Zum Inhalt springen

„Geschichte Deutschlands“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Jesusfreund (Diskussion | Beiträge)
Straffung, Sprachstil, Überflüssiges raus
Link korr.
 
Zeile 1: Zeile 1:
{{Dieser Artikel|behandelt die Geschichte Deutschlands. Zu weiteren Bedeutungen hinsichtlich ''deutscher Geschichte'' siehe [[Deutsche Geschichte (Begriffsklärung)]].}}
Dieser Artikel befasst sich mit der '''Geschichte Deutschlands''' von den Anfängen bis heute.
[[Datei:Flag of Germany.svg|mini|Heutige [[Flagge Deutschlands]]]]
[[Datei:EU-Germany.svg|mini|Lage der Bundesrepublik Deutschland]]
Die '''Geschichte Deutschlands''' oder '''Deutsche Geschichte''' beginnt nach herkömmlicher Auffassung mit der Entstehung des [[Römisch-deutscher König|römisch-deutschen Königtums]] im 10./11. Jahrhundert, wenngleich sich damit noch lange kein „Staat der [[Deutsche]]n“ entwickelte. Die [[deutsche Sprache]] ist seit dem 8. Jahrhundert als eigenständige, in eine Vielzahl von [[Dialekt]]en unterteilte und sich [[Deutsche Sprachgeschichte|weiterentwickelnde]] Sprache fassbar. Die Bewohner des Reiches waren vor allem Nachfahren von [[Germanen]] und [[Kelten]], im Westen jedoch auch von römischen Siedlern und im Osten von [[Westslawen|westslawischen]] Stämmen, den sogenannten [[Wenden]] oder [[Elbslawen]].


Das römisch-deutsche Reich entwickelte sich im [[Frühmittelalter]] aus dem [[Ostfrankenreich]] und Teilen Lothringens, die wiederum infolge der Krise des [[Fränkisches Reich|fränkischen Reichs]] im 9. Jahrhundert entstanden waren. Das Herrschergeschlecht der [[Liudolfinger|Ottonen]] konnte im 10. Jahrhundert die westliche („römische“) [[Kaiser]]würde erlangen und legte die Grundlage für das seit dem späten 13. Jahrhundert so genannte [[Heiliges Römisches Reich|Heilige Römische Reich]]. Ottonen sowie die nachfolgenden [[Salier]] und [[Staufer]] stützten sich in unterschiedlicher Ausprägung auf die [[Ottonisch-salisches Reichskirchensystem|Reichskirche]]. Die [[Deutschland im Mittelalter|mittelalterlichen]] römisch-deutschen Kaiser sahen sich in der Tradition des antiken [[Römisches Reich|Römischen Reichs]] ([[Reichsidee]]), wobei es wiederholt zu Spannungen zwischen den Universalmächten Kaisertum und [[Papst]]tum kam. Bereits gegen Ende der staufischen Dynastie (12./13. Jahrhundert) verlor das Königtum an Macht. Die römisch-deutschen Könige waren aber ohnehin nie absolute Herrscher, vielmehr wurde der Aspekt [[Konsensuale Herrschaft|konsensualer Herrschaft]] des Königtums im Verbund mit den [[Große]]n betont. Im Gegensatz zu den westeuropäischen Monarchien England und Frankreich entwickelte sich im römisch-deutschen Reich nie eine zentralisierte Reichsherrschaft. Die Macht der vielen [[Landesherr]]en nahm im [[Spätmittelalter]] weiter zu, die [[Goldene Bulle]] [[Karl IV. (HRR)|Karls IV.]] legte eine [[kurfürst]]liche [[Wahlmonarchie]] fest. Diese Form einer dezentralisierten Herrschaft begründete letztlich die Tradition des [[Föderalismus in Deutschland|deutschen Föderalismus]]. Im Spätmittelalter kam es außerdem zum Aufstieg des [[Stadt|Städtewesens]].
== Die Entstehung Deutschlands ==


Der [[Frühe Neuzeit|frühneuzeitliche]] [[Staatsentstehung|Staatsbildungsprozess]] spielte sich insbesondere auf der Ebene der einzelnen Territorien ab. [[Reformation]], [[Gegenreformation]] und [[Dreißigjähriger Krieg]] im 16. und 17. Jahrhundert führten über Deutschland hinaus zu [[Demografie|demographischen]] Verschiebungen und zu veränderten religiösen und politischen Konstellationen. Neben der [[Habsburgermonarchie]], die seit dem 15. Jahrhundert fast durchgängig den Kaiser stellte, stiegen die [[Hohenzollern]] mit [[Preußen]] zur zweiten deutschen Großmacht auf.
''Hauptartikel:'' [[Entstehung Deutschlands]]


Im Laufe der [[Koalitionskriege]] gegen die [[Französische Revolution]] ging das Heilige Römische Reich Deutscher Nation 1806 unter. Nach der in die [[Befreiungskriege]] mündenden Vorherrschaft [[Napoleon Bonaparte]]s über den europäischen Kontinent ergab sich im Zuge [[Restauration (Geschichte)|restaurativer]] Bemühungen eine politische Neuordnung in Form des [[Deutscher Bund|Deutschen Bundes]] unter gemeinsamer [[Kaisertum Österreich|österreichischer]] und preußischer Führung. Die dagegen gerichteten [[freiheit]]lichen Bestrebungen in der [[Deutsche Revolution 1848/1849|Revolution von 1848/49]] wurden niedergeschlagen, der auf nationale Einheit Deutschlands gerichtete Impuls dann aber durch das preußische Militär in Kriegen sowohl gegen Österreich als auch gegen Frankreich in die [[Deutsche Reichsgründung|Gründung]] des [[Deutsches Kaiserreich|Deutschen Kaiserreichs]] überführt. Sozialgeschichtlich war das 19. und frühe 20. Jahrhundert geprägt von [[Industrielle Revolution in Deutschland|industrieller Revolution]] und [[Hochindustrialisierung in Deutschland|Hochindustrialisierung]], einem hohen Bevölkerungswachstum und einem Prozess der [[Urbanisierung]].
Seit wann man von Deutschland sprechen kann, ist kaum objektiv feststellbar. Weder ethnisch noch sprachlich noch territorial lässt sich die Bildung einer eigenständigen deutschen Nation eindeutig datieren.


Deutsche Weltmachtambitionen im Zeichen des [[Wilhelminismus]] trugen im Zeitalter des [[Imperialismus]] zur Entstehung des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] bei, der in einer als schmachvoll empfundenen deutschen Niederlage endete. Die [[Novemberrevolution]] 1918/1919 brachte mit der [[Weimarer Republik]] erstmals ein [[Demokratie|demokratisch]] verfasstes deutsches Gemeinwesen hervor, das allerdings keine dauerhafte politische Stabilität erlangte, sondern 1933 von der [[Zeit des Nationalsozialismus|nationalsozialistischen Diktatur]] abgelöst wurde. Die damit von Anbeginn einhergehende gewalttätige Unterdrückung aller Regimegegner im Inneren und planvoll betriebene Expansionspolitik nach außen – verbunden mit der Entfesselung des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] sowie mit der systematischen Verfolgung und [[Holocaust|Vernichtung der europäischen Juden]] – haben die NS-Zeit bis 1945 zum katastrophalen Tiefpunkt der deutschen Geschichte werden lassen.
Das heutige Deutschland wurde schon vor der [[Antike]] von verschiedenen Volksgruppen und Stämmen wie den [[Germanen]] oder [[Sachsen]] besiedelt. Diese mischten sich jahrhundertelang mit durchziehenden Völkern, zum Beispiel
*den [[Kelten]], die [[Europa]]s Kultur in weiten Landstrichen bis zur [[Spätantike]] prägten,
*den [[Römer]]n, deren Truppen den Süden und Westen Germaniens entlang der [[Donau]] und des [[Rhein]]s bis etwa ins [[4. Jahrhundert]] besetzten,
*den [[Hunnen]] aus dem asiatischen Raum,
*den [[Ostgoten]] und [[Westgoten]] während der [[Völkerwanderung]].
Erst das [[Frankenreich]] [[Karl der Große|Karls des Großen]] einte das Gebiet des kontinentalen [[Zentraleuropa]] zwischen [[Atlantik]], [[Ostsee]] und [[Alpen]]südrand. Nach Karls Tod wurde es [[843]] im [[Vertrag von Verdun]] unter seinen Enkeln dreigeteilt. Aus dem [[Westfränkisches Reich|westfränkischen Reich]] ging später [[Frankreich]] hervor, aus dem [[Ostfränkisches Reich|ostfränkischen]] in etwa das heutige Deutschland, während das [[Mittelreich]], das spätere [[Burgund]], später zwischen den Mächten des [[Mittelalter]]s zerrieben wurde.


Nach der [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|Kapitulation der Wehrmacht]] vollzogen die vier [[Hauptsiegermächte]] die Aufteilung [[Deutschland 1945 bis 1949|Deutschlands]] und [[Berlin]]s: Sie bildeten [[Sowjetische Besatzungszone|eine östliche]] und drei westliche [[Besatzungszone]]n und unterstellten die [[Ostgebiete des Deutschen Reiches]] polnischer und sowjetischer Verwaltung. Aus den [[Trizone|drei Westzonen]] entstand 1949 die [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)#Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949|Bundesrepublik Deutschland]], aus der sowjetischen Zone die [[Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik#Politischer Aufbau|Deutsche Demokratische Republik]] (DDR). 1961 zementierten der [[Berliner Mauer#Mauerbau|Bau der Berliner Mauer]] und die seitens der DDR militärisch gesicherte und streng bewachte [[innerdeutsche Grenze]] die [[Deutsche Teilung]].
Das ostfränkische Reich war noch nicht "deutsch", schuf aber zumindest den [[Geografie|geografischen]] Rahmen für das spätere Deutschland. Erst in der späten [[Ottonen]]- und frühen [[Salier]]zeit taucht die Bezeichnung ''regnum teutonicum'' (lateinisch für "deutsches Reich") auf. Eine einheitliche detusche Sprache kannte auch dieses noch nicht. So spricht die [[Geschichtswissenschaft|Histroie]] von einer Übergangsphase bei der Bildung "Deutschlands", die mit dem zerfallenen [[Karolinger]]reich einsetzt und sich bis in das[[Hochmittelalter]] andauert.


Nach der [[Wende und friedliche Revolution in der DDR|friedlichen Revolution]] in der DDR, die 1989 das Ende der [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands|SED]]-Diktatur herbeiführte und bei den ersten [[Volkskammerwahl 1990|freien Wahlen zur Volkskammer]] im März 1990 eine weit überwiegende Mehrheit der Einheitsbefürworter zur Folge hatte, war der Weg frei für Verhandlungen über die [[deutsche Wiedervereinigung]]. Die Zustimmung der vier vormaligen Siegermächte zum Vollzug der deutschen Einheit war wesentlich mitbestimmt von der Einbindung der alten Bundesrepublik in den 1951 begonnenen [[Europäische Integration|europäischen Integrationsprozess]] und den Zusagen des vereinten Deutschlands bezüglich einer Fortsetzung dieses Kurses auch nach der Erweiterung um die fünf [[Neue Länder|neuen Bundesländer]]. Mit der [[Europäische Wirtschafts- und Währungsunion|Einführung des Euro]] wie auch bei der [[EU-Erweiterung 2004|EU-Osterweiterung]] bestätigte die deutsche Seite diese Erwartungen.


Seit der Wiedervereinigung 1990 hat sich Deutschland zu einer der führenden Wirtschaftsnationen weltweit entwickelt. Anfangs stellte die Integration der DDR eine große Herausforderung dar, doch durch umfangreiche Investitionen und Reformen konnte die Wirtschaft stabilisiert werden. Insbesondere die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 führten zu einer deutlichen Reduzierung der Arbeitslosigkeit und erhöhten die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Heute ist Deutschland die größte Volkswirtschaft der EU und eine der bedeutendsten Exportnationen weltweit. Das Land verfügt über eine gut entwickelte Infrastruktur, ein starkes Bildungssystem und eine hoch qualifizierte Arbeitskraft, was es zu einem attraktiven Standort für Unternehmen und Investitionen macht. Deutschland gilt heutzutage als eine der stabilsten und wohlhabendsten Nationen der Welt.<ref>{{Internetquelle |autor=Institut der deutschen Wirtschaft (IW) |url=https://www.iwkoeln.de/30-jahre-wiedervereinigung.html |titel=30 Jahre Wiedervereinigung |sprache=de-DE |abruf=2024-07-14}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=BMWK-Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz |url=https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Ministerium/90-98.html |titel=Wirtschaft im wiedervereinigten Deutschland (1990–1998) |sprache=de |abruf=2024-07-14}}</ref>
== Mittelalter ==


== Vorgeschichtliche Zeit ==
=== Vom Ostfränkischen Reich zum Reich der Deutschen ===
[[Datei:VenusHohlefels2.jpg|mini|Die mindestens 35.000 Jahre alte [[Venus vom Hohlefels]] wurde aus dem Elfenbein eines [[Wollhaarmammut]]s angefertigt und fand sich am Südfuß der [[Schwäbische Alb|Schwäbischen Alb]]. Sie zählt zu den ältesten Darstellungen eines Menschen.]]


Funde der Primatenart [[Danuvius (Gattung)|Danuvius]] auf dem Gebiet des heutigen Deutschland sind über 11 Millionen Jahre alt und stellen wohl einen der ersten aufrecht gehenden Vorfahren des Menschen dar. Bearbeitete Artefakte mit einem Alter von über 1 Million Jahre wurden in [[Homo erectus von Mülheim-Kärlich|Mülheim-Kärlich]] gefunden. Der älteste fossile Nachweis von Vertretern der [[Gattung (Biologie)|Gattung]] ''[[Homo]]'' auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik ist der etwa 600.000 Jahre alte [[Unterkiefer von Mauer]], des [[Typus (Nomenklatur)|Typusexemplars]] von ''[[Homo heidelbergensis]]''. Etwas jüngere Funde stammen vom [[Fundplatz Bilzingsleben]] sowie von ''[[Homo steinheimensis]]''; bekannte Funde sind schließlich auch die [[Schöninger Speere]], die als älteste Jagdwaffen der Menschheit gelten. Aus ''Homo heidelbergensis'' ging vor 300.000 bzw. 130.000 Jahren der frühe, später aus diesem der klassische [[Neandertaler]] (''Homo neanderthalensis'') hervor, der – sofern die klimatischen Bedingungen es zuließen – nahezu 100.000&nbsp;Jahre lang auch auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands lebte. Da Mitteleuropa während der maximalen Ausdehnungsphasen der Gletscher in den [[Kaltzeit]]en zur Kältesteppe (Tundra) wurde und die polare Vereisung weit in den Süden vordrang, dürfte dieses Gebiet in der Zeit zwischen 270.000 und 250.000, dann von 160.000 bis 140.000 und erneut von 70.000 bis 60.000 vor heute unbewohnt gewesen sein.<ref>[[Jürgen Richter (Archäologe)|Jürgen Richter]]: ''Altsteinzeit. Der Weg der frühen Menschen von Afrika bis in die Mitte Europas'', Kohlhammer, Stuttgart 2018, S. 135.</ref> Dies dürfte auch für die maximale Vergletscherung während der [[Letzte Kaltzeit|letzten Kaltzeit]] gelten, also vor 22.000 bis 19.000 Jahren. Erst seit etwa 13.500 v. Chr., mit dem [[Magdalénien]], ist Mitteleuropa ohne Unterbrechung besiedelt.<ref>Jürgen Richter: ''Altsteinzeit. Der Weg der frühen Menschen von Afrika bis in die Mitte Europas'', Kohlhammer, Stuttgart, S. 203.</ref>
''Hauptartikel:'' [[Deutschland im Frühmittelalter]]


Allerdings war der Neandertaler zu diesem Zeitpunkt bereits verschwunden. Spuren des aus Afrika über den Balkan zugewanderten [[Mensch|modernen Menschen]] (''Homo sapiens'' der [[Cro-Magnon-Mensch|Cro-Magnon-Epoche]]) wurden in [[Ranis]] entdeckt, Nachweis der frühesten Besiedelung des modernen Menschen in Mittel- und Nordwesteuropa.<ref>[https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/ost-thueringen/saalfeld-rudolstadt/homo-sapiens-schon-viel-frueher-in-thueringen-100.html ''Forscher finden in Ostthüringen Belege für frühere Besiedlung durch Homo sapiens'']. MDR, 31. Januar 2024, abgerufen am 3. Februar 2024.</ref> Des Weiteren in den Höhlen der [[Schwäbische Alb|Schwäbischen Alb]], etwa die 35.000 bis 40.000&nbsp;Jahre alte [[Venus vom Hohlefels]], die weltweit älteste gesicherte Darstellung eines Menschen (neben der etwa gleich alten [[Venus vom Galgenberg]]). Die zweitältesten Überreste eines ''Homo sapiens'' fanden 1914 Steinbrucharbeiter im Rheinland: das etwa 14.000&nbsp;Jahre alte [[Doppelgrab von Oberkassel]]; noch älter ist die Bestattung in der bayerischen [[Klausenhöhle]], die etwa um 20.000 v. Chr. stattfand.
==== Zerfall des Karolingerreiches ====
[[Datei:Doppelgrab von Oberkassel skeletons.jpg|mini|Die zwischen 13.350 und 14.000&nbsp;Jahre alten sterblichen Überreste der 20- bis 25-jährigen Frau und des etwa 50&nbsp;Jahre alten Mannes aus dem [[Doppelgrab von Oberkassel]]]]
Als die Steppentiere ausstarben, änderte sich um 12.000 v. Chr. die Lebensweise dramatisch. Die [[Jäger und Sammler]], die von den Herden gelebt hatten, wurden durch neue Zuwanderer aus dem Südosten Europas ersetzt, die Bevölkerung ging dabei überaus stark zurück. Die [[Magdalénien]]zeitliche Bevölkerung verschwand, wie sich genetisch erweisen ließ. Ihr folgte die aus dem Süden zugewanderte des [[Azilien]], die sich auf die Jagd auf Tiere verstand, die die Wälder bewohnten. Dieser gehörte das besagte Doppelgrab an. Das einzige bekannte Lager ist [[Rietberg]] bei Gütersloh. In den folgenden 500 Jahren fehlt jeder Hinweis auf Siedlungsplätze. Um 11.500 v. Chr. hingegen sind weit über 700 Fundplätze in Mitteleuropa bekannt.<ref>Jürgen Richter: ''Altsteinzeit. Der Weg der frühen Menschen von Afrika bis in die Mitte Europas'', Kohlhammer, Stuttgart 2018, S. 204 f.</ref> Ein vorerst letztes Mal kehrte die Kältesteppe zurück, so dass in Norddeutschland erneut Rentierjäger, diesmal der [[Ahrensburger Kultur]], zwischen 10.760 und 9.650 v. Chr. existieren konnten.


Jäger und Sammler stellten in der nachfolgenden wärmeren Phase bereits um 5800/5600 v. Chr. [[Keramik]]gefäße her, bevor sie ab etwa 5500 v. Chr. durch früheste bäuerliche Kulturen abgelöst wurden.<ref>Rebecca Miller: ''Le Mésolithique récent du Trou Al'Wesse (comm. de Modave, Prov. de Liège) Découverte de tessons de type non rubanés ou «Bereitkeramiek».'' In: ''Notae Praehistoricae'' 29, 2009, 5–14, hier: S. 10.</ref> In dieser, als [[Jungsteinzeit]] bezeichneten Epoche, entwickelten sich Ackerbau, Viehhaltung und feste Siedlungsplätze sowie eine andere Art der Keramik, jedoch blieb Norddeutschland weitere tausend Jahre von Jägern, Sammlern und Fischern dominiert. Das Gebiet des heutigen Deutschland wurde nach- und nebeneinander von der [[Linearbandkeramische Kultur|linearbandkeramischen]], der [[Schnurkeramische Kultur|schnurkeramischen]] und der [[Glockenbecherkultur]] besiedelt, die Benennung erfolgte anhand des [[Archäologie|archäologischen]] Fundgutes.
Der Sohn [[Karl der Große|Karls des Großen]], [[Ludwig der Fromme]], konnte die Einheit des [[Frankenreich]]s zunächst noch wahren. Als Nachfolger bestimmte er seinen ältesten Sohn [[Lothar I. (Lothringen)|Lothar I]].


Die Verwendung von Metallen revolutionierte nicht nur die technischen Möglichkeiten, sondern veränderte auch die Gesellschaften erheblich. Aus der [[Bronzezeit]] sind einige Funde erhalten, wie etwa die in Sachsen-Anhalt gefundene [[Himmelsscheibe von Nebra]], eine Metallplatte mit Goldapplikationen, die als älteste Himmelsdarstellung gilt (ihr Alter wird auf 3700–4100 Jahre geschätzt).
[[843]] wurde das Frankenreich geteilt. Lothar bekam das Mittelreich und die Kaiserwürde, [[Karl der Kahle]] den Westteil und [[Ludwig der Deutsche]] den Ostteil. [[880]] wurde das Mittelreich dann unter Karl und Ludwig aufgeteilt.


== Grundzüge der Ethnogenese germanischer ''gentes'' ==
Der ostfränkische König [[Karl III. (Ostfrankenreich)|Karl der Dicke]] konnte das Fränkische Reich nochmals kurze Zeit vereinigen. Mit [[Ludwig IV. das Kind|Ludwig dem Kind]] starb [[911]] der letzte ostfränkische Karolinger.
In der Bronze- und [[Eisenzeit]] bildeten sich in diesen Regionen verschiedene [[Indogermanische Sprachen|indogermanisch]] sprechende [[Volksgruppe]]n und [[Stamm (Gesellschaftswissenschaften)|Stämme]] (''gentes''). Diese entstanden aus eingewanderten indoeuropäischen Stämmen bzw. deren Nachfahren, die sich mit den seit Ende der letzten Eiszeit ansässigen „[[Indigene Völker|Ureinwohnern]]“ und auch später fortwährend mit durchziehenden [[Volk|Völkern]] bzw. Siedlern vermischten. Diese dynamische Entwicklung wird als [[Ethnogenese]] bezeichnet und ist vor allem ein sozialer Prozess.<ref>Vgl. einführend Helmut Castritius: ''Stammesbildung, Ethnogenese.'' In: ''[[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]].'' Band 29, Berlin/New York 2005, S. 508–515.</ref> Die Nachfahren der in [[Nordeuropa]] und [[Norddeutschland]] auf dem Gebiet der Nordischen Bronzekultur siedelnden Gruppen wurden in der [[Antike]] von antiken griechischen Geschichtsschreibern als [[Kelten]] im Westen oder [[Skythen]] im Osten beschrieben. Erst unter (oft auch griechischsprachigen) römischen Autoren etablierte sich im 1. Jahrhundert v. Chr. der Begriff [[Germanen]].<ref>Zu Details siehe vor allem die diversen Artikel im ''[[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]]'', 2. Auflage.</ref> „Germanen“ darf aus methodischen Gründen allerdings nicht als Begriff für ein einheitliches Volk missverstanden werden, denn damit wurden von den antiken Autoren ganz verschiedene Gruppen bezeichnet, die kein übergeordnetes Gemeinschaftsgefühl verband (siehe unten).<ref>[[Walter Pohl]]: ''Die Germanen.'' 2. Aufl., München 2004, S. 3 ff.</ref> Die südlichen Teile Deutschlands wurden dagegen von Kulturgruppen besiedelt, die seit der Eisenzeit als Kelten bezeichnet werden können.


Während der Ausbreitung des [[Römisches Reich|Römischen Reiches]] bis in die [[Spätantike]] siedelten dazu Römer im Raum des heutigen Süd- und Westdeutschland, deren Truppen den Süden und Westen Germaniens entlang der [[Donau]] und des [[Rhein]]s bis etwa ins 5. Jahrhundert besetzten. Die Legionäre stammten aus sehr unterschiedlichen Regionen des Römischen Reiches, wie z.&nbsp;B. Hispanien, Illyrien, Syrien, Gallien, Afrika. In der zivilen Bevölkerung der römischen Provinzen ist eine starke keltische Komponente erkennbar, etwa auf Steindenkmälern und den dadurch erschließbaren Namen. Dies wird bestätigt durch eine Notiz in der (wichtigen, aber auch problematischen) ethnographischen Schrift ''[[Germania (Tacitus)|Germania]]'' des [[Tacitus]], der berichtet, dass sich im [[Agri decumates|Dekumatland]] Leute aus [[Gallien]] niederließen.<ref>Tacitus, ''Germania'' 29.</ref>
==== Die Zeit der Ottonen ====


Die historisch erfassten germanischen Stämme der frühen römischen Kaiserzeit des ersten Jahrhunderts gliedern sich in drei Kulturgruppen auf: die sogenannten [[Rhein-Weser-Germanen]], die [[Nordseegermanische Sprachen|Nordseegermanen]] und die [[Elbgermanen]]. Durch die makropolitischen Einflüsse des andauernden Konflikts mit dem Römischen Reich sowie innergermanische politische, soziale und wirtschaftliche Veränderungen kam es ab dem 2. Jahrhundert aus diesen Kulturgruppen heraus zum (nicht biologisch, sondern als historisch-sozialer Prozess verstandenen) „Entstehungsprozess“ von neuen und größeren Stammesverbänden. Diese Stammesverbände, vor allem die [[Alamannen]] oder auch ''Alemannen'', die [[Bajuwaren]], die [[Franken (Volk)|Franken]] und die [[Sachsen (Volk)|Sachsen]] spielten später bei der Bildung des mittelalterlichen römisch-deutschen Reichs eine Rolle. Diese konnten sie aber nur ausüben, da sie durch Kontakte mit dem Römerreich bereits zuvor beeinflusst wurden. In der Forschung wird der Kontakt zu den Römern denn auch als ein Faktor für die Bildung germanischer Großverbände im 3./4. Jahrhundert zugeschrieben.
Um ihre eigene Macht nicht zu gefährden, wählten die Stammesherzöge den vermeintlich schwachen Frankenherzog [[Konrad I. (Ostfrankenreich)|Konrad I.]] zu ihrem König. Ihm folgte der Sachsenherzog [[Heinrich I. (Ostfrankenreich)|Heinrich I.]] aus dem Geschlecht der [[Liudolfinger]] oder [[Ottonen]] nach. Heinrich I. verteidigte das Reich gegen Einfälle von Ungarn und Slawen. Neben dem fränkische Erbe trat nun immer mehr eine eigene [[Deutsche|deutsch]]e Identität hervor.


Seit der [[Reichskrise des 3. Jahrhunderts]] verstärkte sich der Druck, den die großen germanischen Stammesverbände der Alemannen und der Franken, die sich in der [[Germania magna]] neu gebildet hatten, auf die Grenzen des Römischen Reiches ausübten. In den Provinzen an Rhein und Donau setzte eine [[Germanisierung]] ein, die besonders das römische Heer betraf (ab dem 4. Jahrhundert bis in die Spitze, was aber nicht zu Illoyalität führte, siehe ''[[magister militum]]''). Teilweise wurde diese unterstützt durch Ansiedlung germanischer [[Foederaten]] auf dem Gebiet des ''Imperium Romanum''.
Zum Nachfolger bestimmte Heinrich I. seinen Sohn [[Otto I. (HRR)|Otto I.]]. Dieser stützte sich zur Sicherung seiner Macht auf die Kirche ([[Reichskirchensystem]]). [[955]] besiegte Otto die Ungarn in der [[Schlacht auf dem Lechfeld]].


Wichtig in der neueren Forschung ist in diesem Kontext der komplexe Vorgang der bereits erwähnten [[Ethnogenese]] der unterschiedlichen ''gentes'' („Stämme“). Die Entstehung von ethnischen Identitäten ([[Ethnizität]]) in der Spätantike bzw. dem beginnenden [[Frühmittelalter]]<ref>Siehe einführend Walter Pohl: ''Ethnizität des Frühmittelalters als interdisziplinäres Problem.'' In: ''Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung'' 4 (1999), S. 69–75.</ref> im Zusammenhang mit der sogenannten [[Völkerwanderung]] wird heute nicht mehr als biologische Kategorie verstanden.<ref>Zur komplexen Forschungslage der Völkerwanderung und der Auflösung Westroms (stark mitverschuldet durch innerrömische Bürgerkriege) siehe nun vor allem [[Mischa Meier]]: ''Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert.'' München 2019.</ref> Identitäten entstehen vielmehr in einem wechselhaften sozialen Prozess, bei dem mehrere Faktoren eine Rolle spielen.<ref>Vgl. auch Peter Stachel: ''Identität. Genese, Inflation und Probleme eines für die zeitgenössischen Sozial- und Kulturwissenschaften zentralen Begriffs.'' In: ''Archiv für Kulturgeschichte'' 87 (2005), S. 395–425.</ref> In der Völkerwanderungszeit konnten sich verschiedene Gruppen unter einem neuen Anführer (siehe [[Heerkönig]]) zusammenschließen, wobei es in der Regel ausreichte, dem Verband loyal zu dienen.<ref>Grundlegend dazu ist die Arbeit Reinhard Wenskus: ''Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frühmittelalterlichen gentes''. 2. Aufl., Köln/Wien 1977. Der Ansatz von Wenskus wurde dann von [[Herwig Wolfram]] und seinem Schüler Walter Pohl weiterentwickelt.</ref> Allerdings ist der einflussreiche Ansatz der „Wiener Schule“ um [[Herwig Wolfram]] und [[Walter Pohl]] mittlerweile teils in die Kritik geraten.<ref>Vgl. den Überblick bei Michael Kulikowski: ''Barbarische Identität. Aktuelle Forschungen und neue Interpretationsansätze.'' In: M. Konrad, C. Witschel (Hrsg.): ''Römische Legionslager in den Rhein- und Donauprovinzen – Nuclei spätantik-frümittelalterlichen Lebens?'' München 2012, S. 103–111.</ref> Wolfram und Pohl verwenden den Ethnogenese-Begriff in ihren neueren Arbeiten allerdings selbst nicht mehr, sondern betonen den Identitätsbegriff, der in der Forschung verstärkt eine Rolle spielt.<ref>Vgl. Roland Steinacher: ''Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften. Überblick über den historischen Forschungsstand.'' In: Irmtraud Heitmeier, Hubert Fehr (Hrsg.): ''Die Anfänge Bayerns. Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria.'' St. Ottilien 2012, S. 73–124.</ref>
[[950]] wurde [[Böhmen]] unterworfen, [[963]] musste [[Polen]] die Vorherrschaft des Deutschen Reiches anerkennen. Otto erweiterte sein Herrschaftsgebiet um Teile Italiens. Nach der Heirat mit [[Adelheid von Burgund]] nannte er sich König der Langobarden.


Während der Völkerwanderung blieben auch Angehörige weiterer Volksgruppen im Gebiet des heutigen Deutschland zurück. Nach der Abwanderung fast aller Germanen aus den Gebieten östlich der [[Elbe]] wurden diese von [[Slawen]] besiedelt, deren Land erst durch die [[Hochmittelalterliche Ostsiedlung|Ostkolonisation]] deutscher Zuwanderer vom 11. bis zum 14. Jahrhundert sowie später im Rahmen der Eingliederung ins [[Heiliges Römisches Reich|römisch-deutsche Reich]] wieder Bestandteil der deutschen Geschichte wurde.
[[962]] erreichte Otto die Kaiserkrönung. In Süditalien geriet er in Konflikt mit dem [[byzantinisch]]en Kaiser. Sein Sohn [[Otto II. (HRR)|Otto II.]] heiratete schließlich die Kaisernichte [[Theophanu (HRR)|Theophanu]], Süditalien verblieb jedoch bei Byzanz.


== Antike ==
Otto II. erlitt [[983]] gegen die [[Araber]] eine vernichtende Niederlage. Die Gebiete östlich der [[Elbe]] gingen größtenteils wieder verloren. Ottos Sohn [[Otto III. (HRR)|Otto III]] scheiterte mit dem Versuch, die Machtbasis nach [[Rom]] zu verlegen. Der letzte Ottonenkönig [[Heinrich II. (HRR)|Heinrich II.]] konnte sich gegen Polen und Ungarn nicht behaupten. Unter ihm wurde aber das Reichskirchensystem weiter ausgebaut.
[[Datei:GermanenAD50.png|mini|Germanische Stämme, darunter wurden zunächst alle rechtsrheinischen ethnischen Gruppen verstanden, um 100 n.&nbsp;Chr. (ohne Skandinavien)]]


Um 500 v.&nbsp;Chr. war der Raum des heutigen Süddeutschland [[Kelten|keltisch]] und derjenige des heutigen Norddeutschland [[Germanen|germanisch]] besiedelt. Erste Erwähnung finden einige germanische Stämme bei den [[Griechen]] und [[Römisches Reich|Römern]], beginnend wohl mit [[Poseidonios]] im 1. Jahrhundert v. Chr., in der folgenden Zeit unter anderem bei [[Gaius Iulius Caesar]] und [[Tacitus]]. Die Germanen selbst waren jedoch eine uneinheitliche Gruppe von verschiedenen Stämmen, die auch kein übergeordnetes Gemeinschaftsgefühl verband. Bereits der Begriff „Germanen“ (lateinisch ''Germani'') ist ein [[Ethnographie|ethnographischer]], wenig präziser Sammelbegriff antiker Autoren, die damit auch ein „[[Barbar]]enbild“ verbanden.<ref>Walter Pohl: ''Die Germanen.'' 2. Aufl., München 2004, S. 3ff.</ref> „Germanen“ darf aus methodischen Gründen daher nicht als Begriff für ein einheitliches Volk missverstanden werden.<ref>Walter Pohl: ''Die Germanen.'' 2. Aufl., München 2004, S. 3&nbsp;f., 10.</ref>
=== Hochmittelalter ===


Die Germanen wanderten im Laufe der Jahrhunderte südwärts, sodass um Christi Geburt die Donau die ungefähre Siedlungsgrenze zwischen Kelten und Germanen war. Hierdurch gelangten [[Keltische Sprachen#Ortsnamen|keltische Orts- und Gewässernamen]] sowie keltische [[Lehnwort|Lehnwörter]] in den germanischen Wortschatz. Nach der Eroberung Galliens durch Caesar im [[Gallischer Krieg|Gallischen Krieg]] wurden in der Regierungszeit des ersten römischen Kaisers [[Augustus]] Feldzüge im rechtsrheinischen Raum durchgeführt, wenngleich die Römer nach der [[Varusschlacht]] im Jahr 9 n. Chr.<ref>Reinhard Wolters: ''Die Schlacht im Teutoburger Wald. Arminius, Varus und das römische Germanien.'' 1., durchgesehene, aktualisierte und erweiterte Auflage, C.H. Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-69995-5.</ref> ihre Truppen schließlich wieder an den Rhein zurückverlegten und es seit [[Tiberius]] bei einzelnen Militäroperationen beließen. Von etwa 50 v.&nbsp;Chr. bis ins frühe 5. Jahrhundert n.&nbsp;Chr. gehörten die Gebiete westlich des [[Rhein]]s und südlich der [[Donau]] zum [[Römisches Reich|Römischen Reich]], von etwa 80 bis 260 n.&nbsp;Chr. auch ein Teil [[Hessen]]s ([[Wetterau]]) sowie der größte Teil des heutigen Baden-Württemberg südlich des [[Obergermanisch-Raetischer Limes|Limes]]. Die römischen Gebiete im heutigen Deutschland verteilten sich auf die Provinzen ''[[Germania superior]]'', ''[[Germania inferior]]'' und ''[[Raetia]]''. Auf die Römer gehen Städte wie [[Trier]], [[Köln]], [[Bonn]], [[Worms]] und [[Augsburg]] zurück, die zu den [[Älteste Städte Deutschlands|ältesten Städten Deutschlands]] zählen. Die Römer führten Neuerungen in Hausbau und Handwerk ein. Zur Sicherung der Grenzen siedelten die Römer befreundete germanische Stämme in den Provinzen an. Auch Siedler aus allen Teilen des Römischen Reiches, insbesondere aus Italien, wanderten ein und wurden westlich des Rheins und südlich der Donau sesshaft.
''Hauptartikel:'' [[Deutschland im Hochmittelalter]]


Der außerhalb der römischen Provinzen liegende Teil des Siedlungsgebietes der Germanen wurde dabei von den Römern in der [[Römische Kaiserzeit|römischen Kaiserzeit]] als ''Germania Magna'' bezeichnet (siehe auch [[Barbaricum]]). Die Bemühungen der Römer zur Errichtung von Provinzen bis zur Elbe endeten schließlich. [[Tacitus]]’ im Jahr 98 entstandene Schrift ''[[Germania (Tacitus)|Germania]]'' ist die älteste erhaltene Beschreibung der germanischen Stämme. Sie hatte in Deutschland eine bedenkliche Rezeptionsgeschichte, als deutschnationale und nationalsozialistische Gelehrte im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ahistorisch Germanen und die späteren Deutschen gleichsetzten.<ref>Christopher B. Krebs: ''Ein gefährliches Buch – Die „Germania“ des Tacitus und die Erfindung der Deutschen.'' München 2012.</ref>
==== Die salischen Kaiser ====


Nachdem bereits [[Mark Aurel]] im 2. Jahrhundert im Verlauf der [[Markomannenkriege]] schwere Abwehrkämpfe gegen Germanen zu bestehen hatte, nahm zur Zeit der [[Reichskrise des 3. Jahrhunderts]] der germanische Druck auf die römische Nordgrenze beträchtlich zu, während gleichzeitig im Osten das neupersische [[Sassanidenreich]] die römische Ostgrenze bedrohte. Die neuformierten tribalen Großverbände der [[Alamannen]] und [[Goten]] unternahmen immer wieder Einfälle in das Imperium, das um die Mitte des 3. Jahrhunderts den Höhepunkt der Krise durchlief.<ref>Grundlegend zur Reichskrise (mit weiterführender Literatur) ist nun [[Klaus-Peter Johne]] (Hrsg.): ''Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n.&nbsp;Chr. (235–284).'' 2 Bde., Berlin 2008.</ref> Zwar errangen römische Truppen wohl 235 in einem Feldzug des [[Maximinus Thrax]] im Harzgebiet noch einen Sieg,<ref>Es handelt sich um das [[Harzhornereignis]], vgl. [[Gustav Adolf Lehmann]]: ''Imperium und Barbaricum. Neue Befunde und Erkenntnisse zu den römisch-germanischen Auseinandersetzungen im nordwestdeutschen Raum – von der augusteischen Okkupationsphase bis zum Germanien-Zug des Maximinus Thrax (235 n. Chr.)'', Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2011, S. 96–112.</ref> doch 259/60 mussten die rechtsrheinischen Gebiete aufgegeben werden ([[Limesfall]]). Ende des 3. Jahrhunderts hatte sich die Lage für das Imperium wieder stabilisiert, vor allem aufgrund der Reformen [[Diokletian]]s und [[Konstantin der Große|Konstantins]], die außerdem erfolgreich die Grenzen sicherten. Dennoch kam es im Verlauf der [[Spätantike]] immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Römern und Germanen.<ref>Vgl. allgemein zur spätantiken Geschichte die entsprechenden Literaturhinweise im Artikel [[Spätantike]].</ref>
[[1025]] wählten die deutschen Fürsten den [[Salier]] [[Konrad II. (HRR)|Konrad II.]] zum König. [[1032]] erwarb dieser das Königreich [[Burgund]]. Auf der [[Synode von Sutri]] setzte er [[1046]] die rivalisierenden Päpste ab und erließ kurz darauf auch ein Verbot der [[Simonie]].


[[Datei:Frankish Empire 481 to 814-de.svg|mini|Die Ausdehnung des Frankenreichs 481 bis 814]]
Unter [[Heinrich IV. (HRR)|Heinrich IV.]] eskalierte der sogenannte [[Investiturstreit]]. Heinrich erklärte Papst [[Gregor VII.]] für abgesetzt. Nun bannte der Papst den König. Um den Kirchenbann zu lösen, unternahm Heinrich IV. den [[Gang nach Canossa]]. [[1084]] ließ er sich in Rom zum Kaiser krönen und setzte Papst Gregor ab.
Nach dem um 375 erfolgten Einfall der [[Hunnen]] nach Ostmitteleuropa änderte sich die Lage grundlegend. Die sogenannte [[Völkerwanderung]] (ein problematischer Forschungsbegriff, da in diesem Zusammenhang zumeist recht heterogene Verbände migrierten),<ref>Grundlegend ist nun Mischa Meier: ''Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert.'' München 2019. Einführend siehe etwa Guy Halsall: ''Barbarian Migrations and the Roman West, 376–568''. Cambridge 2007; [[Walter Pohl]]: ''Die Völkerwanderung''. 2. Auflage, Stuttgart [u.&nbsp;a.] 2005.</ref> die im 5. Jahrhundert ihren Höhe- und im späten 6. Jahrhundert ihren Schlusspunkt fand, brachte mehrere Stämme (lat. ''gentes'') bzw. heterogene Kriegergruppen mit ihrem familiären Anhang im Osten, insbesondere die Germanen, in Bewegung und spätestens nach dem [[Rheinübergang von 406]] das [[Weströmisches Reich|weströmische Reich]] in erhebliche Bedrängnis. Germanen, denen es vor allem um Teilhabe am Reichtum des Imperiums ging, stießen auf weströmisches Territorium vor und ergriffen schließlich von weiten Teilen des Westreiches (meistens mit Gewalt, teilweise aber auch durch Verträge) Besitz. Das Westreich war im Jahr 476, als der letzte Kaiser im Westen, [[Romulus Augustulus]], abgesetzt wurde, faktisch auf Italien zusammengeschmolzen. Allerdings sind mehrere Aspekte der Völkerwanderung in der modernen Forschung umstritten. Die auf römisches Gebiet eingewanderten germanischen Stämme (die ethnisch oft recht heterogen zusammengesetzt waren) zogen bis nach Nordafrika und errichteten eigene Reiche. Das [[Vandalen]]reich in Nordafrika, das [[Burgunden]]reich in Südostgallien und das [[Ostgoten]]reich in Italien gingen bereits im 6. Jahrhundert unter, während das [[Westgotenreich]] in Hispanien und das Reich der [[Langobarden]] in Italien (wo diese 568 eingefallen waren) bis ins 8. Jahrhundert bestehen blieben. Am dauerhaftesten und bedeutendsten sollte sich das um 500 errichtete [[Fränkisches Reich|Frankenreich]] der [[Merowinger]] erweisen. Daneben existierten teilweise bis ins 6. Jahrhundert zahlreiche kleinere Herrschaftsgebilde, wie die der [[Heruler]], [[Rugier]] und [[Gepiden]], während die um die Mitte des 5. Jahrhunderts in Britannien eingedrungenen [[Angelsachsen]] mehrere Kleinreiche gründeten, bevor sich dort im 7. Jahrhundert eine dauerhaftere Herrschaftsordnung etablierte ([[Heptarchie]]).


== Mittelalter ==
Sein Sohn [[Heinrich V. (HRR)|Heinrich V.]] verbündete sich schließlich mit den Fürsten gegen ihn und setzte ihn ab. Unter Heinrich V. kam es [[1122]] im [[Wormser Konkordat]] zum Ausgleich mit der Kirche.
{{Hauptartikel|Deutschland im Mittelalter}}


=== Voraussetzungen ===
Nach Heinrichs Tod wählten die Fürsten [[Lothar III. (HRR)|Lothar III. von Supplinburg]] zum König. Durch die Unterstützung der mächtigen [[Welfen]] für Lothar gegen den [[Staufer]] Friedrich wurde ein das ganze [[12. Jahrhundert]] andauernder Streit zwischen Welfen und Staufern begründet.
In der historischen Forschung ist bis heute umstritten, ab wann von Deutschland und ab wann vom deutschen Volk gesprochen werden kann. Die ältere, stark national geprägte Forschung postulierte die Gleichsetzung von Germanen mit den Deutschen im mittelalterlichen Reich. Dieser Ansatz ist problematisch und die neuere Forschung lehnt ihn ab,<ref>Siehe die Beiträge in Heinrich Beck (Hrsg.): ''Zur Geschichte der Gleichung „germanisch-deutsch“.'' Berlin 2004; vgl. auch Manuel Koch: ''Ethnische Identität im Entstehungsprozess des spanischen Westgotenreiches.'' Berlin/Boston 2011, S. 4 ff.</ref> denn dabei wird unter anderem eine bewusste Eigenidentität vorausgesetzt. Die moderne Forschung versteht Ethnogenese hingegen nicht als biologischen, sondern als sozialen Prozess, in dessen Verlauf sich eine Identität im Rahmen eines komplexen Entwicklungsprozesses erst langsam herausbildet.<ref>Vgl. etwa Walter Pohl: ''Identität und Widerspruch. Gedanken zu einer Sinngeschichte des Frühmittelalters.'' In: Walter Pohl (Hrsg.): ''Die Suche nach den Ursprüngen. Von der Bedeutung des frühen Mittelalters.'' Wien 2004, S. 23&nbsp;ff.</ref> Hinzu kommt, dass eine Sprachgemeinschaft nicht einfach mit einer ethnischen Gemeinschaft gleichgesetzt werden kann.<ref>Vgl. Joachim Ehlers: ''Die Entstehung des Deutschen Reiches.'' 4. Aufl., München 2012, S. 43.</ref> Die Auswertung der zeitgenössischen Quellen ergibt denn auch nicht das Bild von „deutschen Stämmen“, die sich im 9. Jahrhundert bewusst in einem eigenen Reich (dem [[Ostfrankenreich]]) zusammengeschlossen haben. Als Orientierungspunkt diente vielmehr bis weit ins 11. Jahrhundert hinein das Frankenreich.<ref>Grundlegend ist [[Carlrichard Brühl]]: ''Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker.'' 2. Aufl., Köln/Wien 1995; vgl. auch Joachim Ehlers: ''Die Entstehung des Deutschen Reiches.'' 4. Aufl., München 2012.</ref>


Erst im 11. Jahrhundert taucht der Begriff ''rex Teutonicorum'' („König der Deutschen“) für den ostfränkischen/römisch-deutschen Herrscher auf, allerdings als Fremdbezeichnung durch anti-kaiserliche Kreise, denn die römisch-deutschen Herrscher haben sich selbst nie so bezeichnet. Für die mittelalterlichen römisch-deutschen Herrscher waren die deutschsprachigen Gebiete ein wichtiger Teil des Reiches, das aber daneben auch [[Reichsitalien]] und das [[Königreich Burgund]] umfasste. Aufgrund der [[Reichsidee]], die die Anknüpfung an das antike Römerreich und eine heilsgeschichte Komponente beinhaltete, war der damit einhergehende Herrschaftsanspruch nicht national, sondern (zumindest theoretisch) universal ausgerichtet.<ref>Johannes Fried: ''Imperium Romanum. Das römische Reich und der mittelalterliche Reichsgedanke.'' In: ''Millennium. Jahrbuch für Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr.'' Band 3, 2006, S. 1–42.</ref>
==== Die Staufer ====


In der folgenden Zeit diente als loser politischer Rahmen das Reich, als verbindende kulturelle Komponente die deutsche Sprache. Eine „deutsche Identität“ – die Idee, zu einer spezifischen, abgegrenzten Gemeinschaft zu gehören – entwickelte sich im allgemeinen Bewusstsein erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts. Während in England und Frankreich mit ihren zentral organisierten Königsherrschaften die Tendenz zu „nationalen Königreichen“ neigte (wobei [[Benedict Anderson]] den Begriff [[Nation]] als „[[Idee|vorgestellte]], begrenzte und souveräne Gemeinschaft“ erläutert), dominierte im von partikularen Grundstrukturen geprägten römisch-deutschen Reich die universale Reichsidee, wenngleich Begriffe wie ''deutsche Lande'' in späteren Quellen durchaus belegt sind. Erst im Spätmittelalter begannen deutsche Gelehrte wie z.&nbsp;B. [[Alexander von Roes]] und [[Lupold von Bebenburg]] sich Gedanken über die Rolle „der Deutschen“ im Gefüge Europas und einer politischen Identität (biologische Kategorien spielten hier keine Rolle) zu machen, was aus einer Position politischer Schwäche des Reiches geschah, wobei die Überlegungen weiterhin stark mit der Reichsidee verknüpft blieben. Nun erst setzte der Prozess einer langsamen politischen Identitätsbildung im eigentlichen Sinne ein.<ref>Grundlegend dazu Len Scales: ''The Shaping of German Identity.'' Cambridge 2012.</ref>
Nach dem Tod Lothars [[1138]] wurde der Staufer Konrad III. König. Dieser erkannte dem Welfen [[Heinrich der Stolze|Heinrich dem Stolzen]] seine Herzogtümer ab. Konrads Nachfolger [[Friedrich I. (HRR)|Friedrich I.]] versuchte den Ausgleich, indem er den Welfen [[Heinrich der Löwe|Heinrich den Löwen]] [[1156]] mit den Herzogtümern Sachsen und Bayern belehnte.


=== Frühmittelalter ===
Im [[Vertrag von Konstanz]] [[1153]] erreichte Friedrich die Kaiserkrönung. Er besiegte die nach mehr Selbständigkeit strebenden [[Lombardei|lombardischen]] Städte. Als [[Alexander III. (Papst)|Alexander III.]] wurde, begann der Kampf zwischen Kaiser und Papst erneut. Nach der Niederlage bei [[Legnano]] musste Friedrich Alexander als Papst anerkennen.
In die ehemaligen Siedlungsgebiete germanischer Stämme, die von diesen im Verlauf der [[Völkerwanderung]] verlassen worden waren, wanderten im 7. Jahrhundert bis zur Elbe-Saale-Linie [[Slawen|slawische Gruppen]] ein. Fast im gesamten Raum östlich der Elbe wurde daher vom [[Frühmittelalter]] bis ins hohe [[Mittelalter]] [[Slawen|slawisch]] gesprochen ''([[Germania Slavica]])'', in der [[Lausitz]] leben bis heute die slawischen [[Sorben]].


==== Merowinger (um 500–751) ====
[[1180]] entzog Friedrich [[Heinrich der Löwe|Heinrich dem Löwen]], der seine Italienpolitik nicht mehr unterstützte dessen Herzogtümer. Ab [[1187]] übernahm Friedrich I. die Führung der [[Kreuzfahrer]]. [[1190]] starb er in [[Syrien]].
Ein beträchtlicher Teil [[Westeuropa|West-]] (im Wesentlichen das ehemals römische Gallien) und Teile des westlichen [[Mitteleuropa]]s wurden ab dem frühen 6. Jahrhundert vom [[Fränkisches Reich|Frankenreich]] eingenommen, das heutige nordwestliche Deutschland wurde von den [[Sachsen (Volk)|Sachsen]] beherrscht. Das Frankenreich war von den [[Merowinger]]n gegründet worden und sollte sich als das bedeutendste germanisch-romanische Nachfolgereich des untergegangenen Weströmischen Reichs erweisen. [[Childerich I.]] hatte dafür die Grundlage gelegt, an die sein Sohn [[Chlodwig I.]] anknüpfte. Versuche der Merowinger, ihren Herrschaftsbereich östlich des Rheins weiter auszudehnen, hatten einigen Erfolg: Alamannen und [[Thüringer]] gerieten bereits im 6. Jahrhundert unter fränkische Vorherrschaft. Interne Machtkämpfe und die zunehmende Macht der [[Hausmeier]] verhinderten jedoch, dass sich im Merowingerreich ein starkes zentrales Königtum entwickelte. [[Dagobert I.]] konnte das Königtum noch einmal stärken, bevor die Merowinger im späten 7. Jahrhundert (so zumindest die traditionelle Lehrmeinung, allerdings beruhend auf späteren und parteiischen Quellen) faktisch von den [[Karolinger]]n entmachtet wurden, die seit 751 auch die fränkische Königswürde bekleideten.


==== Karolinger (751–911) ====
Friedrichs Sohn [[Heinrich VI. (HRR)|Heinrich VI.]] wurde dank der Heirat mit der [[Normannen|normannischen]] Prinzessin Konstanze [[1194]] König von Sizilien. Als Heinrich VI. [[1197]] starb, kam es zu einer Doppelwahl des Staufers [[Philipp von Schwaben]] und des Welfen [[Otto IV. (HRR)|Otto IV.]].
[[Datei:Vertrag von Verdun.svg|mini|Die Gebietsaufteilung im [[Vertrag von Verdun]] (843)]]


[[Pippin der Jüngere]] bestieg 751 als erster Karolinger den fränkischen Königsthron. Der bedeutendste Karolinger war Pippins Sohn [[Karl der Große]], der von 768 (allein seit 771) bis 814 regierte und seit 800 sogar die römische Kaiserwürde im Westen erneuern konnte. Karl führte Feldzüge gegen die Sachsen (die erst nach sehr harten und wechselhaft verlaufenden Kämpfen in den [[Sachsenkriege Karls des Großen|Sachsenkriegen]] besiegt werden konnten), gegen die Langobarden in Italien, die [[Awaren]] an der Südostgrenze und gegen die [[Mauren]] in Nordspanien, womit er die Grenzen des Frankenreiches erheblich ausdehnte. Kulturell erlebte das Reich ebenfalls einen lebhaften Aufschwung, der als [[Karolingische Renaissance|karolingische Bildungsreform]] (oft auch eher unpräzise als ''karolingische Renaissance'') bezeichnet wird. Das Karlsreich, für das vor allem die Merowinger die Grundlage gelegt hatten, einte das Gebiet des kontinentalen Europa zwischen Atlantik, Pyrenäen, Ostsee und Alpensüdrand. Nach Karls Tod 814 wurde es 843 im [[Vertrag von Verdun]] unter seinen Enkeln dreigeteilt. Das [[Westfrankenreich]] sollte die Grundlage vor allem für die Entwicklung des Königreichs [[Frankreich]] bilden. Das [[Ostfrankenreich]] ist eng mit der Geschichte des (erst im Spätmittelalter so genannten) Heiligen Römischen Reiches verknüpft und stellt faktisch die Keimzelle des späteren Deutschlands dar, ohne aber dass sich in dieser Zeit bereits eine deutsche Identität entwickelt hatte.
Nach der Ermordung Philipps [[1208]] wurde Otto IV. König. Der Papst unterstützte aber den [[Staufer]] [[Friedrich II. (HRR)|Friedrich II.]] [[1214]] brachte die [[Schlacht bei Bouvines]] die Entscheidung für Friedrich.


Mit der Teilung des Frankenreichs 843 begann sein Zerfall. Der Sohn Karls des Großen, [[Ludwig der Fromme]], konnte dessen Einheit noch wahren. Als Nachfolger bestimmte er seinen ältesten Sohn [[Lothar I. (Frankenreich)|Lothar I.]] Dieser bekam das Mittelreich und die Kaiserwürde, [[Karl der Kahle]] den Westteil und [[Ludwig der Deutsche]] den Ostteil. Nach dem Tod der Söhne Lothars I. wurde das einstige Mittelreich aufgeteilt unter Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen. Nach Ludwigs Tod 876 wurde dann das Ostfränkische Reich unter seinen drei Söhnen Karlmann, [[Ludwig III. (Ostfrankenreich)|Ludwig dem Jüngeren]] und [[Karl III. (Ostfrankenreich)|Karl dem Dicken]] ebenfalls aufgeteilt. 880 wurde die Grenze zum Westfränkischen Reich festgelegt, die das gesamte Mittelalter beinahe unverändert das Deutsche Reich von Frankreich scheiden sollte. Der ostfränkische König Karl der Dicke konnte nach dem Tod seiner Brüder und des westfränkischen Königs das Fränkische Reich nochmals kurze Zeit vereinigen, wurde aber nach kraftloser Herrschaft im Osten von seinem Neffen [[Arnolf von Kärnten]], einem Sohn Karlmanns, 887 verdrängt. Mit Arnolfs Sohn [[Ludwig das Kind|Ludwig dem Kind]] starb 911 der letzte ostfränkische [[Karolinger]]. Um ihre eigene Macht nicht zu gefährden, wählten die Herzöge den vermeintlich schwachen Frankenherzog [[Konrad I. (Ostfrankenreich)|Konrad&nbsp;I.]] zu ihrem König (911–918).
Dieser regierte sein Reich von seiner Heimat Sizilien aus. Die Regierung in Deutschland überließ er seinem Sohn [[Heinrich (VII.)|Heinrich]]. [[1235]] setzte statt Heinrich dessen Bruder [[Konrad IV.]] ein.


==== Ottonen (919–1024) ====
[[1220]] wurde Friedrich zum Kaiser gekrönt. Es kam zum Machtkampf mit Papst [[Gregor IX.]], der den Kaiser [[1227]] bannte. Dennoch erreichte Friedrich im Heiligen Land die Übergabe [[Jerusalem]]s. Der Konflikt setzte sich auch fort, als [[Innozenz IV.]] Gregors Nachfolge antrat. Innozenz erklärte den Kaiser gar [[1245]] für abgesetzt.
[[Datei:Holy Roman Empire 1000 map-de.svg|mini|Das Reich um 1000]]


Auf Konrad&nbsp;I. (911–918), der die karolingische Tradition nicht bewahren konnte, folgte der Sachsenherzog [[Heinrich I. (Ostfrankenreich)|Heinrich&nbsp;I.]] aus dem Geschlecht der [[Liudolfinger]] („Ottonen“). Das Reich blieb bis zum Ende des Mittelalters geprägt vom Wahlkönigtum und dem Einfluss der [[Große]]n. In der neueren Forschung wird zwar die Bedeutung der Ottonenzeit für die Ausformung Ostfrankens betont, sie gilt aber nicht mehr als Beginn der eigentlichen „deutschen“ Geschichte.<ref>Zur Einordnung der ottonischen Geschichte allgemein Hagen Keller, Gerd Althoff: ''Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen''. Stuttgart 2008, S. 18&nbsp;ff.</ref> Der damit verbundene komplexe Prozess zog sich vielmehr mindestens bis ins 11. Jahrhundert hin.<ref>Zu den unterschiedlichen Forschungsansätzen siehe Joachim Ehlers: ''Die Entstehung des Deutschen Reiches''. 4. Aufl., München 2012; vgl. allgemein auch Johannes Fried: ''Der Weg in die Geschichte''. Berlin 1994, speziell S. 9&nbsp;ff. und S. 853&nbsp;ff. Grundlegend ist Carlrichard Brühl: ''Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker''. 2. Aufl., Köln/Wien 1995.</ref>
Friedrich II. starb im Dezember [[1250]]. Nach seinem Tod tobte der Kampf des Papstes gegen die Staufer weiter. [[1268]] wurde der letzte Staufer, der sechzehnjährige [[Konradin]], in [[Neapel]] öffentlich hingerichtet.


Heinrich&nbsp;I. verteidigte das Reich gegen Einfälle von Ungarn und Slawen. Neben dem fränkischen Erbe trat nun immer mehr eine eigene gemeinsame Identität hervor. Zum Nachfolger bestimmte Heinrich&nbsp;I. seinen Sohn [[Otto I. (HRR)|Otto I]]. Dieser versuchte zuerst, die neu entstandenen Stammesherzogtümer seiner Macht zu unterstellen. Zur Sicherung seiner Macht stützte er sich immer mehr auf die Kirche ([[Ottonisch-salisches Reichskirchensystem]]). 955 besiegte Otto die Ungarn in der [[Schlacht auf dem Lechfeld]]. 950 wurde [[Böhmen]] und ab 963 [[Polen]] zeitweise lehnsabhängig vom römisch-deutschen Herrscher. Otto erweiterte sein Herrschaftsgebiet um Teile Italiens. Nach der Heirat mit [[Adelheid von Burgund]] nannte er sich eine kurze Zeit König der [[Langobarden]]. 962 erreichte Otto endgültig seine Anerkennung als König von Italien und danach die Kaiserkrönung durch den Papst. In Süditalien geriet er in Konflikt mit dem [[Byzantinisches Reich|byzantinischen Kaiser]]. Sein Sohn [[Otto II. (HRR)|Otto&nbsp;II.]] heiratete schließlich die Kaisernichte [[Theophanu (HRR)|Theophanu]], Süditalien verblieb jedoch bei Byzanz. Otto&nbsp;II. erlitt 982 gegen die [[Sarazenen]] eine [[Schlacht am Kap Colonna|vernichtende Niederlage]]. Die Gebiete östlich der Elbe ([[Mark der Billunger|Billunger Mark]] und die [[Nordmark]]) gingen im großen [[Slawenaufstand von 983]] größtenteils für etwa 200&nbsp;Jahre wieder verloren. Sein Sohn [[Otto III. (HRR)|Otto&nbsp;III.]] starb, bevor er seinen Plan verwirklichen konnte, die Machtbasis nach [[Rom]] zu verlegen. Auf dem Kongress von [[Gniezno|Gnesen]] im Jahre 1000 erkannte er den polnischen Herrscher [[Bolesław I. (Polen)|Bolesław I. Chrobry]] als Mitregenten im Reich an. Der letzte Ottonenkönig [[Heinrich II. (HRR)|Heinrich&nbsp;II.]] hatte sich in mehreren Kriegen gegen [[Königreich Polen|Polen]] (König Boleslaw I. Chrobry) und [[Königreich Ungarn|Ungarn]] (König [[Stephan I. (Ungarn)|Stephan I.]]) zu behaupten. Unter ihm wurde das Reichskirchensystem weiter ausgebaut.
=== Spätmittelalter ===


=== Hochmittelalter ===
''Hauptartikel:'' [[Deutschland im Spätmittelalter]]
==== Salier (1024–1125) ====
1024 wählten die deutschen Fürsten den [[Salier]] [[Konrad II. (HRR)|Konrad&nbsp;II.]] zum König. Er erwarb 1032 das [[Königreich Burgund]] und stabilisierte die Königsmacht. Sein Nachfolger [[Heinrich III. (HRR)|Heinrich&nbsp;III.]] setzte auf der [[Synode von Sutri]] drei rivalisierende [[Papst|Päpste]] ab, ernannte den Reformer [[Clemens II.]] zum Papst und ließ sich von ihm 1046 zum Kaiser krönen. Kurz darauf erließ er ein Verbot der [[Simonie]]. Gegen Heinrichs selbstbewusste Herrschaftsausübung entstand aber auch eine Opposition im Reich, was der Beginn einer Krise der salischen Monarchie war. Während der Regierungszeit [[Heinrich IV. (HRR)|Heinrichs&nbsp;IV.]] eskalierte der sogenannte [[Investiturstreit]], in dem die [[Kirchenreformen des 11. Jahrhunderts|Kirchenreformer]] dem Kaiser Simonie vorwarfen. Heinrich erklärte Papst [[Gregor VII.]] für abgesetzt, gleichzeitig formierte sich im deutschen Reichsteil eine Opposition. Nun [[Anathema|bannte]] der Papst den König. Um den Kirchenbann zu lösen, unternahm Heinrich&nbsp;IV. den [[Gang nach Canossa]]. 1084 setzte er Papst Gregor wiederum ab und ließ sich in Rom von [[Gegenpapst]] [[Clemens III. (Gegenpapst)|Clemens&nbsp;III.]] zum Kaiser krönen. Sein Sohn [[Heinrich V. (HRR)|Heinrich&nbsp;V.]] verbündete sich schließlich mit den Fürsten gegen ihn und setzte ihn ab. Ein längerer Krieg wurde durch den Tod des Vaters 1106 verhindert. Unter Heinrich&nbsp;V. kam es 1122 im [[Wormser Konkordat]] zum Ausgleich mit der Kirche. Die Machtstellung der salischen Monarchie hatte aber nicht unerheblich gelitten.


Im 11. Jahrhundert etablierte sich ''[[Regnum Teutonicum]]'' („Deutsches Königreich“) als Gegenbegriff zu ''Regnum Italicum'' ([[Reichsitalien]]).<ref>Gerd Althoff/Hagen Keller: ''Spätantike bis zum Ende des Mittelalters. Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Krisen und Konsolidierungen 888–1024.'' (''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte'', 10., völlig neu bearbeitete Auflage), Stuttgart 2008, S. 26 und 434.</ref> Der Begriff wurde jedoch weniger von den römisch-deutschen Königen, die vielmehr stets den universalen Charakter des Reichs betonten, sondern vor allem von dessen politischen Gegenspielern (wie dem Papsttum) eher abwertend benutzt.
==== Das Interregnum und die Pest ====


==== Staufer (1138–1254) ====
Nach Aussterben der Staufer verfiel die Königsmacht im [[Spätmittelalter]] immer mehr. Der König stützte sich nur mehr auf ein geringes Reichsgut und musste zur versuchen, seine [[Hausmacht]] zu erweitern. Die Landesfürsten wählten daher meist einen schwachen Kandidaten zum König.
Mit Heinrichs Tod endet die Salierzeit und die Fürsten wählten [[Lothar III. (HRR)|Lothar III. von Supplinburg]] zum König. Nach dem Tod Lothars 1138 wurde der [[Staufer]] Konrad&nbsp;III. König. Dieser erkannte Lothars Schwiegersohn, dem [[Welfen]] [[Heinrich der Stolze|Heinrich dem Stolzen]], dessen Herzogtümer ab. Konrads Nachfolger [[Friedrich I. (HRR)|Friedrich&nbsp;I. („Barbarossa“)]] versuchte den Ausgleich, indem er seinen Vetter, den Welfen [[Heinrich der Löwe|Heinrich den Löwen]] 1156 mit den Herzogtümern seines Vaters, [[Stammesherzogtum Sachsen|Sachsen]] und [[Stammesherzogtum Baiern|Bayern]], belehnte. Heinrich der Löwe nahm 1147 am [[Wendenkreuzzug]] teil und unterwarf bis 1164 die Slawen in [[Mecklenburg]] und [[Pommern]].


[[Datei:Hildegard von Bingen.jpg|mini|[[Hildegard von Bingen]], Miniatur aus dem [[Rupertsberger Riesenkodex]] des [[Scivias|Liber Scivias]], der vor 1179 entstand. Hildegard empfängt göttliche Inspiration, die sie an ihren Schreiber weitergibt. Das Original ist seit 1945 verschollen.]]
Das Interregnum wurde 1273 durch [[Rudolf I. (Deutschland)|Rudolf von Habsburg]] beendet. Rudolf ebnete dem Haus [[Habsburg]] den Weg zu einer der mächtigsten Dynastien im Reich, doch gelang es ihm nicht, die Kaiserkrone zu erlangen.


Im [[Vertrag von Konstanz]] 1153 erreichte Friedrich I. die Kaiserkrönung, die 1155 erfolgte. Er besiegte anfangs die nach mehr Selbständigkeit strebenden [[Lombardei|lombardischen]] Städte, konnte sich aber nicht dauerhaft gegen sie durchsetzen. Als [[Alexander III. (Papst)|Alexander&nbsp;III.]] Papst wurde, begann der Kampf zwischen Kaiser und Papst erneut. Nach der [[Schlacht von Legnano|Niederlage bei Legnano]] musste Friedrich Alexander als Papst und den [[Lombardenbund]] anerkennen. 1180 entzog Friedrich Heinrich dem Löwen, der seine Italienpolitik nicht mehr unterstützte, dessen Herzogtümer. Am Ende musste Friedrich, der den ''[[honor Imperii]]'' betonte, politisch mehrere Zugeständnisse an die [[Große]]n des Reichs machen. Ab 1187 bereitete Friedrich&nbsp;I. den [[Dritter Kreuzzug|Dritten Kreuzzug]] vor, brach 1189 ins Heilige Land auf und ertrank auf dem Weg 1190 in [[Königreich Kleinarmenien|Kleinarmenien]].
Seine beiden Nachfolger, [[Adolf von Nassau]] und [[Albrecht I. (HRR)|Albrecht I.]], standen im Konflikt mit den [[Kurfürsten]]. [[1308]] wurde der [[Luxemburger]] [[Heinrich VII. (HRR)|Heinrich VII.]] zum König gewählt. Dieser konnte [[1310]] seine Hausmacht um Böhmen erweitern und erlangte [[1312]] die Kaiserkrönung.


Friedrichs Sohn [[Heinrich VI. (HRR)|Heinrich&nbsp;VI.]] wurde dank der Heirat mit der [[Normannen|normannischen]] Prinzessin Konstanze 1194 König von Sizilien. Als Heinrich&nbsp;VI. 1197 starb, kam es zu einer Doppelwahl des Staufers [[Philipp von Schwaben]], des Bruders von Heinrich VI., und des Welfen [[Otto IV. (HRR)|Otto&nbsp;IV.]], eines Sohns Heinrichs des Löwen. Nach der Ermordung Philipps 1208 wurde Otto&nbsp;IV. König. Der Papst unterstützte aber wegen Ottos Italienzug den [[Staufer]] [[Friedrich II. (HRR)|Friedrich&nbsp;II.]], den Sohn Heinrichs&nbsp;VI., der 1212 zum Gegenkönig gewählt wurde. 1214 brachte die [[Schlacht bei Bouvines]] die Entscheidung für Friedrich, der 1220 die Kaiserkrone erlangte. Friedrich regierte sein Reich von seiner Heimat Sizilien aus, wo er auch über wesentlich mehr politische Macht verfügte als dies im deutschen Reichsteil der Fall war. Die Regierung in Deutschland überließ er seinem Sohn [[Heinrich (VII.) (HRR)|Heinrich]].
Im [[14. Jahrhundert]] führten Überbevölkerung, Missernten und Naturkatastrophen zu Hungersnöten. [[1349]]/[[1350|50]] starb ein Drittel der Bevölkerung an der [[Schwarzer Tod|Pest]].


Die Machtposition der [[Landesherr]]en gegenüber dem Königtum war inzwischen derart stark, dass bestimmte Vorrechte der geistlichen und weltlichen Fürsten in zwei Privilegien (1220 bzw. 1231/32) vom Königtum anerkannt wurden. 1235 setzte der Kaiser statt Heinrich dessen Bruder [[Konrad IV. (HRR)|Konrad IV.]] ein. Es kam aufgrund der Italienpolitik Friedrichs und des politischen Machtanspruchs beider Seiten zum Machtkampf mit Papst [[Gregor IX.]], der den Kaiser 1227 bannte. Dennoch erreichte Friedrich im Heiligen Land die Übergabe [[Jerusalem]]s. Der Konflikt setzte sich auch fort, als [[Innozenz IV.]] Gregors Nachfolge antrat. Innozenz erklärte den Kaiser 1245 gar für abgesetzt. Friedrich&nbsp;II. starb im Dezember 1250. Nach seinem Tod tobte der Kampf des Papstes gegen die Staufer weiter. Konrad IV. konnte sich im Königreich Sizilien behaupten, starb aber 1254. 1268 wurde der letzte Staufer, der sechzehnjährige Sohn Konrads&nbsp;IV., [[Konradin]], im Kampf um sein sizilianisches Erbe gegen [[Karl I. (Neapel)|Karl von Anjou]] in [[Neapel]] öffentlich hingerichtet.
==== Die Zeit Ludwigs des Bayern und Karls IV. ====


=== Spätmittelalter ===
Nach dem Tod Heinrichs setzte sich der [[Wittelsbach]]er [[Ludwig der Bayer]] durch.
Das [[Spätmittelalter]] (circa 1250 bis 1500) wird in der neueren Forschung im Gegensatz zur älteren [[Lehrmeinung]] nicht mehr als Niedergangszeit begriffen.<ref>Bernd Schneidmüller: ''Konsens – Territorialisierung – Eigennutz. Vom Umgang mit spätmittelalterlicher Geschichte.'' In: ''[[Frühmittelalterliche Studien]]'' 39, 2005, S. 225–246.</ref> Die Zeit bis ins späte 14. Jahrhundert war stark vom Wahlkönigtum geprägt: Drei große Familien, die [[Habsburg]]er, die [[Haus Luxemburg|Luxemburger]] und die [[Wittelsbach]]er, verfügten über den größten Einfluss im Reich und über die größte [[Hausmacht]]. Es kam zwar zu Krisen wie Hungersnöten aufgrund von Überbevölkerung (siehe auch [[Spätmittelalterliche Agrarkrise]]), [[Geschichte der Pest|Pestausbrüchen]] ([[Schwarzer Tod]]), denen rund ein Drittel der Bevölkerung zum Opfer fiel, [[Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes]] und zum [[Abendländisches Schisma|abendländischen Schisma]]. Aber im Spätmittelalter florierten auch die Städte und der Handel mit der expandierenden [[Hanse]], es kam zu grundlegenden politischen Strukturierungen und es begann der Übergang in die [[Renaissance]].
Eine von den [[Luxemburger]]n geführte Opposition gegen Ludwig formierte sich. [[1346]] wurde der [[Luxemburg]]er [[Karl IV. (HRR)|Karl IV.]] zum König gewählt. Ludwig starb bald darauf.


==== Interregnum und beginnendes Hausmachtkönigtum (1254–1313) ====
Karl IV. verlegte seinen Herrschaftsschwerpunkt nach Böhmen. Er gewann unter anderem die [[Mark Brandenburg]] zu seinem Hausmachtkomplex hinzu. [[1348]] wurde in [[Prag]] die erste deutschsprachige [[Universität]] gegründet. [[1355]] wurde Karl zum Kaiser gekrönt.
Nach dem Ende der Staufer verfiel die Königsmacht. Das Königtum stützte sich nur noch auf ein geringes [[Reichsgut]], das vor allem während des 14. Jahrhunderts durch [[Reichspfandschaft]]en weitgehend verloren ging. Der König musste nun versuchen, seine [[Hausmacht]] zu erweitern und damit Politik zu machen. Als neuer Machtfaktor erwiesen sich inzwischen die [[Freie und Reichsstädte|Reichsstädte]]. Eine Gruppe mächtiger Reichsfürsten (die späteren [[Kurfürst]]en) wählten in einer verfassungsrechtlich bemerkenswerten Doppelwahl sowohl [[Richard von Cornwall]] aus England als auch [[Alfons X.|Alfons von Kastilien]] zum König. Dies verschaffte den Wählenden die Möglichkeit, ihre eigene Macht weiter auszubauen, wenngleich die Forschung betont, dass die Kurfürsten gegenüber den Reichsinteressen keineswegs desinteressiert waren. Beide Gewählten waren aber zu schwach, sich im Reich durchzusetzen, und strebten eher nach der Kaiserkrone. Richard war ganz selten im Reich, Alfons hat es nie betreten. Zeitgenossen sprachen schon damals vom „[[Interregnum (Heiliges Römisches Reich)|Interregnum]]“, der königslosen Zeit, doch wird dieser Zeitraum in der neueren Forschung differenzierter beurteilt, zumal es zu keinem Zusammenbruch des Reiches kam.<ref>[[Martin Kaufhold]]: ''Deutsches Interregnum und europäische Politik. Konfliktlösungen und Entscheidungsstrukturen 1230–1280.'' Hannover 2000.</ref>


Das Interregnum wurde 1273 durch die Wahl [[Rudolf I. (HRR)|Rudolfs von Habsburg]] beendet. Seit dieser Zeit waren die [[Kurfürst]]en das exklusive Wahlgremium und beanspruchten auch Mitwirkungsrechte. Rudolf ebnete dem Haus [[Habsburg]] den Weg, auf dem es zu einer der mächtigsten [[Dynastie]]n im Reich wurde. Er konnte die Königsmacht wieder konsolidieren und effektiv Handlungsspielräume nutzen, doch gelang es ihm nicht, Kaiser zu werden. Seine beiden Nachfolger, [[Adolf von Nassau]] und [[Albrecht I. (HRR)|Albrecht&nbsp;I.]], standen im Konflikt mit den Kurfürsten aufgrund ihrer expansiven Hausmachtpolitik. 1308 wurde der [[Haus Luxemburg|Luxemburger]] [[Heinrich VII. (HRR)|Heinrich&nbsp;VII.]] zum König gewählt. Dieser konnte 1310 seine Hausmacht um Böhmen erweitern, das Haus Luxemburg stieg zur zweiten großen spätmittelalterlichen Dynastie neben den Habsburgern auf. Er betrieb in Anlehnung an die Staufer wieder eine Italienpolitik und wurde im Juni 1312 in Rom zum Kaiser gekrönt. Er starb im August 1313 in Italien.
Die [[Goldene Bulle]] von [[1356]] stellte bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs eine Art Grundgesetz dar. Ihr Hauptziel war die Verhinderung von Gegenkönigen und Thronkämpfen. Karl glaubte, damit die Machtstellung des Hauses Luxemburg zementiert zu haben.


==== Habsburg, Luxemburg und Wittelsbach im Kampf um die Macht ====
==== Ludwig IV. der Bayer und Karl IV. (1314–1378) ====
[[Datei:Goldene Bulle Nahaufnahme.jpg|mini|Goldene Bulle Karls&nbsp;IV.]]


Nach dem Tod Heinrichs VII. setzte sich nach einer Doppelwahl 1314 der [[Wittelsbach]]er [[Ludwig IV. (HRR)|Ludwig der Bayer]] gegen die Habsburger durch. 1327 zog Ludwig nach Italien und wurde im darauf folgenden Jahr in Rom zum Kaiser gekrönt, allerdings ohne Mitwirkung des Papstes, der Ludwig die [[päpstliche Approbation]] verweigerte. Im Kampf des Kaisers gegen das Papsttum, dem letzten Kampf der beiden Universalgewalten des Mittelalters, bestätigten die Kurfürsten im [[Kurverein von Rhense]] 1338, dass ein von ihnen gewählter König nicht vom Papst bestätigt werden müsse. Eine von den Luxemburgern geführte [[Opposition (Politik)|Opposition]] gegen Ludwigs Hausmachtpolitik formierte sich 1346. Der Luxemburger [[Karl IV. (HRR)|Karl&nbsp;IV.]] wurde von seinen Anhängern mit Unterstützung des Papstes zum Gegenkönig gewählt.
Unter dem Nachfolger Karls verfiel die Königsmacht endgültig. König [[Sigismund (HRR)|Sigismund]] erreichte zwar [[1433]] die Kaiserkrönung, war jedoch nicht in der Lage, das Königtum zu stabilisieren. Eine Reichsreform scheiterte. Durch die Einberufung des [[Konzil von Konstanz|Konzils von Konstanz]] konnte er allerdings das [[Abendländisches Schisma|Abendländische Schisma]] beenden.


Der Tod Ludwigs 1347 verhinderte einen längeren Krieg. Karl&nbsp;IV. verlegte seinen Herrschaftsschwerpunkt nach Böhmen. Er gewann unter anderem die [[Mark Brandenburg]] zu seinem Hausmachtkomplex hinzu. Im [[Vertrag von Namslau]] 1348 erkannte [[Kasimir III. (Polen)|Kasimir der Große]] von Polen die Zugehörigkeit [[Schlesien]]s zu [[Böhmen]] – und damit zum [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reich]] – an, versuchte später jedoch beim Papst, diesen anzufechten. 1348 wurde in [[Prag]] die erste deutschsprachige [[Universität]] gegründet. 1355 wurde Karl zum Kaiser gekrönt. Er verzichtete auf eine Weiterführung der Italienpolitik und gab auch im Westen teils Reichsrechte auf; das Reichsgut [[Reichspfandschaft|verpfändete]] er weitgehend, so dass die nachfolgenden Könige sich endgültig nur noch auf ihr Hausgut stützen konnten. Die [[Goldene Bulle]] von 1356 stellte bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs eine Art Grundgesetz dar und regelte die Wahlmodalitäten (einschließlich Mehrheitsprinzip). Ihr Hauptziel war die Verhinderung von Gegenkönigen und Thronkämpfen. Karl glaubte, die Machtstellung des Hauses Luxemburg zementiert zu haben, vor allem aufgrund seiner starken Hausmacht, doch gelang es den nachfolgenden Luxemburger Königen nicht mehr, effektiv darüber zu verfügen.
Mit dem Tod Sigismunds erlosch das Haus Luxemburg in männlicher Linie. Die Habsburger traten die Nachfolge an. Der Habsburger [[Maximilian I. (HRR)|Maximilian I.]] war wegen der [[Türkenkriege]] auf die Unterstützung der Reichsstände angewiesen. [[1495]] wurde auf dem [[Reichstag (HRR)|Wormser Reichstag]] eine Reichsreform beschlossen.


==== Beginnender Aufstieg Habsburgs (1378–1493) ====
Maximilian nahm [[1508]] ohne päpstliche Krönung den Kaisertitel an. Seine [[Heiratspolitik]] sicherte den Habsburgern Böhmen und Ungarn und die spanische Krone. Es war eine Zeitenwende. Habsburg stieg unter [[Karl V. (HRR)|Karl V.]] zur Weltmacht auf, das Mittelalter ging zu Ende.
[[Datei:HRR 1400.png|mini|250px|Das Heilige Römische Reich um 1400]]


Unter dem Nachfolger Karls verfiel die Königsmacht endgültig. [[Wenzel (HRR)|Wenzel]], der ältere Sohn Karls IV., wurde 1400 von den vier rheinischen Kurfürsten wegen Untätigkeit abgesetzt. Nach dem Tod des Nachfolgers [[Ruprecht (HRR)|Ruprecht von der Pfalz]] aus dem Hause Wittelsbach 1410 wurde mit Wenzels Bruder [[Sigismund (HRR)|Sigismund]], der bereits König von Ungarn war, wieder ein Luxemburger gewählt. Sigismund war ein gebildeter und intelligenter Herrscher, doch verfügte er über keine ausreichende Machtbasis im Reich. Er erreichte zwar 1433 die Kaiserkrönung, war jedoch nicht in der Lage, das Königtum zu stabilisieren. Eine Reichsreform scheiterte an Eigeninteressen der Landesherrscher. Durch die Einberufung des [[Konzil von Konstanz|Konzils von Konstanz]] konnte er allerdings das [[Abendländisches Schisma|Abendländische Schisma]] beenden.
== Neuzeit ==


Mit dem Tod Sigismunds erlosch das Haus Luxemburg in männlicher Linie. Die Habsburger traten 1438 mit [[Albrecht II. (HRR)|Albrecht]] die Nachfolge an. Von 1438 bis 1740 und von 1745 bis zum Ende des Reiches 1806 sollte das Haus [[Habsburg]] nun den römischen König stellen. Unter der langen Regierung von [[Friedrich III. (HRR)|Friedrich&nbsp;III.]] (1440–1493) wurde der Grundstein für die spätere habsburgische Weltmachtpolitik gelegt. Gleichzeitig durchlief das Reich einen Struktur- und Verfassungswandel, wobei in einem Prozess „gestalteter Verdichtung“ ([[Peter Moraw]]) die Beziehungen zwischen den Reichsgliedern und dem Königtum enger wurden.<ref>Peter Moraw: ''Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490.'' Berlin 1985.</ref>
=== Von der Reformation bis Napoleon ===


== Frühe Neuzeit ==
==== Zeitalter von Reformation und Gegenreformation ====
{{Hauptartikel|Deutschland in der Neuzeit|Frühe Neuzeit}}


=== Maximilian I. (1486–1519) ===
''Hauptartikel:'' [[Deutschland im Zeitalter der Glaubenskämpfe]]
[[Maximilian I. (HRR)|Maximilian&nbsp;I.]] erwarb durch Heirat die Besitzungen des [[Haus Burgund|Hauses Burgund]], zu denen unter anderem die reichen [[Burgundische Niederlande|Niederen Lande]] gehörten, für sein Haus und behauptete große Teile davon im Krieg gegen Frankreich ([[Frieden von Arras (1482)|Frieden von Arras]]). 1495 beschloss der [[Reichstag zu Worms (1495)|Wormser Reichstag]] eine Reichsreform. Maximilians Sohn [[Philipp I. (Kastilien)|Philipp der Schöne]] wurde 1496 mit der Erbin Spaniens vermählt. Maximilian nahm 1508 ohne päpstliche Krönung den Kaisertitel an. Er beendete faktisch die Züge der römisch-deutschen Könige zur Kaiserkrönung nach Rom (sein Enkel Karl V. wurde aber noch vom Papst in Bologna gekrönt). Grund waren verschiedene schwelende Konflikte mit Frankreich und Venedig, dessen Truppen viele Alpenpässe versperrt hatten. Durch seine [[Heiratspolitik]] kamen neben der spanischen Krone auch Böhmen und Ungarn von den [[Jagiellonen]] zum Herrschaftsbereich der Habsburger.


=== Reformation und Gegenreformation (1517–1618) ===
[[Bild:Martin Luther 2.jpg|thumb|right|[[Martin Luther]]]]
[[Datei:Lucas Cranach d.Ä. - Martin Luther, 1528 (Veste Coburg).jpg|mini|hochkant|Martin Luther, Porträt von [[Lucas Cranach der Ältere|Lucas Cranach d.&nbsp;Ä.]], 1529]]
Mit der Publikation seiner [[95 Thesen]] gegen den [[Ablasshandel]] durch [[Martin Luther]] setzte 1517 die [[Reformation]] ein.
{{Hauptartikel|Reformation|Gegenreformation}}


Mit der Publikation seiner [[95 Thesen]] gegen den [[Ablass]]handel durch [[Martin Luther]] setzte 1517 die Reformation ein.
1519 wurde der Habsburger [[Karl V. (HRR)|Karl V.]] König. Außenpolitisch war er in ständige Kriege zur Abwehr der [[Osmanisches Reich|Osmanen]] sowie gegen Frankreich und den Papst verwickelt. Dadurch war seine Stellung im Reich selbst schwach und er konnte die Ausbreitung der Reformation nicht verhindern.


1519 wurde der Habsburger [[Karl V. (HRR)|Karl&nbsp;V.]] zum König gewählt und nannte sich nach seiner Krönung im Jahre 1520 „erwählter Kaiser“; erst zehn Jahre später wurde er im Rahmen einer Aussöhnung als letzter deutscher Herrscher vom Papst gekrönt, diesmal nicht in Rom, sondern in Bologna. Unter Karl stieg Habsburg zur [[Weltmacht]] auf. Außenpolitisch war er in ständige Kriege zur Abwehr der [[Osmanisches Reich|Osmanen]] sowie gegen Frankreich und den Papst verwickelt. Dadurch war seine Stellung im Reich selbst schwach und er konnte die Ausbreitung der Reformation nicht verhindern.
In den Jahren 1522 bis 1526 wurde in etlichen Ländern und Städten des Reichs die Lehre Luthers eingeführt. Die Reformation wurde somit vom Landesherrn durchgeführt, der auch zum [[Landesbischof]] wurde. Der Bruder des Kaisers, [[Ferdinand I. (HRR)|Ferdinand]], wollte die Duldung der Lutheraner aufheben. Dagegen protestierten die evangelischen Landesfürsten ([[Protestanten]]).


In den Jahren 1522 bis 1526 wurde in etlichen Ländern und Städten des Reichs die Lehre Luthers eingeführt. Die Reformation erfolgte durch Landesherren, die auch zum [[Landesbischof]] wurden. Der Bruder des Kaisers, [[Ferdinand I. (HRR)|Ferdinand]], wollte die Duldung der Lutheraner aufheben. Dagegen protestierten die evangelischen Landesfürsten. Daher leitet sich die Bezeichnung [[Protestantismus|Protestanten]] für Anhänger der evangelischen Glaubensrichtung ab.
Die schlechte Lage der Bauern hatte schon im [[15. Jahrhundert]] zu regionalen Aufständen der Bauern geführt, während der Reformationszeit kam es 1524–26 zu einem [[Deutscher Bauernkrieg|Bauernkrieg]]. 1525 wurde ein Bauernheer unter Führung von [[Thomas Münzer]] bei [[Frankenhausen]] vernichtet.


Die schlechte Lage der Bauern hatte schon im 15. Jahrhundert zu regionalen [[Liste von Bauernaufständen|Bauernaufständen]] geführt, während der Reformationszeit kam es 1524 bis 1526 zum [[Deutscher Bauernkrieg|Deutschen Bauernkrieg]]. 1525 wurde ein Bauernheer unter Führung von [[Thomas Müntzer]] bei [[Bad Frankenhausen/Kyffhäuser|Frankenhausen]] vernichtet.
Im [[Schmalkaldischer Krieg|Schmalkaldischen Krieg]] von 1546/47 kam es erstmals zum Kampf der Katholiken unter Führung des Kaisers gegen die Protestanten. Der Kaiser gewann den Krieg, konnte aber das [[Augsburger Interim]] nicht durchsetzen.


Im [[Schmalkaldischer Krieg|Schmalkaldischen Krieg]] von 1546/1547 kam es erstmals zum Kampf der Katholiken unter Führung des Kaisers gegen die Protestanten. Der Kaiser gewann den Krieg, konnte aber das [[Augsburger Interim]] nicht durchsetzen.
Als sich die Fürsten über die Religionsgrenzen hinweg gegen ihn erhoben, verzichtete Karl V. zugunsten seines Sohnes [[Philipp II. (Spanien)|Philipp II.]] auf Spanien und machte seinen Bruder [[Ferdinand I. (HRR)|Ferdinand]] zu seinem Nachfolger im Reich. Der neue König handelte 1555 den [[Augsburger Religionsfrieden]] aus.


Als sich die Fürsten über die Religionsgrenzen hinweg gegen ihn erhoben, verzichtete Karl&nbsp;V. 1556 zugunsten seines Sohnes [[Philipp II. (Spanien)|Philipp&nbsp;II.]] auf Spanien und machte seinen Bruder Ferdinand zu seinem Nachfolger im Reich. Der neue König hatte bereits 1555 den [[Augsburger Reichs- und Religionsfrieden]] ausgehandelt, dessen Grundsatz ''[[Cuius regio, eius religio]]'' später formuliert wurde.
Unter dem Eindruck der Reformation begann die katholische Kirche eine innere Reform. Zudem setzte die [[Gegenreformation]] ein. Diese bestand zum einen in der Verfolgung durch die [[Inquisition]], zum anderen entstanden neue [[Orden]], von denen die [[Jesuiten]] eine führende Rolle bei der Rekatholisierung erlangten.


Unter dem Eindruck der Reformation begann die katholische Kirche eine innere Reform. Die daraus entstehende Gegenreformation bestand zum einen in der Verfolgung von Zweiflern an der offiziellen päpstlichen Lehre durch die [[Inquisition]], zum anderen entstanden neue [[Ordensgemeinschaft|Orden]], von denen die [[Jesuiten]] eine führende Rolle bei der [[Rekatholisierung]] spielten.
Die protestantischen Fürsten schlossen sich 1608 unter Führung [[Friedrich V. (Pfalz)|Friedrichs von der Pfalz]] zur [[Protestantische Union|Union]] zusammen. Entsprechend schlossen sich die katholischen Fürsten 1609 unter Führung des Bayernherzogs [[Maximilian I. (Bayern, Kurfürst)|Maximilian]] zur [[Katholische Liga|Liga]] zusammen.


Dennoch war die Religionspolitik von Ferdinands Sohn und Nachfolger [[Maximilian II. (HRR)|Maximilian&nbsp;II.]] vergleichsweise tolerant, während in Frankreich zur selben Zeit die [[Hugenottenkriege]] wüteten. Die dezentralisierte Herrschaft im Reich erwies sich hierbei als vorteilhaft, da in den jeweiligen Landesherrschaften unterschiedliche Konfessionen bestehen konnten, aber daraus wenigstens zunächst kein scharfer Gegensatz zum Kaisertum entstand, während in Frankreich das Königtum bestrebt war, ausschließlich die katholische Konfession durchzusetzen. Maximilians Sohn [[Rudolf II. (HRR)|Rudolf&nbsp;II.]] zog sich dagegen in seiner Residenz Prag immer mehr aus der Wirklichkeit zurück, während die religiösen Konflikte sich zuspitzten. Es kam zum [[Truchsessischer Krieg|Kölner Krieg]], als der dortige Erzbischof zum Protestantismus übergetreten war. Der [[Achtzigjähriger Krieg|Achtzigjährige Krieg]] führte zur Teilung der Niederlande in die vom Reich nunmehr unabhängige [[Republik der Sieben Vereinigten Provinzen]] und die [[Spanische Niederlande|Spanischen Niederlande]], die unter habsburgischer Herrschaft blieben und das spätere [[Belgien]] bildeten.
==== Der Dreißigjährige Krieg ====


Die protestantischen Fürsten schlossen sich 1608 unter Führung [[Friedrich V. (Pfalz)|Friedrichs von der Pfalz]] zur [[Protestantische Union|Union]] zusammen. Entsprechend schlossen sich die katholischen Fürsten 1609 unter Führung des Bayernherzogs [[Maximilian I. (Bayern)|Maximilian&nbsp;I.]] zur [[Katholische Liga (1609)|Liga]] zusammen.
''Hauptartikel: [[Dreißigjähriger Krieg]]''


=== Dreißigjähriger Krieg (1618–1648) ===
Nachdem Kaiser Rudolf II. die Regierungsgeschäfte an seinen Bruder [[Matthias (HRR)|Matthias]] abgetreten hatte, schränkt dieser die den Protestanten gewährten Rechte wieder ein. [[1618]] kame es deshalb zum [[Prager Fenstersturz]], bei dem zwei kaiserliche Räte von böhmischen Standesvertretern in der Prager Burg zum Fenster hinausgeworfen wurden.
{{Hauptartikel|Dreißigjähriger Krieg}}
[[Datei:Sack of Magdeburg 1631.jpg|links|mini|Zerstörung der [[Magdeburg|Stadt Magdeburg]], 1631]]
Kaiser Rudolfs Nachfolger [[Matthias (HRR)|Matthias]] überließ seine Regierung weitestgehend seinem Kanzler [[Melchior Khlesl]], der auf Reichsebene einen Ausgleich mit den Protestanten suchte. In den habsburgischen Erblanden wurde dagegen die Gegenreformation verstärkt, insbesondere in Böhmen, seitdem Matthias’ präsumtiver Nachfolger [[Ferdinand II. (HRR)|Ferdinand]] 1617 dort zum König gewählt wurde. 1618 kam es deshalb zum [[Zweiter Prager Fenstersturz|Prager Fenstersturz]], bei dem zwei kaiserliche Räte von böhmischen Standesvertretern in der Prager Burg zum Fenster hinausgeworfen wurden.


Nach dem Tod des Kaisers wurde der Führer der Union, Friedrich von der Pfalz, [[1619]] zum König von Böhmen erklärt. Der neue Kaiser [[Ferdinand II. (HRR)|Ferdinand II.]] zog mit dem Heer der katholischen Liga nach Böhmen. In der [[Schlacht am Weißen Berge]] [[1620]] wurde das böhmische Heer besiegt. Nach der Flucht Friedrichs besetzte [[Tilly]] die Pfalz und die [[Oberpfalz]]. Der Bayernherzog bekam die Pfälzer Kurfürstenwürde.
Nach dem Tod des Kaisers wurde der Führer der Union, Friedrich von der Pfalz, 1619 zum König von Böhmen erklärt. Der neue Kaiser [[Ferdinand II. (HRR)|Ferdinand&nbsp;II.]] zog mit dem Heer der katholischen Liga nach Böhmen. In der [[Schlacht am Weißen Berg]] 1620 wurde das böhmische Heer besiegt. Nach der Flucht Friedrichs besetzte [[Johann T’Serclaes von Tilly|Tilly]] die Pfalz und die [[Oberpfalz]]. Der [[Herzogtum Bayern|Bayernherzog]] [[Maximilian I. (Bayern)|Maximilian&nbsp;I.]] bekam die Pfälzer [[Kurfürst]]enwürde.


Der [[Dänen]]könig [[Christian IV. (Dänemark)|Christian IV.]] rückte [[1625]] mit seinem Heer in Norddeutschland ein. Er wurde aber vom kaiserlichen Heer unter Tilly und dem böhmischen Adligen [[Wallenstein]] besiegt. [[Pommern (Land)|Pommern]], [[Jütland]] und [[Mecklenburg]] wurden vom katholischen Heer besetzt.
Der [[Dänemark|Dänenkönig]] [[Christian IV. (Dänemark und Norwegen)|Christian&nbsp;IV.]] rückte 1625 mit seinem Heer in Norddeutschland ein. Er wurde aber vom [[Kaiserliche Armee (HRR)|kaiserlichen Heer]] unter Tilly und dem böhmischen Adligen [[Wallenstein]] besiegt. [[Pommern]], [[Jütland]] und [[Mecklenburg]] wurden vom katholischen Heer besetzt.


Nach dem Ende des dänischen Krieges erließ der Kaiser [[1629]] das [[Restitutionsedikt]]. Besorgt wegen seiner erheblich gestiegenen Machtfülle erreichten die Reichsstände auf dem [[Regensburger Kurfürstentag]] [[1630]] die Absetzung seines Feldherrn Wallenstein.
Nach dem Ende des [[Niedersächsisch-Dänischer Krieg|Niedersächsisch-Dänischen Krieges]] erließ der Kaiser 1629 das [[Restitutionsedikt]]. Besorgt wegen seiner erheblich gestiegenen Machtfülle erreichten die [[Reichsstände]] auf dem [[Regensburger Kurfürstentag (1630)]] die Absetzung seines Feldherrn Wallenstein.


Nun griff der [[Schweden]]könig [[Gustav II. Adolf]] ins Kriegsgeschehen ein. Bei [[Rain am Lech]] fiel [[1632]] Tilly. Der Kaiser setzte daraufhin Wallenstein wieder ein. Bei der [[Schlacht von Lützen]] 1632 fiel der Schwedenkönig.
Während die kaiserlichen Soldaten zusammen mit Spanien in den [[Mantuanischer Erbfolgekrieg|Mantuanischen Erbfolgekrieg]] verwickelt waren, griff der [[Schweden]]könig [[Gustav&nbsp;II. Adolf]] auf Seiten der protestantischen Reichsstände ins deutsche Kriegsgeschehen ein und drang weit nach Süddeutschland vor. Ein Jahr nach der [[Magdeburger Hochzeit|Magdeburger Bluthochzeit]] fiel Tilly 1632 bei [[Schlacht bei Rain am Lech|Rain]]. Der Kaiser setzte daraufhin Wallenstein wieder ein. Bei der [[Schlacht bei Lützen|Schlacht von Lützen]] 1632 fiel der Schwedenkönig.


Wallenstein wurde 1634 erneut abgesetzt und bald darauf ermordet. Um die Schweden vom deutschen Boden zu vertreiben, schloss der Kaiser mit dem protestantischen sächsischen Kurfürsten einen Sonderfrieden, den [[Frieden von Prag]], [[1635]].
Wallenstein wurde 1634 erneut abgesetzt und bald darauf ermordet. Um die Schweden vom deutschen Boden zu vertreiben, schloss der Kaiser mit Kurfürst [[Johann Georg I. (Sachsen)|Johann Georg von Sachsen]] 1635 einen Sonderfrieden, den [[Prager Frieden (1635)|Frieden von Prag]], in dem das Restitutionsedikt für 40 Jahre ausgesetzt wurde. Bis auf [[Landgrafschaft Hessen-Kassel|Hessen-Kassel]] schlossen sich nach und nach die Reichsstände dem Frieden an, der Kaiser überließ das Besiegen der Schweden aber zunächst den protestantischen Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, die dieser Aufgabe nicht gewachsen waren.


[[Datei:HRR 1648.png|mini|Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation 1648]]
Das katholische Frankreich griff 1635 auf schwedischer Seite ein, jedoch konnte keine der beiden Seiten den Krieg für sich entscheiden. Große Teile des Reiches wurden verwüstet. Der Vorkriegstand der Bevölkerung wurde erst wieder um 1750 erreicht. Die seit 1642 laufenden Verhandlungen führten am 24. Oktober 1648 zum [[Westfälischer Friede|Westfälischen Frieden]].


Das katholische Frankreich griff 1635 auf schwedischer Seite ein, jedoch konnte keine der beiden Seiten den Krieg für sich entscheiden. Große Teile des Reiches wurden verwüstet. Die Vorkriegs-Einwohnerzahl wurde erst wieder um 1750 erreicht. Der neue Kaiser [[Ferdinand III. (HRR)|Ferdinand&nbsp;III.]] bemühte sich seit 1637 verstärkt um Friedensverhandlungen, aber es sollte sich über die nächsten Jahre zeigen, dass weder ein angestrebter Separatfrieden mit Schweden noch ein Friedensschluss ohne Beteiligung der Reichsstände möglich war, wodurch sich das Leid der Bevölkerung weiter verlängerte. Die seit 1642 laufenden Verhandlungen führten am 24. Oktober 1648 zum [[Westfälischer Friede|Westfälischen Frieden]].
Der Friedensschluss beinhaltete eine Abtretung von Teilen Lothringens und des Elsass' an Frankreich. Die Niederlande und die Schweiz schieden offiziell aus dem Reich aus. Die Stellung der Reichsstände und der Territorien wurde gestärkt und der Augsburger Religionsfriede bestätigt. Bei einem Konfessionswechsel des Landesherrn wurde nicht mehr von der Bevölkerung dasselbe verlangt.


Der Friedensschluss beinhaltete die Anerkennung der seit 1552 französisch besetzten ''Drei Bistümer'' ([[Trois-Évêchés]]) in Lothringen als französischem Besitz sowie die Abtretung der habsburgischen Rechte im [[Elsass]] an Frankreich, wodurch große Teile der Region unter französische Hoheit gelangte. Schweden erhielt [[Vorpommern]] und die Elbherzogtümer [[Bremen-Verden|Bremen und Verden]] als Reichslehen verliehen. Brandenburg erhielt als Gegengewicht zu Schweden [[Hinterpommern]] und mehrere aufgehobene Hochstifte, damit wurde es auch für seine Erbansprüche auf ganz Pommern entschädigt. Bayern behielt die Oberpfalz und die pfälzische Kurwürde, während die [[Kurpfalz]] teilweise wiederhergestellt wurde und eine neue, achte Kurwürde erhielt. Die [[Republik der Sieben Vereinigten Provinzen|Niederlande]] und die [[Alte Eidgenossenschaft|Schweiz]] schieden offiziell aus dem Reich aus. Die Stellung der Reichsstände wurde durch Anerkennung ihrer Landeshoheit und festgeschriebene Befugnisse des Reichstages gestärkt, der Augsburger Religionsfriede bestätigt. Bei einem Konfessionswechsel des Landesherrn wurde allerdings nicht mehr von der Bevölkerung dasselbe verlangt. Die Macht des Kaisers wurde im Vergleich zum Prager Frieden wieder eingeschränkt, trotzdem war für diesen eine aktive Reichspolitik in Kooperation mit den Reichsständen weiter möglich.
==== Zeitalter des Absolutismus ====


Das Heilige Römische Reich bestand nach dem Ende des Krieges aus 382 verschiedenen Territorien. Dieses Reichsgebilde wurde vom zeitgenössischen Staatsrechtler [[Samuel von Pufendorf|Samuel Pufendorf]] in der Schrift [[De statu imperii Germanici]] als „Monstrum“ oder „durch göttliche Fügung bewahrtes Unding“ bezeichnet, was aber nicht wertend zu verstehen war, sondern die Nichtzuordenbarkeit zu den [[Aristoteles#Bürger und Verfassung eines Staates|aristotelischen Staatsformen]] beschrieb.<ref>Georg Schmidt: ''Die Reiter der Apokalypse – Geschichte des Dreißigjährigen Krieges''. C.H. Beck, München 2018, S. 638–639.</ref> Pufendorf, der als einer der ersten die Bezeichnung „Deutschland“ verwendete, kritisierte allerdings deutlich die Schwächen, die das Reich seiner Ansicht nach durch die Zwischenform aus regulärer Monarchie und ungeordnetem Staatenbund aufweise.
''Hauptartikel:'' [[Deutschland im Zeitalter des Absolutismus]]


=== Absolutismus (1648–1789) ===
Die Zerstörungen und Bevölkerungsverluste des Dreißigjährigen Kriegs förderten die Entwicklung staatlich gelenkter Wirtschafts- und Sozialpolitik. Verbunden mit der [[Merkantilismus|merkantilistischen]] Wirtschaftsform war das Entstehen der [[Absolutismus|absolutistischen]] Herrschaftsform nach Vorbild [[Ludwig XIV. (Frankreich)|Ludwigs XIV.]]
{{Hauptartikel|Absolutismus}}
[[Datei:Flink, Govaert - Friedrich Wilhelm I - Schloss Charlottenburg.jpeg|mini|hochkant|Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Ölgemälde von [[Govaert Flinck]], 1652]]


Auf die Zerstörungen und Bevölkerungsverluste des Dreißigjährigen Kriegs reagierten die Staatshäupter mit der Förderung gelenkter Wirtschafts- und Sozialpolitik. Verbunden mit der [[Merkantilismus|merkantilistischen]] Wirtschaftsform war das Entstehen der absolutistischen Herrschaftsform nach Vorbild des französischen Königs [[Ludwig XIV.]]
[[Bild:Friedrich_Wilhelm.jpg|thumb|right|[[Friedrich Wilhelm (Brandenburg)|Friedrich Wilhelm]]]]
Unter [[Friedrich Wilhelm (Brandenburg)|Friedrich Wilhelm]] begann seit [[1640]] der Aufstieg [[Preußen]]s. Der Kurfürst Friedrich III. nannte sich [[1701]] [[Friedrich I. (Preußen)|Friedrich I.]], ''König in Preußen''. Der Aufstieg Preußens führte zum [[Dualismus]] zwischen Österreich und Preußen, der Deutschland bis 1871 bestimmte.


Unter Kurfürst [[Friedrich Wilhelm (Brandenburg)|Friedrich Wilhelm]] begann seit 1640 der Aufstieg [[Brandenburg-Preußen]]s. Sein Nachfolger Friedrich&nbsp;III. vollzog 1701 [[Königskrönung Friedrichs III. von Brandenburg|seine Selbstkrönung]] zum König [[Friedrich I. (Preußen)|Friedrich&nbsp;I.]] ''in Preußen''. Die Standeserhebung war möglich, weil das [[Herzogtum Preußen]] außerhalb des Heiligen Römischen Reiches lag. Gegen eine Zahlung von zwei Millionen Talern und die Entsendung eines Truppenkontingentes für die [[Reichsarmee]] erkannte der habsburgische Kaiser [[Leopold I. (HRR)|Leopold&nbsp;I.]] ihn innerhalb und außerhalb des Reiches als König an. Der Aufstieg des nun entstehenden brandenburg-preußischen Staates, später einfach nur ''[[Königreich Preußen|Preußen]]'' genannt, führte zum [[Deutscher Dualismus|Dualismus]] mit [[Geschichte Österreichs|Österreich]], der Deutschlands Innenpolitik bis 1866 bestimmen sollte.
Unter dem Habsburger Kaiser [[Leopold I. (HRR)|Leopold I.]] war das Reich der zweifachen Bedrohung durch die [[Osmanisches Reich|Osmanen]] und den Expansionsdrang Frankreichs unter Ludwig XIV. ausgesetzt. [[1683]] konnte der Kaiser mit Unterstützung der deutschen Fürsten und des Polenkönigs [[Jan Sobieski]] die Türken vor [[Wien]] schlagen und aus Ungarn vertreiben.


Unter Kaiser Leopold&nbsp;I. war das Reich der zweifachen Bedrohung durch die [[Osmanisches Reich|Osmanen]] und den Expansionsdrang Frankreichs unter Ludwig&nbsp;XIV. ausgesetzt. 1683 konnte der Kaiser mit Unterstützung einiger deutscher Fürsten und des [[Königreich Polen|Polenkönigs]] [[Johann III. Sobieski]], der die [[Schlacht am Kahlenberg]] bei Wien gegen [[Kara Mustafa Pascha]] gewann, die [[Zweite Wiener Türkenbelagerung]] abwenden und die Türken aus Ungarn vertreiben.
Durch die Wahl des sächsischen Kurfürsten [[Friedrich August I. (Sachsen)|Friedrich August I.]] [[1697]] zum König von [[Polen]] kam es bis [[1763]] zu einer [[Personalunion]] von Sachsen und Polen. Ebenso gab es von [[1714]] bis [[1837]] eine Personalunion von [[Hannover]] und England. Das Aussterben der spanischen Habsburger löste [[1701]] den [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanischen Erbfolgekrieg]] aus.


Um einen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich zu verhindern, wurden 1684 dessen Reunionen im [[Regensburger Stillstand]] vorübergehend anerkannt. Im Rahmen der französischen [[Reunionspolitik]] waren die freie Reichsstadt [[Straßburg]] und andere elsässische Gebiete in Frankreichs Territorium einverleibt worden, obwohl diese Gebiete Reichsstände waren. Der Versuch Ludwigs&nbsp;XIV., die Reunionen und weitergehende Ansprüche auf Teile der Kurpfalz dauerhaft durchzusetzen, führte 1688 zum [[Pfälzischer Erbfolgekrieg|Pfälzischen Erbfolgekrieg]]. Nach schweren Verheerungen des deutschen Südwestens wurden die französischen Ansprüche abgewehrt und die Reunionen 1697 weitgehend rückgängig gemacht; Frankreich behielt aber das Elsass.
Das Aussterben der österreichischen Habsburger im Mannesstamm führte [[1740]] zum [[Österreichischer Erbfolgekrieg|Österreichischen Erbfolgekrieg]]. [[Maria Theresia]] konnte die Kaiserkrone mit britischer Hilfe verteidigen. Sie verlor aber im [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieg]] [[1763]] Schlesien an Preußen.


Durch die Wahl des sächsischen Kurfürsten [[August der Starke]] 1697 zum König von [[Königreich Polen|Polen]] kam es zu einer [[Personalunion]] von [[Sachsen-Polen|Sachsen und Polen]], die durch den [[Großer Nordischer Krieg|Großen Nordischen Krieg]] und den [[Polnischer Thronfolgekrieg|Polnischen Thronfolgekrieg]] unterbrochen wurde, jedoch bis 1763 bestand. Ebenso gab es von 1714 bis 1837 eine [[Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover]].
Schweden verlor durch den [[Nordischer Krieg|Nordischen Krieg]] gegen Russland und Sachsen [[1721]] fast alle Besitzungen auf deutschem Boden. Durch die drei [[Teilungen Polens]] konnten Österreich und Preußen erhebliche Gebietsgewinne verzeichnen.


Das Aussterben der spanischen Habsburger löste 1701 den [[Spanischer Erbfolgekrieg|Spanischen Erbfolgekrieg]] aus, der nach einigen Erfolgen mit dem Tod von [[Joseph I. (HRR)|Joseph&nbsp;I.]] 1711 eine für Habsburg ungünstige Wende nahm. Der österreichische Thronfolgekandidat für Spanien wurde als [[Karl VI. (HRR)|Karl&nbsp;VI.]] nun selbst Kaiser, seine Verbündeten [[Königreich Großbritannien|Großbritannien]] und die Niederlande wollten allerdings eine österreichische Vorherrschaft in Europa verhindern und schlossen Frieden mit Frankreich. Der Krieg erschütterte jedoch auch die Kräfte Frankreichs und brachte die spanischen Besitzungen in den Niederlanden und Italien an Österreich. Das österreichische Haus Habsburg war unter Leopold&nbsp;I. und Joseph&nbsp;I. zur europäischen Großmacht geworden.
Die [[Aufklärung]] hielt Einzug in Preußen unter [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich II.]] und in Österreich unter [[Joseph II. (HRR)|Joseph II.]]. Sie führte jedoch nicht zu Reformen, die die feudalen Machtverhältnisse erschütterten.


[[Datei:Christoph Bernhard Francke - Bildnis des Philosophen Leibniz (ca. 1695).jpg|mini|hochkant|[[Gottfried Wilhelm Leibniz]], Porträt von [[Christoph Bernhard Francke]], um 1700; [[Herzog Anton Ulrich-Museum]], Braunschweig]]
==== Deutschland von 1789 bis 1815 ====


Das Aussterben der österreichischen Habsburger im Mannesstamm mit Kaiser Karl&nbsp;VI. führte 1740 zum [[Österreichischer Erbfolgekrieg|Österreichischen Erbfolgekrieg]]. Der Wittelsbacher [[Karl VII. (HRR)|Karl&nbsp;VII.]] wurde zum neuen Kaiser gewählt, [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich&nbsp;II.]] fiel im habsburgischen Kronland Schlesien ein.
''Hauptartikel:'' [[Vom Heiligen Römischen Reich zum Deutschen Kaiserreich]]


Karls&nbsp;VI. Tochter [[Maria Theresia]] konnte die Kaiserkrone für ihren Gemahl [[Franz I. Stephan (HRR)|Franz&nbsp;I.]] zwar mit britischer Hilfe schließlich gegen preußische [[Hegemonie|Hegemonialansprüche]] verteidigen, sie verlor aber im [[Siebenjähriger Krieg|Siebenjährigen Krieg]] 1763 Schlesien endgültig an Preußen.
In Folge der [[Französische Revolution|Französischen Revolution]] kam es [[1791]] zum Bündnis von Preußen und Österreich gegen Frankreich. Nach anfänglichen Erfolgen geriet die Koalition nach der Niederlage von [[Valmy]] im September [[1792]] in die Defensive. Es folgten bis [[1809]] noch vier weitere [[Koalitionskriege]] gegen Frankreich.


Schweden verlor durch seine Niederlage im [[Großer Nordischer Krieg|Großen Nordischen Krieg]] (1700–1721) gegen Russland, Dänemark, Sachsen-Polen und Preußen fast alle Besitzungen im Reich. Die drei [[Teilungen Polens]] 1772, 1793 und 1795 ergaben für Österreich und Preußen erhebliche Gebietsgewinne.
[[1799]] übernahm [[Napoléon Bonaparte|Napoleon I.]] in Frankreich die Macht. Österreich musste die Österreichischen Niederlande abtreten. Die linksrheinischen Gebiete kamen nach dem [[Friede von Lunéville|Frieden von Lunéville]] [[1801]] ebenfalls zu Frankreich. Als Kompensation für die Gebietsverluste erhielten die deutschen Fürsten rechtrheinische Gebiete. Diese wurden [[1803]] im so genannten [[Reichsdeputationshauptschluss]] geschaffen. Außerdem erhob Napoleon [[Bayern]], [[Sachsen]] und [[Württemberg]] zu Königreichen.


Die [[Aufklärung]] hielt Einzug in Preußen unter [[Friedrich II. (Preußen)|Friedrich dem Großen]] (der ''Alte Fritz''), der nach den Prinzipien des [[Aufgeklärter Absolutismus|aufgeklärten Absolutismus]] herrschte. Der eher zurückhaltende [[Josephinismus]] in Österreich unter Kaiser [[Joseph II.]] wirkte im Sinne der [[Katholische Aufklärung|Katholischen Aufklärung]]. Josephs Bruder und Nachfolger [[Leopold II. (HRR)|Leopold&nbsp;II.]] musste einen Teil der Reformen in den österreichischen Erblanden wieder zurücknehmen.
[[1805]] unterlag Österreich in der [[Dreikaiserschlacht]] bei [[Austerlitz]]. Es musste seine oberitalienischen Gebiete an das Königreich Italien und Vorarlberg und Tirol an Bayern abtreten. Als sich [[1806]] 16 deutsche Fürstenhäuser zum [[Rheinbund]] zusammenschlossen, legte Kaiser [[Franz II. (HRR)|Franz II.]] die Kaiserkrone nieder. Dies bedeutete das Ende des [[Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation|Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation]].


== Das „lange 19. Jahrhundert“ (1789–1914) ==
[[Bild:Friedrich_Wilhelm_III._(Preußen).jpg|thumb|right|[[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelm III.]]]]
Als historische Epoche hat das 19. Jahrhundert Überlänge, indem es jeweils mit umwälzenden Ereignissen auch für die Geschichte Deutschlands schon 1789 anfängt und erst 1914 endet. Den Auftakt bilden die [[Französische Revolution]] und [[Napoleon Bonaparte]]s zeitweilige Vorherrschaft über Europa; das Ende markiert der Ausbruch des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]], die „[[Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts]]“.<ref>[[Wolfgang J. Mommsen]]: ''Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914–1918'' (=&nbsp;''Handbuch der deutschen Geschichte'', Bd. 17), Klett-Cotta, Stuttgart 2002, ISBN 3-608-60017-5.</ref> Für Deutschland war dieses [[Langes 19. Jahrhundert|lange Jahrhundert]] jene Epoche, in der Freiheit und Einheit der Nation als Bürgerforderungen den deutschen Fürsten präsentiert wurden und in der [[Deutsche Revolution 1848/1849|Revolution 1848/49]] vorerst scheiterten, in der die [[Industrielle Revolution in Deutschland|industrielle Revolution]] neue wirtschaftliche, soziale und politische Strukturen hervorbrachte und in der mit Hilfe des preußischen Militärs unter [[Otto von Bismarck|Bismarcks]] politischer Leitung das Deutsche Kaiserreich zustande kam.


=== Vom Ende des Alten Reiches bis zum Scheitern Napoleons I. ===
Am [[16. Oktober]] [[1806]] kam es zur Niederlage Preußens in der [[Schlacht bei Jena und Auerstedt|bei Jena und Auerstedt]]. Napoleons Truppen rückten in Berlin ein. Im [[Frieden von Tilsit]] [[1807]] verlor Preußen die Hälfte seines Staatsgebietes und blieb nur auf russische Intervention als Staat erhalten. Eine Erhebung in [[Tirol]] durch [[Andreas Hofer]] wurde durch Napoleon niedergeschlagen.
[[Datei:HRR 1789.png|mini|Das Heilige Römische Reich am Vorabend der Französischen Revolution 1789]]


Die Französische Revolution wurde in ihrer Frühphase mit den Schlagworten von [[Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit]], der [[Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte]] und gewaltenteilender Verfassung auch in Deutschland teils enthusiastisch begrüßt. Man kannte und schätzte in gebildeten Kreisen französische Aufklärer wie [[Voltaire]], [[Charles de Secondat, Baron de Montesquieu|Montesquieu]] und [[Jean-Jacques Rousseau|Rousseau]]. Die Radikalisierung des Revolutionsgeschehens in Frankreich bis hin zur [[Terrorherrschaft]] mit dem Dauereinsatz der [[Guillotine]] gegen „Feinde des Volkes“ und Verdächtige führte außerhalb jedoch schnell zu weit überwiegender Ablehnung dieser Entwicklung. Die aus dem revolutionären Frankreich geflohenen adligen Emigranten schürten die gegenrevolutionäre Stimmung an den Höfen im Ausland. In der [[Pillnitzer Deklaration]] drohten Kaiser [[Leopold II. (HRR)|Leopold II.]] und König [[Friedrich Wilhelm II. (Preußen)|Friedrich Wilhelm II.]] von Preußen bereits mit militärischer Intervention zugunsten des französischen Königs [[Ludwig XVI.]] Die nachfolgenden [[Koalitionskriege]] gegen das französische Revolutionsheer brachten aber keinen durchschlagenden Erfolg. Vielmehr gelang es dem aus dessen Reihen hervorgegangenen General Napoleon Bonaparte, durch militärische Erfolge und politisches Geschick die Führung der Republik an sich zu reißen, sich zum [[Kaiserkrönung Napoleons I.|Kaiser der Franzosen zu krönen]] und durch die Gründung von [[Satellitenstaat]]en wie dem [[Königreich Westphalen]] (1807–1813) die politischen Verhältnisse in Deutschland in seinem Sinne neu zu ordnen.
In Preußen kam es zwischen 1807 und [[1813]] zu einer Reformbewegung unter [[Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom Stein|vom Stein]] und [[Karl August Fürst von Hardenberg|Hardenberg]]. Das Heer wurde durch [[Gerhard von Scharnhorst|Scharnhorst]] und [[August Graf Neidhardt von Gneisenau|Gneisenau]] reformiert und das [[Bildungswesen]] durch [[Wilhelm von Humboldt]].


Während die Franzosen als Nation in einem Staat geeint waren, bot das Heilige Römische Reich deutscher Nation eher ein Bild staatlicher Zersplitterung in die Territorien unterschiedlichster Größe der mehr als 300 [[Reichsstände]]. Als [[Kulturnation]] lediglich durch Sprache, Literatur und Geistesleben geeint, waren die Deutschen weit davon entfernt, eine Staatsnation zu bilden.<ref>Heinrich August Winkler konstatiert mit Blick auf das [[Ancien Régime]]: „Frankreich war ein absolutistischer und vergleichsweise zentralistischer Staat; das Reich war weder das eine noch das andere; es war überhaupt kein Staat.“ (''Der lange Weg nach Westen.'' Erster Band: ''Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik.'' 5. durchgesehene Auflage, München 2002, S.&nbsp;45).</ref> Für [[Johann Wolfgang von Goethe|Goethe]] war Deutschland nicht recht dingfest zu machen: „Wo das gelehrte beginnt, hört das politische auf.“<ref>Zitiert nach Hagen Schulze: ''Die Geburt der deutschen Nation.'' In: Hartmut Boockmann u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Mitten in Europa: Deutsche Geschichte''. Berlin 1984, S.&nbsp;219.</ref>
Nach der Niederlage Napoleons im [[Vaterländischer Krieg|Russlandfeldzug 1812]] kam es in Preußen zu Aufständen. Als der preußische General [[Johann David Ludwig Graf Yorck von Wartenburg|Yorck von Wartenburg]] im Dezember 1812 eigenmächtig einen Waffenstillstand mit Russland vereinbarte, verbündeten sich der preußische König auf Druck der Bevölkerung mit dem Zaren gegen Frankreich.


[[Datei:Jacques-Louis David - The Emperor Napoleon in His Study at the Tuileries - Google Art Project.jpg|mini|Napoleon Bonaparte (1769–1821)]]
Nach dem Beitritt Großbritanniens, Schwedens und Österreichs zum Bündnis wurde Frankreich in der [[Völkerschlacht bei Leipzig]] im Oktober [[1813]] entscheidend geschlagen. Die Rheinbundstaaten wechselten auf die Seite des neuen Bündnisses. Die [[Befreiungskriege]] gegen Napoleon führten in Deutschland zu einem neuen Nationalbewusstsein.
Mit dem [[Friede von Lunéville|Frieden von Lunéville]] 1801, der das ganze [[Linkes Rheinufer|linksrheinische Gebiet]] Frankreich angliederte und Kompensationsansprüche deutscher Reichsstände zur Folge hatte, wurde Napoleon zum „Schiedsrichter über Deutschland“. Seinem politischen Gestaltungsanspruch unterlag folglich auch der [[Reichsdeputationshauptschluss]] 1803, durch den die katholischen Fürsten in Deutschland im Zuge der [[Säkularisation]] und [[Mediatisierung]] fast alle ihre Besitzungen verloren. Gebietszuwächse erlangten dabei vor allem Preußen, Bayern, Württemberg und Baden.<ref>Heinrich August Winkler: ''Der lange Weg nach Westen.'' Erster Band: ''Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik.'' Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S.&nbsp;49.</ref> Kurz nachdem Napoleon sich 1804 zum Kaiser der Franzosen gemacht hatte, erklärte sich [[Franz II. (HRR)|Franz II.]] zum erblichen [[Kaiser von Österreich]], da er als [[römisch-deutscher Kaiser]] bedeutungslos geworden war.


Der Sieg Napoleons in der [[Schlacht bei Austerlitz]] 1805, die Gründung des [[Rheinbund]]s unter französischem [[Protektorat]] 1806 und die Niederwerfung Preußens durch Napoleon in der [[Schlacht bei Jena und Auerstedt]] sowie sein anschließender Einzug in Berlin setzten neue Rahmenbedingungen für die [[Franzosenzeit]] in Deutschland. Die Sonderformation der Rheinbundstaaten setzte den Schlusspunkt unter die Auflösung des Alten Reiches, da Franz II. als römisch-deutscher Kaiser nun auch formal abdankte. Der Rheinbund, über den Napoleon militärisch wie außenpolitisch gebot, folgte mit der Einführung des [[Code civil]] dem französischen Vorbild und wurde dabei je länger, desto deutlicher zu einem Instrument französischer Hegemonie im Dienste Napoleons.<ref>[[Thomas Nipperdey]]: ''Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat''. München 1983, S.&nbsp;19.</ref> Preußen verlor im [[Friede von Tilsit|Frieden von Tilsit]] die Besitzungen westlich der Elbe und fast alle Gebietszuwächse aus den [[Teilungen Polens]]: Es wurde nahezu halbiert. Diese Schwächungen bereiteten aber auch den Boden für die [[Preußische Reformen|Preußischen Reformen]] unter [[Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein]] und [[Karl August von Hardenberg]], von denen zumal die [[Preußische Heeresreform|Heeresreform]] ([[Gerhard von Scharnhorst]] und [[August Neidhardt von Gneisenau]]) sowie die Reformen in der Wirtschaft sowie dem Bildungswesen ([[Wilhelm von Humboldt]]) neue Kräfte wecken und neue Ressourcen erschließen sollten.
Im Frühjahr [[1814]] zogen die verbündeten Truppen in [[Paris]] ein. Napoleon wurde zur Abdankung gezwungen. Als er [[1815]] erneut in Frankreich die Macht an sich riss, besiegten ihn die Alliierten in der [[Schlacht bei Waterloo]] am [[18. Juni]] 1815 endgültig.


Weil Napoleon Deutschland hauptsächlich als imperiale Rekrutierungsbasis der [[Grande Armée]] behandelte und finanziell und wirtschaftlich ausbeuten ließ, schlugen anfängliche Bewunderung für den Korsen oder relative Gleichgültigkeit um in Abneigung, Verbitterung und Hass auf die französische Okkupationsmacht.<ref>Hagen Schulze: ''Die Geburt der deutschen Nation.'' In: Hartmut Boockmann u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Mitten in Europa: Deutsche Geschichte''. Berlin 1984, S.&nbsp;236.</ref> Die Verhängung der [[Kontinentalsperre]] gegen England durch Napoleon, die ein ausgedehntes Schmuggelwesen erzeugte, gegen das wiederum mit militärischen Mitteln repressiv vorgegangen wurde, ließ den allgemeinen Unmut weiter ansteigen. Man war ständig Kontrollen und Schikanen ausgesetzt, litt unter Teuerung und Versorgungsengpässen.<ref>Thomas Nipperdey: ''Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat''. München 1983, S.&nbsp;17 f.</ref>
=== Das 19. Jahrhundert ===


Erst nach Napoleons gescheitertem [[Russlandfeldzug 1812|Russlandfeldzug]] konnte 1813 durch eine Koalition der anderen europäischen Mächte die Napoleon verbliebenen Truppen geschlagen und die französische Vorherrschaft in Deutschland wie in Europa beendet werden. Das Signal für den Beginn der [[Befreiungskriege]] setzte der preußische General [[Ludwig Yorck von Wartenburg]], indem er am 30. Dezember 1812 ohne die Order seines noch mehrere Wochen zögerlichen Königs die [[Konvention von Tauroggen]] abschloss. Offiziell wurde die preußisch-russische Allianz Ende Februar 1813. Österreich trat erst [[Allianzverträge von Teplitz|im August 1813]] in den Krieg gegen Napoleon ein, trug aber zu dessen Niederlage in der [[Völkerschlacht bei Leipzig]] (16. bis 19. Oktober 1813) wesentlich bei. Nun sagten sich auch die Rheinbundstaaten von Napoleon los, und bis zum Jahresende [[Befreiungskriege#Zusammenbruch der Macht Napoleons in Europa|war ganz Deutschland befreit]].
==== Zeitalter der Restauration ====


''Hauptartikel:'' [[Deutscher Bund]]
=== Deutscher Bund und „Heilige Allianz“ (ab 1815) ===
{{Hauptartikel|Deutscher Bund|Heilige Allianz}}
[[Datei:Deutscher Bund.svg|mini|hochkant=1.5|Die 39 Bundesstaaten des Deutschen Bundes]]


Als die europäischen Mächte auf dem [[Wiener Kongress]] darangingen, die Hinterlassenschaft der Ära Napoleons auch in Deutschland neu zu ordnen, suchte man die Balance zu halten zwischen einer Zersplitterung, die als Machtvakuum Begehrlichkeiten der westlichen wie der östlichen Nachbarmächte Frankreich und Russland hätte wecken können, und einer national geeinten deutschen Großmacht, die ihrerseits auf Expansionskurs hätte gehen können.<ref>Thomas Nipperdey: ''Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat''. München 1983, S.&nbsp;89 f.; Hagen Schulze: ''Die Geburt der deutschen Nation.'' In: Hartmut Boockmann u.&nbsp;a.: ''Mitten in Europa: Deutsche Geschichte''. Berlin 1984, S.&nbsp;241.</ref> Als für alle akzeptable Neuschöpfung entstand so der [[Deutscher Bund|Deutsche Bund]], kein [[Bundesstaat (föderaler Staat)|Bundesstaat]], sondern ein [[Staatenbund]] aus 41 souveränen Mitgliedern mit einem in [[Frankfurt am Main]] tagenden ständigen Gesandtenkongress, dem [[Bundestag (Deutscher Bund)|Bundestag]], als einzigem gemeinsamen Organ. Mit den Königen von England, den Niederlanden und Dänemark waren einerseits auch ausländische Fürsten mit Territorialbesitz im Deutschen Bund vertreten; die Herrscher Österreichs und Preußens andererseits geboten zusätzlich über Gebiete außerhalb des Bundes.
[[Bild:Metternich.jpg|thumb|right|[[Klemens Wenzel Lothar Nepomuk von Metternich|Fürst von Metternich]]]]
Auf dem [[Wiener Kongress]] kam es unter der Leitung [[Klemens Wenzel Lothar Nepomuk von Metternich|Metternichs]] zur Neuordnung Europas. Ziel des Wiener Kongresses war die dauerhafte Sicherung des Friedens durch Schaffung eines neuen Gleichgewichts zwischen den Großmächten, aber auch die [[Restauration (Geschichte)|Restauration]] des alten politischen Systems. In der [[Heilige Allianz|Heiligen Allianz]] vereinbarten Österreich, Preußen und Russland, alle revolutionären und nationalstaatlichen Bewegungen zu bekämpfen.


[[Datei:Prince Metternich by Lawrence.jpeg|mini|hochkant|Clemens Wenzel von Metternich]]
Preußen erhielt das [[Rheinland]], [[Westfalen]] und den nördlichen Teil Sachsens, Österreich verzichtete auf die österreichischen Niederlande und bekam dafür [[Venetien]], die [[Lombardei]] und Gebiete auf dem [[Balkan]]. Frankreich konnte das Elsass behalten. Weiter wurde der [[Deutscher Bund|Deutsche Bund]] ins Leben gerufen, dem 39 souveräne Fürsten, darunter auch die Könige Großbritanniens, Dänemarks und der Niederlande, angehörten.
[[Datei:Frederick william 3.jpg|mini|hochkant|Friedrich Wilhelm III.]]


Der betont [[Restauration (Geschichte)|restaurative]] Charakter der Beschlüsse des Wiener Kongresses zeigte sich besonders in der von Zar [[Alexander I. (Russland)|Alexander I.]] initiierten [[Heilige Allianz|Heiligen Allianz]], in der die europäischen Herrscher einander Verbundenheit und wechselseitigen Beistand bezeugten und darin übereinstimmten, ihre Völker in väterlichem Sinne christlich und friedlich zu regieren. „Die Heilige Allianz ist kein Instrument realer Politik der europäischen Mächte, aber sie wird ein Symbol der konservativen, der antirevolutionären Restauration und Stabilisierungspolitik.“<ref>Thomas Nipperdey: ''Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat''. München 1983, S.&nbsp;100.</ref> In der politischen Praxis gingen die beiden Großmächte innerhalb des Deutschen Bundes, Österreich mit [[Klemens Wenzel Lothar von Metternich|Metternich]] an der Spitze und Preußen, besonders entschieden auf Restaurationskurs. So löste [[Friedrich Wilhelm III. (Preußen)|Friedrich Wilhelm&nbsp;III. von Preußen]] zur allgemeinen Enttäuschung aller Reformanhänger sein wiederholtes Versprechen nicht ein, Preußen zu einem Staat mit Verfassung zu machen, während in Süddeutschland eine ganze Reihe von [[Verfassungsstaat]]en entstanden. Das hatten sich viele der Freiwilligen anders vorgestellt, die für Freiheit und Einheit des Vaterlands in die Befreiungskriege gezogen waren.
Beschlussorgan des Deutschen Bundes war der [[Bundestag (Deutscher Bund)|Bundestag]], der unter österreichischem Vorsitz in [[Frankfurt am Main]] tagte. Die Wünsche der Bevölkerung nach Schaffung eines einheitlichen deutschen Nationalstaates wurden von den Fürsten nicht berücksichtigt.


Die Proteststimmung konzentrierte sich in den studentischen [[Burschenschaft]]en und kam in öffentlichen Manifestationen zum Ausdruck, so beim [[Wartburgfest]] 1817, wo neben den Forderungen nach nationaler Einheit und konstitutioneller Freiheit auch solche gegen den Polizeistaat und die feudale Gesellschaft geäußert wurden. Die Ermordung des Schriftstellers [[August von Kotzebue]], der die Burschenschaften verspottet und die russische Regierung mit Berichten über [[Jakobiner|jakobinische]] Tendenzen an deutschen Universitäten versorgt hatte, durch den Theologiestudenten [[Karl Ludwig Sand]] sowie ein weiteres Attentat mit burschenschaftlich-radikalem Hintergrund wurden zum Anlass für die von Metternich betriebenen [[Karlsbader Beschlüsse]] 1819.
Nach der Ermordung des Schriftstellers [[August von Kotzebue]] [[1819]] ließ Metternich in den [[Karlsbader Beschlüsse]]n die [[Burschenschaft]]en und alle anderen politischen Vereinigungen verbieten und führte eine umfassende Zensur ein. Letztlich konnte er aber nicht das weitere Erstarken der deutschen Nationalbewegung in der Zeit des so genannten [[Vormärz]] verhindern. [[1817]] versammelten sich zahlreiche Studenten auf dem so genannten [[Wartburgfest]]. Bestärkt durch die [[Julirevolution]] in Frankreich fand die Bewegung im [[Hambacher Fest]] vom 27. bis 30. Mai 1832 mit 30.000 Teilnehmern einen neuen Höhepunkt.


Zeitgleich zu den Verhandlungen in Karlsbad kam es im August 1819 in vielen Städten und Ortschaften des Deutschen Bundes, insbesondere in [[Geschichte der Stadt Würzburg|Würzburg]], [[Geschichte von Frankfurt am Main|Frankfurt]] und [[Geschichte Hamburgs|Hamburg]], zu massiven [[Antijudaismus|antijüdischen]] Ausschreitungen. Die [[Hep-Hep-Krawalle]] gelten als größter überregionaler Aufruhr der Restaurationsphase bis zur Revolution von 1848.<ref>Vgl. hierzu [[Werner Bergmann (Soziologe)|Werner Bergmann]]: ''Tumulte – Excesse – Pogrome: Kollektive Gewalt gegen Juden in Europa 1789–1900''. Göttingen 2020, S. 137–183.</ref> Die rasche Durchsetzung der Karlsbader Beschlüsse wurde durch die Krawalle beschleunigt, weil die Regierungsbehörden hinter den eigentlich gegen die [[Jüdische Emanzipation]] gerichteten sozialen Protesten „revolutionäre Umtriebe“ vermuteten. Die Beschlüsse von Karlsbad führten zum Verbot der Burschenschaften, zur Überwachung der Universitäten auch hinsichtlich staatsfeindlicher Lehre, zu ausgedehnter Zensur von Druckerzeugnissen und zur „Exekutionskompetenz gegen widerspenstige oder revolutionäre [[Gliedstaat]]en“ des Deutschen Bundes. „Indem jede freie Bewegung abgewürgt und unterdrückt wurde, konnte sich kein politisches Leben, Öffentlichkeit und Verantwortung bilden, keine großen Ziele und keine konkreten Aufgaben, kein freies Wechselspiel der verschiedenen Kräfte.“<ref>Thomas Nipperdey: ''Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat''. München 1983, S.&nbsp;285.</ref>
Wirtschaftlich wurde Deutschland durch den am [[1. Januar]] [[1834]] gegründeten [[Deutscher Zollverein|Deutschen Zollverein]] geeint. Die einsetzende [[Industrialisierung]] und der Bau der ersten Eisenbahnlinien brachten einen wirtschaftlichen Aufschwung mit sich.


Das deutsche Leben wurde in die [[Innerlichkeit]] abgedrängt, in Kunstverehrung, Wissenschaft oder Geschichte, in eine weitgehende [[Entpolitisierung]] jedenfalls. Bürger, die ihre politische Protesthaltung nicht im Untergrund hochhalten oder theoretisch vertiefen wollten, widmeten sich verstärkt dem Privatleben in Haus und Familie. Kleinheit, Überschaubarkeit und Gemütlichkeit gehörten zum [[Biedermeier]]-Ambiente und prägten das Zusammenleben. Der gemeinsame Sonntagsspaziergang der Familie wurde im bürgerlichen Milieu nun ebenso üblich wie der [[Weihnachtsbaum]], das [[Weihnachtslied]]ersingen und die [[Hausmusik]] im kleinen Kreis.<ref>Hagen Schulze: ''Die Geburt der deutschen Nation.'' In: Hartmut Boockmann u.&nbsp;a.: ''Mitten in Europa: Deutsche Geschichte''. Berlin 1984, S.&nbsp;249&nbsp;f.</ref>
==== Revolution von 1848 ====


=== Vormärz und Revolution 1848/49 ===
''Hauptartikel:'' [[Märzrevolution]]
[[Datei:Maerz1848 berlin.jpg|mini|Jubelnde Revolutionäre nach Barrikadenkämpfen in [[Berlin]] am 19. März 1848, im Hintergrund das [[Berliner Schloss]]]]
[[Datei:Frankfurt Nationalversammlung 1848.jpg|mini|[[Frankfurter Nationalversammlung|Nationalversammlung]] 1848/1849 in der [[Frankfurter Paulskirche]]]]
[[Datei:Germany concepts 01 DE.svg|mini|Deutschlandkonzepte 1848–1867: Begriffe]]
[[Datei:Bilderrevolution0399.jpg|mini|hochkant|Erzherzog [[Johann von Österreich]], 1848/49 [[Reichsverweser 1848/1849|Reichsverweser]] des [[Deutsches Reich 1848/1849|Deutschen Reiches]]]]
{{Hauptartikel|Vormärz|Deutsche Revolution 1848/1849}}


Die [[Julirevolution von 1830]] in Frankreich hatte [[Europäisches Revolutionsjahr 1830|europaweit Auswirkungen]]. So führte der vergebliche [[Novemberaufstand]] 1830–1831 in Polen gegen Russlands Vorherrschaft zu einem polnischen Emigrantenstrom nach Westen. In Deutschland löste sich die zwischenzeitliche Erstarrung des politischen Lebens. Eine deutliche Manifestation wiedererwachten öffentlichen Eintretens für Freiheit und Einheit war das [[Hambacher Fest]] 1832, wo im Zeichen schwarz-rot-goldener Fahnen unter dem Jubel der Menge Bekenntnisse zu einem geeinten, demokratisch-republikanischen Deutschland abgelegt wurden.<ref>Heinrich August Winkler: ''Der lange Weg nach Westen.'' Erster Band: ''Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik.'' Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S.&nbsp;80–82.</ref> Zwar blieben repressive Reaktionen nicht aus, aber es zeigte sich darin wie auch im Professoren-Widerstand der [[Göttinger Sieben]] 1837, dass das fortbestehende Regime der Karlsbader Beschlüsse nicht überall durchschlug.
Die [[Februarrevolution 1848]] in Frankreich führte in den deutschen Staaten zur [[Märzrevolution]]. In Österreich kam es zu Straßenkämpfen. Am [[13. März]] trat Metternich zurück und floh nach Großbritannien.


In der [[Rheinkrise]] 1840, ausgelöst durch französische Ambitionen auf linksrheinische deutsche Territorien, fanden Bürger und Regierende in nationalem Selbstbehauptungsstreben zusammen. Das [[Kölner Dombaufest 1848|Kölner Dombaufest]] 1842 inszenierte [[Friedrich Wilhelm IV.]] von Preußen „als Bekenntnis zu deutscher Größe und zur Versöhnung der Konfessionen im Zeichen eines gemeinsamen kulturellen Erbes“, jedoch ohne die Bereitschaft, sein verfassungsloses „väterliches Regiment“ in Frage stellen zu lassen.<ref>Heinrich August Winkler: ''Der lange Weg nach Westen.'' Erster Band: ''Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik.'' Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S.&nbsp;86 u. 89.</ref> Neben uneingelösten politischen Forderungen im Bürgertum waren für die Destabilisierung der Ordnung des Deutschen Bundes im [[Vormärz]] auch soziale Missstände ursächlich. Dem Bevölkerungswachstum zwischen 1815 und 1848 von 22 auf 35 Millionen Menschen (+59 Prozent) stand keine auch nur annähernd proportionale Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gegenüber, mit der Folge einer desolaten Versorgungslage. [[Pauperismus]] steht als Begriff und Zustandsbeschreibung für das Elend dieser Zeit. Kartoffelfäule und Getreidemissernten verschlechterten die Lage ab 1845 zusätzlich.<ref>Hagen Schulze: ''Die Geburt der deutschen Nation.'' In: Hartmut Boockmann u.&nbsp;a.: ''Mitten in Europa: Deutsche Geschichte''. Berlin 1984, S.&nbsp;254 u. 261.</ref>
Kaiser [[Ferdinand I. (Österreich)|Ferdinand]] erließ im April 1848 eine Verfassung und gewährte dem Volk eine bewaffnete Bürgerwehr. In Ungarn, Italien und den slawischen Gebieten kam es zu Aufständen, die aber von den Truppen des Kaisers niedergeschlagen wurden.


Aus diesen Gründen gab es bereits eine breit gestreute Unzufriedenheit und Auflehnungsbereitschaft gegen die bestehenden Verhältnisse als die [[Februarrevolution 1848]], erneut von Paris ausgehend, in Europa Wellen schlug. In Wien wurde am 13. März Metternichs Rücktritt erzwungen, während der Kaiserhof seinen Sitz vorübergehend nach [[Innsbruck]] verlegte. In Berlin reagierte Friedrich Wilhelm IV. auf Barrikadenkämpfe und Revolutionstote in der [[Deutsche Revolution 1848/1849#Revolutionäre Entwicklung 1848|Märzrevolution]] mit einem Aufruf, der Volksvertretungen auf ständischer Grundlage befürwortete, der mit der Formel schloss: „Preußen geht fortan in Deutschland auf.“<ref>Zitiert nach Heinrich August Winkler: ''Der lange Weg nach Westen.'' Erster Band: ''Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik.'' Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S.&nbsp;103.</ref> Die Regierungen in Deutschland ernannten liberale „[[Märzregierung]]en“, die wiederum entsprechend neue Gesandte in den Bundestag schickten. 500 Liberale und Demokraten aus ganz Deutschland bildeten am 31. März in Frankfurt am Main ein [[Vorparlament]], das den erneuerten Bundestag beriet.
Der preußische König [[Friedrich Wilhelm IV. (Preußen)|Friedrich Wilhelm IV.]] gestattete auf Druck der Bevölkerung die Ausarbeitung einer Verfassung und gestand den Bürgern [[Versammlungsfreiheit|Versammlungs-]] und [[Pressefreiheit]] zu. Kleinere Staaten wie Baden versuchten, Unruhen durch die Berufung liberaler und nationaler Regierungsmitglieder vorzubeugen. Dennoch wurden im weiteren Verlauf der Revolution gerade Sachsen und Baden zu Zentren radikaldemokratischer Aufstände.


Der Bundestag ließ ein gesamtdeutsches Parlament wählen,<ref>Manfred Botzenhart: ''Deutscher Parlamentarismus in der Revolutionsszeit 1848–1850.'' Droste Verlag, Düsseldorf 1977, S. 122–124.</ref> die [[Frankfurter Nationalversammlung]]. Sie sollte einen Verfassungsentwurf für einen deutschen Bundesstaat erarbeiten, doch setzte schon im Juni 1848 eine vorläufige Reichsregierung ein, die [[Provisorische Zentralgewalt]], die auch von den Staaten anerkannt wurde.<ref>Ralf Heikaus: ''Die ersten Monate der provisorischen Zentralgewalt für Deutschland (Juli bis Dezember 1848).'' Diss. Frankfurt am Main, Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 1997, S. 48/49.</ref> Außerdem erließ die Nationalversammlung [[Reichsgesetzgebung 1848/1849|Reichsgesetze]] und gab den Bau der [[Reichsflotte|ersten gesamtdeutschen Flotte]] in Auftrag. Denn mittlerweile befand sich Deutschland im [[Schleswig-Holsteinische Erhebung|Krieg mit Dänemark um Schleswig-Holstein]].<ref>Ernst Rudolf Huber: ''Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band II: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850.'' 3. Auflage, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart [u. a.] 1988, S. 669.</ref>
Anfang Mai fanden in allen Staaten Wahlen zu einer [[Deutsche Nationalversammlung|Deutschen Nationalversammlung]] statt. Diese wurden jedoch nur in sechs Staaten direkt gewählt. In allen anderen Staaten wurde ein indirektes Verfahren über Wahlmänner angewandt.


Der deutsche Bundesstaat sollte ursprünglich die Grenzen des Deutschen Bundes haben, zuzüglich der preußischen Ostprovinzen und Schleswigs. Das hätte eine [[großdeutsche Lösung]] bedeutet, weil große Teile Österreichs zum Bundesgebiet gehört hatten. Diese weithin begrüßte Lösung erwies sich aber als unmöglich, als die österreichische Monarchie im Herbst 1848 wieder erstarkte. Im März 1849 war überdeutlich, dass das zentralistische Österreich es nicht erlauben würde, dass nur Teile sich einem deutschen Bundesstaat anschlossen. Außerdem gab der preußische König Friedrich Wilhelm IV. nur undeutliche Signale, ob er eine deutsche Kaiserkrone eines Kleindeutschland annehmen würde. Innerlich lehnte er sie sowieso ab, weil er lieber von den übrigen Fürsten zum Kaiser ausgerufen werden wollte.<ref>Ernst Rudolf Huber: ''Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band II: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850.'' 3. Auflage, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart [u. a.] 1988, S. 811/812. David E. Barclay: ''Frederick William IV and the Prussian Monarchy, 1840–1861.'' Oxford University Press, Oxford 1995, S. 194.</ref>
Im [[Frankfurter Nationalversammlung|Parlament]] waren sowohl konservative Monarchisten als auch Liberale und Republikaner vertreten. Während Akademiker und das Bildungsbürgertum stark vertreten waren, hatten Arbeiter und Bauern im Parlament keine Vertreter.


Trotzdem wählte die Nationalversammlung den preußischen König zum Kaiser. Im Laufe des April 1849 erfolgte erst eine vorläufige, dann eine endgültige Ablehnung. Der König verbot daraufhin, wie auch andere Fürsten, seinen Untertanen rechtswidrig die Mitgliedschaft in der Nationalversammlung. Ein Teil der Abgeordneten machte dennoch weiter; viele von ihnen sind dafür verfolgt worden.<ref>Bernhard Mann: ''Das Ende der Deutschen Nationalversammlung im Jahre 1849.'' In: Historische Zeitschrift, Band 214, Heft 2 (April 1972), S. 265–309, hier S. 291–296. Ernst Rudolf Huber: ''Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band II: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850.'' 3. Auflage, W. Kohlhammer, Stuttgart [u. a.] 1988, S. 858, 860.</ref> Die im Zusammenhang mit einer [[Reichsverfassungskampagne]] stehenden Maiaufstände [[Dresdner Maiaufstand|in Dresden]], [[Pfälzischer Aufstand|in der Rheinpfalz]] und [[Badische Revolution|in Baden]] wurden allerdings niedergeschlagen; die letzten Revolutionäre ergaben sich am 23. Juli in der [[Festung Rastatt]].
Am [[18. Mai]] kam es zur Bildung einer vorläufigen Zentralregierung unter der Leitung eines [[Reichsverweser]]s. Die Regierung wurde von den deutschen Fürsten anerkannt, war wegen fehlender eigener Armee, Polizei und Beamtenschaft aber weitgehend machtlos.


Der verbleibende Ertrag und wesentliche [[Rezeption der Frankfurter Reichsverfassung|Rezeptionsaspekte]] der gescheiterten Revolution von 1848/49 lagen vornehmlich auf der Verfassungsebene: Zum einen kam nun auch in Preußen der [[Preußische Verfassung (1848/1850)|Konstitutionalisierungsprozess]] in Gang. Zum anderen wurden mit der am 28. März 1849 kurzzeitig in Kraft getretenen [[Paulskirchenverfassung]] etwa bezüglich der [[Grundrechte des deutschen Volkes|Grundrechte]] und der [[Föderalismus|Bundesstaatlichkeit]] erstmals für Deutschland Normen gesetzt, die später in der [[Weimarer Verfassung]] von 1919 und im [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland]] von 1949 verwirklicht wurden.
Die Nationalversammlung musste nun die Grenzen eines zukünftigen deutschen Nationalstaates festlegen. Favorisiert wurde zuerst die so genannte [[großdeutsche Lösung]]. Da Österreich aber nur unter Einschluss seines gesamten Gebietes dazu bereit war, entschied man sich für die [[kleindeutsche Lösung]]. Diese sah die Bildung eines deutschen Staates unter Ausschluss Österreichs vor.


Ob die Niederlage des deutschen Liberalismus 1848/49 in einen [[Deutscher Sonderweg|deutschen Sonderweg]] mündete, der Deutschland weg von freiheitlichen Traditionen des [[Westliche Welt|Westens]] und letztlich in den [[Zivilisationsbruch]] der [[Zeit des Nationalsozialismus|NS-Zeit]] führte, wird in der Geschichtswissenschaft kontrovers diskutiert.<ref>vgl. [[Karl Dietrich Bracher]]: ''Der deutsche Sonderweg – Mythos oder Realität.'' Oldenbourg, München 1982; [[Jürgen Kocka]]: ''Bürgertum und Sonderweg.'' In: [[Peter Lundgreen]] (Hrsg.): ''Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums. Eine Bilanz des Bielefelder Sonderforschungsbereichs 1986–1997''. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, S. 93–110; [[Heinrich August Winkler]]: ''Der lange Weg nach Westen. Band II: Deutsche Geschichte vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung. 1933–1990''. C.H. Beck, München 2000, S. 640–648.</ref>
Am [[28. März]] [[1849]] wurde die sogenannte [[Paulskirchenverfassung]] verabschiedet, die einen Bundesstaat mit zentraler Regierung unter Leitung eines erblichen Kaisertums und einem Reichtag als Legislative vorsah. Weiter wurde ein allgemeines Wahlrecht vereinbart.


=== Industrialisierung und preußisch-österreichischer Dualismus (1850–1866) ===
Nachdem der preußische König Friedrich Wilhelm IV. am [[2. April]] die Kaiserkrone ablehnte, zogen die meisten deutschen Staaten ihre Abgeordneten aus Frankfurt zurück. Aufstände in [[Dresden]], der Pfalz und Baden zur Erzwingung der Verfassung wurde niedergeschlagen.
{{Hauptartikel|Industrielle Revolution in Deutschland|Deutscher Dualismus}}
Mit dem doppelten Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung erst an der österreichischen, dann auch an der preußischen [[Reaktion (Politik)|Reaktion]] waren nun auch die von der Revolution inspirierten liberalen Verfassungen hinfällig und wurden in der nun folgenden [[Reaktionsära]] durch obrigkeitsgefälligere Modelle abgelöst. Erst während der sogenannten [[Neue Ära (Preußen)|Neuen Ära]] Ende der 1850er Jahre gewannen erneut liberale Ansätze in der Politik an Bedeutung. Zu einem Dauerkonflikt für anderthalb Jahrzehnte wurde die Rivalität der beiden Großmächte um die Führungsrolle in Deutschland. Wirtschaftspolitische Voraussetzungen und Entwicklungsprozesse spielten dabei eine wichtige, die preußischen Ambitionen letztlich begünstigende Rolle.


[[Datei:Lebensgeschichte einer Lokomotive - Lokomotivbau - Paul Friedrich Meyerheim - Deutsches Technikmuseum - cropped-4813.jpg|mini|hochkant|Lokomotivbau bei [[Borsig (Unternehmen)|Borsig]]]]
Eine Minderheit der Abgeordneten widersetzte sich einer Abberufung und tagte in [[Stuttgart]] weiter. Die letzten Revolutionäre ergaben sich am [[23. Juli]] in [[Rastatt]]. Die Verfassung konnte somit nie in Kraft treten. Zahlreiche in der Folge politisch Verfolgte wanderten vor allem nach [[Amerika (Kontinent)|Amerika]] aus.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts kam die [[Industrielle Revolution in Deutschland]] verstärkt zum Zuge. Mit dem [[Deutscher Zollverein|Deutschen Zollverein]] von 1834 waren über Preußen hinausgehend elementare Voraussetzungen zur Herstellung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes geschaffen, in dem sich künftig auch politische Interessen bündeln ließen. Das industrielle Wachstum wurde durch einen mobilen Kapitalmarkt und weiträumige Märkte gefördert, die durch verbesserte Transportwege und Nachrichtenkommunikation erschlossen wurden.<ref>Heinrich Lutz: ''Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866.'' Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S.&nbsp;94.</ref> Maßgeblichen Anteil an dem sich beschleunigenden Industrialisierungsprozess hatte das energisch vorangetriebene [[Geschichte der Eisenbahn in Deutschland|Eisenbahnwesen]], sei es beim Auf- und Ausbau des Schienennetzes oder bei der Herstellung von Lokomotiven, wie zum Beispiel in den [[Borsig (Unternehmen)|Borsigwerken]]. Im Ergebnis wurden die Transportkosten um bis zu 80&nbsp;Prozent gesenkt und die allgemeine Mobilität gestärkt. Für Bodenschätze, Ernteerträge und Massenwaren konnten nun größere Märkte erschlossen werden. Ab der Jahrhundertmitte wurden Aktienbanken für die Finanzierung von Industrie und Handel typisch.<ref>[[Heinrich Lutz (Historiker)|Heinrich Lutz]]: ''Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866.'' Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S.&nbsp;97 und 99.</ref>


[[Datei:Kemna Lokomotiven.jpg|mini|206x206px|Viele deutsche Unternehmen, wie die Dampfmaschinenfabrik [[Kemna Bau|J. Kemna]], wurden nach dem Vorbild englischer Fabriken gegründet. ]]
==== Reaktionszeit und Einigungskriege ====
Der durch die Industrialisierung angestoßene Strukturwandel verlief in Preußen in mehrerer Hinsicht dynamischer als in Österreich. Neben ein höheres Bevölkerungswachstum auf preußischer Seite trat eine beschleunigt veränderte Beschäftigungssituation: Während in Österreich erst am Ende des 19. Jahrhunderts weniger als 60&nbsp;Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig waren, bestand dieses Verhältnis in den außerösterreichischen Gebieten des Deutschen Bundes mehr als ein halbes Jahrhundert früher. „Die Standortnachteile bei Kohle und Eisen, das Fehlen verkohlbarer Kohle, die ungünstigen Verkehrsverhältnisse und vor allem die wesentlich geringere durchschnittliche Produktivität und Kaufkraft schon im Bereich des Agrarsektors – 40 Gulden pro Kopf und Jahr in der Monarchie, 78 Gulden im Zollverein (1852) – hatte ein unaufhaltsames Zurückfallen der österreichischen Wirtschaft zur Folge.“<ref>Heinrich Lutz: ''Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866.'' Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S.&nbsp;327 f.</ref>


Bis um 1865 blieb aber die österreichische Diplomatie darin erfolgreich, die preußischen Ambitionen auf eine mindestens gleichrangige Führungsrolle in Deutschland abzuwehren. Während Preußen unmittelbar nach der gescheiterten Revolution mit der Bildung einer [[Dreikönigsbündnis|kleindeutschen Union]] unter preußischer Führung ([[Erfurter Union]]) durchzudringen suchte, setzte Österreich auf Wiederherstellung des Deutschen Bundes und hatte dabei Russlands Unterstützung. Mit der [[Olmützer Punktation]] nahm Preußen von einer militärischen Auseinandersetzung Abstand und kehrte in den Deutschen Bund mit Österreich als ''Präsidialmacht'' zurück. Das österreichische Streben nach Schaffung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsraums durch Beteiligung an Preußens Zollverein scheiterte jedoch am preußischen Widerstand und daran, dass die deutschen Mittelstaaten sich politisch zwar eher an Österreich hielten, wirtschaftlich aber vom Verbund mit Preußen profitierten.<ref>Thomas Nipperdey: ''Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat''. München 1983, S.&nbsp;670 f. und 684–687.</ref>
''Hauptartikel:'' [[Vom Heiligen Römischen Reich zum Deutschen Kaiserreich]]


[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-R15449, Otto von Bismarck.jpg|mini|hochkant|Otto von Bismarck, um 1862]]
In der Folge wurden während der Revolution gemachte Zugeständnisse rückgängig gemacht. In Österreich errichtete [[Schwarzenberg (Vorarlberg)|Schwarzenberg]] ein neoabsolutistisches Regime. Andererseits blieben einige Errungenschaften wie die Verfassungen und die Gewerbefreiheit erhalten.


Dass das Präsidieren im Deutschen Bund der äußeren Machtstellung Österreichs nichts nützte, wenn Preußen sich verweigerte, zeigte sich sowohl im [[Krimkrieg]] als auch im [[Sardinischer Krieg|Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieg]], der für Österreich mit dem Verlust der [[Lombardei]] endete. Auch die vorübergehende Schwächung Preußens durch den inneren [[Preußischer Verfassungskonflikt|Konflikt um Heeresreform und Verfassung]] konnte Österreich gegen den Widerstand des nunmehr zum [[Ernennung Otto von Bismarcks zum preußischen Ministerpräsidenten|preußischen Ministerpräsidenten berufenen]] [[Otto von Bismarck]] nicht zur Festigung des Führungsanspruchs im Deutschen Bund nutzen. Bismarck formulierte ein kampfbetontes Programm: „Preußens Grenzen nach den Wiener Verträgen sind zu einem gesunden Staatsleben nicht günstig; nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen –, sondern durch [[Blut und Eisen]].“<ref>Zitiert nach Heinrich Lutz: ''Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866.'' Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S.&nbsp;436.</ref>
[[1850]] wurde der Deutsche Bund wiedergegründet. Nach der Zulassung von politischen Zusammenschlüssen [[1860]] entstanden in Deutschland neue Parteien und Gewerkschaften. [[1863]] gründete [[Ferdinand Lassalle]] den [[Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein|Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein]], der schließlich in der bis heute bestehende [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|Sozialdemokratische Partei Deutschlands]] (SPD) aufging.


Den [[Deutsch-Dänischer Krieg|Krieg gegen Dänemark]] um Schleswig führten beide Mächte 1864 gemeinsam und einigten sich danach auch in der Folgenregelung: Nach zunächst gemeinsamer Zuständigkeit für beide Herzogtümer kam Holstein 1865 unter österreichische, Schleswig unter preußische Verwaltung. Seit Anfang 1866 betrieb Bismarck in der Holstein-Frage eine auf Konfliktschürung angelegte Politik, die Preußens Führung in Deutschland zum Ziel hatte. Durch eine Allianz mit Italien und die Erlangung der Neutralität [[Napoleon III.|Napoleons III.]] konnte Bismarck auch [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm I.]] für den Waffengang gegen Österreich gewinnen, das von den übrigen deutschen Staaten keine durchschlagende militärische Unterstützung erhielt. In dem knapp sechswöchigen [[Deutscher Krieg|Deutschen Krieg]] besiegte das preußische Lager zunächst die Österreich verbundenen deutschen Mittelmächte und in der [[Schlacht bei Königgrätz]] dann auch das österreichische Heer selbst. Um ein französisches Eingreifen zu vermeiden, begnügte sich Preußen im anschließenden Friedensschluss mit Österreichs Verzicht auf Mitwirkung in den deutschen Angelegenheiten, mit der endgültigen Auflösung des Deutschen Bundes sowie mit der Gründung eines [[Norddeutscher Bund|Norddeutschen Bundes]] unter Führung Preußens nördlich der [[Mainlinie (Politik)|Mainlinie]]. Die süddeutschen Staaten erhielten die Möglichkeit, sich zu einem [[Süddeutscher Bund|Südbund]] zusammenzuschließen, der allerdings nicht verwirklicht wurde.<ref>Heinrich Lutz: ''Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866.'' Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S.&nbsp;466 f.</ref>
[[Bild:Otto_von_Bismarck.jpg|thumb|right|[[Otto von Bismarck]]]]


=== Norddeutscher Bund und Kaiserreich im Zeichen Bismarcks (1866–1890) ===
[[1859]] begann der [[Preußischer Verfassungskonflikt|Preußische Verfassungskonflikt]], der
[[Datei:Kaiser Wilhelm I. .JPG|mini|[[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm&nbsp;I.]]]]
1862 zur Ernennung von [[Otto von Bismarck]] zum preußischen Ministerpräsidenten und zu einer Stärkung des Königs gegenüber dem Parlament führte.
{{Hauptartikel|Norddeutscher Bund|Deutsches Kaiserreich}}


Die Verfassung des Norddeutschen Bundes wie auch die unter preußischer Führung betriebene Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik nahmen das nachfolgende Kaiserreich in mancher Beziehung voraus bzw. zielten darauf hin. Wie in der nachmaligen [[Bismarcksche Reichsverfassung|Verfassung des Kaiserreichs]] gab es einen Bundesrat mit starkem preußischen Übergewicht, einen Kanzler Bismarck, der in Personalunion die Funktionen des preußischen Ministerpräsidenten und des Außenministers vereinte, sowie einen Reichstag als Entscheidungsorgan über Gesetzgebung und Staatshaushalt. Die Anbindung der süddeutschen Staaten an den Weltmarkt war wesentlich auf die Nutzung preußischer Eisenbahnen und Wasserwege angewiesen. Durch Zollverein und zentralisierte Gesetzgebung wurde der wirtschaftliche und rechtliche Rahmen in den Mitgliedsstaaten des Norddeutschen Bundes vereinheitlicht.<ref>Michael Stürmer: ''Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918.'' Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S.&nbsp;155.</ref>
[[1864]] kam es zum [[deutsch-dänischer Krieg|Krieg]] Preußens und Österreichs gegen Dänemark. Auslöser war die Annexion Schleswigs durch Dänemark. Mit Zustimmung der europäischen Großmächte eroberten beide deutsche Staaten die Herzogtümer Holstein und Schleswig zurück.


Zum Frankreich [[Napoleon III.|Napoleons III.]], der für seine Neutralität im [[Deutscher Krieg|Preußisch-Österreichischen Krieg]] und für die Hinnahme von Preußens Machtzuwachs wenigstens mit [[Luxemburg]] hatte abgefunden werden wollen – was vor allem an England scheiterte –, bestanden zunehmend Spannungen, die hinsichtlich der spanischen Thronfolge eskalierten, als ein Kandidat aus dem Hause Hohenzollern, [[Leopold von Hohenzollern]], dafür im Gespräch war. Die von Bismarck redigierte [[Emser Depesche]] provozierte Frankreichs Kriegserklärung. Auch im [[Deutsch-Französischer Krieg|Deutsch-Französischen Krieg]] von 1870/71 behielt das preußische Militär die Oberhand ([[Schlacht von Sedan]]) und schuf damit die Voraussetzungen zur [[Deutsche Reichsgründung|Gründung]] des [[Deutsches Reich|Deutschen Kaiserreiches]], die mit der Krönung [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelms I.]] zum [[Deutscher Kaiser|Deutschen Kaiser]] im [[Spiegelsaal von Versailles]] am 18. Januar 1871 vollzogen wurde. Nicht nur das mussten die Franzosen hinnehmen, sondern im [[Friede von Frankfurt|Frieden von Frankfurt]] als Kriegsverlierer zudem die Annexion von [[Reichsland Elsaß-Lothringen|Elsaß-Lothringen]] sowie [[Reparationen]] in Höhe von fünf Milliarden [[Goldfranken]].
Den [[1866]] folgenden [[Deutsch-Österreichischer Krieg|Deutsch-Österreichischen Krieg]] gegen Österreich konnte Preußen durch seinen Sieg bei [[Königgrätz]] für sich entscheiden. Es annektierte [[Hannover (Land)|Hannover]], [[Herzogtum Nassau|Nassau]], [[Hessen-Kassel|Kurhessen]], [[Schleswig-Holstein]] und die [[Freie Stadt Frankfurt|Frankfurt]].


[[Datei:Deutsches Reich (1871-1918)-de.svg|mini|Das Deutsche Reich 1871]]
Darüber hinaus wurde der [[Norddeutscher Bund|Norddeutsche Bund]] unter Führung Preußens gegründet. Damit schied Österreich aus Deutschland aus. Die Unabhängigkeit Bayerns, Württembergs und Badens wurde auf Drängen Frankreichs anerkannt.
[[Datei:Berlin Nationaldenkmal Kaiser Wilhelm mit Schloss 1900.jpg|mini|[[Berliner Schloss]], Hauptresidenz der Hohenzollern]]


Vor allem die süddeutschen Staaten [[Königreich Württemberg|Württemberg]] und [[Königreich Bayern|Bayern]] ließen sich ihre Einbeziehung in das Kaiserreich mit [[Reservatrechte (Deutsches Kaiserreich)|Reservatrechten]] abgelten. Diese betrafen unter anderem Bier- und Branntweinsteuern sowie die Post- und Eisenbahnverwaltungen.<ref>Zitiert nach Heinrich August Winkler: ''Der lange Weg nach Westen.'' Erster Band: ''Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik.'' Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S.&nbsp;209.</ref> Das deutsche Volk kam mit der [[Reichstagswahl 1871|Reichstagswahl]] vom 3. März 1871 erst ins Spiel, als die Weichen bereits gestellt waren. Die politische Orientierung und Interessenartikulation der Bürger vermittelten die [[Politische Partei|Parteien]], die in Deutschland von weltanschaulichen Grundsätzen geprägt waren und seit der Revolution 1848/49 ein Fünfparteiensystem aus [[Konservatismus|Konservativen]], rechten und linken [[Liberalismus|Liberalen]], [[Römisch-katholische Kirche|Katholizismus]] und [[Sozialismus|Sozialisten]] bildeten.<ref>Thomas Nipperdey: ''Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie.'' 2. Aufl., München 1993, S.&nbsp;312.</ref>
Im Anschluss kam es zu Spannungen zwischen Frankreich und Preußen. Anlass für den [[deutsch-französischer Krieg|deutsch-französischen Krieg]] von [[1870]]/[[1871|71]] war die Kandidatur [[Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen|Leopolds von Hohenzollern]] auf den spanischen Königsthron. Bismarck provozierte mit der sogenannten [[Emser Depesche]] den Krieg.


Als erste organisiert hervorgetreten waren im 19. Jahrhundert die Liberalen, die Freiheit und Einheit der Nation in einer Gesellschaft rechtsgleicher Bürger anstrebten: einen Nationalstaat mit liberaler Verfassung. An der Haltung gegenüber Bismarcks antiparlamentarischem Kurs bei der Budgetierung des preußischen Militärs schieden sich die [[Nationalliberale Partei|Nationalliberalen]] von der älteren [[Deutsche Fortschrittspartei|Fortschrittspartei]]. Die Konservativen traten im Rahmen der neuen Verfassungsordnung für die Vorrechte von Monarch, Regierung und ländlichem Grundbesitz ein, für Kirche, Militär und Adel. Die Interessen der anwachsenden Industriearbeiterschaft richteten sich seit der Gründung des [[Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein|Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins]] (ADAV) durch [[Ferdinand Lassalle]] auf die Durchsetzung des [[Allgemeines Wahlrecht|allgemeinen Wahlrechts]] und die Verbesserung der Lebens-, Arbeits- und Lohnverhältnisse durch Machtzuwachs im staatlichen Institutionengefüge. Seit dem Gothaer Vereinigungsparteitag 1875 mit der [[Sozialdemokratische Arbeiterpartei (Deutschland)|SDAP]] bildeten die Sozialdemokraten eine geschlossene und weiter wachsende politische Bewegung. Die Existenz einer katholischen Volkspartei, des [[Deutsche Zentrumspartei|Zentrums]], lässt sich mit der Minderheitslage der Katholiken in einer vornehmlich protestantisch und teils säkular geprägten Gesellschaft erklären, in der Katholiken – außer in Bayern – einem nichtkatholischen „Regierungsestablishment“ gegenüberstanden.<ref>Thomas Nipperdey: ''Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie.'' 2. Aufl., München 1993, S.&nbsp;337.</ref>
Nach der Kriegserklärung durch Frankreich konnte Preußen alle deutschen Staaten und die übrigen europäischen Großmächte auf seine Seite ziehen. Das Frankreich [[Napoléon III. (Frankreich)|Napoleons III.]] wurde durch den Sieg bei [[Sedan]] zur Kapitulation gezwungen. In [[Paris]] bildete sich daraufhin eine republikanische Regierung, die aber die Forderungen Preußens ablehnte.


Bismarcks Stellung im politischen System war durch das Vertrauen Wilhelms I. gefestigt, aber auch seine Fähigkeit, mit den Fraktionen des Reichstags umzugehen. Das verschaffte ihm großen politischen Gestaltungsspielraum, den er mit wechselnden Partnern unter den Parteien zu nutzen wusste. Dabei ging es ihm um die Stabilisierung und Modernisierung des Reiches ebenso wie um die Konservierung politischer und gesellschaftlicher Hierarchien. Bei der Modernisierung handelte es sich unter anderem um Vereinheitlichung und Liberalisierung der Wirtschaftsordnung, um reichsweite Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit, um die Vereinheitlichung des Rechtswesens, um Verwaltungsreformen und die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, lauter Anliegen, für die Bismarck von den Liberalen unterstützt wurde.<ref>Thomas Nipperdey: ''Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie.'' 2. Aufl., München 1993, S.&nbsp;359 f.</ref> Das galt auch für sein Vorgehen im [[Kulturkampf]] gegen die Machtposition des katholischen [[Klerus]], dessen Einfluss auf mehreren Ebenen durch die Reichsgesetzgebung zurückgedrängt wurde, speziell durch das Verbot politischer Aufwiegelung von der Kirchenkanzel herab, durch Beseitigung der [[Geistliche Schulaufsicht|geistlichen Schulaufsicht]], Einführung der obligatorischen [[Zivilehe]] und Streichung von staatlichen Leistungen an den Klerus („[[Brotkorbgesetz]]“).<ref>Michael Stürmer: ''Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918.'' Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S.&nbsp;177.</ref>
Der Krieg wurde daraufhin fortgesetzt und endete erst 1871 mit der Kapitulation Frankreichs. Im [[Frieden von Frankfurt am Main]] wurde Frankreich zur Abtretung Elsass-Lothringens und zur Zahlung einer Kriegsentschädigung verpflichtet.


[[Datei:Auflösung sozialdemokratische Versammlung.jpg|mini|hochkant|Auflösung einer sozialdemokratischen Versammlung im Jahr 1881: [[Wilhelm Hasenclever]] am Tisch sitzend (2. von rechts); [[Wilhelm Liebknecht]] stehend vor dem Fenster; [[August Bebel]] vor Liebknecht sitzend.]]
Durch das Zugeständnis der [[Reservatrechte (Kaiserreich)|Reservatrechte]] konnte Bismarck die süddeutschen Staaten zum Beitritt zum Norddeutschen Bund bewegen. Die Gründung des dadurch entstandenen [[Deutsches Reich|Deutschen Reiches]] wurde am [[18. Januar]] 1871 im Spiegelsaal von [[Versailles]] vollzogen. Der preußische König erhielt den Titel eines ''Deutschen Kaisers''.


Als die französischen Kriegsentschädigungen, die ihren Teil zur wirtschaftlichen Blüte des [[Gründerzeit|Gründerbooms]] bis 1873 beigetragen hatten, aufgebraucht waren und es um eine Reform der Reichsfinanzverfassung, bald darauf zudem um die Einführung von [[Schutzzollpolitik|Schutzzöllen]] ging, verschob sich die Bismarcks Gesetzesvorlagen mittragende Reichstagsmehrheit stärker auf die konservative Seite. Und als es Bismarck nach [[Attentat]]en auf Kaiser Wilhelm I. 1878 darum ging, die geeinte und als Systembedrohung angesehene Sozialdemokratie durch die [[Sozialistengesetz]]e niederzuhalten, fand er dafür eine Reichstagsmehrheit aus Konservativen und Liberalen. Diesem bis 1890 bestehenden Repressionsinstrument stellte Bismarck in der Folge eine [[Sozialgesetzgebung]] mit [[Krankenversicherung in Deutschland|Krankenversicherung]] (1883), [[Gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland|Unfallversicherung]] (1884) und [[Gesetzliche Rentenversicherung (Deutschland)|Rentenversicherung]] (1889) entgegen, die Lebensrisiken und Unmut in der Arbeiterschaft vermindern und zukunftsweisende Bedeutung haben sollte.
==== Das Deutsche Kaiserreich ====


Außenpolitisch setzte [[Reichskanzler (Deutsches Kaiserreich)|Reichskanzler]] Bismarck nach der [[Krieg-in-Sicht-Krise]] 1875, in der Frankreich, Großbritannien und Russland gegen Deutschland zusammenwirkten, auf ein [[Bündnispolitik Otto von Bismarcks|Defensivbündnis]] mit Österreich-Ungarn, das Russland möglichst nicht verprellen sollte ([[Rückversicherungsvertrag]] 1887) und damit die prekäre deutsche Mittellage in Anbetracht der sicheren Gegnerschaft Frankreichs durch eine elastische Friedenspolitik zu stabilisieren versuchte: „In jeder europäischen Krise, so stellte sich die Lage in der späten Bismarckzeit dar, spielte Berlin die Hinterhand, konnte bremsen, beruhigen, abwarten und sich nach Möglichkeit heraushalten.“<ref>Michael Stürmer: ''Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918.'' Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S.&nbsp;202.</ref>
''Hauptartikel: [[Deutsches Kaiserreich]]''


=== Wirtschaftspotenz und Weltmachtstreben (1890–1914) ===
Die [[Bismarcksche Reichsverfassung|Reichsverfassung von 1871]] betonte das monarchische Element. Damit war aber die Zukunft Deutschlands entscheidend vom Geschick seiner Kaiser abhängig. Preußen verfügte über zwei Drittel der Landfläche und Bevölkerung und damit über ein [[Veto]]recht bei Verfassungsänderungen im Bundesrat.
[[Datei:Kaiser Wilhelm II of Germany - 1902.jpg|mini|Wilhelm II.]]
Nachdem das [[Dreikaiserjahr]] 1888 nicht nur den Tod Wilhelms I., sondern auch den seines Sohnes [[Friedrich III. (Deutsches Reich)|Friedrichs III.]] gebracht hatte, der liberalen politischen Vorstellungen nahestand, jedoch den Thron nur 99 Tage innehatte, wurde dessen Sohn [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]] 29-jährig Deutscher Kaiser, der unverhohlen von der Vorstellung des „[[Persönliches Regiment|persönlichen Regiments]]“ geleitet war. Meinungsverschiedenheiten über die Beibehaltung des Sozialistengesetzes, wofür Bismarck stand, wurden zu einem Hauptgrund seiner Entlassung 1890.


==== Sozioökonomische Aspekte ====
Bismarck verfolgte eine Politik wechselnder Bündnispartner. Im Rahmen des [[Kulturkampf]]s von 1871 bis [[1886]] verbündete Bismarck sich mit den Liberalen. Wenngleich einige Maßnahmen nach Beendigung des Kulturkampfs wieder zurückgenommen wurden, blieb zum Beispiel die Einführung der [[Zivilehe]] und die staatliche Aufsicht über das Schulwesen erhalten.
Die dem „[[Gründerkrach]]“ folgende wirtschaftliche Depression hatte gesellschaftliche Rückwirkungen, die sich im vermehrten Auftreten von [[Interessenverband|Interessenverbänden]] wie auch in innergesellschaftlichen Ab- und Ausgrenzungstendenzen zeigten. Politisch und gesellschaftlich diskriminiert waren nicht allein die Sozialdemokraten, sondern verstärkt auch wieder Juden, deren Gegner sich nun als [[Geschichte des Antisemitismus bis 1945|Antisemiten]] bezeichneten, sich in [[Antisemitenparteien]] sammelten, eine [[Antisemitenliga]] gründeten und eine [[Antisemitenpetition]] verfassten. Zu dieser Zeit erklärte Hofprediger [[Adolf Stoecker]] die Juden zu „einer Gefahr für das deutsche Volksleben“. [[Eugen Dühring]] publizierte im Jahr darauf ein Buch zur „Judenfrage“ als Rassen-, Sitten- und Kulturfrage, beklagte darin das „Übel der Verjudung und Judenherrschaft für die modernen Völker“ und erwog Möglichkeiten der „Entjudung“.<ref>Zitiert nach Heinrich August Winkler: ''Der lange Weg nach Westen.'' Erster Band: ''Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik.'' Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S.&nbsp;235.</ref>


Spätestens 1890 ging die deutsche Wirtschaftsentwicklung wieder in eine so ausgeprägte Wachstumsphase über, dass sogar von einem „ersten deutschen Wirtschaftswunder“ die Rede ist, zu dessen Leitsektoren [[Chemische Industrie|Großchemie]], [[Elektrotechnik]] und [[Maschinenbau]] gehörten. Beim Anteil an der Weltindustrieproduktion lag Deutschland 1913 an zweiter Stelle hinter den USA, im Welthandel ebenfalls auf dem zweiten Platz hinter Großbritannien.<ref>[[Hans-Ulrich Wehler]]: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte''. Bd. 3: ''Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges: 1849–1914.'' München 1995, S.&nbsp;610–614.</ref> Für die Mehrzahl in der arbeitenden Bevölkerung verbesserte der Wirtschaftsaufschwung auch die Lebensverhältnisse um die Jahrhundertwende. Dies galt nicht zuletzt für die wachsende Industriearbeiterschaft, die ihre Interessen auch zunehmend gewerkschaftlich organisierte und vertreten ließ. Dagegen gab es in [[Heimarbeit|häuslicher Arbeit]] und traditionellem Handwerk kaum noch ein Auskommen.<ref>Michael Stürmer: ''Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918.'' Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S.&nbsp;306 f.</ref>
[[Bild:Wilhelm_I_Friedrich_Ludwig.jpg|thumb|right|[[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm I.]]]]


[[Datei:SMS von der Tann.jpg|mini|Der [[Großer Kreuzer|Große Kreuzer]] ''SMS von der Tann'' – der erste deutsche Schlachtkreuzer ([[Stapellauf]] 1909)]]
Der nächste Gegner Bismarcks stellten die Sozialisten dar. Die Stimmung in der Öffentlichkeit nach einem Attentatsversuch auf Kaiser [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm I.]] nutzte Bismarck [[1878]] zur Durchsetzung der so genannten [[Sozialistengesetze]]. Diese konnten die Verbreitung sozialistischer Ideen aber nicht verhindern.


==== Reichsnationalismus als ideologisches Band ====
Parallel dazu versuchte Bismarck durch eine [[Sozialgesetzgebung]] einer Radikalisierung der Arbeiter entgegenzuwirken. So wurde [[1883]] eine [[Krankenversicherung]], [[1884]] eine [[Unfallversicherung]] und [[1889]] eine [[Rentenversicherung]] eingeführt. Weitergehende Forderungen der Sozialdemokraten lehnte Bismarck aber ab.


Der bis zur Reichsgründung verbreitete Kultur- und Sprachnationalismus wandelte sich nach 1871 zu einem Reichsnationalismus, der als einigendes Band für den jungen, wenig homogenen und in Sonderinteressen befangenen Nationalstaat diente. Deutsches wurde erst einmal in Abgrenzung vom Nicht-Deutschen bestimmt, im Osten gegen die Polen, im Westen gegen die Franzosen. Im Inneren isolierte dieser Nationalismus Anhänger anderer Orientierungen, so die Sozialdemokraten mit ihrer Ausrichtung am Internationalismus oder die Katholiken mit ihrer Verbindung zur Papstkirche in Rom. Eine frühe Abgrenzung dieses neudeutschen Nationalismus galt wie gezeigt zudem den Juden als einziger nichtchristlicher Minderheit in Deutschland. Im Nationalismus drängten mancherlei Probleme und Ängste zum Austrag, darunter das Leiden an sozialer Zerrissenheit und politischer Auseinandersetzung, die Verklärung der Einheit vor der Vielfalt, die Resignation vor der Kompliziertheit der modernen Welt in Verbindung mit der Sehnsucht nach einfachen Erklärungen, ein Bedrohungsgefühl gegenüber ungezügelter Freiheit sowie die Suche nach Erlösungsperspektiven und religionsartigem Halt.<ref>[[Ulrich Herbert]]: ''Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert.'' München 2014, S. 58 f.</ref>
Wirtschaftlich wurde infolge des durch die Reichsgründung entstandenen einheitlichen Wirtschaftsraums und begünstigt durch die französischen Zahlungen von Kriegsentschädigung ein rasantes Wirtschaftswachstum ausgelöst. Dieses mündete aber [[1873]] in die Wirtschaftskrise des so genannten [[Gründerkrach]]s.


==== Provokative Seemachtambitionen ====
Außenpolitisch verfolgte Bismarck eine Politik des Gleichgewichts der Großmächte. Durch den Aufstieg zur stärksten Großmacht auf dem Kontinent weckte Deutschland die Ängste seiner Nachbarn. Um Bündnisse der übrigen Großmächte gegen Deutschland zu verhindern, baute Bismarck mit diplomatischem Geschick ein Bündnissystem auf, das auf eine Isolierung Frankreichs hinauslief.
Das wirtschaftlich prosperierende Kaiserreich dieser Zeit schien somit vielen gesellschaftlich einflussreichen Köpfen prädestiniert, sich auch weltpolitisch im Kampf um Märkte und Rohstoffe einen „[[Platz an der Sonne]]“ zu sichern. In Kombination mit der Neigung Wilhelms II. zum Auftrumpfen und zur Prestigesteigerung wurde daraus eine hyperaktive, unstete und wenig substantielle äußere Politik, die mit vielen Forderungen und Drohgesten vor allem Unruhe stiftete.<ref>Thomas Nipperdey: ''Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie.'' 2. Aufl., München 1993, S.&nbsp;631 f.</ref> Ein besonders markanter, an Bedeutung stetig zunehmender und letztlich fataler Aspekt deutscher Weltmachtpolitik war die [[Deutsch-Britisches Flottenwettrüsten|Flottenrüstung]], die [[Alfred von Tirpitz]] mit Unterstützung unter anderem des „Flottenkaisers“ und des [[Alldeutscher Verband|Alldeutschen Verbandes]] vorantrieb. Dabei war ''Navalismus'' als Vorstellung, dass Weltmacht sich auf Seemacht gründete, seinerzeit international durchaus verbreitet. Dass aber das Kaiserreich in seiner prekären Mittellage zwischen den Mächten Frankreich und Russland, die untereinander einen Interessenausgleich herbeigeführt hatten und ein Bündnis eingegangen waren, mit seinem unverkennbar gegen England gerichteten, herausfordernden Flottenrüstungsprogramm sich diese etablierte Weltmacht auch noch zum Gegner machte, ist unter rationalen Gesichtspunkten kaum zu erklären.<ref>Thomas Nipperdey: ''Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie.'' 2. Aufl., München 1993, S.&nbsp;639.</ref>


Außer Österreich-Ungarn stand im Wesentlichen nur Italien noch für ein [[Dreibund|Bündnis]] zur Verfügung. Nach den [[Erste Marokkokrise|Marokkokrisen]], der [[Bosnische Annexionskrise|Bosnienkrise]] und während der [[Balkankriege]] bildete sich im Kaiserreich zunehmend die Vorstellung aus, eingekreist zu sein. Dies zeigte sich auf höchster Ebene im [[Kriegsrat vom 8. Dezember 1912]], wo der Chef des Generalstabes [[Helmuth Johannes Ludwig von Moltke|von Moltke]] davon sprach, den für unvermeidlich gehaltenen Krieg je eher desto besser zu führen. Wilhelm II. sprach sich in erster Konsequenz bezüglich Marine und Heer für intensivierte Kriegsvorbereitungen aus, während der nicht anwesende Reichskanzler Bethmann-Hollweg einstweilen auf diplomatische Entschärfung der Lage setzte.
Um die Ängste der übrigen Großmächte zu dämpfen, verzichtete Bismarck auch auf territoriale Erweiterungen, stellte als Konzession an den Zeitgeist jedoch [[1884]] die [[Kolonie|kolonialen]] Erwerbungen deutscher Kaufleute unter den Schutz des Reiches. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser [[Deutsche Kolonien| Kolonien]] blieb jedoch gering.


==== Kolonialer Imperialismus ====
[[Bild:Porträt Wilhelm II.jpg|thumb|right|[[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Kaiser Wilhelm II.]]]]
[[Datei:Luederitzbay.jpg|mini|Lüderitzbucht, 1900]]
Im Kontext des [[Imperialismus#Zeitalter des Imperialismus (ca. 1870–1914)|imperialen Weltmachstrebens]] der europäischen Mächte im 19. Jahrhundert und der damit einhergehenden Kolonialisierung in Afrika und Asien, entwickelten sich auch in Deutschland entsprechende Interessen. Nur widerwillig öffnete sich Bismarck schließlich dem Drängen nach kolonialer Expansion, da er vor allem die Sicherheit des eben erst gegründeten Deutschen Kaiserreichs im europäischen Mächtekonzert gesichert sehen wollte. Die 1884 einsetzende deutsche [[Deutsche Kolonien|Kolonialpolitik]] in Afrika und Ozeanien, wo sich Briten und Franzosen mit ihren Einflussgebieten bereits gegenüberstanden, führte in [[Deutsche Kolonien in Westafrika|West-]], [[Deutsch-Südwestafrika|Südwest-]] und [[Deutsch-Ostafrika|Ostafrika]] sowie in der [[Deutsche Schutzgebiete in der Südsee|Südsee]] zwar nominell zu Landnahmen, die die Fläche des Reichsgebiets mehrfach überstiegen, stellte sich aber weder wirtschaftlich noch außenpolitisch als Gewinn dar. Im Ernstfall waren die deutschen Kolonien nicht verteidigungsfähig, drohten aber, das Kaiserreich in unübersehbare Konflikte zu verwickeln.<ref>Michael Stürmer: ''Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918.'' Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S.&nbsp;233.</ref>


Bereits 1883 hatte der deutsche Kaufmann [[Adolf Lüderitz]] einen Küstenstreifen im heutigen Namibia in Besitz genommen. Das „[[Lüderitzland]]“ genannte Gebiet wurde im April 1884 vom Kaiserreich als deutsches „Schutzgebiet“ deklariert und markierte damit den Beginn deutscher Kolonialherrschaft.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.britannica.com/place/German-South-West-Africa |titel=German South West Africa {{!}} historical state, Namibia {{!}} Britannica |sprache=en |abruf=2023-05-07}}</ref> Auf ähnliche Weise hatten hanseatische Kaufleute mehrere Handelsstützpunkte an der Küste Togos und Kameruns in Besitz genommen. Daraufhin ernannte Bismarck den Afrikaforscher [[Gustav Nachtigal]] zum Reichskommissar für Deutsch-Westafrika mit dem Auftrag eine Kolonialverwaltung aufzubauen. Am 5. Juli 1884 erklärte Nachtigal [[Togo (Kolonie)|Togoland]] ebenfalls zum „Schutzgebiet“ des Kaiserreichs.<ref>{{Literatur |Autor=Helmut M. Müller |Hrsg=Bundeszentrale für politische Bildung |Titel=Schlaglichter der deutschen Geschichte |Verlag=Brockhaus |Ort=Leipzig |Datum=2002 |Seiten=197}}</ref> Im November 1884 fand auf Einladung Bismarcks die [[Kongokonferenz]] in Berlin zur imperialen Aufteilung des afrikanischen Kontinents unter den Kolonialstaaten statt. Das Abschlussdokument, genannt ''Kongoakte'', sprach Deutschland die koloniale Verwaltung über [[Deutsch-Westafrika]], [[Deutsch-Südwestafrika]] (heute: [[Namibia]]) sowie [[Deutsch-Ostafrika]] (heute: [[Tansania]], [[Ruanda]], [[Burundi]]) zu.
Als [[1890]] [[Wilhelm II. (Deutsches Reich)|Wilhelm II.]], der [[1888]] Kaiser wurde, Bismarck als Reichskanzler entließ, folgte eine Kurswende in der deutschen Außenpolitik. Im Gegensatz zu seinem zurückhaltenden Vorgänger nahm der neue Kaiser die Außenpolitik selbst in die Hand (''persönliches Regiment''). Das führte zunehmend zu einer Isolierung Deutschlands.


Aufgrund der Gewaltverbrechen und systematischen Unterdrückung durch die Kolonialverwaltung kam es immer wieder zu Rebellionen in den Kolonien. Grausamste Folgen hatte 1904 der [[Völkermord an den Herero und Nama|Aufstand der Herero und Nama]] gegen die deutschen Truppen, der von Generalleutnant [[Lothar von Trotha]] und 15.000 Soldaten blutig niedergeschlagen wurde. Überlebende des Kampfes flohen in die [[Omaheke]]-Wüste, die auf Befehl von Trotha abgeriegelt wurde, sodass tausende Herero und Nama verdursteten. Die Verbrechen der deutschen Kolonialherrschaft sind heute als [[Völkermord]] anerkannt.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bundestag.de/resource/blob/935068/06d354ea81fdc64d7dd41c501a785dd6/WD-2-094-22-pdf-data.pdf |titel=Zur Anerkennung kolonialen Unrechts als Völkermord |hrsg=Deutscher Bundestag |datum=2023 |format=PDF |sprache=de |abruf=2023-05-07}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Jürgen Zimmerer |url=https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/297597/schwierige-post-koloniale-aussoehnung/ |titel=Schwierige (post-)koloniale Aussöhnung |hrsg=bpb |datum=2019-09-27 |sprache=de |abruf=2024-10-14}}</ref>
Die Innenpolitik war stark vom [[Strukturwandel]] und der [[soziale Frage|sozialen Frage]] geprägt. Reichskanzler [[Leo von Caprivi|Caprivi]] verfolgte einen Kurs sozialer Reformen. Weitere politische Reformen scheiterten jedoch.


== Das „kurze 20. Jahrhundert“ – vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Ost-West-Konflikts ==
Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers [[Franz Ferdinand]] am [[28. Juni]] [[1914]] in [[Sarajewo]] löste schließlich den [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] aus. Im Laufe des Krieges verschlechterte sich die Versorgungslage zusehends. Als im Oktober [[1918]] noch einmal die [[Kaiserliche Marine|Flotte]] gegen die [[Royal Navy]] auslaufen sollte, meuterten die Matrosen.
{{Hauptartikel|Deutschland im 20. Jahrhundert}}


Während das durch den Aufstieg des Bürgertums, durch die Industrialisierung und die Rivalität der imperialistischen Mächte geprägte Zeitalter auch in Deutschland das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts überdauerte, endete die nachfolgende Epoche der verschärften globalen Konflikte des 20. Jahrhunderts, an denen Deutschland wesentlichen Anteil hatte, bereits am Ende der 1980er Jahre.
Der [[Matrosenaufstand]] breitete sich innerhalb weniger Tage über ganz Deutschland aus und wurde zur [[Novemberrevolution]]. Am [[9. November]] verkündete Reichskanzler [[Max von Baden]] die Abdankung des Kaisers. Wilhelm II. beugte sich dieser Entscheidung und ging ins Exil. Max von Baden übergab die Regierungsgewalt an [[Friedrich Ebert]]. Am Nachmittag rief der Sozialdemokrat [[Philipp Scheidemann]] die [[Republik]] aus.


== Das 20. Jahrhundert ==
=== Erster Weltkrieg (1914–1918) ===
{{Hauptartikel|Erster Weltkrieg}}


Die Bündniskonstellationen zwischen den europäischen Mächten und die Verwicklung des österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaats in die seit längerem instabilen Verhältnisse auf dem Balkan ([[Balkankrise]], [[Balkankriege]]) wirkten zusammen, als nach der [[Attentat von Sarajevo|Ermordung]] des österreichischen Thronfolgers [[Franz Ferdinand von Österreich-Este|Franz Ferdinand]] am 28. Juni 1914 in [[Sarajevo]] die k.u.k-Monarchie am 23. Juli Serbien vorsätzlich ein kaum annehmbares Ultimatum stellte. Dieses Vorgehen begünstigte der „[[Blankoscheck#Geschichte|Blankoscheck]]“, den Wilhelm II. mit der deutschen Regierung dazu erteilt hatte. Am 28. Juli erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg; Deutschland folgte am 1. August mit der Kriegserklärung gegen Russland und am 3. August mit der gegen Frankreich. Der völkerrechtswidrige Einmarsch deutscher Truppen in Belgien, von der alliierten [[Propaganda im Ersten Weltkrieg|Propaganda]] als ''[[Rape of Belgium|Schändung Belgiens]]'' bezeichnet, war der Anlass für die Kriegserklärung Großbritanniens an Deutschland am 4. August 1914. Somit entwickelte sich innerhalb weniger Tage aus einem Lokalkrieg der Erste Weltkrieg, die „[[Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts]]“ ([[George Kennan]]). Angesichts der durch den Kaiser verkündeten [[Burgfriedenspolitik]] und der allgemeinen [[Mobilmachung]] zu Kriegsbeginn zerstoben zunächst alle Aktivitäten der [[Friedensbewegung]] in einer Welle der [[Erster Weltkrieg#Kriegsbegeisterung und Antikriegsdemonstrationen|Kriegsbegeisterung]] großer Teile der bürgerlich-akademischen Schichten.
=== Weimarer Republik 1918–1933 ===


Zum ersten Mal in der Geschichte wurde die [[Kriegsschuldfrage]] gestellt und führte zu jahrzehntelangen Diskussionen. Völkerrechtlich gilt nach wie vor die Setzung des [[Friedensvertrag von Versailles|Versailler Vertrages]], wonach „Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind“. Nach einer Phase der gegenseitigen Schuldzuweisungen in den 1920er Jahren näherte man sich später auf internationaler Ebene der Deutung, dass Europa 1914 in den Krieg „hineingeschlittert“ sei („Europe slithered over the brink into the boiling cauldron of war“, so [[David Lloyd George]] im Jahre 1933). Infolge der [[Fischer-Kontroverse]] kam es seit den 1960er Jahren zu der Auffassung, dass zwar eine längerfristige Planung des Krieges seitens Deutschlands nicht nachweisbar, die unverantwortliche Politik der deutschen Regierung in der [[Julikrise]] aber ausschlaggebend für die Auslösung des Weltkriegs gewesen sei. Zum 100. Jahrestag des Kriegsbeginns sind andererseits eine Reihe von Veröffentlichungen erschienen, welche die Teilverantwortung Russlands, Serbiens und Frankreichs sowie der Gesamtheit der beteiligten Staaten wieder mehr in den Blickpunkt rücken und den Sinn einer Schuldzuweisung generell bezweifeln.<ref>[[Annika Mombauer]]: ''Die Julikrise. Europas Weg in den Weltkrieg''. C.H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-66108-2, S. 10 f.; Annika Mombauer: ''[http://www.bpb.de/apuz/182558/julikrise-und-kriegsschuld-thesen-und-stand-der-forschung?p=all Julikrise und Kriegsschuld – Thesen und Stand der Forschung]'', bpb.de vom 10. April 2014 ([[Bundeszentrale für politische Bildung]]); [[Gerd Krumeich]]: ''Der Erste Weltkrieg. Die 101 wichtigsten Fragen''. C.H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-65941-6, S. 26 f.</ref>
''Hauptartikel: [[Weimarer Republik]]''


[[Datei:Chateauwood.jpg|mini|Der Chateauwald bei [[Ypern]] besteht nach den intensiven Artilleriebombardements nur noch aus Baumstümpfen (1917)]]
Am [[10. November]] 1918 bildete sich mit dem [[Rat der Volksbeauftragten]] eine provisorische Regierung. Am [[11. November]] wurden durch einen [[Waffenstillstand]] die Kampfhandlungen eingestellt. Am [[16. Dezember]] 1918 fand in Berlin der sogenannte [[Rätekongress]] statt.


Als nach ersten militärischen Erfolgen des deutschen Heeres im Osten der mit dem [[Schlieffen-Plan]] verbundene Vorstoß im Westen ab September 1914 im [[Stellungskrieg|Stellungs-]] und [[Grabenkrieg]] zum Erliegen kam, als die [[Materialschlacht]]en zu hohen Verlusten an der Front führten und die [[Kriegswirtschaft]] zu Versorgungsengpässen und -notlagen in der heimischen Zivilbevölkerung, bröckelte die anfänglich geschlossene Unterstützung für die von der [[Oberste Heeresleitung|Obersten Heeresleitung]] (OHL) unter [[Paul von Hindenburg]] und [[Erich Ludendorff]] seit August 1916 zunehmend dominierte Reichsregierung. Zwar konnte 1918 im [[Friedensvertrag von Brest-Litowsk]] mit der aus der [[Oktoberrevolution]] in Russland hervorgegangenen Sowjetregierung ein aus Sicht der OHL vorteilhafter Frieden geschlossen werden; dennoch wurde mit dem Kriegseintritt der USA die Lage des deutschen Heeres im Westen entgegen der noch im Sommer 1918 optimistisch ausgerichteten [[Propaganda|Kriegspropaganda]] zunehmend unhaltbar.
Zahlreiche Reformen traten in Kraft, das [[Frauenwahlrecht]] und der 8-Stunden-Tag wurden eingeführt. Der [[Spartakusaufstand]] im Januar [[1919]] wurde von [[Freikorp]]s niedergeschlagen. Die kommunistischen Anführer [[Rosa Luxemburg]] und [[Karl Liebknecht]] wurde dabei getötet.


Ende September 1918 überraschte die OHL die deutsche Öffentlichkeit mit der Forderung, die politisch Verantwortlichen müssten nunmehr umgehend Waffenstillstandsverhandlungen aufnehmen. Diese Wendung führte zu den [[Oktoberreformen]], auf deren Grundlage erstmals ein [[parlamentarisches Regierungssystem]] gebildet wurde, die nun aber auch für den Ausgang des Krieges würde einstehen sollen. Kurzzeitig und einmalig in seiner Geschichte war Deutschland vom 28. Oktober bis zum 9. November 1918 eine [[parlamentarische Monarchie]]. Noch während der laufenden Bemühungen um einen Waffenstillstand erteilte die [[Seekriegsleitung]] den [[Flottenbefehl vom 24. Oktober 1918|Befehl an die Flotte]], zu einer auf den ehrenvollen Untergang angelegten letzten Schlacht gegen die [[Royal Navy]] auszulaufen. Diesem Befehl verweigerten die Schiffsbesatzungen in Wilhelmshaven und Kiel den Gehorsam, und der daraus sich entwickelnde [[Kieler Matrosenaufstand]] weitete sich aus zur [[Novemberrevolution]] der Arbeiter und Soldaten, die die Monarchie in Deutschland beseitigte und im Ergebnis der politischen Richtungskämpfe zur Ausbildung einer parlamentarischen [[Republik]] führte.
Am [[19. Januar]] wurde die [[Nationalversammlung]] gewählt. Sie trat nicht im unruhigen Berlin, sondern in [[Weimar]] zusammen. Die Nationalversammlung wählte Friedrich Ebert zum Reichspräsidenten und Philipp Scheidemann zum Reichskanzler. Nach der [[Weimarer Verfassung]] war das Deutsche Reich eine parlamentarische Demokratie. Sie sah allerdings einen starken [[Reichspräsident]]en als ''Ersatzkaiser'' vor und konnte durch eine [[qualifizierte Mehrheit]] vollständig geändert werden.


=== Weimarer Republik (1918/19–1933) ===
Am [[28. Juni]] musste Deutschland im [[Versailler Vertrag]] zahlreiche Gebiete abtreten sowie seine Kolonien dem [[Völkerbund]] unterstellen. Die Vereinigung Deutschlands mit Österreich wurde untersagt. Deutschland und seinen Verbündeten wurde die alleinige Kriegsschuld gegeben und es wurden [[Deutsche Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg|Reparationsforderungen]] gestellt. Das Saarland war dem Völkerbund unterstellt und das [[Rheinland]] entmilitarisierte Zone. Außerdem gab es massive Beschränkungen für die deutsche Armee.
[[Datei:Karte des Deutschen Reiches, Weimarer Republik-Drittes Reich 1919–1937.svg|mini|Das Deutsche Reich 1919–1937]]
{{Hauptartikel|Weimarer Republik}}


Inmitten der revolutionären Unruhen erfolgte am 9. November 1918 eine zweifache Ausrufung der Republik: durch [[Philipp Scheidemann]] mit parlamentarischer Zielsetzung, durch [[Karl Liebknecht]] mit sozialistischer Ausrichtung. Unter dem Druck der revolutionären [[Arbeiter- und Soldatenrat|Arbeiter- und Soldatenräte]] kam es zu einer [[Rat der Volksbeauftragten|Übergangsregierung]] bestehend aus je drei „Volksbeauftragten“ der [[Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands|Mehrheits-]] und der [[Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands|Unabhängigen Sozialdemokratie]]. Ein [[Reichsrätekongress]] im Dezember 1918 in Berlin machte aber mit großer Mehrheit den Weg frei für Wahlen zu einer [[Weimarer Nationalversammlung|Verfassunggebenden Nationalversammlung]], erstmals mit Einschluss des [[Frauenwahlrecht#Geschichte|Frauenwahlrechts]]. Da die Unruhen aber anhielten – im Januar 1919 wurde der [[Spartakusaufstand]] durch [[Freikorps]]-Truppen niedergeschlagen und dessen führende Köpfe [[Rosa Luxemburg]] und Karl Liebknecht ermordet –, verlegte man den Tagungsort der Nationalversammlung nach [[Weimar]]. Auch in dieser Hinsicht war die Weimarer Republik das Ergebnis anfänglicher Improvisationen.<ref>[[Eberhard Kolb]]: ''Die Weimarer Republik''. 7., durchgesehene und erweiterte Auflage, Oldenbourg, München 2009, S.&nbsp;23.</ref>
Das Ausbleiben von demokratischen Reformen in Militär, Justiz und Verwaltung, der als ''[[Schanddiktat]]'' empfundene Versailler Vertrag und die ''[[Dolchstoßlegende]]'' waren ein schweres Erbe für den neuen deutschen Staat, der einer ''Republik ohne Republikaner'' war.


Die Nationalversammlung hatte die Aufgabe, dem Deutschen Reich eine neue politische Ordnung zu geben, was in Form der am 14. August 1919 in Kraft getretenen [[Weimarer Verfassung]] geschah, und sie fungierte gleichzeitig als Parlament, stimmte über Gesetze und [[Öffentlicher Haushalt|Haushaltsfragen]] ab, wählte ein neues Staatsoberhaupt ([[Reichspräsident]] [[Friedrich Ebert]]) und bildete eine breite Regierungskoalition, die sog. [[Weimarer Koalition]], aus der am 13. Februar 1919 das [[Kabinett Scheidemann]] hervorging. Unter den sowohl innen- wie außenpolitisch äußerst schwierigen Nachkriegsbedingungen strebte es eine soziale Befriedung und die Umstellung der Kriegs- auf eine Friedenswirtschaft an. Umstritten waren bei dieser Neuordnung [[Verstaatlichung|Sozialisierungsmaßnahmen]] in bestimmten Wirtschaftsbereichen wie auch Möglichkeiten und Ausmaß einer personellen Erneuerung in den Bereichen Verwaltung, Justiz und Militär, um mit den gesellschaftspolitischen Strukturen des Kaiserreichs zu brechen. Diesbezüglich wird mitunter von einer „unvollendeten Revolution“ gesprochen. Vorerst unumstritten waren hingegen die Einführung des [[Achtstundentag#Deutschland|Achtstundentags]], die [[Stinnes-Legien-Abkommen|Anerkennung der Gewerkschaften]] und das [[Betriebsrätegesetz]].
[[1920]] kam zum [[Kapp-Putsch]] und zu mehreren politischen Morden. Bei den Reichtagswahlen gab es große Stimmengewinne für extreme Parteien. [[1921]] wurde die [[Reichswehr]] geschaffen und [[1922]] begannen Deutschland und die [[Sowjetunion]] diplomatische Beziehungen im [[Vertrag von Rapallo]].


[[Datei:Bundesarchiv Bild 102-00134, Berliner Tageszeitung zur Geldentwertung.jpg|mini|Berliner Tageszeitung meldet, dass in New York ein Dollar eine Million Mark kostet, Juli 1923]]
Im Januar [[1923]] besetzten französische Truppen das [[Ruhrgebiet]], um ausstehende Reparationsforderungen einzutreiben. Die Reichsregierung unterstützte den ausbrechenden ''[[Ruhrkampf]]''. In den folgenden Monaten kam es zu einer [[Deutsche_Inflation_1914_bis_1923|galoppierenden Inflation]], die erst im November durch eine [[Währungsreform]] beendet wurde.


Zur inneren Zerreißprobe und dauerhaften Belastung der Weimarer Republik wurde die Auseinandersetzung um die Unterzeichnung des von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs ausgehandelten [[Friedensvertrag von Versailles|Versailler Vertrags]] durch Deutschland.<ref>Vgl. dazu [[Jörn Leonhard]]: ''Der überforderte Frieden. Versailles und die Welt 1918–1923.'' München 2018.</ref> Mit Gebietsabtretungen, [[Deutsche Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg|Reparationsforderungen]] und Abrüstungsauflagen war zugleich das Eingeständnis gefordert, dass Deutschland und seine Verbündeten „Urheber aller Verluste und aller Schäden“ seien, was als offizielles Schuldeingeständnis interpretiert wurde und in Deutschland ganz überwiegend als „[[Kriegsschuldlüge]]“ aufgefasst wurde.<ref>Eberhard Kolb: ''Der Frieden von Versailles''. C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-50875-8, S. 94 ff.</ref> Um die deutsche Position in den Friedensverhandlungen nicht zusätzlich zu schwächen, blieben Dokumente, die die kaiserzeitliche politische Führung belasteten, mit sozialdemokratischer Unterstützung unter Verschluss. Als die Nationalversammlung unter ultimativem Druck der Siegermächte dem Vertrag schließlich doch zustimmte, trat Scheidemann als Regierungschef zurück.
Bayern wurde zum Sammelbecken rechter, konservativer Kräfte. In diesen Klima vollzog sich der [[Hitler-Putsch]]. [[Adolf Hitler]] wurde zwar festgenommen und verurteilt, aber bereits nach wenigen Monaten wieder freigelassen.


Anhaltende politische Instabilität und republikfeindliche Tendenzen begleiteten die Weimarer Republik auch weiterhin. Im März 1920 trieb der von oppositionellen Militärs initiierte [[Kapp-Putsch]] die Berliner Regierung zunächst in die Flucht, scheiterte jedoch am entschlossenen Widerstand und [[Generalstreik]] breiter Bevölkerungskreise. Der [[Ruhraufstand]] der [[Rote Ruhrarmee|Roten Ruhrarmee]] wurde von der Reichsregierung niedergeschlagen. [[Matthias Erzberger]] und [[Walther Rathenau]] wurden 1921 bzw. 1922 von [[Rechtsterrorismus|rechtsterroristischen]] Attentätern der [[Organisation Consul]] als „[[Erfüllungspolitik]]er“ im Hinblick auf den Versailler Vertrag ermordet. 1923 kam es zu einer mehrseitig bedrohlichen staatlichen Existenzkrise: Neben der durch Kriegsfinanzierung, Reparationspflichten und finanzpolitische Weichenstellungen bedingten [[Deutsche Inflation 1914 bis 1923|Großen Inflation]] des Jahres 1923, in der das sparfreudige Bürgertum alle verbliebenen Geldreserven verlor, führte der [[Ruhrbesetzung#Ruhrkampf|Ruhrkampf]] im geschwächten Rheinland zu [[Alliierte Rheinlandbesetzung#Zeit der Besetzung|separatistischen Aktivitäten]]. Im [[Hamburger Aufstand]] kam es zu kommunistischen Machtkämpfen, in Sachsen ([[Gesamtministerium Zeigner]]) und in Thüringen ([[Kabinett Frölich II]]) zur Beteiligung der [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]] an den Landesregierungen. In München, das 1919 kurzzeitig von einer [[Münchner Räterepublik|Räterepublik]] regiert worden war, fand am 9. November 1923 der [[Hitlerputsch]] statt.
[[1924]] begannen eine Phase der relativen Stabilität. Trotz aller Konflikte schien die Demokratie zu siegen. Die Neuordnung der Währung und die im Gefolge des [[Dawes-Plan]]s gewährten [[Kredit]]e leiteten die ''goldenen 20er Jahre'' ein.


[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-R03618, Locarno, Gustav Stresemann, Chamberlain, Briand.jpg|mini|Konferenz von Locarno 1925: Gustav Stresemann mit [[Austen Chamberlain]] (Mitte) und [[Aristide Briand]] (rechts)]]
Im Februar 1925 starb [[Friedrich Ebert]], als Nachfolger wurde [[Paul von Hindenburg]] gewählt.


Die Beendigung von Ruhrkampf und Großer Inflation gelang im Herbst 1923 durch [[Währungsreformen in Deutschland#1923|eine Währungsreform]] unter dem kurzzeitigen Reichskanzler [[Gustav Stresemann]], der im Zusammenwirken mit Reichspräsident Ebert auch die anderen Krisenherde unter Kontrolle brachte. Mit Hilfe des [[Dawes-Plan]]s wurde ab 1924 eine relative Stabilisierung der Weimarer Republik erreicht. Dabei kam es in verbesserter Finanzlage unter anderem zum Infrastrukturausbau, zu Wohnungsbauprogrammen und 1927 zur Einführung der [[Arbeitslosenversicherung]]. Die Rede von den „[[Goldene Zwanziger|goldenen zwanziger Jahren]]“ hat aber nicht in politisch oder wirtschaftlich glanzvollen Zeiten ihren Ursprung, sondern bezieht sich auf „die stürmische Entfaltung eines neuen Lebensgefühls und die eruptive Freisetzung schöpferischer geistiger Kräfte in einem kurzen Jahrzehnt denkbar weitgehender Freiheit und großer Vielfalt des geistig-künstlerischen Schaffens.“<ref>Eberhard Kolb: ''Die Weimarer Republik''. 7., durchgesehene und erweiterte Auflage, Oldenbourg, München 2009, S.&nbsp;95.</ref> Den diesen Aufbruch tragenden Kräften standen breite konservative Strömungen gegenüber, die sich [[Kulturpessimismus|kulturpessimistisch]] und zivilisationskritisch zur künstlerischen und intellektuellen [[Avantgarde]] etwa in der Malerei, in Literatur und Theater oder in der Architektur verhielten.
Der deutsche Außenminister [[Gustav Stresemann]] versuchte gemeinsam mit[[Aristide Briand]] eine Annäherung an Frankreich und eine Revision der Versailler Vertrags, was sich im [[Verträge von Locarno|Locarnovertrag]] [[1925]] und der Aufnahme Deutschlands in den [[Völkerbund]] [[1926]] zeigte.


Mit der Neuregelung der Reparationsbedingungen im Dawes-Plan, dem ein Zustrom amerikanischer Kredite und Investitionen nach Deutschland folgte, ging auch die außenpolitische Isolierung des Landes nach dem Ersten Weltkrieg zu Ende. In den [[Verträge von Locarno|Locarno-Verträgen]] sicherte das Deutsche Reich die Anerkennung der Westgrenzen gemäß Versailler Vertrag zu und wurde am 8. September 1926 in den [[Völkerbund]] aufgenommen. Die diesen Verständigungsprozess gestaltenden Außenminister Frankreichs und Deutschlands, [[Aristide Briand|Briand]] und Stresemann, erhielten dafür gemeinschaftlich den [[Friedensnobelpreis]].
Der Ausbruch der [[Weltwirtschaftskrise]] [[1929]] leitete den Anfang vom Ende der Weimarer Republik ein. Im Sommer [[1932]] erreicht die Arbeitslosenzahl die Höhe von 6 Millionen. Ab [[1930]] konnte Deutschland nur noch mit [[Präsidialkabinett]]en regiert werden.


[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-R96268, Berlin, Fröbelstraße, Speisesaal im Obdachlosenasyl.jpg|mini|Massenelend auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise 1932: Speisesaal eines Obdachlosenasyls in [[Berlin-Prenzlauer Berg]]]]
Es kam zu einer Radikalisierung der politischen Lage und zu Straßenschlachten zwischen der [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] und der [[KPD]]. [[1931]] schlossen sich rechte Kräfte in der [[Harzburger Front]] zusammen, die NSDAP wurde bei den Reichtstagswahlen vom [[31. Juli]] 1932 stärkste Kraft. Am [[28. Januar]] [[1933]] erklärte der Reichskanzler [[Kurt von Schleicher]] seinen Rücktritt.


Ausdruck einer zunehmenden Rechtsverschiebung des politischen Spektrums in der Republik war nach dem Tod Friedrich Eberts die [[Reichspräsidentenwahl 1925]], aus der der 77-jährige Paul von Hindenburg als Sieger hervorging, der die [[Dolchstoßlegende]] populär gemacht hatte. Andererseits kam es nach der [[Reichstagswahl 1928]] zur Bildung einer großen Koalition der Parteien SPD, [[Deutsche Demokratische Partei|DDP]], des [[Deutsche Zentrumspartei|Zentrums]], der [[Bayerische Volkspartei|BVP]] und der [[Deutsche Volkspartei|DVP]] unter Führung des sozialdemokratischen Reichskanzlers [[Hermann Müller (Reichskanzler)|Hermann Müller]]. [[Kabinett Müller II|Die Koalition]] zerbrach im März 1930 im Streit um die Finanzierung der 1927 eingeführten Arbeitslosenversicherung, die seit Frühjahr 1929 unterfinanziert war. Hinzu kamen der [[Young-Plan]], der zwar die jährlichen Reparationszahlungen senkte, die Verantwortung für deren Transfer aber Deutschland selbst übertrug, und die durch den [[Schwarzer Donnerstag|New Yorker Börsenkrach]] im Oktober 1929 ausgelöste [[Weltwirtschaftskrise]], die den Zustrom amerikanischer Kredite nach Deutschland beendete.<ref>Florian Pressler: ''Die erste Weltwirtschaftskrise. Eine kleine Geschichte der großen Depression'' C.H. Beck, München 2013, S. 132–137.</ref> Ob der [[Kabinett Müller II#Finanzprobleme, Arbeitslosenversicherung und Bruch der Koalition|Bruch der Großen Koalition]] auf die divergierenden sozialpolitischen Positionen ihrer Flügelparteien SPD und DVP oder auf die erklärte Absicht von Reichspräsident und Reichswehrführung zurückzuführen ist, die SPD aus der Regierung zu drängen, ist seit 1957 umstritten.<ref>[[Eberhard Kolb]]: ''Die Weimarer Republik.'' Oldenbourg, München 2013, S. 255–258.</ref>
=== Zeit des Nationalsozialismus 1933–1945 ===


[[Datei:Stimmzettel zur Reichspräsidentenwahl 1932.jpg|mini|Stimmzettel der Reichspräsidentenwahl 1932]]
''Hauptartikel: [[Zeit des Nationalsozialismus]]''


Hindenburg ernannte den als Finanzpolitiker profilierten Zentrumsmann [[Heinrich Brüning]] zum Reichskanzler und unterstützte ihn in den Jahren 1930 bis 1932 mit allen Befugnissen, die ihm laut [[Weimarer Verfassung]] zu Gebote standen: Das [[Notverordnung]]srecht nach Artikel 48 der Verfassung, die Möglichkeit der Reichstagsauflösung nach Artikel 25 mit nachfolgenden Neuwahlen und die Ernennung des Reichskanzlers ohne Wahl durch den Reichstag nach Artikel 53. Nachdem der Reichstag erstmals eine Notverordnung Brünings mit Mehrheit abgelehnt und dadurch aufgehoben hatte, wurde er aufgelöst, während Brüning blieb und in der Zeit bis zu den Neuwahlen wiederum per Notverordnung weiterregierte. Als die rechtsextreme [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei]] (NSDAP) bei der [[Reichstagswahl 1930|Reichstagswahl am 14. September 1930]] sprunghaft zu einer bedeutenden politischen Kraft im Reichstag anwuchs, entschloss sich die SPD bis auf Weiteres zur Tolerierung von Brünings Notverordnungsregime, während die oppositionellen Kräfte der äußersten [[Politische Rechte (Politik)|Rechten]] sich in der kurzlebigen [[Harzburger Front]] sammelten. Mit harten Sparprogrammen, Steuererhöhungen und Leistungskürzungen war Brüning um die [[Deflationspolitik|Vermeidung einer neuerlichen Inflation]] und um Zugeständnisse des Auslands bei den Reparationen bemüht, verschärfte im Zuge der [[Deutsche Bankenkrise|Bankenkrise]] damit aber noch die wirtschaftliche [[Rezession]]. Frankreich und Großbritannien irritierte er mit Plänen für eine [[Deutsch-österreichische Zollunion]].
[[Bild:Adolf Hitler.jpg|frame|right|[[Adolf Hitler]]]]


Nach der [[Reichspräsidentenwahl 1932]] entzog ihm Hindenburg Ende Mai seine Unterstützung und berief statt seiner [[Franz von Papen]] zum Reichskanzler, der die antiparlamentarische Stoßrichtung des [[Präsidialkabinett|Präsidialregimes]] mit seinem [[Kabinett Papen|„Kabinett der Barone“]] noch verstärkte. Sein autoritärer Kurs gipfelte in dem [[Preußenschlag]] vom 20. Juli 1932, mit dem er die geschäftsführende Regierung unter sozialdemokratischer Führung absetzte und in Abstimmung mit Hindenburg selbst als [[Reichskommissar]] für Preußen ihre Stelle einnahm. Im Reichstag hatte Papen kaum Unterstützer; seine Notverordnungen wurden, sofern der Reichstag nicht gerade aufgelöst war, mit drastischen Mehrheiten zurückgewiesen. Unter dem Eindruck der immer weiter massenhaft zunehmenden Arbeitslosigkeit und sozialen Not in der Weltwirtschaftskrise radikalisierte sich das Wählerverhalten noch zunehmend. Die beiden 1932 vorgenommenen Reichstagsauflösungen führten in den Reichstagswahlen sowohl [[Reichstagswahl Juli 1932|des Julis]] als auch [[Reichstagswahl November 1932|des Novembers]] jeweils dazu, dass die NSDAP stärkste Kraft im Reichstag wurde und eine negative Mehrheit der Demokratiegegner mit den Kommunisten bildete, sodass republikanische Regierungsmehrheiten in weite Ferne rückten.
Am [[30. Januar]] [[1933]] ernannte Reichspräsident [[Paul von Hindenburg]] [[Adolf Hitler]] zum Reichskanzler: Dies markierte das Ende der [[Weimarer Republik]] und den Beginn der [[Diktatur]] des [[Nationalsozialismus]], der eine Variante des [[Faschismus]] war. Hitler löste den Reichstag auf und setzte Neuwahlen an. Nach dem [[Reichstagsbrand]] am [[28. Februar]] 1933 schränkte eine [[Notverordnung]] von Reichspräsident Hindenburg die [[Grundrecht]]e ein. Die [[KPD]] wurde verboten und viele ihre Mitglieder verhaftet. Das so genannte [[Ermächtigungsgesetz]] gab der Regierung dazu uneingeschränkte [[Gesetzgebung]]sbefugnisse. Danach wurden innerhalb kurzer Zeit auch die restlichen demokratischen Parteien verboten, wenn sie sich nicht selber auflösten. Die ersten [[Konzentrationslager]] zur Inhaftierung politischer NS-Gegner, vor allem von Kommunisten und Sozialdemokraten, entstanden.


Da Papen auch nach der Novemberwahl im Reichstag auf brüske Ablehnung stieß, machte Hindenburg, indem er [[Adolf Hitler]] das Amt zunächst noch verweigerte, den Reichswehrgeneral [[Kurt von Schleicher]] zum Reichskanzler. Als aber dessen „Querfront“ scheiterte, mit der er Teile der NSDAP abspalten und für eine übergreifende Gewerkschaftsinitiative gewinnen wollte, fand sich Hindenburg unter dem Einfluss seiner Berater bereit, den von Papen und [[Alfred Hugenberg|Hugenberg]] vermeintlich „eingerahmten“ Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler zu ernennen.
In den folgenden Monaten wurden die bisherigen Länder [[Gleichschaltung|gleichgeschaltet]], ebenso die [[Presse (Medien)|Presse]] und die [[Gewerkschaft]]en. Im April begann der [[Boykott]] jüdischer Geschäfte und die Entfernung jüdischer Beamter aus dem Staatsdienst. Im Juni/Juli wurden die evangelischen Landeskirchen in einer [[Reichskirche]] unter Leitung eines [[Reichsbischof]]s zusammengeschlossen. Vor allem die [[Deutsche Christen|Deutschen Christen]] progagierten ein "judenreines" [[Evangelium]] und waren dem "Führer" ergeben. Dagegen bildete sich im September ein [[Pfarrernotbund]], aus dem im Juni 1934 die [[Bekennende Kirche]] hervorging. In ihr sammelten sich evangelische Christen, die Übergriffe des Staates auf die Kirche, meist aber nicht den Nationalsozialismus also solchen ablehnten. Mit dem [[Vatikan]] schloss Deutschland ein [[Konkordat]], das die Stellung der katholischen Bischöfe in Deutschland sicherte.


=== Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg (1933–1945) ===
[[1934]] wurde die Justiz gleichgeschaltet. Durch politische Morde nach dem angeblichen [[Röhm-Putsch]] erstickte Hitler auch jede mögliche Opposition innerhalb der NSDAP und entmachtete die [[SA]]. Er ließ sich außerdem nach Hindenburgs Tod am [[2. August]] zum "[[Führer]]" und Reichskanzler ernennen. Die [[Reichswehr]] wurde nun auf ihn persönlich vereidigt. Auch das Berufsbeamtentum musste einen "Führereid" ablegen, so dass regimekritische Akademiker ihre Ämter verloren.
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-S38324, Tag von Potsdam, Adolf Hitler, Paul v. Hindenburg.jpg|mini|Reichskanzler Adolf Hitler begrüßt Reichspräsident Paul von Hindenburg am 21. März 1933, dem [[Tag von Potsdam]], aus Anlass der Konstituierung des am 5. März neugewählten Reichstags. Es war Hitlers einziger öffentlicher Auftritt in [[Cutaway|Cut]] und Zylinder.]]
[[Datei:Bundesarchiv Bild 102-14597, Berlin, Opernplatz, Bücherverbrennung.jpg|mini|Bücherverbrennung auf dem [[Bebelplatz|Opernplatz]] in [[Berlin]] am 10. Mai 1933]]
[[Datei:Naziaufmarsch Fuerth Nuernberg.jpg|mini|NS-Marschkolonne mit [[Hakenkreuzfahne]]n auf dem Rückweg vom [[Reichsparteitag]] (vermutlich 1938) an der Stadtgrenze [[Fürth]]/[[Nürnberg]], antijüdische Propaganda am Ortsschild und Kinder mit [[Hitlergruß]]. Im Hintergrund ein Fabrikgebäude der „[[Arisierung|arisierten]]“, zuvor jüdischen Firma [[J. W. Spear & Söhne]].]]
[[Datei:Bundesarchiv Bild 146-1976-116-08A, Olympische Spiele, Fackelläufer.jpg|mini|Fackelläufer auf dem Weg nach Berlin zu den als NS-Propaganda-Spektakel inszenierten [[Olympische Sommerspiele 1936|Olympischen Spielen 1936]]]]
[[Datei:Grossdeutsches Reich Staatliche Administration 1944.png|mini|Großdeutsches Reich 1944]]
{{Hauptartikel|Zeit des Nationalsozialismus|NS-Staat|Zweiter Weltkrieg}}


Mit Hitlers Reichskanzlerschaft begann am 30. Januar 1933 die [[Zeit des Nationalsozialismus]]. Die zur [[Diktatur]] zielführenden Schritte waren in den Grundzügen bei Hitlers Amtsantritt bereits vorgesehen und wurden im Prozess der „[[Machtergreifung]]“ durch die Ausschaltung sowohl der politischen Gegner als auch der anfänglichen Regierungspartner, unter Beseitigung hinderlicher Verfassungsbestimmungen, binnen weniger Monate beschleunigt. Einer erneuten Reichstagsauflösung durch Hindenburg am 31. Januar folgte als Reaktion auf [[Kommunistische Partei Deutschlands|KPD]]-Streikaufrufe schon am 4. Februar 1933 die ''[[Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes]]'' zur Einschränkung der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Der [[Reichstagsbrand]] am 27./28. Februar, für den die NS-Führung sogleich die Kommunisten als Brandstifter verantwortlich machte, bot vor der für den 5. März angesetzten Reichstagsneuwahl für eine noch viel [[Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat|umfassendere Notverordnung]] Anlass, die für die kommenden Jahre praktisch jeden Schutz politischer Grundrechte auf Dauer außer Kraft setzte. Laut vorbereiteten Listen wurden umgehend profilierte NS-Gegner im linken Spektrum verhaftet. Die folgende [[Reichstagswahl März 1933|Reichstagswahl]] verschaffte zwar dem [[Kabinett Hitler]] eine parlamentarische Mehrheit, nicht aber der NSDAP allein. Das bei der Regierungsbildung verabredete [[Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933]], das nach Streichung der kommunistischen Mandate und der überwiegenden Zustimmung des Zentrums die nötige [[Zweidrittelmehrheit]] erhielt, machte die Regierung und insbesondere Reichskanzler Hitler von jeglicher parlamentarischen Zustimmung unabhängig, sogar hinsichtlich verfassungsändernder Gesetze. Nun konnte der auf [[Vorläufiges Gesetz und Zweites Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich|die Länder]], auf [[Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums|die Verwaltungsbehörden]], [[Deutsche Arbeitsfront|die Gewerkschaften]] wie auf die politischen Parteien gerichtete [[Gleichschaltung]]sprozess beschleunigt werden. Am 14. Juli 1933, nach dem Verbot bzw. der Selbstauflösung sämtlicher Parteien außer der NSDAP, wurde diese mit dem [[Gesetz gegen die Neubildung von Parteien]] zur einzig zugelassenen Partei in Deutschland. Die schon seit Februar 1933 in großer Zahl willkürlich festgenommenen NS-Widersacher wurden großteils in [[Konzentrationslager]]n inhaftiert.
In der folgenden Zeit wurde das gesamte gesellschaftliche Leben von NS-Organisationen wie [[Hitlerjugend]], [[Deutsche Arbeitsfront]] und [[Kraft durch Freude|KdF]] durchdrungen. Maßnahmen wie der [[Autobahn]]ausbau und ein massives Aufrüstungsprogramm beseitigten die [[Arbeitslosigkeit]], dienten aber im Wesentlichen der Kriegsvorbereitung.


Als attraktives Gegenbild zur Bekämpfung und Vernichtung ihrer tatsächlichen Gegner und vermeintlichen Feinde propagierten die [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] eine geschlossene [[Volksgemeinschaft]], in der sich jeder nach Kräften nützlich machen und vorankommen sollte.<ref>[https://www.academia.edu/8711847 Norbert Götz. ''Ungleiche Geschwister: Die Konstruktion von nationalsozialistischer Volksgemeinschaft und schwedischem Volksheim''. Baden-Baden: Nomos, 2001.]</ref> Mit ihr und durch sie sollte der „Schandfrieden“ von Versailles getilgt werden und das Deutsche Reich zu neuer Kraft und Größe aufsteigen. Gesellschaftliche Standesunterschiede galt es zu beseitigen, die Gleichwertigkeit körperlicher und geistiger Arbeit anzuerkennen, die „[[Volksgenosse]]n“ unterschiedlicher Herkünfte bei Gemeinschaftsaufgaben zusammenzuführen. Dazu dienten teilnahmepflichtige Organisationen wie [[Hitlerjugend]], [[Bund Deutscher Mädel]], [[Reichsarbeitsdienst]], [[Reichswehr#Die Reichswehr unter Hitler|Wehrdienst]] und eine Vielzahl weiterer Einrichtungen, unter denen sich die Freizeit- und Reiseorganisation [[Kraft durch Freude]] (KdF) besonderer Beliebtheit erfreute. Für die Verbreitung und Durchsetzung der NS-Weltanschauung in allen Gliederungen von Staat und Volk war als Hauptinstrument das [[Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda]] unter [[Joseph Goebbels]] zuständig, dem auch die [[Zensur (Informationskontrolle)|Zensur]] der veröffentlichten Meinung in Schrift und Bild unterlag. Am 10. Mai 1933 war er der Hauptredner bei der [[Bücherverbrennung 1933 in Deutschland|Bücherverbrennung]] auf dem [[Bebelplatz|Opernplatz]], die von Studenten der [[Humboldt-Universität zu Berlin|Friedrich-Wilhelms-Universität]] „wider den undeutschen Geist“ veranstaltet wurde. Gerade unter den Nachwuchsakademikern waren die NSDAP-Anhänger bereits zu Zeiten der Weimarer Republik besonders stark vertreten, stand die Partei in ihren Augen doch für die Überwindung verkrusteter Strukturen, für Modernität, Mobilität und Egalität: „Den hochgespannten Erwartungen, an dem großen Projekt einer Modernisierung Deutschlands unter den Auspizien eines dynamisierten Nationalismus selber teilnehmen zu können, entsprach offenbar glaubwürdig die messianische Vision eines – im Vergleich mit allen anderen Parteipolitikern – ganz ungewöhnlichen charismatischen «Führers» mit einer extraordinären «Willenspotenz» und der rhetorischen Fähigkeit, das Erreichen großartiger Ziele zu einer unumstößlichen Gewißheit zu erheben.“<ref>[[Hans-Ulrich Wehler]]: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte''. Bd. 4: ''Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949.'' München 2003, S.&nbsp;686.</ref> Seit Anfang April 1933 gab es ein ''Hauptamt für Presse und Propaganda der Vereinigten Deutschen Studentenschaften'', das in einem Rundschreiben jeden Studenten aufforderte, seine und die Bibliotheken seiner Bekannten zu „säubern“ und dafür zu sorgen, dass „ausschließlich volksbewusstes Schrifttum darin heimisch ist.“<ref>[[Ernst Piper]]: ''Kurze Geschichte des Nationalsozialismus von 1919 bis heute.'' Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, S.&nbsp;129.</ref>
[[1935]] wurde das [[Saarland]] wieder ins deutsche Reich integriert. Auf dem [[Reichsparteitage|Reichsparteitag]] wurden die [[Nürnberger Gesetze|Nürnberger Rassegesetze]] beschlossen, die die Ausgrenzung und Isolierung der Juden begründeten.


Wer dagegen von den Nationalsozialisten nicht zur Volksgemeinschaft gezählt wurde, ihnen unnütz erschien, abweichende Ansichten vertrat oder sich ihnen in den Weg stellte, wurde diskriminiert und verfolgt. Das galt, wie die [[Politischer Mord|politischen Morde]] im Zusammenhang mit dem angeblichen [[Röhm-Putsch]] zeigten, mit denen die [[Sturmabteilung|SA]] zugunsten der [[Wehrmacht]] und zum Vorteil der [[Schutzstaffel|SS]] entmachtet wurde, sogar für eine mögliche Opposition innerhalb der NSDAP gegen den Kurs Hitlers. Die christlichen [[Kirche (Organisation)|Kirchen]] der [[Katholizismus|Katholiken]] und der [[Protestantismus|Protestanten]] ließ man gewähren, nachdem die Zentrumspartei als politischer Akteur verschwunden war und sofern nicht vereinzelt opponiert wurde. Mit dem [[Vatikanstadt|Vatikan]] wurde ein [[Reichskonkordat|Konkordat]] geschlossen, das unter anderem die [[Konfessionsschule|Bekenntnisschulen]] und den katholischen [[Religionsunterricht in Deutschland#1933 bis 1945 / NS-Diktatur|Religionsunterricht]] zusicherte. Gegen [[Geschichte der Juden in Deutschland|Juden in Deutschland]] kam es bereits im April 1933 zu einer organisierten [[Judenboykott|Boykott-Aktion]]. 1935 wurden sie durch die [[Nürnberger Gesetze]] ausgebürgert, 1938 in und nach der [[Novemberpogrome 1938|Reichspogromnacht]], in der randalierende uniformierte SA- und SS-Leute mehr als 1400 [[Synagoge]]n in Deutschland zerstörten, vielfach schwer und teils tödlich misshandelt und ihrer wirtschaftlichen Existenz beraubt. Die Verfolgungen gegen [[Sinti und Roma]] sowie von Deutschen mit [[Geisteskrankheit]]en oder angeborenen [[Behinderung]]en, denen das [[Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses]] galt, forderten im Sinne der [[Nationalsozialistische Rassenhygiene|„Rassenhygiene“]] weitere Opfer. Die [[nationalsozialistische Propaganda]] bezeichnete solche Menschen als „lebensunwertes Leben“. Im Rahmen der [[Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus]] wurden sie ab 1939 in der [[Aktion T4]], ab 1943 in der [[Aktion Brandt]] massenhaft umgebracht.
[[1936]] marschierte die Reichswehr in das entmilitarisierte Rheinland ein und brach damit den [[Versailler Vertrag]]. Im August fanden in Berlin die [[Olympische_Sommerspiele_1936|Olympischen Spiele]] statt, die Hitler als Propagandabühne für die Weltöffentlichkeit nutzte. Ein [[Vierjahresplan]] von 1936 sollte Deutschland bis spätestens [[1940]] kriegsbereit machen. Das Regime unterstützte ab 1936 zusammen mit Mussolinis Italien auch militärisch den faschistischen General [[Franco]] im [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkrieg]] gegen die dortige Republik. Die [[Legion Condor]] der deutschen [[Luftwaffe]] zerstörte [[1937]] bei einem Flächenbombardement die baskische Stadt [[Guernica]]. Für Hitler bot der spanische Bürgerkrieg die Gelegenheit, die Einsatzfähigkeit seines Militärs im Kriegsfall zu testen.


Begünstigt von der einsetzenden wirtschaftlichen Erholung und rückläufigen Arbeitslosigkeit – auch ungeachtet der spezifisch nationalsozialistischen Beschäftigungsprogramme, unter denen der [[Reichsautobahn#Mythen und Motive|Autobahnausbau]] das bekannteste ist – fanden die NS-Diktatur und ihr „[[Führer]]“ rasch wachsende Zustimmung. Einige Tage nach dem Tod Hindenburgs ließ sich Hitler im August 1934 in der „[[Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs]]“ von der deutschen Bevölkerung als Führer und Reichskanzler bestätigen. Die [[Saarabstimmung]] 1935, der [[Rheinlandbesetzung (1936)|Einmarsch deutscher Truppen]] in das gemäß Versailler Vertrag entmilitarisierte Rheinland 1936 und der [[Anschluss Österreichs]] im März 1938 wurden als Schritte zu neuer deutscher Größe propagandistisch gefeiert. Gemäß seinem in „[[Mein Kampf]]“ niedergelegten Programm ging es Hitler aber darüber hinaus um die Eroberung von „[[Lebensraum im Osten]]“ für das deutsche Volk durch die Unterwerfung der [[Sowjetunion]]. Bereits 1936 gab er einen geheimen [[Vierjahresplan]] aus mit der Vorgabe, binnen vier Jahren die [[Aufrüstung der Wehrmacht]] zur Einsatzfähigkeit voranzutreiben und die deutsche Wirtschaft kriegsfähig zu machen. Finanziert wurden diese Pläne durch [[Geräuschlose Kriegsfinanzierung|verdeckte Staatsschulden]], die nur aus Kriegsgewinnen hätten getilgt werden können. Schon im Herbst 1938 legte es Hitler in der Auseinandersetzung um das [[Sudetenland]] auf eine militärische Intervention mit weiter reichenden Optionen an, musste sich dann aber mit dem [[Münchner Abkommen]] begnügen. Mit der [[Zerschlagung der Tschechoslowakei]] und dem [[Deutsches Ultimatum an Litauen|Ultimatum an Litauen]] zur Rückgabe des [[Memelland]]es im März 1939 endeten die [[Appeasement-Politik]] und ungehinderte Expansion des NS-Staates. Für den Fall eines deutschen Angriffs auf Polen gaben Großbritannien und Frankreich eine [[Britisch-französische Garantieerklärung|Beistandsgarantie]].
[[1938]] erzwang Hitler im [[Münchner Abkommen]] den Anschluss [[Österreich]]s und des [[Sudetenland]]es an Deutschland. Daraufhin schloss [[Stalin]] mit Hitler einen geheimen [[Hitler-Stalin-Pakt|Nichtangriffspakt]]. Am [[9. November]] inszenierten die Nazis die [[Reichspogromnacht]] und legten in zahlreichen [[Synagoge]]n Feuer. Als Zivilpersonen getarnte [[SA]]- und [[SS]]-Angehörige misshandelten und ermordeten viele Juden unter den Augen der Polizei, die meist stillhielt.


[[Datei:Bundesarchiv Bild 192-208, KZ Mauthausen, Sowjetische Kriegsgefangene.jpg|mini|Ausgehungerte sowjetische Kriegsgefangene im [[KZ Mauthausen]]]]
Im März [[1939]] marschierten Hitlers Truppen auch in die so genannte ''Resttschechei'' und das [[Memelland]] ein. Ihr Überfall auf Polen am [[1. September]] [[1939]] löste dann den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] aus. Am 3. September erklärten zunächst Großbritannien und Frankreich Deutschland den Krieg. Nach dem Sieg der Wehrmacht über Polen wurde dessen Westteil zum deutschen [[Generalgouvernement]] erklärt, während die [[Rote Armee]] fast kampflos auch den Ostteil des Landes besetzte. So teilten Hitler und Stalin Polen infolge ihres Paktes untereinander auf.
[[Datei:Buchenwald-bei-Weimar-am-24-April-1945.jpg|mini|[[KZ Buchenwald|Buchenwald]] bei Weimar am 24. April 1945]]


Mit dem überraschenden, die Vermeidung eines [[Zweifrontenkrieg#Zweiter Weltkrieg|Zweifrontenkriegs]] begünstigenden [[Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt|Hitler-Stalin-Pakt]] erschien Hitler der [[Überfall auf Polen]] als ein überschaubares Risiko. Am 1. September 1939 begann das Deutsche Reich mit dem Überfall auf Polen den [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]]. Der [[Blitzkrieg]] war von Polen [[Unternehmen Weserübung|über Norwegen]] und im [[Westfeldzug]] so erfolgreich, dass Hitler trotz der am energischen Widerstand unter [[Winston Churchill]] gescheiterten [[Luftschlacht um England]] am 22. Juni 1941 das [[Unternehmen Barbarossa]] und den darauf folgenden [[Deutsch-Sowjetischer Krieg|Krieg gegen die Sowjetunion]] befahl. Der deutsche Vormarsch wurde von der weit unterschätzten [[Rote Armee|Roten Armee]] mit Einbruch des Winters in der [[Schlacht um Moskau]] gestoppt. Doch auch den gerade nach dem japanischen [[Angriff auf Pearl Harbor]] in den Krieg eingetretenen USA erklärte Hitler am 11. Dezember 1941 deutscherseits den Krieg. Die auf „Lebensraum“-Eroberung gerichtete militärische Ostexpansion des nationalsozialistischen Deutschland sah auch für die einheimische Zivilbevölkerung keinerlei Schonung vor. Vielmehr zielten [[NS-Zwangsarbeit|Zwangsarbeit]] und [[Hungerplan|Aushungern]] auf eine radikale Dezimierung der slawischen „Untermenschen“, an deren Stelle arische „[[Herrenmensch]]en“ als Kolonisten in einem künftigen „[[Nationalsozialistische Europapläne|Großgermanischen Reich]]“ herrschen sollten. Im [[Generalplan Ost]] war die „Verschrottung“ von 31 Millionen Slawen vorgesehen, im [[:Datei:Besprechungsprotokoll Wannseekonferenz - Minutes of the Wannsee Conference - Berlin, 20. Januar 1942.pdf|Protokoll]] der [[Wannseekonferenz]] die Vernichtung von 11 Millionen Juden im Rahmen des [[Holocaust]]. Zwischen 1941 und 1944 stieg die Zahl der nach Deutschland verschleppten Zwangsarbeiter von drei auf acht Millionen. Das dem [[KZ Auschwitz]] angeschlossene Zwangsarbeiterlager [[KZ Auschwitz III Monowitz|Auschwitz-Monowitz]] gehörte zum oberschlesischen Chemie-Komplex, der Dimensionen annahm, die denen des Ruhrgebiets kaum nachstanden.<ref>[[Ernst Piper]]: ''Kurze Geschichte des Nationalsozialismus von 1919 bis heute.'' Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, S.&nbsp;222.</ref> Den Juden in Europa hatte Hitler bereits Anfang 1939 die Vernichtung angedroht. Seit September 1941 waren sie gezwungen, den [[Judenstern]] zu tragen. Auf der Wannseekonferenz im Januar 1942 wurden Zuständigkeiten und Organisation bezüglich der „[[Endlösung der Judenfrage]]“ beschlossen, nachdem das Morden der [[Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD]] bereits im Juli 1941 begonnen hatte. Nach der Deportation in [[Ghetto]]s wie das [[Ghetto Theresienstadt]], [[Ghetto Riga]] oder das [[Warschauer Ghetto]] wurde die Ermordung der Juden im besetzten Osten Europas seit Herbst 1941 mit [[Gaskammer (Massenmord)|Gaskammern]] und Verbrennungseinrichtungen auch industriell betrieben. Neben Auschwitz-Birkenau gehörten im Rahmen der „[[Aktion Reinhardt]]“ zu den großen Vernichtungslagern [[Vernichtungslager Belzec|Belzec]], [[Vernichtungslager Sobibor|Sobibor]] und [[Vernichtungslager Treblinka|Treblinka]]. Bis zum Kriegsende wurden etwa sechs Millionen europäische Juden ermordet, darunter über drei Millionen polnische Juden.
Nur wenige Monate nach Beginn des Krieges, am [[8. November]] [[1939]] verübte der Einzelkämpfer [[Johann Georg Elser]] ein Bomben[[attentat]] auf Hitler während einer NS-[[Propaganda]]veranstaltung im Münchner [[Bürgerbräukeller]], das aber scheiterte, weil Hitler wenige Minuten vor der Explosion sofort nach seiner Rede den Saal verließ. Elser wurde wenig später gefasst, interniert und kurz vor Ende des Krieges im April 1945 im [[KZ Dachau]] ermordet.


Nachdem die militärische Front des NS-Reiches und seiner Verbündeten 1942 ihre größte Ausdehnung im Osten erreicht hatte, setzte mit der verlorenen [[Schlacht von Stalingrad]] der Umschwung ein, der auf deutscher Seite in einen noch mehr als zwei Jahre währenden Krieg der erzwungenen Rückzüge, Zwischenoffensiven, Kapitulationsverbote und Durchhalteparolen mündete; und zwar nicht nur im Osten, sondern auch im [[Afrikafeldzug]] und im Italien des verbündeten [[Italienischer Faschismus|Faschistenführers]] [[Benito Mussolini]]; nach der [[Operation Neptune|angloamerikanischen Invasion in der Normandie]] im Juni 1944 schließlich auch im Westen. Nachdem deutsche [[Bomber]] im [[Spanischer Bürgerkrieg|Spanischen Bürgerkrieg]] zunächst den [[Luftangriff auf Guernica]], bei der [[Luftschlacht um England]] ''[[The Blitz]]'' auf [[London]] und die [[Luftangriffe auf Coventry]] ausgeführt hatten, verlagerte sich der [[Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg]] ab 1943 auf deutsche Großstädte. Alliierte Luftstreitkräfte, darunter das [[RAF Bomber Command]], richteten mit [[Sprengbombe|Spreng-]] und [[Brandbombe]]n verheerende Schäden an. Das bis zuletzt verschonte [[Dresden]] wurde noch [[Luftangriffe auf Dresden|im Februar 1945]] in Schutt und Asche gelegt.
Im so genannten "[[Blitzkrieg]]" folgten schnelle deutsche Besetzungen von [[Dänemark]], [[Norwegen]], den [[Benelux]]staaten und [[Frankreich]] [[1940]]. Hitlers Popularität in der deutschen Bevölkerungsmehrheit war auf ihrem Höhepunkt. Die geplante [[Invasion]] [[Großbritannien]]s misslang jedoch, da die deutsche [[Luftwaffe]] in der [[Luftschlacht um England]] trotz massiver Bombardierung englischer Städte nicht die [[Lufthoheit]] über England erringen konnte.


Der [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus]] blieb auch angesichts der sich anbahnenden Kriegsniederlage begrenzt und durch den Terror-Apparat ([[Reichssicherheitshauptamt]], [[Geheime Staatspolizei|Gestapo]]) beherrschbar, zumal die Propaganda bis zuletzt auf den „[[Endsieg]]“ einschwor. Im zeitgenössischen Umfeld praktisch wirkungslos blieben auch die heute berühmten Flugblattaktionen der [[Weiße Rose|Weißen Rose]] oder das von Mitgliedern des [[Kreisauer Kreis]]es inspirierte [[Attentat vom 20. Juli 1944]], das [[Claus Schenk Graf von Stauffenberg]] erfolglos auf Hitler verübte. Einige Wirkung zeigte immerhin der öffentliche Einsatz des Münsteraner Bischofs [[Clemens August Graf von Galen|von Galen]] gegen die „[[Vernichtung lebensunwerten Lebens]]“. Im Regelfall wurden aktiv Widerständige als [[Hochverrat|Hoch-]] und [[Landesverrat|Landesverräter]] behandelt und hingerichtet, teils auch ohne Aburteilung durch den [[Volksgerichtshof]].
1940/41 eroberte die Wehrmacht mit dem [[Faschismus|faschistischen]] [[Italien]] gemeinsam [[Jugoslawien]] und [[Griechenland]]. Beide Länder wurden unter den verbündeten Diktaturen aufgeteilt. Ihrer Eroberung folgte jedoch ein zermürbender [[Partisan]]enkrieg.
[[Ungarn]], [[Rumänien]] und [[Bulgarien]] wurden als Verbündete Deutschlands gewonnen.
Mit Italien kämpfte Deutschland seit Januar 1941 auch in [[Nordafrika]].


In den letzten Kriegsmonaten kam es mit dem Vorrücken der Roten Armee an die Reichsgrenzen zu [[Flucht und Vertreibung Deutscher aus Mittel- und Osteuropa 1945–1950|Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung im Osten]], mitbedingt durch die von der Sowjetunion betriebene [[Westverschiebung Polens]]. Betroffen waren mehr als 12 Millionen Deutsche, von denen über zwei Millionen dabei umkamen. Während der [[Schlacht um Berlin]] verfasste Hitler sein [[Politisches Testament Adolf Hitlers|politisches Testament]] und erschoss sich am 30. April 1945. Die [[Bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht|deutsche Kapitulation]] wird auf den 8. Mai 1945 datiert. Die Verhaftung der [[Regierung Dönitz|letzten Reichsregierung]] unter [[Karl Dönitz]] im [[Sonderbereich Mürwik]] erfolgte erst am 23. Mai 1945.
Am [[22. Juni]] überfiel Deutschland die [[Sowjetunion]]. In dem als Vernichtungsfeldzug geplanten "[[Unternehmen Barbarossa]]" drang die [[Wehrmacht]] bis vor [[Moskau]], [[Leningrad]] und nach [[Stalingrad]] vor. Im Winter 1941/42 aber kam sie ins Stocken und musste in der [[Schlacht um Stalingrad]] ihre erste, kriegsentscheidende Niederlage hinnehmen. Dennoch erklärte Hitler am [[11. Dezember]] 1941 auch den [[USA]] den Krieg, die Großbritannien mit Gütern versorgten. Doch bis Ende [[1943]] hatte die Sowjetunion weite Gebiete zurückerobert. Am [[13. Mai 1943]] mussten die Achsenmächte (Deutschland und Italien) in Nordafrika kapitulieren.


=== Das geteilte Deutschland (1945–1990) {{Anker|Deutsche Teilung}} ===
Inzwischen war der [[Holocaust]], der von langer Hand geplante beispiellose [[Völkermord]] an den Juden, im Gang. Schon seit September 1941 mussten [[Juden]] den [[Judenstern]] tragen. Nach ihrer Entrechtung, Enteignung, [[Ghetto]]isierung und Massenerschießungen an jüdischen Zivilisten in den eroberten Ostgebieten beschlossen die führenden Nazis im Januar 1942 auf der [[Wannseekonferenz]] die so genannte "''Endlösung der Judenfrage''". In extra dazu errichteten [[Vernichtungslager]]n im besetzten Osten Europas wie [[Auschwitz]], [[Treblinka]] oder [[Majdanek]] wurde die Ermordung der Juden nun industriell betrieben. Bis zum Kriegsende wurden etwa 6 Millionen Juden ermordet.
[[Datei:Map-Germany-1947.svg|mini|Die vier [[Besatzungszone]]n gemäß dem [[Potsdamer Abkommen]], das freie [[Saarland 1947 bis 1956|Saarland]] und die unter polnische und sowjetische Verwaltung gestellten [[Ostgebiete des Deutschen Reiches]] (Stand: Juni 1947 bis April 1949)]]


Die mit der Kapitulation besiegelte Niederlage des „Dritten Reiches“ am Ende des „[[Totaler Krieg|totalen Krieges]]“ war als historische Zäsur noch durchdringender als der Weltkriegsausgang 1918.<ref>Heinrich August Winkler: ''Der lange Weg nach Westen.'' Zweiter Band: ''Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung.'' Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S.&nbsp;116&nbsp;ff.</ref> Sie führte zur [[Deutsche Teilung|Teilung Deutschlands]], wobei sich aus den [[Besatzungszone#Besatzungszonen in Deutschland|Besatzungszonen]] der vier Siegermächte im Rahmen des [[Alliierter Kontrollrat|Alliierten Kontrollrats]] schließlich zwei deutsche [[Staat]]en ergaben. Die deutsche Teilung bedeutete aber auch den faktischen Verlust aller Gebiete östlich der [[Oder-Neiße-Grenze]], die seit der [[Hochmittelalterliche Ostsiedlung|mittelalterlichen Ostsiedlung]] unter deutsche [[Hoheit (Staatsrecht)|Hoheit]] gelangt waren. Das in den [[Kalter Krieg|Kalten Krieg]] übergehende, durch systembedingte politische und wirtschaftliche Interessenkonflikte verursachte Zerwürfnis zwischen den drei westlichen Mächten und der Sowjetunion bewirkte einen viereinhalb Jahrzehnte andauernden Teilungsprozess bezüglich der politischen Systeme und bei der Entwicklung staatsbürgerlicher Identitäten in beiden deutschen Staaten. Zwar bestand ein Bewusstsein für Zusammengehörigkeit der Deutschen bei vielen DDR-Bewohnern fort, wie sich 1989/90 zeigen sollte; die unterschiedlichen [[Sozialisation]]s- und Lebensbedingungen in Ost und West wirken aber auch nach erfolgter [[Deutsche Wiedervereinigung|Wiedervereinigung]] in vielen Bereichen des individuellen und gesellschaftlichen Lebens nach, wie es grob vereinfachend in dem Bild von der „Mauer in den Köpfen“ zwischen [[Ossi und Wessi|„Ossis“ und „Wessis“]] zum Ausdruck kommt.
Schon vor dem [[Völkermord]] an den Juden in seiner industrialisierten Form nach der Wannseekonferenz hatten die Nationalsozialisten bei der sogenannten [[Aktion T4]] im Rahmen ihres "[[Euthanasie]]programms" der "[[Vernichtung lebensunwerten Lebens]]" die Methode der [[Vergasung]] von größeren Menschengruppen in den Jahren zwischen [[1939]] und [[1941]] getestet. Diesem "Programm" waren etwa 100.000 geistig, psychisch und körperlich behinderte Menschen in mehreren deutschen Behindertenanstalten zum Opfer gefallen. Der mutige öffentliche Einsatz des im Grunde konservativen katholischen [[Bischof]]s von [[Münster]] [[Clemens August Graf von Galen]] gegen die Ermordung der Behinderten hatte schließlich zur Einstellung des NS-Euthanasieprogramms geführt.


==== Besatzungszeit (ab 1945) ====
1943 begann der Bombenkrieg der Alliierten auf deutsche Städte, durch den etwa 300.000 Zivilisten ums Leben kamen. Ab Ende [[1944]] flohen viele Deutsche aus den Ostgebieten vor der anrückenden [[Rote Armee|Roten Armee]]. 1944 konnte diese weite Teile von [[Südosteuropa]] erobern. Am [[6. Juni]] begann die [[D-Day|Invasion]] der westlichen Alliierten in der [[Normandie]], nachdem sie schon zuvor nach der Landung auf [[Sizilien]] von Süden her Italien eroberten und gegen Deutschland im Vormarsch waren. Am [[20. Juli]] scheiterte ein [[20. Juli 1944|Attentat]] und ein Putschversuch von Wehrmachtsangehörigen und Mitgliedern der Widerstandsgruppe des "[[Kreisauer Kreis]]es" gegen Hitler.
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-2003-0703-500, Rückführung deutscher Kinder aus Polen.jpg|mini|Deutsche Kinder aus den [[Ostgebiete des Deutschen Reiches|polnisch verwalteten Gebieten]] in einem kleinen Ort Westdeutschlands angekommen, August 1948]]
{{Hauptartikel|Deutschland 1945 bis 1949}}


Das Ende von Krieg und NS-Herrschaft wurde [[Tag der Befreiung|zur Befreiung]] für die Vielzahl der vom Regime Verfolgten, in Lagern Internierten und tödlich Bedrohten, darunter neben Juden auch deportierte Zwangsarbeiter hauptsächlich östlicher Herkunft und Kriegsgefangene sowie die unterschiedlich motivierten [[Widerstand gegen den Nationalsozialismus|Widerständler]] und [[Innere Emigration|inneren Emigranten]]. Auch für die übrige deutsche Bevölkerung ging nun die Schreckenszeit der nächtlichen Luftangriffe und der schließlich sogar nach innen gerichteten Zerstörungswut Hitlers und seiner Gefolgsleute zu Ende, die weder Industrieanlagen noch Elektrizitätswerke oder überhaupt eine überlebenswichtige Einrichtung unzerstört den Alliierten überlassen wollten und die den „[[Nerobefehl|Verbrannte-Erde-Befehl]]“ ihres Führers möglichst gründlich umzusetzen trachteten.<ref>Edgar Wolfrum: ''Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart.'' Stuttgart 2006, S.&nbsp;20 f.</ref> Mancher Empfänger widersinniger Befehle und Durchhalteparolen verweigerte nun die Selbstaufopferung und suchte die eigene Haut zu retten. Die Mehrheit der Deutschen, darunter Vertriebene, Ausgebombte, Hungernde und vergewaltigte Frauen mit ihren Familien, erlebte zunächst keine [[Befreiung vom Nationalsozialismus]], sondern einen allgemeinen Zusammenbruch und das damit einhergehende Elend als „[[Stunde Null]]“.
Anfang [[1945]] beschlossen die Alliierten auf der Konferenz von [[Erklärung von Jalta|Jalta]] die Aufteilung Deutschland nach dem Krieg. Im April erreichten die sowjetischen Truppen Berlin. Hitler tötete sich am [[30. April]] im Bunker der [[Reichskanzlei]]. Auch andere führende Regierungsmitglieder wie [[Joseph Goebbels]], [[Heinrich Himmler]] u.a. begingen[[Suizid]]. Frau Goebbels ermordete zudem ihre Kinder. Zuvor hatte Hitler noch Admiral [[Karl Dönitz]] zu seinem Nachfolger ernannt. Am [[9. Mai]] 1945 unterzeichnete dieser für Deutschland die [[bedingungslose Kapitulation]].


Die von den Hauptsiegermächten auf der [[Potsdamer Konferenz]] getroffenen Vereinbarungen sahen für Deutschland eine grundlegende Abkehr von den NS-Strukturen in verschiedener Hinsicht vor: [[Entnazifizierung]] mittels strikter [[Demilitarisierung]] und [[Demokratisierung]], politische Dezentralisierung verbunden mit einer wirtschaftlichen [[Dekartellierung]] und neuen [[Deutsche Reparationen nach dem Zweiten Weltkrieg|Reparationsforderungen]]: [[Demontage (Reparation)|Demontagen]] industrieller Anlagen sollten die Kriegsschäden der [[Anti-Hitler-Koalition]] zum Teil ausgleichen, was insbesondere die Sowjetunion in ihrer Besatzungszone, der [[Sowjetische Besatzungszone|SBZ]], in die Tat umsetzte. Zusätzlich wurde dort bis 1947 48 Prozent des gesamten Schienennetzes demontiert<ref>Baar, Karlsch, Matschke: Studien zur Wirtschaftsgeschichte, Berlin, 1993</ref>. Seitens der USA wurden 1945–1947 alle deutschen Patente und Industriegeheimnisse beschlagnahmt – nach John Gimbel eine durchgreifende Beraubung des deutschen technischen Wissens im Wert von fast 10 Milliarden US-Dollar.<ref>John Gimbel ''Science Technology and Reparations: Exploitation and Plunder in Postwar Germany''</ref> Ende 1950 wurden die Demontagen in der Bundesrepublik eingestellt. Frankreich forderte basierend auf den [[Monnet-Plan|Plänen Jean Monnets]] (1946–1950), das [[Saarland 1947 bis 1956|Saar-]] und [[Ruhrgebiet]] von Deutschland abzutrennen. Die [[Ruhrstatut|Ruhrbehörde]] wurde aber 1952 durch die [[Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl|Montanunion]] abgelöst; und nach der gemäß den [[Pariser Verträge]]n durchgeführten Volksabstimmung wurde das [[Saarland]] am 1. Januar 1957 der damaligen Bundesrepublik angegliedert. Im Rahmen der Entnazifizierung sollten Haupt- und Mitverantwortliche in NSDAP, Staatsapparat und Wirtschaft je nach ihrer Belastung zur Rechenschaft gezogen, aus ihren Positionen entfernt und bestraft werden. Die überlebenden Hauptverantwortlichen wurden in den [[Nürnberger Prozesse]]n der [[Kriegsverbrechen]] und der [[Verbrechen gegen die Menschlichkeit]] angeklagt und je nach Beweislage und Größe der Schuld zu Freiheitsstrafen oder zum Tode verurteilt, einige freigesprochen. Für die breite Bevölkerung in den Westzonen wurde ein Entnazifizierungsverfahren entwickelt, wobei mit umfangreichen Fragebögen in [[Spruchkammerverfahren]] eine Einteilung in fünf Kategorien, von Kriegsverbrechern und Belasteten über Mitläufer bis zu Entlasteten vorgenommen wurde. Der Anteil der auf diese Weise als belastet eingestuften Personen war gering.<ref>Edgar Wolfrum: ''Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart.'' Stuttgart 2006, S.&nbsp;27.</ref> In der SBZ gab es keine Fragebogenaktion, aber einen intensiv und anhaltend propagierten [[Antifaschismus#DDR|Antifaschismus]] sowie mehr als eine halbe Million Entlassungen früherer Nationalsozialisten bis 1948. Dennoch waren beispielsweise mehr als die Hälfte aller Schuldirektoren in der DDR Anfang der 1950er Jahre ehemalige NSDAP-Parteimitglieder.<ref>Tony Judt: ''Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart.'' München/Wien 2006, S.&nbsp;80.</ref>
Der [[Zweiter Weltkrieg|Zweite Weltkrieg]], den Deutschland entfesselt hatte, dauerte in Südostasien noch bis zum 12. August an. Er forderte insgesamt etwa [[Tote im Zweiten Weltkrieg|60 Millionen Tote]].


[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-1983-0422-308, Heimkehrerlager Polte Nord.jpg|mini|August 1947: Frauen und Mädchen, die in sowjetische Kriegsgefangenschaft kamen, im Heimkehrlager Polte Nord. In Rumänien und Jugoslawien wurden im Dezember 1944 zehntausende „Volksdeutsche“ im Alter von 18 bis 40 Jahren ergriffen, ein Großteil davon Frauen. 16&nbsp;Prozent der Gefangenen überlebten die Arbeitslager des Donezbeckens nicht.]]
In den letzten Kriegsmonaten und im Anschluss an die Besetzung wurden die meisten noch verbliebenen Deutschen aus Osteuropa [[Vertreibung|vertrieben]].


Viele [[Deutsche Zwangsarbeiter nach 1945|deutsche Zwangsarbeiter in der Sowjetunion]] waren inhaftierte Soldaten des Ostheeres. Zusätzlich dazu überließen die US-Amerikaner den Sowjets einen Teil ihrer Gefangenen. Die letzten [[Heimkehrer]] gelangten 1955 nach Deutschland.
=== Das besetzte Deutschland von 1945 bis 1949 ===


[[Datei:SED Logo.svg|mini|Emblem der SED]]
Die Siegermächte [[USA]], [[Großbritannien und Nordirland|Großbritannien]] und [[UdSSR]] trafen sich im Juli/August 1945 zur [[Potsdamer Konferenz]]. Dort einigten sie sich auf die Grundsätze Demokratisierung, Denazifizierung, Demilitiarisierung, Dezentralisierung und Demontage. Deutschland wurde in vier [[Besatzungszonen]] aufgeteilt.


Politisch und wirtschaftlich stellten die [[Besatzungsmacht|Besatzungsmächte]] die Weichen in ihren Zonen jeweils im Sinne der eigenen Zielvorstellungen und Systemlogik. Während in der sowjetisch besetzten Zone schon 1945 eine [[Bodenreform (SBZ)|Bodenreform]] zur Enteignung von Großgrundbesitzern und zur Schaffung kleinbäuerlicher Existenzen durchgeführt wurde, unterblieb Derartiges im Westen. Allerdings intervenierte die [[Office of Military Government for Germany (U.S.)|amerikanische Besatzungsmacht]] gegen eine in der [[Verfassung des Landes Hessen]] vorgesehene [[Sozialisierungsartikel 41|Option zur Sozialisierung]] hauptsächlich von Grundstoffindustrien.
Für Deutschland wurde ein gemeinsames Verwaltungsorgan, der [[Alliierter Kontrollrat|Alliierte Kontrollrat]] gebildet, Berlin bekam eine gemeinsame Stadtverwaltung. Wiederaufbau und die Bildung von Bundesländern und Parteien begannen. Im Oktober 1945 wurden die [[Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse]] eingeleitet.


Je deutlicher der Ost-West-Gegensatz sich im weltpolitischen Maßstab ausbildete, desto klarer schlug er sich auch in der Deutschlandpolitik der Großmächte nieder. Während die sowjetische Besatzungsmacht die [[Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED|Zwangsvereinigung von SPD und KPD]] in ihrer Zone durchsetzte und freie Wahlen nach ersten [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands|SED]]-Misserfolgen für die Zukunft ausschloss, unterstützten die Westmächte die Ausbildung konkurrierender Parteien im Rahmen eines [[Pluralismus (Politik)|demokratischen Pluralismus]]. Die Gründung diverser Parteien auch in der SBZ hatte dagegen nur scheinbar eine demokratische Funktion. Es galt von vornherein das aus Moskau von der [[Gruppe Ulbricht]] für den ostdeutschen Wiederaufbau mitgebrachte Motto: „es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“<ref>[[Wolfgang Leonhard]]: ''Die Revolution entläßt ihre Kinder.'' 14. Aufl., Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1974, S.&nbsp;294 (Originalausgabe 1955).</ref>
Die Besatzungsmächte gingen in ihren Zonen eigene Wege, wobei die westlichen Mächte immer mehr zusammenarbeiteten. [[1947]] fanden einige Versuche einer Einigung über die Zukunft Deutschlands statt, die scheiterten. Fortan waren die Westmächte bestrebt, einen eigenen westdeutschen Staat zu gründen.


[[Datei:Gen. Dwight D. Eisenhower talks with Lt. Gen. Lucius B. Clay at Gatow Airport in Berlin, Germany during the Potsdam... - NARA - 198840.jpg|mini|General [[Dwight D. Eisenhower]] und Lt. General [[Lucius D. Clay]] auf dem [[Flugplatz Gatow]] in Berlin]]
In der [[SBZ]] wurden sehr bald die Weichen für den [[Sozialismus]] gestellt. SPD und KPD wurden zur [[SED]] vereinigt und Schlüsselstellen mit Kommunisten besetzt. Mit der [[Deutsche Wirtschaftskommission|Deutschen Wirtschaftskommission]] wurde 1947 ein [[vorstaatliches Organ]] geschaffen, das bald Kompetenzen zur Steuerung der Wirtschaft erhielt.


In der [[Truman-Doktrin]] boten die USA 1947 allen vom „[[Totalitarismus]]“ bedrohten Ländern ihre Hilfe an:<ref name="books-YG2jBgAAQBAJ-262">Reinhard Hildebrandt: ''Kampf um Weltmacht.'' Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-322-85782-8, S.&nbsp;262 ({{Google Buch |BuchID=YG2jBgAAQBAJ |Seite=262}}).</ref> Westdeutschland wurde mit dem [[Marshallplan]] wirtschaftlich in die Lage versetzt, bald wieder eine wichtige Rolle unter den [[marktwirtschaft]]lichen Ökonomien der westlichen Welt zu spielen. Darauf bereitete 1947 auch der Zusammenschluss der amerikanischen und britischen Besatzungszone zur [[Bizone]] vor, die mit französischer Beteiligung im April 1949 zur [[Trizone]] erweitert wurde. Mit der [[Londoner Sechsmächtekonferenz]] im März 1948 wurden von westlicher Seite die Weichen für die Gründung eines von der SBZ separierten deutschen Teilstaats gestellt, was den Protest der Sowjetunion hervorrief und ihren Auszug aus dem Alliierten Kontrollrat zur Folge hatte. Die [[Währungsreform 1948 (Westdeutschland)|Währungsreform in den Westzonen]] und in den Westsektoren Berlins im Juni 1948 beantwortete die sowjetische Besatzungsmacht mit einer [[Mark (DDR)#Einführung|Währungsreform in der SBZ]] und in [[Ost-Berlin]] sowie mit der [[Berlin-Blockade]], sodass die Bewohner [[West-Berlin]]s von jeglicher Versorgung abgeschnitten zu werden drohten. Oberbürgermeister [[Ernst Reuter]] gelang es, den amerikanischen Militärgouverneur [[Lucius D. Clay]] vom Freiheitswillen und von der engen Bindung der West-Berliner an die Westalliierten zu überzeugen und für die Errichtung der [[Berliner Luftbrücke]] gemeinsam mit der britischen [[Royal Air Force]] zu gewinnen.
Die britische und die US-amerikanische Zone schlossen sich Anfang 1947 zur [[Bizone]] zusammen. Im Jahr 1947 begann mit dem [[Marshallplan]] der Wiederaufbau, der Osten musste diese Hilfen auf sowjetischen Druck jedoch ablehnen. Mit dem [[Wirtschaftsrat]] wurde ebenfalls ein vorstaatliches Organ geschaffen.


In den an die Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder am 1. Juli 1948 übergebenen [[Frankfurter Dokumente]]n formulierten die Westmächte ihre Forderungen und Bedingungen bezüglich der Gründung eines westdeutschen Staates. In zwei Konferenzen bis zum Monatsende ([[Rittersturz-Konferenz]] und [[Niederwaldkonferenz]]) gaben die westdeutschen Länderverantwortlichen dieser Aufforderung unter der Bedingung nach, dass der zu errichtende Weststaat als ein Provisorium anzulegen sei und das Ziel einer späteren Wiedervereinigung aller Deutschen in einem Staat ausdrücklich erhalten bliebe. Mit der Ausarbeitung eines Grundgesetzes statt einer Verfassung beauftragt wurde deshalb nach Vorarbeiten durch den [[Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee]] anstelle einer Verfassunggebenden Versammlung ein [[Parlamentarischer Rat]], der in [[Bonn]] zusammentrat. Das von den westdeutschen Ländern bis auf Bayern ratifizierte und von den Militärgouverneuren der Westmächte genehmigte [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland]] wurde am 23. Mai 1949 verkündet.
Am [[20. Juni]] [[1948]] fand in den Westzonen eine [[Währungsreform]] statt. Sie bildete die Grundlage für das spätere [[Wirtschaftswunder]]. In der SBZ wurde im Gegenzug am eine [[Mark der DDR|eigene Währung]] eingeführt. Am [[24. Juni]] führten die Westmächte die Westmark auch in Westberlin ein, die Sowjets antworteten mit der [[Berliner Blockade]].Die Sowjets hoben aber bereits im Mai [[1949]] die Blockade wieder auf. Berlin blieb aber im Mittelpunkt der Politik der Siegermächte.


In Reaktion auf diese Vorgänge und parallel dazu fanden auch in der SBZ Vorbereitungen für die Gründung eines separaten Staates nach sowjetischen Leitlinien statt: Aus der [[Deutscher Volkskongress|Volkskongressbewegung]] ging ein von SED-Mitgliedern dominierter [[Deutscher Volksrat]] hervor, der einen SED-nahen Verfassungsentwurf präsentierte und beschloss, den wiederum der [[Deutscher Volkskongress#Dritter Deutscher Volkskongress|Dritte Deutsche Volkskongress]] verabschiedete. Damit war der Weg in die staatliche Teilung Deutschlands festgelegt.
Am [[20. März]] 1948 verließen die Sowjets den Alliierten Kontrollrat, im Juni kam es zur Bildung der [[Trizone]]. Am [[1. Juli]] übergaben die Westmächte den Ministerpräsidenten der Trizone die [[Frankfurter Dokumente]], eine Aufforderung zur Bildung einer verfassungsgebenden Versammlung. Auf der [[Rittersturz-Konferenz]] im Juli 1948 wurde die Gründung der [[Bundesrepublik Deutschland]] beschlossen.


==== Bundesrepublik Deutschland (1949–1990) ====
Auf dem [[Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee]] beriet ein ''Sachverständigenausschuss für Verfassungsfragen'' die Grundlage für die Arbeit des [[Parlamentarischer Rat|Parlamentarischen Rates]]. Dieser trat am [[1. September]] in [[Bonn]] zusammen und erstellte dort das [[Grundgesetz]]. Nachdem dieses von allen Ländern außer Bayern angenommen und von den Westmächten genehmigt wurde, wurde es am [[23. Mai]] [[1949]] verkündet. Die Bundesrepublik Deutschland war gegründet.
[[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F006929-0004, Bundeskanzler Adenauer mit Theodor Heuss.jpg|mini|Bundeskanzler [[Konrad Adenauer]] mit [[Theodor Heuss]], zwei Tage nach dessen Verabschiedung am 14. September 1959]]
{{Hauptartikel|Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)}}


Bei den [[Bundestagswahl 1949|Wahlen]] zum ersten [[Deutscher Bundestag|Deutschen Bundestag]] am 14. August 1949 erlangten die neu formierten Parteien von [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]/[[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]], [[Freie Demokratische Partei|FDP]] und [[Deutsche Partei|DP]] Stimmanteile, die dazu ausreichten, den bereits im Parlamentarischen Rat zum Präsidenten gewählten CDU-Vorsitzenden [[Konrad Adenauer]] mit einer Stimme Mehrheit (seiner eigenen) zum [[Bundeskanzler (Deutschland)|Bundeskanzler]] zu wählen. Die [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] um [[Kurt Schumacher]] und [[Carlo Schmid]] war danach für gut anderthalb Jahrzehnte die führende Oppositionspartei. Erster [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsident]] wurde der FDP-Vorsitzende [[Theodor Heuss]].
Ende Mai 1949 fand in der SBZ der 3. Deutsche Volkskongress statt. Die Mitglieder wählten den 2. Deutschen Volksrat als ständiges Organ. Der Volkskongress nahm die Verfassung für eine ''Deutsche Demokratische Republik'' einstimmig an. Am [[7. Oktober]] wurde die DDR gegründet.


Die Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland stand anhaltend im Zeichen der Kriegsfolgenbewältigung und des wirtschaftlichen Wiederaufbaus. Nachdem die [[Trümmerfrau]]en den Schutt abgetragen hatten, die allgemeine Versorgungslage sich stabilisiert hatte und [[Lebensmittelmarke]]n wie [[Schwarzmarkt]]beschaffungen nicht mehr gebraucht wurden, ging es in Politik und Alltag um die Beseitigung von Wohnraumnot und um die Herstellung einer funktionierenden [[Soziale Marktwirtschaft|sozialen Marktwirtschaft]]. Deren Motor und leitender Verfechter war bereits seit seiner Zeit als Wirtschaftsdirektor der Bizone [[Ludwig Erhard]], nun Wirtschaftsminister im Kabinett Adenauer und später dessen Nachfolger als Bundeskanzler. Erhards Weichenstellung mit der [[Preis (Wirtschaft)#Preisbildung|Freigabe der Preise]] wurde bis 1950 auf eine harte Probe gestellt, als die Arbeitslosenzahlen von 1948 (400.000) auf über zwei Millionen anstiegen. Erst als der Preisauftrieb der [[Koreakrieg|Korea-Krise]] in einen [[Korea-Boom]] überging, der die unausgelasteten Produktionskapazitäten der westdeutschen Industrie ins Spiel brachte, die [[Export]]wirtschaft ankurbelte und den Durchbruch zu anhaltendem [[Wirtschaftswachstum]] brachte, kam das [[Wirtschaftswunder]] in Gang. [[Vollbeschäftigung]], wachsender Wohlstand und der Durchbruch zur [[Konsumgesellschaft]] waren die Folge.<ref>Edgar Wolfrum: ''Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart.'' Stuttgart 2006, S.&nbsp;75 ff. „Zwar ist das Konzept der sozialen Marktwirtschaft originär deutschen Ursprungs, doch ohne die amerikanischen Vorgaben – Dekartellisierung, weltwirtschaftliche Integration, Liberalisierung des Außenhandelsregimes – hätte sie nicht realisiert werden können. Die USA haben das westliche Deutschland zur Speerspitze ihrer weltweiten Liberalisierungspolitik gemacht.“ (ebda., S.&nbsp;80)</ref>
===Die Bundesrepublik Deutschland 1949–1990===


Beim [[Stadtbaugeschichte#Wiederaufbau von 1945 bis um 1955|Neu- und Wiederaufbau der Städte]] orientierten sich Stadtplaner an der [[Charta von Athen (CIAM)]] von 1933 und damit am Leitbild der [[Autogerechte Stadt|autogerechten Stadt]]. Wohnen und [[Gewerbegebiet|Gewerbe]] wurden damit häufig voneinander getrennt. Fortan wurden auch zahlreiche [[Suburbanisierung|suburbane]] [[Satellitenstadt|Satellitenstädte]] („Schlafstädte“) geplant. Diese Art der Stadtentwicklung wurde teils bereits seit den 1960er Jahren als Fehlentwicklung wahrgenommen.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bauwelt.de/themen/Ein-ungeliebtes-Erbe-autogerechte-Stadt-Auto-Vekehr-Konflikt-2114144.html |titel=Ein ungeliebtes Erbe: Stadt und Auto |hrsg=[[Bauwelt (Zeitschrift)|Bauwelt]] |abruf=2022-03-17}}</ref><ref>{{Internetquelle |autor=Christoph Bernhardt |url=https://www.tagesspiegel.de/wissen/verkehrsplanung-die-autogerechte-stadt-ist-eine-untote/21097930.html |titel=Verkehrsplanung: Die autogerechte Stadt ist eine Untote |hrsg=[[Der Tagesspiegel]] |abruf=2022-03-17}}</ref>
''Hauptartikel:'' [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (1945–1990)]]


Aus dem wirtschaftlichen Boom der Nachkriegsjahre entstanden Verteilungsspielräume, die sich auch sozialpolitisch niederschlugen. Nicht nur höhere Löhne und Einkommenssteigerungen, sondern auch die Beteiligung der Rentner an den Zuwächsen durch Einführung der [[Rentenreform 1957|dynamischen Rente]] 1957 sorgten dafür, dass Arbeiterschaft, Gewerkschaften und Sozialdemokratie nun nicht mehr auf Zerschlagung, sondern auf Ergänzung der Marktwirtschaft durch Ausbau des [[Sozialstaat]]s setzten. Ein starker Impuls in Richtung auf eine ausgleichende Sozialpolitik in der deutschen Nachkriegsgesellschaft war aber mit der nötigen Integration der Millionen von Vertriebenen aus dem osteuropäischen Raum gesetzt. Speziell darauf zielte das [[Lastenausgleichsgesetz]] von 1952, das durch langzeitlich verteilte, mäßige [[Vermögensabgabe]]n der Nichtgeschädigten die mittellos Hinzugekommenen u.&nbsp;a. mit Eingliederungshilfen, Hausratentschädigung und Aufbaudarlehen unterstützte.
[[Bild:Muenze_2dm_adenauer.jpg|thumb|Vorderseite einer 2 DM-Münze]]


[[Datei:DPAG-2005-PariserVertraege.jpg|mini|[[Briefmarken-Jahrgang 2005 der Bundesrepublik Deutschland]]]]
Am [[14. August]] 1949 fanden die Wahlen zum ersten deutschen [[Bundestag]] statt, die [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]]/[[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]] wurde stärkste Fraktion. [[Konrad Adenauer]] wurde Mitte September zum [[Bundeskanzler (Deutschland)|Bundeskanzler]], [[Theodor Heuss]] zum [[Bundespräsident]]en gewählt. Im November wird das [[Petersberger Abkommen]] geschlossen. Am [[16. Januar]] [[1950]] wird die Lebensmittelrationierung abgeschafft.


Außenpolitisches Hauptziel der Regierung Adenauer nach dem [[Petersberger Abkommen]] war in den Anfangsjahren der Bundesrepublik die Wiederherstellung der vollen staatlichen [[Souveränität]] gegenüber den westlichen Siegermächten. Dies kam in einer von wechselseitigen Interessen bestimmten starken [[Westintegration|Westbindung]] der Bundesrepublik zum Tragen, die 1951 zur Schaffung der [[Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl|Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl]] führte und damit den Grundstein für die [[Europäische Union]] legte. Mit dem Inkrafttreten der [[Pariser Verträge]] 1955 wurde die angestrebte Souveränität erlangt und im Zuge dessen durch den [[Deutschlandvertrag]] das [[Besatzungsstatut]] beendet. Die Rechte der [[Alliierte]]n wurden durch – erheblich eingeschränkte – [[Alliiertes Vorbehaltsrecht|Vorbehaltsrechte]] abgelöst.<ref>[[Peter Longerich]], ''»Was ist des Deutschen Vaterland?« Dokumente zur Frage der deutschen Einheit 1800 bis 1990'', Piper, 1990, S. 33.</ref> Zur [[Wiederbewaffnung]] des westdeutschen Staates hatte bereits der Koreakrieg auch gegen erheblichen inneren Widerstand ([[Ohne mich-Bewegung]]) Anlass gegeben. 1955 wurde die Bundesrepublik Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses [[NATO]]. Die vormaligen Besatzungsmächte behielten als Schutzmächte eigene militärische Standorte und Einrichtungen im Bundesgebiet. Zudem entstanden die Kasernen und Übungsplätze der neu gegründeten [[Bundeswehr]]. In der Deutschlandpolitik verfolgte Adenauer strikt einen [[Alleinvertretungsanspruch#Bundesrepublik Deutschland (bis 1990)|Alleinvertretungsanspruch]] der Bundesrepublik für alle Deutschen und die staatliche Nichtanerkennung der DDR. Mit der [[Hallstein-Doktrin]] sollte auch deren Anerkennung durch andere Staaten verhindert werden. Gegenüber der Sowjetunion zeigte sich Adenauer flexibel, um bei seinen Moskauer Verhandlungen 1955 die [[Heimkehrer|Rückkehr]] der restlichen deutschen Kriegsgefangenen aus sowjetischen Arbeitslagern zu erreichen.
Die Regierung Adenauers bestimmte die [[Westintegration]], die [[Wiederbewaffnung]] und das [[Wirtschaftswunder]] der Bundesrepublik. Sie erhob den [[Alleinvertretungsanspruch]] und brach die Beziehungen mit Ländern ab, die die DDR anerkannten ([[Hallstein-Doktrin]]). Trotzdem unterzeichnete sie [[1955]] einen Vertrag mit der [[Sowjetunion]], damit die letzten deutschen Kriegsgefangenen heimkehren konnten. Ebenfalls 1955 trat der [[Deutschlandvertrag]] in Kraft. Die BRD trat der [[NATO]] bei und die [[Bundeswehr]] wurde gebildet.


Einen neuen, wirksamen Anstoß zur [[Vergangenheitsbewältigung|Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit]] erhielt die deutsche Öffentlichkeit seit Anfang der 1960er Jahre mit dem [[Eichmann-Prozess]] in Jerusalem und den vor deutschen Gerichten stattfindenden Prozessen gegen die Verantwortlichen in den deutschen Vernichtungslagern der SS, so z.&nbsp;B. die auf Veranlassung von [[Fritz Bauer]] und [[Hermann Langbein]] initiierten [[Frankfurter Auschwitz-Prozess|Auschwitzprozesse]]. In der [[Verjährungsdebatte]] beschloss der Deutsche Bundestag 1965 die Verlängerung der Verjährungsfrist für Mord und Beihilfe zum Mord in der NS-Zeit. In Teilen der bundesdeutschen Gesellschaft (insbesondere unter Studenten und Akademikern) setzte zeitlich parallel ein Bewusstseins- und Wertewandel ein. Gegenüber „neuen“ Werten wie [[Emanzipation]], insbesondere [[Frauenbewegung|Frauenemanzipation]], [[Partizipation]] und [[Lebensqualität]] traten die im industriegesellschaftlichen Rahmen funktionalen Werte wie Disziplin, Zuverlässigkeit und Unterordnungsbereitschaft zurück.<ref>Edgar Wolfrum: ''Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart.'' Stuttgart 2006, S.&nbsp;254.</ref>
Die Bundesrepublik war [[1952]] Mitbegründerin der [[Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl|Montanunion]], der Vorläuferin der [[Europäische Gemeinschaft|EG]]. [[1951]] und [[1956]] werden mit der rechtsradikalen [[Sozialistische Reichspartei|SRP]] und der [[KPD]] vom [[Bundesverfassungsgericht]] die einzigen [[Parteiverbot|Parteienverbote]] der Bundesrepublik ausgesprochen.
[[Datei:Ludwig Binder Haus der Geschichte Studentenrevolte 1968 2001 03 0275.0011 (16910985309).jpg|mini|Antikriegsdemonstration in [[West-Berlin]], 1968]]
Das Bildungswesen war seit der von [[Georg Picht]] ausgerufenen [[Bildungskatastrophe]] in Gärung begriffen. Die [[westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre]], die gegen die Ordinarienuniversität mit Parolen wie: „[[Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren]]“ aufbegehrte, ging im Zuge ihrer Protestaktionen zu einer umfassenden Gesellschaftskritik gegen die unaufgearbeitete NS-Vergangenheit, gegen die Verabschiedung der [[Notstandsgesetze (Deutschland)|Notstandsgesetze]], den [[Vietnamkrieg]] der USA, die Ausbeutung der Dritte-Welt-Länder durch die westlichen Industriestaaten sowie das [[Kapitalismus|kapitalistische System]] im Allgemeinen über. Die sogenannte [[Frankfurter Schule]] am [[Institut für Sozialforschung]] der [[Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main|Goethe-Universität]] bildete in dieser Zeit die intellektuelle und moralische Basis der Studentenproteste. Deren Vertreter (u.&nbsp;a. [[Theodor W. Adorno|Theodor Adorno]], [[Max Horkheimer]], [[Erich Fromm]], [[Herbert Marcuse]]) arbeiteten an einer zeitgemäßen Neuinterpretation der [[Karl Marx|marxistischen]] Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie. Die Erschießung des Studenten [[Benno Ohnesorg]] durch den Polizisten [[Karl-Heinz Kurras]] während der [[Demonstration am 2. Juni 1967 in West-Berlin]] gegen den iranischen [[Schah]] und das Attentat 1968 auf [[Rudi Dutschke]], den wichtigsten Theoretiker der Studentenbewegung, führten zu einer Radikalisierung der [[Außerparlamentarische Opposition|Außerparlamentarischen Opposition]]. Die zu dieser Zeit kulminierenden Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht führten später zur Bezeichnung „[[68er-Bewegung]]“.


[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-Z1212-049, Döllnsee, Erich Honecker und Helmut Schmidt.jpg|mini|Schmidt 1981 während eines Besuchs in der DDR mit Erich Honecker]]
[[1957]] wird das [[Saarland]] wieder Teil der BRD. Im März wird mit den [[Römische Verträge|Römischen Verträgen]] die [[Europäische Wirtschaftsgemeinschaft|EWG]] gegründet. Im November [[1959]] wendet sich die SPD mit dem [[Godesberger Programm]] endgültig vom Marxismus ab und bejaht die liberale und demokratische Grundordnung der Bundesrepublik. 1959 wird [[Heinrich Lübke]] Nachfolger von Theodor Heuss als Bundespräsident.


Auch auf der Regierungsebene kam Mitte der 1960er Jahre ein Wandel in Gang: In der [[Große Koalition#Große Koalition 1966–1969|Großen Koalition]] unter Bundeskanzler [[Kurt Georg Kiesinger]] gelangte die SPD erstmals zur Regierungsbeteiligung; in der [[Sozialliberale Koalition|sozialliberalen Koalition]] unter [[Willy Brandt]] wurde sie zur führenden politischen Kraft. „Mehr Demokratie wagen“, hieß es in der Regierungserklärung als Motto für einen nun einsetzenden Prozess gesellschaftspolitischer Reformen, darunter die Ausweitung von Bildungschancen durch Einführung des [[Bundesausbildungsförderungsgesetz|BAföG]], die Senkung des [[Wahlrecht|Wahlalters]], eine Reform des [[Strafrecht]]s, die Neuregelung von [[Schwangerschaftsabbruch|Schwangerschaftsabbrüchen]] (§&nbsp;218 [[Strafgesetzbuch (Deutschland)|StGB]]) sowie ein [[Betriebsverfassung]]sgesetz zwecks Mitbestimmung von Arbeitnehmervertretern. Die neue Ostpolitik der Regierung Brandt verfolgte ohne Preisgabe der Westanbindung eine [[Entspannungspolitik]] gegenüber der Sowjetunion, den Staaten Osteuropas und der DDR. Auf Basis des Konzepts „Wandel durch Annäherung“ verabschiedete sich die westdeutsche Bundesrepublik vom Alleinvertretungsanspruch und erkannte auch die DDR offiziell an. Im Zuge dessen kam es 1970 zu den ersten innerdeutschen Gipfeltreffen zwischen Vertretern der BRD und der DDR.<ref>{{Internetquelle |autor=Andreas Grau |url=https://www.hdg.de/lemo/kapitel/geteiltes-deutschland-modernisierung/neue-ostpolitik.html |titel=Neue Ostpolitik |werk=Lebendiges Museum Online |hrsg=Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland |sprache=de |abruf=2023-04-16}}</ref> Darüber hinaus gilt Brandts [[Kniefall von Warschau]] als historisches Symbol für die Anerkennung deutscher Kriegsverbrechen während der NS-Diktatur im osteuropäischen Ausland. Für seine Außenpolitik erhielt Willy Brandt 1971 den Friedensnobelpreis.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.nobelprize.org/prizes/peace/1971/brandt/facts/ |titel=The Nobel Peace Prize 1971 |werk=The Nobel Prize |sprache=en-US |abruf=2023-04-16}}</ref>
Bis zum Bau der [[Berliner Mauer]] [[1961]] kamen Hunderttausende Flüchtlinge aus der DDR in die BRD. Dennoch mangelte es dort an Arbeitern, zunehmend wurden [[Gastarbeiter]] aufgenommen. Im Oktober [[1962]] musste infolge der [[Spiegel-Affäre]] Verteidigungsminister [[Franz Josef Strauß]] zurücktreten. Im Januar [[1963]] wird der [[Elysée-Vertrag]] zwischen der BRD und [[Frankreich]] unterzeichnet, damit gelang die Aussöhnung mit dem ehemaligen Erzfeind. Am [[15. Oktober]] trat Adenauer als Bundeskanzler zurück.


Die 68er-Bewegung spaltete sich während der 1970er Jahre in unterschiedliche politische Richtungen auf. Diverse kommunistisch inspirierte Untergruppierungen waren von 1972 bis 1979 durch den [[Radikalenerlass]] bedroht, während reformorientierte Verfechter der Systemveränderung den „[[Marsch durch die Institutionen]]“ antraten. Die [[Kaufhaus-Brandstiftungen am 2. April 1968]] in Frankfurt am Main markierten den Beginn des Terrorismus der [[Rote Armee Fraktion|Roten Armee Fraktion]], der zu einer ernsten Herausforderung für die Regierung von Bundeskanzler [[Helmut Schmidt]] wurde. Wirksames Krisenmanagement wurde Schmidt auch wirtschaftspolitisch abverlangt, vor allem hinsichtlich der Folgenbewältigung des [[Ölpreiskrise|Ölpreisschocks]], der Ende 1973 die von nahöstlichen Ölimporten abhängigen westlichen Industrieländer traf. Nach Jahren üppigen Wirtschaftswachstums geriet die Bundesrepublik bei steigenden Arbeitslosenzahlen 1975 in eine Rezession.
[[bild:Willy_Brandt_und_Nixon.jpg|thumb|250px|Willy Brandt und Richard Nixon]]


[[Datei:Helmut Kohl (1989).jpg|mini|181x181px|Bundeskanzler [[Helmut Kohl]] 1989]]
Nachfolger wurde der ''Vater des Wirtschaftswunders'' [[Ludwig Erhard]]. Er trat bereits Ende [[1966]] zurück. Nun bildete [[Kurt Georg Kiesinger]] eine [[Große Koalition]] aus CDU/CSU und SPD. Diese wurde nur als Überganglösung verstanden, jedoch erzielte sie Erfolge in der Wirtschafts-und Innenpolitik.
Zu einem Regierungswechsel kam es jedoch erst 1982 wieder, als die Gemeinsamkeiten der sozialliberalen Koalition in der Sozial- und Wirtschaftspolitik aufgebraucht waren und die FDP unter der Führung [[Hans-Dietrich Genscher]]s im Rahmen eines [[Misstrauensvotum#Helmut Kohl gegen Helmut Schmidt 1982|konstruktiven Misstrauensvotums]] die Wahl des Oppositionsführers [[Helmut Kohl]] zum Bundeskanzler unterstützte. Die im März 1983 folgenden Neuwahlen brachten nicht nur die Bestätigung für die neue [[Schwarz-gelbe Koalition|christlich-liberale Koalition]], sondern auch den erstmaligen Einzug der [[Bündnis 90/Die Grünen#Etablierung im Bundestag und Scheitern (1983–1990)|Grünen]] in den Bundestag. Sie stellten ein Sammelbecken dar für die [[Neue Linke]], für die [[Frauenbewegung in Deutschland|Frauenbewegung]], für [[Friedensbewegung|Friedensbewegte]] angesichts der [[NATO-Doppelbeschluss|Nachrüstungsdebatte]] wie für [[Ökologie|ökologisch]] Interessierte, [[Umweltbewegung|Umweltschützer]], und die [[Anti-Atomkraft-Bewegung]], zumal unter dem Eindruck der [[Nuklearkatastrophe von Tschernobyl]] 1986. Mit diesen Themen, provokativen Formen des Auftretens und einer akzentuierten Gleichstellungspolitik von Frauen und Männern wurden sie für die anderen Parteien im parlamentarischen Alltag zur Herausforderung. Die mit der Einrichtung einer [[Umweltbundesamt (Deutschland)|Bundesstelle für Umweltangelegenheiten]] bereits in der Regierung Brandt begonnene Umweltschutzpolitik fand in der Schaffung des [[Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz|Bundesumweltministeriums]] durch die Regierung Kohl 1986 ihre Fortsetzung.
[[Datei:2022 Warszawa pomnik Willy'ego Brandta, 4.jpg|mini|Denkmal mit Plakette, die Willy Brandts [[Kniefall von Warschau]] darstellt]]
Doch vor allem in der Außenpolitik ist über alle Regierungswechsel zu Zeiten der Bundesrepublik hinweg die Kontinuität gewahrt worden. Die Westanbindung blieb das feste Fundament auch nach dem Bau der [[Berliner Mauer]] 1961 und trotz des danach einsetzenden Bemühens, zu einem [[Modus Vivendi]] mit den östlichen Machthabern zu gelangen. Die von der Regierung Brandt-[[Walter Scheel|Scheel]] initiierte neue Ostpolitik, die zur vertraglichen Anerkennung des [[Status quo]] unter anderem gegenüber der Sowjetunion, der [[Volksrepublik Polen]] und der DDR führte und im Gegenzug Erleichterungen des innerdeutschen Reise- und Besucherverkehrs sowie einen [[Viermächteabkommen über Berlin|vertraglich abgesicherten Status]] für [[West-Berlin]] erbrachte, wurde auch von der Regierung Kohl-Genscher bruchlos fortgesetzt. Dies zeigte sich auch beim [[Besuch Erich Honeckers in der Bundesrepublik Deutschland 1987]], dem ersten und einzigen eines DDR-Staatsoberhaupts.


Auf die mit dem [[Berliner Mauer#Mauerfall|Mauerfall]] am 9. November 1989 in Gang kommende Dynamik reagierte der mit dem Ziel der deutschen Wiedervereinigung stets eng verbundene Kanzler Kohl umgehend. Dem am 28. November im Deutschen Bundestag vorgetragenen [[Zehn-Punkte-Programm]] zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas folgte am 19. Dezember 1989 ein Treffen mit dem neuen DDR-Ministerpräsidenten [[Hans Modrow]] in [[Dresden]] und am Nachmittag eine Massenkundgebung, die für Kohl den dringlichen Einheitswunsch der Ostdeutschen unterstrich. Er verließ Dresden „mit der Überzeugung, daß das Regime der DDR vor dem Zusammenbruch stand und es keine Alternative mehr gab zu einer Wiedervereinigung in möglichst naher Zukunft.“<ref>Heinrich August Winkler: ''Der lange Weg nach Westen.'' Zweiter Band: ''Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung.'' Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S.&nbsp;543.</ref>
[[1968]] wurden die [[Deutsches Notstandsgesetz|Notstandsgesetze]] beschlossen. Die unzureichende Verarbeitung der NS-Vergangenheit, der [[Bildungsnotstand]], der Protest gegen den [[Vietnamkrieg]], die [[Hippie]]bewegung und die als veraltet empfundene Gesellschaftsordnung brachten den [[68er-Bewegung|Widerstand der studentischen Jugend]] mit sich. Infolgedessen veränderten sich Alltagkultur und politisches Leben erheblich.


==== Deutsche Demokratische Republik (1949–1990) ====
Im März [[1969]] wurde [[Gustav Heinemann]] Bundespräsident. Im September kam es nach der Bundestagswahl zu einem Machtwechsel. SPD und FDP bildeten die [[Sozialliberale Koalition]] unter Bundeskanzler [[Willy Brandt]]. Diese Regierung betrieb eine neue [[Ostpolitik]] der Annäherung an die Ostblockstaaten. Dies wurde anfangs heftig kritisiert, sodass die CDU [[1972]] sogar ein [[Misstrauensvotum|konstruktives Mißtrauensvotum]] versuchte.
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-G1122-0600-130, Berlin, DDR-Gründung, 9. Volksratsitzung.jpg|mini|Gründung der [[Deutsche Demokratische Republik|Deutschen Demokratischen Republik]] bei der 9. Volksratsitzung im Jahre 1949 in [[Berlin]], im Gebäude des NS-[[Reichsluftfahrtministerium]]s]]
{{Hauptartikel|Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik}}


Von der aus dem [[Deutscher Volksrat|Deutschen Volksrat]] hervorgegangenen [[Liste der Mitglieder der Provisorischen Volkskammer|provisorischen Volkskammer]] wurden am 11. Oktober 1949 [[Wilhelm Pieck]] zum Staatspräsidenten und [[Otto Grotewohl]] zum Ministerpräsidenten der DDR-Regierung gewählt (Wahlen zur [[Volkskammer]] fanden erstmals am 15. Oktober 1950 statt, und zwar nach dem Einheitslistenprinzip). Tatsächliches politisches Machtzentrum aber war das [[Politbüro der SED]], das sich die Kontrolle über alle wichtigen Initiativen und Beschlüsse von Volkskammer und Regierung vorbehielt. Den größten persönlichen Einfluss auf die Ausgestaltung der Herrschaftsverhältnisse in den Anfangsjahren der DDR übte der im Juli 1950 zum Generalsekretär der SED gewählte [[Walter Ulbricht]] aus. Nach dem Prinzip des [[Demokratischer Zentralismus|Demokratischen Zentralismus]] wurden nicht nur die wichtigen Weichenstellungen innerhalb des engsten SED-Führungszirkels getroffen, sondern auch für die nachgeordneten Organisationen von Partei und Staat mit bindender Wirkung durchgesetzt. Auf dieser Linie wurden dann auch die politisch einflusslosen Länder im Rahmen der [[Kreisreformen in der DDR]] im Juli 1952 aufgelöst und durch 14 Bezirke ersetzt, die ihrerseits von den zugehörigen SED-Gliederungen dominiert wurden, ebenso wie die den Bezirken untergeordneten 217 Kreise. Wichtigster Hebel zur Durchsetzung der Parteilinie in der Praxis war die [[Kader]]politik der SED, mittels derer alle wichtigen Positionen in Staat und Gesellschaft durch Personen besetzt wurden, die den spezifischen Eignungskriterien laut SED-Vorgaben entsprachen.<ref>Klaus Schroeder: ''Der SED-Staat. Partei, Staat und Gesellschaft 1949–1990'' München 2000, S.&nbsp;407 ff. (Originalausgabe 1998)</ref>
Die Innenpolitik prägten die Liberalisierung des Rechtssystems, der Ausbau des sozialen Netzes und Reformen im Bildungswesens. Im Herbst [[1973]] wurde auch die BRD von der [[Ölkrise]] getroffen, das Wirtschaftswunder war endgültig vorbei. Am [[6. Mai]] [[1974]] tat Brandt im Zuge der [[Guillaume-Affäre]] zurück.


[[Datei:Mao, Bulganin, Stalin, Ulbricht Tsedenbal.jpeg|mini|[[Mao Zedong|Mao]], [[Josef Stalin|Stalin]] und Ulbricht, 1949]]
[[Helmut Schmidt]] wurde Bundeskanzler, [[Walter Scheel]] Bundespräsident. Die Ostpolitik wurde fortgesetzt, schließlich kam es [[1975]] durch die [[Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa|KSZE]] zu einem Fortschreiten der Entspannungspolitik.


Der [[Stadtbaugeschichte#Wiederaufbau von 1945 bis um 1955|Wiederaufbau]] der ostdeutschen Städte in den ersten Jahren folgte den ''[[Die 16 Grundsätze des Städtebaus|16 Grundsätzen des Städtebaus]]''. Die wichtigsten Industriezentren wie Berlin, [[Rostock]] und [[Leipzig]] hatten dabei Vorrang. Materialknappheit bestimmte die Baupolitik in der gesamten DDR-Zeit, weshalb man später zum schnellen und billigen Verfahren der [[Plattenbau#Deutsche Demokratische Republik|Plattenbauweise]] griff. Die ''[[autogerechte Stadt]]'' bekam auch hier Leitbildfunktion in der Stadtplanung, nachdem man sie noch in den 1950er Jahren als US-amerikanisches Konzept denunziert hatte.<ref>{{Internetquelle |autor=Christoph Bernhardt |url=https://www.tagesspiegel.de/wissen/verkehrsplanung-die-autogerechte-stadt-ist-eine-untote/21097930.html |titel=Verkehrsplanung: Die autogerechte Stadt ist eine Untote |hrsg=[[Der Tagesspiegel]] |abruf=2022-03-21}}</ref>
Innenpolitisch musste sich der Staat mit dem Problem des Linksterrorismus der [[RAF]] auseinandersetzen. Dieser erreichte im ''[[Deutscher Herbst|Deutschen Herbst]]'' [[1977]] seinen Höhepunkt. Aber auch die wachsende Umwelt- und Friedensbewegung waren Schwerpunkte dieser Zeit. [[1979]] wurde [[Karl Carstens]] Bundespräsident.


Dem sowjetischen Muster folgend wurde die Wirtschaft mit dem ersten [[Fünfjahresplan]] 1951 zentralistisch ausgerichtet;<ref>„Der gemeinsame Übergang zur langfristigen Wirtschaftsplanung war eine Konsequenz der Bildung des [[Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe|Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe]] (RGW) im Jahre 1949 (DDR-Beitritt: September 1950) gewesen, der den ersten Schritt zur multilateralen Kooperation der [[Volksdemokratie]]n darstellte und in der Folge zur Entwicklung analoger Pläne und Planmethoden sowie zu ihrer zeitlichen und materiellen Abstimmung führte.“ (Dietrich Staritz: ''Die Gründung der DDR. Von der sowjetischen Besatzungsherrschaft zum sozialistischen Staat.'' 3., überarbeitete und erweiterte Neuauflage, München 1995, S.&nbsp;196. (Originalausgabe 1984))</ref> im Folgejahr wurden die ersten [[Volkseigener Betrieb|Volkseigenen Betriebe]] (VEB) und die erste [[Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft]] (LPG) gebildet. Zugleich erhöhte die SED den Druck auf alle von den Parteivorgaben Abweichenden innerhalb und außerhalb der SED durch Kriminalisierung und gerichtliche Aburteilung der Widersacher.<ref>Diesbezüglich gern zitiert wird die Äußerung [[Karl-Eduard von Schnitzler]]s im „[[Der schwarze Kanal|schwarzen Kanal]]“ vom März 1968, wonach jemand, der in der DDR-Opposition betreiben wolle, sich damit gegen die sozialistische Friedenspolitik stelle. „Und mit solcher Opposition setzen wir uns nicht an der Wahlurne und nicht im Parlament auseinander, sondern vor den Gerichten unserer sozialistischen Justiz.“ (Zitiert nach Ilko-Sascha Kowalczuk: ''Von der Freiheit, Ich zu sagen. Widerständiges Verhalten in der DDR.'' In: ''Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Widerstands und der Opposition in der DDR.'' Herausgegeben von Ulrike Poppe, Rainer Eckert und Ilko-Sascha Kowalczuk, Berlin 1995, S.&nbsp;92.)</ref> Ausspähung und Bereitstellung belastenden Materials wurde dabei hauptsächlich von den Mitarbeitern des 1950 gegründeten [[Ministerium für Staatssicherheit|Ministeriums für Staatssicherheit]] (kurz: MfS oder „Stasi“) übernommen, dem „Schild und Schwert“ der Partei bis zum Ende der DDR.
Aufgrund wachsender Spannungen kam es im September [[1982]] zum Bruch der SPD/FDP-Koalition. Am [[1. Oktober]] [[1982]] wurde [[Helmut Kohl]] durch ein konstruktives Misstrauensvotum Bundeskanzler. Die neue CDU/CSU-FDP-Regierung wurde durch die Bundestagswahlen [[1983]] bestätigt. Die [[Grünen]] ziehen bei dieser Wahl erstmals in den Bundestag ein und werden eine politische Kraft.


[[Datei:Honecker 1.jpg|mini|Erich Honecker (links) und Leonid Breschnew]]
[[1984]] wurde [[Richard von Weizsäcker]] Bundespräsident. Anfang dieses Jahres startete das [[Privatfernsehen]] in Deutschland, ebenfalls 1984 kam es zur [[Flick-Affäre]] und der Frage, ob die Republik käuflich sei. [[1986]] erschütterte die Reaktorkatastrophe von [[Katastrophe von Tschernobyl|Tschernobyl]] Europa. Im selben Jahr wurde die [[Einheitliche Europäische Akte]] unterzeichnet, die eine erste größere Reform der EG mit sich brachte und ein wichtiger Schritt zur [[EU]] war. Im September [[1987]] besuchte mit [[Erich Honecker]] erstmals ein DDR-Staats- und Parteichef die BRD.
Tatsächlich gab es Widerstand während der gesamten vier Jahrzehnte, in denen die DDR existierte.<ref>''Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Widerstands und der Opposition in der DDR.'' Herausgegeben von Ulrike Poppe, Rainer Eckert und Ilko-Sascha Kowalczuk, Berlin 1995, S.&nbsp;14.</ref> Eine breite Volkserhebung gegen das SED-Regime gab es vor 1989 jedoch nur einmal, und zwar mit dem [[Aufstand vom 17. Juni 1953]], der sich gegen verstärkten Leistungsdruck am Arbeitsplatz richtete. Durch Erhöhung der [[Arbeitsnorm]]en sollten vor allem die hohen Rüstungskosten gedeckt werden, die im Zuge der beiderseitigen deutschen [[Wiederbewaffnung]] als Folge des [[Koreakrieg]]s und der Verhärtung im Ost-West-Konflikt anfielen. Nach der Niederschlagung des Volksaufstands mit Hilfe sowjetischer Militärs und Panzer entschlossen sich bis zum Bau der [[Berliner Mauer]] 1961 Millionen von Menschen zur [[Flucht aus der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR|Flucht aus der DDR]], was für diesen Staat schwerwiegende wirtschaftliche und ideologische Folgen hatte. Als die Fluchtmöglichkeit entfiel, bot sich dem SED-Regime einerseits die Möglichkeit, den Ausbau der sozialistischen Gesellschaft zu forcieren; für das Gros der DDR-Bewohner andererseits galt es nun, sich in den bestehenden Verhältnissen einzurichten und mit dem System zu arrangieren.


[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-T0817-0019, FDJ Studenten als Erntehelfer, Pause.jpg|mini|FDJ-Studenten als Erntehelfer im Bezirk Leipzig im August 1978]]
Nach der friedlichen Revolution in der DDR und die Zustimmung der Siegermächte und beider deutscher Parlamente kommt es am [[3. Oktober]] [[1990]] zur Wiedervereinigung Deutschlands.
In der nach innen gerichteten Kulturpolitik schwankte die SED-Führung je nach aktuellen politischen Opportunitäten zwischen Phasen einer verhaltenen Liberalisierung – auch in Bezug auf westliche Einflüsse – und solchen rigider ideologischer Verhärtung. Die mit dem [[Prager Frühling]] 1968 aufkeimenden Hoffnungen auf einen mit mehr Freiheiten verbundenen Reformsozialismus wurden mit dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die ČSSR unter Mitwirkung der DDR zerstört. Nachdem im Mai 1971 [[Erich Honecker]] mit sowjetischer Unterstützung seinen politischen Ziehvater Ulbricht in der DDR-Staatsführung abgesetzt hatte, erlangte er nach Einschätzung des Historikers [[Martin Sabrow]] eine „Machtfülle wie kein anderer Herrscher in der jüngeren deutschen Geschichte, [[Erich Ludendorff|Ludendorff]] und [[Adolf Hitler|Hitler]] eingeschlossen“, weshalb er ihn als „[[Diktatur|Diktator]]“ beschreibt.<ref>Martin Sabrow: {{Webarchiv |url=http://www.zzf-pdm.de/Portals/_Rainbow/images/mitarbeiter/2012_02_09_Vortrag_Martin_Sabrow_Biographie_eines_blassen_Diktators.pdf |text=''Der blasse Diktator. Erich Honecker als biographische Herausforderung''. Vortrag im Rahmen des Institutskolloquiums des Zentrums für Zeithistorische Forschung am 9. Februar 2012 in Potsdam. |wayback=20160304075723}} (PDF; 110&nbsp;kB) [[Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung|Zentrum für Zeithistorische Forschung]]</ref><ref>Ed Stuhler: ''Margot Honecker. Eine Biografie.'' Ueberreuther, Wien 2003, S. 149, S. 147ff.</ref> Unter Honecker wurde nun die „Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ im Rahmen des „realen Sozialismus’“ propagiert.<ref>Martin Sabrow: ''Sozialismus.'' In: Ders. (Hrsg.): ''Erinnerungsorte der DDR.'' München 2009, S.&nbsp;196 f.</ref>


[[Datei:Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau 04.jpg|mini|[[Geschlossener Jugendwerkhof Torgau]]]]
=== Die Deutsche Demokratische Republik 1949–1990 ===
Eine wesentliche Rolle spielte dabei die [[Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit]], mit der Zielsetzung, „die Arbeit zu achten, die Sowjetunion zu lieben und die Grenzen zu verteidigen“ (notfalls auch mit Waffengewalt).<ref>Herausgeberkollektiv (Hrsg.): ''Wörterbuch zur sozialistischen Jugendpolitik.'' Berlin 1975. Zitiert nach [[Mary Fulbrook]]: ''Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR.'' Darmstadt 2008, S.&nbsp;134. (Engl. Originalausgabe: New Haven and London 2005)</ref> Der Heranbildung solcher Persönlichkeiten diente das gesamte [[Bildungssystem in der DDR]], nicht nur in den Schulen, sondern auch in den parteinahen Jugendorganisationen: zum einen die [[Pionierorganisation Ernst Thälmann]] mit den 6- bis 10-jährigen Jungpionieren und den 10- bis 14-jährigen Thälmannpionieren; zum anderen die [[Freie Deutsche Jugend]] (FDJ) für die 14- bis 25-Jährigen, die während der Ära Honecker zwei Drittel bis vier Fünftel der Jugendlichen und jungen Erwachsenen einschloss.<ref>„Obwohl niemand gezwungen wurde, der FDJ beizutreten, waren die Sanktionen für eine auffällige Nonkonformität ein Faktor, den junge Leute mit ernsten Ambitionen berücksichtigen mussten. Am höchsten war die Mitgliedschaft unter Schulkindern, denn die Organisation hatte ihren Sitz in der Schule, die Gruppen wurden häufig von Klassenlehrern geführt, und Treffen waren offenbar ein routinemäßiger Bestandteil des Stundenplans.“ (Mary Fulbrook: ''Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR.'' Darmstadt 2008, S.&nbsp;147.)</ref> Neben Flaggenappellen, ideologischen Unterweisungen, dem Liedersingen, Schießübungen und Zeltlagern wurde auch zum Mitmachen bei sogenannten [[Jugendobjekt]]en angehalten. Das waren Arbeitseinsätze vielfältiger Art, die sich 1974 auf 68.370 Objekte richteten und 854.912 Jugendliche beschäftigten.<ref>Mary Fulbrook: ''Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR.'' Darmstadt 2008, S.&nbsp;148.</ref> Mit der an den schulischen Rahmen angebundenen [[Jugendweihe]], die – bis auf wenige mit meist starker kirchlicher Bindung – die Jugendlichen in der DDR auf ein sozialistisches Gelöbnis verpflichtete, prägte sich in der DDR ein nachhaltig wirksames eigenes Brauchtum aus.<ref>Marina Chauliac: ''Die Jugendweihe.'' In: Martin Sabrow (Hrsg.): ''Erinnerungsorte der DDR.'' München 2009, S.&nbsp;161 ff.</ref> Die von Honecker betonte Bedeutung der Landesverteidigung und Grenzsicherung für alle Bereiche der Gesellschaft war ein weiteres Sondermerkmal der DDR, in der ab 1978 an allen Schulen ein obligatorischer [[Wehrunterricht]] erteilt wurde.<ref>Ulrich Mählert: ''Kleine Geschichte der DDR.'' 4. überarbeitete Aufl., München 2004, S.&nbsp;122</ref> Honeckers Gattin [[Margot Honecker]], 1963–1989 [[Ministerium für Volksbildung (DDR)|Ministerin für Volksbildung]], leitete in dieser Eigenschaft alleinverantwortlich die [[Jugendhilfe in der DDR]], die zunehmend repressive Züge annahm.


In der [[Frauen- und Familienpolitik der DDR]] bildete eine auf Frauen ausgerichtete [[Vereinbarkeit von Familie und Beruf in einzelnen Staaten#Geschichte|Vereinbarkeit von Familie und Beruf]] einen Schwerpunkt, und für die Frauen in der DDR war die eigene Berufstätigkeit der Normalfall. Zur Förderung eines hohen Beschäftigungsgrades der Frauen trugen neben dem [[Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft|Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft von 1972]] der Aufbau eines umfassenden Kinderbetreuungssystems mit [[Kinderkrippe|Krippen]], Kindergärten und Betreuungsangeboten nach Schulschluss bei. Kindergelderhöhungen, erweiterter [[Mutterschaftsurlaub]] und Arbeitsplatzgarantien wirkten daran mit, dass die Geburtenzahl von 1973 bis 1980 um ein Drittel anstieg.<ref>Mary Fulbrook: ''Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR.'' Darmstadt 2008, S.&nbsp;173.</ref> Am Arbeitsplatz waren Frauen wie Männer zu [[Kollektiv]]en zusammengefasst, die im [[Sozialistischer Wettbewerb|sozialistischen Wettbewerb]], typischerweise als [[Sozialistische Brigade|Brigaden]], durch eine hohe Produktivität Prämien erlangen konnten. Der Zusammenhalt solcher Kollektive erstreckte sich aber auch auf außerbetriebliche Aktivitäten wie gemeinsame Geburtstagsfeiern, Ausflüge, Ausstellungs- und Theaterbesuche sowie auf ein Sich-Kümmern um Probleme und Sorgen einzelner Mitglieder. Im Zuge des vom Staat dergestalt organisierten Arbeits- und gesellschaftlichen Lebens „schrieb sich das Kollektiv als Team, als Schule der Kommunikation und ihrer Grenzen, als Hort arbeiterlicher Gemeinschaftserfahrung und sozialer Kontrolle in die Alltagserfahrung der DDR ein.“<ref>Lutz Niethammer: ''Das Kollektiv.'' In: Martin Sabrow (Hrsg.): ''Erinnerungsorte der DDR.'' München 2009, S.&nbsp;277.</ref>
''Hauptartikel:'' [[Geschichte der DDR]]


Doch auch in Fragen des Urlaubs, der Mobilität und der Versorgung mit Konsumgütern war man davon abhängig, was die staatliche Planung vorsah und was produziert und angeboten wurde. Trotz subventionsbedingt niedriger Preise etwa bei Grundnahrungsmitteln, öffentlichen Verkehrsmitteln, Mieten und Büchern wurde die DDR oft als fehlgesteuerte [[Mangelwirtschaft]] erlebt. [[Knappheit|Engpässe]] in der DDR gab es insbesondere bei Waren des gehobenen Bedarfs. Wer aber Zugang zu westlichen Devisen hatte, konnte diese Waren im [[Intershop (Handel)|Intershop]] bekommen. Zum Teil lange Wartezeiten fielen an bei der Verteilung nachgefragter Urlaubsplätze durch den Feriendienst des [[Freier Deutscher Gewerkschaftsbund|FDGB]], bei der bedarfsgerechten Wohnraumvergabe und bei der Auslieferung von Kraftfahrzeugen. Die reguläre Wartefrist auf den mit 13.000 [[Mark (DDR)|DDR-Mark]] noch erschwinglichsten, etwa ein durchschnittliches Jahreseinkommen kostenden Kleinwagen [[Trabant (Pkw)|Trabant]] betrug in der DDR-Spätphase 14 Jahre.<ref>Ina Merkel: ''DerTrabant.'' In: Martin Sabrow (Hrsg.): ''Erinnerungsorte der DDR.'' München 2009, S.&nbsp;366.</ref>
Die neu geschaffene Volkskammer ernannte [[Wilhelm Pieck]] zum Staatspräsidenten und [[Otto Grotewohl]] zum Ministerpräsidenten. Der eigentliche Machthaber bis [[1971]] war aber der Generalsekretär der [[SED]], [[Walter Ulbricht]]. Die Hauptstadt war Ostberlin.


Das „Weltniveau“ in der Produktion zu erreichen und mitzubestimmen, lautete die von der DDR-Führung ausgegebene Parole im Streben um innere und äußere Anerkennung. Hinsichtlich letzterer wurden in der ersten Hälfte der 1970er Jahre wichtige Fortschritte erzielt, als man im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland den [[Grundlagenvertrag]], die beiderseitige Einrichtung [[Ständige Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik|Ständiger Vertretungen]] in Bonn und Ost-Berlin sowie ein devisenträchtiges [[Transitabkommen]] aushandelte. Mit der Aufnahme beider deutscher Staaten in die [[Vereinte Nationen|Vereinten Nationen]] erlangte die DDR international einen gleichberechtigten Status, der durch die Mitunterzeichnung der [[Schlussakte von Helsinki|KSZE-Schlussakte]] 1975 noch unterstrichen wurde. Durch gezielte Förderung sportlicher Nachwuchstalente und ein [[Staatliches Doping in der DDR|staatliches Zwangsdopingsystem im DDR-Leistungssport]] erzielte die DDR in manchen Bereichen international herausragende Erfolge, etwa bei [[Olympische Spiele|Olympischen Spielen]].
Im Februar 1950 wurde das [[Ministerium für Staatssicherheit]] gegründet. Im Juli wurde die [[Oder-Neiße-Linie]] als polnische Westgrenze vertraglich festgelegt. Am [[15. Oktober]] fanden die ersten Volkskammerwahlen statt. Es wurde über eine Einheitsliste gewählt, die nach offiziellen Angaben 99,3% der Stimmen erhält. Diese Wahlpraxis bestand bis 1989.


Dass die innergesellschaftliche Akzeptanz des SED-Regimes gleichwohl prekär blieb, zeigte die Ausbürgerung des Liedermachers [[Wolf Biermann]] 1976, die zu einer breiten Protestwelle führte und vielfach resignative Tendenzen hinsichtlich der Reformierbarkeit des Herrschaftssystems bestärkte. Mit Berufung auf die Menschenrechtsgarantien der KSZE-Schlussakte stellten immer mehr Bürger einen [[Ausreiseantrag|Antrag auf legale Ausreise]] aus der DDR. Von rund 32.000 Antragstellern im Jahre 1984 wuchs die Anzahl – trotz teilweise jahrelanger Wartezeiten und gesellschaftlicher Benachteiligungen – im Jahr 1988 auf über 110.000 an.<ref>Ulrich Mählert: ''Kleine Geschichte der DDR.'' 4. überarbeitete Aufl., München 2004, S.&nbsp;132.</ref> Die Situation war aber noch in anderer Hinsicht instabil. Denn der im Vergleich zu allen anderen [[Ostblock]]staaten am höchsten entwickelte Lebensstandard der DDR-Bevölkerung beruhte auf einer zunehmend dramatischen Staatsverschuldung, die ausweglose Züge annahm, weil die SED-Führung unter Honecker an den vielfältigen Subventionen keine Abstriche machen wollte, um nicht zusätzliche Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu schüren. Nach der drastischen Kürzung sowjetischer Öllieferungen 1981 nahm die Krise der DDR-Staatsfinanzen immer dramatischere Züge an, die auch durch westdeutsche Devisenzuflüsse aus Handel und Verträgen sowie durch wiederholte Milliardenkredite nur kurzfristig überbrückt werden konnten: „Allein Improvisationskunst und der westliche Devisentropf vermochten die marode Planwirtschaft noch halbwegs am Laufen zu halten.“<ref>Ulrich Mählert: ''Kleine Geschichte der DDR.'' 4. überarbeitete Aufl., München 2004, S.&nbsp;137.</ref> Trotzdem verschlechterte sich die Versorgungslage der Bevölkerung merklich, selbst bei Waren des täglichen Bedarfs; und die notwendigen Investitionen zur Substanzerhaltung bei Wohnungsbauten und Industrieanlagen blieben aus, was der Volksmund bitter kommentierte: „Ruinen schaffen ohne Waffen!“<ref>Abwandlung des seinerzeit geläufigen Slogans: „Frieden schaffen ohne Waffen!“ Zitiert nach Mary Fulbrook: ''Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR.'' Darmstadt 2008, S.&nbsp;67.</ref>
Am [[1. Januar]] 1951 begann der erste [[Fünfjahresplan]]. Im Frühjahr 1952 wurde in Deutschland über die [[Stalin-Note]] debattiert, sie wurde schließlich vom Westen abgelehnt. Ende April die ersten [[Volkseigener Betrieb|Volkseigenen Betriebe (VEB)]] gebildet und Anfang Juni die erste [[Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft|LPG]].


[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-1990-0108-033, Leipzig, Montagsdemonstration.jpg|mini|Montagsdemonstration am 8. Januar 1990 in [[Leipzig]].]]
Im Mai [[1953]] beschloss die SED eine Erhöhung der Arbeitsnormen. Es regte sich Widerstand. Das Politbüro der SED übte Selbstkritik und verkündete einen ''Neuen Kurs''. Am [[17. Juni]] kamm es zum [[Siebzehnter_Juni_1953|Volksaufstand]], der aber mit Hilfe sowjetischer Truppen blutig niedergeschlagen wurde.
In den 1980er Jahren verstärkten sich [[Opposition und Widerstand in der DDR]] unter der nach dem Mauerbau erwachsen gewordenen Generation. Protestgruppen befassten sich mit Menschenrechtsfragen, Rüstungseskalation und Umweltzerstörung, mit den Ursachen von Verelendung in der [[Dritte Welt|Dritten Welt]] und mit den Perspektiven eines Europas ohne Grenzen. Eine international orientierte, in örtlichen Gruppen vielfach unter kirchlichem Schutz organisierte [[Friedensbewegung#In der DDR|Friedensbewegung]], die im September 1987 den [[Olof-Palme-Friedensmarsch]] mitorganisierte, stimmte überein mit [[Michail Sergejewitsch Gorbatschow|Michail Gorbatschow]], als er mit [[Glasnost]] und [[Perestroika]] die Vorzeichen sowjetischer Politik änderte und die „[[Sozialistische Bruderländer|sozialistischen Bruderstaaten]]“ zu eigenverantwortlicher Zukunftsgestaltung anhielt.<ref>Ulrike Poppe: ''„Der Weg ist das Ziel.“ Zum Selbstverständnis und der politischen Rolle oppositioneller Gruppen der achtziger Jahre.'' In: ''Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Widerstands und der Opposition in der DDR.'' Hrsg. von Ulrike Poppe, Rainer Eckert und Ilko-Sascha Kowalczuk, Berlin 1995, S.&nbsp;244&nbsp;ff.</ref> Die DDR-Führung, die jede Kursänderung ablehnte und daranging, sogar sowjetische Medien zu zensieren und deren Abonnenten zu düpieren, geriet zunehmend in die Isolation.


[[Datei:West and East Germans at the Brandenburg Gate in 1989.jpg|mini|links|Menschen auf der [[Berliner Mauer|Mauer]] am [[Brandenburger Tor]] in [[Berlin]], 1989]]
Am [[13. August]] [[1961]] riegelte die DDR die Grenzen zu Westberlin ab und baute die [[Berliner Mauer]], da zwischen 1949 und 1961 etwa 3 Millionen Menschen die DDR [[Republikflucht|verlassen]] hatten.
Dem Problemandrang – aus finanzwirtschaftlichen Problemen, sich verschlechternder Versorgungslage der Bevölkerung, einer wachsenden Protestbewegung gegen die Kommunalwahlfälschungen vom Mai 1989 und den über die seit Juni offene ungarische Grenze massenhaft abströmenden DDR-Bewohnern – hatte die nun auch mit Desillusionierten und Unzufriedenen in den Reihen der SED konfrontierte Staatsführung außer örtlichen Gewaltübergriffen, Internierungen und Gewaltandrohung nichts mehr entgegenzusetzen. Nach dem Triumph der Leipziger [[Montagsdemonstrationen 1989/1990 in der DDR|Montagsdemonstranten]] am 9. Oktober und dem [[Berliner Mauer#Mauerfall|Fall der Berliner Mauer]] infolge des Massenansturms vom 9. November 1989 war die SED-Herrschaft am Ende. Die nach den Machtwechseln von Honecker über [[Egon Krenz]] und [[Hans Modrow]] zu [[Lothar de Maizière]] neu ausgerichtete und nun von [[Bürgerrechtler]]n mitgestaltete DDR selbst ging binnen eines Jahres im wiedervereinigten Deutschland auf.


{{Siehe auch|Wende und friedliche Revolution in der DDR|Deutsche Wiedervereinigung}}
Anfang der der [[1970er]] kam es zu einer Annäherung zwischen DDR und BRD, ausgelöst durch Bundeskanzler [[Willy Brandt]]. Dies führte zum [[Grundlagenvertrag]] 1973. Im Mai 1971 wurde Walter Ulbricht entmachtet, sein Nachfolger als Erster Sekretär der SED wurde [[Erich Honecker]].


== Vereintes Deutschland seit 1990 ==
Die DDR und die BRD wurden 1973 Mitglied der [[Vereinte Nationen|UNO]]. Im Mai [[1974]] wurden die ständigen Vertretungen der beiden deutschen Staaten in Bonn und Ostberlin errichtet. Als Abschluss der [[KSZE]] wurde am [[1. August]] [[1975]] auch von der DDR und der BRD die [[Schlussakte von Helsinki]] unterzeichnet. Im November 1976 wurde der Liedermacher [[Wolf Biermann]] ausgebürgert, das führte zu Protesten in der DDR.
{{Hauptartikel|Geschichte Deutschlands seit 1990|Ostdeutschland seit 1990}}


Die Ostdeutschen bewirkten mit ihrer friedlichen Revolution nicht nur den Zusammenbruch der SED-Diktatur, sondern nahmen nach der Grenzöffnung mit einer Akzentverschiebung ihrer zentralen Parole bei den fortgesetzten Montagsdemonstrationen mehrheitlich auch deutlich Kurs auf ein wiedervereinigtes Deutschland. Hatte man die DDR-Obrigkeit vordem mit dem Ruf „[[Wir sind das Volk]]!“ in die Schranken gewiesen, so demonstrierte man nun vorwiegend mit der Wendung „[[Wir sind ein Volk]]!“ für die deutsche Einheit. [[Artikel 23 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (1949)|Artikel 23]] des [[Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland|Grundgesetzes]] der alten Bundesrepublik garantierte die Möglichkeit eines geschlossenen Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland.<ref>Wortlaut der bis zum 3. Oktober 1990 gültigen alten Fassung von Art. 23 GG: „Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiet der Länder Baden, Bayern, Bremen, Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.“</ref> Wer es als Ostdeutscher besonders eilig hatte, in der Bundesrepublik anzukommen, konnte das aber auch durch Übersiedlung unverzüglich in die Tat umsetzen. Anfang 1990 schwoll die Zahl der diese Möglichkeit Nutzenden in einer für beide Staaten auf unterschiedliche Weise problematischen Größenordnung an. Die ohnehin auf Vereinigungskurs ausgerichtete [[Kabinett Kohl III|Regierung Kohl]] arbeitete ihrerseits energisch auf die Herstellung der Einheit Deutschlands hin und wurde durch den Ausgang der [[Volkskammerwahl 1990|Volkskammerwahl vom März 1990]] darin bestärkt, in der die [[Allianz für Deutschland]] mit dem künftigen CDU-Ministerpräsidenten [[Lothar de Maizière]] triumphierte. Schon zum 1. Juli wurde eine [[Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion]] vereinbart und durchgeführt. Der mit den vier Siegermächten des Zweiten Weltkrieges ausgehandelte [[Zwei-plus-Vier-Vertrag]] bildete den äußeren Grundstein der Einheit Deutschlands; der von Volkskammer, Bundestag und [[Bundesrat (Deutschland)|Bundesrat]] ratifizierte [[Einigungsvertrag]] schuf die inneren Voraussetzungen dafür, dass es am 3. Oktober 1990 zur [[Deutsche Wiedervereinigung|deutschen Wiedervereinigung]] kam.
[[1983]] gewährte Bayerns Ministerpräsident [[Franz Josef Strauß]] der DDR einen Milliardenkredit, der ihre Stabilität sichern sollte. Mit [[Michail Sergejewitsch Gorbatschow|Michail Gorbatschow]] kam im März [[1985]] ein relativ junger Mann an die Spitze der Sowjetunion, der mit seinen Ideen von [[Glasnost]] und [[Perestroika]] den Ostblock total verändern sollte. Dieser Kurs wurde von der DDR nicht mitgetragen. Im September 1987 kam es zum ersten Staatsbesuch Erich Honeckers in der BRD.


[[Datei:Reichstag night.JPG|mini|[[Reichstagsgebäude|Reichstag]], Symbol der staatlichen Einheit Deutschlands und der „[[Berliner Republik]]“]]
Im Sommer und Herbst [[1989]] flohen immer mehr Bürger der DDR über [[Ungarn]], das am [[2. Mai]] seine Grenze zu [[Österreich]] geöffnet hatte und ab dem [[11. September]] auch DDR-Bürgern die Ausreise nach Österreich erlaubte sowie über die Botschaften der BRD in ostmitteleuropäischen Staaten. Da die DDR-Führung die Umgestaltungspolitik Gorbatschows nicht nachvollziehen wollte, destabilisierte die DDR zunehmend.


In der ersten gesamtdeutschen [[Bundestagswahl 1990]] und nochmals 1994 wurde die christlich-liberale Koalition unter Bundeskanzler Helmut Kohl bestätigt, die den Vereinigungsprozess wesentlich gestaltet hatte. Mit knapper Mehrheit (338 zu 320 Stimmen) beschloss der Bundestag am 20. Juni 1991, [[Bonn]] als Regierungssitz aufzugeben und Regierung und Parlament nach [[Berlin]] zu verlegen. Seit 1999 tagt der Deutsche Bundestag im von Grund auf renovierten [[Reichstagsgebäude]] in Berlin. Seit September 1999 ist auch die [[Bundesregierung (Deutschland)|Bundesregierung]] endgültig in Berlin angesiedelt.
Die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage und die von Honecker enttäuschten Hoffnungen auf freiheitliche Veränderungen führten im Rahmen der Friedensgebete der Evangelischen Kirche zu Protestdemonstrationen. Diese weiteten sich vor allem in [[Leipzig]] sehr schnell zu friedlichen Großdemonstrationen aus.


Innenpolitisch absolut vorrangig&nbsp;– und wie der gesamte Vereinigungsprozess mit enormen Kosten verbunden&nbsp;– war während der 1990er Jahre der [[Aufbau Ost]]. In den [[Neue Länder|neuen Bundesländern]] wurde die verkehrliche Infrastruktur modern ausgebaut und die Sanierung von Bausubstanz und Industriebetrieben, wo nicht abrissreif, vorangetrieben. Der Umbau hin zu marktwirtschaftlichen Strukturen mit Hilfe der [[Treuhandanstalt]] wurde in hohem Tempo und unter Abwicklung der unverkäuflichen bzw. als unrentabel geltenden Betriebe durchgeführt; und die in DDR-Zeiten durch industrielle Schadstoffeinträge aus veralteten Produktionsanlagen ökologisch besonders belasteten Gewässer und Regionen wurden den Erfordernissen des [[Umweltschutz]]es angepasst. Der „Vereinigungsboom“ kam wesentlich den Unternehmen in der alten Bundesrepublik zugute, während die angestammten Produktangebote aus DDR-Zeiten nun kaum noch Abnehmer fanden. Der wirtschaftliche Restrukturierungsprozess in den neuen Bundesländern brauchte Zeit und verlief regional unterschiedlich erfolgreich. Die Arbeitslosenquoten in ostdeutschen Bundesländern lagen mitunter doppelt so hoch wie in den alten Ländern, die durch Partnerschaften und Aushilfe mit qualifiziertem Verwaltungspersonal die Anpassung der neuen Länder an die administrativen, juristischen, wirtschaftlichen und politischen Standards der Bundesrepublik unterstützten.
Am [[18. Oktober]] musste Honecker unter dem Druck der Straße zurücktreten. Wenige Tage später folgte ihm die gesamte DDR-Regierung. Am [[9. November]] wurde die [[Berliner Mauer]] geöffnet. Die [[Montagsdemonstration]]en der DDR-Bevölkerung und die Maueröffnung führten schließlich zum friedlichen Sturz des SED-Regimes.


Die konzentrierten Anstrengungen und finanziellen Transferleistungen, die zur Angleichung der Lebensverhältnisse im Osten Deutschlands aufgewendet wurden, rückten mit dem Abklingen des vereinigungsbedingten Wirtschaftsaufschwungs einen unterdessen eingetretenen [[Reformstau]] ins Bewusstsein. Mehrere Reformvorhaben der Bundesregierung scheiterten an der rot-grünen Mehrheit im Bundesrat (sogenannte „Blockade“). Der lange Zeit vielerorts unergiebige ostdeutsche Arbeitsmarkt hatte auch eine fortgesetzte Abwanderung gerade junger Menschen zur Folge, die im Westen Beschäftigung suchten – ein anhaltendes demographisches Problem in den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands. Teils gibt es dort auch verstärkt [[Rechtsextremismus|rechtsextremistische]] Tendenzen. Andererseits ist die sozial benachteiligte Lage vieler Ostdeutscher ein wichtiger Grund für die vergleichsweise starke Stellung der in [[Die Linke]] aufgegangenen „[[Partei des Demokratischen Sozialismus]]“ in den neuen Bundesländern.
Am 3. Oktober 1990 geschah gemäß [[Einigungsvertrag]] der Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur [[Bundesrepublik Deutschland]] nach [[Artikel 23]] des [[Grundgesetz]]es.


Das wiedervereinigte Deutschland ist ein souveräner Staat. Die Truppen der ''Vier Mächte'' sind zum größten Teil abgezogen, die noch verbliebenen Militäreinheiten der Westalliierten haben keinerlei Hoheitsbefugnisse mehr und unterliegen dem [[NATO-Truppenstatut]]. Die Zustimmung der vormaligen Siegermächte zur deutschen Wiedervereinigung war an Zusagen der deutschen Bundesregierung geknüpft, den Prozess der [[Europäische Integration|europäischen Integration]] weiterhin nachhaltig zu fördern, nachdem die Bundesrepublik diesen bereits seit den 1950er Jahren entscheidend mitgestaltet hatte. Diese Ausrichtung wurde auch in die veränderte [[Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland|Präambel des Grundgesetzes]] eingetragen. Mit der Unterzeichnung des [[Vertrag von Maastricht|Vertrages von Maastricht]] 1992 wurde die Europäische Gemeinschaft (EG) in die mit erweiterten Kompetenzen ausgestattete [[Europäische Union]] (EU) überführt. Der Vertrag stellte auch die Weichen für die Schaffung der gemeinsamen europäischen Währung [[Euro]], die am 1. Januar 1999 formal eingeführt wurde. Mit Unterstützung Deutschlands fand im Jahr 2004 [[EU-Erweiterung 2004|EU-Osterweiterung]] statt.
''Siehe auch:''
*[[Portal DDR]]
*[[Chronik der deutschen Teilung]]
*[[Deutsche Wiedervereinigung]] 1990


Aus der Lösung der [[Deutsche Frage|deutschen Frage]] und der Wiedervereinigung 1990 erwuchsen neue Erwartungen und Ansprüche an eine verantwortlich mitgestaltende Rolle Deutschlands bei der Aufrechterhaltung des Weltfriedens, bei der militärischen Umsetzung von [[UN-Resolution]]en wie auch hinsichtlich der Beteiligung an Militäreinsätzen der [[NATO]]. So beteiligte sich die Bundeswehr während der rot-grünen Koalition unter Kanzler Schröder erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg an [[Bundeswehr#Auslandseinsätze|Auslandseinsätzen]]: an dem von der NATO geführten [[Kosovokrieg|Militäreinsatz gegen Serbien]] zwischen März und Juni 1999 sowie am [[Krieg in Afghanistan 2001–2021]]. Eine Beteiligung am [[Irakkrieg]] lehnte die [[Kabinett Schröder I|Regierung Schröder]] dagegen ab. Mit der in den letzten Jahren deutscherseits erhobenen Forderung nach einem ständigen Sitz im [[Sicherheitsrat der Vereinten Nationen]], die gleichfalls mit der gewachsenen internationalen Rolle und Verantwortungsbereitschaft Deutschlands begründet wird, ist die Bundesregierung einstweilen nicht durchgedrungen.
=== Das wiedervereinigte Deutschland seit 1990 ===


[[Datei:Gerhardschroeder.jpg|mini|[[Gerhard Schröder]], erster Bundeskanzler einer [[Rot-grüne Koalition|rot-grünen Koalition]] in Deutschland, bei einer Wahlkampfveranstaltung im August 2004]]
''Hauptartikel: [[Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (seit 1990)]]''
Bei der [[Bundestagswahl 1998]] wurde die CDU/CSU-FDP-Koalition unter Kohl abgelöst. Die neue Bundesregierung aus SPD und [[Bündnis 90/Die Grünen]] ([[rot-grüne Koalition]]) ging unter Bundeskanzler [[Gerhard Schröder]] eine Reihe umstrittener Reformen an. Allgemein wurde das Thema Ökologie stärker gewichtet, beispielsweise mit dem Beginn des [[Atomausstieg]]s oder mit Gesetzesinitiativen zur Reduzierung von [[Treibhausgas]]en. Die Regierung setzte auch erste Ansätze für richtungsweisende Veränderungen in der Sozial-, Renten- und Gesundheitspolitik (siehe [[Agenda 2010]]) durch. Mittels der Einnahmen aus der [[Ökosteuer (Deutschland)|Ökosteuer]] gelang es, die [[Lohnnebenkosten]] ([[Gesetzliche Rentenversicherung (Deutschland)|Rentenversicherungsbeiträge]]) zu reduzieren. Im Zuge der schon in den 1990er Jahren für die Volkswirtschaften weiter gewachsenen Bedeutung des Weltmarkts, der sogenannten [[Globalisierung]], verlagerten aber vor allem größere Unternehmen Produktionskapazitäten in sogenannte Billiglohnländer, sodass die Arbeitslosenquote zunächst weiterhin hoch blieb. Mit dem auf wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zielenden [[Hartz-Konzept]] zur Neuordnung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe konnte die rot-grüne Koalition aber nur Teile der eigenen Wählerschaft überzeugen.


[[Datei:Angela Merkel und José Barroso vor dem Brandenburger Tor.jpg|mini|Bundeskanzlerin [[Angela Merkel]] und [[José Manuel Barroso]] 2007 in Berlin anlässlich des 50. Jahrestags der [[Römische Verträge|Römischen Verträge]]]]
[[Bild:Helmut_Kohl.jpg|thumb|150px|Helmut Kohl]]


Seit der vorzeitig durch eine [[Vertrauensfrage]] herbeigeführten [[Bundestagswahl 2005]] bekleidete mit der in der DDR aufgewachsenen [[Angela Merkel]] erstmals eine Frau das Amt des Bundeskanzlers. Dem rot-grünen [[Kabinett Schröder II]] folgte eine [[Große Koalition]] ([[Kabinett Merkel I]]). Im Jahr 2008 geriet Deutschland in den Sog einer [[Weltfinanzkrise]], die im Wesentlichen durch exzessive Kreditvergabe mit hohem Ausfallrisiko im Bereich der [[Immobilienbanking|Immobilienfinanzierung]] durch US-amerikanische Banken ausgelöst wurde.
Nach der Wiedervereinigung fanden im Dezember [[1990]] erstmals gesamtdeutsche Bundestagswahlen statt. [[Helmut Kohl]] blieb [[Bundeskanzler (Deutschland)|Bundeskanzler]] und wurde auch [[1994]] wiedergewählt. Das Zusammenwachsen der beiden Landesteile, das Umsetzen fälliger Reformen in zahlreichen Bereichen und das Zusammenwachsen der [[EU|europäischen Staaten]] sind Hauptthemen im heutigen Deutschland.


2009 wurde die Große Koalition nach der [[Bundestagswahl 2009]] durch eine schwarz-gelbe Koalition aus [[CDU/CSU|Union]] und [[Freie Demokratische Partei|FDP]] ersetzt. Merkel behielt ihr Amt als Bundeskanzlerin. Die zweite Legislatur Merkels stand maßgeblich im Zeichen der Turbulenzen an den globalen Finanzmärkten und der darauffolgenden [[Eurokrise|Staatsschuldenkrise im Euroraum]]. Im Zuge dessen zahlte der deutsche Staat insgesamt mehr als 30 Milliarden Euro zur Rettung der Banken.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bundestag.de/webarchiv/presse/hib/2018_09/569536-569536 |titel=Bankenrettung kostete 30 Milliarden |hrsg=Deutscher Bundestag |datum=2018-09-19 |sprache=de |abruf=2023-04-16}}</ref> Bei der [[Bundestagswahl 2013]] verpasste die FDP den Einzug in den Bundestag. Es kam erneut zu einer Großen Koalition unter Merkel als Bundeskanzlerin.
In [[Ostdeutschland]] wurde seit der ''Wende'' die Infrastruktur enorm verbessert und einige Regionen haben sich gut entwickelt. Trotzdem ist die [[Arbeitslosigkeit]] hoch. Dies hat auch zur Folge, dass gerade viele junge Menschen in den Westen ziehen. Es gibt verstärkt [[Rechtsextremismus|rechtsradikale]] Tendenzen. Auch die Nachfolgepartei der SED, die [[Partei des Demokratischen Sozialismus|PDS]], erhält viele Stimmen.


Am 31. Dezember 2015 hielten sich in Deutschland 211.052 anerkannte Flüchtlinge und 447.336 Asylbewerber auf, hauptsächlich aus [[Vorderasien]] und [[Afrika]]; im Jahr 2015 hatten insgesamt 476.649 Personen Asylanträge in Deutschland gestellt. Dies bedeutete einen Zuwachs von 135,0 % gegenüber dem Jahr 2014 und war der höchste Jahreswert seit Bestehen des Bundesamtes.<ref>[[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge]]: {{Webarchiv |url=http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Broschueren/bundesamt-in-zahlen-2015-asyl.pdf?__blob=publicationFile |text=''Das Bundesamt in Zahlen 2015 – Modul Asyl'' |wayback=20160516103046}}, 16. Mai 2016.</ref> Die ursprünglichen Prognosen für das Jahr von zunächst 450.000 und dann 800.000 wurden signifikant übertroffen. Angela Merkel hat für ihre Politik der ''offenen Grenzen'' Zustimmung,<ref>{{Internetquelle |url=https://www.morgenpost.de/politik/article207067215/70-Prominente-unterstuetzen-Merkels-Fluechtlingspolitik.html |titel=Prominente unterstützen Merkels Flüchtlingspolitik |werk=Morgenpost |datum=2016-02-20 |abruf=2024-05-23}}</ref> aber auch harsche Kritik geerntet.<ref>[http://www.stern.de/politik/deutschland/berliner-kreis--konservative-kritisieren-merkel-kurs-scharf-6846786.html ''Der Berliner Kreis, eine konservative Gruppe in der CDU, hat den „Linksdrift“ ihrer Partei scharf kritisiert''], stern.de vom 16. Mai 2016.</ref> Die [[Flüchtlingskrise in Deutschland 2015/2016|Flüchtlingskrise]] wurde von einigen Politikern und Organisationen als größte Herausforderung des Landes seit der Wiedervereinigung gesehen.<ref>[[Konrad-Adenauer-Stiftung]]: [http://www.kas.de/wf/de/33.43340/ ''Konrad-Adenauer-Stiftung – Die Flüchtlingskrise als Herausforderung für Europa''], 16. Mai 2016.</ref> Bei der [[Bundestagswahl 2017]] wurde die CDU (33 %) trotz Verlusten erneut stärkste Kraft vor der SPD (21 %), mit der Angela Merkel erneut eine Große Koalition bildete, nachdem mehrmonatige Verhandlungen zwischen CDU/CSU, Grünen und FDP zur Bildung einer „[[Jamaika-Koalition]]“ durch den Ausstieg der FDP gescheitert waren.
[[1991]] wurde der Regierungsumzug von [[Bonn]] nach [[Berlin]] beschlossen, der bis [[1999]] weitgehend abgeschlossen war. 1994 wurde [[Roman Herzog]] Nachfolger von [[Richard von Weizsäcker]] als [[Bundespräsident]]. Er wurde 1999 von [[Johannes Rau]] und dieser [[2004]] von [[Horst Köhler]] abgelöst.


Seit 2018 wird die gesellschaftliche Debatte verstärkt vom Kampf gegen den Klimawandel bestimmt. Insbesondere die landesweiten Schulstreiks und Massendemonstrationen der Klimaschutzorganisation [[Fridays for Future]] erhöhten den öffentlichen Druck auf Politik und Wirtschaft. Forderungen der Bewegung sind ein beschleunigter Ausstieg aus den fossilen Energieträgern, Klimaneutralität und effektiver Umweltschutz.<ref>{{Literatur |Titel="Macht Euren Job" – Weltweite Klimastreiks setzen Politik unter Druck |Sammelwerk=Reuters |Datum=2019-09-20 |Online=https://www.reuters.com/article/klima-demonstration-idDEKBN1W50LT |Abruf=2023-03-25}}</ref> Darüber hinaus bildeten sich mehrere Organisationen und Initiativen, die mit radikaleren Aktionsformen des Zivilen Ungehorsams auf die Klimakrise aufmerksam machen wollen. Hierzu zählen [[Ende Gelände]] mit Blockaden der fossilen Energieinfrastruktur und -produktion<ref>{{Internetquelle |url=https://www.deutschlandfunk.de/kraftwerke-blockade-ende-im-lausitzer-gelaende-100.html |titel=Kraftwerke-Blockade – Ende im Lausitzer Gelände |hrsg=Deutschlandfunk |datum=2016 |sprache=de |abruf=2023-04-16}}</ref> sowie die [[Letzte Generation]], deren zentrale Aktionsform die Blockade von Verkehrswegen durch Festkleben am Boden umfasst.
Mit der Unterzeichnung des [[Vertrag über die Europäische Union|Vertrages über die Europäische Union]] 1992 wurde die EG in die [[EU]] überführt, die deutlich größere Kompetenzen hat. Der Vertrag sah auch die Einführung des [[Euro]] vor und führte zu einer Änderung des Grundgesetzes, wobei auch das Ziel eines Vereinten Europas festgeschrieben wurde.


Die Jahre 2020 und 2021 waren insbesondere durch die weltweite [[COVID-19-Pandemie]] geprägt (siehe dazu auch [[COVID-19-Pandemie in Deutschland]]). Im Zuge dessen wurden deutschlandweit Kontaktbeschränkungen beschlossen, die u.&nbsp;a. die Schließung öffentlicher und privater Einrichtungen zur Folge hatten.
In den letzten Jahren wurde immer wieder der Ruf nach einem ständigen deutschen Sitz im [[UN-Sicherheitsrat]] laut, was im Ausland zunächst kritisch betrachtet, später aber als realistisch eingeschätzt wurde. Nach der Wiedervereinigung beteiligte sich die [[Bundeswehr]] auch erstmals an [[Out-of-area]]-Einsätzen.


Bei der [[Bundestagswahl 2021]] wurde die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten [[Olaf Scholz]] mit knapp 26 % stärkste Kraft.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.bundeswahlleiter.de/bundestagswahlen/2021.html |titel=Bundestagswahl 2021 |hrsg=Die Bundeswahlleiterin |datum=2021 |sprache=de |abruf=2023-04-16}}</ref> Die CDU/CSU erreichte hingegen nur 24 % der Stimmen. Deren Kandidat [[Armin Laschet]] verkündete daraufhin seinen Rücktritt als Parteichef. Allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien gelang der Wiedereinzug in den Bundestag – der [[Die Linke|Linkspartei]] allerdings nur über die [[Grundmandatsklausel]].
Bei der [[Bundestagswahl 1998]] wurde die CDU/CSU-FDP-Koalition unter Kohl vom niedersächsischen Minsterpräsidenten [[Gerhard Schröder]] abgelöst. Ursache war auch der ''Reformstau''. Dies war die erste echte Abwahl einer deutschen Bundesregierung, vorangegangene Machtwechsel waren immer ein Wechsel des Koalitionspartners.
Am 8. Dezember 2021 wurde Scholz zum Bundeskanzler gewählt und führte seitdem eine Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (die erste ''[[Ampelkoalition]]'' auf Bundesebene). Neben der weiterhin andauernden Pandemie und den zunehmenden Herausforderungen der Klimaveränderung bestimmte seit 2022 der [[Russischer Überfall auf die Ukraine 2022|Einmarsch Russlands]] in die [[Ukraine]] mit seinen geostrategischen und wirtschaftlichen Folgen das politische Geschehen. Die [[Bruch der Ampelkoalition in Deutschland 2024|Koalition zerbrach am 6.&nbsp;November 2024]] nach wachsenden Konflikten zwischen FDP einerseits und SPD und Grünen andererseits, es folgten die verlorene [[Vertrauensfrage]] des Kanzlers, die Auflösung des Bundestages durch den Bundespräsidenten und zur vorzeitigen [[Bundestagswahl 2025|Bundestagswahl am 23. Februar 2025]].


Am 6. Mai 2025 wurde [[Friedrich Merz]] zum Bundeskanzler gewählt ([[Kabinett Merz]]).
Die neue Regierung aus [[Sozialdemokratische Partei Deutschlands|SPD]] und [[Bündnis 90/Die Grünen]] ging Reformvorhaben an, diese wurden jedoch zumeist so weit entschärft, dass ihre Wirkung sehr umstritten ist. Nachdem [[2000]] mit der Versteigerung der [[UMTS]]-Lizenzen viel Geld in die Staatskasse gespült wurde, stieg die Verschuldung in den folgenden Jahren aufgrund einer Wirtschaftskrise wieder.


== Quellensammlungen ==
Am 1. Januar [[2002]] wurde der [[Euro]] zum offiziellen Zahlungsmittel in Deutschland. Durch die [[Bundestagswahl 2002]] wurde die Koalition bestätigt, wenn auch nur denkbar knapp. Im August [[2002]] verursachte die [[Jahrhundertflut]] an Elbe und Donau erhebliche Schäden. Im Herbst [[2004]] wurde der [[Vertrag über eine Verfassung für Europa]] unterzeichnet und es gab gegen das parteiübergreifend verabschiedene [[Hartz-Konzept]], das zum 1. Januar [[2005]] umgesetzt wurde, große Proteste. Durch die damit verbundene Neuordnung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe stieg Anfang des Jahres die Zahl der offiziell [[Arbeitslose]]n auf über fünf Millionen.
* [[Rainer A. Müller]] (Hrsg.): ''[[Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung]].'' 11 Bde., Reclam, Stuttgart 1995–2002 (Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 17001–17011). [Quellensammlung zur deutschen Geschichte, vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart. Jede Quelle ist knapp kommentiert, dazu gesellt sich eine allgemeine Einleitung zum geschichtlichen Kontext der jeweiligen Epoche.]
* ''[[Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters]]. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1955ff. [mehrere Bände umfassende Quellenausgabe mit deutscher Übersetzung]


== Literatur ==
== Weitere eigenständige Beiträge ==


=== Hilfsmittel ===
=== Teilaspekte deutscher Geschichte ===
Eine bis Ende 2015 reichende bibliographische Onlinedatenbank bieten unter anderem die ''[http://www.jdg-online.de/ Jahresberichte für deutsche Geschichte]''.
{| cellpadding="2" cellspacing="2" border="0" style="width: 100%;"
|- valign="top"
|
*[[Deutsche Literatur]]
*[[Deutsche Marine (Geschichte)|Deutsche Marine ]]
*[[Deutsches Recht]]
*[[Deutsche Sprache]]
*[[Deutsche Philosophie]]
*[[Deutsche Kunst]]
*[[Wirtschaftliche und soziale Entwicklung Deutschlands]]
*[[Geschichte der Parteien in Deutschland]]
*[[Deutscher Sonderweg]]
|
*[[Nationalsozialismus]]
*[[Deutsche Kolonien]]
*[[Oder-Neiße-Linie]]
*[[Sudetenland]]
*[[Ostgebiete des Deutschen Reiches]]
*[[Deutschland im Mittelalter]]
*[[Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation]] (bis 1806)
*[[Deutscher Bund]] (1815–1866)
|}
=== Kriege ===


* [[Winfried Baumgart]]: ''Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte.'' 18. Auflage. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014.
Weitere eigenständige Beiträge zu den Kriegen, die mit Beteiligung deutscher Staatengebilde geführt wurden, sind hier aufgelistet:
{| cellpadding="2" cellspacing="2" border="0" style="width: 100%;"
|- valign="top"
|
*Großer [[Deutscher Bauernkrieg]] ([1525)
*[[Schmalkaldischer Krieg]] (1545/1546)
*[[Dreißigjähriger Krieg]] (1618–1648)
*[[Türkenkriege|1. Türkenkrieg]] (1663/1664)
*[[Türkenkriege|2. Türkenkrieg]] (1683–1699)
*[[Nordischer Krieg]] (1700–1721)
*[[Spanischer Erbfolgekrieg]] (1701–1714)
*[[Schlesische Kriege]] (1740–42, 1744/45, 1756–1763)
*[[Österreichischer Erbfolgekrieg]] (1740–1748)
*[[Siebenjähriger Krieg]] (1756–1763)
*[[Bayerischer Erbfolgekrieg]] (1778/1779)
|
*[[Koalitionskriege]] (1792–1797, 1799–1802, 1805, 1806/1807, 1809)
*[[Befreiungskrieg]]e gegen [[Napoléon Bonaparte|Napoléon]] (1813–1815)
*[[Schleswig-Holsteinischer Krieg (1848-1851)]]
*[[Deutsch-Dänischer Krieg]] (1864)
*[[Deutsch-Österreichischer Krieg]] (1866)
*[[Deutsch-Französischer Krieg]] (1870/1871)
*[[Boxeraufstand]] (1900/1901)
*[[Aufstand der Herero und Nama]] in [[Deutsch-Südwestafrika]] ([[Namibia]]) (1904–1908)
*[[Erster Weltkrieg]]
*[[Zweiter Weltkrieg]]
*[[Kosovo-Krieg]] (1999)
*[[Der Krieg der USA gegen den Terrorismus]] (seit 2001)
|}
=== Geschichte früherer und heutiger deutscher Gliedstaaten ===


=== Einführende Überblicke ===
*[[Geschichte Bayerns|Bayern]]
* [[Hartmut Boockmann]], [[Heinz Schilling (Historiker)|Heinz Schilling]], [[Hagen Schulze]], [[Michael Stürmer]]: ''Mitten in Europa. Deutsche Geschichte.'' Siedler, Berlin 1984, ISBN 3-88680-109-8.
*[[Geschichte Sachsens|Sachsen]]
* ''Deutsche Geschichte.'' 10 Bände. Vandenhoeck & Ruprecht (Taschenbuchausgabe). Sonderausgabe in 3 Bänden (''Mittelalter'', ''Frühe Neuzeit'', ''19. und 20. Jahrhundert (1815–1945)''): Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen/Zürich 1985, ISBN 3-525-36187-4 (knappe Übersichtsdarstellung zur deutschen Geschichte, für den Einstieg geeignet).
*[[Geschichte Thüringens|Thüringen]]
* [[Ulf Dirlmeier]], [[Andreas Gestrich]], Ulrich Herrmann, Ernst Hinrichs, Christoph Kleßmann, Jürgen Reulecke: ''Kleine deutsche Geschichte.'' Durchgesehene und verbesserte Ausgabe Reclam, Stuttgart 1998 (Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 9359), ISBN 3-15-009359-7 (knappe Übersichtsdarstellung; nur für den ersten Überblick geeignet).
*[[Württemberg]]
* [[Andreas Fahrmeir]] (Hrsg.): ''Deutschland. Globalgeschichte einer Nation.'' C.H. Beck, München 2020, ISBN 978-3-406-75619-1 (Darstellung anhand von zentralen Jahren und Ereignissen unter Berücksichtigung der neueren Forschung).
*[[Baden_(Land)|Baden]]
* [[Neil MacGregor]]: ''Deutschland. Erinnerungen einer Nation.'' C.H. Beck, München 2015, ISBN 978-3-406-67920-9 (Erzählung deutscher Geschichte anhand ausgewählter Aspekte).
*[[Preußen]]
* [[Hagen Schulze]]: ''Kleine deutsche Geschichte.'' Beck, München 1998, ISBN 3-406-40999-7 (verkürzende Darstellung, die sich auf die allgemeinen Grundlinien konzentriert).
*[[Mark Brandenburg]]
* [[Jochen Gaile]]: ''Wir Deutschen. Neue Deutsche Geschichte im Grundriss.'' Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-515-08855-8.
*[[Anhalt]]
* [[Hermann Schäfer (Historiker)|Hermann Schäfer]]: ''Deutsche Geschichte in 100 Objekten.'' Piper Verlag, München 2015, ISBN 978-3-492-05702-8.
* [[Roland Steinacher]], Stefan Donecker, Patrick Oelze, [[Michael Gehler]], Oliver Domzalski, [[Steffen Raßloff]], Daniel Mollenhauer: ''Deutsche Geschichte. Die große Bild-Enzyklopädie.'' Dorling Kindersley Verlag, München 2018, ISBN 978-3-8310-3542-7.


=== Geschichte deutscher Großstädte ===
=== Vertiefende Überblickswerke ===
* ''[[Enzyklopädie deutscher Geschichte]].'' (Die jeweiligen Bände nehmen wichtige Epochen oder geschichtliche Gegenstände auf und sind jeweils in Darstellung, Forschungslinien und Bibliographie gegliedert. Geeignet für den wissenschaftlichen Einstieg in ein Hauptthema.)
* [[Dieter Groh]] u.&nbsp;a. (Hrsg.): ''Propyläen Geschichte Deutschlands.'' 9 Bde. (bisher), Berlin 1983&nbsp;ff. (für ein breiteres, gebildetes Publikum geschriebene Darstellung, von den Anfängen bis 1933; Band 7 wurde in zwei Teilen ausgeliefert, Bd. 9 wurde später aufgrund von Bedenken inhaltlicher Art wieder zurückgezogen).
* ''[[Handbuch der deutschen Geschichte]].'' 9. Auflage, 4 Bde. (der klassische ''Gebhardt'', auch als Taschenbuchausgabe in 22 Bänden erhältlich), Stuttgart 1970&nbsp;ff. neubearbeitete 10. Auflage. Stuttgart 2001–2024.
* [[Alfred Haverkamp]], [[Wolfgang Reinhard]], [[Jürgen Kocka]], [[Wolfgang Benz]] (Hrsg.): ''Handbuch der deutschen Geschichte.'' 10. Auflage, Klett-Cotta, Stuttgart 2001&nbsp;ff. (Neubearbeitung des Gebhardt; noch nicht abgeschlossen).
* ''Neue Deutsche Geschichte.'' Beck, München (im Entstehen begriffene moderne Darstellung der deutschen Geschichte vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart, die weniger Wert auf die Ereignisgeschichte legt als noch der Gebhardt).
* ''Siedler Deutsche Geschichte'' (''Das Reich und die Deutschen'' sowie ''Die Deutschen und ihre Nation''). 12 Bände, Taschenbuch Sonderauflage, Siedler, Berlin 1998 (gut lesbare Darstellung, die sich an ein breiteres Publikum wendet, aber von Fachleuten verfasst ist).
* [[Brendan Simms]]: ''Kampf um Vorherrschaft. Eine deutsche Geschichte Europas 1453 bis heute.'' Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014. (Simms zufolge „eine deutsche Geschichte Europas“, da er Deutschland eine zentrale Rolle – ob aktiv oder passiv – in der europäischen Geschichte seit der Frühen Neuzeit zuweist.)
* [[Hans-Ulrich Wehler]] (Hrsg.): ''Moderne Deutsche Geschichte.'' 12 Bde. u. Reg.-Bd. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-09240-5 (sozialgeschichtlich ausgerichtete Darstellung der deutschen Geschichte seit der Frühen Neuzeit).


=== Antike ===
*[[Geschichte Berlins|Berlin]]
* [[Heinrich Beck (Philologe)|Heinrich Beck]] (Hrsg.): ''Germanen, Germania, germanische Altertumskunde.'' Ungekürzte Studienausgabe des Artikels aus dem ''[[Reallexikon der Germanischen Altertumskunde]].'' De Gruyter, Berlin/New York 1998, ISBN 3-11-016383-7.
*[[Geschichte Dresdens|Dresden]]
* [[Bruno Bleckmann]]: ''Die Germanen. Von Ariovist zu den Wikingern''. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58476-3.
*[[Geschichte der Stadt Gera|Gera]]
* [[Thomas Fischer (Archäologe)|Thomas Fischer]]: ''Gladius. Roms Legionen in Germanien.'' C.H. Beck, München 2020.
*[[Geschichte von Frankfurt am Main|Frankfurt am Main]]
* [[Walter Pohl]]: ''Die Germanen'' (=&nbsp;''Enzyklopädie deutscher Geschichte'', Bd. 57). 2. Aufl., Oldenbourg, München 2004, ISBN 3-486-56755-1.
*[[Geschichte Hamburgs|Hamburg]]
*[[Geschichte Kölns|Köln]]
*[[Geschichte Leipzigs|Leipzig]]
*[[Geschichte Münchens|München]]
*[[Stuttgart#Geschichte|Stuttgart]]

== Siehe auch ==

* [[Deutschland (Begriffsklärung)]]
* [[Geschichte]]
* [[Portal Deutschland]]
* [[Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas]]
* [[Geschichte der Eisenbahn in Deutschland]]
* [[Geschichte Europas]]
* [[Ostfrankenreich|Ostfränkisches Reich]] (seit 806)
* [[Deutschland im Mittelalter]]
* [[Geschichte Österreichs]]
* [[Preußen]]

== Literatur ==


=== Quellensammlungen ===
=== Mittelalter ===
* [[Dieter Berg]]: ''Deutschland und seine Nachbarn, 1200–1500.'' München 1997 (''Enzyklopädie deutscher Geschichte.'' Band 40).
* Müller, Rainer A. (Hg.): ''Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung.'' 11 Bde. Stuttgart: Reclam, 1995-2002 (Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 17001-17011). ''Sehr gute Quellensammlung zur deutschen Geschichte, vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart. Jede Quelle ist knapp kommentiert, dazu gesellt sich eine allgemeine Einleitung zum geschichtlichen Kontext der jeweiligen Epoche.''
* [[Klaus Herbers]], [[Helmut Neuhaus]]: ''Das Heilige Römische Reich – Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843–1806)''. Böhlau-Verlag, Köln/Weimar 2005, ISBN 3-412-23405-2 (Gesamtdarstellung des Heiligen Römischen Reiches bis in die Neuzeit).
* [[Johannes Fried]]: ''Der Weg in die Geschichte. Die Ursprünge Deutschlands bis 1024.'' Propyläen, Berlin 1994 (ND 1998), ISBN 3-549-05811-X.
* [[Hagen Keller]]: ''Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont. Deutschland im Imperium der Salier und Staufer 1024–1250.'' Propyläen, Berlin 1986, ISBN 3-549-05812-8.
* [[Peter Moraw]]: ''Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490.'' Propyläen, Berlin 1985, ISBN 3-549-05813-6.
* [[Steffen Patzold]]: ''Das Lehnswesen.'' Beck, München 2012, ISBN 978-3-406-63235-8.
* [[Malte Prietzel]]: ''Das Heilige Römische Reich im Spätmittelalter.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-15131-3.
* [[Bernd Schneidmüller]], [[Stefan Weinfurter]] (Hrsg.): ''Heilig – Römisch – Deutsch. Das Reich im mittelalterlichen Europa. Internationale Tagung zur 29. Ausstellung des Europarates und Landesausstellung Sachsen-Anhalt.'' Sandstein-Verlag, Dresden 2006.
* [[Stefan Weinfurter]]: ''Das Reich im Mittelalter. Kleine deutsche Geschichte von 500 bis 1500.'' Beck, München 2008, ISBN 3-406-56900-5.
* [[Lutz Partenheimer]]: Die Entstehung Deutschlands und die Entdeckung des Mittelalters. Becker, Potsdam 2024, Broschur: ISBN 978-3-88372-421-8, Festeinband: ISBN 978-3-88372-426-3.


=== Sekundärliteratur in Auswahl ===
=== Frühe Neuzeit ===
* [[Karl Otmar von Aretin]]: ''Das Alte Reich 1648–1806.'' 4 Bde. Klett-Cotta, Stuttgart 1993–2000, ISBN 3-608-91043-3.
==== Knappe Übersichtsdarstellungen ====
* [[Axel Gotthard]]: ''Das Alte Reich 1495–1806.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2003, ISBN 3-534-15118-6.
*''Deutsche Geschichte.'' 3 Bde. Sonderausgabe Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1985. ''zus. XXVII, 1915 S.'' ISBN 3-525-36187-4 ''Sehr gute knappe Übersichtsdarstellung zur deutschen Geschichte. Für den Einstieg gut geeignet.''
* [[Peter Claus Hartmann]]: ''Das Heilige Römische Reich deutscher Nation in der Neuzeit 1486–1806.'' Reclam, Stuttgart 2005, ISBN 3-15-017045-1.
*Dirlmeier, Ulf/Gestrich, Andreas/Herrmann, Ulrich/Hinrichs, Ernst/Kleßmann, Chrsitoph/Reulecke, Jürgen: ''Kleine deutsche Geschichte.'' Durchgesehene und verbesserte Ausgabe Stuttgart: Reclam, 1998 (Reclams Universal-Bibliothek, Bd. 9359). ''480 S.'' ISBN 3-15-009359-7 ''Knappe Übersichtsdarstellung; nur für den ersten Überblick geeignet.''
* [[Georg Schmidt (Historiker)|Georg Schmidt]]: ''Geschichte des Alten Reiches. Staat und Nation in der Frühen Neuzeit 1495–1806.'' Beck, München 1999, ISBN 3-406-45335-X.
*Müller, Helmut M.: ''Schlaglichter der deutschen Geschichte.'' Bonn: 2003. ''528 S.'' ''Dieses Werk kann man praktisch kostenlos (Bereitstellungspauschale 4 EUR) bei der [http://www.bpb.de/ Bundeszentrale für politische Bildung] bekommen.''
* [[Matthias Schnettger]]: ''Kaiser und Reich. Eine Verfassungsgeschichte (1500–1806).'' Kohlhammer, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-17-031350-7.
*Schulze, Hagen: ''Kleine deutsche Geschichte.'' München: Beck, 1998. ''276 S.'' ISBN 3-406-40999-7 ''Sehr verkürzende Darstellung, die sich auf die allgemeinen Grundlinien konzentriert.''
* [[Barbara Stollberg-Rilinger]]: ''Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Vom Ende des Mittelalters bis 1806'' (=&nbsp;''Beck’sche Reihe. C. H. Beck Wissen'' 2399). 6., aktualisierte Auflage, C.H. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-72247-9.
* [[Joachim Whaley]]: ''Das Heilige Römische Reich deutscher Nation und seine Territorien.'' 2 Bde. WBG bzw. Zabern, Darmstadt 2014, ISBN 978-3-8053-4825-6 (Orig.: ''Germany and the Holy Roman Empire.'' 2 Bde., Oxford 2012).


=== Neuzeit ===
==== Vertiefende Darstellungen beziehungsweise Überblicke ====
* [[Christopher Clark]]: ''Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600–1947''. DVA, München 2006 (mehrere Neuauflagen).
*Gall, Lothar (Hg.): ''Enzyklopädie deutscher Geschichte.'' München: Oldenbourg. ''Auf 100 Bde. berechnetes Werk, noch im Enstehen begriffen. Die jeweiligen Bände nehmen wichtige Epochen oder geschichtliche Gegenstände auf und sind jeweils in Darstellung, Forschungsmeinung und eine umfassende Bibliographie gegliedert. Ein für die wissenschaftliche Arbeit unersetzbares Instrument.''
* [[Ulrich Herbert]]: ''Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert.'' C.H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-70707-0.
*Groh, Dieter, unter anderem (Hgg.): ''Propyläen Geschichte Deutschlands.'' bisher 9 Bde., Berlin 1983 ff. ''Wohl die beste, für ein breiteres und gebildetes Publikum geschrieben Darstellung der deutschen Geschichte, von den Anfängen bis 1933; Band 7 wurde in zwei Teilen ausgeliefert, Bd. 9 wurde später aufgrund ernster Bedenken inhaltlicher Art wieder zurückgezogen''
* [[Eckhard Jesse]]: ''Systemwechsel in Deutschland''. Köln 2010.
*Grundmann, Herbert (Hg.): ''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte.'' 9. Aufl., 4 Bde. (auch als Taschenbuchausgabe in 22 Bde.), Stuttgart 1970 ff. ''Die 10. Aufl. dieses Standardwerks ist erst im Entstehen begriffen; trotz des Alters gerade aufgrund der zahlreichen Quellenbelege und der Weite der darin dargestellten Thematik unverzichtbar für die wissenschaftliche Arbeit.''
* [[Thomas Nipperdey]]: ''[[Deutsche Geschichte 1800–1918]]''. 3 Bände, C.H. Beck, München 1983–1992.
*''Neue Deutsche Geschichte.'' München: Beck ''Im Entstehen begriffene moderne Darstellung der deutschen Geschichte vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart, die weniger Wert auf die Ereignisgeschichte legt als noch der Gebhardt.''
* [[Volker Ullrich (Historiker)|Volker Ullrich]]: ''Die nervöse Großmacht. Aufstieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs 1871–1918.'' 5. Auflage, Fischer, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-596-11694-5.
*''Siedler Deutsche Geschichte.'', Berlin, 13 Bde. ''Hervorragende Darstellung, die sich an ein breiteres Publikum wendet, mit zahlreichen Abbildungen.''
* [[Hans-Ulrich Wehler]]: ''Deutsche Gesellschaftsgeschichte.'' 5 Bände, C.H. Beck, München 1987–2008.
* Wehler, Hans-Ulrich (Hg.): ''Moderne Deutsche Geschichte.'' 12 Bde. u. Reg.-Bd. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1996. ''zus. 4148 S.'' ISBN 3-518-09240-5 ''Umfassende Darstellung der deutschen Geschichte seit der Frühen Neuzeit.''
* {{Literatur |Autor=[[Ursula Weidenfeld]] |Titel=Das doppelte Deutschland: eine Parallelgeschichte, 1949–1990 |Verlag=Rowohlt Berlin |Ort=Berlin |Datum=2024 |ISBN=978-3-7371-0167-7}}
* [[Heinrich August Winkler]]: ''[[Der lange Weg nach Westen]].'' 2 Bde., C.H. Beck, München 2000.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|History of Germany|Geschichte Deutschlands}}
{{Wikisource|Deutschland}}
* [https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/ Deutsche Geschichte (bpb)]
* [http://www.diedeutschen.zdf.de/ ZDF-Geschichtsdokumentation „Die Deutschen“]
* [https://histomania.com/app/Die_Geschichte_Deutschlands ''Die Geschichte Deutschlands'' mit Verlinkungen in einen Zeitstrahl auf histomania]


== Anmerkungen ==
* [http://www.phil.uni-erlangen.de/~p1ges/vl-dtld.html Virtual Library Geschichte]
<references responsive />
* [http://www.dhm.de/lemo/home.html Lebendiges Virtuelles Museum Online – Geschichtliche Hintergründe ab dem Kaiserreich bis zur Gegenwart] (Original-Dokumente, Videos & Bilder zur Verdeutlichung vorhanden)
*[http://www.wsgn.euv-frankfurt-o.de/vc/pageD.html Index zur Deutschen Geschichte]
*[http://www.documentarchiv.de/ historische Quellensammlung zur deutschen Geschichte seit der napoleonischen Epoche mit Gesetzes- und Verfassungstexten sowie völkerrechtlichen Verträgen]


{{NaviBlock
[[Kategorie:Deutsche Geschichte]]
|Navigationsleiste Geschichte Deutschlands
|Navigationsleiste deutsche Staatssysteme
|Navigationsleiste Geschichte nach Staat/Europa
}}


[[Kategorie:Geschichte (Deutschland)| !]]
[[cs:Dějiny Německa]]
[[da:Tysklands historie]]
[[en:History of Germany]]
[[eo:Historio de Germanio]]
[[es:Historia de Alemania]]
[[fr:Histoire d'Allemagne]]
[[it:Storia della Germania]]
[[ja:ドイツの歴史]]
[[nl:Geschiedenis van Duitsland]]
[[ru:История Германии]]
[[sv:Tysklands historia]]
[[zh:德国历史]]

Aktuelle Version vom 30. Mai 2025, 13:46 Uhr

Heutige Flagge Deutschlands
Lage der Bundesrepublik Deutschland

Die Geschichte Deutschlands oder Deutsche Geschichte beginnt nach herkömmlicher Auffassung mit der Entstehung des römisch-deutschen Königtums im 10./11. Jahrhundert, wenngleich sich damit noch lange kein „Staat der Deutschen“ entwickelte. Die deutsche Sprache ist seit dem 8. Jahrhundert als eigenständige, in eine Vielzahl von Dialekten unterteilte und sich weiterentwickelnde Sprache fassbar. Die Bewohner des Reiches waren vor allem Nachfahren von Germanen und Kelten, im Westen jedoch auch von römischen Siedlern und im Osten von westslawischen Stämmen, den sogenannten Wenden oder Elbslawen.

Das römisch-deutsche Reich entwickelte sich im Frühmittelalter aus dem Ostfrankenreich und Teilen Lothringens, die wiederum infolge der Krise des fränkischen Reichs im 9. Jahrhundert entstanden waren. Das Herrschergeschlecht der Ottonen konnte im 10. Jahrhundert die westliche („römische“) Kaiserwürde erlangen und legte die Grundlage für das seit dem späten 13. Jahrhundert so genannte Heilige Römische Reich. Ottonen sowie die nachfolgenden Salier und Staufer stützten sich in unterschiedlicher Ausprägung auf die Reichskirche. Die mittelalterlichen römisch-deutschen Kaiser sahen sich in der Tradition des antiken Römischen Reichs (Reichsidee), wobei es wiederholt zu Spannungen zwischen den Universalmächten Kaisertum und Papsttum kam. Bereits gegen Ende der staufischen Dynastie (12./13. Jahrhundert) verlor das Königtum an Macht. Die römisch-deutschen Könige waren aber ohnehin nie absolute Herrscher, vielmehr wurde der Aspekt konsensualer Herrschaft des Königtums im Verbund mit den Großen betont. Im Gegensatz zu den westeuropäischen Monarchien England und Frankreich entwickelte sich im römisch-deutschen Reich nie eine zentralisierte Reichsherrschaft. Die Macht der vielen Landesherren nahm im Spätmittelalter weiter zu, die Goldene Bulle Karls IV. legte eine kurfürstliche Wahlmonarchie fest. Diese Form einer dezentralisierten Herrschaft begründete letztlich die Tradition des deutschen Föderalismus. Im Spätmittelalter kam es außerdem zum Aufstieg des Städtewesens.

Der frühneuzeitliche Staatsbildungsprozess spielte sich insbesondere auf der Ebene der einzelnen Territorien ab. Reformation, Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg im 16. und 17. Jahrhundert führten über Deutschland hinaus zu demographischen Verschiebungen und zu veränderten religiösen und politischen Konstellationen. Neben der Habsburgermonarchie, die seit dem 15. Jahrhundert fast durchgängig den Kaiser stellte, stiegen die Hohenzollern mit Preußen zur zweiten deutschen Großmacht auf.

Im Laufe der Koalitionskriege gegen die Französische Revolution ging das Heilige Römische Reich Deutscher Nation 1806 unter. Nach der in die Befreiungskriege mündenden Vorherrschaft Napoleon Bonapartes über den europäischen Kontinent ergab sich im Zuge restaurativer Bemühungen eine politische Neuordnung in Form des Deutschen Bundes unter gemeinsamer österreichischer und preußischer Führung. Die dagegen gerichteten freiheitlichen Bestrebungen in der Revolution von 1848/49 wurden niedergeschlagen, der auf nationale Einheit Deutschlands gerichtete Impuls dann aber durch das preußische Militär in Kriegen sowohl gegen Österreich als auch gegen Frankreich in die Gründung des Deutschen Kaiserreichs überführt. Sozialgeschichtlich war das 19. und frühe 20. Jahrhundert geprägt von industrieller Revolution und Hochindustrialisierung, einem hohen Bevölkerungswachstum und einem Prozess der Urbanisierung.

Deutsche Weltmachtambitionen im Zeichen des Wilhelminismus trugen im Zeitalter des Imperialismus zur Entstehung des Ersten Weltkriegs bei, der in einer als schmachvoll empfundenen deutschen Niederlage endete. Die Novemberrevolution 1918/1919 brachte mit der Weimarer Republik erstmals ein demokratisch verfasstes deutsches Gemeinwesen hervor, das allerdings keine dauerhafte politische Stabilität erlangte, sondern 1933 von der nationalsozialistischen Diktatur abgelöst wurde. Die damit von Anbeginn einhergehende gewalttätige Unterdrückung aller Regimegegner im Inneren und planvoll betriebene Expansionspolitik nach außen – verbunden mit der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs sowie mit der systematischen Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden – haben die NS-Zeit bis 1945 zum katastrophalen Tiefpunkt der deutschen Geschichte werden lassen.

Nach der Kapitulation der Wehrmacht vollzogen die vier Hauptsiegermächte die Aufteilung Deutschlands und Berlins: Sie bildeten eine östliche und drei westliche Besatzungszonen und unterstellten die Ostgebiete des Deutschen Reiches polnischer und sowjetischer Verwaltung. Aus den drei Westzonen entstand 1949 die Bundesrepublik Deutschland, aus der sowjetischen Zone die Deutsche Demokratische Republik (DDR). 1961 zementierten der Bau der Berliner Mauer und die seitens der DDR militärisch gesicherte und streng bewachte innerdeutsche Grenze die Deutsche Teilung.

Nach der friedlichen Revolution in der DDR, die 1989 das Ende der SED-Diktatur herbeiführte und bei den ersten freien Wahlen zur Volkskammer im März 1990 eine weit überwiegende Mehrheit der Einheitsbefürworter zur Folge hatte, war der Weg frei für Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung. Die Zustimmung der vier vormaligen Siegermächte zum Vollzug der deutschen Einheit war wesentlich mitbestimmt von der Einbindung der alten Bundesrepublik in den 1951 begonnenen europäischen Integrationsprozess und den Zusagen des vereinten Deutschlands bezüglich einer Fortsetzung dieses Kurses auch nach der Erweiterung um die fünf neuen Bundesländer. Mit der Einführung des Euro wie auch bei der EU-Osterweiterung bestätigte die deutsche Seite diese Erwartungen.

Seit der Wiedervereinigung 1990 hat sich Deutschland zu einer der führenden Wirtschaftsnationen weltweit entwickelt. Anfangs stellte die Integration der DDR eine große Herausforderung dar, doch durch umfangreiche Investitionen und Reformen konnte die Wirtschaft stabilisiert werden. Insbesondere die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 führten zu einer deutlichen Reduzierung der Arbeitslosigkeit und erhöhten die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Heute ist Deutschland die größte Volkswirtschaft der EU und eine der bedeutendsten Exportnationen weltweit. Das Land verfügt über eine gut entwickelte Infrastruktur, ein starkes Bildungssystem und eine hoch qualifizierte Arbeitskraft, was es zu einem attraktiven Standort für Unternehmen und Investitionen macht. Deutschland gilt heutzutage als eine der stabilsten und wohlhabendsten Nationen der Welt.[1][2]

Vorgeschichtliche Zeit

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die mindestens 35.000 Jahre alte Venus vom Hohlefels wurde aus dem Elfenbein eines Wollhaarmammuts angefertigt und fand sich am Südfuß der Schwäbischen Alb. Sie zählt zu den ältesten Darstellungen eines Menschen.

Funde der Primatenart Danuvius auf dem Gebiet des heutigen Deutschland sind über 11 Millionen Jahre alt und stellen wohl einen der ersten aufrecht gehenden Vorfahren des Menschen dar. Bearbeitete Artefakte mit einem Alter von über 1 Million Jahre wurden in Mülheim-Kärlich gefunden. Der älteste fossile Nachweis von Vertretern der Gattung Homo auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik ist der etwa 600.000 Jahre alte Unterkiefer von Mauer, des Typusexemplars von Homo heidelbergensis. Etwas jüngere Funde stammen vom Fundplatz Bilzingsleben sowie von Homo steinheimensis; bekannte Funde sind schließlich auch die Schöninger Speere, die als älteste Jagdwaffen der Menschheit gelten. Aus Homo heidelbergensis ging vor 300.000 bzw. 130.000 Jahren der frühe, später aus diesem der klassische Neandertaler (Homo neanderthalensis) hervor, der – sofern die klimatischen Bedingungen es zuließen – nahezu 100.000 Jahre lang auch auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands lebte. Da Mitteleuropa während der maximalen Ausdehnungsphasen der Gletscher in den Kaltzeiten zur Kältesteppe (Tundra) wurde und die polare Vereisung weit in den Süden vordrang, dürfte dieses Gebiet in der Zeit zwischen 270.000 und 250.000, dann von 160.000 bis 140.000 und erneut von 70.000 bis 60.000 vor heute unbewohnt gewesen sein.[3] Dies dürfte auch für die maximale Vergletscherung während der letzten Kaltzeit gelten, also vor 22.000 bis 19.000 Jahren. Erst seit etwa 13.500 v. Chr., mit dem Magdalénien, ist Mitteleuropa ohne Unterbrechung besiedelt.[4]

Allerdings war der Neandertaler zu diesem Zeitpunkt bereits verschwunden. Spuren des aus Afrika über den Balkan zugewanderten modernen Menschen (Homo sapiens der Cro-Magnon-Epoche) wurden in Ranis entdeckt, Nachweis der frühesten Besiedelung des modernen Menschen in Mittel- und Nordwesteuropa.[5] Des Weiteren in den Höhlen der Schwäbischen Alb, etwa die 35.000 bis 40.000 Jahre alte Venus vom Hohlefels, die weltweit älteste gesicherte Darstellung eines Menschen (neben der etwa gleich alten Venus vom Galgenberg). Die zweitältesten Überreste eines Homo sapiens fanden 1914 Steinbrucharbeiter im Rheinland: das etwa 14.000 Jahre alte Doppelgrab von Oberkassel; noch älter ist die Bestattung in der bayerischen Klausenhöhle, die etwa um 20.000 v. Chr. stattfand.

Die zwischen 13.350 und 14.000 Jahre alten sterblichen Überreste der 20- bis 25-jährigen Frau und des etwa 50 Jahre alten Mannes aus dem Doppelgrab von Oberkassel

Als die Steppentiere ausstarben, änderte sich um 12.000 v. Chr. die Lebensweise dramatisch. Die Jäger und Sammler, die von den Herden gelebt hatten, wurden durch neue Zuwanderer aus dem Südosten Europas ersetzt, die Bevölkerung ging dabei überaus stark zurück. Die Magdalénienzeitliche Bevölkerung verschwand, wie sich genetisch erweisen ließ. Ihr folgte die aus dem Süden zugewanderte des Azilien, die sich auf die Jagd auf Tiere verstand, die die Wälder bewohnten. Dieser gehörte das besagte Doppelgrab an. Das einzige bekannte Lager ist Rietberg bei Gütersloh. In den folgenden 500 Jahren fehlt jeder Hinweis auf Siedlungsplätze. Um 11.500 v. Chr. hingegen sind weit über 700 Fundplätze in Mitteleuropa bekannt.[6] Ein vorerst letztes Mal kehrte die Kältesteppe zurück, so dass in Norddeutschland erneut Rentierjäger, diesmal der Ahrensburger Kultur, zwischen 10.760 und 9.650 v. Chr. existieren konnten.

Jäger und Sammler stellten in der nachfolgenden wärmeren Phase bereits um 5800/5600 v. Chr. Keramikgefäße her, bevor sie ab etwa 5500 v. Chr. durch früheste bäuerliche Kulturen abgelöst wurden.[7] In dieser, als Jungsteinzeit bezeichneten Epoche, entwickelten sich Ackerbau, Viehhaltung und feste Siedlungsplätze sowie eine andere Art der Keramik, jedoch blieb Norddeutschland weitere tausend Jahre von Jägern, Sammlern und Fischern dominiert. Das Gebiet des heutigen Deutschland wurde nach- und nebeneinander von der linearbandkeramischen, der schnurkeramischen und der Glockenbecherkultur besiedelt, die Benennung erfolgte anhand des archäologischen Fundgutes.

Die Verwendung von Metallen revolutionierte nicht nur die technischen Möglichkeiten, sondern veränderte auch die Gesellschaften erheblich. Aus der Bronzezeit sind einige Funde erhalten, wie etwa die in Sachsen-Anhalt gefundene Himmelsscheibe von Nebra, eine Metallplatte mit Goldapplikationen, die als älteste Himmelsdarstellung gilt (ihr Alter wird auf 3700–4100 Jahre geschätzt).

Grundzüge der Ethnogenese germanischer gentes

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Bronze- und Eisenzeit bildeten sich in diesen Regionen verschiedene indogermanisch sprechende Volksgruppen und Stämme (gentes). Diese entstanden aus eingewanderten indoeuropäischen Stämmen bzw. deren Nachfahren, die sich mit den seit Ende der letzten Eiszeit ansässigen „Ureinwohnern“ und auch später fortwährend mit durchziehenden Völkern bzw. Siedlern vermischten. Diese dynamische Entwicklung wird als Ethnogenese bezeichnet und ist vor allem ein sozialer Prozess.[8] Die Nachfahren der in Nordeuropa und Norddeutschland auf dem Gebiet der Nordischen Bronzekultur siedelnden Gruppen wurden in der Antike von antiken griechischen Geschichtsschreibern als Kelten im Westen oder Skythen im Osten beschrieben. Erst unter (oft auch griechischsprachigen) römischen Autoren etablierte sich im 1. Jahrhundert v. Chr. der Begriff Germanen.[9] „Germanen“ darf aus methodischen Gründen allerdings nicht als Begriff für ein einheitliches Volk missverstanden werden, denn damit wurden von den antiken Autoren ganz verschiedene Gruppen bezeichnet, die kein übergeordnetes Gemeinschaftsgefühl verband (siehe unten).[10] Die südlichen Teile Deutschlands wurden dagegen von Kulturgruppen besiedelt, die seit der Eisenzeit als Kelten bezeichnet werden können.

Während der Ausbreitung des Römischen Reiches bis in die Spätantike siedelten dazu Römer im Raum des heutigen Süd- und Westdeutschland, deren Truppen den Süden und Westen Germaniens entlang der Donau und des Rheins bis etwa ins 5. Jahrhundert besetzten. Die Legionäre stammten aus sehr unterschiedlichen Regionen des Römischen Reiches, wie z. B. Hispanien, Illyrien, Syrien, Gallien, Afrika. In der zivilen Bevölkerung der römischen Provinzen ist eine starke keltische Komponente erkennbar, etwa auf Steindenkmälern und den dadurch erschließbaren Namen. Dies wird bestätigt durch eine Notiz in der (wichtigen, aber auch problematischen) ethnographischen Schrift Germania des Tacitus, der berichtet, dass sich im Dekumatland Leute aus Gallien niederließen.[11]

Die historisch erfassten germanischen Stämme der frühen römischen Kaiserzeit des ersten Jahrhunderts gliedern sich in drei Kulturgruppen auf: die sogenannten Rhein-Weser-Germanen, die Nordseegermanen und die Elbgermanen. Durch die makropolitischen Einflüsse des andauernden Konflikts mit dem Römischen Reich sowie innergermanische politische, soziale und wirtschaftliche Veränderungen kam es ab dem 2. Jahrhundert aus diesen Kulturgruppen heraus zum (nicht biologisch, sondern als historisch-sozialer Prozess verstandenen) „Entstehungsprozess“ von neuen und größeren Stammesverbänden. Diese Stammesverbände, vor allem die Alamannen oder auch Alemannen, die Bajuwaren, die Franken und die Sachsen spielten später bei der Bildung des mittelalterlichen römisch-deutschen Reichs eine Rolle. Diese konnten sie aber nur ausüben, da sie durch Kontakte mit dem Römerreich bereits zuvor beeinflusst wurden. In der Forschung wird der Kontakt zu den Römern denn auch als ein Faktor für die Bildung germanischer Großverbände im 3./4. Jahrhundert zugeschrieben.

Seit der Reichskrise des 3. Jahrhunderts verstärkte sich der Druck, den die großen germanischen Stammesverbände der Alemannen und der Franken, die sich in der Germania magna neu gebildet hatten, auf die Grenzen des Römischen Reiches ausübten. In den Provinzen an Rhein und Donau setzte eine Germanisierung ein, die besonders das römische Heer betraf (ab dem 4. Jahrhundert bis in die Spitze, was aber nicht zu Illoyalität führte, siehe magister militum). Teilweise wurde diese unterstützt durch Ansiedlung germanischer Foederaten auf dem Gebiet des Imperium Romanum.

Wichtig in der neueren Forschung ist in diesem Kontext der komplexe Vorgang der bereits erwähnten Ethnogenese der unterschiedlichen gentes („Stämme“). Die Entstehung von ethnischen Identitäten (Ethnizität) in der Spätantike bzw. dem beginnenden Frühmittelalter[12] im Zusammenhang mit der sogenannten Völkerwanderung wird heute nicht mehr als biologische Kategorie verstanden.[13] Identitäten entstehen vielmehr in einem wechselhaften sozialen Prozess, bei dem mehrere Faktoren eine Rolle spielen.[14] In der Völkerwanderungszeit konnten sich verschiedene Gruppen unter einem neuen Anführer (siehe Heerkönig) zusammenschließen, wobei es in der Regel ausreichte, dem Verband loyal zu dienen.[15] Allerdings ist der einflussreiche Ansatz der „Wiener Schule“ um Herwig Wolfram und Walter Pohl mittlerweile teils in die Kritik geraten.[16] Wolfram und Pohl verwenden den Ethnogenese-Begriff in ihren neueren Arbeiten allerdings selbst nicht mehr, sondern betonen den Identitätsbegriff, der in der Forschung verstärkt eine Rolle spielt.[17]

Während der Völkerwanderung blieben auch Angehörige weiterer Volksgruppen im Gebiet des heutigen Deutschland zurück. Nach der Abwanderung fast aller Germanen aus den Gebieten östlich der Elbe wurden diese von Slawen besiedelt, deren Land erst durch die Ostkolonisation deutscher Zuwanderer vom 11. bis zum 14. Jahrhundert sowie später im Rahmen der Eingliederung ins römisch-deutsche Reich wieder Bestandteil der deutschen Geschichte wurde.

Germanische Stämme, darunter wurden zunächst alle rechtsrheinischen ethnischen Gruppen verstanden, um 100 n. Chr. (ohne Skandinavien)

Um 500 v. Chr. war der Raum des heutigen Süddeutschland keltisch und derjenige des heutigen Norddeutschland germanisch besiedelt. Erste Erwähnung finden einige germanische Stämme bei den Griechen und Römern, beginnend wohl mit Poseidonios im 1. Jahrhundert v. Chr., in der folgenden Zeit unter anderem bei Gaius Iulius Caesar und Tacitus. Die Germanen selbst waren jedoch eine uneinheitliche Gruppe von verschiedenen Stämmen, die auch kein übergeordnetes Gemeinschaftsgefühl verband. Bereits der Begriff „Germanen“ (lateinisch Germani) ist ein ethnographischer, wenig präziser Sammelbegriff antiker Autoren, die damit auch ein „Barbarenbild“ verbanden.[18] „Germanen“ darf aus methodischen Gründen daher nicht als Begriff für ein einheitliches Volk missverstanden werden.[19]

Die Germanen wanderten im Laufe der Jahrhunderte südwärts, sodass um Christi Geburt die Donau die ungefähre Siedlungsgrenze zwischen Kelten und Germanen war. Hierdurch gelangten keltische Orts- und Gewässernamen sowie keltische Lehnwörter in den germanischen Wortschatz. Nach der Eroberung Galliens durch Caesar im Gallischen Krieg wurden in der Regierungszeit des ersten römischen Kaisers Augustus Feldzüge im rechtsrheinischen Raum durchgeführt, wenngleich die Römer nach der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr.[20] ihre Truppen schließlich wieder an den Rhein zurückverlegten und es seit Tiberius bei einzelnen Militäroperationen beließen. Von etwa 50 v. Chr. bis ins frühe 5. Jahrhundert n. Chr. gehörten die Gebiete westlich des Rheins und südlich der Donau zum Römischen Reich, von etwa 80 bis 260 n. Chr. auch ein Teil Hessens (Wetterau) sowie der größte Teil des heutigen Baden-Württemberg südlich des Limes. Die römischen Gebiete im heutigen Deutschland verteilten sich auf die Provinzen Germania superior, Germania inferior und Raetia. Auf die Römer gehen Städte wie Trier, Köln, Bonn, Worms und Augsburg zurück, die zu den ältesten Städten Deutschlands zählen. Die Römer führten Neuerungen in Hausbau und Handwerk ein. Zur Sicherung der Grenzen siedelten die Römer befreundete germanische Stämme in den Provinzen an. Auch Siedler aus allen Teilen des Römischen Reiches, insbesondere aus Italien, wanderten ein und wurden westlich des Rheins und südlich der Donau sesshaft.

Der außerhalb der römischen Provinzen liegende Teil des Siedlungsgebietes der Germanen wurde dabei von den Römern in der römischen Kaiserzeit als Germania Magna bezeichnet (siehe auch Barbaricum). Die Bemühungen der Römer zur Errichtung von Provinzen bis zur Elbe endeten schließlich. Tacitus’ im Jahr 98 entstandene Schrift Germania ist die älteste erhaltene Beschreibung der germanischen Stämme. Sie hatte in Deutschland eine bedenkliche Rezeptionsgeschichte, als deutschnationale und nationalsozialistische Gelehrte im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ahistorisch Germanen und die späteren Deutschen gleichsetzten.[21]

Nachdem bereits Mark Aurel im 2. Jahrhundert im Verlauf der Markomannenkriege schwere Abwehrkämpfe gegen Germanen zu bestehen hatte, nahm zur Zeit der Reichskrise des 3. Jahrhunderts der germanische Druck auf die römische Nordgrenze beträchtlich zu, während gleichzeitig im Osten das neupersische Sassanidenreich die römische Ostgrenze bedrohte. Die neuformierten tribalen Großverbände der Alamannen und Goten unternahmen immer wieder Einfälle in das Imperium, das um die Mitte des 3. Jahrhunderts den Höhepunkt der Krise durchlief.[22] Zwar errangen römische Truppen wohl 235 in einem Feldzug des Maximinus Thrax im Harzgebiet noch einen Sieg,[23] doch 259/60 mussten die rechtsrheinischen Gebiete aufgegeben werden (Limesfall). Ende des 3. Jahrhunderts hatte sich die Lage für das Imperium wieder stabilisiert, vor allem aufgrund der Reformen Diokletians und Konstantins, die außerdem erfolgreich die Grenzen sicherten. Dennoch kam es im Verlauf der Spätantike immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Römern und Germanen.[24]

Die Ausdehnung des Frankenreichs 481 bis 814

Nach dem um 375 erfolgten Einfall der Hunnen nach Ostmitteleuropa änderte sich die Lage grundlegend. Die sogenannte Völkerwanderung (ein problematischer Forschungsbegriff, da in diesem Zusammenhang zumeist recht heterogene Verbände migrierten),[25] die im 5. Jahrhundert ihren Höhe- und im späten 6. Jahrhundert ihren Schlusspunkt fand, brachte mehrere Stämme (lat. gentes) bzw. heterogene Kriegergruppen mit ihrem familiären Anhang im Osten, insbesondere die Germanen, in Bewegung und spätestens nach dem Rheinübergang von 406 das weströmische Reich in erhebliche Bedrängnis. Germanen, denen es vor allem um Teilhabe am Reichtum des Imperiums ging, stießen auf weströmisches Territorium vor und ergriffen schließlich von weiten Teilen des Westreiches (meistens mit Gewalt, teilweise aber auch durch Verträge) Besitz. Das Westreich war im Jahr 476, als der letzte Kaiser im Westen, Romulus Augustulus, abgesetzt wurde, faktisch auf Italien zusammengeschmolzen. Allerdings sind mehrere Aspekte der Völkerwanderung in der modernen Forschung umstritten. Die auf römisches Gebiet eingewanderten germanischen Stämme (die ethnisch oft recht heterogen zusammengesetzt waren) zogen bis nach Nordafrika und errichteten eigene Reiche. Das Vandalenreich in Nordafrika, das Burgundenreich in Südostgallien und das Ostgotenreich in Italien gingen bereits im 6. Jahrhundert unter, während das Westgotenreich in Hispanien und das Reich der Langobarden in Italien (wo diese 568 eingefallen waren) bis ins 8. Jahrhundert bestehen blieben. Am dauerhaftesten und bedeutendsten sollte sich das um 500 errichtete Frankenreich der Merowinger erweisen. Daneben existierten teilweise bis ins 6. Jahrhundert zahlreiche kleinere Herrschaftsgebilde, wie die der Heruler, Rugier und Gepiden, während die um die Mitte des 5. Jahrhunderts in Britannien eingedrungenen Angelsachsen mehrere Kleinreiche gründeten, bevor sich dort im 7. Jahrhundert eine dauerhaftere Herrschaftsordnung etablierte (Heptarchie).

Voraussetzungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der historischen Forschung ist bis heute umstritten, ab wann von Deutschland und ab wann vom deutschen Volk gesprochen werden kann. Die ältere, stark national geprägte Forschung postulierte die Gleichsetzung von Germanen mit den Deutschen im mittelalterlichen Reich. Dieser Ansatz ist problematisch und die neuere Forschung lehnt ihn ab,[26] denn dabei wird unter anderem eine bewusste Eigenidentität vorausgesetzt. Die moderne Forschung versteht Ethnogenese hingegen nicht als biologischen, sondern als sozialen Prozess, in dessen Verlauf sich eine Identität im Rahmen eines komplexen Entwicklungsprozesses erst langsam herausbildet.[27] Hinzu kommt, dass eine Sprachgemeinschaft nicht einfach mit einer ethnischen Gemeinschaft gleichgesetzt werden kann.[28] Die Auswertung der zeitgenössischen Quellen ergibt denn auch nicht das Bild von „deutschen Stämmen“, die sich im 9. Jahrhundert bewusst in einem eigenen Reich (dem Ostfrankenreich) zusammengeschlossen haben. Als Orientierungspunkt diente vielmehr bis weit ins 11. Jahrhundert hinein das Frankenreich.[29]

Erst im 11. Jahrhundert taucht der Begriff rex Teutonicorum („König der Deutschen“) für den ostfränkischen/römisch-deutschen Herrscher auf, allerdings als Fremdbezeichnung durch anti-kaiserliche Kreise, denn die römisch-deutschen Herrscher haben sich selbst nie so bezeichnet. Für die mittelalterlichen römisch-deutschen Herrscher waren die deutschsprachigen Gebiete ein wichtiger Teil des Reiches, das aber daneben auch Reichsitalien und das Königreich Burgund umfasste. Aufgrund der Reichsidee, die die Anknüpfung an das antike Römerreich und eine heilsgeschichte Komponente beinhaltete, war der damit einhergehende Herrschaftsanspruch nicht national, sondern (zumindest theoretisch) universal ausgerichtet.[30]

In der folgenden Zeit diente als loser politischer Rahmen das Reich, als verbindende kulturelle Komponente die deutsche Sprache. Eine „deutsche Identität“ – die Idee, zu einer spezifischen, abgegrenzten Gemeinschaft zu gehören – entwickelte sich im allgemeinen Bewusstsein erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts. Während in England und Frankreich mit ihren zentral organisierten Königsherrschaften die Tendenz zu „nationalen Königreichen“ neigte (wobei Benedict Anderson den Begriff Nation als „vorgestellte, begrenzte und souveräne Gemeinschaft“ erläutert), dominierte im von partikularen Grundstrukturen geprägten römisch-deutschen Reich die universale Reichsidee, wenngleich Begriffe wie deutsche Lande in späteren Quellen durchaus belegt sind. Erst im Spätmittelalter begannen deutsche Gelehrte wie z. B. Alexander von Roes und Lupold von Bebenburg sich Gedanken über die Rolle „der Deutschen“ im Gefüge Europas und einer politischen Identität (biologische Kategorien spielten hier keine Rolle) zu machen, was aus einer Position politischer Schwäche des Reiches geschah, wobei die Überlegungen weiterhin stark mit der Reichsidee verknüpft blieben. Nun erst setzte der Prozess einer langsamen politischen Identitätsbildung im eigentlichen Sinne ein.[31]

Frühmittelalter

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In die ehemaligen Siedlungsgebiete germanischer Stämme, die von diesen im Verlauf der Völkerwanderung verlassen worden waren, wanderten im 7. Jahrhundert bis zur Elbe-Saale-Linie slawische Gruppen ein. Fast im gesamten Raum östlich der Elbe wurde daher vom Frühmittelalter bis ins hohe Mittelalter slawisch gesprochen (Germania Slavica), in der Lausitz leben bis heute die slawischen Sorben.

Merowinger (um 500–751)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein beträchtlicher Teil West- (im Wesentlichen das ehemals römische Gallien) und Teile des westlichen Mitteleuropas wurden ab dem frühen 6. Jahrhundert vom Frankenreich eingenommen, das heutige nordwestliche Deutschland wurde von den Sachsen beherrscht. Das Frankenreich war von den Merowingern gegründet worden und sollte sich als das bedeutendste germanisch-romanische Nachfolgereich des untergegangenen Weströmischen Reichs erweisen. Childerich I. hatte dafür die Grundlage gelegt, an die sein Sohn Chlodwig I. anknüpfte. Versuche der Merowinger, ihren Herrschaftsbereich östlich des Rheins weiter auszudehnen, hatten einigen Erfolg: Alamannen und Thüringer gerieten bereits im 6. Jahrhundert unter fränkische Vorherrschaft. Interne Machtkämpfe und die zunehmende Macht der Hausmeier verhinderten jedoch, dass sich im Merowingerreich ein starkes zentrales Königtum entwickelte. Dagobert I. konnte das Königtum noch einmal stärken, bevor die Merowinger im späten 7. Jahrhundert (so zumindest die traditionelle Lehrmeinung, allerdings beruhend auf späteren und parteiischen Quellen) faktisch von den Karolingern entmachtet wurden, die seit 751 auch die fränkische Königswürde bekleideten.

Karolinger (751–911)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die Gebietsaufteilung im Vertrag von Verdun (843)

Pippin der Jüngere bestieg 751 als erster Karolinger den fränkischen Königsthron. Der bedeutendste Karolinger war Pippins Sohn Karl der Große, der von 768 (allein seit 771) bis 814 regierte und seit 800 sogar die römische Kaiserwürde im Westen erneuern konnte. Karl führte Feldzüge gegen die Sachsen (die erst nach sehr harten und wechselhaft verlaufenden Kämpfen in den Sachsenkriegen besiegt werden konnten), gegen die Langobarden in Italien, die Awaren an der Südostgrenze und gegen die Mauren in Nordspanien, womit er die Grenzen des Frankenreiches erheblich ausdehnte. Kulturell erlebte das Reich ebenfalls einen lebhaften Aufschwung, der als karolingische Bildungsreform (oft auch eher unpräzise als karolingische Renaissance) bezeichnet wird. Das Karlsreich, für das vor allem die Merowinger die Grundlage gelegt hatten, einte das Gebiet des kontinentalen Europa zwischen Atlantik, Pyrenäen, Ostsee und Alpensüdrand. Nach Karls Tod 814 wurde es 843 im Vertrag von Verdun unter seinen Enkeln dreigeteilt. Das Westfrankenreich sollte die Grundlage vor allem für die Entwicklung des Königreichs Frankreich bilden. Das Ostfrankenreich ist eng mit der Geschichte des (erst im Spätmittelalter so genannten) Heiligen Römischen Reiches verknüpft und stellt faktisch die Keimzelle des späteren Deutschlands dar, ohne aber dass sich in dieser Zeit bereits eine deutsche Identität entwickelt hatte.

Mit der Teilung des Frankenreichs 843 begann sein Zerfall. Der Sohn Karls des Großen, Ludwig der Fromme, konnte dessen Einheit noch wahren. Als Nachfolger bestimmte er seinen ältesten Sohn Lothar I. Dieser bekam das Mittelreich und die Kaiserwürde, Karl der Kahle den Westteil und Ludwig der Deutsche den Ostteil. Nach dem Tod der Söhne Lothars I. wurde das einstige Mittelreich aufgeteilt unter Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen. Nach Ludwigs Tod 876 wurde dann das Ostfränkische Reich unter seinen drei Söhnen Karlmann, Ludwig dem Jüngeren und Karl dem Dicken ebenfalls aufgeteilt. 880 wurde die Grenze zum Westfränkischen Reich festgelegt, die das gesamte Mittelalter beinahe unverändert das Deutsche Reich von Frankreich scheiden sollte. Der ostfränkische König Karl der Dicke konnte nach dem Tod seiner Brüder und des westfränkischen Königs das Fränkische Reich nochmals kurze Zeit vereinigen, wurde aber nach kraftloser Herrschaft im Osten von seinem Neffen Arnolf von Kärnten, einem Sohn Karlmanns, 887 verdrängt. Mit Arnolfs Sohn Ludwig dem Kind starb 911 der letzte ostfränkische Karolinger. Um ihre eigene Macht nicht zu gefährden, wählten die Herzöge den vermeintlich schwachen Frankenherzog Konrad I. zu ihrem König (911–918).

Ottonen (919–1024)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Reich um 1000

Auf Konrad I. (911–918), der die karolingische Tradition nicht bewahren konnte, folgte der Sachsenherzog Heinrich I. aus dem Geschlecht der Liudolfinger („Ottonen“). Das Reich blieb bis zum Ende des Mittelalters geprägt vom Wahlkönigtum und dem Einfluss der Großen. In der neueren Forschung wird zwar die Bedeutung der Ottonenzeit für die Ausformung Ostfrankens betont, sie gilt aber nicht mehr als Beginn der eigentlichen „deutschen“ Geschichte.[32] Der damit verbundene komplexe Prozess zog sich vielmehr mindestens bis ins 11. Jahrhundert hin.[33]

Heinrich I. verteidigte das Reich gegen Einfälle von Ungarn und Slawen. Neben dem fränkischen Erbe trat nun immer mehr eine eigene gemeinsame Identität hervor. Zum Nachfolger bestimmte Heinrich I. seinen Sohn Otto I. Dieser versuchte zuerst, die neu entstandenen Stammesherzogtümer seiner Macht zu unterstellen. Zur Sicherung seiner Macht stützte er sich immer mehr auf die Kirche (Ottonisch-salisches Reichskirchensystem). 955 besiegte Otto die Ungarn in der Schlacht auf dem Lechfeld. 950 wurde Böhmen und ab 963 Polen zeitweise lehnsabhängig vom römisch-deutschen Herrscher. Otto erweiterte sein Herrschaftsgebiet um Teile Italiens. Nach der Heirat mit Adelheid von Burgund nannte er sich eine kurze Zeit König der Langobarden. 962 erreichte Otto endgültig seine Anerkennung als König von Italien und danach die Kaiserkrönung durch den Papst. In Süditalien geriet er in Konflikt mit dem byzantinischen Kaiser. Sein Sohn Otto II. heiratete schließlich die Kaisernichte Theophanu, Süditalien verblieb jedoch bei Byzanz. Otto II. erlitt 982 gegen die Sarazenen eine vernichtende Niederlage. Die Gebiete östlich der Elbe (Billunger Mark und die Nordmark) gingen im großen Slawenaufstand von 983 größtenteils für etwa 200 Jahre wieder verloren. Sein Sohn Otto III. starb, bevor er seinen Plan verwirklichen konnte, die Machtbasis nach Rom zu verlegen. Auf dem Kongress von Gnesen im Jahre 1000 erkannte er den polnischen Herrscher Bolesław I. Chrobry als Mitregenten im Reich an. Der letzte Ottonenkönig Heinrich II. hatte sich in mehreren Kriegen gegen Polen (König Boleslaw I. Chrobry) und Ungarn (König Stephan I.) zu behaupten. Unter ihm wurde das Reichskirchensystem weiter ausgebaut.

Hochmittelalter

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Salier (1024–1125)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1024 wählten die deutschen Fürsten den Salier Konrad II. zum König. Er erwarb 1032 das Königreich Burgund und stabilisierte die Königsmacht. Sein Nachfolger Heinrich III. setzte auf der Synode von Sutri drei rivalisierende Päpste ab, ernannte den Reformer Clemens II. zum Papst und ließ sich von ihm 1046 zum Kaiser krönen. Kurz darauf erließ er ein Verbot der Simonie. Gegen Heinrichs selbstbewusste Herrschaftsausübung entstand aber auch eine Opposition im Reich, was der Beginn einer Krise der salischen Monarchie war. Während der Regierungszeit Heinrichs IV. eskalierte der sogenannte Investiturstreit, in dem die Kirchenreformer dem Kaiser Simonie vorwarfen. Heinrich erklärte Papst Gregor VII. für abgesetzt, gleichzeitig formierte sich im deutschen Reichsteil eine Opposition. Nun bannte der Papst den König. Um den Kirchenbann zu lösen, unternahm Heinrich IV. den Gang nach Canossa. 1084 setzte er Papst Gregor wiederum ab und ließ sich in Rom von Gegenpapst Clemens III. zum Kaiser krönen. Sein Sohn Heinrich V. verbündete sich schließlich mit den Fürsten gegen ihn und setzte ihn ab. Ein längerer Krieg wurde durch den Tod des Vaters 1106 verhindert. Unter Heinrich V. kam es 1122 im Wormser Konkordat zum Ausgleich mit der Kirche. Die Machtstellung der salischen Monarchie hatte aber nicht unerheblich gelitten.

Im 11. Jahrhundert etablierte sich Regnum Teutonicum („Deutsches Königreich“) als Gegenbegriff zu Regnum Italicum (Reichsitalien).[34] Der Begriff wurde jedoch weniger von den römisch-deutschen Königen, die vielmehr stets den universalen Charakter des Reichs betonten, sondern vor allem von dessen politischen Gegenspielern (wie dem Papsttum) eher abwertend benutzt.

Staufer (1138–1254)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Heinrichs Tod endet die Salierzeit und die Fürsten wählten Lothar III. von Supplinburg zum König. Nach dem Tod Lothars 1138 wurde der Staufer Konrad III. König. Dieser erkannte Lothars Schwiegersohn, dem Welfen Heinrich dem Stolzen, dessen Herzogtümer ab. Konrads Nachfolger Friedrich I. („Barbarossa“) versuchte den Ausgleich, indem er seinen Vetter, den Welfen Heinrich den Löwen 1156 mit den Herzogtümern seines Vaters, Sachsen und Bayern, belehnte. Heinrich der Löwe nahm 1147 am Wendenkreuzzug teil und unterwarf bis 1164 die Slawen in Mecklenburg und Pommern.

Hildegard von Bingen, Miniatur aus dem Rupertsberger Riesenkodex des Liber Scivias, der vor 1179 entstand. Hildegard empfängt göttliche Inspiration, die sie an ihren Schreiber weitergibt. Das Original ist seit 1945 verschollen.

Im Vertrag von Konstanz 1153 erreichte Friedrich I. die Kaiserkrönung, die 1155 erfolgte. Er besiegte anfangs die nach mehr Selbständigkeit strebenden lombardischen Städte, konnte sich aber nicht dauerhaft gegen sie durchsetzen. Als Alexander III. Papst wurde, begann der Kampf zwischen Kaiser und Papst erneut. Nach der Niederlage bei Legnano musste Friedrich Alexander als Papst und den Lombardenbund anerkennen. 1180 entzog Friedrich Heinrich dem Löwen, der seine Italienpolitik nicht mehr unterstützte, dessen Herzogtümer. Am Ende musste Friedrich, der den honor Imperii betonte, politisch mehrere Zugeständnisse an die Großen des Reichs machen. Ab 1187 bereitete Friedrich I. den Dritten Kreuzzug vor, brach 1189 ins Heilige Land auf und ertrank auf dem Weg 1190 in Kleinarmenien.

Friedrichs Sohn Heinrich VI. wurde dank der Heirat mit der normannischen Prinzessin Konstanze 1194 König von Sizilien. Als Heinrich VI. 1197 starb, kam es zu einer Doppelwahl des Staufers Philipp von Schwaben, des Bruders von Heinrich VI., und des Welfen Otto IV., eines Sohns Heinrichs des Löwen. Nach der Ermordung Philipps 1208 wurde Otto IV. König. Der Papst unterstützte aber wegen Ottos Italienzug den Staufer Friedrich II., den Sohn Heinrichs VI., der 1212 zum Gegenkönig gewählt wurde. 1214 brachte die Schlacht bei Bouvines die Entscheidung für Friedrich, der 1220 die Kaiserkrone erlangte. Friedrich regierte sein Reich von seiner Heimat Sizilien aus, wo er auch über wesentlich mehr politische Macht verfügte als dies im deutschen Reichsteil der Fall war. Die Regierung in Deutschland überließ er seinem Sohn Heinrich.

Die Machtposition der Landesherren gegenüber dem Königtum war inzwischen derart stark, dass bestimmte Vorrechte der geistlichen und weltlichen Fürsten in zwei Privilegien (1220 bzw. 1231/32) vom Königtum anerkannt wurden. 1235 setzte der Kaiser statt Heinrich dessen Bruder Konrad IV. ein. Es kam aufgrund der Italienpolitik Friedrichs und des politischen Machtanspruchs beider Seiten zum Machtkampf mit Papst Gregor IX., der den Kaiser 1227 bannte. Dennoch erreichte Friedrich im Heiligen Land die Übergabe Jerusalems. Der Konflikt setzte sich auch fort, als Innozenz IV. Gregors Nachfolge antrat. Innozenz erklärte den Kaiser 1245 gar für abgesetzt. Friedrich II. starb im Dezember 1250. Nach seinem Tod tobte der Kampf des Papstes gegen die Staufer weiter. Konrad IV. konnte sich im Königreich Sizilien behaupten, starb aber 1254. 1268 wurde der letzte Staufer, der sechzehnjährige Sohn Konrads IV., Konradin, im Kampf um sein sizilianisches Erbe gegen Karl von Anjou in Neapel öffentlich hingerichtet.

Spätmittelalter

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Spätmittelalter (circa 1250 bis 1500) wird in der neueren Forschung im Gegensatz zur älteren Lehrmeinung nicht mehr als Niedergangszeit begriffen.[35] Die Zeit bis ins späte 14. Jahrhundert war stark vom Wahlkönigtum geprägt: Drei große Familien, die Habsburger, die Luxemburger und die Wittelsbacher, verfügten über den größten Einfluss im Reich und über die größte Hausmacht. Es kam zwar zu Krisen wie Hungersnöten aufgrund von Überbevölkerung (siehe auch Spätmittelalterliche Agrarkrise), Pestausbrüchen (Schwarzer Tod), denen rund ein Drittel der Bevölkerung zum Opfer fiel, Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes und zum abendländischen Schisma. Aber im Spätmittelalter florierten auch die Städte und der Handel mit der expandierenden Hanse, es kam zu grundlegenden politischen Strukturierungen und es begann der Übergang in die Renaissance.

Interregnum und beginnendes Hausmachtkönigtum (1254–1313)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Ende der Staufer verfiel die Königsmacht. Das Königtum stützte sich nur noch auf ein geringes Reichsgut, das vor allem während des 14. Jahrhunderts durch Reichspfandschaften weitgehend verloren ging. Der König musste nun versuchen, seine Hausmacht zu erweitern und damit Politik zu machen. Als neuer Machtfaktor erwiesen sich inzwischen die Reichsstädte. Eine Gruppe mächtiger Reichsfürsten (die späteren Kurfürsten) wählten in einer verfassungsrechtlich bemerkenswerten Doppelwahl sowohl Richard von Cornwall aus England als auch Alfons von Kastilien zum König. Dies verschaffte den Wählenden die Möglichkeit, ihre eigene Macht weiter auszubauen, wenngleich die Forschung betont, dass die Kurfürsten gegenüber den Reichsinteressen keineswegs desinteressiert waren. Beide Gewählten waren aber zu schwach, sich im Reich durchzusetzen, und strebten eher nach der Kaiserkrone. Richard war ganz selten im Reich, Alfons hat es nie betreten. Zeitgenossen sprachen schon damals vom „Interregnum“, der königslosen Zeit, doch wird dieser Zeitraum in der neueren Forschung differenzierter beurteilt, zumal es zu keinem Zusammenbruch des Reiches kam.[36]

Das Interregnum wurde 1273 durch die Wahl Rudolfs von Habsburg beendet. Seit dieser Zeit waren die Kurfürsten das exklusive Wahlgremium und beanspruchten auch Mitwirkungsrechte. Rudolf ebnete dem Haus Habsburg den Weg, auf dem es zu einer der mächtigsten Dynastien im Reich wurde. Er konnte die Königsmacht wieder konsolidieren und effektiv Handlungsspielräume nutzen, doch gelang es ihm nicht, Kaiser zu werden. Seine beiden Nachfolger, Adolf von Nassau und Albrecht I., standen im Konflikt mit den Kurfürsten aufgrund ihrer expansiven Hausmachtpolitik. 1308 wurde der Luxemburger Heinrich VII. zum König gewählt. Dieser konnte 1310 seine Hausmacht um Böhmen erweitern, das Haus Luxemburg stieg zur zweiten großen spätmittelalterlichen Dynastie neben den Habsburgern auf. Er betrieb in Anlehnung an die Staufer wieder eine Italienpolitik und wurde im Juni 1312 in Rom zum Kaiser gekrönt. Er starb im August 1313 in Italien.

Ludwig IV. der Bayer und Karl IV. (1314–1378)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Goldene Bulle Karls IV.

Nach dem Tod Heinrichs VII. setzte sich nach einer Doppelwahl 1314 der Wittelsbacher Ludwig der Bayer gegen die Habsburger durch. 1327 zog Ludwig nach Italien und wurde im darauf folgenden Jahr in Rom zum Kaiser gekrönt, allerdings ohne Mitwirkung des Papstes, der Ludwig die päpstliche Approbation verweigerte. Im Kampf des Kaisers gegen das Papsttum, dem letzten Kampf der beiden Universalgewalten des Mittelalters, bestätigten die Kurfürsten im Kurverein von Rhense 1338, dass ein von ihnen gewählter König nicht vom Papst bestätigt werden müsse. Eine von den Luxemburgern geführte Opposition gegen Ludwigs Hausmachtpolitik formierte sich 1346. Der Luxemburger Karl IV. wurde von seinen Anhängern mit Unterstützung des Papstes zum Gegenkönig gewählt.

Der Tod Ludwigs 1347 verhinderte einen längeren Krieg. Karl IV. verlegte seinen Herrschaftsschwerpunkt nach Böhmen. Er gewann unter anderem die Mark Brandenburg zu seinem Hausmachtkomplex hinzu. Im Vertrag von Namslau 1348 erkannte Kasimir der Große von Polen die Zugehörigkeit Schlesiens zu Böhmen – und damit zum Heiligen Römischen Reich – an, versuchte später jedoch beim Papst, diesen anzufechten. 1348 wurde in Prag die erste deutschsprachige Universität gegründet. 1355 wurde Karl zum Kaiser gekrönt. Er verzichtete auf eine Weiterführung der Italienpolitik und gab auch im Westen teils Reichsrechte auf; das Reichsgut verpfändete er weitgehend, so dass die nachfolgenden Könige sich endgültig nur noch auf ihr Hausgut stützen konnten. Die Goldene Bulle von 1356 stellte bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs eine Art Grundgesetz dar und regelte die Wahlmodalitäten (einschließlich Mehrheitsprinzip). Ihr Hauptziel war die Verhinderung von Gegenkönigen und Thronkämpfen. Karl glaubte, die Machtstellung des Hauses Luxemburg zementiert zu haben, vor allem aufgrund seiner starken Hausmacht, doch gelang es den nachfolgenden Luxemburger Königen nicht mehr, effektiv darüber zu verfügen.

Beginnender Aufstieg Habsburgs (1378–1493)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Heilige Römische Reich um 1400

Unter dem Nachfolger Karls verfiel die Königsmacht endgültig. Wenzel, der ältere Sohn Karls IV., wurde 1400 von den vier rheinischen Kurfürsten wegen Untätigkeit abgesetzt. Nach dem Tod des Nachfolgers Ruprecht von der Pfalz aus dem Hause Wittelsbach 1410 wurde mit Wenzels Bruder Sigismund, der bereits König von Ungarn war, wieder ein Luxemburger gewählt. Sigismund war ein gebildeter und intelligenter Herrscher, doch verfügte er über keine ausreichende Machtbasis im Reich. Er erreichte zwar 1433 die Kaiserkrönung, war jedoch nicht in der Lage, das Königtum zu stabilisieren. Eine Reichsreform scheiterte an Eigeninteressen der Landesherrscher. Durch die Einberufung des Konzils von Konstanz konnte er allerdings das Abendländische Schisma beenden.

Mit dem Tod Sigismunds erlosch das Haus Luxemburg in männlicher Linie. Die Habsburger traten 1438 mit Albrecht die Nachfolge an. Von 1438 bis 1740 und von 1745 bis zum Ende des Reiches 1806 sollte das Haus Habsburg nun den römischen König stellen. Unter der langen Regierung von Friedrich III. (1440–1493) wurde der Grundstein für die spätere habsburgische Weltmachtpolitik gelegt. Gleichzeitig durchlief das Reich einen Struktur- und Verfassungswandel, wobei in einem Prozess „gestalteter Verdichtung“ (Peter Moraw) die Beziehungen zwischen den Reichsgliedern und dem Königtum enger wurden.[37]

Maximilian I. (1486–1519)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Maximilian I. erwarb durch Heirat die Besitzungen des Hauses Burgund, zu denen unter anderem die reichen Niederen Lande gehörten, für sein Haus und behauptete große Teile davon im Krieg gegen Frankreich (Frieden von Arras). 1495 beschloss der Wormser Reichstag eine Reichsreform. Maximilians Sohn Philipp der Schöne wurde 1496 mit der Erbin Spaniens vermählt. Maximilian nahm 1508 ohne päpstliche Krönung den Kaisertitel an. Er beendete faktisch die Züge der römisch-deutschen Könige zur Kaiserkrönung nach Rom (sein Enkel Karl V. wurde aber noch vom Papst in Bologna gekrönt). Grund waren verschiedene schwelende Konflikte mit Frankreich und Venedig, dessen Truppen viele Alpenpässe versperrt hatten. Durch seine Heiratspolitik kamen neben der spanischen Krone auch Böhmen und Ungarn von den Jagiellonen zum Herrschaftsbereich der Habsburger.

Reformation und Gegenreformation (1517–1618)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Martin Luther, Porträt von Lucas Cranach d. Ä., 1529

Mit der Publikation seiner 95 Thesen gegen den Ablasshandel durch Martin Luther setzte 1517 die Reformation ein.

1519 wurde der Habsburger Karl V. zum König gewählt und nannte sich nach seiner Krönung im Jahre 1520 „erwählter Kaiser“; erst zehn Jahre später wurde er im Rahmen einer Aussöhnung als letzter deutscher Herrscher vom Papst gekrönt, diesmal nicht in Rom, sondern in Bologna. Unter Karl stieg Habsburg zur Weltmacht auf. Außenpolitisch war er in ständige Kriege zur Abwehr der Osmanen sowie gegen Frankreich und den Papst verwickelt. Dadurch war seine Stellung im Reich selbst schwach und er konnte die Ausbreitung der Reformation nicht verhindern.

In den Jahren 1522 bis 1526 wurde in etlichen Ländern und Städten des Reichs die Lehre Luthers eingeführt. Die Reformation erfolgte durch Landesherren, die auch zum Landesbischof wurden. Der Bruder des Kaisers, Ferdinand, wollte die Duldung der Lutheraner aufheben. Dagegen protestierten die evangelischen Landesfürsten. Daher leitet sich die Bezeichnung Protestanten für Anhänger der evangelischen Glaubensrichtung ab.

Die schlechte Lage der Bauern hatte schon im 15. Jahrhundert zu regionalen Bauernaufständen geführt, während der Reformationszeit kam es 1524 bis 1526 zum Deutschen Bauernkrieg. 1525 wurde ein Bauernheer unter Führung von Thomas Müntzer bei Frankenhausen vernichtet.

Im Schmalkaldischen Krieg von 1546/1547 kam es erstmals zum Kampf der Katholiken unter Führung des Kaisers gegen die Protestanten. Der Kaiser gewann den Krieg, konnte aber das Augsburger Interim nicht durchsetzen.

Als sich die Fürsten über die Religionsgrenzen hinweg gegen ihn erhoben, verzichtete Karl V. 1556 zugunsten seines Sohnes Philipp II. auf Spanien und machte seinen Bruder Ferdinand zu seinem Nachfolger im Reich. Der neue König hatte bereits 1555 den Augsburger Reichs- und Religionsfrieden ausgehandelt, dessen Grundsatz Cuius regio, eius religio später formuliert wurde.

Unter dem Eindruck der Reformation begann die katholische Kirche eine innere Reform. Die daraus entstehende Gegenreformation bestand zum einen in der Verfolgung von Zweiflern an der offiziellen päpstlichen Lehre durch die Inquisition, zum anderen entstanden neue Orden, von denen die Jesuiten eine führende Rolle bei der Rekatholisierung spielten.

Dennoch war die Religionspolitik von Ferdinands Sohn und Nachfolger Maximilian II. vergleichsweise tolerant, während in Frankreich zur selben Zeit die Hugenottenkriege wüteten. Die dezentralisierte Herrschaft im Reich erwies sich hierbei als vorteilhaft, da in den jeweiligen Landesherrschaften unterschiedliche Konfessionen bestehen konnten, aber daraus wenigstens zunächst kein scharfer Gegensatz zum Kaisertum entstand, während in Frankreich das Königtum bestrebt war, ausschließlich die katholische Konfession durchzusetzen. Maximilians Sohn Rudolf II. zog sich dagegen in seiner Residenz Prag immer mehr aus der Wirklichkeit zurück, während die religiösen Konflikte sich zuspitzten. Es kam zum Kölner Krieg, als der dortige Erzbischof zum Protestantismus übergetreten war. Der Achtzigjährige Krieg führte zur Teilung der Niederlande in die vom Reich nunmehr unabhängige Republik der Sieben Vereinigten Provinzen und die Spanischen Niederlande, die unter habsburgischer Herrschaft blieben und das spätere Belgien bildeten.

Die protestantischen Fürsten schlossen sich 1608 unter Führung Friedrichs von der Pfalz zur Union zusammen. Entsprechend schlossen sich die katholischen Fürsten 1609 unter Führung des Bayernherzogs Maximilian I. zur Liga zusammen.

Dreißigjähriger Krieg (1618–1648)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Zerstörung der Stadt Magdeburg, 1631

Kaiser Rudolfs Nachfolger Matthias überließ seine Regierung weitestgehend seinem Kanzler Melchior Khlesl, der auf Reichsebene einen Ausgleich mit den Protestanten suchte. In den habsburgischen Erblanden wurde dagegen die Gegenreformation verstärkt, insbesondere in Böhmen, seitdem Matthias’ präsumtiver Nachfolger Ferdinand 1617 dort zum König gewählt wurde. 1618 kam es deshalb zum Prager Fenstersturz, bei dem zwei kaiserliche Räte von böhmischen Standesvertretern in der Prager Burg zum Fenster hinausgeworfen wurden.

Nach dem Tod des Kaisers wurde der Führer der Union, Friedrich von der Pfalz, 1619 zum König von Böhmen erklärt. Der neue Kaiser Ferdinand II. zog mit dem Heer der katholischen Liga nach Böhmen. In der Schlacht am Weißen Berg 1620 wurde das böhmische Heer besiegt. Nach der Flucht Friedrichs besetzte Tilly die Pfalz und die Oberpfalz. Der Bayernherzog Maximilian I. bekam die Pfälzer Kurfürstenwürde.

Der Dänenkönig Christian IV. rückte 1625 mit seinem Heer in Norddeutschland ein. Er wurde aber vom kaiserlichen Heer unter Tilly und dem böhmischen Adligen Wallenstein besiegt. Pommern, Jütland und Mecklenburg wurden vom katholischen Heer besetzt.

Nach dem Ende des Niedersächsisch-Dänischen Krieges erließ der Kaiser 1629 das Restitutionsedikt. Besorgt wegen seiner erheblich gestiegenen Machtfülle erreichten die Reichsstände auf dem Regensburger Kurfürstentag (1630) die Absetzung seines Feldherrn Wallenstein.

Während die kaiserlichen Soldaten zusammen mit Spanien in den Mantuanischen Erbfolgekrieg verwickelt waren, griff der Schwedenkönig Gustav II. Adolf auf Seiten der protestantischen Reichsstände ins deutsche Kriegsgeschehen ein und drang weit nach Süddeutschland vor. Ein Jahr nach der Magdeburger Bluthochzeit fiel Tilly 1632 bei Rain. Der Kaiser setzte daraufhin Wallenstein wieder ein. Bei der Schlacht von Lützen 1632 fiel der Schwedenkönig.

Wallenstein wurde 1634 erneut abgesetzt und bald darauf ermordet. Um die Schweden vom deutschen Boden zu vertreiben, schloss der Kaiser mit Kurfürst Johann Georg von Sachsen 1635 einen Sonderfrieden, den Frieden von Prag, in dem das Restitutionsedikt für 40 Jahre ausgesetzt wurde. Bis auf Hessen-Kassel schlossen sich nach und nach die Reichsstände dem Frieden an, der Kaiser überließ das Besiegen der Schweden aber zunächst den protestantischen Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, die dieser Aufgabe nicht gewachsen waren.

Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation 1648

Das katholische Frankreich griff 1635 auf schwedischer Seite ein, jedoch konnte keine der beiden Seiten den Krieg für sich entscheiden. Große Teile des Reiches wurden verwüstet. Die Vorkriegs-Einwohnerzahl wurde erst wieder um 1750 erreicht. Der neue Kaiser Ferdinand III. bemühte sich seit 1637 verstärkt um Friedensverhandlungen, aber es sollte sich über die nächsten Jahre zeigen, dass weder ein angestrebter Separatfrieden mit Schweden noch ein Friedensschluss ohne Beteiligung der Reichsstände möglich war, wodurch sich das Leid der Bevölkerung weiter verlängerte. Die seit 1642 laufenden Verhandlungen führten am 24. Oktober 1648 zum Westfälischen Frieden.

Der Friedensschluss beinhaltete die Anerkennung der seit 1552 französisch besetzten Drei Bistümer (Trois-Évêchés) in Lothringen als französischem Besitz sowie die Abtretung der habsburgischen Rechte im Elsass an Frankreich, wodurch große Teile der Region unter französische Hoheit gelangte. Schweden erhielt Vorpommern und die Elbherzogtümer Bremen und Verden als Reichslehen verliehen. Brandenburg erhielt als Gegengewicht zu Schweden Hinterpommern und mehrere aufgehobene Hochstifte, damit wurde es auch für seine Erbansprüche auf ganz Pommern entschädigt. Bayern behielt die Oberpfalz und die pfälzische Kurwürde, während die Kurpfalz teilweise wiederhergestellt wurde und eine neue, achte Kurwürde erhielt. Die Niederlande und die Schweiz schieden offiziell aus dem Reich aus. Die Stellung der Reichsstände wurde durch Anerkennung ihrer Landeshoheit und festgeschriebene Befugnisse des Reichstages gestärkt, der Augsburger Religionsfriede bestätigt. Bei einem Konfessionswechsel des Landesherrn wurde allerdings nicht mehr von der Bevölkerung dasselbe verlangt. Die Macht des Kaisers wurde im Vergleich zum Prager Frieden wieder eingeschränkt, trotzdem war für diesen eine aktive Reichspolitik in Kooperation mit den Reichsständen weiter möglich.

Das Heilige Römische Reich bestand nach dem Ende des Krieges aus 382 verschiedenen Territorien. Dieses Reichsgebilde wurde vom zeitgenössischen Staatsrechtler Samuel Pufendorf in der Schrift De statu imperii Germanici als „Monstrum“ oder „durch göttliche Fügung bewahrtes Unding“ bezeichnet, was aber nicht wertend zu verstehen war, sondern die Nichtzuordenbarkeit zu den aristotelischen Staatsformen beschrieb.[38] Pufendorf, der als einer der ersten die Bezeichnung „Deutschland“ verwendete, kritisierte allerdings deutlich die Schwächen, die das Reich seiner Ansicht nach durch die Zwischenform aus regulärer Monarchie und ungeordnetem Staatenbund aufweise.

Absolutismus (1648–1789)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Ölgemälde von Govaert Flinck, 1652

Auf die Zerstörungen und Bevölkerungsverluste des Dreißigjährigen Kriegs reagierten die Staatshäupter mit der Förderung gelenkter Wirtschafts- und Sozialpolitik. Verbunden mit der merkantilistischen Wirtschaftsform war das Entstehen der absolutistischen Herrschaftsform nach Vorbild des französischen Königs Ludwig XIV.

Unter Kurfürst Friedrich Wilhelm begann seit 1640 der Aufstieg Brandenburg-Preußens. Sein Nachfolger Friedrich III. vollzog 1701 seine Selbstkrönung zum König Friedrich I. in Preußen. Die Standeserhebung war möglich, weil das Herzogtum Preußen außerhalb des Heiligen Römischen Reiches lag. Gegen eine Zahlung von zwei Millionen Talern und die Entsendung eines Truppenkontingentes für die Reichsarmee erkannte der habsburgische Kaiser Leopold I. ihn innerhalb und außerhalb des Reiches als König an. Der Aufstieg des nun entstehenden brandenburg-preußischen Staates, später einfach nur Preußen genannt, führte zum Dualismus mit Österreich, der Deutschlands Innenpolitik bis 1866 bestimmen sollte.

Unter Kaiser Leopold I. war das Reich der zweifachen Bedrohung durch die Osmanen und den Expansionsdrang Frankreichs unter Ludwig XIV. ausgesetzt. 1683 konnte der Kaiser mit Unterstützung einiger deutscher Fürsten und des Polenkönigs Johann III. Sobieski, der die Schlacht am Kahlenberg bei Wien gegen Kara Mustafa Pascha gewann, die Zweite Wiener Türkenbelagerung abwenden und die Türken aus Ungarn vertreiben.

Um einen Zweifrontenkrieg gegen Frankreich zu verhindern, wurden 1684 dessen Reunionen im Regensburger Stillstand vorübergehend anerkannt. Im Rahmen der französischen Reunionspolitik waren die freie Reichsstadt Straßburg und andere elsässische Gebiete in Frankreichs Territorium einverleibt worden, obwohl diese Gebiete Reichsstände waren. Der Versuch Ludwigs XIV., die Reunionen und weitergehende Ansprüche auf Teile der Kurpfalz dauerhaft durchzusetzen, führte 1688 zum Pfälzischen Erbfolgekrieg. Nach schweren Verheerungen des deutschen Südwestens wurden die französischen Ansprüche abgewehrt und die Reunionen 1697 weitgehend rückgängig gemacht; Frankreich behielt aber das Elsass.

Durch die Wahl des sächsischen Kurfürsten August der Starke 1697 zum König von Polen kam es zu einer Personalunion von Sachsen und Polen, die durch den Großen Nordischen Krieg und den Polnischen Thronfolgekrieg unterbrochen wurde, jedoch bis 1763 bestand. Ebenso gab es von 1714 bis 1837 eine Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover.

Das Aussterben der spanischen Habsburger löste 1701 den Spanischen Erbfolgekrieg aus, der nach einigen Erfolgen mit dem Tod von Joseph I. 1711 eine für Habsburg ungünstige Wende nahm. Der österreichische Thronfolgekandidat für Spanien wurde als Karl VI. nun selbst Kaiser, seine Verbündeten Großbritannien und die Niederlande wollten allerdings eine österreichische Vorherrschaft in Europa verhindern und schlossen Frieden mit Frankreich. Der Krieg erschütterte jedoch auch die Kräfte Frankreichs und brachte die spanischen Besitzungen in den Niederlanden und Italien an Österreich. Das österreichische Haus Habsburg war unter Leopold I. und Joseph I. zur europäischen Großmacht geworden.

Gottfried Wilhelm Leibniz, Porträt von Christoph Bernhard Francke, um 1700; Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig

Das Aussterben der österreichischen Habsburger im Mannesstamm mit Kaiser Karl VI. führte 1740 zum Österreichischen Erbfolgekrieg. Der Wittelsbacher Karl VII. wurde zum neuen Kaiser gewählt, Friedrich II. fiel im habsburgischen Kronland Schlesien ein.

Karls VI. Tochter Maria Theresia konnte die Kaiserkrone für ihren Gemahl Franz I. zwar mit britischer Hilfe schließlich gegen preußische Hegemonialansprüche verteidigen, sie verlor aber im Siebenjährigen Krieg 1763 Schlesien endgültig an Preußen.

Schweden verlor durch seine Niederlage im Großen Nordischen Krieg (1700–1721) gegen Russland, Dänemark, Sachsen-Polen und Preußen fast alle Besitzungen im Reich. Die drei Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795 ergaben für Österreich und Preußen erhebliche Gebietsgewinne.

Die Aufklärung hielt Einzug in Preußen unter Friedrich dem Großen (der Alte Fritz), der nach den Prinzipien des aufgeklärten Absolutismus herrschte. Der eher zurückhaltende Josephinismus in Österreich unter Kaiser Joseph II. wirkte im Sinne der Katholischen Aufklärung. Josephs Bruder und Nachfolger Leopold II. musste einen Teil der Reformen in den österreichischen Erblanden wieder zurücknehmen.

Das „lange 19. Jahrhundert“ (1789–1914)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als historische Epoche hat das 19. Jahrhundert Überlänge, indem es jeweils mit umwälzenden Ereignissen auch für die Geschichte Deutschlands schon 1789 anfängt und erst 1914 endet. Den Auftakt bilden die Französische Revolution und Napoleon Bonapartes zeitweilige Vorherrschaft über Europa; das Ende markiert der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“.[39] Für Deutschland war dieses lange Jahrhundert jene Epoche, in der Freiheit und Einheit der Nation als Bürgerforderungen den deutschen Fürsten präsentiert wurden und in der Revolution 1848/49 vorerst scheiterten, in der die industrielle Revolution neue wirtschaftliche, soziale und politische Strukturen hervorbrachte und in der mit Hilfe des preußischen Militärs unter Bismarcks politischer Leitung das Deutsche Kaiserreich zustande kam.

Vom Ende des Alten Reiches bis zum Scheitern Napoleons I.

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Heilige Römische Reich am Vorabend der Französischen Revolution 1789

Die Französische Revolution wurde in ihrer Frühphase mit den Schlagworten von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte und gewaltenteilender Verfassung auch in Deutschland teils enthusiastisch begrüßt. Man kannte und schätzte in gebildeten Kreisen französische Aufklärer wie Voltaire, Montesquieu und Rousseau. Die Radikalisierung des Revolutionsgeschehens in Frankreich bis hin zur Terrorherrschaft mit dem Dauereinsatz der Guillotine gegen „Feinde des Volkes“ und Verdächtige führte außerhalb jedoch schnell zu weit überwiegender Ablehnung dieser Entwicklung. Die aus dem revolutionären Frankreich geflohenen adligen Emigranten schürten die gegenrevolutionäre Stimmung an den Höfen im Ausland. In der Pillnitzer Deklaration drohten Kaiser Leopold II. und König Friedrich Wilhelm II. von Preußen bereits mit militärischer Intervention zugunsten des französischen Königs Ludwig XVI. Die nachfolgenden Koalitionskriege gegen das französische Revolutionsheer brachten aber keinen durchschlagenden Erfolg. Vielmehr gelang es dem aus dessen Reihen hervorgegangenen General Napoleon Bonaparte, durch militärische Erfolge und politisches Geschick die Führung der Republik an sich zu reißen, sich zum Kaiser der Franzosen zu krönen und durch die Gründung von Satellitenstaaten wie dem Königreich Westphalen (1807–1813) die politischen Verhältnisse in Deutschland in seinem Sinne neu zu ordnen.

Während die Franzosen als Nation in einem Staat geeint waren, bot das Heilige Römische Reich deutscher Nation eher ein Bild staatlicher Zersplitterung in die Territorien unterschiedlichster Größe der mehr als 300 Reichsstände. Als Kulturnation lediglich durch Sprache, Literatur und Geistesleben geeint, waren die Deutschen weit davon entfernt, eine Staatsnation zu bilden.[40] Für Goethe war Deutschland nicht recht dingfest zu machen: „Wo das gelehrte beginnt, hört das politische auf.“[41]

Napoleon Bonaparte (1769–1821)

Mit dem Frieden von Lunéville 1801, der das ganze linksrheinische Gebiet Frankreich angliederte und Kompensationsansprüche deutscher Reichsstände zur Folge hatte, wurde Napoleon zum „Schiedsrichter über Deutschland“. Seinem politischen Gestaltungsanspruch unterlag folglich auch der Reichsdeputationshauptschluss 1803, durch den die katholischen Fürsten in Deutschland im Zuge der Säkularisation und Mediatisierung fast alle ihre Besitzungen verloren. Gebietszuwächse erlangten dabei vor allem Preußen, Bayern, Württemberg und Baden.[42] Kurz nachdem Napoleon sich 1804 zum Kaiser der Franzosen gemacht hatte, erklärte sich Franz II. zum erblichen Kaiser von Österreich, da er als römisch-deutscher Kaiser bedeutungslos geworden war.

Der Sieg Napoleons in der Schlacht bei Austerlitz 1805, die Gründung des Rheinbunds unter französischem Protektorat 1806 und die Niederwerfung Preußens durch Napoleon in der Schlacht bei Jena und Auerstedt sowie sein anschließender Einzug in Berlin setzten neue Rahmenbedingungen für die Franzosenzeit in Deutschland. Die Sonderformation der Rheinbundstaaten setzte den Schlusspunkt unter die Auflösung des Alten Reiches, da Franz II. als römisch-deutscher Kaiser nun auch formal abdankte. Der Rheinbund, über den Napoleon militärisch wie außenpolitisch gebot, folgte mit der Einführung des Code civil dem französischen Vorbild und wurde dabei je länger, desto deutlicher zu einem Instrument französischer Hegemonie im Dienste Napoleons.[43] Preußen verlor im Frieden von Tilsit die Besitzungen westlich der Elbe und fast alle Gebietszuwächse aus den Teilungen Polens: Es wurde nahezu halbiert. Diese Schwächungen bereiteten aber auch den Boden für die Preußischen Reformen unter Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein und Karl August von Hardenberg, von denen zumal die Heeresreform (Gerhard von Scharnhorst und August Neidhardt von Gneisenau) sowie die Reformen in der Wirtschaft sowie dem Bildungswesen (Wilhelm von Humboldt) neue Kräfte wecken und neue Ressourcen erschließen sollten.

Weil Napoleon Deutschland hauptsächlich als imperiale Rekrutierungsbasis der Grande Armée behandelte und finanziell und wirtschaftlich ausbeuten ließ, schlugen anfängliche Bewunderung für den Korsen oder relative Gleichgültigkeit um in Abneigung, Verbitterung und Hass auf die französische Okkupationsmacht.[44] Die Verhängung der Kontinentalsperre gegen England durch Napoleon, die ein ausgedehntes Schmuggelwesen erzeugte, gegen das wiederum mit militärischen Mitteln repressiv vorgegangen wurde, ließ den allgemeinen Unmut weiter ansteigen. Man war ständig Kontrollen und Schikanen ausgesetzt, litt unter Teuerung und Versorgungsengpässen.[45]

Erst nach Napoleons gescheitertem Russlandfeldzug konnte 1813 durch eine Koalition der anderen europäischen Mächte die Napoleon verbliebenen Truppen geschlagen und die französische Vorherrschaft in Deutschland wie in Europa beendet werden. Das Signal für den Beginn der Befreiungskriege setzte der preußische General Ludwig Yorck von Wartenburg, indem er am 30. Dezember 1812 ohne die Order seines noch mehrere Wochen zögerlichen Königs die Konvention von Tauroggen abschloss. Offiziell wurde die preußisch-russische Allianz Ende Februar 1813. Österreich trat erst im August 1813 in den Krieg gegen Napoleon ein, trug aber zu dessen Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig (16. bis 19. Oktober 1813) wesentlich bei. Nun sagten sich auch die Rheinbundstaaten von Napoleon los, und bis zum Jahresende war ganz Deutschland befreit.

Deutscher Bund und „Heilige Allianz“ (ab 1815)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die 39 Bundesstaaten des Deutschen Bundes

Als die europäischen Mächte auf dem Wiener Kongress darangingen, die Hinterlassenschaft der Ära Napoleons auch in Deutschland neu zu ordnen, suchte man die Balance zu halten zwischen einer Zersplitterung, die als Machtvakuum Begehrlichkeiten der westlichen wie der östlichen Nachbarmächte Frankreich und Russland hätte wecken können, und einer national geeinten deutschen Großmacht, die ihrerseits auf Expansionskurs hätte gehen können.[46] Als für alle akzeptable Neuschöpfung entstand so der Deutsche Bund, kein Bundesstaat, sondern ein Staatenbund aus 41 souveränen Mitgliedern mit einem in Frankfurt am Main tagenden ständigen Gesandtenkongress, dem Bundestag, als einzigem gemeinsamen Organ. Mit den Königen von England, den Niederlanden und Dänemark waren einerseits auch ausländische Fürsten mit Territorialbesitz im Deutschen Bund vertreten; die Herrscher Österreichs und Preußens andererseits geboten zusätzlich über Gebiete außerhalb des Bundes.

Clemens Wenzel von Metternich
Friedrich Wilhelm III.

Der betont restaurative Charakter der Beschlüsse des Wiener Kongresses zeigte sich besonders in der von Zar Alexander I. initiierten Heiligen Allianz, in der die europäischen Herrscher einander Verbundenheit und wechselseitigen Beistand bezeugten und darin übereinstimmten, ihre Völker in väterlichem Sinne christlich und friedlich zu regieren. „Die Heilige Allianz ist kein Instrument realer Politik der europäischen Mächte, aber sie wird ein Symbol der konservativen, der antirevolutionären Restauration und Stabilisierungspolitik.“[47] In der politischen Praxis gingen die beiden Großmächte innerhalb des Deutschen Bundes, Österreich mit Metternich an der Spitze und Preußen, besonders entschieden auf Restaurationskurs. So löste Friedrich Wilhelm III. von Preußen zur allgemeinen Enttäuschung aller Reformanhänger sein wiederholtes Versprechen nicht ein, Preußen zu einem Staat mit Verfassung zu machen, während in Süddeutschland eine ganze Reihe von Verfassungsstaaten entstanden. Das hatten sich viele der Freiwilligen anders vorgestellt, die für Freiheit und Einheit des Vaterlands in die Befreiungskriege gezogen waren.

Die Proteststimmung konzentrierte sich in den studentischen Burschenschaften und kam in öffentlichen Manifestationen zum Ausdruck, so beim Wartburgfest 1817, wo neben den Forderungen nach nationaler Einheit und konstitutioneller Freiheit auch solche gegen den Polizeistaat und die feudale Gesellschaft geäußert wurden. Die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue, der die Burschenschaften verspottet und die russische Regierung mit Berichten über jakobinische Tendenzen an deutschen Universitäten versorgt hatte, durch den Theologiestudenten Karl Ludwig Sand sowie ein weiteres Attentat mit burschenschaftlich-radikalem Hintergrund wurden zum Anlass für die von Metternich betriebenen Karlsbader Beschlüsse 1819.

Zeitgleich zu den Verhandlungen in Karlsbad kam es im August 1819 in vielen Städten und Ortschaften des Deutschen Bundes, insbesondere in Würzburg, Frankfurt und Hamburg, zu massiven antijüdischen Ausschreitungen. Die Hep-Hep-Krawalle gelten als größter überregionaler Aufruhr der Restaurationsphase bis zur Revolution von 1848.[48] Die rasche Durchsetzung der Karlsbader Beschlüsse wurde durch die Krawalle beschleunigt, weil die Regierungsbehörden hinter den eigentlich gegen die Jüdische Emanzipation gerichteten sozialen Protesten „revolutionäre Umtriebe“ vermuteten. Die Beschlüsse von Karlsbad führten zum Verbot der Burschenschaften, zur Überwachung der Universitäten auch hinsichtlich staatsfeindlicher Lehre, zu ausgedehnter Zensur von Druckerzeugnissen und zur „Exekutionskompetenz gegen widerspenstige oder revolutionäre Gliedstaaten“ des Deutschen Bundes. „Indem jede freie Bewegung abgewürgt und unterdrückt wurde, konnte sich kein politisches Leben, Öffentlichkeit und Verantwortung bilden, keine großen Ziele und keine konkreten Aufgaben, kein freies Wechselspiel der verschiedenen Kräfte.“[49]

Das deutsche Leben wurde in die Innerlichkeit abgedrängt, in Kunstverehrung, Wissenschaft oder Geschichte, in eine weitgehende Entpolitisierung jedenfalls. Bürger, die ihre politische Protesthaltung nicht im Untergrund hochhalten oder theoretisch vertiefen wollten, widmeten sich verstärkt dem Privatleben in Haus und Familie. Kleinheit, Überschaubarkeit und Gemütlichkeit gehörten zum Biedermeier-Ambiente und prägten das Zusammenleben. Der gemeinsame Sonntagsspaziergang der Familie wurde im bürgerlichen Milieu nun ebenso üblich wie der Weihnachtsbaum, das Weihnachtsliedersingen und die Hausmusik im kleinen Kreis.[50]

Vormärz und Revolution 1848/49

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Jubelnde Revolutionäre nach Barrikadenkämpfen in Berlin am 19. März 1848, im Hintergrund das Berliner Schloss
Nationalversammlung 1848/1849 in der Frankfurter Paulskirche
Deutschlandkonzepte 1848–1867: Begriffe
Erzherzog Johann von Österreich, 1848/49 Reichsverweser des Deutschen Reiches

Die Julirevolution von 1830 in Frankreich hatte europaweit Auswirkungen. So führte der vergebliche Novemberaufstand 1830–1831 in Polen gegen Russlands Vorherrschaft zu einem polnischen Emigrantenstrom nach Westen. In Deutschland löste sich die zwischenzeitliche Erstarrung des politischen Lebens. Eine deutliche Manifestation wiedererwachten öffentlichen Eintretens für Freiheit und Einheit war das Hambacher Fest 1832, wo im Zeichen schwarz-rot-goldener Fahnen unter dem Jubel der Menge Bekenntnisse zu einem geeinten, demokratisch-republikanischen Deutschland abgelegt wurden.[51] Zwar blieben repressive Reaktionen nicht aus, aber es zeigte sich darin wie auch im Professoren-Widerstand der Göttinger Sieben 1837, dass das fortbestehende Regime der Karlsbader Beschlüsse nicht überall durchschlug.

In der Rheinkrise 1840, ausgelöst durch französische Ambitionen auf linksrheinische deutsche Territorien, fanden Bürger und Regierende in nationalem Selbstbehauptungsstreben zusammen. Das Kölner Dombaufest 1842 inszenierte Friedrich Wilhelm IV. von Preußen „als Bekenntnis zu deutscher Größe und zur Versöhnung der Konfessionen im Zeichen eines gemeinsamen kulturellen Erbes“, jedoch ohne die Bereitschaft, sein verfassungsloses „väterliches Regiment“ in Frage stellen zu lassen.[52] Neben uneingelösten politischen Forderungen im Bürgertum waren für die Destabilisierung der Ordnung des Deutschen Bundes im Vormärz auch soziale Missstände ursächlich. Dem Bevölkerungswachstum zwischen 1815 und 1848 von 22 auf 35 Millionen Menschen (+59 Prozent) stand keine auch nur annähernd proportionale Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion gegenüber, mit der Folge einer desolaten Versorgungslage. Pauperismus steht als Begriff und Zustandsbeschreibung für das Elend dieser Zeit. Kartoffelfäule und Getreidemissernten verschlechterten die Lage ab 1845 zusätzlich.[53]

Aus diesen Gründen gab es bereits eine breit gestreute Unzufriedenheit und Auflehnungsbereitschaft gegen die bestehenden Verhältnisse als die Februarrevolution 1848, erneut von Paris ausgehend, in Europa Wellen schlug. In Wien wurde am 13. März Metternichs Rücktritt erzwungen, während der Kaiserhof seinen Sitz vorübergehend nach Innsbruck verlegte. In Berlin reagierte Friedrich Wilhelm IV. auf Barrikadenkämpfe und Revolutionstote in der Märzrevolution mit einem Aufruf, der Volksvertretungen auf ständischer Grundlage befürwortete, der mit der Formel schloss: „Preußen geht fortan in Deutschland auf.“[54] Die Regierungen in Deutschland ernannten liberale „Märzregierungen“, die wiederum entsprechend neue Gesandte in den Bundestag schickten. 500 Liberale und Demokraten aus ganz Deutschland bildeten am 31. März in Frankfurt am Main ein Vorparlament, das den erneuerten Bundestag beriet.

Der Bundestag ließ ein gesamtdeutsches Parlament wählen,[55] die Frankfurter Nationalversammlung. Sie sollte einen Verfassungsentwurf für einen deutschen Bundesstaat erarbeiten, doch setzte schon im Juni 1848 eine vorläufige Reichsregierung ein, die Provisorische Zentralgewalt, die auch von den Staaten anerkannt wurde.[56] Außerdem erließ die Nationalversammlung Reichsgesetze und gab den Bau der ersten gesamtdeutschen Flotte in Auftrag. Denn mittlerweile befand sich Deutschland im Krieg mit Dänemark um Schleswig-Holstein.[57]

Der deutsche Bundesstaat sollte ursprünglich die Grenzen des Deutschen Bundes haben, zuzüglich der preußischen Ostprovinzen und Schleswigs. Das hätte eine großdeutsche Lösung bedeutet, weil große Teile Österreichs zum Bundesgebiet gehört hatten. Diese weithin begrüßte Lösung erwies sich aber als unmöglich, als die österreichische Monarchie im Herbst 1848 wieder erstarkte. Im März 1849 war überdeutlich, dass das zentralistische Österreich es nicht erlauben würde, dass nur Teile sich einem deutschen Bundesstaat anschlossen. Außerdem gab der preußische König Friedrich Wilhelm IV. nur undeutliche Signale, ob er eine deutsche Kaiserkrone eines Kleindeutschland annehmen würde. Innerlich lehnte er sie sowieso ab, weil er lieber von den übrigen Fürsten zum Kaiser ausgerufen werden wollte.[58]

Trotzdem wählte die Nationalversammlung den preußischen König zum Kaiser. Im Laufe des April 1849 erfolgte erst eine vorläufige, dann eine endgültige Ablehnung. Der König verbot daraufhin, wie auch andere Fürsten, seinen Untertanen rechtswidrig die Mitgliedschaft in der Nationalversammlung. Ein Teil der Abgeordneten machte dennoch weiter; viele von ihnen sind dafür verfolgt worden.[59] Die im Zusammenhang mit einer Reichsverfassungskampagne stehenden Maiaufstände in Dresden, in der Rheinpfalz und in Baden wurden allerdings niedergeschlagen; die letzten Revolutionäre ergaben sich am 23. Juli in der Festung Rastatt.

Der verbleibende Ertrag und wesentliche Rezeptionsaspekte der gescheiterten Revolution von 1848/49 lagen vornehmlich auf der Verfassungsebene: Zum einen kam nun auch in Preußen der Konstitutionalisierungsprozess in Gang. Zum anderen wurden mit der am 28. März 1849 kurzzeitig in Kraft getretenen Paulskirchenverfassung etwa bezüglich der Grundrechte und der Bundesstaatlichkeit erstmals für Deutschland Normen gesetzt, die später in der Weimarer Verfassung von 1919 und im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland von 1949 verwirklicht wurden.

Ob die Niederlage des deutschen Liberalismus 1848/49 in einen deutschen Sonderweg mündete, der Deutschland weg von freiheitlichen Traditionen des Westens und letztlich in den Zivilisationsbruch der NS-Zeit führte, wird in der Geschichtswissenschaft kontrovers diskutiert.[60]

Industrialisierung und preußisch-österreichischer Dualismus (1850–1866)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit dem doppelten Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung erst an der österreichischen, dann auch an der preußischen Reaktion waren nun auch die von der Revolution inspirierten liberalen Verfassungen hinfällig und wurden in der nun folgenden Reaktionsära durch obrigkeitsgefälligere Modelle abgelöst. Erst während der sogenannten Neuen Ära Ende der 1850er Jahre gewannen erneut liberale Ansätze in der Politik an Bedeutung. Zu einem Dauerkonflikt für anderthalb Jahrzehnte wurde die Rivalität der beiden Großmächte um die Führungsrolle in Deutschland. Wirtschaftspolitische Voraussetzungen und Entwicklungsprozesse spielten dabei eine wichtige, die preußischen Ambitionen letztlich begünstigende Rolle.

Lokomotivbau bei Borsig

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts kam die Industrielle Revolution in Deutschland verstärkt zum Zuge. Mit dem Deutschen Zollverein von 1834 waren über Preußen hinausgehend elementare Voraussetzungen zur Herstellung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes geschaffen, in dem sich künftig auch politische Interessen bündeln ließen. Das industrielle Wachstum wurde durch einen mobilen Kapitalmarkt und weiträumige Märkte gefördert, die durch verbesserte Transportwege und Nachrichtenkommunikation erschlossen wurden.[61] Maßgeblichen Anteil an dem sich beschleunigenden Industrialisierungsprozess hatte das energisch vorangetriebene Eisenbahnwesen, sei es beim Auf- und Ausbau des Schienennetzes oder bei der Herstellung von Lokomotiven, wie zum Beispiel in den Borsigwerken. Im Ergebnis wurden die Transportkosten um bis zu 80 Prozent gesenkt und die allgemeine Mobilität gestärkt. Für Bodenschätze, Ernteerträge und Massenwaren konnten nun größere Märkte erschlossen werden. Ab der Jahrhundertmitte wurden Aktienbanken für die Finanzierung von Industrie und Handel typisch.[62]

Viele deutsche Unternehmen, wie die Dampfmaschinenfabrik J. Kemna, wurden nach dem Vorbild englischer Fabriken gegründet.

Der durch die Industrialisierung angestoßene Strukturwandel verlief in Preußen in mehrerer Hinsicht dynamischer als in Österreich. Neben ein höheres Bevölkerungswachstum auf preußischer Seite trat eine beschleunigt veränderte Beschäftigungssituation: Während in Österreich erst am Ende des 19. Jahrhunderts weniger als 60 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig waren, bestand dieses Verhältnis in den außerösterreichischen Gebieten des Deutschen Bundes mehr als ein halbes Jahrhundert früher. „Die Standortnachteile bei Kohle und Eisen, das Fehlen verkohlbarer Kohle, die ungünstigen Verkehrsverhältnisse und vor allem die wesentlich geringere durchschnittliche Produktivität und Kaufkraft schon im Bereich des Agrarsektors – 40 Gulden pro Kopf und Jahr in der Monarchie, 78 Gulden im Zollverein (1852) – hatte ein unaufhaltsames Zurückfallen der österreichischen Wirtschaft zur Folge.“[63]

Bis um 1865 blieb aber die österreichische Diplomatie darin erfolgreich, die preußischen Ambitionen auf eine mindestens gleichrangige Führungsrolle in Deutschland abzuwehren. Während Preußen unmittelbar nach der gescheiterten Revolution mit der Bildung einer kleindeutschen Union unter preußischer Führung (Erfurter Union) durchzudringen suchte, setzte Österreich auf Wiederherstellung des Deutschen Bundes und hatte dabei Russlands Unterstützung. Mit der Olmützer Punktation nahm Preußen von einer militärischen Auseinandersetzung Abstand und kehrte in den Deutschen Bund mit Österreich als Präsidialmacht zurück. Das österreichische Streben nach Schaffung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsraums durch Beteiligung an Preußens Zollverein scheiterte jedoch am preußischen Widerstand und daran, dass die deutschen Mittelstaaten sich politisch zwar eher an Österreich hielten, wirtschaftlich aber vom Verbund mit Preußen profitierten.[64]

Otto von Bismarck, um 1862

Dass das Präsidieren im Deutschen Bund der äußeren Machtstellung Österreichs nichts nützte, wenn Preußen sich verweigerte, zeigte sich sowohl im Krimkrieg als auch im Zweiten Italienischen Unabhängigkeitskrieg, der für Österreich mit dem Verlust der Lombardei endete. Auch die vorübergehende Schwächung Preußens durch den inneren Konflikt um Heeresreform und Verfassung konnte Österreich gegen den Widerstand des nunmehr zum preußischen Ministerpräsidenten berufenen Otto von Bismarck nicht zur Festigung des Führungsanspruchs im Deutschen Bund nutzen. Bismarck formulierte ein kampfbetontes Programm: „Preußens Grenzen nach den Wiener Verträgen sind zu einem gesunden Staatsleben nicht günstig; nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen –, sondern durch Blut und Eisen.“[65]

Den Krieg gegen Dänemark um Schleswig führten beide Mächte 1864 gemeinsam und einigten sich danach auch in der Folgenregelung: Nach zunächst gemeinsamer Zuständigkeit für beide Herzogtümer kam Holstein 1865 unter österreichische, Schleswig unter preußische Verwaltung. Seit Anfang 1866 betrieb Bismarck in der Holstein-Frage eine auf Konfliktschürung angelegte Politik, die Preußens Führung in Deutschland zum Ziel hatte. Durch eine Allianz mit Italien und die Erlangung der Neutralität Napoleons III. konnte Bismarck auch Wilhelm I. für den Waffengang gegen Österreich gewinnen, das von den übrigen deutschen Staaten keine durchschlagende militärische Unterstützung erhielt. In dem knapp sechswöchigen Deutschen Krieg besiegte das preußische Lager zunächst die Österreich verbundenen deutschen Mittelmächte und in der Schlacht bei Königgrätz dann auch das österreichische Heer selbst. Um ein französisches Eingreifen zu vermeiden, begnügte sich Preußen im anschließenden Friedensschluss mit Österreichs Verzicht auf Mitwirkung in den deutschen Angelegenheiten, mit der endgültigen Auflösung des Deutschen Bundes sowie mit der Gründung eines Norddeutschen Bundes unter Führung Preußens nördlich der Mainlinie. Die süddeutschen Staaten erhielten die Möglichkeit, sich zu einem Südbund zusammenzuschließen, der allerdings nicht verwirklicht wurde.[66]

Norddeutscher Bund und Kaiserreich im Zeichen Bismarcks (1866–1890)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wilhelm I.

Die Verfassung des Norddeutschen Bundes wie auch die unter preußischer Führung betriebene Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik nahmen das nachfolgende Kaiserreich in mancher Beziehung voraus bzw. zielten darauf hin. Wie in der nachmaligen Verfassung des Kaiserreichs gab es einen Bundesrat mit starkem preußischen Übergewicht, einen Kanzler Bismarck, der in Personalunion die Funktionen des preußischen Ministerpräsidenten und des Außenministers vereinte, sowie einen Reichstag als Entscheidungsorgan über Gesetzgebung und Staatshaushalt. Die Anbindung der süddeutschen Staaten an den Weltmarkt war wesentlich auf die Nutzung preußischer Eisenbahnen und Wasserwege angewiesen. Durch Zollverein und zentralisierte Gesetzgebung wurde der wirtschaftliche und rechtliche Rahmen in den Mitgliedsstaaten des Norddeutschen Bundes vereinheitlicht.[67]

Zum Frankreich Napoleons III., der für seine Neutralität im Preußisch-Österreichischen Krieg und für die Hinnahme von Preußens Machtzuwachs wenigstens mit Luxemburg hatte abgefunden werden wollen – was vor allem an England scheiterte –, bestanden zunehmend Spannungen, die hinsichtlich der spanischen Thronfolge eskalierten, als ein Kandidat aus dem Hause Hohenzollern, Leopold von Hohenzollern, dafür im Gespräch war. Die von Bismarck redigierte Emser Depesche provozierte Frankreichs Kriegserklärung. Auch im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 behielt das preußische Militär die Oberhand (Schlacht von Sedan) und schuf damit die Voraussetzungen zur Gründung des Deutschen Kaiserreiches, die mit der Krönung Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser im Spiegelsaal von Versailles am 18. Januar 1871 vollzogen wurde. Nicht nur das mussten die Franzosen hinnehmen, sondern im Frieden von Frankfurt als Kriegsverlierer zudem die Annexion von Elsaß-Lothringen sowie Reparationen in Höhe von fünf Milliarden Goldfranken.

Das Deutsche Reich 1871
Berliner Schloss, Hauptresidenz der Hohenzollern

Vor allem die süddeutschen Staaten Württemberg und Bayern ließen sich ihre Einbeziehung in das Kaiserreich mit Reservatrechten abgelten. Diese betrafen unter anderem Bier- und Branntweinsteuern sowie die Post- und Eisenbahnverwaltungen.[68] Das deutsche Volk kam mit der Reichstagswahl vom 3. März 1871 erst ins Spiel, als die Weichen bereits gestellt waren. Die politische Orientierung und Interessenartikulation der Bürger vermittelten die Parteien, die in Deutschland von weltanschaulichen Grundsätzen geprägt waren und seit der Revolution 1848/49 ein Fünfparteiensystem aus Konservativen, rechten und linken Liberalen, Katholizismus und Sozialisten bildeten.[69]

Als erste organisiert hervorgetreten waren im 19. Jahrhundert die Liberalen, die Freiheit und Einheit der Nation in einer Gesellschaft rechtsgleicher Bürger anstrebten: einen Nationalstaat mit liberaler Verfassung. An der Haltung gegenüber Bismarcks antiparlamentarischem Kurs bei der Budgetierung des preußischen Militärs schieden sich die Nationalliberalen von der älteren Fortschrittspartei. Die Konservativen traten im Rahmen der neuen Verfassungsordnung für die Vorrechte von Monarch, Regierung und ländlichem Grundbesitz ein, für Kirche, Militär und Adel. Die Interessen der anwachsenden Industriearbeiterschaft richteten sich seit der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) durch Ferdinand Lassalle auf die Durchsetzung des allgemeinen Wahlrechts und die Verbesserung der Lebens-, Arbeits- und Lohnverhältnisse durch Machtzuwachs im staatlichen Institutionengefüge. Seit dem Gothaer Vereinigungsparteitag 1875 mit der SDAP bildeten die Sozialdemokraten eine geschlossene und weiter wachsende politische Bewegung. Die Existenz einer katholischen Volkspartei, des Zentrums, lässt sich mit der Minderheitslage der Katholiken in einer vornehmlich protestantisch und teils säkular geprägten Gesellschaft erklären, in der Katholiken – außer in Bayern – einem nichtkatholischen „Regierungsestablishment“ gegenüberstanden.[70]

Bismarcks Stellung im politischen System war durch das Vertrauen Wilhelms I. gefestigt, aber auch seine Fähigkeit, mit den Fraktionen des Reichstags umzugehen. Das verschaffte ihm großen politischen Gestaltungsspielraum, den er mit wechselnden Partnern unter den Parteien zu nutzen wusste. Dabei ging es ihm um die Stabilisierung und Modernisierung des Reiches ebenso wie um die Konservierung politischer und gesellschaftlicher Hierarchien. Bei der Modernisierung handelte es sich unter anderem um Vereinheitlichung und Liberalisierung der Wirtschaftsordnung, um reichsweite Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit, um die Vereinheitlichung des Rechtswesens, um Verwaltungsreformen und die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, lauter Anliegen, für die Bismarck von den Liberalen unterstützt wurde.[71] Das galt auch für sein Vorgehen im Kulturkampf gegen die Machtposition des katholischen Klerus, dessen Einfluss auf mehreren Ebenen durch die Reichsgesetzgebung zurückgedrängt wurde, speziell durch das Verbot politischer Aufwiegelung von der Kirchenkanzel herab, durch Beseitigung der geistlichen Schulaufsicht, Einführung der obligatorischen Zivilehe und Streichung von staatlichen Leistungen an den Klerus („Brotkorbgesetz“).[72]

Auflösung einer sozialdemokratischen Versammlung im Jahr 1881: Wilhelm Hasenclever am Tisch sitzend (2. von rechts); Wilhelm Liebknecht stehend vor dem Fenster; August Bebel vor Liebknecht sitzend.

Als die französischen Kriegsentschädigungen, die ihren Teil zur wirtschaftlichen Blüte des Gründerbooms bis 1873 beigetragen hatten, aufgebraucht waren und es um eine Reform der Reichsfinanzverfassung, bald darauf zudem um die Einführung von Schutzzöllen ging, verschob sich die Bismarcks Gesetzesvorlagen mittragende Reichstagsmehrheit stärker auf die konservative Seite. Und als es Bismarck nach Attentaten auf Kaiser Wilhelm I. 1878 darum ging, die geeinte und als Systembedrohung angesehene Sozialdemokratie durch die Sozialistengesetze niederzuhalten, fand er dafür eine Reichstagsmehrheit aus Konservativen und Liberalen. Diesem bis 1890 bestehenden Repressionsinstrument stellte Bismarck in der Folge eine Sozialgesetzgebung mit Krankenversicherung (1883), Unfallversicherung (1884) und Rentenversicherung (1889) entgegen, die Lebensrisiken und Unmut in der Arbeiterschaft vermindern und zukunftsweisende Bedeutung haben sollte.

Außenpolitisch setzte Reichskanzler Bismarck nach der Krieg-in-Sicht-Krise 1875, in der Frankreich, Großbritannien und Russland gegen Deutschland zusammenwirkten, auf ein Defensivbündnis mit Österreich-Ungarn, das Russland möglichst nicht verprellen sollte (Rückversicherungsvertrag 1887) und damit die prekäre deutsche Mittellage in Anbetracht der sicheren Gegnerschaft Frankreichs durch eine elastische Friedenspolitik zu stabilisieren versuchte: „In jeder europäischen Krise, so stellte sich die Lage in der späten Bismarckzeit dar, spielte Berlin die Hinterhand, konnte bremsen, beruhigen, abwarten und sich nach Möglichkeit heraushalten.“[73]

Wirtschaftspotenz und Weltmachtstreben (1890–1914)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Wilhelm II.

Nachdem das Dreikaiserjahr 1888 nicht nur den Tod Wilhelms I., sondern auch den seines Sohnes Friedrichs III. gebracht hatte, der liberalen politischen Vorstellungen nahestand, jedoch den Thron nur 99 Tage innehatte, wurde dessen Sohn Wilhelm II. 29-jährig Deutscher Kaiser, der unverhohlen von der Vorstellung des „persönlichen Regiments“ geleitet war. Meinungsverschiedenheiten über die Beibehaltung des Sozialistengesetzes, wofür Bismarck stand, wurden zu einem Hauptgrund seiner Entlassung 1890.

Sozioökonomische Aspekte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die dem „Gründerkrach“ folgende wirtschaftliche Depression hatte gesellschaftliche Rückwirkungen, die sich im vermehrten Auftreten von Interessenverbänden wie auch in innergesellschaftlichen Ab- und Ausgrenzungstendenzen zeigten. Politisch und gesellschaftlich diskriminiert waren nicht allein die Sozialdemokraten, sondern verstärkt auch wieder Juden, deren Gegner sich nun als Antisemiten bezeichneten, sich in Antisemitenparteien sammelten, eine Antisemitenliga gründeten und eine Antisemitenpetition verfassten. Zu dieser Zeit erklärte Hofprediger Adolf Stoecker die Juden zu „einer Gefahr für das deutsche Volksleben“. Eugen Dühring publizierte im Jahr darauf ein Buch zur „Judenfrage“ als Rassen-, Sitten- und Kulturfrage, beklagte darin das „Übel der Verjudung und Judenherrschaft für die modernen Völker“ und erwog Möglichkeiten der „Entjudung“.[74]

Spätestens 1890 ging die deutsche Wirtschaftsentwicklung wieder in eine so ausgeprägte Wachstumsphase über, dass sogar von einem „ersten deutschen Wirtschaftswunder“ die Rede ist, zu dessen Leitsektoren Großchemie, Elektrotechnik und Maschinenbau gehörten. Beim Anteil an der Weltindustrieproduktion lag Deutschland 1913 an zweiter Stelle hinter den USA, im Welthandel ebenfalls auf dem zweiten Platz hinter Großbritannien.[75] Für die Mehrzahl in der arbeitenden Bevölkerung verbesserte der Wirtschaftsaufschwung auch die Lebensverhältnisse um die Jahrhundertwende. Dies galt nicht zuletzt für die wachsende Industriearbeiterschaft, die ihre Interessen auch zunehmend gewerkschaftlich organisierte und vertreten ließ. Dagegen gab es in häuslicher Arbeit und traditionellem Handwerk kaum noch ein Auskommen.[76]

Der Große Kreuzer SMS von der Tann – der erste deutsche Schlachtkreuzer (Stapellauf 1909)

Reichsnationalismus als ideologisches Band

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der bis zur Reichsgründung verbreitete Kultur- und Sprachnationalismus wandelte sich nach 1871 zu einem Reichsnationalismus, der als einigendes Band für den jungen, wenig homogenen und in Sonderinteressen befangenen Nationalstaat diente. Deutsches wurde erst einmal in Abgrenzung vom Nicht-Deutschen bestimmt, im Osten gegen die Polen, im Westen gegen die Franzosen. Im Inneren isolierte dieser Nationalismus Anhänger anderer Orientierungen, so die Sozialdemokraten mit ihrer Ausrichtung am Internationalismus oder die Katholiken mit ihrer Verbindung zur Papstkirche in Rom. Eine frühe Abgrenzung dieses neudeutschen Nationalismus galt wie gezeigt zudem den Juden als einziger nichtchristlicher Minderheit in Deutschland. Im Nationalismus drängten mancherlei Probleme und Ängste zum Austrag, darunter das Leiden an sozialer Zerrissenheit und politischer Auseinandersetzung, die Verklärung der Einheit vor der Vielfalt, die Resignation vor der Kompliziertheit der modernen Welt in Verbindung mit der Sehnsucht nach einfachen Erklärungen, ein Bedrohungsgefühl gegenüber ungezügelter Freiheit sowie die Suche nach Erlösungsperspektiven und religionsartigem Halt.[77]

Provokative Seemachtambitionen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das wirtschaftlich prosperierende Kaiserreich dieser Zeit schien somit vielen gesellschaftlich einflussreichen Köpfen prädestiniert, sich auch weltpolitisch im Kampf um Märkte und Rohstoffe einen „Platz an der Sonne“ zu sichern. In Kombination mit der Neigung Wilhelms II. zum Auftrumpfen und zur Prestigesteigerung wurde daraus eine hyperaktive, unstete und wenig substantielle äußere Politik, die mit vielen Forderungen und Drohgesten vor allem Unruhe stiftete.[78] Ein besonders markanter, an Bedeutung stetig zunehmender und letztlich fataler Aspekt deutscher Weltmachtpolitik war die Flottenrüstung, die Alfred von Tirpitz mit Unterstützung unter anderem des „Flottenkaisers“ und des Alldeutschen Verbandes vorantrieb. Dabei war Navalismus als Vorstellung, dass Weltmacht sich auf Seemacht gründete, seinerzeit international durchaus verbreitet. Dass aber das Kaiserreich in seiner prekären Mittellage zwischen den Mächten Frankreich und Russland, die untereinander einen Interessenausgleich herbeigeführt hatten und ein Bündnis eingegangen waren, mit seinem unverkennbar gegen England gerichteten, herausfordernden Flottenrüstungsprogramm sich diese etablierte Weltmacht auch noch zum Gegner machte, ist unter rationalen Gesichtspunkten kaum zu erklären.[79]

Außer Österreich-Ungarn stand im Wesentlichen nur Italien noch für ein Bündnis zur Verfügung. Nach den Marokkokrisen, der Bosnienkrise und während der Balkankriege bildete sich im Kaiserreich zunehmend die Vorstellung aus, eingekreist zu sein. Dies zeigte sich auf höchster Ebene im Kriegsrat vom 8. Dezember 1912, wo der Chef des Generalstabes von Moltke davon sprach, den für unvermeidlich gehaltenen Krieg je eher desto besser zu führen. Wilhelm II. sprach sich in erster Konsequenz bezüglich Marine und Heer für intensivierte Kriegsvorbereitungen aus, während der nicht anwesende Reichskanzler Bethmann-Hollweg einstweilen auf diplomatische Entschärfung der Lage setzte.

Kolonialer Imperialismus

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Lüderitzbucht, 1900

Im Kontext des imperialen Weltmachstrebens der europäischen Mächte im 19. Jahrhundert und der damit einhergehenden Kolonialisierung in Afrika und Asien, entwickelten sich auch in Deutschland entsprechende Interessen. Nur widerwillig öffnete sich Bismarck schließlich dem Drängen nach kolonialer Expansion, da er vor allem die Sicherheit des eben erst gegründeten Deutschen Kaiserreichs im europäischen Mächtekonzert gesichert sehen wollte. Die 1884 einsetzende deutsche Kolonialpolitik in Afrika und Ozeanien, wo sich Briten und Franzosen mit ihren Einflussgebieten bereits gegenüberstanden, führte in West-, Südwest- und Ostafrika sowie in der Südsee zwar nominell zu Landnahmen, die die Fläche des Reichsgebiets mehrfach überstiegen, stellte sich aber weder wirtschaftlich noch außenpolitisch als Gewinn dar. Im Ernstfall waren die deutschen Kolonien nicht verteidigungsfähig, drohten aber, das Kaiserreich in unübersehbare Konflikte zu verwickeln.[80]

Bereits 1883 hatte der deutsche Kaufmann Adolf Lüderitz einen Küstenstreifen im heutigen Namibia in Besitz genommen. Das „Lüderitzland“ genannte Gebiet wurde im April 1884 vom Kaiserreich als deutsches „Schutzgebiet“ deklariert und markierte damit den Beginn deutscher Kolonialherrschaft.[81] Auf ähnliche Weise hatten hanseatische Kaufleute mehrere Handelsstützpunkte an der Küste Togos und Kameruns in Besitz genommen. Daraufhin ernannte Bismarck den Afrikaforscher Gustav Nachtigal zum Reichskommissar für Deutsch-Westafrika mit dem Auftrag eine Kolonialverwaltung aufzubauen. Am 5. Juli 1884 erklärte Nachtigal Togoland ebenfalls zum „Schutzgebiet“ des Kaiserreichs.[82] Im November 1884 fand auf Einladung Bismarcks die Kongokonferenz in Berlin zur imperialen Aufteilung des afrikanischen Kontinents unter den Kolonialstaaten statt. Das Abschlussdokument, genannt Kongoakte, sprach Deutschland die koloniale Verwaltung über Deutsch-Westafrika, Deutsch-Südwestafrika (heute: Namibia) sowie Deutsch-Ostafrika (heute: Tansania, Ruanda, Burundi) zu.

Aufgrund der Gewaltverbrechen und systematischen Unterdrückung durch die Kolonialverwaltung kam es immer wieder zu Rebellionen in den Kolonien. Grausamste Folgen hatte 1904 der Aufstand der Herero und Nama gegen die deutschen Truppen, der von Generalleutnant Lothar von Trotha und 15.000 Soldaten blutig niedergeschlagen wurde. Überlebende des Kampfes flohen in die Omaheke-Wüste, die auf Befehl von Trotha abgeriegelt wurde, sodass tausende Herero und Nama verdursteten. Die Verbrechen der deutschen Kolonialherrschaft sind heute als Völkermord anerkannt.[83][84]

Das „kurze 20. Jahrhundert“ – vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Ost-West-Konflikts

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während das durch den Aufstieg des Bürgertums, durch die Industrialisierung und die Rivalität der imperialistischen Mächte geprägte Zeitalter auch in Deutschland das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts überdauerte, endete die nachfolgende Epoche der verschärften globalen Konflikte des 20. Jahrhunderts, an denen Deutschland wesentlichen Anteil hatte, bereits am Ende der 1980er Jahre.

Erster Weltkrieg (1914–1918)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bündniskonstellationen zwischen den europäischen Mächten und die Verwicklung des österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaats in die seit längerem instabilen Verhältnisse auf dem Balkan (Balkankrise, Balkankriege) wirkten zusammen, als nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajevo die k.u.k-Monarchie am 23. Juli Serbien vorsätzlich ein kaum annehmbares Ultimatum stellte. Dieses Vorgehen begünstigte der „Blankoscheck“, den Wilhelm II. mit der deutschen Regierung dazu erteilt hatte. Am 28. Juli erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg; Deutschland folgte am 1. August mit der Kriegserklärung gegen Russland und am 3. August mit der gegen Frankreich. Der völkerrechtswidrige Einmarsch deutscher Truppen in Belgien, von der alliierten Propaganda als Schändung Belgiens bezeichnet, war der Anlass für die Kriegserklärung Großbritanniens an Deutschland am 4. August 1914. Somit entwickelte sich innerhalb weniger Tage aus einem Lokalkrieg der Erste Weltkrieg, die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ (George Kennan). Angesichts der durch den Kaiser verkündeten Burgfriedenspolitik und der allgemeinen Mobilmachung zu Kriegsbeginn zerstoben zunächst alle Aktivitäten der Friedensbewegung in einer Welle der Kriegsbegeisterung großer Teile der bürgerlich-akademischen Schichten.

Zum ersten Mal in der Geschichte wurde die Kriegsschuldfrage gestellt und führte zu jahrzehntelangen Diskussionen. Völkerrechtlich gilt nach wie vor die Setzung des Versailler Vertrages, wonach „Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind“. Nach einer Phase der gegenseitigen Schuldzuweisungen in den 1920er Jahren näherte man sich später auf internationaler Ebene der Deutung, dass Europa 1914 in den Krieg „hineingeschlittert“ sei („Europe slithered over the brink into the boiling cauldron of war“, so David Lloyd George im Jahre 1933). Infolge der Fischer-Kontroverse kam es seit den 1960er Jahren zu der Auffassung, dass zwar eine längerfristige Planung des Krieges seitens Deutschlands nicht nachweisbar, die unverantwortliche Politik der deutschen Regierung in der Julikrise aber ausschlaggebend für die Auslösung des Weltkriegs gewesen sei. Zum 100. Jahrestag des Kriegsbeginns sind andererseits eine Reihe von Veröffentlichungen erschienen, welche die Teilverantwortung Russlands, Serbiens und Frankreichs sowie der Gesamtheit der beteiligten Staaten wieder mehr in den Blickpunkt rücken und den Sinn einer Schuldzuweisung generell bezweifeln.[85]

Der Chateauwald bei Ypern besteht nach den intensiven Artilleriebombardements nur noch aus Baumstümpfen (1917)

Als nach ersten militärischen Erfolgen des deutschen Heeres im Osten der mit dem Schlieffen-Plan verbundene Vorstoß im Westen ab September 1914 im Stellungs- und Grabenkrieg zum Erliegen kam, als die Materialschlachten zu hohen Verlusten an der Front führten und die Kriegswirtschaft zu Versorgungsengpässen und -notlagen in der heimischen Zivilbevölkerung, bröckelte die anfänglich geschlossene Unterstützung für die von der Obersten Heeresleitung (OHL) unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff seit August 1916 zunehmend dominierte Reichsregierung. Zwar konnte 1918 im Friedensvertrag von Brest-Litowsk mit der aus der Oktoberrevolution in Russland hervorgegangenen Sowjetregierung ein aus Sicht der OHL vorteilhafter Frieden geschlossen werden; dennoch wurde mit dem Kriegseintritt der USA die Lage des deutschen Heeres im Westen entgegen der noch im Sommer 1918 optimistisch ausgerichteten Kriegspropaganda zunehmend unhaltbar.

Ende September 1918 überraschte die OHL die deutsche Öffentlichkeit mit der Forderung, die politisch Verantwortlichen müssten nunmehr umgehend Waffenstillstandsverhandlungen aufnehmen. Diese Wendung führte zu den Oktoberreformen, auf deren Grundlage erstmals ein parlamentarisches Regierungssystem gebildet wurde, die nun aber auch für den Ausgang des Krieges würde einstehen sollen. Kurzzeitig und einmalig in seiner Geschichte war Deutschland vom 28. Oktober bis zum 9. November 1918 eine parlamentarische Monarchie. Noch während der laufenden Bemühungen um einen Waffenstillstand erteilte die Seekriegsleitung den Befehl an die Flotte, zu einer auf den ehrenvollen Untergang angelegten letzten Schlacht gegen die Royal Navy auszulaufen. Diesem Befehl verweigerten die Schiffsbesatzungen in Wilhelmshaven und Kiel den Gehorsam, und der daraus sich entwickelnde Kieler Matrosenaufstand weitete sich aus zur Novemberrevolution der Arbeiter und Soldaten, die die Monarchie in Deutschland beseitigte und im Ergebnis der politischen Richtungskämpfe zur Ausbildung einer parlamentarischen Republik führte.

Weimarer Republik (1918/19–1933)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Das Deutsche Reich 1919–1937

Inmitten der revolutionären Unruhen erfolgte am 9. November 1918 eine zweifache Ausrufung der Republik: durch Philipp Scheidemann mit parlamentarischer Zielsetzung, durch Karl Liebknecht mit sozialistischer Ausrichtung. Unter dem Druck der revolutionären Arbeiter- und Soldatenräte kam es zu einer Übergangsregierung bestehend aus je drei „Volksbeauftragten“ der Mehrheits- und der Unabhängigen Sozialdemokratie. Ein Reichsrätekongress im Dezember 1918 in Berlin machte aber mit großer Mehrheit den Weg frei für Wahlen zu einer Verfassunggebenden Nationalversammlung, erstmals mit Einschluss des Frauenwahlrechts. Da die Unruhen aber anhielten – im Januar 1919 wurde der Spartakusaufstand durch Freikorps-Truppen niedergeschlagen und dessen führende Köpfe Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet –, verlegte man den Tagungsort der Nationalversammlung nach Weimar. Auch in dieser Hinsicht war die Weimarer Republik das Ergebnis anfänglicher Improvisationen.[86]

Die Nationalversammlung hatte die Aufgabe, dem Deutschen Reich eine neue politische Ordnung zu geben, was in Form der am 14. August 1919 in Kraft getretenen Weimarer Verfassung geschah, und sie fungierte gleichzeitig als Parlament, stimmte über Gesetze und Haushaltsfragen ab, wählte ein neues Staatsoberhaupt (Reichspräsident Friedrich Ebert) und bildete eine breite Regierungskoalition, die sog. Weimarer Koalition, aus der am 13. Februar 1919 das Kabinett Scheidemann hervorging. Unter den sowohl innen- wie außenpolitisch äußerst schwierigen Nachkriegsbedingungen strebte es eine soziale Befriedung und die Umstellung der Kriegs- auf eine Friedenswirtschaft an. Umstritten waren bei dieser Neuordnung Sozialisierungsmaßnahmen in bestimmten Wirtschaftsbereichen wie auch Möglichkeiten und Ausmaß einer personellen Erneuerung in den Bereichen Verwaltung, Justiz und Militär, um mit den gesellschaftspolitischen Strukturen des Kaiserreichs zu brechen. Diesbezüglich wird mitunter von einer „unvollendeten Revolution“ gesprochen. Vorerst unumstritten waren hingegen die Einführung des Achtstundentags, die Anerkennung der Gewerkschaften und das Betriebsrätegesetz.

Berliner Tageszeitung meldet, dass in New York ein Dollar eine Million Mark kostet, Juli 1923

Zur inneren Zerreißprobe und dauerhaften Belastung der Weimarer Republik wurde die Auseinandersetzung um die Unterzeichnung des von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs ausgehandelten Versailler Vertrags durch Deutschland.[87] Mit Gebietsabtretungen, Reparationsforderungen und Abrüstungsauflagen war zugleich das Eingeständnis gefordert, dass Deutschland und seine Verbündeten „Urheber aller Verluste und aller Schäden“ seien, was als offizielles Schuldeingeständnis interpretiert wurde und in Deutschland ganz überwiegend als „Kriegsschuldlüge“ aufgefasst wurde.[88] Um die deutsche Position in den Friedensverhandlungen nicht zusätzlich zu schwächen, blieben Dokumente, die die kaiserzeitliche politische Führung belasteten, mit sozialdemokratischer Unterstützung unter Verschluss. Als die Nationalversammlung unter ultimativem Druck der Siegermächte dem Vertrag schließlich doch zustimmte, trat Scheidemann als Regierungschef zurück.

Anhaltende politische Instabilität und republikfeindliche Tendenzen begleiteten die Weimarer Republik auch weiterhin. Im März 1920 trieb der von oppositionellen Militärs initiierte Kapp-Putsch die Berliner Regierung zunächst in die Flucht, scheiterte jedoch am entschlossenen Widerstand und Generalstreik breiter Bevölkerungskreise. Der Ruhraufstand der Roten Ruhrarmee wurde von der Reichsregierung niedergeschlagen. Matthias Erzberger und Walther Rathenau wurden 1921 bzw. 1922 von rechtsterroristischen Attentätern der Organisation Consul als „Erfüllungspolitiker“ im Hinblick auf den Versailler Vertrag ermordet. 1923 kam es zu einer mehrseitig bedrohlichen staatlichen Existenzkrise: Neben der durch Kriegsfinanzierung, Reparationspflichten und finanzpolitische Weichenstellungen bedingten Großen Inflation des Jahres 1923, in der das sparfreudige Bürgertum alle verbliebenen Geldreserven verlor, führte der Ruhrkampf im geschwächten Rheinland zu separatistischen Aktivitäten. Im Hamburger Aufstand kam es zu kommunistischen Machtkämpfen, in Sachsen (Gesamtministerium Zeigner) und in Thüringen (Kabinett Frölich II) zur Beteiligung der KPD an den Landesregierungen. In München, das 1919 kurzzeitig von einer Räterepublik regiert worden war, fand am 9. November 1923 der Hitlerputsch statt.

Konferenz von Locarno 1925: Gustav Stresemann mit Austen Chamberlain (Mitte) und Aristide Briand (rechts)

Die Beendigung von Ruhrkampf und Großer Inflation gelang im Herbst 1923 durch eine Währungsreform unter dem kurzzeitigen Reichskanzler Gustav Stresemann, der im Zusammenwirken mit Reichspräsident Ebert auch die anderen Krisenherde unter Kontrolle brachte. Mit Hilfe des Dawes-Plans wurde ab 1924 eine relative Stabilisierung der Weimarer Republik erreicht. Dabei kam es in verbesserter Finanzlage unter anderem zum Infrastrukturausbau, zu Wohnungsbauprogrammen und 1927 zur Einführung der Arbeitslosenversicherung. Die Rede von den „goldenen zwanziger Jahren“ hat aber nicht in politisch oder wirtschaftlich glanzvollen Zeiten ihren Ursprung, sondern bezieht sich auf „die stürmische Entfaltung eines neuen Lebensgefühls und die eruptive Freisetzung schöpferischer geistiger Kräfte in einem kurzen Jahrzehnt denkbar weitgehender Freiheit und großer Vielfalt des geistig-künstlerischen Schaffens.“[89] Den diesen Aufbruch tragenden Kräften standen breite konservative Strömungen gegenüber, die sich kulturpessimistisch und zivilisationskritisch zur künstlerischen und intellektuellen Avantgarde etwa in der Malerei, in Literatur und Theater oder in der Architektur verhielten.

Mit der Neuregelung der Reparationsbedingungen im Dawes-Plan, dem ein Zustrom amerikanischer Kredite und Investitionen nach Deutschland folgte, ging auch die außenpolitische Isolierung des Landes nach dem Ersten Weltkrieg zu Ende. In den Locarno-Verträgen sicherte das Deutsche Reich die Anerkennung der Westgrenzen gemäß Versailler Vertrag zu und wurde am 8. September 1926 in den Völkerbund aufgenommen. Die diesen Verständigungsprozess gestaltenden Außenminister Frankreichs und Deutschlands, Briand und Stresemann, erhielten dafür gemeinschaftlich den Friedensnobelpreis.

Massenelend auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise 1932: Speisesaal eines Obdachlosenasyls in Berlin-Prenzlauer Berg

Ausdruck einer zunehmenden Rechtsverschiebung des politischen Spektrums in der Republik war nach dem Tod Friedrich Eberts die Reichspräsidentenwahl 1925, aus der der 77-jährige Paul von Hindenburg als Sieger hervorging, der die Dolchstoßlegende populär gemacht hatte. Andererseits kam es nach der Reichstagswahl 1928 zur Bildung einer großen Koalition der Parteien SPD, DDP, des Zentrums, der BVP und der DVP unter Führung des sozialdemokratischen Reichskanzlers Hermann Müller. Die Koalition zerbrach im März 1930 im Streit um die Finanzierung der 1927 eingeführten Arbeitslosenversicherung, die seit Frühjahr 1929 unterfinanziert war. Hinzu kamen der Young-Plan, der zwar die jährlichen Reparationszahlungen senkte, die Verantwortung für deren Transfer aber Deutschland selbst übertrug, und die durch den New Yorker Börsenkrach im Oktober 1929 ausgelöste Weltwirtschaftskrise, die den Zustrom amerikanischer Kredite nach Deutschland beendete.[90] Ob der Bruch der Großen Koalition auf die divergierenden sozialpolitischen Positionen ihrer Flügelparteien SPD und DVP oder auf die erklärte Absicht von Reichspräsident und Reichswehrführung zurückzuführen ist, die SPD aus der Regierung zu drängen, ist seit 1957 umstritten.[91]

Stimmzettel der Reichspräsidentenwahl 1932

Hindenburg ernannte den als Finanzpolitiker profilierten Zentrumsmann Heinrich Brüning zum Reichskanzler und unterstützte ihn in den Jahren 1930 bis 1932 mit allen Befugnissen, die ihm laut Weimarer Verfassung zu Gebote standen: Das Notverordnungsrecht nach Artikel 48 der Verfassung, die Möglichkeit der Reichstagsauflösung nach Artikel 25 mit nachfolgenden Neuwahlen und die Ernennung des Reichskanzlers ohne Wahl durch den Reichstag nach Artikel 53. Nachdem der Reichstag erstmals eine Notverordnung Brünings mit Mehrheit abgelehnt und dadurch aufgehoben hatte, wurde er aufgelöst, während Brüning blieb und in der Zeit bis zu den Neuwahlen wiederum per Notverordnung weiterregierte. Als die rechtsextreme Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) bei der Reichstagswahl am 14. September 1930 sprunghaft zu einer bedeutenden politischen Kraft im Reichstag anwuchs, entschloss sich die SPD bis auf Weiteres zur Tolerierung von Brünings Notverordnungsregime, während die oppositionellen Kräfte der äußersten Rechten sich in der kurzlebigen Harzburger Front sammelten. Mit harten Sparprogrammen, Steuererhöhungen und Leistungskürzungen war Brüning um die Vermeidung einer neuerlichen Inflation und um Zugeständnisse des Auslands bei den Reparationen bemüht, verschärfte im Zuge der Bankenkrise damit aber noch die wirtschaftliche Rezession. Frankreich und Großbritannien irritierte er mit Plänen für eine Deutsch-österreichische Zollunion.

Nach der Reichspräsidentenwahl 1932 entzog ihm Hindenburg Ende Mai seine Unterstützung und berief statt seiner Franz von Papen zum Reichskanzler, der die antiparlamentarische Stoßrichtung des Präsidialregimes mit seinem „Kabinett der Barone“ noch verstärkte. Sein autoritärer Kurs gipfelte in dem Preußenschlag vom 20. Juli 1932, mit dem er die geschäftsführende Regierung unter sozialdemokratischer Führung absetzte und in Abstimmung mit Hindenburg selbst als Reichskommissar für Preußen ihre Stelle einnahm. Im Reichstag hatte Papen kaum Unterstützer; seine Notverordnungen wurden, sofern der Reichstag nicht gerade aufgelöst war, mit drastischen Mehrheiten zurückgewiesen. Unter dem Eindruck der immer weiter massenhaft zunehmenden Arbeitslosigkeit und sozialen Not in der Weltwirtschaftskrise radikalisierte sich das Wählerverhalten noch zunehmend. Die beiden 1932 vorgenommenen Reichstagsauflösungen führten in den Reichstagswahlen sowohl des Julis als auch des Novembers jeweils dazu, dass die NSDAP stärkste Kraft im Reichstag wurde und eine negative Mehrheit der Demokratiegegner mit den Kommunisten bildete, sodass republikanische Regierungsmehrheiten in weite Ferne rückten.

Da Papen auch nach der Novemberwahl im Reichstag auf brüske Ablehnung stieß, machte Hindenburg, indem er Adolf Hitler das Amt zunächst noch verweigerte, den Reichswehrgeneral Kurt von Schleicher zum Reichskanzler. Als aber dessen „Querfront“ scheiterte, mit der er Teile der NSDAP abspalten und für eine übergreifende Gewerkschaftsinitiative gewinnen wollte, fand sich Hindenburg unter dem Einfluss seiner Berater bereit, den von Papen und Hugenberg vermeintlich „eingerahmten“ Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler zu ernennen.

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg (1933–1945)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Reichskanzler Adolf Hitler begrüßt Reichspräsident Paul von Hindenburg am 21. März 1933, dem Tag von Potsdam, aus Anlass der Konstituierung des am 5. März neugewählten Reichstags. Es war Hitlers einziger öffentlicher Auftritt in Cut und Zylinder.
Bücherverbrennung auf dem Opernplatz in Berlin am 10. Mai 1933
NS-Marschkolonne mit Hakenkreuzfahnen auf dem Rückweg vom Reichsparteitag (vermutlich 1938) an der Stadtgrenze Fürth/Nürnberg, antijüdische Propaganda am Ortsschild und Kinder mit Hitlergruß. Im Hintergrund ein Fabrikgebäude der „arisierten“, zuvor jüdischen Firma J. W. Spear & Söhne.
Fackelläufer auf dem Weg nach Berlin zu den als NS-Propaganda-Spektakel inszenierten Olympischen Spielen 1936
Großdeutsches Reich 1944

Mit Hitlers Reichskanzlerschaft begann am 30. Januar 1933 die Zeit des Nationalsozialismus. Die zur Diktatur zielführenden Schritte waren in den Grundzügen bei Hitlers Amtsantritt bereits vorgesehen und wurden im Prozess der „Machtergreifung“ durch die Ausschaltung sowohl der politischen Gegner als auch der anfänglichen Regierungspartner, unter Beseitigung hinderlicher Verfassungsbestimmungen, binnen weniger Monate beschleunigt. Einer erneuten Reichstagsauflösung durch Hindenburg am 31. Januar folgte als Reaktion auf KPD-Streikaufrufe schon am 4. Februar 1933 die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes zur Einschränkung der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Der Reichstagsbrand am 27./28. Februar, für den die NS-Führung sogleich die Kommunisten als Brandstifter verantwortlich machte, bot vor der für den 5. März angesetzten Reichstagsneuwahl für eine noch viel umfassendere Notverordnung Anlass, die für die kommenden Jahre praktisch jeden Schutz politischer Grundrechte auf Dauer außer Kraft setzte. Laut vorbereiteten Listen wurden umgehend profilierte NS-Gegner im linken Spektrum verhaftet. Die folgende Reichstagswahl verschaffte zwar dem Kabinett Hitler eine parlamentarische Mehrheit, nicht aber der NSDAP allein. Das bei der Regierungsbildung verabredete Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, das nach Streichung der kommunistischen Mandate und der überwiegenden Zustimmung des Zentrums die nötige Zweidrittelmehrheit erhielt, machte die Regierung und insbesondere Reichskanzler Hitler von jeglicher parlamentarischen Zustimmung unabhängig, sogar hinsichtlich verfassungsändernder Gesetze. Nun konnte der auf die Länder, auf die Verwaltungsbehörden, die Gewerkschaften wie auf die politischen Parteien gerichtete Gleichschaltungsprozess beschleunigt werden. Am 14. Juli 1933, nach dem Verbot bzw. der Selbstauflösung sämtlicher Parteien außer der NSDAP, wurde diese mit dem Gesetz gegen die Neubildung von Parteien zur einzig zugelassenen Partei in Deutschland. Die schon seit Februar 1933 in großer Zahl willkürlich festgenommenen NS-Widersacher wurden großteils in Konzentrationslagern inhaftiert.

Als attraktives Gegenbild zur Bekämpfung und Vernichtung ihrer tatsächlichen Gegner und vermeintlichen Feinde propagierten die Nationalsozialisten eine geschlossene Volksgemeinschaft, in der sich jeder nach Kräften nützlich machen und vorankommen sollte.[92] Mit ihr und durch sie sollte der „Schandfrieden“ von Versailles getilgt werden und das Deutsche Reich zu neuer Kraft und Größe aufsteigen. Gesellschaftliche Standesunterschiede galt es zu beseitigen, die Gleichwertigkeit körperlicher und geistiger Arbeit anzuerkennen, die „Volksgenossen“ unterschiedlicher Herkünfte bei Gemeinschaftsaufgaben zusammenzuführen. Dazu dienten teilnahmepflichtige Organisationen wie Hitlerjugend, Bund Deutscher Mädel, Reichsarbeitsdienst, Wehrdienst und eine Vielzahl weiterer Einrichtungen, unter denen sich die Freizeit- und Reiseorganisation Kraft durch Freude (KdF) besonderer Beliebtheit erfreute. Für die Verbreitung und Durchsetzung der NS-Weltanschauung in allen Gliederungen von Staat und Volk war als Hauptinstrument das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter Joseph Goebbels zuständig, dem auch die Zensur der veröffentlichten Meinung in Schrift und Bild unterlag. Am 10. Mai 1933 war er der Hauptredner bei der Bücherverbrennung auf dem Opernplatz, die von Studenten der Friedrich-Wilhelms-Universität „wider den undeutschen Geist“ veranstaltet wurde. Gerade unter den Nachwuchsakademikern waren die NSDAP-Anhänger bereits zu Zeiten der Weimarer Republik besonders stark vertreten, stand die Partei in ihren Augen doch für die Überwindung verkrusteter Strukturen, für Modernität, Mobilität und Egalität: „Den hochgespannten Erwartungen, an dem großen Projekt einer Modernisierung Deutschlands unter den Auspizien eines dynamisierten Nationalismus selber teilnehmen zu können, entsprach offenbar glaubwürdig die messianische Vision eines – im Vergleich mit allen anderen Parteipolitikern – ganz ungewöhnlichen charismatischen «Führers» mit einer extraordinären «Willenspotenz» und der rhetorischen Fähigkeit, das Erreichen großartiger Ziele zu einer unumstößlichen Gewißheit zu erheben.“[93] Seit Anfang April 1933 gab es ein Hauptamt für Presse und Propaganda der Vereinigten Deutschen Studentenschaften, das in einem Rundschreiben jeden Studenten aufforderte, seine und die Bibliotheken seiner Bekannten zu „säubern“ und dafür zu sorgen, dass „ausschließlich volksbewusstes Schrifttum darin heimisch ist.“[94]

Wer dagegen von den Nationalsozialisten nicht zur Volksgemeinschaft gezählt wurde, ihnen unnütz erschien, abweichende Ansichten vertrat oder sich ihnen in den Weg stellte, wurde diskriminiert und verfolgt. Das galt, wie die politischen Morde im Zusammenhang mit dem angeblichen Röhm-Putsch zeigten, mit denen die SA zugunsten der Wehrmacht und zum Vorteil der SS entmachtet wurde, sogar für eine mögliche Opposition innerhalb der NSDAP gegen den Kurs Hitlers. Die christlichen Kirchen der Katholiken und der Protestanten ließ man gewähren, nachdem die Zentrumspartei als politischer Akteur verschwunden war und sofern nicht vereinzelt opponiert wurde. Mit dem Vatikan wurde ein Konkordat geschlossen, das unter anderem die Bekenntnisschulen und den katholischen Religionsunterricht zusicherte. Gegen Juden in Deutschland kam es bereits im April 1933 zu einer organisierten Boykott-Aktion. 1935 wurden sie durch die Nürnberger Gesetze ausgebürgert, 1938 in und nach der Reichspogromnacht, in der randalierende uniformierte SA- und SS-Leute mehr als 1400 Synagogen in Deutschland zerstörten, vielfach schwer und teils tödlich misshandelt und ihrer wirtschaftlichen Existenz beraubt. Die Verfolgungen gegen Sinti und Roma sowie von Deutschen mit Geisteskrankheiten oder angeborenen Behinderungen, denen das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses galt, forderten im Sinne der „Rassenhygiene“ weitere Opfer. Die nationalsozialistische Propaganda bezeichnete solche Menschen als „lebensunwertes Leben“. Im Rahmen der Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus wurden sie ab 1939 in der Aktion T4, ab 1943 in der Aktion Brandt massenhaft umgebracht.

Begünstigt von der einsetzenden wirtschaftlichen Erholung und rückläufigen Arbeitslosigkeit – auch ungeachtet der spezifisch nationalsozialistischen Beschäftigungsprogramme, unter denen der Autobahnausbau das bekannteste ist – fanden die NS-Diktatur und ihr „Führer“ rasch wachsende Zustimmung. Einige Tage nach dem Tod Hindenburgs ließ sich Hitler im August 1934 in der „Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs“ von der deutschen Bevölkerung als Führer und Reichskanzler bestätigen. Die Saarabstimmung 1935, der Einmarsch deutscher Truppen in das gemäß Versailler Vertrag entmilitarisierte Rheinland 1936 und der Anschluss Österreichs im März 1938 wurden als Schritte zu neuer deutscher Größe propagandistisch gefeiert. Gemäß seinem in „Mein Kampf“ niedergelegten Programm ging es Hitler aber darüber hinaus um die Eroberung von „Lebensraum im Osten“ für das deutsche Volk durch die Unterwerfung der Sowjetunion. Bereits 1936 gab er einen geheimen Vierjahresplan aus mit der Vorgabe, binnen vier Jahren die Aufrüstung der Wehrmacht zur Einsatzfähigkeit voranzutreiben und die deutsche Wirtschaft kriegsfähig zu machen. Finanziert wurden diese Pläne durch verdeckte Staatsschulden, die nur aus Kriegsgewinnen hätten getilgt werden können. Schon im Herbst 1938 legte es Hitler in der Auseinandersetzung um das Sudetenland auf eine militärische Intervention mit weiter reichenden Optionen an, musste sich dann aber mit dem Münchner Abkommen begnügen. Mit der Zerschlagung der Tschechoslowakei und dem Ultimatum an Litauen zur Rückgabe des Memellandes im März 1939 endeten die Appeasement-Politik und ungehinderte Expansion des NS-Staates. Für den Fall eines deutschen Angriffs auf Polen gaben Großbritannien und Frankreich eine Beistandsgarantie.

Ausgehungerte sowjetische Kriegsgefangene im KZ Mauthausen
Buchenwald bei Weimar am 24. April 1945

Mit dem überraschenden, die Vermeidung eines Zweifrontenkriegs begünstigenden Hitler-Stalin-Pakt erschien Hitler der Überfall auf Polen als ein überschaubares Risiko. Am 1. September 1939 begann das Deutsche Reich mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg. Der Blitzkrieg war von Polen über Norwegen und im Westfeldzug so erfolgreich, dass Hitler trotz der am energischen Widerstand unter Winston Churchill gescheiterten Luftschlacht um England am 22. Juni 1941 das Unternehmen Barbarossa und den darauf folgenden Krieg gegen die Sowjetunion befahl. Der deutsche Vormarsch wurde von der weit unterschätzten Roten Armee mit Einbruch des Winters in der Schlacht um Moskau gestoppt. Doch auch den gerade nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor in den Krieg eingetretenen USA erklärte Hitler am 11. Dezember 1941 deutscherseits den Krieg. Die auf „Lebensraum“-Eroberung gerichtete militärische Ostexpansion des nationalsozialistischen Deutschland sah auch für die einheimische Zivilbevölkerung keinerlei Schonung vor. Vielmehr zielten Zwangsarbeit und Aushungern auf eine radikale Dezimierung der slawischen „Untermenschen“, an deren Stelle arische „Herrenmenschen“ als Kolonisten in einem künftigen „Großgermanischen Reich“ herrschen sollten. Im Generalplan Ost war die „Verschrottung“ von 31 Millionen Slawen vorgesehen, im Protokoll der Wannseekonferenz die Vernichtung von 11 Millionen Juden im Rahmen des Holocaust. Zwischen 1941 und 1944 stieg die Zahl der nach Deutschland verschleppten Zwangsarbeiter von drei auf acht Millionen. Das dem KZ Auschwitz angeschlossene Zwangsarbeiterlager Auschwitz-Monowitz gehörte zum oberschlesischen Chemie-Komplex, der Dimensionen annahm, die denen des Ruhrgebiets kaum nachstanden.[95] Den Juden in Europa hatte Hitler bereits Anfang 1939 die Vernichtung angedroht. Seit September 1941 waren sie gezwungen, den Judenstern zu tragen. Auf der Wannseekonferenz im Januar 1942 wurden Zuständigkeiten und Organisation bezüglich der „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen, nachdem das Morden der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD bereits im Juli 1941 begonnen hatte. Nach der Deportation in Ghettos wie das Ghetto Theresienstadt, Ghetto Riga oder das Warschauer Ghetto wurde die Ermordung der Juden im besetzten Osten Europas seit Herbst 1941 mit Gaskammern und Verbrennungseinrichtungen auch industriell betrieben. Neben Auschwitz-Birkenau gehörten im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ zu den großen Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka. Bis zum Kriegsende wurden etwa sechs Millionen europäische Juden ermordet, darunter über drei Millionen polnische Juden.

Nachdem die militärische Front des NS-Reiches und seiner Verbündeten 1942 ihre größte Ausdehnung im Osten erreicht hatte, setzte mit der verlorenen Schlacht von Stalingrad der Umschwung ein, der auf deutscher Seite in einen noch mehr als zwei Jahre währenden Krieg der erzwungenen Rückzüge, Zwischenoffensiven, Kapitulationsverbote und Durchhalteparolen mündete; und zwar nicht nur im Osten, sondern auch im Afrikafeldzug und im Italien des verbündeten Faschistenführers Benito Mussolini; nach der angloamerikanischen Invasion in der Normandie im Juni 1944 schließlich auch im Westen. Nachdem deutsche Bomber im Spanischen Bürgerkrieg zunächst den Luftangriff auf Guernica, bei der Luftschlacht um England The Blitz auf London und die Luftangriffe auf Coventry ausgeführt hatten, verlagerte sich der Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg ab 1943 auf deutsche Großstädte. Alliierte Luftstreitkräfte, darunter das RAF Bomber Command, richteten mit Spreng- und Brandbomben verheerende Schäden an. Das bis zuletzt verschonte Dresden wurde noch im Februar 1945 in Schutt und Asche gelegt.

Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus blieb auch angesichts der sich anbahnenden Kriegsniederlage begrenzt und durch den Terror-Apparat (Reichssicherheitshauptamt, Gestapo) beherrschbar, zumal die Propaganda bis zuletzt auf den „Endsieg“ einschwor. Im zeitgenössischen Umfeld praktisch wirkungslos blieben auch die heute berühmten Flugblattaktionen der Weißen Rose oder das von Mitgliedern des Kreisauer Kreises inspirierte Attentat vom 20. Juli 1944, das Claus Schenk Graf von Stauffenberg erfolglos auf Hitler verübte. Einige Wirkung zeigte immerhin der öffentliche Einsatz des Münsteraner Bischofs von Galen gegen die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Im Regelfall wurden aktiv Widerständige als Hoch- und Landesverräter behandelt und hingerichtet, teils auch ohne Aburteilung durch den Volksgerichtshof.

In den letzten Kriegsmonaten kam es mit dem Vorrücken der Roten Armee an die Reichsgrenzen zu Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung im Osten, mitbedingt durch die von der Sowjetunion betriebene Westverschiebung Polens. Betroffen waren mehr als 12 Millionen Deutsche, von denen über zwei Millionen dabei umkamen. Während der Schlacht um Berlin verfasste Hitler sein politisches Testament und erschoss sich am 30. April 1945. Die deutsche Kapitulation wird auf den 8. Mai 1945 datiert. Die Verhaftung der letzten Reichsregierung unter Karl Dönitz im Sonderbereich Mürwik erfolgte erst am 23. Mai 1945.

Das geteilte Deutschland (1945–1990)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die vier Besatzungszonen gemäß dem Potsdamer Abkommen, das freie Saarland und die unter polnische und sowjetische Verwaltung gestellten Ostgebiete des Deutschen Reiches (Stand: Juni 1947 bis April 1949)

Die mit der Kapitulation besiegelte Niederlage des „Dritten Reiches“ am Ende des „totalen Krieges“ war als historische Zäsur noch durchdringender als der Weltkriegsausgang 1918.[96] Sie führte zur Teilung Deutschlands, wobei sich aus den Besatzungszonen der vier Siegermächte im Rahmen des Alliierten Kontrollrats schließlich zwei deutsche Staaten ergaben. Die deutsche Teilung bedeutete aber auch den faktischen Verlust aller Gebiete östlich der Oder-Neiße-Grenze, die seit der mittelalterlichen Ostsiedlung unter deutsche Hoheit gelangt waren. Das in den Kalten Krieg übergehende, durch systembedingte politische und wirtschaftliche Interessenkonflikte verursachte Zerwürfnis zwischen den drei westlichen Mächten und der Sowjetunion bewirkte einen viereinhalb Jahrzehnte andauernden Teilungsprozess bezüglich der politischen Systeme und bei der Entwicklung staatsbürgerlicher Identitäten in beiden deutschen Staaten. Zwar bestand ein Bewusstsein für Zusammengehörigkeit der Deutschen bei vielen DDR-Bewohnern fort, wie sich 1989/90 zeigen sollte; die unterschiedlichen Sozialisations- und Lebensbedingungen in Ost und West wirken aber auch nach erfolgter Wiedervereinigung in vielen Bereichen des individuellen und gesellschaftlichen Lebens nach, wie es grob vereinfachend in dem Bild von der „Mauer in den Köpfen“ zwischen „Ossis“ und „Wessis“ zum Ausdruck kommt.

Besatzungszeit (ab 1945)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Deutsche Kinder aus den polnisch verwalteten Gebieten in einem kleinen Ort Westdeutschlands angekommen, August 1948

Das Ende von Krieg und NS-Herrschaft wurde zur Befreiung für die Vielzahl der vom Regime Verfolgten, in Lagern Internierten und tödlich Bedrohten, darunter neben Juden auch deportierte Zwangsarbeiter hauptsächlich östlicher Herkunft und Kriegsgefangene sowie die unterschiedlich motivierten Widerständler und inneren Emigranten. Auch für die übrige deutsche Bevölkerung ging nun die Schreckenszeit der nächtlichen Luftangriffe und der schließlich sogar nach innen gerichteten Zerstörungswut Hitlers und seiner Gefolgsleute zu Ende, die weder Industrieanlagen noch Elektrizitätswerke oder überhaupt eine überlebenswichtige Einrichtung unzerstört den Alliierten überlassen wollten und die den „Verbrannte-Erde-Befehl“ ihres Führers möglichst gründlich umzusetzen trachteten.[97] Mancher Empfänger widersinniger Befehle und Durchhalteparolen verweigerte nun die Selbstaufopferung und suchte die eigene Haut zu retten. Die Mehrheit der Deutschen, darunter Vertriebene, Ausgebombte, Hungernde und vergewaltigte Frauen mit ihren Familien, erlebte zunächst keine Befreiung vom Nationalsozialismus, sondern einen allgemeinen Zusammenbruch und das damit einhergehende Elend als „Stunde Null“.

Die von den Hauptsiegermächten auf der Potsdamer Konferenz getroffenen Vereinbarungen sahen für Deutschland eine grundlegende Abkehr von den NS-Strukturen in verschiedener Hinsicht vor: Entnazifizierung mittels strikter Demilitarisierung und Demokratisierung, politische Dezentralisierung verbunden mit einer wirtschaftlichen Dekartellierung und neuen Reparationsforderungen: Demontagen industrieller Anlagen sollten die Kriegsschäden der Anti-Hitler-Koalition zum Teil ausgleichen, was insbesondere die Sowjetunion in ihrer Besatzungszone, der SBZ, in die Tat umsetzte. Zusätzlich wurde dort bis 1947 48 Prozent des gesamten Schienennetzes demontiert[98]. Seitens der USA wurden 1945–1947 alle deutschen Patente und Industriegeheimnisse beschlagnahmt – nach John Gimbel eine durchgreifende Beraubung des deutschen technischen Wissens im Wert von fast 10 Milliarden US-Dollar.[99] Ende 1950 wurden die Demontagen in der Bundesrepublik eingestellt. Frankreich forderte basierend auf den Plänen Jean Monnets (1946–1950), das Saar- und Ruhrgebiet von Deutschland abzutrennen. Die Ruhrbehörde wurde aber 1952 durch die Montanunion abgelöst; und nach der gemäß den Pariser Verträgen durchgeführten Volksabstimmung wurde das Saarland am 1. Januar 1957 der damaligen Bundesrepublik angegliedert. Im Rahmen der Entnazifizierung sollten Haupt- und Mitverantwortliche in NSDAP, Staatsapparat und Wirtschaft je nach ihrer Belastung zur Rechenschaft gezogen, aus ihren Positionen entfernt und bestraft werden. Die überlebenden Hauptverantwortlichen wurden in den Nürnberger Prozessen der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt und je nach Beweislage und Größe der Schuld zu Freiheitsstrafen oder zum Tode verurteilt, einige freigesprochen. Für die breite Bevölkerung in den Westzonen wurde ein Entnazifizierungsverfahren entwickelt, wobei mit umfangreichen Fragebögen in Spruchkammerverfahren eine Einteilung in fünf Kategorien, von Kriegsverbrechern und Belasteten über Mitläufer bis zu Entlasteten vorgenommen wurde. Der Anteil der auf diese Weise als belastet eingestuften Personen war gering.[100] In der SBZ gab es keine Fragebogenaktion, aber einen intensiv und anhaltend propagierten Antifaschismus sowie mehr als eine halbe Million Entlassungen früherer Nationalsozialisten bis 1948. Dennoch waren beispielsweise mehr als die Hälfte aller Schuldirektoren in der DDR Anfang der 1950er Jahre ehemalige NSDAP-Parteimitglieder.[101]

August 1947: Frauen und Mädchen, die in sowjetische Kriegsgefangenschaft kamen, im Heimkehrlager Polte Nord. In Rumänien und Jugoslawien wurden im Dezember 1944 zehntausende „Volksdeutsche“ im Alter von 18 bis 40 Jahren ergriffen, ein Großteil davon Frauen. 16 Prozent der Gefangenen überlebten die Arbeitslager des Donezbeckens nicht.

Viele deutsche Zwangsarbeiter in der Sowjetunion waren inhaftierte Soldaten des Ostheeres. Zusätzlich dazu überließen die US-Amerikaner den Sowjets einen Teil ihrer Gefangenen. Die letzten Heimkehrer gelangten 1955 nach Deutschland.

Emblem der SED

Politisch und wirtschaftlich stellten die Besatzungsmächte die Weichen in ihren Zonen jeweils im Sinne der eigenen Zielvorstellungen und Systemlogik. Während in der sowjetisch besetzten Zone schon 1945 eine Bodenreform zur Enteignung von Großgrundbesitzern und zur Schaffung kleinbäuerlicher Existenzen durchgeführt wurde, unterblieb Derartiges im Westen. Allerdings intervenierte die amerikanische Besatzungsmacht gegen eine in der Verfassung des Landes Hessen vorgesehene Option zur Sozialisierung hauptsächlich von Grundstoffindustrien.

Je deutlicher der Ost-West-Gegensatz sich im weltpolitischen Maßstab ausbildete, desto klarer schlug er sich auch in der Deutschlandpolitik der Großmächte nieder. Während die sowjetische Besatzungsmacht die Zwangsvereinigung von SPD und KPD in ihrer Zone durchsetzte und freie Wahlen nach ersten SED-Misserfolgen für die Zukunft ausschloss, unterstützten die Westmächte die Ausbildung konkurrierender Parteien im Rahmen eines demokratischen Pluralismus. Die Gründung diverser Parteien auch in der SBZ hatte dagegen nur scheinbar eine demokratische Funktion. Es galt von vornherein das aus Moskau von der Gruppe Ulbricht für den ostdeutschen Wiederaufbau mitgebrachte Motto: „es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“[102]

General Dwight D. Eisenhower und Lt. General Lucius D. Clay auf dem Flugplatz Gatow in Berlin

In der Truman-Doktrin boten die USA 1947 allen vom „Totalitarismus“ bedrohten Ländern ihre Hilfe an:[103] Westdeutschland wurde mit dem Marshallplan wirtschaftlich in die Lage versetzt, bald wieder eine wichtige Rolle unter den marktwirtschaftlichen Ökonomien der westlichen Welt zu spielen. Darauf bereitete 1947 auch der Zusammenschluss der amerikanischen und britischen Besatzungszone zur Bizone vor, die mit französischer Beteiligung im April 1949 zur Trizone erweitert wurde. Mit der Londoner Sechsmächtekonferenz im März 1948 wurden von westlicher Seite die Weichen für die Gründung eines von der SBZ separierten deutschen Teilstaats gestellt, was den Protest der Sowjetunion hervorrief und ihren Auszug aus dem Alliierten Kontrollrat zur Folge hatte. Die Währungsreform in den Westzonen und in den Westsektoren Berlins im Juni 1948 beantwortete die sowjetische Besatzungsmacht mit einer Währungsreform in der SBZ und in Ost-Berlin sowie mit der Berlin-Blockade, sodass die Bewohner West-Berlins von jeglicher Versorgung abgeschnitten zu werden drohten. Oberbürgermeister Ernst Reuter gelang es, den amerikanischen Militärgouverneur Lucius D. Clay vom Freiheitswillen und von der engen Bindung der West-Berliner an die Westalliierten zu überzeugen und für die Errichtung der Berliner Luftbrücke gemeinsam mit der britischen Royal Air Force zu gewinnen.

In den an die Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder am 1. Juli 1948 übergebenen Frankfurter Dokumenten formulierten die Westmächte ihre Forderungen und Bedingungen bezüglich der Gründung eines westdeutschen Staates. In zwei Konferenzen bis zum Monatsende (Rittersturz-Konferenz und Niederwaldkonferenz) gaben die westdeutschen Länderverantwortlichen dieser Aufforderung unter der Bedingung nach, dass der zu errichtende Weststaat als ein Provisorium anzulegen sei und das Ziel einer späteren Wiedervereinigung aller Deutschen in einem Staat ausdrücklich erhalten bliebe. Mit der Ausarbeitung eines Grundgesetzes statt einer Verfassung beauftragt wurde deshalb nach Vorarbeiten durch den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee anstelle einer Verfassunggebenden Versammlung ein Parlamentarischer Rat, der in Bonn zusammentrat. Das von den westdeutschen Ländern bis auf Bayern ratifizierte und von den Militärgouverneuren der Westmächte genehmigte Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland wurde am 23. Mai 1949 verkündet.

In Reaktion auf diese Vorgänge und parallel dazu fanden auch in der SBZ Vorbereitungen für die Gründung eines separaten Staates nach sowjetischen Leitlinien statt: Aus der Volkskongressbewegung ging ein von SED-Mitgliedern dominierter Deutscher Volksrat hervor, der einen SED-nahen Verfassungsentwurf präsentierte und beschloss, den wiederum der Dritte Deutsche Volkskongress verabschiedete. Damit war der Weg in die staatliche Teilung Deutschlands festgelegt.

Bundesrepublik Deutschland (1949–1990)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Bundeskanzler Konrad Adenauer mit Theodor Heuss, zwei Tage nach dessen Verabschiedung am 14. September 1959

Bei den Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949 erlangten die neu formierten Parteien von CDU/CSU, FDP und DP Stimmanteile, die dazu ausreichten, den bereits im Parlamentarischen Rat zum Präsidenten gewählten CDU-Vorsitzenden Konrad Adenauer mit einer Stimme Mehrheit (seiner eigenen) zum Bundeskanzler zu wählen. Die SPD um Kurt Schumacher und Carlo Schmid war danach für gut anderthalb Jahrzehnte die führende Oppositionspartei. Erster Bundespräsident wurde der FDP-Vorsitzende Theodor Heuss.

Die Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland stand anhaltend im Zeichen der Kriegsfolgenbewältigung und des wirtschaftlichen Wiederaufbaus. Nachdem die Trümmerfrauen den Schutt abgetragen hatten, die allgemeine Versorgungslage sich stabilisiert hatte und Lebensmittelmarken wie Schwarzmarktbeschaffungen nicht mehr gebraucht wurden, ging es in Politik und Alltag um die Beseitigung von Wohnraumnot und um die Herstellung einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft. Deren Motor und leitender Verfechter war bereits seit seiner Zeit als Wirtschaftsdirektor der Bizone Ludwig Erhard, nun Wirtschaftsminister im Kabinett Adenauer und später dessen Nachfolger als Bundeskanzler. Erhards Weichenstellung mit der Freigabe der Preise wurde bis 1950 auf eine harte Probe gestellt, als die Arbeitslosenzahlen von 1948 (400.000) auf über zwei Millionen anstiegen. Erst als der Preisauftrieb der Korea-Krise in einen Korea-Boom überging, der die unausgelasteten Produktionskapazitäten der westdeutschen Industrie ins Spiel brachte, die Exportwirtschaft ankurbelte und den Durchbruch zu anhaltendem Wirtschaftswachstum brachte, kam das Wirtschaftswunder in Gang. Vollbeschäftigung, wachsender Wohlstand und der Durchbruch zur Konsumgesellschaft waren die Folge.[104]

Beim Neu- und Wiederaufbau der Städte orientierten sich Stadtplaner an der Charta von Athen (CIAM) von 1933 und damit am Leitbild der autogerechten Stadt. Wohnen und Gewerbe wurden damit häufig voneinander getrennt. Fortan wurden auch zahlreiche suburbane Satellitenstädte („Schlafstädte“) geplant. Diese Art der Stadtentwicklung wurde teils bereits seit den 1960er Jahren als Fehlentwicklung wahrgenommen.[105][106]

Aus dem wirtschaftlichen Boom der Nachkriegsjahre entstanden Verteilungsspielräume, die sich auch sozialpolitisch niederschlugen. Nicht nur höhere Löhne und Einkommenssteigerungen, sondern auch die Beteiligung der Rentner an den Zuwächsen durch Einführung der dynamischen Rente 1957 sorgten dafür, dass Arbeiterschaft, Gewerkschaften und Sozialdemokratie nun nicht mehr auf Zerschlagung, sondern auf Ergänzung der Marktwirtschaft durch Ausbau des Sozialstaats setzten. Ein starker Impuls in Richtung auf eine ausgleichende Sozialpolitik in der deutschen Nachkriegsgesellschaft war aber mit der nötigen Integration der Millionen von Vertriebenen aus dem osteuropäischen Raum gesetzt. Speziell darauf zielte das Lastenausgleichsgesetz von 1952, das durch langzeitlich verteilte, mäßige Vermögensabgaben der Nichtgeschädigten die mittellos Hinzugekommenen u. a. mit Eingliederungshilfen, Hausratentschädigung und Aufbaudarlehen unterstützte.

Briefmarken-Jahrgang 2005 der Bundesrepublik Deutschland

Außenpolitisches Hauptziel der Regierung Adenauer nach dem Petersberger Abkommen war in den Anfangsjahren der Bundesrepublik die Wiederherstellung der vollen staatlichen Souveränität gegenüber den westlichen Siegermächten. Dies kam in einer von wechselseitigen Interessen bestimmten starken Westbindung der Bundesrepublik zum Tragen, die 1951 zur Schaffung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl führte und damit den Grundstein für die Europäische Union legte. Mit dem Inkrafttreten der Pariser Verträge 1955 wurde die angestrebte Souveränität erlangt und im Zuge dessen durch den Deutschlandvertrag das Besatzungsstatut beendet. Die Rechte der Alliierten wurden durch – erheblich eingeschränkte – Vorbehaltsrechte abgelöst.[107] Zur Wiederbewaffnung des westdeutschen Staates hatte bereits der Koreakrieg auch gegen erheblichen inneren Widerstand (Ohne mich-Bewegung) Anlass gegeben. 1955 wurde die Bundesrepublik Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses NATO. Die vormaligen Besatzungsmächte behielten als Schutzmächte eigene militärische Standorte und Einrichtungen im Bundesgebiet. Zudem entstanden die Kasernen und Übungsplätze der neu gegründeten Bundeswehr. In der Deutschlandpolitik verfolgte Adenauer strikt einen Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik für alle Deutschen und die staatliche Nichtanerkennung der DDR. Mit der Hallstein-Doktrin sollte auch deren Anerkennung durch andere Staaten verhindert werden. Gegenüber der Sowjetunion zeigte sich Adenauer flexibel, um bei seinen Moskauer Verhandlungen 1955 die Rückkehr der restlichen deutschen Kriegsgefangenen aus sowjetischen Arbeitslagern zu erreichen.

Einen neuen, wirksamen Anstoß zur Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit erhielt die deutsche Öffentlichkeit seit Anfang der 1960er Jahre mit dem Eichmann-Prozess in Jerusalem und den vor deutschen Gerichten stattfindenden Prozessen gegen die Verantwortlichen in den deutschen Vernichtungslagern der SS, so z. B. die auf Veranlassung von Fritz Bauer und Hermann Langbein initiierten Auschwitzprozesse. In der Verjährungsdebatte beschloss der Deutsche Bundestag 1965 die Verlängerung der Verjährungsfrist für Mord und Beihilfe zum Mord in der NS-Zeit. In Teilen der bundesdeutschen Gesellschaft (insbesondere unter Studenten und Akademikern) setzte zeitlich parallel ein Bewusstseins- und Wertewandel ein. Gegenüber „neuen“ Werten wie Emanzipation, insbesondere Frauenemanzipation, Partizipation und Lebensqualität traten die im industriegesellschaftlichen Rahmen funktionalen Werte wie Disziplin, Zuverlässigkeit und Unterordnungsbereitschaft zurück.[108]

Antikriegsdemonstration in West-Berlin, 1968

Das Bildungswesen war seit der von Georg Picht ausgerufenen Bildungskatastrophe in Gärung begriffen. Die westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre, die gegen die Ordinarienuniversität mit Parolen wie: „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“ aufbegehrte, ging im Zuge ihrer Protestaktionen zu einer umfassenden Gesellschaftskritik gegen die unaufgearbeitete NS-Vergangenheit, gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze, den Vietnamkrieg der USA, die Ausbeutung der Dritte-Welt-Länder durch die westlichen Industriestaaten sowie das kapitalistische System im Allgemeinen über. Die sogenannte Frankfurter Schule am Institut für Sozialforschung der Goethe-Universität bildete in dieser Zeit die intellektuelle und moralische Basis der Studentenproteste. Deren Vertreter (u. a. Theodor Adorno, Max Horkheimer, Erich Fromm, Herbert Marcuse) arbeiteten an einer zeitgemäßen Neuinterpretation der marxistischen Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie. Die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg durch den Polizisten Karl-Heinz Kurras während der Demonstration am 2. Juni 1967 in West-Berlin gegen den iranischen Schah und das Attentat 1968 auf Rudi Dutschke, den wichtigsten Theoretiker der Studentenbewegung, führten zu einer Radikalisierung der Außerparlamentarischen Opposition. Die zu dieser Zeit kulminierenden Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht führten später zur Bezeichnung „68er-Bewegung“.

Schmidt 1981 während eines Besuchs in der DDR mit Erich Honecker

Auch auf der Regierungsebene kam Mitte der 1960er Jahre ein Wandel in Gang: In der Großen Koalition unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger gelangte die SPD erstmals zur Regierungsbeteiligung; in der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt wurde sie zur führenden politischen Kraft. „Mehr Demokratie wagen“, hieß es in der Regierungserklärung als Motto für einen nun einsetzenden Prozess gesellschaftspolitischer Reformen, darunter die Ausweitung von Bildungschancen durch Einführung des BAföG, die Senkung des Wahlalters, eine Reform des Strafrechts, die Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen (§ 218 StGB) sowie ein Betriebsverfassungsgesetz zwecks Mitbestimmung von Arbeitnehmervertretern. Die neue Ostpolitik der Regierung Brandt verfolgte ohne Preisgabe der Westanbindung eine Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion, den Staaten Osteuropas und der DDR. Auf Basis des Konzepts „Wandel durch Annäherung“ verabschiedete sich die westdeutsche Bundesrepublik vom Alleinvertretungsanspruch und erkannte auch die DDR offiziell an. Im Zuge dessen kam es 1970 zu den ersten innerdeutschen Gipfeltreffen zwischen Vertretern der BRD und der DDR.[109] Darüber hinaus gilt Brandts Kniefall von Warschau als historisches Symbol für die Anerkennung deutscher Kriegsverbrechen während der NS-Diktatur im osteuropäischen Ausland. Für seine Außenpolitik erhielt Willy Brandt 1971 den Friedensnobelpreis.[110]

Die 68er-Bewegung spaltete sich während der 1970er Jahre in unterschiedliche politische Richtungen auf. Diverse kommunistisch inspirierte Untergruppierungen waren von 1972 bis 1979 durch den Radikalenerlass bedroht, während reformorientierte Verfechter der Systemveränderung den „Marsch durch die Institutionen“ antraten. Die Kaufhaus-Brandstiftungen am 2. April 1968 in Frankfurt am Main markierten den Beginn des Terrorismus der Roten Armee Fraktion, der zu einer ernsten Herausforderung für die Regierung von Bundeskanzler Helmut Schmidt wurde. Wirksames Krisenmanagement wurde Schmidt auch wirtschaftspolitisch abverlangt, vor allem hinsichtlich der Folgenbewältigung des Ölpreisschocks, der Ende 1973 die von nahöstlichen Ölimporten abhängigen westlichen Industrieländer traf. Nach Jahren üppigen Wirtschaftswachstums geriet die Bundesrepublik bei steigenden Arbeitslosenzahlen 1975 in eine Rezession.

Bundeskanzler Helmut Kohl 1989

Zu einem Regierungswechsel kam es jedoch erst 1982 wieder, als die Gemeinsamkeiten der sozialliberalen Koalition in der Sozial- und Wirtschaftspolitik aufgebraucht waren und die FDP unter der Führung Hans-Dietrich Genschers im Rahmen eines konstruktiven Misstrauensvotums die Wahl des Oppositionsführers Helmut Kohl zum Bundeskanzler unterstützte. Die im März 1983 folgenden Neuwahlen brachten nicht nur die Bestätigung für die neue christlich-liberale Koalition, sondern auch den erstmaligen Einzug der Grünen in den Bundestag. Sie stellten ein Sammelbecken dar für die Neue Linke, für die Frauenbewegung, für Friedensbewegte angesichts der Nachrüstungsdebatte wie für ökologisch Interessierte, Umweltschützer, und die Anti-Atomkraft-Bewegung, zumal unter dem Eindruck der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl 1986. Mit diesen Themen, provokativen Formen des Auftretens und einer akzentuierten Gleichstellungspolitik von Frauen und Männern wurden sie für die anderen Parteien im parlamentarischen Alltag zur Herausforderung. Die mit der Einrichtung einer Bundesstelle für Umweltangelegenheiten bereits in der Regierung Brandt begonnene Umweltschutzpolitik fand in der Schaffung des Bundesumweltministeriums durch die Regierung Kohl 1986 ihre Fortsetzung.

Denkmal mit Plakette, die Willy Brandts Kniefall von Warschau darstellt

Doch vor allem in der Außenpolitik ist über alle Regierungswechsel zu Zeiten der Bundesrepublik hinweg die Kontinuität gewahrt worden. Die Westanbindung blieb das feste Fundament auch nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 und trotz des danach einsetzenden Bemühens, zu einem Modus Vivendi mit den östlichen Machthabern zu gelangen. Die von der Regierung Brandt-Scheel initiierte neue Ostpolitik, die zur vertraglichen Anerkennung des Status quo unter anderem gegenüber der Sowjetunion, der Volksrepublik Polen und der DDR führte und im Gegenzug Erleichterungen des innerdeutschen Reise- und Besucherverkehrs sowie einen vertraglich abgesicherten Status für West-Berlin erbrachte, wurde auch von der Regierung Kohl-Genscher bruchlos fortgesetzt. Dies zeigte sich auch beim Besuch Erich Honeckers in der Bundesrepublik Deutschland 1987, dem ersten und einzigen eines DDR-Staatsoberhaupts.

Auf die mit dem Mauerfall am 9. November 1989 in Gang kommende Dynamik reagierte der mit dem Ziel der deutschen Wiedervereinigung stets eng verbundene Kanzler Kohl umgehend. Dem am 28. November im Deutschen Bundestag vorgetragenen Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas folgte am 19. Dezember 1989 ein Treffen mit dem neuen DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow in Dresden und am Nachmittag eine Massenkundgebung, die für Kohl den dringlichen Einheitswunsch der Ostdeutschen unterstrich. Er verließ Dresden „mit der Überzeugung, daß das Regime der DDR vor dem Zusammenbruch stand und es keine Alternative mehr gab zu einer Wiedervereinigung in möglichst naher Zukunft.“[111]

Deutsche Demokratische Republik (1949–1990)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Gründung der Deutschen Demokratischen Republik bei der 9. Volksratsitzung im Jahre 1949 in Berlin, im Gebäude des NS-Reichsluftfahrtministeriums

Von der aus dem Deutschen Volksrat hervorgegangenen provisorischen Volkskammer wurden am 11. Oktober 1949 Wilhelm Pieck zum Staatspräsidenten und Otto Grotewohl zum Ministerpräsidenten der DDR-Regierung gewählt (Wahlen zur Volkskammer fanden erstmals am 15. Oktober 1950 statt, und zwar nach dem Einheitslistenprinzip). Tatsächliches politisches Machtzentrum aber war das Politbüro der SED, das sich die Kontrolle über alle wichtigen Initiativen und Beschlüsse von Volkskammer und Regierung vorbehielt. Den größten persönlichen Einfluss auf die Ausgestaltung der Herrschaftsverhältnisse in den Anfangsjahren der DDR übte der im Juli 1950 zum Generalsekretär der SED gewählte Walter Ulbricht aus. Nach dem Prinzip des Demokratischen Zentralismus wurden nicht nur die wichtigen Weichenstellungen innerhalb des engsten SED-Führungszirkels getroffen, sondern auch für die nachgeordneten Organisationen von Partei und Staat mit bindender Wirkung durchgesetzt. Auf dieser Linie wurden dann auch die politisch einflusslosen Länder im Rahmen der Kreisreformen in der DDR im Juli 1952 aufgelöst und durch 14 Bezirke ersetzt, die ihrerseits von den zugehörigen SED-Gliederungen dominiert wurden, ebenso wie die den Bezirken untergeordneten 217 Kreise. Wichtigster Hebel zur Durchsetzung der Parteilinie in der Praxis war die Kaderpolitik der SED, mittels derer alle wichtigen Positionen in Staat und Gesellschaft durch Personen besetzt wurden, die den spezifischen Eignungskriterien laut SED-Vorgaben entsprachen.[112]

Mao, Stalin und Ulbricht, 1949

Der Wiederaufbau der ostdeutschen Städte in den ersten Jahren folgte den 16 Grundsätzen des Städtebaus. Die wichtigsten Industriezentren wie Berlin, Rostock und Leipzig hatten dabei Vorrang. Materialknappheit bestimmte die Baupolitik in der gesamten DDR-Zeit, weshalb man später zum schnellen und billigen Verfahren der Plattenbauweise griff. Die autogerechte Stadt bekam auch hier Leitbildfunktion in der Stadtplanung, nachdem man sie noch in den 1950er Jahren als US-amerikanisches Konzept denunziert hatte.[113]

Dem sowjetischen Muster folgend wurde die Wirtschaft mit dem ersten Fünfjahresplan 1951 zentralistisch ausgerichtet;[114] im Folgejahr wurden die ersten Volkseigenen Betriebe (VEB) und die erste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) gebildet. Zugleich erhöhte die SED den Druck auf alle von den Parteivorgaben Abweichenden innerhalb und außerhalb der SED durch Kriminalisierung und gerichtliche Aburteilung der Widersacher.[115] Ausspähung und Bereitstellung belastenden Materials wurde dabei hauptsächlich von den Mitarbeitern des 1950 gegründeten Ministeriums für Staatssicherheit (kurz: MfS oder „Stasi“) übernommen, dem „Schild und Schwert“ der Partei bis zum Ende der DDR.

Erich Honecker (links) und Leonid Breschnew

Tatsächlich gab es Widerstand während der gesamten vier Jahrzehnte, in denen die DDR existierte.[116] Eine breite Volkserhebung gegen das SED-Regime gab es vor 1989 jedoch nur einmal, und zwar mit dem Aufstand vom 17. Juni 1953, der sich gegen verstärkten Leistungsdruck am Arbeitsplatz richtete. Durch Erhöhung der Arbeitsnormen sollten vor allem die hohen Rüstungskosten gedeckt werden, die im Zuge der beiderseitigen deutschen Wiederbewaffnung als Folge des Koreakriegs und der Verhärtung im Ost-West-Konflikt anfielen. Nach der Niederschlagung des Volksaufstands mit Hilfe sowjetischer Militärs und Panzer entschlossen sich bis zum Bau der Berliner Mauer 1961 Millionen von Menschen zur Flucht aus der DDR, was für diesen Staat schwerwiegende wirtschaftliche und ideologische Folgen hatte. Als die Fluchtmöglichkeit entfiel, bot sich dem SED-Regime einerseits die Möglichkeit, den Ausbau der sozialistischen Gesellschaft zu forcieren; für das Gros der DDR-Bewohner andererseits galt es nun, sich in den bestehenden Verhältnissen einzurichten und mit dem System zu arrangieren.

FDJ-Studenten als Erntehelfer im Bezirk Leipzig im August 1978

In der nach innen gerichteten Kulturpolitik schwankte die SED-Führung je nach aktuellen politischen Opportunitäten zwischen Phasen einer verhaltenen Liberalisierung – auch in Bezug auf westliche Einflüsse – und solchen rigider ideologischer Verhärtung. Die mit dem Prager Frühling 1968 aufkeimenden Hoffnungen auf einen mit mehr Freiheiten verbundenen Reformsozialismus wurden mit dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die ČSSR unter Mitwirkung der DDR zerstört. Nachdem im Mai 1971 Erich Honecker mit sowjetischer Unterstützung seinen politischen Ziehvater Ulbricht in der DDR-Staatsführung abgesetzt hatte, erlangte er nach Einschätzung des Historikers Martin Sabrow eine „Machtfülle wie kein anderer Herrscher in der jüngeren deutschen Geschichte, Ludendorff und Hitler eingeschlossen“, weshalb er ihn als „Diktator“ beschreibt.[117][118] Unter Honecker wurde nun die „Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ im Rahmen des „realen Sozialismus’“ propagiert.[119]

Geschlossener Jugendwerkhof Torgau

Eine wesentliche Rolle spielte dabei die Erziehung zur sozialistischen Persönlichkeit, mit der Zielsetzung, „die Arbeit zu achten, die Sowjetunion zu lieben und die Grenzen zu verteidigen“ (notfalls auch mit Waffengewalt).[120] Der Heranbildung solcher Persönlichkeiten diente das gesamte Bildungssystem in der DDR, nicht nur in den Schulen, sondern auch in den parteinahen Jugendorganisationen: zum einen die Pionierorganisation Ernst Thälmann mit den 6- bis 10-jährigen Jungpionieren und den 10- bis 14-jährigen Thälmannpionieren; zum anderen die Freie Deutsche Jugend (FDJ) für die 14- bis 25-Jährigen, die während der Ära Honecker zwei Drittel bis vier Fünftel der Jugendlichen und jungen Erwachsenen einschloss.[121] Neben Flaggenappellen, ideologischen Unterweisungen, dem Liedersingen, Schießübungen und Zeltlagern wurde auch zum Mitmachen bei sogenannten Jugendobjekten angehalten. Das waren Arbeitseinsätze vielfältiger Art, die sich 1974 auf 68.370 Objekte richteten und 854.912 Jugendliche beschäftigten.[122] Mit der an den schulischen Rahmen angebundenen Jugendweihe, die – bis auf wenige mit meist starker kirchlicher Bindung – die Jugendlichen in der DDR auf ein sozialistisches Gelöbnis verpflichtete, prägte sich in der DDR ein nachhaltig wirksames eigenes Brauchtum aus.[123] Die von Honecker betonte Bedeutung der Landesverteidigung und Grenzsicherung für alle Bereiche der Gesellschaft war ein weiteres Sondermerkmal der DDR, in der ab 1978 an allen Schulen ein obligatorischer Wehrunterricht erteilt wurde.[124] Honeckers Gattin Margot Honecker, 1963–1989 Ministerin für Volksbildung, leitete in dieser Eigenschaft alleinverantwortlich die Jugendhilfe in der DDR, die zunehmend repressive Züge annahm.

In der Frauen- und Familienpolitik der DDR bildete eine auf Frauen ausgerichtete Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen Schwerpunkt, und für die Frauen in der DDR war die eigene Berufstätigkeit der Normalfall. Zur Förderung eines hohen Beschäftigungsgrades der Frauen trugen neben dem Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft von 1972 der Aufbau eines umfassenden Kinderbetreuungssystems mit Krippen, Kindergärten und Betreuungsangeboten nach Schulschluss bei. Kindergelderhöhungen, erweiterter Mutterschaftsurlaub und Arbeitsplatzgarantien wirkten daran mit, dass die Geburtenzahl von 1973 bis 1980 um ein Drittel anstieg.[125] Am Arbeitsplatz waren Frauen wie Männer zu Kollektiven zusammengefasst, die im sozialistischen Wettbewerb, typischerweise als Brigaden, durch eine hohe Produktivität Prämien erlangen konnten. Der Zusammenhalt solcher Kollektive erstreckte sich aber auch auf außerbetriebliche Aktivitäten wie gemeinsame Geburtstagsfeiern, Ausflüge, Ausstellungs- und Theaterbesuche sowie auf ein Sich-Kümmern um Probleme und Sorgen einzelner Mitglieder. Im Zuge des vom Staat dergestalt organisierten Arbeits- und gesellschaftlichen Lebens „schrieb sich das Kollektiv als Team, als Schule der Kommunikation und ihrer Grenzen, als Hort arbeiterlicher Gemeinschaftserfahrung und sozialer Kontrolle in die Alltagserfahrung der DDR ein.“[126]

Doch auch in Fragen des Urlaubs, der Mobilität und der Versorgung mit Konsumgütern war man davon abhängig, was die staatliche Planung vorsah und was produziert und angeboten wurde. Trotz subventionsbedingt niedriger Preise etwa bei Grundnahrungsmitteln, öffentlichen Verkehrsmitteln, Mieten und Büchern wurde die DDR oft als fehlgesteuerte Mangelwirtschaft erlebt. Engpässe in der DDR gab es insbesondere bei Waren des gehobenen Bedarfs. Wer aber Zugang zu westlichen Devisen hatte, konnte diese Waren im Intershop bekommen. Zum Teil lange Wartezeiten fielen an bei der Verteilung nachgefragter Urlaubsplätze durch den Feriendienst des FDGB, bei der bedarfsgerechten Wohnraumvergabe und bei der Auslieferung von Kraftfahrzeugen. Die reguläre Wartefrist auf den mit 13.000 DDR-Mark noch erschwinglichsten, etwa ein durchschnittliches Jahreseinkommen kostenden Kleinwagen Trabant betrug in der DDR-Spätphase 14 Jahre.[127]

Das „Weltniveau“ in der Produktion zu erreichen und mitzubestimmen, lautete die von der DDR-Führung ausgegebene Parole im Streben um innere und äußere Anerkennung. Hinsichtlich letzterer wurden in der ersten Hälfte der 1970er Jahre wichtige Fortschritte erzielt, als man im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland den Grundlagenvertrag, die beiderseitige Einrichtung Ständiger Vertretungen in Bonn und Ost-Berlin sowie ein devisenträchtiges Transitabkommen aushandelte. Mit der Aufnahme beider deutscher Staaten in die Vereinten Nationen erlangte die DDR international einen gleichberechtigten Status, der durch die Mitunterzeichnung der KSZE-Schlussakte 1975 noch unterstrichen wurde. Durch gezielte Förderung sportlicher Nachwuchstalente und ein staatliches Zwangsdopingsystem im DDR-Leistungssport erzielte die DDR in manchen Bereichen international herausragende Erfolge, etwa bei Olympischen Spielen.

Dass die innergesellschaftliche Akzeptanz des SED-Regimes gleichwohl prekär blieb, zeigte die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann 1976, die zu einer breiten Protestwelle führte und vielfach resignative Tendenzen hinsichtlich der Reformierbarkeit des Herrschaftssystems bestärkte. Mit Berufung auf die Menschenrechtsgarantien der KSZE-Schlussakte stellten immer mehr Bürger einen Antrag auf legale Ausreise aus der DDR. Von rund 32.000 Antragstellern im Jahre 1984 wuchs die Anzahl – trotz teilweise jahrelanger Wartezeiten und gesellschaftlicher Benachteiligungen – im Jahr 1988 auf über 110.000 an.[128] Die Situation war aber noch in anderer Hinsicht instabil. Denn der im Vergleich zu allen anderen Ostblockstaaten am höchsten entwickelte Lebensstandard der DDR-Bevölkerung beruhte auf einer zunehmend dramatischen Staatsverschuldung, die ausweglose Züge annahm, weil die SED-Führung unter Honecker an den vielfältigen Subventionen keine Abstriche machen wollte, um nicht zusätzliche Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu schüren. Nach der drastischen Kürzung sowjetischer Öllieferungen 1981 nahm die Krise der DDR-Staatsfinanzen immer dramatischere Züge an, die auch durch westdeutsche Devisenzuflüsse aus Handel und Verträgen sowie durch wiederholte Milliardenkredite nur kurzfristig überbrückt werden konnten: „Allein Improvisationskunst und der westliche Devisentropf vermochten die marode Planwirtschaft noch halbwegs am Laufen zu halten.“[129] Trotzdem verschlechterte sich die Versorgungslage der Bevölkerung merklich, selbst bei Waren des täglichen Bedarfs; und die notwendigen Investitionen zur Substanzerhaltung bei Wohnungsbauten und Industrieanlagen blieben aus, was der Volksmund bitter kommentierte: „Ruinen schaffen ohne Waffen!“[130]

Montagsdemonstration am 8. Januar 1990 in Leipzig.

In den 1980er Jahren verstärkten sich Opposition und Widerstand in der DDR unter der nach dem Mauerbau erwachsen gewordenen Generation. Protestgruppen befassten sich mit Menschenrechtsfragen, Rüstungseskalation und Umweltzerstörung, mit den Ursachen von Verelendung in der Dritten Welt und mit den Perspektiven eines Europas ohne Grenzen. Eine international orientierte, in örtlichen Gruppen vielfach unter kirchlichem Schutz organisierte Friedensbewegung, die im September 1987 den Olof-Palme-Friedensmarsch mitorganisierte, stimmte überein mit Michail Gorbatschow, als er mit Glasnost und Perestroika die Vorzeichen sowjetischer Politik änderte und die „sozialistischen Bruderstaaten“ zu eigenverantwortlicher Zukunftsgestaltung anhielt.[131] Die DDR-Führung, die jede Kursänderung ablehnte und daranging, sogar sowjetische Medien zu zensieren und deren Abonnenten zu düpieren, geriet zunehmend in die Isolation.

Menschen auf der Mauer am Brandenburger Tor in Berlin, 1989

Dem Problemandrang – aus finanzwirtschaftlichen Problemen, sich verschlechternder Versorgungslage der Bevölkerung, einer wachsenden Protestbewegung gegen die Kommunalwahlfälschungen vom Mai 1989 und den über die seit Juni offene ungarische Grenze massenhaft abströmenden DDR-Bewohnern – hatte die nun auch mit Desillusionierten und Unzufriedenen in den Reihen der SED konfrontierte Staatsführung außer örtlichen Gewaltübergriffen, Internierungen und Gewaltandrohung nichts mehr entgegenzusetzen. Nach dem Triumph der Leipziger Montagsdemonstranten am 9. Oktober und dem Fall der Berliner Mauer infolge des Massenansturms vom 9. November 1989 war die SED-Herrschaft am Ende. Die nach den Machtwechseln von Honecker über Egon Krenz und Hans Modrow zu Lothar de Maizière neu ausgerichtete und nun von Bürgerrechtlern mitgestaltete DDR selbst ging binnen eines Jahres im wiedervereinigten Deutschland auf.

Vereintes Deutschland seit 1990

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ostdeutschen bewirkten mit ihrer friedlichen Revolution nicht nur den Zusammenbruch der SED-Diktatur, sondern nahmen nach der Grenzöffnung mit einer Akzentverschiebung ihrer zentralen Parole bei den fortgesetzten Montagsdemonstrationen mehrheitlich auch deutlich Kurs auf ein wiedervereinigtes Deutschland. Hatte man die DDR-Obrigkeit vordem mit dem Ruf „Wir sind das Volk!“ in die Schranken gewiesen, so demonstrierte man nun vorwiegend mit der Wendung „Wir sind ein Volk!“ für die deutsche Einheit. Artikel 23 des Grundgesetzes der alten Bundesrepublik garantierte die Möglichkeit eines geschlossenen Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland.[132] Wer es als Ostdeutscher besonders eilig hatte, in der Bundesrepublik anzukommen, konnte das aber auch durch Übersiedlung unverzüglich in die Tat umsetzen. Anfang 1990 schwoll die Zahl der diese Möglichkeit Nutzenden in einer für beide Staaten auf unterschiedliche Weise problematischen Größenordnung an. Die ohnehin auf Vereinigungskurs ausgerichtete Regierung Kohl arbeitete ihrerseits energisch auf die Herstellung der Einheit Deutschlands hin und wurde durch den Ausgang der Volkskammerwahl vom März 1990 darin bestärkt, in der die Allianz für Deutschland mit dem künftigen CDU-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière triumphierte. Schon zum 1. Juli wurde eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vereinbart und durchgeführt. Der mit den vier Siegermächten des Zweiten Weltkrieges ausgehandelte Zwei-plus-Vier-Vertrag bildete den äußeren Grundstein der Einheit Deutschlands; der von Volkskammer, Bundestag und Bundesrat ratifizierte Einigungsvertrag schuf die inneren Voraussetzungen dafür, dass es am 3. Oktober 1990 zur deutschen Wiedervereinigung kam.

Reichstag, Symbol der staatlichen Einheit Deutschlands und der „Berliner Republik

In der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990 und nochmals 1994 wurde die christlich-liberale Koalition unter Bundeskanzler Helmut Kohl bestätigt, die den Vereinigungsprozess wesentlich gestaltet hatte. Mit knapper Mehrheit (338 zu 320 Stimmen) beschloss der Bundestag am 20. Juni 1991, Bonn als Regierungssitz aufzugeben und Regierung und Parlament nach Berlin zu verlegen. Seit 1999 tagt der Deutsche Bundestag im von Grund auf renovierten Reichstagsgebäude in Berlin. Seit September 1999 ist auch die Bundesregierung endgültig in Berlin angesiedelt.

Innenpolitisch absolut vorrangig – und wie der gesamte Vereinigungsprozess mit enormen Kosten verbunden – war während der 1990er Jahre der Aufbau Ost. In den neuen Bundesländern wurde die verkehrliche Infrastruktur modern ausgebaut und die Sanierung von Bausubstanz und Industriebetrieben, wo nicht abrissreif, vorangetrieben. Der Umbau hin zu marktwirtschaftlichen Strukturen mit Hilfe der Treuhandanstalt wurde in hohem Tempo und unter Abwicklung der unverkäuflichen bzw. als unrentabel geltenden Betriebe durchgeführt; und die in DDR-Zeiten durch industrielle Schadstoffeinträge aus veralteten Produktionsanlagen ökologisch besonders belasteten Gewässer und Regionen wurden den Erfordernissen des Umweltschutzes angepasst. Der „Vereinigungsboom“ kam wesentlich den Unternehmen in der alten Bundesrepublik zugute, während die angestammten Produktangebote aus DDR-Zeiten nun kaum noch Abnehmer fanden. Der wirtschaftliche Restrukturierungsprozess in den neuen Bundesländern brauchte Zeit und verlief regional unterschiedlich erfolgreich. Die Arbeitslosenquoten in ostdeutschen Bundesländern lagen mitunter doppelt so hoch wie in den alten Ländern, die durch Partnerschaften und Aushilfe mit qualifiziertem Verwaltungspersonal die Anpassung der neuen Länder an die administrativen, juristischen, wirtschaftlichen und politischen Standards der Bundesrepublik unterstützten.

Die konzentrierten Anstrengungen und finanziellen Transferleistungen, die zur Angleichung der Lebensverhältnisse im Osten Deutschlands aufgewendet wurden, rückten mit dem Abklingen des vereinigungsbedingten Wirtschaftsaufschwungs einen unterdessen eingetretenen Reformstau ins Bewusstsein. Mehrere Reformvorhaben der Bundesregierung scheiterten an der rot-grünen Mehrheit im Bundesrat (sogenannte „Blockade“). Der lange Zeit vielerorts unergiebige ostdeutsche Arbeitsmarkt hatte auch eine fortgesetzte Abwanderung gerade junger Menschen zur Folge, die im Westen Beschäftigung suchten – ein anhaltendes demographisches Problem in den strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands. Teils gibt es dort auch verstärkt rechtsextremistische Tendenzen. Andererseits ist die sozial benachteiligte Lage vieler Ostdeutscher ein wichtiger Grund für die vergleichsweise starke Stellung der in Die Linke aufgegangenen „Partei des Demokratischen Sozialismus“ in den neuen Bundesländern.

Das wiedervereinigte Deutschland ist ein souveräner Staat. Die Truppen der Vier Mächte sind zum größten Teil abgezogen, die noch verbliebenen Militäreinheiten der Westalliierten haben keinerlei Hoheitsbefugnisse mehr und unterliegen dem NATO-Truppenstatut. Die Zustimmung der vormaligen Siegermächte zur deutschen Wiedervereinigung war an Zusagen der deutschen Bundesregierung geknüpft, den Prozess der europäischen Integration weiterhin nachhaltig zu fördern, nachdem die Bundesrepublik diesen bereits seit den 1950er Jahren entscheidend mitgestaltet hatte. Diese Ausrichtung wurde auch in die veränderte Präambel des Grundgesetzes eingetragen. Mit der Unterzeichnung des Vertrages von Maastricht 1992 wurde die Europäische Gemeinschaft (EG) in die mit erweiterten Kompetenzen ausgestattete Europäische Union (EU) überführt. Der Vertrag stellte auch die Weichen für die Schaffung der gemeinsamen europäischen Währung Euro, die am 1. Januar 1999 formal eingeführt wurde. Mit Unterstützung Deutschlands fand im Jahr 2004 EU-Osterweiterung statt.

Aus der Lösung der deutschen Frage und der Wiedervereinigung 1990 erwuchsen neue Erwartungen und Ansprüche an eine verantwortlich mitgestaltende Rolle Deutschlands bei der Aufrechterhaltung des Weltfriedens, bei der militärischen Umsetzung von UN-Resolutionen wie auch hinsichtlich der Beteiligung an Militäreinsätzen der NATO. So beteiligte sich die Bundeswehr während der rot-grünen Koalition unter Kanzler Schröder erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg an Auslandseinsätzen: an dem von der NATO geführten Militäreinsatz gegen Serbien zwischen März und Juni 1999 sowie am Krieg in Afghanistan 2001–2021. Eine Beteiligung am Irakkrieg lehnte die Regierung Schröder dagegen ab. Mit der in den letzten Jahren deutscherseits erhobenen Forderung nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die gleichfalls mit der gewachsenen internationalen Rolle und Verantwortungsbereitschaft Deutschlands begründet wird, ist die Bundesregierung einstweilen nicht durchgedrungen.

Gerhard Schröder, erster Bundeskanzler einer rot-grünen Koalition in Deutschland, bei einer Wahlkampfveranstaltung im August 2004

Bei der Bundestagswahl 1998 wurde die CDU/CSU-FDP-Koalition unter Kohl abgelöst. Die neue Bundesregierung aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen (rot-grüne Koalition) ging unter Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Reihe umstrittener Reformen an. Allgemein wurde das Thema Ökologie stärker gewichtet, beispielsweise mit dem Beginn des Atomausstiegs oder mit Gesetzesinitiativen zur Reduzierung von Treibhausgasen. Die Regierung setzte auch erste Ansätze für richtungsweisende Veränderungen in der Sozial-, Renten- und Gesundheitspolitik (siehe Agenda 2010) durch. Mittels der Einnahmen aus der Ökosteuer gelang es, die Lohnnebenkosten (Rentenversicherungsbeiträge) zu reduzieren. Im Zuge der schon in den 1990er Jahren für die Volkswirtschaften weiter gewachsenen Bedeutung des Weltmarkts, der sogenannten Globalisierung, verlagerten aber vor allem größere Unternehmen Produktionskapazitäten in sogenannte Billiglohnländer, sodass die Arbeitslosenquote zunächst weiterhin hoch blieb. Mit dem auf wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zielenden Hartz-Konzept zur Neuordnung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe konnte die rot-grüne Koalition aber nur Teile der eigenen Wählerschaft überzeugen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und José Manuel Barroso 2007 in Berlin anlässlich des 50. Jahrestags der Römischen Verträge

Seit der vorzeitig durch eine Vertrauensfrage herbeigeführten Bundestagswahl 2005 bekleidete mit der in der DDR aufgewachsenen Angela Merkel erstmals eine Frau das Amt des Bundeskanzlers. Dem rot-grünen Kabinett Schröder II folgte eine Große Koalition (Kabinett Merkel I). Im Jahr 2008 geriet Deutschland in den Sog einer Weltfinanzkrise, die im Wesentlichen durch exzessive Kreditvergabe mit hohem Ausfallrisiko im Bereich der Immobilienfinanzierung durch US-amerikanische Banken ausgelöst wurde.

2009 wurde die Große Koalition nach der Bundestagswahl 2009 durch eine schwarz-gelbe Koalition aus Union und FDP ersetzt. Merkel behielt ihr Amt als Bundeskanzlerin. Die zweite Legislatur Merkels stand maßgeblich im Zeichen der Turbulenzen an den globalen Finanzmärkten und der darauffolgenden Staatsschuldenkrise im Euroraum. Im Zuge dessen zahlte der deutsche Staat insgesamt mehr als 30 Milliarden Euro zur Rettung der Banken.[133] Bei der Bundestagswahl 2013 verpasste die FDP den Einzug in den Bundestag. Es kam erneut zu einer Großen Koalition unter Merkel als Bundeskanzlerin.

Am 31. Dezember 2015 hielten sich in Deutschland 211.052 anerkannte Flüchtlinge und 447.336 Asylbewerber auf, hauptsächlich aus Vorderasien und Afrika; im Jahr 2015 hatten insgesamt 476.649 Personen Asylanträge in Deutschland gestellt. Dies bedeutete einen Zuwachs von 135,0 % gegenüber dem Jahr 2014 und war der höchste Jahreswert seit Bestehen des Bundesamtes.[134] Die ursprünglichen Prognosen für das Jahr von zunächst 450.000 und dann 800.000 wurden signifikant übertroffen. Angela Merkel hat für ihre Politik der offenen Grenzen Zustimmung,[135] aber auch harsche Kritik geerntet.[136] Die Flüchtlingskrise wurde von einigen Politikern und Organisationen als größte Herausforderung des Landes seit der Wiedervereinigung gesehen.[137] Bei der Bundestagswahl 2017 wurde die CDU (33 %) trotz Verlusten erneut stärkste Kraft vor der SPD (21 %), mit der Angela Merkel erneut eine Große Koalition bildete, nachdem mehrmonatige Verhandlungen zwischen CDU/CSU, Grünen und FDP zur Bildung einer „Jamaika-Koalition“ durch den Ausstieg der FDP gescheitert waren.

Seit 2018 wird die gesellschaftliche Debatte verstärkt vom Kampf gegen den Klimawandel bestimmt. Insbesondere die landesweiten Schulstreiks und Massendemonstrationen der Klimaschutzorganisation Fridays for Future erhöhten den öffentlichen Druck auf Politik und Wirtschaft. Forderungen der Bewegung sind ein beschleunigter Ausstieg aus den fossilen Energieträgern, Klimaneutralität und effektiver Umweltschutz.[138] Darüber hinaus bildeten sich mehrere Organisationen und Initiativen, die mit radikaleren Aktionsformen des Zivilen Ungehorsams auf die Klimakrise aufmerksam machen wollen. Hierzu zählen Ende Gelände mit Blockaden der fossilen Energieinfrastruktur und -produktion[139] sowie die Letzte Generation, deren zentrale Aktionsform die Blockade von Verkehrswegen durch Festkleben am Boden umfasst.

Die Jahre 2020 und 2021 waren insbesondere durch die weltweite COVID-19-Pandemie geprägt (siehe dazu auch COVID-19-Pandemie in Deutschland). Im Zuge dessen wurden deutschlandweit Kontaktbeschränkungen beschlossen, die u. a. die Schließung öffentlicher und privater Einrichtungen zur Folge hatten.

Bei der Bundestagswahl 2021 wurde die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz mit knapp 26 % stärkste Kraft.[140] Die CDU/CSU erreichte hingegen nur 24 % der Stimmen. Deren Kandidat Armin Laschet verkündete daraufhin seinen Rücktritt als Parteichef. Allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien gelang der Wiedereinzug in den Bundestag – der Linkspartei allerdings nur über die Grundmandatsklausel. Am 8. Dezember 2021 wurde Scholz zum Bundeskanzler gewählt und führte seitdem eine Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (die erste Ampelkoalition auf Bundesebene). Neben der weiterhin andauernden Pandemie und den zunehmenden Herausforderungen der Klimaveränderung bestimmte seit 2022 der Einmarsch Russlands in die Ukraine mit seinen geostrategischen und wirtschaftlichen Folgen das politische Geschehen. Die Koalition zerbrach am 6. November 2024 nach wachsenden Konflikten zwischen FDP einerseits und SPD und Grünen andererseits, es folgten die verlorene Vertrauensfrage des Kanzlers, die Auflösung des Bundestages durch den Bundespräsidenten und zur vorzeitigen Bundestagswahl am 23. Februar 2025.

Am 6. Mai 2025 wurde Friedrich Merz zum Bundeskanzler gewählt (Kabinett Merz).

Quellensammlungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine bis Ende 2015 reichende bibliographische Onlinedatenbank bieten unter anderem die Jahresberichte für deutsche Geschichte.

  • Winfried Baumgart: Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte. 18. Auflage. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014.

Einführende Überblicke

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vertiefende Überblickswerke

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Enzyklopädie deutscher Geschichte. (Die jeweiligen Bände nehmen wichtige Epochen oder geschichtliche Gegenstände auf und sind jeweils in Darstellung, Forschungslinien und Bibliographie gegliedert. Geeignet für den wissenschaftlichen Einstieg in ein Hauptthema.)
  • Dieter Groh u. a. (Hrsg.): Propyläen Geschichte Deutschlands. 9 Bde. (bisher), Berlin 1983 ff. (für ein breiteres, gebildetes Publikum geschriebene Darstellung, von den Anfängen bis 1933; Band 7 wurde in zwei Teilen ausgeliefert, Bd. 9 wurde später aufgrund von Bedenken inhaltlicher Art wieder zurückgezogen).
  • Handbuch der deutschen Geschichte. 9. Auflage, 4 Bde. (der klassische Gebhardt, auch als Taschenbuchausgabe in 22 Bänden erhältlich), Stuttgart 1970 ff. neubearbeitete 10. Auflage. Stuttgart 2001–2024.
  • Alfred Haverkamp, Wolfgang Reinhard, Jürgen Kocka, Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch der deutschen Geschichte. 10. Auflage, Klett-Cotta, Stuttgart 2001 ff. (Neubearbeitung des Gebhardt; noch nicht abgeschlossen).
  • Neue Deutsche Geschichte. Beck, München (im Entstehen begriffene moderne Darstellung der deutschen Geschichte vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart, die weniger Wert auf die Ereignisgeschichte legt als noch der Gebhardt).
  • Siedler Deutsche Geschichte (Das Reich und die Deutschen sowie Die Deutschen und ihre Nation). 12 Bände, Taschenbuch Sonderauflage, Siedler, Berlin 1998 (gut lesbare Darstellung, die sich an ein breiteres Publikum wendet, aber von Fachleuten verfasst ist).
  • Brendan Simms: Kampf um Vorherrschaft. Eine deutsche Geschichte Europas 1453 bis heute. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014. (Simms zufolge „eine deutsche Geschichte Europas“, da er Deutschland eine zentrale Rolle – ob aktiv oder passiv – in der europäischen Geschichte seit der Frühen Neuzeit zuweist.)
  • Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.): Moderne Deutsche Geschichte. 12 Bde. u. Reg.-Bd. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-518-09240-5 (sozialgeschichtlich ausgerichtete Darstellung der deutschen Geschichte seit der Frühen Neuzeit).
Commons: Geschichte Deutschlands – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Deutschland – Quellen und Volltexte
  1. Institut der deutschen Wirtschaft (IW): 30 Jahre Wiedervereinigung. Abgerufen am 14. Juli 2024 (deutsch).
  2. BMWK-Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Wirtschaft im wiedervereinigten Deutschland (1990–1998). Abgerufen am 14. Juli 2024.
  3. Jürgen Richter: Altsteinzeit. Der Weg der frühen Menschen von Afrika bis in die Mitte Europas, Kohlhammer, Stuttgart 2018, S. 135.
  4. Jürgen Richter: Altsteinzeit. Der Weg der frühen Menschen von Afrika bis in die Mitte Europas, Kohlhammer, Stuttgart, S. 203.
  5. Forscher finden in Ostthüringen Belege für frühere Besiedlung durch Homo sapiens. MDR, 31. Januar 2024, abgerufen am 3. Februar 2024.
  6. Jürgen Richter: Altsteinzeit. Der Weg der frühen Menschen von Afrika bis in die Mitte Europas, Kohlhammer, Stuttgart 2018, S. 204 f.
  7. Rebecca Miller: Le Mésolithique récent du Trou Al'Wesse (comm. de Modave, Prov. de Liège) Découverte de tessons de type non rubanés ou «Bereitkeramiek». In: Notae Praehistoricae 29, 2009, 5–14, hier: S. 10.
  8. Vgl. einführend Helmut Castritius: Stammesbildung, Ethnogenese. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 29, Berlin/New York 2005, S. 508–515.
  9. Zu Details siehe vor allem die diversen Artikel im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 2. Auflage.
  10. Walter Pohl: Die Germanen. 2. Aufl., München 2004, S. 3 ff.
  11. Tacitus, Germania 29.
  12. Siehe einführend Walter Pohl: Ethnizität des Frühmittelalters als interdisziplinäres Problem. In: Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 4 (1999), S. 69–75.
  13. Zur komplexen Forschungslage der Völkerwanderung und der Auflösung Westroms (stark mitverschuldet durch innerrömische Bürgerkriege) siehe nun vor allem Mischa Meier: Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert. München 2019.
  14. Vgl. auch Peter Stachel: Identität. Genese, Inflation und Probleme eines für die zeitgenössischen Sozial- und Kulturwissenschaften zentralen Begriffs. In: Archiv für Kulturgeschichte 87 (2005), S. 395–425.
  15. Grundlegend dazu ist die Arbeit Reinhard Wenskus: Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frühmittelalterlichen gentes. 2. Aufl., Köln/Wien 1977. Der Ansatz von Wenskus wurde dann von Herwig Wolfram und seinem Schüler Walter Pohl weiterentwickelt.
  16. Vgl. den Überblick bei Michael Kulikowski: Barbarische Identität. Aktuelle Forschungen und neue Interpretationsansätze. In: M. Konrad, C. Witschel (Hrsg.): Römische Legionslager in den Rhein- und Donauprovinzen – Nuclei spätantik-frümittelalterlichen Lebens? München 2012, S. 103–111.
  17. Vgl. Roland Steinacher: Zur Identitätsbildung frühmittelalterlicher Gemeinschaften. Überblick über den historischen Forschungsstand. In: Irmtraud Heitmeier, Hubert Fehr (Hrsg.): Die Anfänge Bayerns. Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria. St. Ottilien 2012, S. 73–124.
  18. Walter Pohl: Die Germanen. 2. Aufl., München 2004, S. 3ff.
  19. Walter Pohl: Die Germanen. 2. Aufl., München 2004, S. 3 f., 10.
  20. Reinhard Wolters: Die Schlacht im Teutoburger Wald. Arminius, Varus und das römische Germanien. 1., durchgesehene, aktualisierte und erweiterte Auflage, C.H. Beck, München 2017, ISBN 978-3-406-69995-5.
  21. Christopher B. Krebs: Ein gefährliches Buch – Die „Germania“ des Tacitus und die Erfindung der Deutschen. München 2012.
  22. Grundlegend zur Reichskrise (mit weiterführender Literatur) ist nun Klaus-Peter Johne (Hrsg.): Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (235–284). 2 Bde., Berlin 2008.
  23. Es handelt sich um das Harzhornereignis, vgl. Gustav Adolf Lehmann: Imperium und Barbaricum. Neue Befunde und Erkenntnisse zu den römisch-germanischen Auseinandersetzungen im nordwestdeutschen Raum – von der augusteischen Okkupationsphase bis zum Germanien-Zug des Maximinus Thrax (235 n. Chr.), Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2011, S. 96–112.
  24. Vgl. allgemein zur spätantiken Geschichte die entsprechenden Literaturhinweise im Artikel Spätantike.
  25. Grundlegend ist nun Mischa Meier: Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien und Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert. München 2019. Einführend siehe etwa Guy Halsall: Barbarian Migrations and the Roman West, 376–568. Cambridge 2007; Walter Pohl: Die Völkerwanderung. 2. Auflage, Stuttgart [u. a.] 2005.
  26. Siehe die Beiträge in Heinrich Beck (Hrsg.): Zur Geschichte der Gleichung „germanisch-deutsch“. Berlin 2004; vgl. auch Manuel Koch: Ethnische Identität im Entstehungsprozess des spanischen Westgotenreiches. Berlin/Boston 2011, S. 4 ff.
  27. Vgl. etwa Walter Pohl: Identität und Widerspruch. Gedanken zu einer Sinngeschichte des Frühmittelalters. In: Walter Pohl (Hrsg.): Die Suche nach den Ursprüngen. Von der Bedeutung des frühen Mittelalters. Wien 2004, S. 23 ff.
  28. Vgl. Joachim Ehlers: Die Entstehung des Deutschen Reiches. 4. Aufl., München 2012, S. 43.
  29. Grundlegend ist Carlrichard Brühl: Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker. 2. Aufl., Köln/Wien 1995; vgl. auch Joachim Ehlers: Die Entstehung des Deutschen Reiches. 4. Aufl., München 2012.
  30. Johannes Fried: Imperium Romanum. Das römische Reich und der mittelalterliche Reichsgedanke. In: Millennium. Jahrbuch für Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr. Band 3, 2006, S. 1–42.
  31. Grundlegend dazu Len Scales: The Shaping of German Identity. Cambridge 2012.
  32. Zur Einordnung der ottonischen Geschichte allgemein Hagen Keller, Gerd Althoff: Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Stuttgart 2008, S. 18 ff.
  33. Zu den unterschiedlichen Forschungsansätzen siehe Joachim Ehlers: Die Entstehung des Deutschen Reiches. 4. Aufl., München 2012; vgl. allgemein auch Johannes Fried: Der Weg in die Geschichte. Berlin 1994, speziell S. 9 ff. und S. 853 ff. Grundlegend ist Carlrichard Brühl: Deutschland – Frankreich. Die Geburt zweier Völker. 2. Aufl., Köln/Wien 1995.
  34. Gerd Althoff/Hagen Keller: Spätantike bis zum Ende des Mittelalters. Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen. Krisen und Konsolidierungen 888–1024. (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, 10., völlig neu bearbeitete Auflage), Stuttgart 2008, S. 26 und 434.
  35. Bernd Schneidmüller: Konsens – Territorialisierung – Eigennutz. Vom Umgang mit spätmittelalterlicher Geschichte. In: Frühmittelalterliche Studien 39, 2005, S. 225–246.
  36. Martin Kaufhold: Deutsches Interregnum und europäische Politik. Konfliktlösungen und Entscheidungsstrukturen 1230–1280. Hannover 2000.
  37. Peter Moraw: Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490. Berlin 1985.
  38. Georg Schmidt: Die Reiter der Apokalypse – Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. C.H. Beck, München 2018, S. 638–639.
  39. Wolfgang J. Mommsen: Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914–1918 (= Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 17), Klett-Cotta, Stuttgart 2002, ISBN 3-608-60017-5.
  40. Heinrich August Winkler konstatiert mit Blick auf das Ancien Régime: „Frankreich war ein absolutistischer und vergleichsweise zentralistischer Staat; das Reich war weder das eine noch das andere; es war überhaupt kein Staat.“ (Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. 5. durchgesehene Auflage, München 2002, S. 45).
  41. Zitiert nach Hagen Schulze: Die Geburt der deutschen Nation. In: Hartmut Boockmann u. a. (Hrsg.): Mitten in Europa: Deutsche Geschichte. Berlin 1984, S. 219.
  42. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 49.
  43. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, S. 19.
  44. Hagen Schulze: Die Geburt der deutschen Nation. In: Hartmut Boockmann u. a. (Hrsg.): Mitten in Europa: Deutsche Geschichte. Berlin 1984, S. 236.
  45. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, S. 17 f.
  46. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, S. 89 f.; Hagen Schulze: Die Geburt der deutschen Nation. In: Hartmut Boockmann u. a.: Mitten in Europa: Deutsche Geschichte. Berlin 1984, S. 241.
  47. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, S. 100.
  48. Vgl. hierzu Werner Bergmann: Tumulte – Excesse – Pogrome: Kollektive Gewalt gegen Juden in Europa 1789–1900. Göttingen 2020, S. 137–183.
  49. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, S. 285.
  50. Hagen Schulze: Die Geburt der deutschen Nation. In: Hartmut Boockmann u. a.: Mitten in Europa: Deutsche Geschichte. Berlin 1984, S. 249 f.
  51. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 80–82.
  52. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 86 u. 89.
  53. Hagen Schulze: Die Geburt der deutschen Nation. In: Hartmut Boockmann u. a.: Mitten in Europa: Deutsche Geschichte. Berlin 1984, S. 254 u. 261.
  54. Zitiert nach Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 103.
  55. Manfred Botzenhart: Deutscher Parlamentarismus in der Revolutionsszeit 1848–1850. Droste Verlag, Düsseldorf 1977, S. 122–124.
  56. Ralf Heikaus: Die ersten Monate der provisorischen Zentralgewalt für Deutschland (Juli bis Dezember 1848). Diss. Frankfurt am Main, Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 1997, S. 48/49.
  57. Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band II: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850. 3. Auflage, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart [u. a.] 1988, S. 669.
  58. Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band II: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850. 3. Auflage, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart [u. a.] 1988, S. 811/812. David E. Barclay: Frederick William IV and the Prussian Monarchy, 1840–1861. Oxford University Press, Oxford 1995, S. 194.
  59. Bernhard Mann: Das Ende der Deutschen Nationalversammlung im Jahre 1849. In: Historische Zeitschrift, Band 214, Heft 2 (April 1972), S. 265–309, hier S. 291–296. Ernst Rudolf Huber: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Band II: Der Kampf um Einheit und Freiheit 1830 bis 1850. 3. Auflage, W. Kohlhammer, Stuttgart [u. a.] 1988, S. 858, 860.
  60. vgl. Karl Dietrich Bracher: Der deutsche Sonderweg – Mythos oder Realität. Oldenbourg, München 1982; Jürgen Kocka: Bürgertum und Sonderweg. In: Peter Lundgreen (Hrsg.): Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums. Eine Bilanz des Bielefelder Sonderforschungsbereichs 1986–1997. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, S. 93–110; Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Band II: Deutsche Geschichte vom „Dritten Reich“ bis zur Wiedervereinigung. 1933–1990. C.H. Beck, München 2000, S. 640–648.
  61. Heinrich Lutz: Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866. Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S. 94.
  62. Heinrich Lutz: Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866. Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S. 97 und 99.
  63. Heinrich Lutz: Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866. Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S. 327 f.
  64. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat. München 1983, S. 670 f. und 684–687.
  65. Zitiert nach Heinrich Lutz: Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866. Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S. 436.
  66. Heinrich Lutz: Zwischen Habsburg und Preußen. Deutschland 1815–1866. Berlin 1998 (Originalausgabe 1985), S. 466 f.
  67. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918. Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S. 155.
  68. Zitiert nach Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 209.
  69. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie. 2. Aufl., München 1993, S. 312.
  70. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie. 2. Aufl., München 1993, S. 337.
  71. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie. 2. Aufl., München 1993, S. 359 f.
  72. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918. Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S. 177.
  73. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918. Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S. 202.
  74. Zitiert nach Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 235.
  75. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 3: Von der „Deutschen Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges: 1849–1914. München 1995, S. 610–614.
  76. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918. Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S. 306 f.
  77. Ulrich Herbert: Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. München 2014, S. 58 f.
  78. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie. 2. Aufl., München 1993, S. 631 f.
  79. Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie. 2. Aufl., München 1993, S. 639.
  80. Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918. Berlin 1998 (Originalausgabe 1983), S. 233.
  81. German South West Africa | historical state, Namibia | Britannica. Abgerufen am 7. Mai 2023 (englisch).
  82. Helmut M. Müller: Schlaglichter der deutschen Geschichte. Hrsg.: Bundeszentrale für politische Bildung. Brockhaus, Leipzig 2002, S. 197.
  83. Zur Anerkennung kolonialen Unrechts als Völkermord. (PDF) Deutscher Bundestag, 2023, abgerufen am 7. Mai 2023.
  84. Jürgen Zimmerer: Schwierige (post-)koloniale Aussöhnung. bpb, 27. September 2019, abgerufen am 14. Oktober 2024.
  85. Annika Mombauer: Die Julikrise. Europas Weg in den Weltkrieg. C.H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-66108-2, S. 10 f.; Annika Mombauer: Julikrise und Kriegsschuld – Thesen und Stand der Forschung, bpb.de vom 10. April 2014 (Bundeszentrale für politische Bildung); Gerd Krumeich: Der Erste Weltkrieg. Die 101 wichtigsten Fragen. C.H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-65941-6, S. 26 f.
  86. Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik. 7., durchgesehene und erweiterte Auflage, Oldenbourg, München 2009, S. 23.
  87. Vgl. dazu Jörn Leonhard: Der überforderte Frieden. Versailles und die Welt 1918–1923. München 2018.
  88. Eberhard Kolb: Der Frieden von Versailles. C.H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-50875-8, S. 94 ff.
  89. Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik. 7., durchgesehene und erweiterte Auflage, Oldenbourg, München 2009, S. 95.
  90. Florian Pressler: Die erste Weltwirtschaftskrise. Eine kleine Geschichte der großen Depression C.H. Beck, München 2013, S. 132–137.
  91. Eberhard Kolb: Die Weimarer Republik. Oldenbourg, München 2013, S. 255–258.
  92. Norbert Götz. Ungleiche Geschwister: Die Konstruktion von nationalsozialistischer Volksgemeinschaft und schwedischem Volksheim. Baden-Baden: Nomos, 2001.
  93. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949. München 2003, S. 686.
  94. Ernst Piper: Kurze Geschichte des Nationalsozialismus von 1919 bis heute. Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, S. 129.
  95. Ernst Piper: Kurze Geschichte des Nationalsozialismus von 1919 bis heute. Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, S. 222.
  96. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Zweiter Band: Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 116 ff.
  97. Edgar Wolfrum: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 2006, S. 20 f.
  98. Baar, Karlsch, Matschke: Studien zur Wirtschaftsgeschichte, Berlin, 1993
  99. John Gimbel Science Technology and Reparations: Exploitation and Plunder in Postwar Germany
  100. Edgar Wolfrum: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 2006, S. 27.
  101. Tony Judt: Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart. München/Wien 2006, S. 80.
  102. Wolfgang Leonhard: Die Revolution entläßt ihre Kinder. 14. Aufl., Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1974, S. 294 (Originalausgabe 1955).
  103. Reinhard Hildebrandt: Kampf um Weltmacht. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-322-85782-8, S. 262 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  104. Edgar Wolfrum: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 2006, S. 75 ff. „Zwar ist das Konzept der sozialen Marktwirtschaft originär deutschen Ursprungs, doch ohne die amerikanischen Vorgaben – Dekartellisierung, weltwirtschaftliche Integration, Liberalisierung des Außenhandelsregimes – hätte sie nicht realisiert werden können. Die USA haben das westliche Deutschland zur Speerspitze ihrer weltweiten Liberalisierungspolitik gemacht.“ (ebda., S. 80)
  105. Ein ungeliebtes Erbe: Stadt und Auto. Bauwelt, abgerufen am 17. März 2022.
  106. Christoph Bernhardt: Verkehrsplanung: Die autogerechte Stadt ist eine Untote. Der Tagesspiegel, abgerufen am 17. März 2022.
  107. Peter Longerich, »Was ist des Deutschen Vaterland?« Dokumente zur Frage der deutschen Einheit 1800 bis 1990, Piper, 1990, S. 33.
  108. Edgar Wolfrum: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 2006, S. 254.
  109. Andreas Grau: Neue Ostpolitik. In: Lebendiges Museum Online. Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, abgerufen am 16. April 2023.
  110. The Nobel Peace Prize 1971. In: The Nobel Prize. Abgerufen am 16. April 2023 (amerikanisches Englisch).
  111. Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Zweiter Band: Deutsche Geschichte vom «Dritten Reich» bis zur Wiedervereinigung. Fünfte, durchgesehene Auflage, München 2002, S. 543.
  112. Klaus Schroeder: Der SED-Staat. Partei, Staat und Gesellschaft 1949–1990 München 2000, S. 407 ff. (Originalausgabe 1998)
  113. Christoph Bernhardt: Verkehrsplanung: Die autogerechte Stadt ist eine Untote. Der Tagesspiegel, abgerufen am 21. März 2022.
  114. „Der gemeinsame Übergang zur langfristigen Wirtschaftsplanung war eine Konsequenz der Bildung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) im Jahre 1949 (DDR-Beitritt: September 1950) gewesen, der den ersten Schritt zur multilateralen Kooperation der Volksdemokratien darstellte und in der Folge zur Entwicklung analoger Pläne und Planmethoden sowie zu ihrer zeitlichen und materiellen Abstimmung führte.“ (Dietrich Staritz: Die Gründung der DDR. Von der sowjetischen Besatzungsherrschaft zum sozialistischen Staat. 3., überarbeitete und erweiterte Neuauflage, München 1995, S. 196. (Originalausgabe 1984))
  115. Diesbezüglich gern zitiert wird die Äußerung Karl-Eduard von Schnitzlers im „schwarzen Kanal“ vom März 1968, wonach jemand, der in der DDR-Opposition betreiben wolle, sich damit gegen die sozialistische Friedenspolitik stelle. „Und mit solcher Opposition setzen wir uns nicht an der Wahlurne und nicht im Parlament auseinander, sondern vor den Gerichten unserer sozialistischen Justiz.“ (Zitiert nach Ilko-Sascha Kowalczuk: Von der Freiheit, Ich zu sagen. Widerständiges Verhalten in der DDR. In: Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Widerstands und der Opposition in der DDR. Herausgegeben von Ulrike Poppe, Rainer Eckert und Ilko-Sascha Kowalczuk, Berlin 1995, S. 92.)
  116. Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Widerstands und der Opposition in der DDR. Herausgegeben von Ulrike Poppe, Rainer Eckert und Ilko-Sascha Kowalczuk, Berlin 1995, S. 14.
  117. Martin Sabrow: Der blasse Diktator. Erich Honecker als biographische Herausforderung. Vortrag im Rahmen des Institutskolloquiums des Zentrums für Zeithistorische Forschung am 9. Februar 2012 in Potsdam. (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) (PDF; 110 kB) Zentrum für Zeithistorische Forschung
  118. Ed Stuhler: Margot Honecker. Eine Biografie. Ueberreuther, Wien 2003, S. 149, S. 147ff.
  119. Martin Sabrow: Sozialismus. In: Ders. (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. München 2009, S. 196 f.
  120. Herausgeberkollektiv (Hrsg.): Wörterbuch zur sozialistischen Jugendpolitik. Berlin 1975. Zitiert nach Mary Fulbrook: Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR. Darmstadt 2008, S. 134. (Engl. Originalausgabe: New Haven and London 2005)
  121. „Obwohl niemand gezwungen wurde, der FDJ beizutreten, waren die Sanktionen für eine auffällige Nonkonformität ein Faktor, den junge Leute mit ernsten Ambitionen berücksichtigen mussten. Am höchsten war die Mitgliedschaft unter Schulkindern, denn die Organisation hatte ihren Sitz in der Schule, die Gruppen wurden häufig von Klassenlehrern geführt, und Treffen waren offenbar ein routinemäßiger Bestandteil des Stundenplans.“ (Mary Fulbrook: Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR. Darmstadt 2008, S. 147.)
  122. Mary Fulbrook: Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR. Darmstadt 2008, S. 148.
  123. Marina Chauliac: Die Jugendweihe. In: Martin Sabrow (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. München 2009, S. 161 ff.
  124. Ulrich Mählert: Kleine Geschichte der DDR. 4. überarbeitete Aufl., München 2004, S. 122
  125. Mary Fulbrook: Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR. Darmstadt 2008, S. 173.
  126. Lutz Niethammer: Das Kollektiv. In: Martin Sabrow (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. München 2009, S. 277.
  127. Ina Merkel: DerTrabant. In: Martin Sabrow (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR. München 2009, S. 366.
  128. Ulrich Mählert: Kleine Geschichte der DDR. 4. überarbeitete Aufl., München 2004, S. 132.
  129. Ulrich Mählert: Kleine Geschichte der DDR. 4. überarbeitete Aufl., München 2004, S. 137.
  130. Abwandlung des seinerzeit geläufigen Slogans: „Frieden schaffen ohne Waffen!“ Zitiert nach Mary Fulbrook: Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR. Darmstadt 2008, S. 67.
  131. Ulrike Poppe: „Der Weg ist das Ziel.“ Zum Selbstverständnis und der politischen Rolle oppositioneller Gruppen der achtziger Jahre. In: Zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Formen des Widerstands und der Opposition in der DDR. Hrsg. von Ulrike Poppe, Rainer Eckert und Ilko-Sascha Kowalczuk, Berlin 1995, S. 244 ff.
  132. Wortlaut der bis zum 3. Oktober 1990 gültigen alten Fassung von Art. 23 GG: „Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiet der Länder Baden, Bayern, Bremen, Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.“
  133. Bankenrettung kostete 30 Milliarden. Deutscher Bundestag, 19. September 2018, abgerufen am 16. April 2023.
  134. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Das Bundesamt in Zahlen 2015 – Modul Asyl (Memento vom 16. Mai 2016 im Internet Archive), 16. Mai 2016.
  135. Prominente unterstützen Merkels Flüchtlingspolitik. In: Morgenpost. 20. Februar 2016, abgerufen am 23. Mai 2024.
  136. Der Berliner Kreis, eine konservative Gruppe in der CDU, hat den „Linksdrift“ ihrer Partei scharf kritisiert, stern.de vom 16. Mai 2016.
  137. Konrad-Adenauer-Stiftung: Konrad-Adenauer-Stiftung – Die Flüchtlingskrise als Herausforderung für Europa, 16. Mai 2016.
  138. "Macht Euren Job" – Weltweite Klimastreiks setzen Politik unter Druck. In: Reuters. 20. September 2019 (reuters.com [abgerufen am 25. März 2023]).
  139. Kraftwerke-Blockade – Ende im Lausitzer Gelände. Deutschlandfunk, 2016, abgerufen am 16. April 2023.
  140. Bundestagswahl 2021. Die Bundeswahlleiterin, 2021, abgerufen am 16. April 2023.