus dieser Zeit gelegentlich auf.[8]

Viele Menschen, die eine Schöpfung vertreten, sehen dies als Teil ihres religiösen Glaubens und als vereinbar mit der Naturwissenschaft oder davon grundsätzlich unabhängig.[9] Darunter fallen viele große Konfessionen, einschließlich der katholischen und vieler protestantischer Kirchen, sowie auch manche islamische Glaubensgemeinschaften. Sie lehnen die durchgängig wörtliche Interpretation der Heiligen Schrift und der darin beschriebenen Schöpfungsgeschichte grundsätzlich ab.[10][11] Sie wird als Text verstanden, der kritisch im historischen Zusammenhang seiner Verfasser gelesen werden muss (historisch-kritische Methode). Viele religiöse Menschen verstehen sie auch als Metapher, die eine Bedeutung lediglich außerhalb der Naturwissenschaft hat.

Solche Standpunkte werden manchmal in eine breitere Definition des Begriffs Kreationismus mit aufgenommen, werden aber besser unter dem Stichwort theistische Evolution gefasst. Der Kreationismus im engeren Sinn vertritt jedoch die Ansicht, dass wissenschaftliche Aspekte für eine wörtliche Interpretation des im Buch Genesis (bei Christen und Juden) oder im Koran (bei Muslimen) beschriebenen Schöpfungsberichts sprächen. Diese Auffassung der Irrtumslosigkeit und wörtlichen Interpretation der Bibel (evangelikale Exegese, fundamentalistische Hermeneutik) findet sich vorrangig in evangelikalen und in fundamentalistischen Bewegungen des Christentums sowie mitunter im Islam.

Obwohl der hebräische Urtext so ausgelegt werden kann, dass er die Schöpfung aus dem Nichts (creatio ex nihilo) implizit bestreitet, sehen einige Juden und Christen die Genesis als Stütze für den Absolutheitsanspruch ihres Schöpfungsglaubens. Sie gehen davon aus, dass die Schrift faktisch zutreffende Aussagen aus der Perspektive Gottes enthalte und ein Augenzeugenbericht über den Ursprung der Dinge sei.

Naturwissenschaftliche Erkenntnisse (als eine empirische Informationsquelle über die Naturgeschichte) stehen jedoch weitestgehend im Widerspruch zu dieser wörtlichen Interpretation der Bibel. Einige Kreationisten sind daher der Auffassung, dass die Sichtweise der Naturwissenschaft und ihre Grundannahmen unvereinbar mit dem religiösen Glauben seien und sich diesem unterordnen sollten. Kreationisten lehnen oft die Sichtweise der Naturwissenschaft im Allgemeinen und bestimmte wissenschaftliche Theorien im Besonderen ab. Dies bezieht sich vor allem auf die darwinsche Evolutionstheorie und ihre Bedeutung für die moderne Evolutionsbiologie. Die meisten Kreationisten bestreiten auch die naturwissenschaftlichen Theorien über den Ursprung des Lebens und der menschlichen Spezies, die geologische Erdgeschichte, die Evolutionsgeschichte, die Entwicklung des Sonnensystems und den Ursprung des Universums.

Kreationismus im weiteren Sinn durchzieht die gesamte Religionsgeschichte. Im Allgemeinen jedoch wird damit Bezug genommen auf die Zeit ab den ersten Widersprüchen zwischen Erkenntnissen moderner Naturforscher und Vertretern einer wortgetreuen Bibelauslegung bei der Datierung der Größenordnung des Erdalters, in deutlicherer Form dann mit der Aufstellung der Evolutionstheorie durch Charles Darwin. Andere Definitionen beziehen sich dagegen auf die Einführung der Evolutionstheorie im Schulunterricht.

Antike: Die heiligen Bücher

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Eine der Wurzeln des Kreationismus liegt in den Kosmogonien, den seit antiken Zeiten aufgeschriebenen Erklärungsmodellen zur Entstehung der Welt. Die Schriften zur Schöpfung in den Buchreligionen wurden in der Bibel und im Koran gesammelt und durch die Schriftform fixiert. Beide Werke verarbeiten die Ansichten der abrahamitischen Religionen zu Welt- und Naturgeschichte. Arabische bzw. muslimische Gelehrte ergänzten ihre Ansichten zur Schöpfung weiterhin durch Verwendung von griechischen Texten. In der Antike selbst ist eine dem Kreationismus vergleichbare Weltanschauung quasi unbekannt. Die antiken Philosophen der Schulen der Platoniker und Neuplatoniker, der Stoa und der Epikureer betrachteten übereinstimmend die Lehre von den Göttern als dunkles und schwieriges Problem, über das der Mensch kaum sichere Kunde besitze.[12] Aufgabe der Philosophen sei es, durch Nachdenken zum Kern der Probleme vorzudringen. Die mythischen Erzählungen zum Weltursprung und zu den Göttern wurden in unterschiedlichem Maße ernst genommen, meist aber als allegorische Fabeln für das ungebildete Volk abgetan. Auch die auf der Schwelle zum Mittelalter stehenden Kirchenväter lehnten wortinspirierte Lesungen der Bücher weitgehend ab. Der bis in die Neuzeit immens einflussreiche Augustinus von Hippo besaß eine profunde philosophische Bildung und war stark vom Neuplatonismus Plotins beeinflusst. Seiner Ansicht nach hatte die antike Philosophie durch reines Nachdenken die meisten (wenn auch nicht alle) der Glaubenswahrheiten der Bibel unabhängig von Gottes Offenbarung entdeckt. Für ihn waren die wesentlichen Wahrheiten über den Menschen und die Welt allerdings innerlich. Eine zu starke Beschäftigung mit den Angelegenheiten der Welt galt zwar nicht ausgesprochen als sündhaft, lenke aber doch eher von den Dingen ab, auf die es wirklich ankomme. Augustinus schrieb, in verschiedenem Alter, fünf Abhandlungen über das Buch Genesis, ohne zu einem abschließenden Urteil zu kommen. Er warnt aber davor, die Aussagen der Schrift zu wörtlich zu nehmen und gegen die Texte der Philosophen auszuspielen, da alle Wahrheit in der Natur letztlich ebenfalls von Gott stamme. Der Sinn von vielem in den Texten müsse durch allegorische Auslegung enträtselt werden. Ein direkter, wörtlicher Glaube könne zwar der Seele nie schaden, es sei aber theologischen Denkern erlaubt, darüber hinaus zu forschen.[13][14]

Im Mittelalter (ca. 600 n. Chr. bis 1500 n. Chr.) galt seit al-Ghazālī (gestorben 1111) im islamischen Kulturraum die Beschäftigung mit den Werken der Philosophen über die Natur als unnötig und tendenziell schädlich; sie wurde in den Medressen nicht mehr gelehrt. In der davor liegenden philosophischen Blütezeit war aber vor allem das Werk des Aristoteles rezipiert und umfassend ausgelegt worden. Nur durch islamische (und im islamischen Kulturkreis lebende jüdische) Denker ist dieses im Abendland, das jede Kenntnis davon verloren hatte, wieder zugänglich geworden. Dem frühen Mittelalter im Okzident waren davor nur anekdotische, meist stark allegorisch geprägte, im weitesten Sinne naturkundliche Werke zugänglich, die Bestiarien genannt werden. Die hochmittelalterliche Scholastik strebte eine Synthese zwischen dieser nun neu zugänglichen (antiken) Naturphilosophie und der Theologie (die erst jetzt, durch Petrus Abaelardus neu begründet wurde) an. Als maßgeblich an den neu entstehenden Universitäten galt vor allem die Lehre des Thomas von Aquin (gestorben 1274).[15] Im Thomismus besteht zwischen Glauben und Vernunft kein grundlegender Widerspruch. Der Mensch kann, gestützt auf seine Sinne und seine (immer fehlbare) Vernunft, in der Schöpfung wie in einem Buch lesen. Gegenüber dem durch Gott eingegebenen Glauben handelt es sich um eine geringere Tugend, die trotzdem eine Tugend bleibt. Der Mensch vermag, natürliche Wahrheiten über die Welt mittels der Methoden der aristotelischen Logik zu entdecken, die Vernunft versage allerdings angesichts der übernatürlichen Wahrheiten, die nur der Glauben fassen könne. Trotz des absoluten Vorrangs der Glaubenswahrheiten ermöglichte die scholastische Lehre eine vom offenbarten Wissen unabhängige Naturphilosophie, die letztlich zur Wurzel der modernen Naturwissenschaften wurde. Das Verbot (zumindest außerhalb der abgehobenen akademischen Sphären) über Wahrheiten zu spekulieren, die im Widerspruch zum, als fraglos richtig angesehenen, offenbarten Wissen standen, verhinderte zunächst jeden offenen Konflikt. Jede Bibelstelle musste seit Johannes Cassianus, neben der wörtlichen Aussage (Literalsinn), allerdings bereits im allegorischen, moralischen (oder tropologischen) und anagogischen Sinn ausgelegt und dabei Widersprüche und Mehrdeutigkeiten ausgeräumt werden, wodurch eine naiv-wörtliche Exegese nie gefördert wurde.

Der Schöpfergott scheidet Licht und Finsternis (Sonne und Mond) von Michelangelo. Ein wörtliches Verständnis der Schöpfungsgeschichte hat die Kunst immer wieder inspiriert.
Die Erschaffung des Lichts von Gustave Doré

Erst in der Neuzeit entwickelte sich, zunächst ausschließlich im Okzident, aus der mittelalterlichen Naturphilosophie die moderne, empirische Naturwissenschaft. Diese wurde lange Zeit aber nicht als Problem oder gar als Konkurrenz für das religiöse Weltbild aufgefasst. Klassische Autoren wie Newton oder Galilei verwiesen noch, in mittelalterlicher Tradition, darauf, dass die Enträtselung der Mechanismen von Gottes Schöpfung dessen Ehre nur erhöhen würden. Wissenschaftler wie Robert Boyle betrachteten ihre Forschungen als quasi-theologische Erforschung von Gottes Wirken in der Natur, er stiftete aus seinem Nachlass die Mittel für eine Vorlesungsreihe (die Boyle lectures), die speziell aufzeigen sollte, wie die Wissenschaft den Atheismus widerlege und die christlichen Wahrheiten bestätige. Viele philosophische Autoren verwiesen auf die Harmonie und Zweckmäßigkeit der Natur, die für Autoren wie William Paley eine „natürliche Theologie“ begründete. Gott habe die Natur so geschaffen, dass sie auch vom menschlichen Verstand begriffen werden könne. Für die vor allem englischen Deisten verwies die Untersuchung der Natur aus reinen Verstandesgründen, auch ohne jede Offenbarung, notwendig auf das Wirken eines gütigen Schöpfergottes. Konflikte, zum Beispiel über den Atomismus oder das heliozentrische Weltbild, ergaben sich weniger zwischen Glauben und Wissenschaft, sondern eher zwischen den modernen, empirischen Methoden und dem aristotelischen, scholastischen Weltbild, das eher auf der Erklärung der Welt durch abstraktes, logisches Denken beruhte. Kirchliche und weltliche Autoritäten betrachteten die Entwicklung zwar mit Misstrauen, weil sie Veränderungen generell ablehnten und eine Verbindung zwischen freiem Denken und sozialen Forderungen befürchteten, die wissenschaftlichen und philosophischen Kontroversen erreichten aber die breitere Öffentlichkeit fast gar nicht. Dies änderte sich erst im frühen 19. Jahrhundert, insbesondere durch die neuen Lehren der Geologie und der Evolutionsforschung innerhalb der Biologie.

18. und 19. Jahrhundert

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Die britischen Forscher William Smith, James Hutton und Charles Lyell begannen im 18. Jahrhundert mit einer Abschätzung des Erdalters. Sie begründeten eine neue Wissenschaft, die Geologie. Ihre Schlussfolgerungen waren für viele zeitgenössische Theologen, die aufgrund anderer philosophischer und theologischer Elemente die auf wortwörtlicher Auslegung biblischer Texte beruhende Chronologie (berühmt ist die Rückrechnung von Bischof James Ussher, der den Zeitpunkt der Schöpfung auf den 23. Oktober des Jahres 4004 v. Chr. rückrechnete) bereits ablehnten, völlig unproblematisch. Andere Theologen, mehr aber noch die gebildete breite Öffentlichkeit, sahen darin eine Herausforderung der Autorität der Bibel. In den 1790er Jahren warnte die Royal Society ihr Mitglied John Hunter, seine öffentlichen Auslassungen über das hohe Alter der Erde könnten die „verständlichen“ Vorurteile der Öffentlichkeit reizen. Das Drama „Kain“ des Dichters und Freigeists Lord Byron, in dem das Alter der Erde und Fossilien eine prominente Rolle spielen, rief eine Flut verächtlicher Kritiken hervor. Opponenten, die sich selbst als „Geologen der Schrift“ (scriptural) oder „mosaische Geologen“ bezeichneten, argumentierten gegen die neuartigen Auffassungen, wobei sie in der breiten Öffentlichkeit viele Sympathien hatten. Diese Opponenten bildeten aber keine geschlossene Front (viele schrieben völlig unabhängig voneinander) und keine Schule wie die späteren Kreationisten (die allerdings auf ihren Werken aufbauten). Berühmt wurde die Kontroverse über die biblische Sintflut. Der Geologe und Geistliche William Buckland behauptete in seinem Werk Reliquiae Diluvianae, seine Forschungen hätten die Wahrheit des biblischen Berichts klar bestätigt; die damals entdeckten Fossilien großer, ausgestorbener Wirbeltiere seien urzeitliche Bestien, die in der Flut ertrunken seien. Andere, zu ihrer Zeit prominente Autoren wie Granville Penn und Andrew Ure, darunter neben einigen Geistlichen viele traditionelle Amateurforscher aus der Oberschicht (Gentlemen of science) schrieben Werke, die die wörtliche Wahrheit der biblischen Berichte bestätigen sollten.[16][6]

Charles Darwins Theorie der Evolution wurde von konservativen Christen seit dem Erscheinen seines Hauptwerks Über die Entstehung der Arten im Jahr 1859 sofort erbittert bekämpft. Während die bisherigen Kontroversen die Welt als Ganzes betrafen, wurde die Evolutionstheorie als frontaler Angriff auf das Wesen und die Würde des Menschen aufgefasst; hier ging es nicht um nebensächliche Einzelheiten, sondern zentral um das Menschenbild, was die Härte des Streits erklärbar macht. Obwohl Darwin selbst, die Kritik vorhersehend, anfangs zögerte, seine Theorie überhaupt auf den Menschen anzuwenden, wurde dieser Punkt von seinen Kritikern von Anfang an klar gesehen und stand immer im Zentrum der Debatte (Darwin erkannte später seinen Fehler und veröffentlichte 1871 Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl). Die Evolutionstheorie postuliert einen Aufstieg des Menschen aus tierischen Vorfahren (was auch als Ermöglichung weiteren Fortschritts gelesen werden konnte), während die Theologie klassisch einen Abstieg des ursprünglich vollkommenen Menschen aufgrund der Erbsünde voraussetzte. Der Widerspruch zum Fall Adams, und damit implizit zu Christus als dem „zweiten Adam“ war theologisch schwerer hinzunehmen als die nicht wortwörtliche Interpretation des Buches Genesis, mit dem die meisten aufgeklärteren Kirchenleute auch im 19. Jahrhundert keine Probleme mehr hatten. Außerdem eliminierte die Lehre den tiefen Spalt, der bisher den Menschen von den anderen Geschöpfen getrennt hatte. Was war nun mit der unsterblichen Seele, die nur dem Menschen zukam? In welchem Sinne war der Mensch nun noch das Ebenbild Gottes? Worauf beruhten die moralischen Werte, wenn alles im Kampf ums Dasein entschieden würde? Wo blieb beim Spiel des Zufalls, der die Entwicklung lenkte, der göttliche Plan? Der Widerstand gegen diese als Entwürdigung des Menschen als Krone der Schöpfung empfundene Herausforderung ging weit über kirchliche Kreise hinaus, sie versetzte der natürlichen Theologie und dem Deismus letztlich den Todesstoß. Sie wurde als Grenzüberschreitung wahrgenommen, mit der sich die Wissenschaft in Dinge einmischte, die sie nichts angingen.[17] Obwohl Darwin zeit seines Lebens in öffentlichen Äußerungen zögerlich blieb, sprachen seine Unterstützer eine offene Sprache. Sein wichtigster Unterstützer, „Darwins Bulldogge“ Thomas Henry Huxley war es, der den Begriff des Agnostizismus prägte. Herbert Spencer wandte den neuen Begriff der Evolution in First Principles (1862) ohne Zögern auch auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft an und begründete damit den Sozialdarwinismus. (Im 20. Jahrhundert wandten Forscher wie Edward B. Tylor, später auch Robert N. Bellah den Evolutionsgedanken dann auf die Religion selbst an und begründeten einen Evolutionismus vor allem in der Religionsethnologie.)

Zu Darwins Gegnern zählten Geistliche wie der anglikanische Bischof Samuel Wilberforce, daneben aber auch zahlreiche eminente Wissenschaftler wie der englische Anatom und Zoologe Richard Owen oder der führende amerikanische Naturforscher Louis Agassiz. Der katholische (später wegen unorthodoxer Ansichten exkommunizierte) Zoologe St. George Mivart argumentierte, wenn auch der menschliche Körper natürlichen Ursprungs wäre, so ginge doch seine Seele allein auf Gott zurück. In Genesis of Species sprach er für eine Evolution, die unter göttlicher Kontrolle ablief. Selbst Alfred Russel Wallace, der die Evolutionstheorie unabhängig von Darwin entdeckt hatte, nahm noch an, dass ein Eingriff des Schöpfers notwendig bleibe, da anders die Sonderstellung des Menschen nicht erklärbar sei. Einflussreiche Denker wie der Schriftsteller Samuel Butler, aber auch viele Biologen, griffen auf die konkurrierende Evolutionstheorie des Lamarckismus zurück, die ihnen eher mit einem göttlichen Plan in der Natur vereinbar schien. Da Ende des 19. Jahrhunderts insbesondere Darwins Selektionstheorie innerhalb der Wissenschaft scharf angegriffen wurde und zeitweise in die Defensive geriet, konnten sich religiöse Kritiker bestätigt fühlen, dass es sich um eine kurzfristige Verirrung handele, die bald überwunden sei.[18] Speziell in Deutschland äußerten sich führende Anthropologen wie Rudolf Virchow und Adolf Bastian ablehnend. Dies könnte teilweise auf die Position führender deutscher Darwinisten wie Ernst Haeckel zurückgehen, die die Abstammung des Menschen als Argument für „niedere“ Menschenrassen und damit Rassismus verwendeten.[19] (Die Evolutionstheorie als Begründung für Rassismus wurde als Ablehnungsgrund später auch von den führenden amerikanischen Kreationisten wie Henry M. Morris herausgestellt.) Mit der Durchsetzung der Evolutionstheorie innerhalb der Wissenschaft bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts schien die Debatte zunächst erledigt. Konservative protestantische Christen, vor allem in den USA, lehnten sie zwar weiterhin ab, fanden aber keine wissenschaftlichen Unterstützer mehr, so dass der Kampf bereits entschieden schien.[20]

Dass die Bibel buchstäblich für wahr gehalten wird, ist in der Geschichte des Christentums erst seit relativ kurzer Zeit von Bedeutung. Schon die Kirchenväter Origenes (185–254)[21] und Augustinus von Hippo (354–430) legten Wert auf eine kritische Betrachtung des alttestamentlichen Schöpfungsberichts (Genesis). Und vor der ersten Übersetzung in eine geläufige Sprache durch Martin Luther war die Bibel nur wenigen Menschen zugänglich. Die Genesis wörtlich für eine wahre Beschreibung vergangener Ereignisse zu halten, kam erst nach dem amerikanischen Sezessionskrieg (1861–1865) in den damals unterlegenen Südstaaten auf, insbesondere unter Baptisten, und wurde ein bedeutender Teil des kulturellen Selbstverständnisses der Südstaatler und ihrer Ablehnung nordstaatlicher Werte. Besonders vorangetrieben wurde das von Siebenten-Tags-Adventisten wie George McCready Price, die an ein baldiges Ende der Welt (Armageddon) glaubten. Die Verbesserung des Schulwesens, durch die mehr Kinder mit der Evolutionstheorie bekannt wurden, trug zur Entwicklung dieser Abwehrhaltung bei. Die erfolgreiche Durchsetzung des Alkoholverbots im Jahre 1919 ermutigte diese Bewegung, und hinzu kam eine Assoziation des Darwinismus mit dem Sozialdarwinismus und dessen vermeintlich bedeutender Rolle auf Seiten der Deutschen im Ersten Weltkrieg.[22]

Der Scopes-Prozess und die Folgen

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Einen Höhepunkt der Auseinandersetzung mit dem Kreationismus bildete der Scopes-Prozess im Jahr 1925 in Dayton (Tennessee), bei dem ein Lehrer stellvertretend für aufklärerische Gruppen einen Musterprozess gegen den US-amerikanischen Bundesstaat führte, der kurz zuvor einen Bann gegen Darwins Evolutionstheorie beschlossen hatte. Der Prozess, der großes Aufsehen auch außerhalb der USA erregte, wurde im Ergebnis gegen den Lehrer entschieden, das Urteil jedoch aufgrund von Formfehlern wieder aufgehoben. Beobachter werteten das Verfahren selbst als Niederlage für die Anliegen des Kreationismus. Das Verbot, die Evolution zu unterrichten, blieb in Tennessee bis in die 1960er Jahre in Kraft, wurde jedoch nie wieder angewendet. Dennoch verschwand in den folgenden Jahrzehnten der Darwinismus zunehmend aus den US-amerikanischen Schulbüchern. Erst infolge des Sputnikschocks 1957 kam es diesbezüglich zu einer Wende, indem die US-Regierung Gelder für die Produktion neuer naturwissenschaftlicher Schulbücher zur Verfügung stellte, in denen auch die Evolution ausführlich behandelt wurde. In dieser Situation erschien 1961 das Buch Genesis Flood von Whitcomb und Morris, das unter gläubigen Christen sehr populär wurde und die Creation Science-Bewegung (wörtlich: Schöpfungs-Wissenschaft) begründete. Deren Ansatz war der Versuch, den Kreationismus als eine der Evolutionstheorie gleichwertige Wissenschaft darzustellen und ihr auf diese Weise – unter Umgehung des Verbots eines Religionsunterrichts in der US-Verfassung – Eingang in den Schulunterricht zu verschaffen.[22]

1981 hatten die Bemühungen, den Kreationismus im Biologie-Unterricht zuzulassen, im Bundesstaat Arkansas Erfolg. Gegen dieses neue Gesetz reichte die American Civil Liberties Union eine Klage mit der Begründung ein, dass es nicht mit dem First Amendment, dem 1. Zusatzartikel der US-Verfassung, zu vereinbaren sei. An dem Prozess waren der Paläontologe Stephen Jay Gould, der Genetiker Francisco J. Ayala, der Philosoph Michael Ruse und der Theologe Langdon Gilkey als Sachverständige beteiligt. Der Richter kam zu dem Schluss, dass „Creation Science“ keine Wissenschaft, sondern Religion sei und daher an öffentlichen Schulen nicht gelehrt werden dürfe.[22]

Kurzzeitkreationismus

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Der Junge-Erde-Kreationismus (auch „Kurzzeitkreationismus“ oder „24-Stunden-Tag-Theorie“) ist der hauptsächlich von evangelikalen und fundamentalistischen Christen, aber auch von ultraorthodoxen Juden vertretene Glaube, dass die Erde von Gott vor wenigen tausend Jahren erschaffen worden sei. Anhänger vertreten eine wörtliche Auslegung der Bibel und interpretieren den Schöpfungsbericht in der Bibel als Tatsachenschilderung. Aufgrund des vom englischen Erzbischof James Ussher (1581–1656) anhand biblischer Lebensläufe und Stammbäume berechneten Ussher-Lightfoot-Kalenders wird als Zeitpunkt der Schöpfung der 23. Oktober 4004 v. Chr. angenommen. Dies entspricht einem Erdalter von rund 6000 Jahren. In der Regel gehen Junge-Erde-Kreationisten davon aus, dass die Erde bis etwa 10.000 Jahre alt sei (die Auffassungen darüber, ob das Universum das gleiche Alter hat, sind unterschiedlich). Deshalb werden von ihnen wissenschaftliche Methoden wie radiometrische Altersbestimmung, Isochronenmethode, Eiskerndatierung und Dendrochronologie (siehe auch Altersbestimmung (Archäologie)) in Frage gestellt. Stattdessen werden die geologischen Belege hauptsächlich als das Resultat einer globalen Flut erklärt. Mitunter werden auch gängige Thesen wie die Kontinuität der Naturgesetze über historische Zeiträume in Frage gestellt; damit werden alternative Datierungen geologischer und astronomischer Ereignisse erzielt.

Die Flache Erde wird manchmal ebenfalls zum Kurzzeitkreationismus gerechnet.[23] Sie ist aber ein Standpunkt, von dem sich Kreationisten selbst im Allgemeinen zu distanzieren versuchen.[24] Sie wird immer wieder in diesem Kontext als Stilmittel zur zynischen Übertreibung, Karikierung und als stereotype Analogie verwendet. Im 20. Jahrhundert wurde die Flache Erde von der Flat Earth Society vertreten.

Moderner Geozentrismus

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Als Geozentrismus bezeichnet man die Ansicht, dass Gott eine sphärische Welt erschaffen und sie im Zentrum des Universums platziert habe. Sie werde von der Sonne, den Planeten und allem anderen umkreist. Alle wissenschaftlichen Behauptungen über das Erdalter seien Lügen; Evolution fände nicht statt. Sehr wenige Menschen vertreten heutzutage einen solchen Glauben.

Omphalos-Hypothese

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Die Omphalos-Hypothese postuliert, dass Gott die Erde in jüngerer Zeit erschaffen habe, sie aber viel älter habe aussehen lassen. Dieser Glaube wird von einer kleinen Untergruppe der Junge-Erde-Kreationisten vertreten. Das Argument wurde erstmals 1857 von Philip Henry Gosse vorgebracht. Er hielt daran fest, dass bestimmte physikalische und biologische Prozesse eine ältere Erscheinung benötigten, da die Welt periodisch ablaufe (Henne-Ei-Henne usw.). Sie trägt den Namen Omphalos-Hypothese (Nabelhypothese), da sie auf der Frage basiert, ob Adam (oder Eva) einen Bauchnabel gehabt hätten (da sie als Erwachsene erschaffen und nicht geboren worden seien, könne davon ausgegangen werden, dass sie nie eine Nabelschnur gehabt hätten). Gosse nahm an, dass Adam einen Nabel gehabt habe, weil er bei allen Menschen vorhanden ist. Es ergebe sich eine scheinbare Vergangenheit (die vom Nabel angedeutet werde), obwohl sie auf diese Weise einfach miterschaffen worden sei. Er nahm an, dass es zum Funktionieren der Erde notwendig gewesen sei, sie älter aussehen zu lassen. Diese Hypothese hat heute jedoch keine nennenswerte Anhängerschaft mehr. Keiner der führenden Kreationisten wendet das Konzept auf den Fossilbericht oder etwaig geschaffene Lichtbrücken an. Mit Hilfe der Annahme solcher Lichtbrücken sollte es dem Licht angeblich möglich sein, einen Raum zu überspannen und durch die Umgehung dieses Raumes der – wie sonst im ganzen Universum gültigen – Begrenzung der Lichtgeschwindigkeit nicht unterworfen zu sein. Das heißt ähnlich, wie dies im Mikroskopischen in der Quantenmechanik mit dem Tunneleffekt möglich ist. Dadurch wäre es angeblich möglich, dass Menschen auf der Erde Licht von weit entfernten Sternen sehen könnten, obwohl das Licht bei Einhaltung der Lichtgeschwindigkeit länger unterwegs sein müsste, als die aus der Bibel entnommene Zeitspanne seit der Erschaffung der Welt.

Eine die Omphalos-Hypothese ad absurdum führende Hypothese, nach der die Welt vor fünf Minuten geschaffen worden sei, findet sich bei Bertrand Russell als Gedankenspiel im Rahmen des philosophischen Skeptizismus bezüglich Erinnerungen:

“There is no logical impossibility in the hypothesis that the world sprang into being five minutes ago, exactly as it then was, with a population that ‘remembered’ a wholly unreal past. There is no logically necessary connection between events at different times; therefore nothing that is happening now or will happen in the future can disprove the hypothesis that the world began five minutes ago.”

„Es besteht keine logische Unmöglichkeit in der Hypothese, dass die Welt vor fünf Minuten entstand, genauso wie sie war, mit einer Bevölkerung, die sich an eine gänzlich irreale Vergangenheit ‚erinnert‘. Es besteht keine logisch notwendige Verbindung zwischen Ereignissen zu unterschiedlichen Zeiten; daher kann nichts, was jetzt oder in der Zukunft passiert, die Hypothese widerlegen, dass die Welt vor fünf Minuten begann.“

Bertrand Russell: The Analysis of Mind (1921)

Wissenschaftlicher Kreationismus

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Seit den 1960er Jahren versuchen Aktivisten des sogenannten „wissenschaftlichen Kreationismus“ im angelsächsischen Raum zu zeigen, dass man auch wissenschaftliche Argumente für das kreationistische Weltbild vorbringen könne. Die Anhänger halten ihre alternativen, vorgeblich wissenschaftlichen Erklärungen zur Evolution denjenigen der vorherrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung für ebenbürtig, und fordern deren Zulassung zum Schulunterricht.[25] Anfang der 1980er Jahre schafften es amerikanische Aktivisten, dass der „wissenschaftliche Kreationismus“ vorübergehend in zwei US-Bundesstaaten als gleichberechtigte Alternative zur Evolutionstheorie vorgetragen werden durfte. 1987 sprach der Supreme Court jedoch dem Kreationismus die Wissenschaftlichkeit ab und klassifizierte ihn als Religion, woraufhin er aus dem Biologieunterricht verbannt wurde.[26]

Vertreten werden Ideen zu einer Schöpfungskosmologie, die auf ein Alter des Universums in der Größenordnung von einigen Tausend Jahren hinausläuft. Der Fossilbericht wird als Bericht der Zerstörung durch eine globale Flut gedeutet, wie sie in der Genesis als Sintflut beschrieben wird. In den USA wird diese Sichtweise vom Institute for Creation Research und der Creation Research Society befürwortet, in Deutschland in abgewandelter Form von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen,[27] in der Schweiz von ProGenesis. Ein amerikanischer Hauptvertreter ist Kent Hovind.

Langzeitkreationismus

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Die Befürworter des Langzeitkreationismus (auch genannt Alte-Erde-Kreationismus) versuchen, die wörtliche Interpretation der Genesis in Einklang mit den astronomischen und geologischen Hypothesen zum Alter des Universums und der Erde (mehrere Milliarden Jahre) zu bringen. Im Gegensatz zum evolutionistischen Kreationismus wird dabei jedoch die Theorie der gemeinsamen Abstammung abgelehnt. Hauptvertreter des Langzeitkreationismus sind die Zeugen Jehovas. Es gibt mehrere Schöpfungsthesen, mit denen die Auffassung begründet wird:

Diese Anschauung (auch Restitutionstheorie genannt) besagt, dass das Leben in einer kurzen Zeit auf der vorher schon existierenden alten Erde geschaffen worden sei, weil eine vorherige Schöpfung durch eine unbestimmte Katastrophe vernichtet worden sei. Der Lücken-Kreationismus hat 1. Mose 1,2 EU als Grundlage, und dies besonders in der englischen Bibelübersetzung Scofield Reference Bible (in der Version von 1917). Von Kreationisten, die sich auf den hebräischen Wortlaut der Bibel berufen, erhält dieser Typ des Kreationismus keine Zustimmung.

Konkordanzhypothese

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Die Konkordanzhypothese (auch Tag–Alter-Kreationismus, Zeitalter-Tag-Theorie, Theorie der unterschiedlichen Tageslängen oder Vorzeit-Kreationismus) besagt, dass die sechs Tage der biblischen Schöpfungsgeschichte nicht vierundzwanzigstündige Tage darstellen, sondern sehr viel längere Zeiträume – wie Millionen von Jahren. Die Vertreter dieser Richtung berufen sich auf das Wort yôm in der hebräischen Bibel, welches nach ihrer Ansicht im Kontext der Genesis zur Bedeutung „Zeitalter“ gedehnt werden könne. Einige Vertreter sagen, dass die Gegenwart das siebte Alter darstelle, also den siebten Tag der Schöpfung. Gegen den Deutungsansatz der Konkordanzhypothese wird argumentiert, dass die Bedeutung des Wortes aus dem Kontext eindeutig hervorgehe, da das hebräische Wort yôm „Tag“ bedeute und mit der Formulierung „es wurde Abend und wieder Morgen“ nur ein Tag im gängigen Wortsinn gemeint sein könne (zum Beispiel (Mt 25,29 ELB)).

Schöpfung auf Raten

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Diese Sicht wird auch Progressiver Kreationismus oder fortdauernde Schöpfung genannt und besagt, dass die Arten sich in einem ständig von Gott begleiteten Vorgang verändert und herausgebildet haben. Dabei gibt es verschiedene Ideen darüber, wie das Ganze ablaufe (es wird oft Platz gelassen für ein direktes göttliches Eingreifen bei Schlüsselzeitpunkten in der Geschichte der Erde und des Lebens). Diese Sicht akzeptiert die meisten Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften, lehnt aber die moderne Evolutionsbiologie ab oder sucht nach Hinweisen darauf, dass die Evolution nur über natürliche Auslese unpassend sei. Dieser Standpunkt kann in Zusammenwirkung mit anderen Alte-Erde-Standpunkten vertreten werden, wie Tag–Alter-Kreationismus oder diverse Sichtweisen über Rahmenbedingungen, Metaphern und Poesie der Schöpfungsgeschichte.

Evolutionistischer Kreationismus

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Der Evolutionistische Kreationismus sieht Gott als Schöpfer, der die Lebensformen mittels Evolution erschaffen habe und weiterentwickle, wobei es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie stark er in diesen Prozess eingreife. Dennoch halten seine Anhänger die Evolutionstheorie, wie die Naturwissenschaft sie beschreibt, für unzureichend und sehen das zusätzliche Eingreifen eines Gottes als zwingend notwendig an. Die Richtung stimmt einigen Positionen des Langzeitkreationismus zu (wie der Konkordanzhypothese oder Lückentheorie), unterscheidet sich ansonsten aber deutlich von den übrigen Richtungen des Kreationismus, da ihre Vertreter (insbesondere im Gegensatz zum progressiven Kreationismus) die Theorie der gemeinsamen Abstammung akzeptieren. Deshalb wird sie manchmal nicht als Kreationismus eingeordnet, obwohl sich ihre Vertreter so verstehen. Gemeinsam mit den übrigen Richtungen des Kreationismus ist der Standpunkt, dass die natürliche Selektion nicht die Ursache für die Entstehung neuer Arten ist. Dies soll stattdessen durch das direkte Eingreifen Gottes in den Evolutionsprozess bewirkt werden.

Der Unterschied zwischen dem evolutionistischen Kreationismus und dem Mainstream der christlichen Theologie in Deutschland ist, dass er die Heilige Schrift wörtlich interpretiert und dabei Aussagen über eine gemeinsame Abstammung aus dem Bibeltext herzuleiten versucht. Die Mainstream-Standpunkte stellen sich im Gegensatz zum evolutionistischen Kreationismus auch nicht gegen die natürliche Selektion als Mechanismus für die Entstehung der Arten. Die Trennung zwischen diesen Richtungen ist aber sehr unscharf und es gibt mehrere Zwischenpositionen; meist werden sie alle unter dem Oberbegriff Theistische Evolution zusammengefasst.

Neo-Kreationismus

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Neo-Kreationisten distanzieren sich selbst betont von anderen Arten des Kreationismus und wollen als vollständig vom Kreationismus getrennt betrachtet werden. Ihr Ziel ist es, den Kreationismus in Begriffen neu zu formulieren, die von der Öffentlichkeit, Bildungspolitik und Wissenschaftsgemeinde besser angenommen werden. Sie beabsichtigen, ohne religiöse Worte und ohne Bezug auf die jeweilige Heilige Schrift eine Debatte über den Ursprung des Lebens in Gang zu setzen und unter die Menschen zu tragen.

In ihren Augen sind die Naturwissenschaften nur scheinbar objektiv und in Wirklichkeit eine dogmatische atheistische Religion. Sie argumentieren, dass die wissenschaftliche Methodik bestimmte Erklärungen von Phänomenen insbesondere dann ausschließe, wenn übernatürliche Elemente eine Rolle spielen. Dies würde im Ergebnis religiöse Aspekte beim Verständnis des Universums ausschließen. Neo-Kreationisten behaupten auch, dass die Naturwissenschaft der Grund für viele gegenwärtige soziale Missstände sei (wie soziale Unruhen und hohe Scheidungsraten).

Im Gegensatz zu den anderen Formen des Kreationismus machen Neo-Kreationisten betont keine Aussagen über das Erdalter oder die wörtliche Auslegung der Bibel, schließen andererseits aber auch betont einen Junge-Erde-Kreationismus nicht aus. Allen Arten des Neo-Kreationismus gemeinsam ist die Ablehnung des Naturalismus, üblicherweise zusammen mit dem stillschweigenden Eingeständnis des Übernatürlichen, sowie eine offene und oft feindlich ausgerichtete Opposition gegen den von ihnen so bezeichneten Darwinismus, womit sie im Allgemeinen die Evolutionstheorie meinen.

Es gibt drei verbreitete Formen des Neo-Kreationismus.[28]

Intelligent Design

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Die Intelligent-Design-Bewegung vertritt seit 1990 eine Kreationismus-Version ohne Bibelbezug. Grund dafür war der Versuch, die Gerichtsurteile zu umgehen, die eine Behandlung des „scientific creationism“ im Biologieunterricht untersagt hatten. Um die Anhänger der verschiedenen Richtungen des Kreationismus (und möglichst viele Vertreter einer Schöpfung auch außerhalb des Kreationismus) zu einen und mit allen kreationistischen Sichtweisen kompatibel zu sein, macht Intelligent Design keine spezifischen Aussagen zum Erdalter, und beschränkt sich rein auf die Behauptung, dass die Entstehung des Lebens einer Intelligenz als Ursache bedürfe. Seine führenden Vertreter, die alle dem Discovery Institute angehören, sind der Meinung, dass Intelligent Design eine wissenschaftliche Theorie sei, die mit vorhandenen wissenschaftlichen Theorien zum Ursprung des Lebens auf einer Stufe stehe oder ihnen überlegen sei. Daher dürfe sie im Biologieunterricht behandelt werden. Im Verfahren Kitzmiller v. Dover Area School District konnte sich diese Rechtsauffassung jedoch nicht durchsetzen. Intelligent Design wurde durch das Discovery Institute als Teil einer gesellschaftspolitischen PR-Strategie vertreten, wie durch das durchgestochene interne Papier Wedge Strategy bekannt wurde. Beispielsweise wurde dem Discovery Institute im Juli 2022 die plumpe Manipulation eines Filmdokuments nachgewiesen, um dadurch dem Paläontologen und Evolutionsbiologen Claude Owen Lovejoy die Fälschung eines Australopithecinen-Fossils zu unterstellen.[29]

Abrupt Appearance

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Ein ursprünglich in der Evolutionsbiologie verwendeter Begriff für das sprunghafte Auftreten (englisch abrupt appearance) von neuen Arten im Fossilbericht. Vertreter dieser Richtung, unter denen Wendell Bird[30] am bekanntesten ist, haben den Begriff übernommen und sagen, dass dieses Phänomen am besten durch eine direkte Beeinflussung von außen statt durch einen natürlichen Vorgang erklärt werden könne. Das Argument wird begleitet von der ausdrücklichen Behauptung, dass es auf jeden Zeitrahmen anwendbar sei, womit insbesondere auch ein Bereich von 10.000 Jahren nicht ausgeschlossen werden soll.[31]

Evidence against Evolution

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Diese Richtung versucht, Beweise gegen die Evolution (engl. evidence against evolution) zu sammeln und bedient sich dazu hauptsächlich der Ergebnisse in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Es wird versucht, diese als Widerlegung der Evolutionstheorie zu deuten. Die Richtung ist mehr oder weniger identisch mit der Evolutionskritik in der „Schöpfungswissenschaft“, jedoch ohne Bezug zur Bibel zu nehmen und ohne der Evolutionstheorie eine Alternative mit wissenschaftlichem Anspruch entgegenzustellen. Die Frage des Ursprungs des Menschen wird stattdessen als Frage des persönlichen Glaubens angesehen.

Positionen liberaler Christen

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Spätestens seit den 1950er Jahren vertraten sowohl die meisten staatlich anerkannten protestantischen Kirchen als auch die römisch-katholische Kirche die Auffassung, dass die Evolutionstheorie und das Christentum miteinander vereinbar sind.[32] Wesentliche Fortschritte für eine Neuinterpretation der Evolution in Bezug zur christlichen Überlieferung und Heilsbotschaft stammen von Pierre Teilhard de Chardin, einem Jesuiten, Evolutionsforscher und Anthropologen, nach dessen Auffassung die Schöpfung nicht abgeschlossen ist, sondern nach wie vor andauert.

Von einigen Vertretern der liberalen Theologie wird die Genesis als eine Metapher verstanden, die keine wissenschaftlichen Aussagen macht. Eine Reduktion des Schöpfungsberichts der Bibel auf einen reinen Mythos wird etwa von Eugen Drewermann vertreten.[33] Dieser bringe vor allem Grundstrukturen des Menschseins und das Verhältnis des Menschen zu Gott (1. Mose 1,26 EU: „Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich.“) zum Ausdruck.

Im Mainstream der christlichen Theologie in Deutschland, sowohl der evangelischen und katholischen Kirche, wird nach wie vor systematisch angestrebt, auch in der Nachfolge Rudolf Bultmanns, entsprechend der existentialen Interpretation wie der historisch-kritischen Methode die biblische Botschaft gerade auch an Menschen mit wissenschaftlichem Weltbild zu vermitteln. Dies gilt auch für neuere Interpretationen des Alten Testamentes, inklusive der Schöpfungsberichte.[34]

In einer Studie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die Anfang April 2008 veröffentlicht wurde, erteilt die EKD dem Kreationismus eine deutliche Absage.[35]

Politische Kontroversen

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Nach säkularem Verständnis bezieht sich der Begriff Kreationismus auf eine politische Doktrin. Sie macht die Gültigkeit und Überlegenheit eines religiösen Schöpfungsglaubens im Vergleich zu anderen Weltanschauungen geltend, insbesondere einschließlich derjenigen, die auf einer säkularen und wissenschaftlichen Grundlage basieren. Die Bedeutung des Begriffs „Kreationismus“ hängt dabei vom Kontext eines bestimmten Schöpfungsglaubens in einer bestimmten politischen Kultur ab, in dem er benutzt wird.

In den Vereinigten Staaten, mehr als in der übrigen Welt, ist der Kreationismus zentral in einer politischen Kontroverse zur Unterrichtung des Kreationismus in öffentlichen Schulen verankert, die sich um die staatliche Bildung dreht und um die Frage, ob die Unterrichtung der Evolutionstheorie in unfairer Weise mit der kreationistischen Weltanschauung in Konflikt steht. In den letzten Jahren tritt die Kontroverse in Form der Frage in Erscheinung, ob die Unterstützer der Intelligent-Design-Bewegung, die in naturwissenschaftlichen Fächern die Kontroverse unterrichten wollen, damit die Grenzen der Trennung von Staat und Kirche überschreiten würden.

Die wortgetreue biblische Schöpfungslehre soll nach Ansicht von Kreationisten gleichberechtigt zur naturwissenschaftlichen Urknalltheorie und Evolutionstheorie im Schulunterricht behandelt werden. Bislang haben Kreationisten ihre stärksten politischen Erfolge in den Vereinigten Staaten verbucht; sporadisch sind jedoch auch in Europa kreationistische Tendenzen in der Politik zu finden.

Evangelikale Gruppen betreiben seit geraumer Zeit gezielte politische Lobbyarbeit, um zu erreichen, dass der Kreationismus an den Schulen als gleichberechtigte Alternative zur Evolutionstheorie unterrichtet wird. Es gelang ihnen sogar, den US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush für diese Forderung zu gewinnen. So hat er sich im August 2005 dafür ausgesprochen, dass die Lehre vom „Intelligent Design“ als gleichwertig mit der Evolutionstheorie in den Schulen im Fach Biologie gelehrt werden solle, da es in öffentlichen Schulen der Vereinigten Staaten aufgrund der in der Verfassung verankerten Trennung von Staat und Kirche keinen Religionsunterricht gibt.[36] Im US-Bundesstaat Kansas hat die Schulbehörde angeordnet, „Intelligent Design“ gleichberechtigt neben der Evolutionslehre in den Schulen zu unterrichten. Daraufhin haben zwei bedeutende Wissenschaftsverbände, die Nationale Wissenschaftsakademie und der Nationale Verband der Lehrer von Naturwissenschaften das Verwertungsrecht für ihre Materialien zur Evolutionstheorie den Behörden in Kansas für die Verwendung in Schulbüchern entzogen. Als weitere Protestreaktion gründete der amerikanische Autor Bobby Henderson 2005 die Religionsparodie des Fliegenden Spaghettimonsters, deren Anhänger wie die Kreationisten staatliche Förderungen und Berücksichtigung im Schulunterricht fordern, sodass alle Gegenargumente sich auch gegen deren Ansprüche richten.[37]

Viele Kreationisten formulieren ihre Sichtweise in Form einer teleologischen Argumentation, setzen dies in Kontrast zu einer eigenen Erklärung auf Basis eines Schöpfers und erheben dafür den Anspruch wissenschaftlicher Aussagekraft. Dabei greifen sie auf ein ideologisches Wissenschaftsverständnis zurück, das mit der wissenschaftlichen Methodik nicht vereinbar und somit pseudowissenschaftlich ist. Kreationisten, die diesen Anspruch erheben, bestreiten diesen Status. Mit der „Schöpfungswissenschaft“ und später Intelligent Design sind vor Gerichten bereits zwei Versuche von Kreationisten gescheitert, diese in den Vereinigten Staaten an öffentlichen Schulen im Biologieunterricht zu verankern. Zwei führende Wissenschaftsorganisationen in den Vereinigten Staaten, die National Academy of Sciences und die American Association for the Advancement of Science, bestätigten, dass es keine wissenschaftliche Basis dafür gebe. Die American Civil Liberties Union begrüßte die Entscheidung im Fall Kitzmiller vs. Dover Area School District, dass Intelligent Design keine wissenschaftliche Theorie und dessen Unterrichtung in öffentlichen Schulen verfassungswidrig ist.

Der Europarat erklärte 2007 zum Thema Kreationismus im Bildungswesen, man müsse aufpassen, dass sich daraus nicht „eine Gefahr für die Menschenrechte“ entwickle.[38]

Internationale Bedeutung

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Kreationistische Informationstafel an einer Dinosaurierfigur in Cabazon, Kalifornien

Hauptstütze des Kreationismus sind die in den Vereinigten Staaten stark vertretenen evangelikalen Christen, die über großen politischen Einfluss verfügen.

Laut einer Umfrage Pew Forums on Religion and Public Life (2005) glauben etwa 26 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung, dass sich das Leben über Jahrmillionen durch natürliche Auslese entwickelt hat. Der Aussage, dass ein höheres Wesen die Entwicklung der Lebewesen gesteuert habe, stimmen 18 Prozent zu. Während insgesamt 48 Prozent an eine evolutionäre Entwicklung der Lebewesen glauben, sind 42 Prozent der Ansicht, dass „die Lebewesen seit Anbeginn der Zeit in ihrer heutigen Form existierten“. Außerdem befürwortet die Mehrheit der US-Amerikaner, dass in den Schulen beides nebeneinander gelehrt werden soll.[39]

Insbesondere die Faktoren Alter und Ausbildung bestimmen dabei die Einstellung der US-Amerikaner. So akzeptieren von den College-Absolventen etwa 40 Prozent die natürliche Auslese im Gegensatz zu 18 Prozent bei den Amerikanern ohne College-Ausbildung. Die Hälfte der Amerikaner mit einem Alter über 65 akzeptiert den Kreationismus, verglichen mit 37 Prozent bei den unter 30-Jährigen.

Die wichtigsten kreationistischen Organisationen haben ihren Sitz in den Vereinigten Staaten, darunter die Creation Research Society.

In Kansas und Pennsylvania sowie einigen anderen Staaten wurden Kreationismus und Intelligent Design in den Lehrplan der Schulen integriert.[40][41]

Eine große Anhängerschaft hat der Kreationismus auch im Westen Kanadas gefunden.[22]

In Europa nimmt der Kreationismus allgemein nur eine Nischenstellung ein, findet jedoch verstärkt Zulauf.[42] Dies ist hauptsächlich auf die gesellschaftliche und kulturelle Struktur zurückzuführen, die sich in Verbindung mit der Französischen Revolution und der Aufklärung herausgebildet hat. In Staaten mit großen Teilen an römisch-katholischer Bevölkerung hat die Anerkennung der Evolution von Seiten des Papstes für die meisten Menschen das Thema abgeschlossen. Ähnlich sieht die Situation in Großbritannien aus. Rowan Williams, bis 2012 Oberhaupt der Anglikanischen Kirche, hat deutliche Kritik an den Thesen der Kreationisten geübt und sich klar gegen die Unterrichtung von Intelligent Design an Schulen ausgesprochen.[43] Mehrere bekannte britische Theologen wie Arthur Peacocke und John Polkinghorne haben sich zudem in der Vergangenheit intensiv um den Dialog zwischen Naturwissenschaften und Theologie bemüht und Argumentationen für eine völlige Vereinbarkeit von Religion und Evolutionstheorie vorgelegt (siehe Theistische Evolution).

Den Vereinigten Staaten vergleichbare politische Forderungen nach Gleichstellung des Kreationismus mit der Evolutionstheorie an öffentlichen Schulen werden in Deutschland bisher quasi nicht vertreten. Unter den politischen Parteien wurde diese Forderung nur von der Partei Bibeltreuer Christen[44] und ihrem Nachfolger Bündnis C – Christen für Deutschland[45] erhoben.

Nach einer vom evangelikalen Factum-Magazin und ProGenesis in Auftrag gegebenen Umfrage des Schweizer Meinungsforschungsinstituts IHA-Gfk nimmt die Interpretation der Bibel, wonach das Universum, die Erde und das Leben vor etwa sechstausend Jahren von Gott erschaffen wurden, jeder Fünfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz wörtlich. Etwa genauso viele stimmen der Ansicht zu, dass es zwar die Evolution gebe, dass sie aber von Gott gesteuert werde. Eine Evolution, wie Darwin sie beschrieb, bei der Gott keine Rolle spielt, erkennt in Deutschland mit 46 Prozent fast jeder Zweite an, in Österreich knapp 41 Prozent, in der Schweiz jeder Dritte (33 Prozent).[46] Eine von der naturalistisch-humanistisch orientierten Giordano-Bruno-Stiftung in Auftrag gegebene Umfrage spricht in Deutschland von 12,5 Prozent für eine wörtliche Interpretation der Schöpfungsgeschichte und 60,9 Prozent für die reine Evolutionstheorie.[47] Die Studie setzt theistische Evolution und Intelligent Design gleich und gibt für beides zusammen einen Anteil von 25,2 Prozent an. Eine 2005 vom Magazin „Zeit Wissen“ beauftragte Emnid-Umfrage ergab, dass jeder zweite Deutsche an einen Schöpfergott glaubt.[48]

Laut einer PBS-Dokumentation[49] über die Evolution haben australische Junge-Erde-Kreationisten behauptet, dass fünf Prozent der australischen Bevölkerung ihre Standpunkte teilen. Die Dokumentation sieht Australien als eine Hochburg dieser Bewegung. Demnach wäre der Junge-Erde-Kreationismus eine sehr kleine Minderheitenposition in der westlichen Welt außerhalb der Vereinigten Staaten.

Innerhalb des Judentums gibt es eine große Bandbreite von Ansichten über den Kreationismus. Im Allgemeinen vertreten die meisten jüdischen Richtungen (darunter auch manche orthodoxe Gruppen) die Unabhängigkeit von Glauben und Wissenschaft oder die theistische Evolution. Der heutige Ansatz des Judentums (von orthodoxen Traditionen abgesehen) ist es, die Tora nicht als einen buchstäblich zu verstehenden Text, sondern eher als einen symbolischen anzusehen.

Viele orthodoxe Juden hingegen hinterfragen die Ansicht, dass man die Wissenschaft und die Bibel durch wissenschaftliche Mittel miteinander in Einklang bringen könne. Für diese Gruppen kann Wissenschaft nur so wahr sein wie die Tora, und wenn sich daraus ein anscheinend unauflöslicher Widerspruch ergibt, dann liegt es an dem begrenzten menschlichen Wissen oder Verstehen. Sie verweisen auf diverse Diskrepanzen zwischen dem, was man erwartet und dem, was man wissenschaftlich vorfindet, um zu zeigen, dass Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen. Sie weisen darauf hin, dass sogar die Wurzel des hebräischen Wortes für Welt (עולם – olam) verborgen bedeutet. Sie glauben, dass Gott den Menschen, die Pflanzen und das Licht der Sterne in ihrem „erwachsenen Zustand“ geschaffen habe und dass es keine physikalischen Wege gebe, dies zu verifizieren.

Auch im Islam gibt es Anhänger des Kreationismus. Dabei werden von den Gegnern nicht nur religiöse Gründe genannt. Die religiösen Gründe sind ähnliche wie im Christentum: Man sieht einen Widerspruch zwischen dem Koran und der Evolutionstheorie. Im Unterschied zur Bibel gibt es im Koran zwar keinen ausformulierten Schöpfungstext wie im Buch Genesis, aber verschiedene Suren (6:2, 15:26–33, 23:12, 37:11, 32:7–9, 55:14) stellen doch eine Erschaffung Adams aus Lehm durch Gott dar. Daraus schließen die islamischen Kreationisten, den christlichen durchaus vergleichbar, auf eine göttliche Erschaffung der Arten. Politisch problematischer ist allerdings die mit dem Kreationismus verbundene „dichotome Weltsicht“.[50] Gottesfürchtige Muslime sehen sich in einem Gegensatz zu den Nicht-Muslimen, die dem „Darwinismus“ anhängen. Es besteht die Gefahr, dass aus diesem Gegensatz Feindbilder entstehen, die eine Abgrenzung zur nicht-islamischen Gesellschaft zur Folge haben.[50] Als einer der bekanntesten Kreationisten der islamischen Welt gilt Harun Yahya.

In Südkorea, in dem 30 % der Bevölkerung christlichen Glaubensrichtungen angehören, erreicht der Prozentanteil der Bevölkerung, die an Kreationismus glaubt, ähnliche Werte wie in den USA. Im Juni 2012 wurde die Streichung von Details der Evolutionstheorie in Schulbüchern diskutiert.[51] Diese Änderung wurde aber verhindert.[52]

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Wiktionary: Kreationismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. siehe Genesis  EU
  2. Jochem Kotthaus: Propheten des Aberglaubens. Der deutsche Kreationismus zwischen Mystizismus und Pseudowissenschaft. LIT Verlag, Münster 2003.
  3. Zum Problem der Zuschreibung des Begriffs „Pseudowissenschaft“, insbesondere für die Kritiker des 19. Jahrhunderts vgl. Ronald L. Numbers: The Creationists: The Evolution of Scientific Creationism. Harvard University Press, veränderte Neuauflage 2006 (orig.: Alfred A. Knopf, New York, 1992) auf Seite 12, Ralph O’Connor: Young-Earth Creationists in Early Nineteenth Century Britain? Towards a reassessment of „Scriptural Geology“. History of Science 45 (4), 2007.
  4. Jens Lubbadeh: Mit Allah gegen Darwin. 29. März 2007, abgerufen am 6. Oktober 2019.
  5. Ronald L. Numbers: Creationism since 1859. Chapter 56. In: Garry B. Ferngren (general editor): The History of Science and Religion in the Western Tradition. An Encyclopedia. Taylor and Francis, New York, London, 2000, ISBN 0-8153-1656-9.
  6. a b David R. Montgomery: The evolution of creationism. GSA today 22 (11), 2012, S. 4–9.
  7. Abraham C. Flipse (2012): The Origins of Creationism in the Netherlands: The Evolution Debate among Twentieth-Century Dutch Neo-Calvinists. Church History 81 (1): 104–147. doi:10.1017/S000964071100179X
  8. Ronald L. Numbers: Antievolutionists and Creationists. In: Creationism History. Counterbalance Meta-Library, abgerufen am 15. August 2007.
  9. Oberkirchenrat und Publizist Joachim Schmidt, Leiter Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, in Echt Glaube kompakt: Verdrängungswettbewerb abgerufen am 29. März 2008.
  10. Die Interpretation der Bibel in der Kirche. In: vatican.va, 15. April 1993 (Standpunkt der katholischen Kirche zur historisch-kritischen Methode in der Päpstlichen Bibelkommission).
  11. Zur evangelischen Theologie siehe Ratsbericht der Synode (PDF; 125 kB).
  12. vgl. etwa Marcus Tullius Cicero: De natura deorum („Vom Wesen der Götter“).
  13. Kurt Flasch: Augustin: Einführung in sein Denken. Reclam-Verlag, 2. Auflage 1994.
  14. Kenneth J. Howell: Augustine of Hippo. Chapter 24. In: Garry B. Ferngren (general editor): The History of Science and Religion in the Western Tradition. An Encyclopedia. Taylor and Francis, New York, London, 2000, ISBN 0-8153-1656-9.
  15. vgl. William A. Wallace: Thomas Aquinas and Thomism. Chapter 25. In: Garry B. Ferngren (general editor): The History of Science and Religion in the Western Tradition. An Encyclopedia. Taylor and Francis, New York, London, 2000, ISBN 0-8153-1656-9.
  16. Ralph O’Connor (2007): Young-earth creationists in early nineteenth-century Britain? Towards a reassessment of scriptural geology. History of Science 45 (4): 357-402.
  17. John Hedley Brooke: Darwin and Victorian Christianity. Chapter 8 in: Michael Jonathan Sessions Hodge, Gregory Radick (Hrsg.): The Cambridge Companion to Darwin. Cambridge University Press, 2003, ISBN 978-0-521-77730-8.
  18. Peter J.Bowler: Evolution. Chapter 85 in Garry B. Ferngren (general editor): The History of Science and Religion in the Western Tradition. An Encyclopedia. Taylor and Fracis, New York, London, 2000, ISBN 0-8153-1656-9.
  19. Jonathan Marks (2010): Why Were the First Anthropologists Creationists? Evolutionary Anthropology 19: 222–226.
  20. Ronald L. Numbers: The Creationists: From Scientific Creationism to Intelligent Design. Harvard University Press, 2006, ISBN 978-0-674-02339-0. darin vor allem Evolution comes to America, S. 16 ff.
  21. Vgl. Origenes, De principiis IV, 2, 9. Online in Bibliothek der Kirchenväter: Origenes, Über die Grundlehren der Glaubenswissenschaft, IV, 2, 9.
  22. a b c d Michael Ruse: Creationism. In: Stanford Encyclopedia of Philosophy. 2003/2018 (englisch).
  23. how stuff works
  24. Ian Taylor, Jeffrey Burton Russell, Paula McKerlie: Who invented the flat earth?. In: Creation. Berkeley Cal 16.1994,2 (März), ISSN 0738-6001, S. 48–49.
  25. Ben Dupré: 50 Schlüsselideen der Menschheit. Spektrum Akademischer Verlag 2012, S. 86f.
  26. Ulrich Kutschera: Evolutionsbiologie. Eine allgemeine Einführung. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2015, S. 297.
  27. Peter Carstens: „Der Kreationismus ist ein florierendes Business“. In: GEO, abgerufen am 25. Juni 2013.
  28. Robert T. Pennock: Tower of Babel. The Evidence Against the New Creationism. In: Reports of the National Center for Science Education (RNCSE). 19, Nr. 6, 1999, ISSN 1064-2358, S. 40–42.
  29. M. Neukamm, A. Beyer: Wie das evangelikale Discovery Institute Filmdokumente fälscht: Meinungsmanipulation im Zeichen der Keil-Strategie. https://www.ag-evolutionsbiologie.net/html/2022/discovery-institute-evolution-mensch.html
  30. Wendell Bird: The Origin of Species Revisited: The Theories of Evolution and of Abrupt Appearance
  31. Paul Nelson: The Whole Question of Metaphysics. In: Origins Research. 15, Nr. 1, 1993 (englisch).
  32. Christliches Menschenbild und moderne Evolutionstheorien Botschaft von Papst Johannes Paul II. an die Mitglieder der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften anlässlich ihrer Vollversammlung am 22. Oktober 1996.
  33. Eugen Drewermann: Im Anfang … Die moderne Kosmologie und die Frage nach Gott. Walter, Düsseldorf 2002, ISBN 3-530-16900-5, zitiert nach: Peter Tepe (Hrsg.): Politische Mythen. Königshausen & Neumann, Würzburg 2006, ISBN 3-8260-3242-X, S. 366–367.
  34. Überblick in Manfred Oeming: Verstehen und Glauben. Exegetische Bausteine zu einer Theologie des Alten Testaments. Philo, Berlin 2003, ISBN 3-86572-325-X (Bonner biblische Beiträge. 142).
  35. Evangelischer Pressedienst: Absage an den Kreationismus (Memento vom 3. April 2008 im Internet Archive)
  36. Florian Rötzer: US-Präsident Bush stellt sich hinter die Lehre vom „Intelligent Design“. In: Telepolis. 3. August 2005, abgerufen am 25. Februar 2013.
  37. Carole M. Cusack: Invented Religions. Imagination, Fiction and Faith. Ashgate Publishing, Farnham 2010, S. 132 ff.
  38. The dangers of creationism in education. Europarat, 8. Juni 2007, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. Juli 2007; abgerufen am 18. Januar 2018 (englisch, Dok. 11297).
  39. Public Divided on Origins of Life. Umfrage in den Vereinigten Staaten von Pew Forum on Religion & Public Life (englisch).
  40. Marcia Pally: Die Neuen Evangelikalen. Berlin University Press, Berlin 2010, ISBN 978-3-940432-93-3, S. 86.
  41. vgl. Wo die Erde eine Scheibe ist – Kansas zieht Darwin in Zweifel Bericht bei n-tv, 9. November 2005.
  42. Darwin und Evolution: Kreationismus auf dem Vormarsch in Europa. In: Spektrum, Artikel vom 22. November 2016.
  43. The Guardian: Archbishop: stop teaching creationism, 21. März 2006.
  44. Grundsatzprogramm der Partei bibeltreuer Christen – PBC - (Memento vom 21. April 2015 im Internet Archive), Punkt 3.1 „Darum fordert die PBC in den Lehrplänen aller Schulen auch die Berücksichtigung der Bibel und ihrer Prinzipien. Das gilt auch für die Schöpfungslehre der Bibel. Die reine Wissensvermittlung soll gestrafft und von überflüssigem Ballast befreit werden.
  45. Bündnis C – Christen für Deutschland: Grundsätze und Eckpunkte für eine Politik nach christlichen Werten, 2.3.3, „Weiterhin ist ein weltanschaulich einseitiger Missbrauch der Medien oder der Hochschulen zu unterbinden. Es sind Bedingungen zu schaffen, unter denen wirklich das beste Argument und nicht das weltanschauliche Klima zur Durchsetzung einer Idee beiträgt. Beispiele sind hier die Konflikte zwischen Schöpfungslehre und Evolutionslehre oder dem traditionellen Konzept von Ehe und Familie und dem Gender-Mainstreaming.
  46. Gott hat die Hand im Spiel. Umfrage von progenesis.ch
  47. Umfrage der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (Memento vom 5. Juli 2007 im Internet Archive) (PDF)
  48. Jeder zweite Deutsche glaubt an Schöpfergott. In: Spiegel Online. 20. Dezember 2005.
  49. Evolution Revolution. In: Public Broadcasting Service (englisch).
  50. a b Martin Riexinger: Wider den Materialismus. In: Bundeszentrale für politische Bildung: Jugendkultur. Religion und Demokratie. Politische Bildung mit jungen Muslimen, Nr. 10, 9. Februar 2009. Abgerufen am 11. März 2020.
  51. South Korea outlaws evolution: Publishers remove examples from school textbooks after protests from creationists. In: Daily Mail. 6. Juni 2012, abgerufen am 4. Juli 2012 (englisch).
  52. Veronika Szentpetery-Kessler: Südkorea wehrt Kreationisten ab. In: heise online. 12. September 2012, abgerufen am 4. Februar 2013.