„Bessarabien“ – Versionsunterschied
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'''Bessarabien''' ([[Rumänische Sprache|rumänisch]] "Basarabia", [[Ukrainische Sprache|ukrainisch]] "Бессарабія") in [[Südosteuropa]] ist eine historische Landschaft, begrenzt vom [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] im Süden sowie den Flüssen [[Pruth]] im Westen und [[Dnjestr]] im Osten. Jahrhundertelang war das Land Pufferregion zwischen den Großmächten [[Kaisertum Österreich|Österreich]], [[Russland]], [[Osmanisches Reich|Türkei]]. Die Gebietsbezeichnung entstand erst [[1812]], als das [[Fürstentum Moldau]] die Herrschaft an [[Russland]] abtrat. Der mehrheitlich von Menschen rumänischer Ethnie bewohnte Landstrich war bis [[1917]] [[Gouvernement]] im [[Zarenreich]], wurde danach bis zum [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] eine östliche Provinz [[Rumänien|Rumäniens]] und kam später zur [[Sowjetunion]]. Heute liegt das frühere Bessarabien auf dem Staatsgebiet [[Moldawien]]s und der [[Ukraine]]. |
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[[Bild:Karte-Basarabia-Pos-01.png|thumb|230px|Bessarabien in Europa]] |
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[[Datei:Coat of arms of Bessarabia Governorate 1878.svg|mini|Wappen [[Gouvernement Bessarabien|Bessarabiens]] als Russisches Gouvernement]] |
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[[Bild:Karte_Bessarabien_neu.png|thumb|230px|Bessarabien 1940]] |
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[[Datei:Karte-Basarabia-Pos-01.png|mini|Bessarabien in Europa]] |
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[[Datei:Karte Bessarabien 02.png|mini|Bessarabien, 1940]] |
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[[Datei:Bessarabien und Moldawien.jpg|mini|Historisches Bessarabien und heutige Republik Moldau (ein kleiner nördlicher Teil der historischen Region Bessarabien liegt in der Ukraine, ebenso wie ein südlicher Teil der Region bekannt als [[Budschak]])]] |
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'''Bessarabien''' (''[[Internationales Phonetisches Alphabet|IPA]]:'' [{{IPA|bɛsaˈʁaːbi̯ən}}]<ref name="Krech-et-al" />, {{roS|'''Basarabia'''}}, {{ukS|Бессарабія}}, selten auch {{lang|uk|Басарабія}}<ref>{{JE|1=http://kelmenci.info/archives/76}}</ref>, {{ruS|Бессарабия}}) ist eine [[historische Landschaft]], die geografisch zu [[Südosteuropa|Südost-]] und [[Osteuropa]] gehört und vom [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] im Süden sowie den Flüssen [[Pruth]] im Westen und [[Dnister]]/Dnjestr im Osten begrenzt wird. Das frühere Bessarabien deckt sich heute weitgehend mit dem westlich des Dnister liegenden Teil der [[Republik Moldau]], nur der Süden ([[Budschak]]) sowie der äußerste Norden (um [[Chotyn]]) gehören zur [[Ukraine]]. Jahrhundertelang war das Land Pufferregion zwischen den Großmächten [[Habsburgermonarchie|Österreich]], [[Russisches Kaiserreich|Russland]] und dem [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]]. 1812 trat das [[Fürstentum Moldau]] die Herrschaft an Russland ab. Danach war der mehrheitlich von [[Rumänen]] bewohnte Landstrich bis 1917 als [[Gouvernement Bessarabien]] Teil des [[Russisches Kaiserreich|Russischen Kaiserreichs]]. 1918 war Bessarabien kurzzeitig unabhängig. In der [[Zwischenkriegszeit]] war es östliche Provinz [[Königreich Rumänien|Rumäniens]], nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] wurde es der [[Sowjetunion]] angeschlossen. |
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== Name == |
== Name == |
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Der Begriff ''Bessarabien'' (rumänisch "Basarabia") leitet sich vom walachischen Fürstengeschlecht ''Basarab'' ab, das dort im [[13. Jahrhundert]] und [[14. Jahrhundert]] herrschte, und hat nichts mit "[[Arabien]]" zu tun. Ursprünglich galt nur das südliche Drittel des Landes als ''Terra Bassarabum'' (lat.). Mit der russischen Übernahme von [[1812]] dehnte Russland den Begriff ''Bessarabien'' auf das gesamte Gebiet zwischen den Flüssen [[Pruth]] und [[Dnjestr]] aus. |
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Die Bezeichnung „Bessarabien“ (rumänisch ''Basarabia,'' gagausisch ''Basarabiya'') leitet sich vom [[Fürstentum Walachei|walachischen]] Fürstengeschlecht [[Basarab I.|Basarab]] ab, das dort im 13. und 14. Jahrhundert herrschte. Ursprünglich galt nur das südliche Drittel des Landes als ''Terra Bassarabum'' (lat.). Mit der russischen Übernahme von 1812 dehnte Russland die Bezeichnung „Bessarabien“ auf das gesamte Gebiet zwischen den Flüssen [[Pruth]] und [[Dnister]]/Dnjestr aus. |
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[[Bild:Wappen_Bessarabiens.png|thumb|100px|Wappen Bessarabiens]] |
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== Wappen == |
== Wappen == |
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Das Wappen Bessarabiens ist der Stierkopf, der oben von einem fünfzackigen Stern, links von einer Rose und rechts von einem [[Mondsichel|Halbmond]], umgeben ist. |
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[[Datei:COA from Flag of Sfatul Tarii.svg|mini|hochkant|Wappen Bessarabiens]] |
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Der Stierkopf ist das Symbol des [[Fürstentum Moldau|Fürstentums Moldau]], zu dem Bessarabien bis zu seiner Abtrennung 1812 gehörte. Er deutet auf die dort betriebene Viehzucht hin. |
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Das Wappen Bessarabiens ist der [[Auerochse]], der oben von einem fünfzackigen [[Stern (Heraldik)|Stern]], links (heraldisch: rechts) von einer [[Rose (Heraldik)|Rose]] und rechts (heraldisch: links) von einem [[Mondsichel|Halbmond]] umgeben ist. Die Wappendarstellung (Zeichnung links) entstammt einem Dokument, in dem die nationale Vollversammlung Bessarabiens ([[Sfatul Țării]]) am 9. April 1918 den Anschluss des Gebietes an Rumänien ''für ewige Zeiten'' erklärte. |
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Der Auerochse ist das Symbol des [[Fürstentum Moldau#Der moldauische Auerochse|Fürstentums Moldau]], zu dem Bessarabien bis zu seiner Abtrennung 1812 gehörte. |
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== Land und Landwirtschaft == |
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=== Geografie === |
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[[Datei:Viehherde Bessarabien.jpg|mini|hochkant=1.2|Rinderherde mit Hirte in der Steppe des [[Budschak]], 1940]] |
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Bessarabien ist ein Landstrich am [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] zwischen den Flüssen Pruth im Westen und Dnister im Osten und im Übergang von den [[Karpaten]] zur [[Eurasische Steppe|osteuropäischen Steppe]]. Die Fläche betrug bei einer Ausdehnung von ca. 450 km × 100 km rund 45.000 km². Das südliche Drittel ([[Budschak]]), sowie der nordwestliche Zipfel um die Stadt [[Chotyn]] gehören heute zur Ukraine (im Osten der [[Oblast Tscherniwzi]]). Der Rest der nördlichen zwei Drittel und der zentrale Teil sind heute Teil der Republik Moldau und machen den Hauptteil des Staatsgebietes aus. |
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==Landesnatur== |
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=== Geographie === |
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Bessarabien ist ein Landstrich am [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] zwischen den Flüssen [[Pruth]] im Westen und [[Dnjestr]] im Osten. Es ist Übergangsland zwischen den [[Karpaten]] und der osteuropäischen [[Steppe]]. Die Fläche betrug bei einer Ausdehnung von ca. 450 km × 100 km rund 45.000 km². Das südliche Drittel gehört heute zur [[Ukraine]]. Die nördlichen zwei Drittel sind heute Teil von [[Moldawien]] und machen den Hauptteil des Staatsgebietes aus. |
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Bessarabien lässt sich landschaftlich in drei Zonen unterteilen. |
Bessarabien lässt sich landschaftlich in drei Zonen unterteilen. Nordbessarabien ist als Karpatenausläufer eine leicht bewaldete [[Hochebene]] von etwa 400 m über dem Meeresspiegel. Dieser Landesteil ist mit [[Eichen]]- und [[Buche]]nwäldern bedeckt und von tiefen Schluchten durchschnitten. Mittelbessarabien ist ebenfalls von Wäldern bedeckt (wovon es auch den Namen ''Codrii,'' also „Wälder“ trägt) und geht ab [[Bender (Stadt)|Tighina]] allmählich in das [[steppe]]nähnliche Gebiet des Budschak in Südbessarabien über, ein flachwelliges [[Hügelland]] mit einer baumfreien Landschaft etwa 100 m über dem Meeresspiegel. Unter mannshohem Steppengras liegt fruchtbarer [[Schwarzerde]]boden. Alle Flüsse fließen bei geringem Gefälle in südöstliche Richtung und münden ins Schwarze Meer. Im Sommer fallen die kleinen Steppenflüsse fast trocken. |
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=== Klima === |
=== Klima === |
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Das Klima des Gebietes war [[Kontinentalklima|kontinental]], mit trockenheißen Sommern und kalten Wintern. Im Süden herrschte ein trockenes [[Steppenklima]] mit geringen durchschnittlichen Niederschlagsmengen (300 mm), was in regenarmen Jahren zu [[Missernte]]n in der Landwirtschaft führte. Gleichzeitig kam es bei [[Wolkenbruch|Wolkenbrüchen]] zu schwerwiegenden Überschwemmungen. Im waldreicheren Norden waren 600 mm jährlicher Niederschlag üblich. |
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Das Klima des Gebietes ist [[Kontinentalklima|kontinental]] mit trockenheißen Sommern und kalten Wintern. Im Süden herrscht ein trockenes Steppenklima mit geringen durchschnittlichen Niederschlagsmengen (300 mm), was in regenarmen Jahren ohne künstliche Bewässerung zu Missernten in der Landwirtschaft führt. Gleichzeitig kann es bei Wolkenbrüchen zu schwerwiegenden Überschwemmungen kommen, wenn die kleinen Flüsse überlaufen. Im waldreicheren Norden sind 600 mm jährlicher Niederschlag üblich. |
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=== Landwirtschaft=== |
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Bessarabiens Reichtum war der humusreiche, fruchtbare [[Schwarzerde]]boden, der eine Mächtigkeit von bis zu 1,5 m aufwies. Daraus entwickelte sich ein ertragreicher Anbau von Wein, Weizen, Hirse, Mais und Obst. Als reines Agrarland exportierte Bessarabien vor allem Wein, Früchte (Melonen und Kürbisse), Gemüse, Tabak, Getreide und Wolle. Sie stammte aus der weit verbreiteten Schafzucht, vor allem des feinwolligen Karakul-[[Schaf]]es. Die Produkte transportierten die Landwirte zur Ausfuhr zum Schwarzmeerhafen [[Odessa]] ([[Ukraine]]). Nach dem Anschluss an Rumänien (1918) ging jedoch der russische Absatzmarkt verloren, wofür in den 1930er Jahren Ölfrüchte und Sojabohnen zu festen Preisen ins [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] verkauft werden konnten. |
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=== Landwirtschaft === |
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Eine gewerblich industrielle Produktion gab es infolge der Armut an [[Energiequelle]]n nur für den lokalen Bedarf, wobei es sich hauptsächlich um landwirtschaftliches Gerät handelte. [[Bodenschätze]] des Landes waren Salpeter und Marmor. Eine Gewinnung von [[Meersalz]] gab es in [[Lagune|lagunenartigen]] [[Liman]]en des Schwarzen Meeres. |
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[[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F016200-34, Russland, Bäuerinnen bei der Ernte.jpg|mini|hochkant|Bäuerinnen bei der Ernte, 1941]] |
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== Verkehr== |
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[[Datei:Viehherde Brunnen Haller Sept 2005.JPG|mini|hochkant|Viehtränke an einem Steppenbrunnen, 2005]] |
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Die wichtigsten Verkehrswege im Altertum und im Mittelalter waren die Flüsse und so galt es diese zu kontrollieren. Eine wichtige Route des Orienthandels im Mittelalter war die Verbindung über den Dnjepr zur Ostsee durch die [[Wikinger]] im 8. - 10. Jahrhundert und die Route durchs Schwarze Meer ins Mittelmeer, welche z.B. von den [[Genua|Genuesen]] eine Zeitlang beherrscht wurde. So war die Festung in [[Bilhorod-Dnistrowskyj]], bevor sie osmanisch wurde, ein genuesischer Stützpunkt (Mauro Castro), der 1480 erobert wurde. |
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Bessarabiens Reichtum war die [[humus]]reiche, fruchtbare [[Schwarzerde]] mit einer [[Mächtigkeit (Geologie)|Mächtigkeit]] von bis zu 1,5 m, die einen ertragreichen Anbau von Wein, Weizen, Hirse, Mais und Obst ermöglichte. Als reines Agrarland exportierte Bessarabien vor allem Wein, Früchte (Melonen und Kürbisse), Gemüse, Tabak, Getreide und Wolle, die aus der weit verbreiteten Schafzucht stammte, vor allem des feinwolligen [[Karakulschaf]]es (das [[Lammfell]] ist als „Bessaraber“ im [[Rauchwaren]]<nowiki />handel bekannt). Auch heute noch sind die landwirtschaftlichen Produkte von hoher Bedeutung. Diese machen z. B. für Moldau im Jahr 2000 etwa 40 % des [[Bruttoinlandsprodukt]]es und zwei Drittel aller Exporte aus. |
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Das Straßennetz im Land war stets unterentwickelt und behinderte die wirtschaftliche Entwicklung. [[1930]] gab es 800 Kilometer befestigte Straße und 7.000 km Naturwege, die als Feldwege nur bei trockenem Wetter befahrbar waren. Die erste Eisenbahnverbindung verband [[1871]] die Landeshauptstadt [[Kischinew]] mit dem russischen Reich. Als Bessarabien [[1918]] von Russland nach [[Rumänien]] wechselte, wurde das 1.300 km lange Gesamteisenbahnnetz von der russischen [[Breitspur]] auf die mitteleuropäische [[Normalspur]] umgestellt. Der Schiffsverkehr lag größtenteils darnieder, obwohl das Land von den Gewässern [[Pruth]], [[Dnjestr]] und [[Donau]] umgeben war sowie Anteil am [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] hatte. Den auf 200 km schiffbaren Pruth befuhren [[1920]] 26 Frachtkähne. Der Schiffsverkehr auf dem 700 km schiffbaren Dnjestr war nach [[1918]] wegen der Grenzlage zwischen Rumänien und der Sowjetunion lahmgelegt. |
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Die Exportprodukte transportierten die Landwirte zum Schwarzmeerhafen [[Odessa]] (Ukraine). Nach dem Anschluss an Rumänien (1918) ging jedoch der Absatz über das dann sowjetische Odessa verloren und auch der Verkauf in die Sowjetunion litt stark. Ein kleiner Ausgleich dafür war in den 1930er Jahren der Absatz von Ölfrüchten und Sojabohnen zu festen Preisen ins [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]]. Bei der Nutztierhaltung waren Rinder weiter verbreitet als Pferde. Die moldauischen Landwirte setzten beim Bestellen ihrer Ackerflächen vor allem Ochsen als [[Zugtier]]e ein, die bessarabiendeutschen Bauern aber nur Pferde. |
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==Siedlungen== |
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[[Bild:Dorf Bessarabien.jpg|thumb|772px|left| Kolonistendorf in der Steppenlandschaft Südbessarabiens 1940]] |
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Eine gewerbliche, industrielle Produktion gab es infolge der Armut an Energiequellen nur für den lokalen Bedarf, wobei es sich hauptsächlich um landwirtschaftliches Gerät handelte. [[Bodenschätze]] des Landes waren [[Nitrate#Salpeter|Salpeter]] und [[Marmor]]. Eine Gewinnung von Meersalz gab es in [[lagune]]nartigen [[Liman]]en des Schwarzen Meeres. |
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Außer der bessarabischen Hauptstadt [[Chişinău|Kischinew]] gab es keine bedeutenden Städte. Bessarabien war ein Agrargebiet mit einer mehrheitlich auf dem Lande lebenden Bevölkerung. Die größeren Orte wiesen als [[Marktgemeinde]]n nur halbstädtischen Charakter auf. Im Gefolge jahrhundertelanger [[Osmanisches Reich|osmanischer Herrschaft]] gelangte der Typ der orientalischen [[Basar]]stadt ins Land. Viele Orte hatten deshalb großangelegte Marktflächen. Einige Ortsnamen im Süden deuten auf die frühere [[Osmanisches Reich|osmanische Herrschaft]] und [[Tataren|tatarisch]] Besiedlung hin, z. b. Akkerman (türk.: weiße Stadt), Bender (türk.: das Tor) (heute [[Tighina]]), Tatarbunar, Tuzla, Kubey, Manuk-Bey. |
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== Verkehr == |
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Vom 13. bis zum 14. Jahrhundert wetteiferten die [[Republik Genua]] und die [[Republik Venedig]] um die Vormacht im Handel am Schwarzen Meer. Ein wesentliches Ziel war der Import von Nahrungsmitteln von dort nach Oberitalien, aber die Route durchs Schwarze Meer war bis zur Eroberung der [[Krim]] durch das Osmanische Reich im Jahr 1475 auch der westliche Abschnitt der [[Seidenstraße]]. Es entstanden Handelsposten an der Schwarzmeerküste, wie die Festung in [[Bilhorod-Dnistrowskyj]] mit dem Namen ''Mauro Castro,'' und an den Strömen. So unterhielten die Genuesen einen unbefestigten Handelsposten tief im Landesinneren in [[Bender (Stadt)|Tighina]] (Bender) am [[Dnister]]. Auch in den späteren Jahrhunderten, als Bender zum [[Fürstentum Moldau]] gehörte, behielt die Stadt ihre Rolle für den Schwarzmeerhandel. |
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Das Straßennetz im Land war stets unterentwickelt und behinderte die wirtschaftliche Entwicklung. 1930 gab es 800 Kilometer befestigte [[Straße]]n und 7000 km [[Naturweg]]e, die nur bei trockenem Wetter befahrbar waren. Die erste Eisenbahnverbindung verband 1871 die Landeshauptstadt [[Chișinău|Kischinjow]] mit dem russischen Reich. Als Bessarabien 1918 von Russland nach Rumänien wechselte, wurde das 1300 km lange Gesamteisenbahnnetz von der russischen [[Breitspur]] auf die mitteleuropäische [[Normalspur]] umgestellt. Dieser Schritt wurde mit der Eingliederung in die [[Sowjetunion]] rückgängig gemacht. Der Schiffsverkehr lag größtenteils darnieder, obwohl das Land von den Gewässern [[Pruth]], Dnister und [[Donau]] umgeben war sowie Anteil am Schwarzen Meer hatte. Den auf 200 km schiffbaren Pruth befuhren 1920 26 Frachtkähne. Der Schiffsverkehr auf dem 700 km schiffbaren Dnister war nach 1918 wegen der Grenzlage zwischen Rumänien und der Sowjetunion lahmgelegt. |
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== Siedlungen und Städte == |
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[[Datei:Klöstitz Albrecht Schuler Bergstrasse Sept 2010.JPG|mini|Typisches Straßenbild in einer dörflichen Siedlung, hier [[Wessela Dolyna (Bolhrad)|Wessela Dolyna]]]] |
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Außer der bessarabischen Hauptstadt [[Chișinău|Kischinau]], russisch ''Kischinjow,'' rumänisch ''Chișinău,'' gab es keine bedeutenden Städte. Kischinjow am Rande des russischen Imperiums genoss jedoch in den ersten Jahrzehnten nach der Eroberung durch Russland keinen guten Ruf im [[Russisches Kaiserreich|Kaiserreich]], sondern galt als Strafversetzungslager für Unzufriedene und Aufmüpfige. Der junge russische Nationaldichter [[Alexander Sergejewitsch Puschkin|Alexander Puschkin]] war von 1820 bis 1823 als Übersetzer nach Kischinjow verbannt worden und schrieb über die Stadt: |
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{{Zitat|Oh Kischinjow, oh dunkle Stadt!<br /> |
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Verfluchte Stadt Kischinjow, die Zunge wird nicht müde, dich zu beschimpfen.}} |
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Ab 1834 entstand in Kischinjow durch einen großzügigen Stadtentwicklungsplan ein imperiales Stadtbild mit breiten und langen Straßen. Dennoch war Bessarabien ein Agrargebiet mit einer mehrheitlich auf dem Lande lebenden Bevölkerung. Die größeren Orte wiesen als [[Marktgemeinde]]n nur halbstädtischen Charakter auf. Die Kolonistendörfer (siehe Foto oben) waren jeweils als [[Dorf|Straßendorf]] angelegt und mehrere Kilometer lang. Im Gefolge jahrhundertelanger [[Osmanisches Reich|osmanischer Herrschaft]] gelangte der Typ der orientalischen [[Basar]]stadt ins Land. Viele Orte hatten deshalb großangelegte Marktflächen. Einige Ortsnamen im Süden deuten auf die frühere osmanische Herrschaft und [[Tataren|tatarische]] Besiedlung hin, z. B. Akkerman (türk. für ''weiße Festung''), Bender (türk. für ''das Tor,'' heute Tighina), Tatarbunar, Ismail, Tuzla, Kubey, Manuk-Bey. |
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Orte mit städtischem Charakter waren 1937 (mit Einwohnerzahl): |
Orte mit städtischem Charakter waren 1937 (mit Einwohnerzahl): |
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* [[Chișinău]] (russ. Kischinjow, dt. Kischinau) 117.000, heute die Hauptstadt Moldaus |
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*Akkerman 55.000, heute [[Bilhorod-Dnistrowskyj]] in der |
* Cetatea Albă (Akkerman) 55.000, heute [[Bilhorod-Dnistrowskyj]] in der Ukraine |
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*Bender 50.000, heute [[ |
* [[Bender (Stadt)|Tighina]] (Bender) 50.000, heute in Moldau, aber von [[Transnistrien]] verwaltet |
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*Ismail |
* Ismail 45.000, heute [[Ismajil]] in der Ukraine |
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* |
* [[Bălți]] (dt. Belz), 40.000, heute in Moldau |
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*Hotin 35.000 |
* Hotin 35.000, heute [[Chotyn]] in der Ukraine |
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*Soroca 35.000, heute |
* [[Soroca]] 35.000, heute in Moldau |
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Die übrigen größeren Orte |
Die übrigen größeren Orte wie [[Orhei]], [[Kilija|Chilia]], [[Comrat]], [[Tusly (Bilhorod-Dnistrowskyj)|Tuzla]], [[Cahul]], [[Leova]], [[Bolhrad|Bolgrad]] und [[Wylkowe|Vâlcov]] waren nur Marktflecken mit bis zu 15.000 Einwohnern. |
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== Bevölkerung == |
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===Hauptstadt=== |
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Die [[Hauptstadt]] des neuen russischen [[Gouvernement]]s Bessarabien war zunächst ab [[1812]] [[Tighina]]. [[1818]] wurde der Regierungssitz nach [[Kischinew]] verlegt, ein bis dahin unbedeutender Marktflecken. Ab [[1834]] entstand durch einen großzügigen Stadtentwicklungsplan ein imperiales Stadtbild mit breiten und langen Straßen. |
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[[Datei:Ethnische Karte Bessarabiens 1930.png|mini|Ethnische Gruppen in Bessarabien, 1930]] |
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Kischinew am Rande des russischen Imperiums genoss keinen guten Ruf im [[Zarenreich]], sondern galt als Strafversetzungslager für Unzufriedene und Aufmüpfige. Der junge russische Nationaldichter [[Alexander Sergejewitsch Puschkin|Alexander Puschkin]] war von 1820-23 als Übersetzer nach Kischinew verbannt worden und schrieb über die Stadt: |
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[[Datei:Moldawien-Karte-Ethnisch-01.png|mini|Ethnische Gruppen in Moldau auf dem Gebiet des früheren Bessarabiens, Mai 1995]] |
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[[Datei:Bugeac-etnic.png|mini|Ethnische Gruppen im Budschak auf dem Gebiet des früheren Bessarabiens, 1989–2001]] |
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=== Volkszählungen === |
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*''O Kischinjow, o dunkle Stadt!'' |
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*''Verfluchte Stadt Kischinjow, die Zunge wird nicht müde dich zu beschimpfen.'' |
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Wie von der Obrigkeit anfangs vorgegeben, bewohnten die [[Volksgruppe]]n im 19. Jahrhundert zunächst jeweils eigene Dörfer. Unter den deutschen Kolonisten gab es ursprünglich sogar eine Trennung in evangelisch-lutherische und katholische Siedlungen. Im 20. Jahrhundert bestand die reine ethnische oder sprachliche Einheit in den Dörfern nicht mehr. Die meisten Dörfer waren noch immer mehrheitlich von einer einzelnen Volksgruppe bewohnt, in den größeren Städten lebte allerdings nun eine gemischte, multikulturelle Bevölkerung. Zwischen den verschiedenen [[Ethnie]]n etablierte sich ein friedliches Nachbarschaftsverhältnis, wobei jedoch Mischehen aufgrund der unterschiedlichen Sprach- und Religionszugehörigkeiten eher selten waren. |
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==Bevölkerung== |
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[[Bild:Grafik_Bessarabien_Ethisch_01_01.png|thumb|200px|Grafik Ethnische Gruppen 1930]] |
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[[Bild:Moldawien-Karte-Ethnisch-01.png|thumb|200px|Ethnische Gruppen in Moldawien(Mai 1995)]] |
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Bei der rumänischen Volkszählung von 1930 hatte Bessarabien ca. 2,8 Millionen Einwohner. Die Bevölkerung bestand aus: |
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*57 % Rumänen (Moldauer) |
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*12 % Russen |
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*11 % Ukrainer |
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* 7 % Juden |
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* 6 % Bulgaren |
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* 3 % Deutsche |
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* 1 % andere, darunter [[Gagausen]], [[Roma]], [[Griechen]], [[Armenier]], [[Kosaken]]. |
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{| class="wikitable" |
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Wie von der Obrigkeit vorgegeben, bewohnten die Volksgruppen anfangs jeweils eigene Dörfer. Mit der Zeit siedelten sich neue Bewohner in den Dörfern an, ohne auf die Volkszugehörigkeit Rücksicht zu nehmen. Unter den deutschen Kolonisten gab es sogar eine Trennung in evangelisch-lutherische und katholische Siedlungen. Das Verhältnis der verschiedenen Ethnien untereinander war ein friedliches Nachbarschaftsverhältnis, wobei Mischehen aufgrund der unterschiedlichen Sprach- und Religionszugehörigkeiten allerdings selten waren. |
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! Jahr |
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! Gesamtbevölkerung |
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! [[Moldauer]] / [[Rumänen]] |
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! [[Ukrainer]] |
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! [[Russen]] |
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! [[Gagausen]] |
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! [[Bulgaren]] |
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! [[Juden]] |
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! [[Deutsche]] |
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! Andere |
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|- |
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| '''1897'''<ref name="auto">{{Webarchiv | url=http://pop-stat.mashke.org/empire1897-division.htm | wayback=20131204152904 | text=—}}</ref> |
|||
| 1,94 Mio. |
|||
| 47,6 % ¹ |
|||
| 19,6 % |
|||
| 8,1 % |
|||
| 2,9 % ² |
|||
| 5,3 % |
|||
| 11,8 % |
|||
| 3,1 % |
|||
| 1,6 % |
|||
|- |
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| '''1930''' |
|||
| 2,86 Mio. |
|||
| 56,23 % |
|||
| 10,97 % |
|||
| 12,28 % |
|||
| 3,43 % |
|||
| 5,7 % |
|||
| 7,15 % |
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| 2,83 % |
|||
| 1,39 % |
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|} |
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'''Anmerkungen:''' |
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===Jüdische Bevölkerung=== |
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[[Katharina II. (Russland)|Katharina die Große]] hatte 1791 fast alle russischen Juden gezwungen in die westlichen Provinzen umzusiedeln und so die "[[Schtetl]]" geschaffen. Ihre Politik wurde von den späteren Zaren im wesentlichen fortgesetzt und somit wurde, nach der russischen Übernahme von [[1812]], Bessarabien ebenfalls ein sog. ''Ansiedlungsrayon''. Allerdings galt bis [[1835]] ein Autonomie-Status, so dass dort die normalen russischen, gesetzlichen Diskriminierungen nicht gültig waren (z.B. Verbot von Landkauf). Eine weitere Gruppe von Zuzüglern waren Juden aus Deutschland und Polen, die meist [[jiddisch]] sprachen. In den größeren Orten gab es deshalb bald einen Anteil von nahezu 40 % [[jüdisch]]er Bevölkerung. |
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¹ Die Ergebnisse des Zensus von 1897 wurden wiederholt angezweifelt. Mehrere Historiker sind der Meinung, dass der Anteil der Moldauer bzw. Rumänen höher war<ref>{{cite web|url=http://depts.washington.edu/cartah/text_archive/clark/bc_17.shtml|title=Electronic Text Archive|language=en|website=depts.washington.edu}}</ref> und über 50 % betrug<ref>{{Webarchiv|url=http://istoria.md/articol/446/Recens%C4%83minte_%C5%9Fi_m%C4%83rturii_%C3%AEn_Basarabia_%C5%A2arist%C4%83 |wayback=20201005195439 |text=Archivierte Kopie }}</ref>. Als sicher gilt, dass eine rumänische Mehrheit mindestens bis Mitte des 19. Jahrhunderts existierte.<br /> |
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Zwar wurden die gesetzlichen Erleichterungen in den folgenden Jahrzehnten geringer, aber bis zur vollständigen Abschaffung der Diskriminierung nach der [[Oktoberrevolution]] von 1917, gab es dennoch durch die Lage am Rande des russischen Reichs immer noch einige Vorteile. |
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² Gagausen hatten bei der Volkszählung 1897 nur die Möglichkeit, [[Türkisch]] als Muttersprache anzugeben. 2,9 % (knapp 56.000 Menschen) gaben Türkisch als Muttersprache an, ein signifikanter Teil der Gagausen gab aber [[Bulgarisch]] als Muttersprache an, so dass diese Zahl nicht unbedingt der tatsächlichen Zahl der Gagausen entsprach. |
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=== Jüdische Bevölkerung === |
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Nach der Ermordung des reformorientierten Zaren [[Alexander II. (Russland)|Alexander II.]] 1881, wurden mit dem Zaren [[Alexander III. (Russland)|Alexander III.]] die alten Beschränkungen wieder eingeführt. Bis auf Bessarabien, wo die Mehrheitsbevölkerung eine Minderheit in Russland war, gab es nun im gesamten russischen Süden [[Pogrom]]e. Am 6. April 1903 erfolgte dann doch ein Pogrom in [[Kischinew]], der allerdings vom Herausgeber der einzigen Zeitung: ''Bessarabetz'', bewusst geschürt war und der Anzeichen einer organisierten Tat zeigte. Die Reaktion auf eine Dokumentation dieses Vorfalls in der Weltpresse war heftig, auch in Russland selber. So wurde z.B. im Juli 1905 eine amerikanische Petition dem Zaren übergeben, die allerdings keine Wirkung auf seine Politik hatte. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] kam es dann unter deutsch-rumänischer Besatzung allerdings zu noch wesentlich schlimmeren Vorfällen in Bessarabien. |
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[[Katharina II.|Katharina die Große]] hatte 1791 fast alle russischen Juden gezwungen, in westliche Provinzen umzusiedeln, und so das „[[Schtetl]]“ geschaffen. Ihre Politik wurde von den späteren Zaren im Wesentlichen fortgesetzt, wodurch Bessarabien nach der russischen Übernahme von 1812 Bestandteil des ''[[Ansiedlungsrayon]]s'' wurde. Allerdings galt bis 1835 ein Autonomiestatus, so dass dort die normalen russischen gesetzlichen Diskriminierungen nicht gültig waren (wie das Verbot von Landkauf<ref>{{JE|1=http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=951&letter=B#2702|2=Bessarabie, Jewish Agriculturists|3=Herman Rosenthal, S. Janovsky, J. G. Lipman}}</ref>). Eine weitere Gruppe von Zuzüglern waren Juden aus Deutschland und Polen, die genauso wie die Juden aus anderen Gebieten meist [[Jiddisch]] sprachen. Infolgedessen gab es in den größeren Orten bald einen Anteil von nahezu 40 % [[Judentum|jüdischer]] Bevölkerung. |
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===Bulgarische Bevölkerung=== |
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Einzelne bulgarische Familien kamen schon Ende des 18. Jahrhunderts als [[Emigration|Emigranten]] nach Südbessarabien, in den [[Budschak]], um Schutz vor dem [[Osmanischen Reich]] zu finden. Größere Gruppen wanderten nach der russischen Übernahme von [[1812]] ein und ließen sich im Westen bei der Stadt Bolgrad und auf den von den [[Tataren]] verlassenen Gebieten im Süden nieder. 1819 erhielten die 24.000 im Land lebenden Bulgaren eine Selbstverwaltung und den Status als Kolonisten. |
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In den folgenden Jahrzehnten wurden die gesetzlichen Begünstigungen nach und nach geringer. Dennoch gab es bis zur vollständigen Abschaffung der Diskriminierung nach der [[Oktoberrevolution]] von 1917 einige Vorteile, die auf die günstige Lage am Rande des russischen Reichs zurückzuführen sind. |
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Die an der südwestlichen Grenze Bessarabiens angrenzende [[Dobrudscha]] war zwischen [[Bulgarien]] und [[Rumänien]] umstritten, da sowohl Bulgaren als auch Rumänen dort lebten und Rumänien eine Zugang zum [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] wollte. Die bessarabischen Bulgaren waren von diesem Konflikt, aber auch von der [[Geschichte Bulgariens|Unabhängigkeitsbewegung]] Bulgariens von den Osmanen, seit dem [[Bulgarischer Aprilaufstand 1876|Bulgarischen Aprilaufstand 1876]], erfasst. Während des Aufstandes kaperte z.B. Khristo Botev, ein in Bessarabien lebender Bulgare, ein [[Dampfschiff]] auf der [[Donau]] und griff mit 200 rumänischen Bulgaren in die Kämpfe gegen die Osmanen ein. Des weiteren erklärte im April [[1877]] Zar [[Alexander_II._%28Russland%29|Alexander II.]] dem Osmanischen Reich den Krieg mit dem Ziel, "die Bulgaren und andere Balkanvölker zu befreien", was dann zur Unabhängigkeit Rumäniens führte. |
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Nach der Ermordung des reformorientierten Zaren [[Alexander II. (Russland)|Alexander II.]] im Jahre 1881 führte Zar [[Alexander III. (Russland)|Alexander III.]] mit den [[Maigesetze (Russland)|Maigesetzen]] die alten Beschränkungen wieder ein. Bis auf Bessarabien, wo die Mehrheitsbevölkerung eine Minderheit in Russland war, gab es nun im gesamten russischen Süden [[Judenpogrom]]e, was zu einer vermehrten Auswanderung von Juden führte. Beim [[Pogrom von Kischinjow]] am 6. April 1903, das vom Herausgeber der einzigen Zeitung Bessarabez ''(Бессарабецъ)'' bewusst geschürt worden war und Anzeichen einer organisierten Tat aufwies, starben 47 Menschen.<ref>{{JE|1=http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=247&letter=K#822|2=Kishinef, Anti-Semitic Riots|3=Herman Rosenthal Max Rosenthal}}</ref> Die Reaktion auf eine Dokumentation dieses Vorfalls in der Weltpresse war heftig, selbst innerhalb Russlands. So wurde dem Zaren im Juli 1905 eine US-amerikanische Petition übergeben, die allerdings keine Wirkung auf seine Politik hatte. Unter dem Eindruck des Ereignisses schrieb [[Chaim Nachman Bialik]] mehrere Gedichte, darunter das 1904 entstandene berühmte Gedicht ''Be-Ir ha-Haregah'' („In der Stadt des Schlachtens“). Im Jahre 1905 gab es ein weiteres Pogrom mit 19 Toten. Während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurden unter deutsch-rumänischer Besatzung zuerst Massaker unter der jüdischen Bevölkerung verübt; später die Überlebenden in [[Todesmarsch|Todesmärschen]] in das rumänisch okkupierte [[Transnistrien (rumänisches Besatzungsgebiet)|Transnistrien]] deportiert und mehrheitlich ermordet. |
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===Deutsche Bevölkerung=== |
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Deutsche Auswanderer, die der Zar 1813 als Kolonisten ins Land rief, lebten in Bessarabien zwischen 1814 – 1940. Sie hatten in 125- jähriger Siedlungszeit die ursprüngliche Zahl von 24 auf über 150 Siedlungen erweitert und die Zahl von etwa 9.000 eingewanderten Personen hatte sich auf 93.000 Personen verzehnfacht. Die anfänglich gewährten Privilegien, darunter die Selbstverwaltung durch das ''Fürsorgekomitee'' mit Sitz in [[Odessa]], wurden 1871 mit der Aufhebung des Kolonistenstatus zurückgenommen. Im Herbst [[1940]] ([[Hitler-Stalin-Pakt]]) verließen die größtenteils als Landwirte auf eigener Scholle wirtschaftenden [[Bessarabiendeutsche]]n das Land. Anlass war die Besetzung Bessarabiens durch die [[Rote Armee]] im Juni 1940 mit der Einführung des [[Sowjet]]-Systems. Nahezu alle Angehörigen der [[Volksgruppe]], darunter auch die Eltern des späteren deutschen [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsidenten]] [[Horst Köhler]], schlossen sich als [[Volksdeutsche]] einer vom Deutschen Reich organisierten Umsiedlung, unter der Devise ''Heim ins Reich'', an. Nach einem fast zweijährigen Zwischenaufenthalt in reichsdeutschen Lagern, erhielten die Köhlers im ostpolnischen [[Skierbieszów]], das die SS zur "Germanisierung" freigeräumt hatte, einen Hof. Wie so viele dorthin umgesiedelte Bessarabiendeutsche musste die Familie mit ständigen polnischen [[Partisanen]]angriffen zurechtkommen und als letztlich 1944 die [[Rote Armee]] anrückte, flohen sie nach Westen. |
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{{Siehe auch|Geschichte der Juden in Russland}} |
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===Gagausische Bevölkerung=== |
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Heute leben im südlichen Moldawien auf dem Boden des früheren Bessarabien etwa 175.000 christlich-orthodoxe [[Gagausen]] in der autonomen Republik [[Gagausien]] mit der Hauptstadt [[Comrat]]. Sie hatten im 13. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Rumäniens einen eigenen Staat, der vom Osmanischen Reich im 15. Jahrhundert erobert wurde. Zwischen 1750 und 1845 wanderten sie von dort in den [[Budschak]], in Ortschaften wie [[Avdarma]], Comrat, [[Congaz]], [[Tomai]] und [[Cismichioi]] und teilweise weiter auf die [[Krim]]. Im Jahr 1906 gründeten sie eine eigene Republik, die allerdings nur 5 Tage bestand hatte. |
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=== Bulgarische Bevölkerung === |
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==Kulturdenkmale== |
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In Bessarabien finden sich einige bedeutende Kulturdenkmale, obwohl das Land über Jahrhunderte Durchzugsgebiet vieler Völkerschaften war und infolge kleinbäuerlicher Landwirtschaft kaum wirtschaftliche Ressourcen besaß. |
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Einzelne bulgarische Familien kamen schon Ende des [[18. Jahrhundert]]s als [[Emigration|Emigranten]] nach Südbessarabien, in den [[Budschak]], um Schutz vor den Übergriffen des Paschas [[Osman Pazvantoğlu]] zu finden. Größere Gruppen wanderten nach der russischen Übernahme von [[1812]] ein und ließen sich im Westen bei der Stadt Bolgrad und auf den von den [[Tataren]] verlassenen Gebieten im Süden nieder. [[1819]] erhielten die 24.000 im Land lebenden Bulgaren eine Selbstverwaltung und den Kolonistenstatus. Eine größere Flüchtlingswelle ließ sich im Zuge des [[Russisch-Türkischer Krieg (1828–1829)|Russisch-Türkischen Krieges (1828–1829)]] in Bessarabien nieder, als ganze Landstriche Thrakiens, westlich und südlich der heutigen Stadt [[Burgas]], entvölkert wurden und die Bevölkerung mit den russischen Truppen vor den anrückenden Osmanen flüchtete. |
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Archäologisch erwähnenswert sind die in Südbessarabien weit verbreiteten [[Kurgankultur|Kurgane]]. Es sind bis zu 40 m hoch aufgeschüttete Grabhügel aus dem 2. bis 4. Jahrtausend v. Chr. Von den beiden 120 km langen und den Römern zugeschriebenen [[Trajanwall|Trajanwällen]] (Unterer und Oberer) sind noch heute stellenweise fünf Meter hohe Wälle vorhanden. Bedeutende Höhlenkirchen und -klöster entstanden zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert und sind an den Ufern der Flüsse [[Dnjestr]] und Raut in Fels gehauen. In einem etwa 100 m hohem Fels in Tipovar (Kreis Orhei) sind 19 Höhlen miteinander verbunden und bilden ein Ensemble aus Eremitenzellen, Glockenturm und einer Kirche. In Saharna (Kreis [[Soroca]]) findet sich auf einem Felsen Bebauungsspuren, die bis ins 2. Jahrhundert v. Chr. reichen. Weitere historische Bauten sind Ruinen in Orheiul Vechi aus der [[Tataren|tartarischen]] Zeit im 14. Jahrhundert, die mit der [[Goldene Horde|Goldenen Horde]] in Verbindung gebracht werden. Man nimmt an, dass hier die westlichste [[Tataren|tatarische]] Hauptstadt Sheihr-ali-Jedid war. |
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Die an der südwestlichen Grenze Bessarabiens angrenzende [[Dobrudscha]] war zwischen [[Bulgarien]] und Rumänien umstritten, da sowohl Bulgaren als auch Rumänen dort lebten, und Rumänien einen Zugang zum [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] wollte. Die bessarabischen Bulgaren waren von diesem Konflikt, aber auch von der [[Geschichte Bulgariens|Unabhängigkeitsbewegung]] Bulgariens von den Osmanen, seit dem [[Bulgarischer Aprilaufstand 1876|Bulgarischen Aprilaufstand 1876]], erfasst. Während des Aufstandes kaperte [[Christo Botew]], ein in Bessarabien lebender Bulgare, ein Dampfschiff auf der [[Donau]] und griff mit 200 anderen Exil-Bulgaren in die Kämpfe gegen die Osmanen ein. Des Weiteren erklärte im April [[1877]] Zar [[Alexander II. (Russland)|Alexander II.]] dem Osmanischen Reich den Krieg mit dem Ziel, „die Bulgaren und andere Balkanvölker zu befreien“, was letztendlich die Unabhängigkeit Rumäniens zur Folge hatte. |
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Bauhistorisch bedeutend ist ebenfalls die an der [[Dnjestr]]-Mündung zum [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] gelegene mittelalterliche Festung in Akkerman (türk: weiße Stadt), heute [[Bilhorod-Dnistrowskyj]] in der [[Ukraine]], in rumänischer Zeit Cetatea Alba (rumän.: weiße Stadt). Weitere Befestigungen errichteten die [[Fürstentum Moldau|Fürsten der Moldau]] gegen [[Tataren]]einfällen am [[Dnjestr]] in [[Chotyn]], [[Soroca]], [[Orhei]] und [[Tighina]] sowie gegen die Türken in [[Kilia]] an der Donau. |
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=== Deutsche Bevölkerung === |
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{{Hauptartikel|Bessarabiendeutsche}} |
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[[Datei:Pudelmützen.jpg|mini|170px|[[Bessarabiendeutsche]] Männer mit typischen Pelzmützen ([[Karakulmütze]]), etwa 1935]] |
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Deutsche Auswanderer, die der Zar 1813 als Kolonisten ins Land rief, lebten in Bessarabien zwischen 1814 und 1940. Sie lebten als selbstständige [[Landwirt]]e auf eigener Scholle. In 125-jähriger Siedlungszeit hatten sie die ursprüngliche Zahl von 24 Mutterkolonien auf über [[Liste deutscher Bezeichnungen bessarabiendeutscher Orte|150 bessarabiendeutsche Siedlungen]] erweitert. Die Zahl von etwa 9.000 eingewanderten Personen hatte sich auf 93.000 Personen mehr als verzehnfacht. Die anfänglich gewährten Privilegien, darunter die Selbstverwaltung durch das ''Fürsorgekomitee'' mit Sitz in [[Odessa]], wurden um 1870 mit der Aufhebung des Kolonistenstatus zurückgenommen. Vor allem wegen der Einführung des Militärdienstes wanderten in der Folge viele Kolonisten nach Nord- und Südamerika (mit Schwerpunkten in [[North Dakota|Nord-]] und [[South Dakota|Süd-Dakota]], Kanada, Argentinien, Brasilien) aus. |
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Nach der [[Sowjetische Besetzung Bessarabiens und der Nordbukowina|sowjetischen Besetzung Bessarabiens]] als Folge des [[Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt|Hitler-Stalin-Paktes]] im Juni 1940 wurden unter der Devise ''[[Heim ins Reich]]'' fast alle dort lebenden „[[Volksdeutsche]]n“ durch die [[Heinrich Himmler]] unterstellte „[[Volksdeutsche Mittelstelle]]“<ref>[https://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/begriffe/volksdeutsche-mittelstelle-vomi ''Volksdeutsche Mittelstelle,''] Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg</ref> in das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] umgesiedelt. |
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Im September 1940 wurde mit der Sowjetunion dazu ein spezieller Umsiedlungsvertrag geschlossen<ref>[https://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/begriffe/umsiedlung ''Umsiedlung,''] Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg</ref>. Nach einem bis zu zweijährigen Aufenthalt in Lagern erhielten die Umsiedler ab 1941/42 Bauernhöfe im [[Deutsche Besetzung Polens 1939–1945|besetzten Polen]], deren polnische Besitzer von deutschem Militär vertrieben wurden. Als 1944 die Rote Armee anrückte, flohen die Bessarabiendeutschen nach Westen. Unter den bessarabiendeutschen Umsiedlern waren auch die Eltern des späteren deutschen [[Bundespräsident (Deutschland)|Bundespräsidenten]] [[Horst Köhler]]. |
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=== Gagausische Bevölkerung === |
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Heute leben im südlichen Moldau auf dem Boden des früheren Bessarabien etwa 175.000 christlich-orthodoxe [[Gagausen]] in der autonomen Republik [[Gagausien]] mit der Hauptstadt [[Comrat]]. |
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Die Vorfahren der Gagausen waren wahrscheinlich [[Kumanen]], der westliche Teil der [[Kyptschaken]], die im Osten der [[Balkanhalbinsel]] lebten. Im 13. Jahrhundert wurden diese vorübergehend katholisch (''siehe auch:'' [[Codex Cumanicus]]). Kurz danach gingen die Kumanen nördlich der Donau in den Rumänen auf. Zwischen 1812 und 1845 wanderten gagausische Nomaden aus der [[Dobrudscha]] und dem heutigen Osten [[Bulgarien]]s in den [[Budschak]], in Ortschaften wie Avdarma, Comrat, Congaz, Tomai und Cismichioi und teilweise weiter auf die [[Krim]]. Im Jahr 1906 gründeten die Gagausen eine eigene Republik, die allerdings nur wenige Tage Bestand hatte. |
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== Kulturdenkmäler == |
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In Bessarabien finden sich einige bedeutende Kulturdenkmäler, obwohl das Land über Jahrhunderte Durchzugsgebiet vieler Völkerschaften war und infolge kleinbäuerlicher Landwirtschaft kaum wirtschaftliche Ressourcen besaß. |
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[[Datei:Belgorod vlasenko.jpg|mini|Festung Akkerman]] |
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Bauhistorisch bedeutend ist die an der Dnister-Mündung zum [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] gelegene mittelalterliche Festung in Akkerman (türk. für ''weiße Stadt''), heute [[Bilhorod-Dnistrowskyj]] in der Ukraine, in rumänischer Zeit ''Cetatea Alba'' (rumän. für ''weiße Burg''). Weitere Befestigungen errichteten die [[Fürstentum Moldau|Fürsten der Moldau]] gegen [[Tataren]]einfälle am Dnister in [[Chotyn]], [[Soroca]], [[Orhei]] und [[Bender (Stadt)|Tighina]] sowie gegen die Türken in [[Kilija]] an der Donau. |
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Archäologisch erwähnenswert sind die in Südbessarabien vorkommenden Kurgane. In den bis zu 30 m hoch aufgeschütteten Grabhügeln bestatteten die Träger der [[Kurgankultur]], deren ethnische Zuordnung umstritten ist, ihre Anführer zusammen mit einigen reich geschmückten Pferden. Von den beiden 120 km langen und den Römern zugeschriebenen [[Trajanswall|Trajanswällen]] (Unterer und Oberer) sind noch heute stellenweise fünf Meter hohe Wälle vorhanden. Bedeutende Höhlenkirchen und -klöster entstanden zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert und sind an den Ufern der Flüsse Dnister und [[Răut]] in Fels gehauen. In einem etwa 100 m hohen Fels in Țipova ([[Rajon Rezina]]) sind 19 Höhlen miteinander verbunden und bilden ein Ensemble aus [[Eremit]]enzellen, Glockenturm und einer Kirche. In [[Kloster Saharna|Saharna]] (Rajon Rezina) finden sich auf einem Felsen Bebauungsspuren, die bis ins 2. Jahrhundert v. Chr. reichen. Weitere historische Bauten sind Ruinen in [[Orheiul Vechi]] ([[Rajon Orhei]]) aus der [[Tataren|tatarischen]] Zeit im 14. Jahrhundert, die mit der [[Goldene Horde|Goldenen Horde]] in Verbindung gebracht werden. Man nimmt an, dass hier die westlichste [[Tataren|tatarische]] Hauptstadt Schehr al-Jadid war. |
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== Geschichte == |
== Geschichte == |
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=== Urgeschichte === |
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[[Bild:Neagoe_Basarab.JPG|thumb|100px|Fürst Neagoe Basarab um 1514]] |
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2010 wurden am unteren [[Dnister]] bei [[Dubăsari]] ([[Transnistrien]]) Artefakte des [[Acheuléen]] entdeckt, die auf bis zu 800.000 Jahre datiert wurden. Die beiden Sandstein-[[Chopper (Archäologie)|Chopper]] und die vier [[Feuerstein|Flintstücke]] galten damit als älteste menschliche Spuren Moldawiens und der Ukraine sowie Westrusslands.<ref>N. K. Anisyutkin, S. I. Kovalenko, V. A. Buriacu, A. K. Ocherednoi, A. L. Chepaliga: ''Bairaki – a lower paleolithic site on the lower dniester,'' in: Archaeology, Ethnology and Anthropology of Eurasia 40,1 (2012), S. 2–10.</ref> |
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Das älteste Volk auf bessarabischem Gebiet waren die [[Skythen]] im 6. Jahrhundert v. Chr. Noch in vorchristlicher Zeit gründeten auch [[Griechen]] (s.a. antike griechiche Stadt [[Tyras]]) und [[Phönizier]] Kolonien an der Schwarzmeerküste. Ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. war Bessarabien Teil des Reiches [[Dacia (Provinz)|Dacia]]. Im 1. Jahrhundert eroberte das [[Römisches Reich|Römische Reich]] Teile des Landes. Ihm wird die Sicherung des Landes durch den [[Trajanwall]] zugeschrieben. In der [[Völkerwanderung]]szeit zwischen dem 3.-11. Jahrhundert war Bessarabien Durchzugsgebiet von Wandervölkern, darunter [[Goten]], [[Hunnen]], [[Awaren]], [[Madjaren]]. Im 13. Jahrhundert ließen sich [[Tartaren]] der ''Goldenen Horde'' am nördlichen [[Schwarzes Meer|Schwarzmeer]] nieder. Im Einflussbereich des [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reichs]] war Bessarabien größtenteils zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert. |
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[[Datei:Duruitoarea Veche (1990). (29485923473).jpg|mini|Die Höhle von Duruitoarea Veche im Norden Moldaus]] |
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In Bessarabien finden sich wenige [[Mittelpaläolithikum|mittelpaläolithische]] Fundorte, zu deren ältesten lange die Höhle von Duruitoarea Veche zählte. Die dortigen Artefakte wurden inzwischen auf etwa 70.000 Jahre datiert. Als älter gilt inzwischen die Fundstätte Ofatinti, die bis zu 125.000 Jahre zurückreicht.<ref>Roman Croitor, Krzysztof Stefaniak, Kamilla Pawłowska, Bogdan Ridush, Piotr Wojtal, Małgorzata Stach: ''Giant deer Megaloceros giganteus Blumenbach, 1799 (Cervidae, Mammalia) from Palaeolithic of Eastern Europe 2014,'' in: [[Quaternary International]] 326-327 (2014), S. 91–104, hier S. 97 und 99.</ref> |
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=== Antike und Mittelalter === |
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[[Datei:Neagoe Basarab.JPG|mini|150px|Statue des Fürsten Neagoe Basarab in [[Curtea de Argeș]] in der [[Walachei (Region)|Walachei]]]] |
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Das älteste historisch bezeugte Volk auf bessarabischem Gebiet waren die [[Skythen]], die als nomadisierende Reiterkrieger im 6. Jahrhundert v. Chr. aus östlichen Steppengebieten einwanderten. Noch in vorchristlicher Zeit gründeten [[Griechen]] (''siehe auch:'' [[Bilhorod-Dnistrowskyj|Tyras]], antike griechische Stadt) Kolonien an der Schwarzmeerküste und erwähnten den im zentralen Bessarabien siedelnden germanischen Stamm der [[Bastarnen]]. Hier wurden auch [[Daker]] (Geten) erwähnt (Tyragetae). Ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. war Bessarabien Teil des Reiches [[Dakien#Geschichte|Dacia]]. Im 1. Jahrhundert eroberte das [[Römisches Reich|Römische Reich]] Teile des Landes. Ihm wird die Sicherung des Landes durch den [[Trajanswall]] zugeschrieben. |
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In der [[Völkerwanderung]]szeit zwischen dem 3. und dem 11. Jahrhundert war Bessarabien Durchzugsgebiet von Wandervölkern, darunter [[Goten]], [[Hunnen]], [[Awaren]], [[Madjaren]]. Im 7. Jahrhundert ließen sich die [[Protobulgaren|Bulgaren]] im Süden Bessarabiens nieder, im Deltaraum der [[Donau]], und gründeten das [[Geschichte Bulgariens|Bulgarische Reich]]. Im 13. Jahrhundert besiedelten [[Tataren]] der ''[[Goldene Horde|Goldenen Horde]]'' Gebiete am nördlichen [[Schwarzes Meer|Schwarzmeer]], doch verschwanden ihre Spuren in Bessarabien bald danach.<!--Mehrere Jahrhunderte davor stand Bessarabien unter der Herrschaft der [[Petschenegen]]. -- Beleg fehlt, chronologisch deplatziert!--> |
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Gegen Ende des 13. Jahrhunderts gehörte der südliche Landstrich zur [[Walachei (Region)|Walachei]]. Seit dem 14. Jahrhundert gehört das Gebiet zwischen dem Pruth und Dnister/Dnjestr dem Fürstentum Moldau. Zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert war die Moldau Einflussbereich des [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reichs]], dem Vorläuferstaat der [[Türkei]]. Der Süden Bessarabiens (der [[Budschak]]) stand seit dem Ende des 15. Jahrhunderts unter direkter osmanischen Herrschaft. |
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Im [[Mittelalter]] waren verschiedene walachische und moldauische |
Im [[Mittelalter]] waren verschiedene walachische und moldauische Fürsten, darunter ''Neagoe Basarab'' (1512–21), Negru Vodă ''Basarab'' und Ladislas ''Basarab,'' hier einflussreich. Sie beherrschten im 13. und 14. Jahrhundert rund 150 Jahre lang das Gebiet. Kontakte unterhielten sie mit der [[Kiewer Rus]], mit [[Ungarn]] und [[Polen]]. |
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=== Osmanische Zeit === |
=== Osmanische Zeit === |
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[[Datei:Ottoman1683 shepherd.jpg|mini|300px|Rückzug des Osmanischen Reiches (1683–1923) vom Balkan und den Gebieten nördlich des Schwarzen Meeres]] |
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Nachdem die [[Osmanisches Reich|Osmanen]] das von Fürst [[Ştefan cel Mare|Stephan dem Großen]] erbaute Kastell in Akkerman, heute [[Bilhorod-Dnistrowskyj]] (s.a. [[Oblast Odessa]]) (1484/85) erobert hatten, begann die osmanische Zeit. Etwa ab 1511 war ganz Südbessarabien von Sultan [[Bayezid II.]] erobert und wurde mit [[Tataren|tatarischen]] [[Hirtenvolk|Hirten]] der [[Nogaier-Horde]] bevölkert. Sie nannten den Südteil des Landes [[Budschak]], (rum. Bugeac), was Winkel bedeutet und für die dreieckige Form des Landstücks zwischen [[Pruth]], [[Dnjestr]] und [[Schwarzes Meer|Schwarzem Meer]] steht. |
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Nachdem die [[Osmanisches Reich|Osmanen]] das von Fürst [[Ștefan cel Mare|Stephan dem Großen]] erbaute Kastell in [[Bilhorod-Dnistrowskyj#Historische Namen|Akkerman]] (siehe auch [[Oblast Odessa]]) am 14. Juli 1484 erobert hatten, begann die osmanische Zeit. Etwa ab 1511 war ganz Südbessarabien von Sultan [[Bayezid II.]] erobert und wurde mit [[Tataren|tatarischen]] [[Hirtenvolk|Hirten]] der [[Nogaier-Horde]] bevölkert. Sie nannten den Südteil des Landes [[Budschak]], was Winkel bedeutet, und für die dreieckige Form des Landstücks zwischen [[Pruth]], [[Dnister]] und [[Schwarzes Meer|Schwarzem Meer]] steht. 1538 wurde auch [[Bender (Stadt)|Tighina]] (Bendery) osmanisch. |
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Das [[Fürstentum Moldau]] (rumän.: Moldova), zu dem das spätere Bessarabien gehörte, war vom 14./15. Jahrhundert an bis 1859 ein tributpflichtiger Vasallenstaat des Osmanischen Reichs. Getreidelieferungen nach [[Konstantinopel]] sicherten die innere und äußere Souveränität. Dafür baute der Sultan keine Moscheen in dem Donaufürstentum und gewährte ihm Schutz vor äußerer Bedrohung, wie dem russischen und [[Habsburg|habsburgischen]] Expansionsdrang im 18. und 19.Jahrhundert. (siehe auch: [[Geschichte_Rum%C3%A4niens#Osmanische_Herrschaft|Geschichte Rumäniens]]) |
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Das [[Fürstentum Moldau]], zu dem das spätere Bessarabien gehörte, war seit Beginn des 16. Jahrhunderts bis 1859 ein [[Vasall]]enstaat des Osmanischen Reichs. Getreidelieferungen nach [[Konstantinopel]] sicherten die innere [[Autonomie (Politikwissenschaft)|Autonomie]]. Dafür baute der Sultan keine Moscheen in dem Donaufürstentum und gewährte ihm Schutz vor äußerer Bedrohung, wie dem russischen und [[Habsburgermonarchie|habsburgischen]] Expansionsdrang im 18. und 19. Jahrhundert. |
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===Russische Expansion 1812=== |
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[[Bild:Bessarabien_19.Jahrhundert.jpg|thumb|150px|Bessarabien im 19. Jahrhundert]] |
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{{Siehe auch|Geschichte Rumäniens#Teil des Osmanischen Reiches|titel1=Geschichte Rumäniens|Islam in der Ukraine#Geschichte|titel2=Geschichte des Islams in der Ukraine}} |
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Konsequenz des russischen Expansionsdrangs in Richtung Konstantinopel war der 1806 begonnene 6. russische [[Türkenkriege|Türkenkrieg]]. Während des Krieges siedelten um 1810 russische Truppen Teile der im Budschak nomadisierenden Turkvölker auf die [[Krim]] um. [[1812]] drängte der russische [[Zar]] [[Alexander I. (Russland)|Alexander I.]] zum Friedensschluss, um sich auf den bevorstehenden Krieg mit [[Napoleon]] zu konzentrieren. Im [[Frieden von Bukarest]] bekam [[Russland]] die östliche Hälfte des [[Fürstentum Moldau]] zugesprochen, die westliche blieb weiterhin im Einflussbereich des Osmanischen Reichs. Die Grenze zwischen dem [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] und [[Russland]] verlief ab 1812 nicht mehr am [[Dnjestr]], sondern 200 km weiter westlich am [[Pruth]]. Im zugesprochenen Gebiet errichtete Russland das [[Gouvernement]] Bessarabien, das kleinste des [[Zarenreich]]s. Hauptstadt wurde das mittelbessarabische [[Kischinew]] (Chişinău). |
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=== Russische Zeit === |
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[[Bild:Ottoman1683_shepherd.jpg|thumb|300px|Rückzug des Osmanischen Reiches (1683-1923) vom Balkan und den Gebieten nördlich des Schwarzen Meeres]] |
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[[Datei:Bessarabia Province 1856a.jpg|mini|Illustrierende Karte für die Provinz Bessarabien, 1856 (russisch)]] |
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Als Russland 1812 Land zwischen den Flüssen Pruth und Dnjestr mit einer Fläche von etwa 45.000 qkm übernahm, dehnte es den ursprünglich nur für den Südteil geltenden Begriff Bessarabien auf das gesamte Gebiet aus. Das Zarenreich wollte eine neue bessarabische Identität stiften, um die eigenen Machtansprüche auf die darin lebenden Rumänen historisch abzusichern. Russland gelangte in den Besitz von 5 [[Festung]]en, 17 Städten, 685 Dörfern und 482.000 Menschen. Nach der ersten russischen Volkszählung bestand die Bevölkerung aus: |
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[[Datei:Bessarabia 1896.jpg|mini|Bessarabien 1896, (russisch)]] |
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Konsequenz des russischen Expansionsdrangs gegenüber [[Konstantinopel]] war der 1806 begonnene [[Russisch-Türkischer Krieg (1806–1812)|6. russische Türkenkrieg]]. Während des Krieges siedelten um 1810 russische Truppen Teile der im [[Budschak]] nomadisierenden Turkvölker auf die [[Krim]] um, ein Großteil war bereits mit den Osmanen geflohen und in die [[Dobrudscha]] evakuiert worden. Nach von [[Karl Marx]] für die [[New York Daily Tribune|New York Tribune]] verfassten Berichten gingen die russischen Truppen bei der Eroberung mit brutaler Gewalt gegen die einheimische Zivilbevölkerung vor: »Es gab grausame Exzesse, Zwangsabgaben aller Art, Frondienste, Diebstahl, Mord.« Der Verleger [[Horace Greeley]] veröffentlichte die Texte jedoch nicht, weil er sie für übertrieben hielt.<ref>[https://www.spiegel.de/politik/mit-marx-gegen-moskau-a-a2e0621f-0002-0001-0000-000046169498 ''Mit Marx gegen Moskau,''] Der Spiegel 8/1965, 16. Februar 1965</ref> 1812 drängte der russische Zar [[Alexander I. (Russland)|Alexander I.]] zum Friedensschluss, um sich auf den bevorstehenden Krieg mit [[Napoléon Bonaparte|Napoleon]] zu konzentrieren. Im [[Friede von Bukarest (1812)|Frieden von Bukarest]] bekam Russland die östliche Hälfte des [[Fürstentum Moldau|Fürstentums Moldau]] zugesprochen, die westliche blieb weiterhin im Einflussbereich des [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reichs]]. Die Grenze zwischen dem Osmanischen Reich und Russland verlief ab 1812 nicht mehr am [[Dnister]], sondern 100 km bis 125 km weiter westlich, am [[Pruth]]. Im zugesprochenen Gebiet errichtete Russland das [[Gouvernement Bessarabien]], das kleinste des [[Russisches Kaiserreich|Kaiserreichs]]. Hauptstadt wurde das mittelbessarabische [[Chișinău|Kischinew]] (Chișinău). Generalgouverneur von [[Neurussland]] und Bessarabien wurde 1823 [[Michail Semjonowitsch Woronzow]]. |
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*80.000 rumänischen Familien |
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*6.000 ruthenischen (Ukrainer) Familien |
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*4.000 jüdischen Familien |
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*1.200 lipowanischen (orthodox-russische Sekte) Familien |
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Als Russland 1812 das Land zwischen den Flüssen Pruth und Dnister mit einer Fläche von etwa 45.000 km² übernahm, dehnte es den ursprünglich nur für den Südteil geltenden Begriff Bessarabien auf das gesamte Gebiet aus. Das Zarenreich wollte eine neue bessarabische Identität stiften, um die eigenen Machtansprüche auf die darin lebenden Rumänen historisch abzusichern. Russland gelangte in den Besitz von fünf Festungen, 17 Städten, 685 Dörfern und 482.000 Menschen. Nach der ersten russischen Volkszählung von 1817 bestand die Bevölkerung aus: |
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Die russischen Machthaber gewährten anfangs Autonomie und griffen nicht in das innere Gesellschaftsgefüge ein, erhöhten aber später den Russifizierungsdruck durch Einführung von [[Russische Sprache|russisch]] als [[Amtssprache]]. Das Land war hauptsächlich in der Hand von Großgrundbesitzern, den [[Bojaren]]. Der Großteil der Bevölkerung blieb kleine Bauern, die für den Eigenbedarf produzierten. Viele flüchteten nach Westen aus Angst vor Einführung der russischen [[Leibeigenschaft]], die zu diesem Zeitpunkt noch bei [[Zigeuner]]n praktiziert wurde. |
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* 83.848 rumänischen Familien (86 % der Gesamtbevölkerung), |
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===Kolonisierung=== |
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* 6000 [[Ruthenen (Habsburgermonarchie)|ruthenischen]] Familien (6,5 %), |
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Nach der russischen Umsiedlung der türkischen Hirten aus dem südlichen Landesteil, dem [[Budschak]], setzte die russische [[Kolonisation]] mit systematischer Besiedlung ein. Die russische Krone schickte Werber ins Ausland und warb auch in Russland gezielt Kolonisten mit zugesicherten Privilegien an, wie: |
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* 3826 jüdischen Familien (1,5 %), |
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* 1200 [[Lipowaner|lipowanischen]] Familien (1,5 %), |
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* 640 griechischen Familien (0,7 %), |
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* 530 armenischen Familien (0,6 %), |
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* 241 bulgarischen Familien (0,25 %), |
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* 241 gagausischen Familien (0,25 %). |
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Die russischen Machthaber gewährten anfangs Autonomie und griffen nicht in das innere Gesellschaftsgefüge ein, erhöhten aber später den [[Russifizierung]]sdruck durch Einführung von [[Russische Sprache|Russisch]] als alleinige [[Amtssprache]], nachdem 1828 der Autonomiestatus der Region aufgehoben worden war. Das Land war hauptsächlich in der Hand von Großgrundbesitzern, den [[Bojaren]]. Der Großteil der Bevölkerung waren kleine Bauern, die für den Eigenbedarf produzierten. Viele flüchteten nach der Eroberung Bessarabiens nach Westen über den [[Pruth]]-Fluss aus Angst vor der kommenden Einführung der russischen [[Leibeigenschaft]], die zu diesem Zeitpunkt in Bessarabien nur noch bei den [[Roma]] praktiziert wurde, aber im restlichen Russland noch alle ethnischen Gruppen umfasste und sehr verbreitet war. |
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* Landschenkung |
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* zinsloser Kredit |
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* Steuerfreiheit auf 10 Jahre |
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* Selbstverwaltung |
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* Religionsfreiheit |
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* Freiheit vom Militärdienst. |
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Zwischen 1856 und 1878 kam der südwestliche Teil Bessarabiens ([[Cahul, Bolgrad und Ismail]]) infolge des [[Krimkrieg]]es wieder zur Moldau beziehungsweise zu Rumänien (ab 1859). |
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Ab [[1814]] wanderten insgesamt etwa 9.000 deutsche Auswanderer ein, die später die Volksgruppe der [[Bessarabiendeutsche]]n bildeten. Sie gründeten insgesamt 150 deutsche Siedlungen, hauptsächlich im Steppengebiet des [[Budschak]]. (siehe auch [[Geschichte der Russlanddeutschen]]) Die russische Krone siedelte unter ähnlichen Bedingungen neben Russen auch weitere Nationalitäten, wie Bulgaren, Ukrainer und Schweizer, an. |
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Da in Bessarabien nicht die sonst üblichen Verbote für Juden in der Landwirtschaft galten, entstanden im Norden 17 Dörfer, wo 1858 mehr als 10.000 Menschen vom Ackerbau lebten und damit in Russland eine geduldete Ausnahme darstellten. |
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==== Kolonisierung ==== |
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Neben der Urbarmachung des Landes verfolgte Russland mit der [[Kolonisierung]] auch das politische Ziel, die Mehrheit der ursprünglich dort lebenden rumänischen Bevölkerung zu verändern. Einwanderer erhielten Privilegien und das beste Land, was ansässigen Rumänen vorenthalten blieb. |
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Nach der russischen Vertreibung und Umsiedlung der [[Tataren]] um 1810 aus dem südlichen Landesteil, dem [[Budschak]], setzte ab 1812 die russische [[Kolonisation]] der bis dahin dünn besiedelten Region ein. Die russische Krone warb in Russland, der heutigen Ukraine und mittels Werbern im Ausland gezielt Kolonisten mit zugesicherten Privilegien an wie Landschenkungen, zinslosen Krediten, Steuerfreiheit für zehn Jahre, Selbstverwaltung, Religionsfreiheit und Befreiung vom Militärdienst. |
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1823 wurde [[Michail Semjonowitsch Woronzow|Woronzow]] Generalgouverneur von Noworossia und Bessarabien. 1844 erhielt er zusätzlich die Verantwortung für den [[Kaukasus]], wo in den [[Muriden-Kriegen]] von 1834 bis 1859 gegen [[Imam Schamil]] ein Schwerpunkt seiner Aufgaben lag. Er starb 1856. |
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Ab 1814 wanderten insgesamt etwa 9000 deutsche Auswanderer ein, die später die Volksgruppe der [[Bessarabiendeutsche]]n bildeten. Sie gründeten insgesamt 150 deutsche Siedlungen, hauptsächlich im Steppengebiet des [[Budschak]] (siehe auch [[Geschichte der Russlanddeutschen]]). Hinzu kamen zahlreiche Bulgaren, die vor den osmanischen Truppen in den Herrschaftsbereich der russischen Krone geflohen waren. Da in Bessarabien nicht die sonst üblichen Verbote für Juden in der Landwirtschaft galten, entstanden im Norden 17 jüdische Dörfer, wo 1858 mehr als 10.000 Menschen vom Ackerbau lebten und damit im gesamten Russland eine geduldete Ausnahme darstellten. |
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===Gebietsabtretungen=== |
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Die russische Niederlage im [[Krimkrieg]] [[1853]]-[[1856]] führte zum [[Pariser Frieden]] von 1856. Als Folge dessen ging ein Teil des 1812 von Russland gewonnenen südlichen Bessarabiens im Bereich der Donaumündung (etwa ein Viertel der Gesamtfläche) mit den Kreisen [[Cahul]], Bolgrod und Ismail wieder zurück ans [[Fürstentum Moldau]]. Sieben europäische Staaten übernahmen die Schutzherrschaft über dieses Gebiet, durch das [[Russland]] den strategisch wichtigen Zugang zur Donaumündung verlor. Allerdings wurde dieser Teil Bessarabiens durch den Vertrag von Berlin 1878 (siehe [[Berliner Kongress]]), durch den der rumänische Staat entstand, wieder russisch. |
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[[Datei:Cahul Ismail si Bolgrad.PNG|mini|150px|Die moldauisch-russische Grenze von 1856/1857 bis 1878]] |
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=== Rumänische Zwischenkriegszeit nach 1918 === |
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Neben der [[Urbarmachung]] führte die [[Kolonisierung]] auch zur Veränderung der demografischen Verhältnisse in Bessarabien; der Anteil der rumänischen Mehrheitsbevölkerung sank stark. |
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Auch im russischen Gouvernement Bessarabien kündigte sich durch Revolten Anfang des 20. Jahrhunderts ein Sturz des Zarenregimes an. Am 22. August 1905 eröffnete die Polizei das Feuer auf 3.000 demonstrierende Landarbeiter in der bessarabischen Hauptstadt [[Kischinew]] (Chişinău). |
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==== Russifizierung und Sprachwandel ==== |
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Nach Ausbruch der russischen [[Oktoberrevolution|Revolutionswirren]] übernahm im November [[1917]] eine nationale Vollversammlung mit der Bezeichnung ''Landesrat'' ([[Sfatul Tarii|Sfatul Ţării]]) mit Sitz in Kischinew die Regierung. Sie bestand aus 120 Vertretern aus Bessarabien und 10 aus [[Transnistrien]]. |
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1812 versprach Russland bei den Verhandlungen in Bukarest die weitgehende Autonomie Bessarabiens, das Land sollte weiterhin von moldawischen Bojaren regiert werden. 1829 wurde die Region in ein russisches [[Gouvernement]] umgewandelt und die rumänische Sprache wurde zuerst aus der Verwaltung entfernt. Ab 1842 wurde die rumänische Sprache in den Gymnasien durch Russisch ersetzt und ab 1860 wurde auch der rumänische Unterricht in den Grundschulen eingestellt. |
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Am 2. Dezember 1917 erklärte der Landesrat Bessarabien als ''Moldauische Demokratische Republik'' unabhängig. Ähnliches geschah auch in der Ukraine, am Don und auf der Krim. Die Verhältnisse im Lande waren chaotisch, denn die russische Front des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] hatte sich aufgelöst und Armeeeinheiten zogen auf dem Heimatweg plündernd durch Bessarabien. Des Weiteren hatten [[Bolschewiken]] am 5. Januar 1918 Kischinew besetzt. Der Landesrat rief [[Rumänien]] um militärischen Beistand an und die einmarschierten rumänischen Truppen stellten die Ordnung wieder her. |
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Die [[Russifizierung]] richtete sich gegen die Mehrheitsbevölkerung. Während der zaristischen Herrschaft verringerte sich der Anteil der Rumänen bzw. Moldauer in Bessarabien. Rumänen wurden angeregt, sich in anderen Regionen des Russischen Reiches niederzulassen (vor allem in [[Sibirien]] und in der [[Kuban]]-Region) und im Gegenzug wurden andere Ethnien angeworben. Die restriktive Sprachpolitik führte zur Assimilation des aufstrebenden Bürgertums in die russische Kultur. |
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Am 9. April 1918 (russischer Kalender: 27. März) erklärte Bessarabien bei großer Begeisterung der Bevölkerung, unter Beibehalt einer Teilautonomie, den Anschluß an Rumänien für ''ewige Zeiten''. Im November 1918 wurde die Vereinigung mit Rumänien vollzogen und der Sfatul Ţării löste sich auf. |
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==== Gebietsabtretungen ==== |
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Die völkerrechtliche Anerkennung Bessarabiens als Teil Rumäniens kam 1920 im [[Vertrag von Versailles]] zustande. Das Gebiet wurde Rumänien zugesprochen, weil es im [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] auf der Seite der Gegner des [[Deutsches Reich|Deutschen Reiches]] stand. |
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Die russische Niederlage im [[Krimkrieg]] 1853–1856 führte zum [[Pariser Frieden (1856)|Pariser Frieden]] von 1856. Als Folge dessen ging ein Teil des 1812 von Russland gewonnenen südlichen Bessarabiens im Bereich der Donaumündung (etwa ein Viertel der Gesamtfläche) mit den Kreisen [[Cahul, Bolgrad und Ismail]] wieder zurück ans [[Fürstentum Moldau]]. Sieben europäische Staaten übernahmen die Schutzherrschaft über dieses Gebiet, durch das Russland den strategisch wichtigen Zugang zur Donaumündung verlor. Allerdings musste Rumänien diesen Teil Bessarabiens im [[Berliner Kongress|Vertrag von Berlin 1878]] wieder an Russland abtreten. |
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Den Verlust Bessarabiens konnte die nach 1918 entstandene [[Sowjetunion]] nie verwinden und [[Josef Stalin|Stalin]] beanspruchte das Land weiterhin. Dazu gründete er am Ostufer des Dnjestr 1924 die "Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik" (MASSR). |
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=== Rumänische Zwischenkriegszeit (1918 bis 1940) === |
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Anfangs wurde noch die Autonomie Bessarabiens im Rumänischen Staat respektiert, aber mit der Zeit setzte sich die zentralistische und auf Minderheitenrechte verzichtende Politik durch. In der Zwischenkriegszeit von 1918-1940 stagnierte die wirtschaftliche Entwicklung. Der Rumänisierungsdruck auf Minderheiten, wie die früheren Auswanderer aus Deutschland, Bulgarien, Russland, verstärkte sich. Bessarabien als abgelegene und rückständige Provinz im Osten Rumäniens wurde Strafversetzungsgebiet für rumänische Beamte. Trotz allem war jetzt erstmals für die Mehrheit der Bevölkerung ihre [[Muttersprache]] [[Amtssprache|Amts-]]- und [[Schulsprache]]. Auch konnten durch die [[Agrarreform]] von 1920 mit der Enteignung von Großgrundbesitzern (mehr als 100 Hektar) viele Menschen zu eigenem Land gelangen. |
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[[Datei:Unification of Romania & Bessarabia.jpg|mini|hochkant|links|Die Vereinigungserklärung Bessarabiens mit Rumänien]] |
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[[Datei:OdessaSovietRep.real.png|mini|Von Sowjetrepubliken beanspruchte Gebiete im März 1918]] |
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[[Datei:Romania Mare (judete si regiuni istorice).JPG|mini|Bessarabien als Teil Rumäniens (deutsche Karte von 1926)]] |
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[[Datei:Romania Mare.JPG|mini|Bessarabien als Teil Rumäniens (rumänische Karte von 1933)]] |
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Auch im russischen Gouvernement Bessarabien kündigte sich durch Revolten Anfang des 20. Jahrhunderts ein Sturz des Zarenregimes an. Am {{JULGREGDATUM|19|4|1903|FormatJUL=j.}} und {{JULGREGDATUM|20|4|1903|FormatJUL=j.}}, dem ersten Osterfeiertag, kam es in Chișinău, dem Zentrum jüdischen Lebens, zu einem größeren [[Chișinău#Pogrome zu Beginn des 20. Jahrhunderts|antisemitischen Pogrom]], der 47 bis 49 jüdische Einwohner das Leben kostete. Schätzungsweise 400 wurden verletzt. Hunderte Haushalte und Geschäfte wurden geplündert und zerstört.<br /> Am 22. August 1905 kam es in der Stadt erneut zu einer blutigen Eskalation, als die Polizei das Feuer auf zirka 3.000 demonstrierende Landarbeiter eröffnete. Vergleichbar ist diese Tragödie mit dem [[Petersburger Blutsonntag]], der sich am {{JULGREGDATUM|22|1|1905}} in Sankt Petersburg ereignete; dort wurden etwa 1.000 demonstrierende Arbeiter getötet. |
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Nach Ausbruch der russischen [[Oktoberrevolution|Revolutionswirren]] übernahm im November 1917 eine nationale Vollversammlung mit der Bezeichnung ''Landesrat'' ([[Sfatul Țării]]) mit Sitz in Kischinew die Regierung. Der Landesrat bestand Ende 1917 aus 156 Abgeordneten, von denen 67,3 %, also 105 Personen, ethnische Moldauer/Rumänen waren<ref>Ion Nistor, Istoria Basarabiei, Editura Humanitas, 1991, S. 278, ISBN 973-28-0283-9</ref>. Dies war deutlich höher als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung, der nur bei knapp 50 % lag. |
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Am {{JULGREGDATUM|15|12|1917}} rief der Landesrat Bessarabien die ''Moldauische Demokratische Republik'' aus, die zu diesem Zeitpunkt aber noch keine volle Unabhängigkeit anstrebte, sondern Teil eines neuen, reformierten russischen Staates bleiben und dafür über weitgehende Autonomie verfügen sollte<ref>Michael Bruchis (1996). [http://books.google.com/books?id=7NxoAAAAMAAJ&pg=PA15&img=1&pgis=1&dq=%22Russian+Democratic+Federative+Republic%22&sig=ACfU3U0qy__hLkf_gJJ9sLJEBfaeov-CZA&edge=0 The Republic of Moldavia: from the collapse of the Soviet empire to the restoration of the Russian empire]</ref>. Auch andere Teile des Russischen Reichs forderten nun mehr Autonomie oder drängten in die Unabhängigkeit. |
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Die Verhältnisse in Bessarabien waren chaotisch, denn die russische Front des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieges]] hatte sich aufgelöst, in Russland selbst tobte ein [[Russischer Bürgerkrieg|Bürgerkrieg zwischen Bolschewiki und Weißer Armee]] und die Macht des moldauischen Landesrats war zunächst eher beschränkt. Kommunistische Truppen des [[Rumtscherod]] besetzten am 5. Januar 1918 Kischinew, sodass Bessarabien unter Kontrolle der Bolschewiki kam. Am {{JULGREGDATUM|31|1|1918}} wurde aus Bessarabien und Teilen des [[Gouvernement Cherson|Gouvernements Cherson]] die kurzlebige [[Sowjetrepublik Odessa]] mit Zentrum in Odessa gegründet. Der Landesrat (Sfatul Țării) rief am {{JULGREGDATUM|6|2|1918}} die vollständige Unabhängigkeit des Landes aus und bat Rumänien um militärischen Beistand. Rumänische Truppen marschierten daraufhin in ganz Bessarabien ein und brachten es nach kurzen, intensiven Gefechten unter ihre Kontrolle. Nach Ende der Kampfhandlungen zogen die rumänischen Truppen nicht mehr ab, sondern verblieben im Land, was von den meisten Bewohnern Bessarabiens als Zeichen für einen baldigen Anschluss an Rumänien gesehen wurde.<ref>Cristina Petrescu, „Contrasting/Conflicting Identities:Bessarabians, Romanians, Moldovans“ in Nation-Building and Contested Identities, Polirom, 2001, S. 156, außerdem Fußnote Nr. 23 auf S. 169</ref> |
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Am 27. März stimmte der Landesrat, der zu diesem Zeitpunkt aus 135 Abgeordneten bestand, offiziell über eine Vereinigung mit Rumänien ab. Der Rat formulierte dazu elf Bedingungen, die im Falle einer Vereinigung gewährleistet werden sollten, darunter eine Agrarreform, lokale Autonomie und Minderheitenschutz. 86 Abgeordnete stimmten für die Vereinigung unter diesen Bedingungen, drei stimmten dagegen und 49 gaben keine Stimme ab.<ref>Ion Nistor, Istoria Basarabiei, Editura Humanitas, 1991, S. 279, ISBN 973-28-0283-9</ref> Die meisten Abgeordneten, die sich enthielten, taten dies aus Boykott, da rumänische Truppen ohnehin bereits im Land waren und sie die Vereinigung mit Rumänien daher als bereits entschieden ansahen. Unter den 86 „Für“-Stimmen waren nur zwei Abgeordnete nicht-rumänischer Herkunft. |
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Am 9. April 1918 erklärte Bessarabien unter Zustimmung weiter Teile der Bevölkerung den Anschluss an Rumänien für ''ewige Zeiten.'' Im November 1918 stimmte der {{lang|ro|''Sfatul Țării''}} bei nur 44 anwesenden Abgeordneten für eine ''bedingungslose'' Vereinigung mit Rumänien, sodass, bis auf die Agrarreform, alle 10 der 11 Bedingungen Bessarabiens an Rumänien aufgegeben wurden, darunter auch die Forderung nach Autonomie. Da weit weniger als die Hälfte der Abgeordneten überhaupt anwesend waren, wird diese Abstimmung heute als illegitim angesehen.<ref>Charles King, „The Moldovans: Romania, Russia, and the Politics of Culture“, Hoover Press, 2000, S. 35</ref> Im selben Monat wurde die Vereinigung mit Rumänien offiziell vollzogen und der Landesrat löste sich auf. Aus Sicht der Sowjetunion, die den Anschluss an Rumänien nicht anerkannte, handelte es sich dabei jedoch um eine inszenierte Abspaltung von Russland und eine planmäßige Annexion durch Rumänien. |
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1920 wurde der Anschluss Bessarabiens an Rumänien im [[Pariser Vertrag (1920)|Pariser Vertrag]] von Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan als rechtmäßig anerkannt. Die Vereinigten Staaten hingegen erkannten dies nicht an, kritisierten die Nicht-Einbindung der Sowjetunion in die Verhandlungen und bezeichneten Bessarabien als ein Territorium unter rumänischer Besatzung.<ref name="books-mZogbSmBR-4C-131">Marcel Mitrasca: ''Moldova.'' Algora Pub., 2002, ISBN 978-1-892941-87-9, S. 131 ({{Google Buch |BuchID=mZogbSmBR-4C |Seite=131}}).</ref> Auch die Sowjetunion gab ihren Anspruch auf Bessarabien nicht auf. Sie forderte 1924 die Durchführung einer Volksabstimmung in Bessarabien über künftige staatliche Zugehörigkeit. Als Rumänien dies 1924 ablehnte, nannte die Sowjetunion Bessarabien „sowjetisches Territorium unter Fremdbesatzung“.<ref>Cristina Petrescu: ''Contrasting/Conflicting Identities: Bessarabians, Romanians, Moldovans'' in ''Nation-Building and Contested Identities'', Polirom, 2001, S. 170</ref> |
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Am Ostufer des [[Dnestr|Dnjestr]], auf dem Gebiet der [[Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik|Ukrainischen SSR]] wurde daher 1924 die „[[Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik]]“ (MASSR) gegründet, um die Ansprüche auf Bessarabien zu untermauern. In dieser Region lebte eine signifikante rumänischsprachige (moldauische) Minderheit, die Mehrheit der Bevölkerung waren jedoch Ukrainer. |
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Rumänien setzte auf eine zentralistische Verwaltung und teilte Bessarabien in neun Kreise (Județ) auf. In der Zwischenkriegszeit von 1918 bis 1940 gab es eine wirtschaftliche Entwicklung und Rumänen setzte sich stark für den Ausbau der Infrastruktur in Bessarabien ein. Durch eine [[Agrarreform]] von 1920 mit der Enteignung von Großgrundbesitzern (mit mehr als 100 Hektar) konnten viele besitzlose Bauern zu eigenem Land gelangen. Die Durchführung dieser Reform dauerte allerdings bis in die 1930er Jahre an und wurde durch Korruption gehemmt. |
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In Bessarabien war jetzt erstmals nach 1812 für die rumänischsprachige Mehrheit der Bevölkerung wieder ihre [[Muttersprache]] [[Amtssprache|Amts-]] und [[Schulsprache]]. Andererseits waren die ethnischen und sprachlichen Minderheiten, die über 40 % der Bevölkerung ausmachten,<ref name="auto" /> nun einer starken Rumänisierungspolitik ausgesetzt<ref name="books-5ysbpAyJjoAC-119">Irina Livezeanu: ''Cultural Politics in Greater Romania.'' Cornell University Press, 2000, ISBN 978-0-8014-8688-3, S. 119 ({{Google Buch |BuchID=5ysbpAyJjoAC |Seite=119}}).</ref><ref name="books-I0soGy_LehMC-105">[[Hayward R. Alker]]: ''Journeys Through Conflict.'' Rowman & Littlefield, Lanham 2001, ISBN 978-0-7425-1028-9, S. 105 ({{Google Buch |BuchID=I0soGy_LehMC |Seite=105}}).</ref>, die vielerorts auf Widerstand stieß. In weiten Teilen Bessarabiens waren Rumänen bzw. Moldauer nur eine Minderheit. In der mehrheitlich russischsprachigen Stadt [[Bender (Stadt)|Tighina]] etwa gab es mehrere bewaffnete Aufstände, die auf einen Anschluss an die benachbarte Sowjetunion abzielten. |
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Die lange Zugehörigkeit zum Russischen Reich hatte Spuren hinterlassen und nicht alle Rumänischsprachigen Bessarabiens sahen sich auch als Rumänen. Ein signifikanter Teil von ihnen hielt an einer von den Rumänen separaten, eigenen moldauischen Identität fest. In vielen Teilen Bessarabiens war eine pro-sowjetische Stimmung weit verbreitet, so dass die lokale Verwaltung häufig mit Rumänen aus anderen Teilen des Landes besetzt wurde, da viele Einheimische als potentielle Sympathisanten oder Spione der Sowjetunion angesehen wurden. Viele Einheimische sahen sich nach wie vor als Bürger zweiter Klasse. Probleme bereiteten auch die innenpolitisch schwierigen Verhältnisse in Rumänien, wie etwa der Aufstieg der ultranationalistischen, antisemitischen und faschistischen [[Eiserne Garde|Eisernen Garde]], die 1937 drittstärkste Partei bei den rumänischen Parlamentswahlen wurde. Seit 1937 bestand für Juden ein Verbot, Land zu erwerben. |
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Anders als im Russischen Reich gab es zwar Schulen, in denen auch andere Sprachen als die Amtssprache zugelassen waren, deren Zahl war jedoch weitaus niedriger als der Anteil der nicht-rumänischen Bevölkerung und eine Rumänisierung der Gesellschaft wurde forciert. Während viele Angehörige der ethnischen Minderheiten negativ gegenüber Rumänien eingestellt und schlecht integriert waren, assimilierten sich andere in die rumänische Gesellschaft. Beispiele hierfür sind der Politiker [[Iosif Chișinevschi]] oder der Schriftsteller [[Leonid Dimov]], die beide aus einem russischsprachigen Umfeld stammten. |
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=== Sowjetische Besetzung 1940 === |
=== Sowjetische Besetzung 1940 === |
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Nach dem Ende des deutschen [[Westfeldzug]]s mit der Unterzeichnung des [[Waffenstillstand von Compiègne (1940)|Waffenstillstands von Compiègne]] am 22. Juni 1940 sah die Sowjetunion den Zeitpunkt gekommen, die Rückgabe Bessarabiens nach 22 Jahren (aus ihrer Sicht widerrechtlicher) Zugehörigkeit zu Rumänien zu erreichen. Mit dem besiegten Frankreich hatte Rumänien seinen engsten Bündnispartner verloren. Am 28. Juni 1940 besetzte die sowjetische [[Rote Armee]] das Territorium Bessarabiens. Rumänien hatte zuvor ein 48-stündiges Ultimatum zur Abtretung gestellt bekommen, dem es kampflos nachkam. Als Reaktion auf das Ultimatum und den erwarteten Anmarsch der russischen Truppen, kam es zu einer Flüchtlingswelle aus Bessarabien nach Rumänien. Bei der rumänischen Volkszählung vom 6. April 1941 wurden 68.953 Geflüchtete erfasst. Zurück in Bessarabien blieben mehrheitlich Bauern.<ref>Viorica Olaru-Cemîrtan, Georg Aescht: ''Wo die Züge Trauer trugen: Deportationen in Bessarabien 1940-1941'', In: ''Osteuropa, Der Hitler-Stalin-Pakt: Der Krieg und die europäische Erinnerung''., Nr. 7/8, 2009, S. 219.</ref> Wie im Geheimen Zusatzprotokoll des [[Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt|Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts]] von 1939 verabredet, duldete das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] die Besetzung. Gegenüber der Sowjetunion bekundete es sein Desinteresse an der ''Bessarabischen Frage,'' forderte aber die Rücksiedlung unter dem Motto „[[Heim ins Reich]]“ der etwa 93.000 [[Bessarabiendeutsche]]n. Deren Umsiedlung ins Deutsche Reich im Herbst 1940 ermöglichte der am 5. September 1940 geschlossene Umsiedlungsvertrag. |
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Am [[28. Juni]] [[1940]] besetzte die [[Rote Armee]] der [[Sowjetunion]] das zu Rumänien gehörende Bessarabien. In einem geheimen Zusatzprotokoll des Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffsvertrages von [[1939]] ([[Hitler-Stalin-Pakt]]) hatte das [[Deutsches Reich|Deutsche Reich]] der [[Sowjetunion]] Bessarabien als Interessengebiet zugestanden. |
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=== Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik (Moldauische SSR) === |
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Am 2. August 1940 teilte die Sowjetunion Bessarabien und gründete für den größten Teil des Nordens und der Mitte des Landes die [[Moldauische SSR|Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik]] (MolSSR) und schlug ihr die östlich des [[Dnjestr]] gelegenen [[Transnistrien|Moldauischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik]] (MASSR) zu. Der Süden und das Gebiet im Norden um die Stadt [[Chotyn]] ([[Oblast Czernowitz]]) ging an die [[Ukrainische SSR|Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik]] (USSR). |
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Am 2. August 1940 teilte die Sowjetunion Bessarabien und gründete für den größten Teil des Nordens und der Mitte des Landes die [[Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik]] (MSSR) und schlug ihr die östlich des [[Dnister]]s gelegene [[Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik]] (MASSR) zu. Der Süden und das Gebiet im Norden um die Stadt [[Chotyn]] ([[Oblast Tscherniwzi]]) ging an die [[Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik]]; in diesen Gebieten stellten Ukrainer auch eine Bevölkerungsmehrheit. |
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Unmittelbar nach der [[Besetzung|Okkupation]] [[Kollektivierung|kollektivierte]] die [[Sowjetunion]] die Landwirtschaft, löste Großgrundbesitz auf, verteilte Land an landlose Bauern und gründete [[Sowchos|Sowchosen]] sowie [[Kolchos|Kolchosen]]. Gleichzeitig setzte eine Welle der [[Repression]] mit Verhaftungen gegen die Bevölkerung, [[Deportation|Deportationen]] von etwa 25.000 Personen und einer Ansiedlung von Russen, Ukrainern und Weißrussen ein. Diese Politik richtete sich gegen die vermeintlich politische [[Opposition (Politik)|Opposition]], wie Gutsbesitzer, [[Kulak|Kulaken]] (Großbauern), Großkaufleute, Parteimitglieder, frühere [[Weißgardist|Weißgardisten]]. Von der Verfolgung waren nur die [[Bessarabiendeutsche|Bessarbiendeutschen]] ausgenommen, die unter dem Schutz des [[Deutsches Reich|Deutschen Reiches]] standen und bis November 1940 ausgesiedelt wurden. |
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Unmittelbar nach der Besetzung [[Kollektivierung|kollektivierte]] die Sowjetunion die Landwirtschaft, enteignete Großgrundbesitz, verteilte Land an landlose Bauern und gründete [[Sowchos]]en sowie [[Kolchos]]en. Gleichzeitig setzte eine Welle der [[Unterdrückung|Repression]] gegen nationalistisch oder anti-sowjetisch eingestellte Rumänen bzw. Moldauer ein, welche in der [[Deportation]] von bis zu 250.000 Personen gipfelte. Diese Politik richtete sich gegen die vermeintlich politische [[Opposition (Politik)|Opposition]], wie Gutsbesitzer, [[Kulak]]en (Großbauern), Großkaufleute, frühere [[Weißgardist]]en, Priester und rumänische Nationalisten.<ref>Viorica Olaru-Cemîrtan, Georg Aescht: ''Wo die Züge Trauer trugen: Deportationen in Bessarabien 1940-1941'', In: ''Osteuropa, Der Hitler-Stalin-Pakt: Der Krieg und die europäische Erinnerung''., Nr. 7/8, 2009, S. 221.</ref> Von der Verfolgung waren nur die [[Bessarabiendeutsche]]n ausgenommen, die unter dem Schutz des Deutschen Reichs standen und bis November 1940 ausgesiedelt wurden, auch nach Österreich, damals als [[Alpen- und Donau-Reichsgaue|Ostmark]] Teil des Deutschen Reiches. Nach Bessarabien benannte Straßen in deutschen und österreichischen Städten erinnern an die Herkunft der dortigen Einwohner. |
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=== Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit === |
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Am 22.Juni [[1941]] begann der deutsche Überfall auf die Sowjetunion als das [[Unternehmen Barbarossa]], dem sich auch rumänische Truppen anschlossen. Beim kriegsbedingten Rückzug hinterließen die Sowjets in Bessarabien ''[[verbrannte Erde]]'' und transportierten alle beweglichen Güter per Bahn nach Russland. Ende Juli 1941 stand das Land nach einjähriger sowjetischer [[Besetzung|Besatzungszeit]] wieder unter rumänischer Verwaltung. |
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=== Zweiter Weltkrieg (1941 bis 1944) === |
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Bereits während der militärischen Rückeroberung begingen rumänische Soldaten unter Beteiligung der Bevölkerung [[Pogrom]]e gegen bessarabische Juden mit tausenden von Toten. Der Hass beruhte wohl teilweise darauf, dass man den Juden ein Paktieren mit den Sowjets vorwarf, die sie 1940 wegen Hitlers antisemitischer Vernichtungspolitik als Befreier sahen. Einzelne Juden waren zuvor tatsächlich als [[Politkommissar]]e gegen ''antisowjetische Elemente'' in der Bevölkerung vorgegangen. Gleichzeitig gab es Tötungsaktionen der berüchtigten [[Schutzstaffel|SS]]- [[Einsatzgruppen]] (hier die Einsatzgruppe D) an Juden unter dem Vorwand, sie seien Spione, [[Saboteur]]e, [[Kommunisten]]. Die politische Lösung der ''Judenfrage'' war vom rumänischen [[Diktator]] Marschall [[Ion Antonescu]] jedoch eher durch Vertreibung als durch Vernichtung gewollt. Die jüdische Bevölkerung (ca. 200.000 Personen) kam zunächst in [[Ghetto]]s oder Auffanglager, um sie 1941/42 bei [[Todesmarsch|Todesmärschen]] in das rumänisch okkupierte [[Transnistrien]] zu deportieren. |
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[[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F016198-0033, Rumänien, Brückenbau über den Pruth.jpg|mini|links|Behelfsbrückenbau der [[11. Armee (Wehrmacht)|11. Armee]] über den Pruth am 1. Juli 1941]] |
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[[Datei:Bundesarchiv B 145 Bild-F016198-0032, Rumänien, Brückenbau über den Pruth.jpg|mini|links|Behelfsbrückenbau über den Pruth]] |
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[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-B12274, Rumänien, Juden im KZ.jpg|mini|Juden in einem Lager in Bessarabien, September 1941]] |
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[[Datei:Angriff Bessarabien 02.png|mini|[[Operation Jassy-Kischinew]] als sowjetischer Großangriff im August 1944 in Bessarabien]] |
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[[Datei:Soviet Union - Moldavian SSR.svg|mini|Bessarabien im Verbund der Sowjetunion]] |
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Am 22. Juni 1941 begann mit dem [[Unternehmen Barbarossa]] der deutsche Angriff auf die Sowjetunion, an dem sich im Südbereich der Front etwa eine Million rumänische Soldaten der [[Armata Română]] beteiligten. Beim kriegsbedingten Rückzug hinterließ die Rote Armee in Bessarabien ''[[verbrannte Erde]]'' und transportierte die beweglichen Güter per Bahn nach Russland. Ende Juli 1941 stand das Land wieder unter rumänischer Verwaltung. |
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[[Bild:Grossangriff_Bessarabien_1944.png|thumb|150px|Sowjetischer Großangriff August 1944 auf deutsche und rumänische Truppen in Bessarabien]] |
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Nach dreijähriger Friedenszeit in Bessarabien war [[1944]] die deutsch-sowjetische Front bis an die östliche Landesgrenze am [[Dnjestr]] wieder herangekommen. Am 20. August 1944 begann die [[Rote Armee]] mit etwa 900.000 Soldaten eine groß angelegte Sommeroffensive unter der Bezeichnung ''Operation Iaşi -Kischinew''. In einer Zangenoperation überrannten die Angreifer Bessarabien in fünf Tagen. In [[Kesselschlacht]]en bei [[Kischinew]] und Sarata wurde die nach der [[Schlacht von Stalingrad]] neu gebildete [[6. Armee|6. deutsche Armee]] mit ca. 650.000 Soldaten aufgerieben. Zeitgleich mit dem erfolgreichen russischen Vorstoß kündigte Rumänien das Waffenbündnis mit Hitler und wechselte die Fronten. Am 23. August 1944 wurde Marschall Ion Antonescu abgesetzt und König [[Michael I. (Rumänien)|Michael I.]] wieder eingesetzt. |
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Bereits während der militärischen Rückeroberung begingen rumänische Soldaten unter Beteiligung der Bevölkerung [[Pogrom]]e gegen bessarabische Juden mit Tausenden von Toten. Am Anfang stand das Massaker nahe [[Sculeni]], bei dem am 27. Juni 311 Juden ermordet wurden. Der Hass beruhte teilweise darauf, dass man den Juden ein Paktieren mit der Sowjetmacht vorwarf, die sie 1940 wegen Hitlers antisemitischer Vernichtungspolitik als Befreier ansahen. Gleichzeitig gab es Tötungsaktionen der [[SS-Einsatzgruppen]] (hier die [[Einsatzgruppe D]]) an Juden unter dem Vorwand, sie seien Spione, [[Sabotage|Saboteure]] oder [[Kommunisten]]. Die politische Lösung der ''[[Judenfrage]]'' war vom rumänischen [[Diktatur|Diktator]] Marschall [[Ion Antonescu]] jedoch eher durch Vertreibung als durch Vernichtung gewollt. Die jüdische Bevölkerung (ca. 200.000 Personen) kam zunächst in [[Ghetto]]s oder Auffanglager, um sie 1941/42 bei [[Todesmarsch|Todesmärschen]] in Lager, wie beispielsweise [[KZ Bogdanowka|Bogdanowka]], im rumänisch okkupierten [[Gouvernement Transnistrien]] zu deportieren, das, anders als das rumänische Mutterland, teilweise von der SS kontrolliert wurde. Im Rahmen des [[Porajmos#Süd- und Südosteuropa|Porajmos]] wurden die [[Roma]] in Bessarabien in der Zeit des Nationalsozialismus ebenfalls Opfer von Verfolgung und Vernichtung. |
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Nach dem sowjetischen Sieg wurde die Aufteilung Bessarabiens von 1940 wieder in Kraft gesetzt und blieb so bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion [[1991]]. Die [[Moldauische SSR]] zerfiel dann in die [[Moldawien|Republik Moldau]] und die östlich des Flusses Dnjestr gelegene, völkerrechtlich nicht anerkannte, [[Transnistrien|Transnistrische Moldauische Republik]], deren Territorium jedoch nie zu Bessarabien gehörte. |
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Nach dreijähriger Zugehörigkeit zu Rumänien war 1944 die deutsch-sowjetische Front wieder bis an die östliche Landesgrenze am [[Dnister]] herangekommen. Am 20. August 1944 begann die Rote Armee mit etwa 900.000 Soldaten eine groß angelegte Sommeroffensive unter der Bezeichnung ''[[Operation Jassy-Kischinew]].'' Mit einer Zangenoperation gelang es der Roten Armee, das Gebiet des historischen Bessarabiens in fünf Tagen einzunehmen. In [[Kesselschlacht]]en bei [[Chișinău|Kischinew]] und [[Sarata]] wurde die nach der [[Schlacht von Stalingrad]] neu gebildete [[6. Armee (Wehrmacht)|6. deutsche Armee]] mit ca. 650.000 Soldaten aufgerieben, worauf Rumänien das Waffenbündnis mit Hitler kündigte und die Fronten wechselte. Mit dem [[Königlicher Staatsstreich in Rumänien 1944|Staatsstreich]] vom 23. August 1944 wurde in Rumänien Marschall Ion Antonescu abgesetzt und König [[Michael I. (Rumänien)|Michael I.]] wieder eingesetzt. |
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=== Erneute Besetzung und Eingliederung in die Sowjetunion (1944 bis 1991) === |
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Nach der Rückeroberung Bessarabiens durch Truppen der UdSSR wurde die [[Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik|Moldauische SSR]] als politische Entität wiederhergestellt und blieb bis zum [[Zerfall der Sowjetunion]] im Jahr 1991 eine sowjetische Teilrepublik. |
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=== Im unabhängigen Moldau (1991) === |
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Der [[Zerfall der Sowjetunion]] hatte auch Auswirkungen auf die staatliche Organisation in Bessarabien: die [[Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik|Moldauische SSR]] zerfiel in zwei Teile. Der Großteil des ehemaligen Bessarabien bildete die [[Republik Moldau]]. Die Stadt [[Bender (Stadt)|Bender]] und ihre Nachbardörfer wurden Teil der international nicht anerkannten [[Transnistrien|Transnistrischen Moldauischen Republik]] („Transnistrien“) – der Großteil des Territoriums Transnistriens liegt jedoch östlich des Flusses Dnister und war nie Teil des historischen Bessarabiens, wenngleich es dort bis heute eine signifikante rumänischsprachige Minderheit gibt. |
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== Museum == |
== Museum == |
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* [[Heimatmuseum der Deutschen aus Bessarabien und der Dobrudscha]] e. V. |
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== Siehe auch == |
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'''Geschichte''' |
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*George Cioranescu, ''Bessarabia – Disputed land between east and west'', München 1985, ISBN 973-9155-17-0 |
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* [[Fürstentum Moldau]] |
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*Hannes Hofbauer/Viorel Roman, ''Bukowina, Bessarabien, Moldawien - Vergessenes Land zwischen Westeuropa, Russland und der Türkei'', Wien 1993, ISBN 3-900478-71-6 |
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* [[Liste der historischen Regionen in Rumänien und der Republik Moldau]] |
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*Ion Alexandrescu, ''A short history of Bessarabia and northern Bucovina'', Iaşi, 1994, ISSN 1220-7365 |
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* [[Liste deutscher Bezeichnungen ukrainischer Orte]] |
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*Axel Hindemith, ''Bessarabien im 2. Weltkrieg'' in ''Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien'', Hannover 2004, ISBN 3-9807392-5-2 |
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* [[Geschichte der Republik Moldau]] |
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*Ute Schmidt, ''Die Deutschen aus Bessarabien'', Köln 2004, ISBN 3-412-05004-0 |
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* [[Geschichte der Ukraine]] |
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* [[Geschichte Rumäniens]] |
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* [[Geschichte der Russlanddeutschen]] |
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* [[Bessarabiendeutsche]] |
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'''Gebiete''' |
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== Verwandte Themen == |
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* [[Budschak]] |
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* [[Südbessarabien]] |
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* [[Cahul, Bolgrad und Ismail]] |
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*[[Bessarabiendeutsche]] |
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*[[Budschak]] |
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'''Orte''' |
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*[[Geschichte Moldawiens]] |
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* [[Hanniwka (Bolhrad, östlich)|Hannowka]] |
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* [[Tarutyne|Tarutino]] |
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*[[Portal Südosteuropa/Rumänien]] |
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* [[Wessela Dolyna (Bolhrad)|Klöstitz]] |
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*[[Portal Südosteuropa/Moldawien]] |
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*[[ |
* [[Sarata]] |
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* [[Serpnewe|Leipzig]] |
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'''Angrenzende historische Regionen''' |
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* [[Dobrudscha]] |
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* [[Bukowina]] |
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* [[Podolien]] |
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== Literatur == |
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* [[Ion Țurcanu]]: ''Istoria Basarabiei,'' Bd. 1: ''Preludii. Din paleolitic până la sfârşitul Antichităţii,'' Chișinău 2016. (das 868 S. starke Werk ''Geschichte Bessarabiens'' reicht vom [[Altpaläolithikum]] bis zur [[Spätantike]]) |
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* George Ciorănescu: ''Bessarabia – Disputed land between east and west.'' Jon Dumitru Verlag, München, 1985. Neudruck: Editura Fundației Culturale Române, București, 1993, ISBN 973-9155-17-0 |
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* [[Hannes Hofbauer]], Viorel Roman: ''Bukowina, Bessarabien, Moldawien – Vergessenes Land zwischen Westeuropa, Russland und der Türkei.'' Promedia, Wien 1993, ISBN 3-900478-71-6 |
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* Ion Alexandrescu: ''A short history of Bessarabia and northern Bucovina.'' in: ''Romanian civilization.'' Romanian Cultural Foundation, Iași 1994, {{ISSN|1220-7365}} |
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* [[Ute Schmidt]]: ''Bessarabien. Deutsche Kolonisten am Schwarzen Meer.'' [[Deutsches Kulturforum östliches Europa]], Potsdam 2008. |
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* Ute Schmidt: [https://zeitschrift-fsed.fu-berlin.de/index.php/zfsed/article/download/321/305/ ''„Heim ins Reich“? Propaganda und Realität der Umsiedlungen nach dem „Hitler-Stalin-Pakt“.''] In: ''Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat,'' Band 26, Berlin 2009. |
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* Axel Hindemith: ''Bessarabien im 2. Weltkrieg.'' in: ''Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien. Heimatkalender.'' Hilfskomitee, Hannover 2004, ISBN 3-9807392-5-2 |
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* Ion Mardari: ''Miclești din Ținutul Orheiului: Monografie istorisită în 2001,'' Editura Universității din Pitești, 2003, ISBN 973-690-140-8 |
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* Svetlana Suveica: ''Post-imperial Encounters. Transnational Designs of Bessarabia in Paris and Elsewhere 1917–1922,'' De Gruyter Oldenbourg, 2022, Südosteuropäische Arbeiten 167, ISBN 978-3-11-116633-9 |
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== Weblinks == |
== Weblinks == |
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{{Commonscat|Bessarabia|Bessarabien}} |
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{{Wiktionary}} |
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* [http://www.bessarabia.it/deu/1_bessarabien/2.1_fruehzeit.html Geschichte Bessarabiens] |
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*[http://www.bessarabien.de/heim/deutsch/start.htm Museum der Bessarabiendeutschen mit virtueller Galerie] |
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* [http://depts.washington.edu/cartah/text_archive/clark/toc_pag.shtml Geschichte Bessarabiens] (englisch) |
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*[http://www.hannowka.de/ Hannowka - Ein deutsches Dorf in Bessarabien 1896-1940] |
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* {{Webarchiv | url=http://digam.net/imagef642.jpg?file=dokumente/2187/2187_1.jpg&b=1200 | wayback=20150113184027 | text=Historische Karte von Bessarabien, 1789}} |
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*[http://www.scholtoi.de/ Scholtoi - Ein Dorf im Norden Bessarabiens] |
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* Cornelia Schlarb: [http://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/regionen/bessarabien/ Bessarabien] im „Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“ der [[Carl von Ossietzky Universität Oldenburg]] und des [[Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa]] |
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*[http://www.hagshama.org.il/en/resources/view.asp?id=1421&subject=50 Kishinev Pogrom] (Text in englisch, wie bei allen folgenden Links) |
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* [http://www.bessarabia.ru/default-a.htm Genealogischer Suchdienst Bessarabien mit historischen Karten] (englisch) |
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*[http://www.fondazione-delbianco.org/inglese/InsertNews/Akkerman_Fortress.htm Fotos der Festung Akkerman] |
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*[http://www.oberman.org/bessarabia.htm Jüdische Geschichte in Bessarabien] |
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*[http://www.comrat.iatp.md/cesi/phenomenon.htm Geschichte Gagausiens] |
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*[http://depts.washington.edu/cartah/text_archive/clark/toc_pag.shtml Russia and Roumania on the Black Sea] |
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== Einzelnachweise == |
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[[en:Bessarabia]] [[es:Besarabia]] [[et:Bessaraabia]] [[fr:Bessarabie]] [[nl:Bessarabië]] [[pl:Besarabia]] [[ro:Basarabia]] [[ru:Бессарабия]] [[sv:Bessarabien]] |
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[[Kategorie:Moldau]] |
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[[Kategorie:Moldawien]] |
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{{Literatur |
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[[Kategorie:Ukraine]] |
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|Autor=Eva-Maria Krech, Eberhard Stock, Ursula Hirschfeld, Lutz Christian Anders |
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[[Kategorie:Rumänische Geschichte]] |
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|Titel=Deutsches Aussprachewörterbuch |
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[[Kategorie:Historisches Territorium]] |
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|Auflage=1 |
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[[Kategorie:Oblast Odessa]] |
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|Verlag=Walter de Gruyter |
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[[Kategorie:Vertriebenenthematik]] |
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|Ort=Berlin, New York |
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|Datum=2009 |
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|ISBN=978-3-11-018202-6 |
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|Seiten=368}} |
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[[Kategorie:Bessarabien| ]] |
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[[Kategorie:Ukrainische Geschichte]] |
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[[Kategorie:Rumänische Geschichte]] |
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[[Kategorie:Geschichte (Republik Moldau)]] |
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[[Kategorie:Historische Landschaft oder Region in Europa]] |
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[[Kategorie:Landschaft in der Ukraine]] |
Aktuelle Version vom 17. Juni 2025, 08:43 Uhr




Bessarabien (IPA: [ ][1], rumänisch Basarabia, ukrainisch Бессарабія, selten auch Басарабія[2], russisch Бессарабия) ist eine historische Landschaft, die geografisch zu Südost- und Osteuropa gehört und vom Schwarzen Meer im Süden sowie den Flüssen Pruth im Westen und Dnister/Dnjestr im Osten begrenzt wird. Das frühere Bessarabien deckt sich heute weitgehend mit dem westlich des Dnister liegenden Teil der Republik Moldau, nur der Süden (Budschak) sowie der äußerste Norden (um Chotyn) gehören zur Ukraine. Jahrhundertelang war das Land Pufferregion zwischen den Großmächten Österreich, Russland und dem Osmanischen Reich. 1812 trat das Fürstentum Moldau die Herrschaft an Russland ab. Danach war der mehrheitlich von Rumänen bewohnte Landstrich bis 1917 als Gouvernement Bessarabien Teil des Russischen Kaiserreichs. 1918 war Bessarabien kurzzeitig unabhängig. In der Zwischenkriegszeit war es östliche Provinz Rumäniens, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es der Sowjetunion angeschlossen.
Name
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Bezeichnung „Bessarabien“ (rumänisch Basarabia, gagausisch Basarabiya) leitet sich vom walachischen Fürstengeschlecht Basarab ab, das dort im 13. und 14. Jahrhundert herrschte. Ursprünglich galt nur das südliche Drittel des Landes als Terra Bassarabum (lat.). Mit der russischen Übernahme von 1812 dehnte Russland die Bezeichnung „Bessarabien“ auf das gesamte Gebiet zwischen den Flüssen Pruth und Dnister/Dnjestr aus.
Wappen
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Das Wappen Bessarabiens ist der Auerochse, der oben von einem fünfzackigen Stern, links (heraldisch: rechts) von einer Rose und rechts (heraldisch: links) von einem Halbmond umgeben ist. Die Wappendarstellung (Zeichnung links) entstammt einem Dokument, in dem die nationale Vollversammlung Bessarabiens (Sfatul Țării) am 9. April 1918 den Anschluss des Gebietes an Rumänien für ewige Zeiten erklärte.
Der Auerochse ist das Symbol des Fürstentums Moldau, zu dem Bessarabien bis zu seiner Abtrennung 1812 gehörte.
Land und Landwirtschaft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Geografie
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Bessarabien ist ein Landstrich am Schwarzen Meer zwischen den Flüssen Pruth im Westen und Dnister im Osten und im Übergang von den Karpaten zur osteuropäischen Steppe. Die Fläche betrug bei einer Ausdehnung von ca. 450 km × 100 km rund 45.000 km². Das südliche Drittel (Budschak), sowie der nordwestliche Zipfel um die Stadt Chotyn gehören heute zur Ukraine (im Osten der Oblast Tscherniwzi). Der Rest der nördlichen zwei Drittel und der zentrale Teil sind heute Teil der Republik Moldau und machen den Hauptteil des Staatsgebietes aus.
Bessarabien lässt sich landschaftlich in drei Zonen unterteilen. Nordbessarabien ist als Karpatenausläufer eine leicht bewaldete Hochebene von etwa 400 m über dem Meeresspiegel. Dieser Landesteil ist mit Eichen- und Buchenwäldern bedeckt und von tiefen Schluchten durchschnitten. Mittelbessarabien ist ebenfalls von Wäldern bedeckt (wovon es auch den Namen Codrii, also „Wälder“ trägt) und geht ab Tighina allmählich in das steppenähnliche Gebiet des Budschak in Südbessarabien über, ein flachwelliges Hügelland mit einer baumfreien Landschaft etwa 100 m über dem Meeresspiegel. Unter mannshohem Steppengras liegt fruchtbarer Schwarzerdeboden. Alle Flüsse fließen bei geringem Gefälle in südöstliche Richtung und münden ins Schwarze Meer. Im Sommer fallen die kleinen Steppenflüsse fast trocken.
Klima
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Klima des Gebietes ist kontinental mit trockenheißen Sommern und kalten Wintern. Im Süden herrscht ein trockenes Steppenklima mit geringen durchschnittlichen Niederschlagsmengen (300 mm), was in regenarmen Jahren ohne künstliche Bewässerung zu Missernten in der Landwirtschaft führt. Gleichzeitig kann es bei Wolkenbrüchen zu schwerwiegenden Überschwemmungen kommen, wenn die kleinen Flüsse überlaufen. Im waldreicheren Norden sind 600 mm jährlicher Niederschlag üblich.
Landwirtschaft
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Bessarabiens Reichtum war die humusreiche, fruchtbare Schwarzerde mit einer Mächtigkeit von bis zu 1,5 m, die einen ertragreichen Anbau von Wein, Weizen, Hirse, Mais und Obst ermöglichte. Als reines Agrarland exportierte Bessarabien vor allem Wein, Früchte (Melonen und Kürbisse), Gemüse, Tabak, Getreide und Wolle, die aus der weit verbreiteten Schafzucht stammte, vor allem des feinwolligen Karakulschafes (das Lammfell ist als „Bessaraber“ im Rauchwarenhandel bekannt). Auch heute noch sind die landwirtschaftlichen Produkte von hoher Bedeutung. Diese machen z. B. für Moldau im Jahr 2000 etwa 40 % des Bruttoinlandsproduktes und zwei Drittel aller Exporte aus.
Die Exportprodukte transportierten die Landwirte zum Schwarzmeerhafen Odessa (Ukraine). Nach dem Anschluss an Rumänien (1918) ging jedoch der Absatz über das dann sowjetische Odessa verloren und auch der Verkauf in die Sowjetunion litt stark. Ein kleiner Ausgleich dafür war in den 1930er Jahren der Absatz von Ölfrüchten und Sojabohnen zu festen Preisen ins Deutsche Reich. Bei der Nutztierhaltung waren Rinder weiter verbreitet als Pferde. Die moldauischen Landwirte setzten beim Bestellen ihrer Ackerflächen vor allem Ochsen als Zugtiere ein, die bessarabiendeutschen Bauern aber nur Pferde.
Eine gewerbliche, industrielle Produktion gab es infolge der Armut an Energiequellen nur für den lokalen Bedarf, wobei es sich hauptsächlich um landwirtschaftliches Gerät handelte. Bodenschätze des Landes waren Salpeter und Marmor. Eine Gewinnung von Meersalz gab es in lagunenartigen Limanen des Schwarzen Meeres.
Verkehr
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vom 13. bis zum 14. Jahrhundert wetteiferten die Republik Genua und die Republik Venedig um die Vormacht im Handel am Schwarzen Meer. Ein wesentliches Ziel war der Import von Nahrungsmitteln von dort nach Oberitalien, aber die Route durchs Schwarze Meer war bis zur Eroberung der Krim durch das Osmanische Reich im Jahr 1475 auch der westliche Abschnitt der Seidenstraße. Es entstanden Handelsposten an der Schwarzmeerküste, wie die Festung in Bilhorod-Dnistrowskyj mit dem Namen Mauro Castro, und an den Strömen. So unterhielten die Genuesen einen unbefestigten Handelsposten tief im Landesinneren in Tighina (Bender) am Dnister. Auch in den späteren Jahrhunderten, als Bender zum Fürstentum Moldau gehörte, behielt die Stadt ihre Rolle für den Schwarzmeerhandel.
Das Straßennetz im Land war stets unterentwickelt und behinderte die wirtschaftliche Entwicklung. 1930 gab es 800 Kilometer befestigte Straßen und 7000 km Naturwege, die nur bei trockenem Wetter befahrbar waren. Die erste Eisenbahnverbindung verband 1871 die Landeshauptstadt Kischinjow mit dem russischen Reich. Als Bessarabien 1918 von Russland nach Rumänien wechselte, wurde das 1300 km lange Gesamteisenbahnnetz von der russischen Breitspur auf die mitteleuropäische Normalspur umgestellt. Dieser Schritt wurde mit der Eingliederung in die Sowjetunion rückgängig gemacht. Der Schiffsverkehr lag größtenteils darnieder, obwohl das Land von den Gewässern Pruth, Dnister und Donau umgeben war sowie Anteil am Schwarzen Meer hatte. Den auf 200 km schiffbaren Pruth befuhren 1920 26 Frachtkähne. Der Schiffsverkehr auf dem 700 km schiffbaren Dnister war nach 1918 wegen der Grenzlage zwischen Rumänien und der Sowjetunion lahmgelegt.
Siedlungen und Städte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Außer der bessarabischen Hauptstadt Kischinau, russisch Kischinjow, rumänisch Chișinău, gab es keine bedeutenden Städte. Kischinjow am Rande des russischen Imperiums genoss jedoch in den ersten Jahrzehnten nach der Eroberung durch Russland keinen guten Ruf im Kaiserreich, sondern galt als Strafversetzungslager für Unzufriedene und Aufmüpfige. Der junge russische Nationaldichter Alexander Puschkin war von 1820 bis 1823 als Übersetzer nach Kischinjow verbannt worden und schrieb über die Stadt:
„Oh Kischinjow, oh dunkle Stadt!
Verfluchte Stadt Kischinjow, die Zunge wird nicht müde, dich zu beschimpfen.“
Ab 1834 entstand in Kischinjow durch einen großzügigen Stadtentwicklungsplan ein imperiales Stadtbild mit breiten und langen Straßen. Dennoch war Bessarabien ein Agrargebiet mit einer mehrheitlich auf dem Lande lebenden Bevölkerung. Die größeren Orte wiesen als Marktgemeinden nur halbstädtischen Charakter auf. Die Kolonistendörfer (siehe Foto oben) waren jeweils als Straßendorf angelegt und mehrere Kilometer lang. Im Gefolge jahrhundertelanger osmanischer Herrschaft gelangte der Typ der orientalischen Basarstadt ins Land. Viele Orte hatten deshalb großangelegte Marktflächen. Einige Ortsnamen im Süden deuten auf die frühere osmanische Herrschaft und tatarische Besiedlung hin, z. B. Akkerman (türk. für weiße Festung), Bender (türk. für das Tor, heute Tighina), Tatarbunar, Ismail, Tuzla, Kubey, Manuk-Bey.
Orte mit städtischem Charakter waren 1937 (mit Einwohnerzahl):
- Chișinău (russ. Kischinjow, dt. Kischinau) 117.000, heute die Hauptstadt Moldaus
- Cetatea Albă (Akkerman) 55.000, heute Bilhorod-Dnistrowskyj in der Ukraine
- Tighina (Bender) 50.000, heute in Moldau, aber von Transnistrien verwaltet
- Ismail 45.000, heute Ismajil in der Ukraine
- Bălți (dt. Belz), 40.000, heute in Moldau
- Hotin 35.000, heute Chotyn in der Ukraine
- Soroca 35.000, heute in Moldau
Die übrigen größeren Orte wie Orhei, Chilia, Comrat, Tuzla, Cahul, Leova, Bolgrad und Vâlcov waren nur Marktflecken mit bis zu 15.000 Einwohnern.
Bevölkerung
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Volkszählungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wie von der Obrigkeit anfangs vorgegeben, bewohnten die Volksgruppen im 19. Jahrhundert zunächst jeweils eigene Dörfer. Unter den deutschen Kolonisten gab es ursprünglich sogar eine Trennung in evangelisch-lutherische und katholische Siedlungen. Im 20. Jahrhundert bestand die reine ethnische oder sprachliche Einheit in den Dörfern nicht mehr. Die meisten Dörfer waren noch immer mehrheitlich von einer einzelnen Volksgruppe bewohnt, in den größeren Städten lebte allerdings nun eine gemischte, multikulturelle Bevölkerung. Zwischen den verschiedenen Ethnien etablierte sich ein friedliches Nachbarschaftsverhältnis, wobei jedoch Mischehen aufgrund der unterschiedlichen Sprach- und Religionszugehörigkeiten eher selten waren.
Jahr | Gesamtbevölkerung | Moldauer / Rumänen | Ukrainer | Russen | Gagausen | Bulgaren | Juden | Deutsche | Andere |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1897[3] | 1,94 Mio. | 47,6 % ¹ | 19,6 % | 8,1 % | 2,9 % ² | 5,3 % | 11,8 % | 3,1 % | 1,6 % |
1930 | 2,86 Mio. | 56,23 % | 10,97 % | 12,28 % | 3,43 % | 5,7 % | 7,15 % | 2,83 % | 1,39 % |
Anmerkungen:
¹ Die Ergebnisse des Zensus von 1897 wurden wiederholt angezweifelt. Mehrere Historiker sind der Meinung, dass der Anteil der Moldauer bzw. Rumänen höher war[4] und über 50 % betrug[5]. Als sicher gilt, dass eine rumänische Mehrheit mindestens bis Mitte des 19. Jahrhunderts existierte.
² Gagausen hatten bei der Volkszählung 1897 nur die Möglichkeit, Türkisch als Muttersprache anzugeben. 2,9 % (knapp 56.000 Menschen) gaben Türkisch als Muttersprache an, ein signifikanter Teil der Gagausen gab aber Bulgarisch als Muttersprache an, so dass diese Zahl nicht unbedingt der tatsächlichen Zahl der Gagausen entsprach.
Jüdische Bevölkerung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Katharina die Große hatte 1791 fast alle russischen Juden gezwungen, in westliche Provinzen umzusiedeln, und so das „Schtetl“ geschaffen. Ihre Politik wurde von den späteren Zaren im Wesentlichen fortgesetzt, wodurch Bessarabien nach der russischen Übernahme von 1812 Bestandteil des Ansiedlungsrayons wurde. Allerdings galt bis 1835 ein Autonomiestatus, so dass dort die normalen russischen gesetzlichen Diskriminierungen nicht gültig waren (wie das Verbot von Landkauf[6]). Eine weitere Gruppe von Zuzüglern waren Juden aus Deutschland und Polen, die genauso wie die Juden aus anderen Gebieten meist Jiddisch sprachen. Infolgedessen gab es in den größeren Orten bald einen Anteil von nahezu 40 % jüdischer Bevölkerung.
In den folgenden Jahrzehnten wurden die gesetzlichen Begünstigungen nach und nach geringer. Dennoch gab es bis zur vollständigen Abschaffung der Diskriminierung nach der Oktoberrevolution von 1917 einige Vorteile, die auf die günstige Lage am Rande des russischen Reichs zurückzuführen sind.
Nach der Ermordung des reformorientierten Zaren Alexander II. im Jahre 1881 führte Zar Alexander III. mit den Maigesetzen die alten Beschränkungen wieder ein. Bis auf Bessarabien, wo die Mehrheitsbevölkerung eine Minderheit in Russland war, gab es nun im gesamten russischen Süden Judenpogrome, was zu einer vermehrten Auswanderung von Juden führte. Beim Pogrom von Kischinjow am 6. April 1903, das vom Herausgeber der einzigen Zeitung Bessarabez (Бессарабецъ) bewusst geschürt worden war und Anzeichen einer organisierten Tat aufwies, starben 47 Menschen.[7] Die Reaktion auf eine Dokumentation dieses Vorfalls in der Weltpresse war heftig, selbst innerhalb Russlands. So wurde dem Zaren im Juli 1905 eine US-amerikanische Petition übergeben, die allerdings keine Wirkung auf seine Politik hatte. Unter dem Eindruck des Ereignisses schrieb Chaim Nachman Bialik mehrere Gedichte, darunter das 1904 entstandene berühmte Gedicht Be-Ir ha-Haregah („In der Stadt des Schlachtens“). Im Jahre 1905 gab es ein weiteres Pogrom mit 19 Toten. Während des Zweiten Weltkrieges wurden unter deutsch-rumänischer Besatzung zuerst Massaker unter der jüdischen Bevölkerung verübt; später die Überlebenden in Todesmärschen in das rumänisch okkupierte Transnistrien deportiert und mehrheitlich ermordet.
Bulgarische Bevölkerung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelne bulgarische Familien kamen schon Ende des 18. Jahrhunderts als Emigranten nach Südbessarabien, in den Budschak, um Schutz vor den Übergriffen des Paschas Osman Pazvantoğlu zu finden. Größere Gruppen wanderten nach der russischen Übernahme von 1812 ein und ließen sich im Westen bei der Stadt Bolgrad und auf den von den Tataren verlassenen Gebieten im Süden nieder. 1819 erhielten die 24.000 im Land lebenden Bulgaren eine Selbstverwaltung und den Kolonistenstatus. Eine größere Flüchtlingswelle ließ sich im Zuge des Russisch-Türkischen Krieges (1828–1829) in Bessarabien nieder, als ganze Landstriche Thrakiens, westlich und südlich der heutigen Stadt Burgas, entvölkert wurden und die Bevölkerung mit den russischen Truppen vor den anrückenden Osmanen flüchtete.
Die an der südwestlichen Grenze Bessarabiens angrenzende Dobrudscha war zwischen Bulgarien und Rumänien umstritten, da sowohl Bulgaren als auch Rumänen dort lebten, und Rumänien einen Zugang zum Schwarzen Meer wollte. Die bessarabischen Bulgaren waren von diesem Konflikt, aber auch von der Unabhängigkeitsbewegung Bulgariens von den Osmanen, seit dem Bulgarischen Aprilaufstand 1876, erfasst. Während des Aufstandes kaperte Christo Botew, ein in Bessarabien lebender Bulgare, ein Dampfschiff auf der Donau und griff mit 200 anderen Exil-Bulgaren in die Kämpfe gegen die Osmanen ein. Des Weiteren erklärte im April 1877 Zar Alexander II. dem Osmanischen Reich den Krieg mit dem Ziel, „die Bulgaren und andere Balkanvölker zu befreien“, was letztendlich die Unabhängigkeit Rumäniens zur Folge hatte.
Deutsche Bevölkerung
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Deutsche Auswanderer, die der Zar 1813 als Kolonisten ins Land rief, lebten in Bessarabien zwischen 1814 und 1940. Sie lebten als selbstständige Landwirte auf eigener Scholle. In 125-jähriger Siedlungszeit hatten sie die ursprüngliche Zahl von 24 Mutterkolonien auf über 150 bessarabiendeutsche Siedlungen erweitert. Die Zahl von etwa 9.000 eingewanderten Personen hatte sich auf 93.000 Personen mehr als verzehnfacht. Die anfänglich gewährten Privilegien, darunter die Selbstverwaltung durch das Fürsorgekomitee mit Sitz in Odessa, wurden um 1870 mit der Aufhebung des Kolonistenstatus zurückgenommen. Vor allem wegen der Einführung des Militärdienstes wanderten in der Folge viele Kolonisten nach Nord- und Südamerika (mit Schwerpunkten in Nord- und Süd-Dakota, Kanada, Argentinien, Brasilien) aus. Nach der sowjetischen Besetzung Bessarabiens als Folge des Hitler-Stalin-Paktes im Juni 1940 wurden unter der Devise Heim ins Reich fast alle dort lebenden „Volksdeutschen“ durch die Heinrich Himmler unterstellte „Volksdeutsche Mittelstelle“[8] in das Deutsche Reich umgesiedelt. Im September 1940 wurde mit der Sowjetunion dazu ein spezieller Umsiedlungsvertrag geschlossen[9]. Nach einem bis zu zweijährigen Aufenthalt in Lagern erhielten die Umsiedler ab 1941/42 Bauernhöfe im besetzten Polen, deren polnische Besitzer von deutschem Militär vertrieben wurden. Als 1944 die Rote Armee anrückte, flohen die Bessarabiendeutschen nach Westen. Unter den bessarabiendeutschen Umsiedlern waren auch die Eltern des späteren deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler.
Gagausische Bevölkerung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Heute leben im südlichen Moldau auf dem Boden des früheren Bessarabien etwa 175.000 christlich-orthodoxe Gagausen in der autonomen Republik Gagausien mit der Hauptstadt Comrat. Die Vorfahren der Gagausen waren wahrscheinlich Kumanen, der westliche Teil der Kyptschaken, die im Osten der Balkanhalbinsel lebten. Im 13. Jahrhundert wurden diese vorübergehend katholisch (siehe auch: Codex Cumanicus). Kurz danach gingen die Kumanen nördlich der Donau in den Rumänen auf. Zwischen 1812 und 1845 wanderten gagausische Nomaden aus der Dobrudscha und dem heutigen Osten Bulgariens in den Budschak, in Ortschaften wie Avdarma, Comrat, Congaz, Tomai und Cismichioi und teilweise weiter auf die Krim. Im Jahr 1906 gründeten die Gagausen eine eigene Republik, die allerdings nur wenige Tage Bestand hatte.
Kulturdenkmäler
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Bessarabien finden sich einige bedeutende Kulturdenkmäler, obwohl das Land über Jahrhunderte Durchzugsgebiet vieler Völkerschaften war und infolge kleinbäuerlicher Landwirtschaft kaum wirtschaftliche Ressourcen besaß.

Bauhistorisch bedeutend ist die an der Dnister-Mündung zum Schwarzen Meer gelegene mittelalterliche Festung in Akkerman (türk. für weiße Stadt), heute Bilhorod-Dnistrowskyj in der Ukraine, in rumänischer Zeit Cetatea Alba (rumän. für weiße Burg). Weitere Befestigungen errichteten die Fürsten der Moldau gegen Tatareneinfälle am Dnister in Chotyn, Soroca, Orhei und Tighina sowie gegen die Türken in Kilija an der Donau.
Archäologisch erwähnenswert sind die in Südbessarabien vorkommenden Kurgane. In den bis zu 30 m hoch aufgeschütteten Grabhügeln bestatteten die Träger der Kurgankultur, deren ethnische Zuordnung umstritten ist, ihre Anführer zusammen mit einigen reich geschmückten Pferden. Von den beiden 120 km langen und den Römern zugeschriebenen Trajanswällen (Unterer und Oberer) sind noch heute stellenweise fünf Meter hohe Wälle vorhanden. Bedeutende Höhlenkirchen und -klöster entstanden zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert und sind an den Ufern der Flüsse Dnister und Răut in Fels gehauen. In einem etwa 100 m hohen Fels in Țipova (Rajon Rezina) sind 19 Höhlen miteinander verbunden und bilden ein Ensemble aus Eremitenzellen, Glockenturm und einer Kirche. In Saharna (Rajon Rezina) finden sich auf einem Felsen Bebauungsspuren, die bis ins 2. Jahrhundert v. Chr. reichen. Weitere historische Bauten sind Ruinen in Orheiul Vechi (Rajon Orhei) aus der tatarischen Zeit im 14. Jahrhundert, die mit der Goldenen Horde in Verbindung gebracht werden. Man nimmt an, dass hier die westlichste tatarische Hauptstadt Schehr al-Jadid war.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Urgeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]2010 wurden am unteren Dnister bei Dubăsari (Transnistrien) Artefakte des Acheuléen entdeckt, die auf bis zu 800.000 Jahre datiert wurden. Die beiden Sandstein-Chopper und die vier Flintstücke galten damit als älteste menschliche Spuren Moldawiens und der Ukraine sowie Westrusslands.[10]

In Bessarabien finden sich wenige mittelpaläolithische Fundorte, zu deren ältesten lange die Höhle von Duruitoarea Veche zählte. Die dortigen Artefakte wurden inzwischen auf etwa 70.000 Jahre datiert. Als älter gilt inzwischen die Fundstätte Ofatinti, die bis zu 125.000 Jahre zurückreicht.[11]
Antike und Mittelalter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das älteste historisch bezeugte Volk auf bessarabischem Gebiet waren die Skythen, die als nomadisierende Reiterkrieger im 6. Jahrhundert v. Chr. aus östlichen Steppengebieten einwanderten. Noch in vorchristlicher Zeit gründeten Griechen (siehe auch: Tyras, antike griechische Stadt) Kolonien an der Schwarzmeerküste und erwähnten den im zentralen Bessarabien siedelnden germanischen Stamm der Bastarnen. Hier wurden auch Daker (Geten) erwähnt (Tyragetae). Ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. war Bessarabien Teil des Reiches Dacia. Im 1. Jahrhundert eroberte das Römische Reich Teile des Landes. Ihm wird die Sicherung des Landes durch den Trajanswall zugeschrieben.
In der Völkerwanderungszeit zwischen dem 3. und dem 11. Jahrhundert war Bessarabien Durchzugsgebiet von Wandervölkern, darunter Goten, Hunnen, Awaren, Madjaren. Im 7. Jahrhundert ließen sich die Bulgaren im Süden Bessarabiens nieder, im Deltaraum der Donau, und gründeten das Bulgarische Reich. Im 13. Jahrhundert besiedelten Tataren der Goldenen Horde Gebiete am nördlichen Schwarzmeer, doch verschwanden ihre Spuren in Bessarabien bald danach.
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts gehörte der südliche Landstrich zur Walachei. Seit dem 14. Jahrhundert gehört das Gebiet zwischen dem Pruth und Dnister/Dnjestr dem Fürstentum Moldau. Zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert war die Moldau Einflussbereich des Osmanischen Reichs, dem Vorläuferstaat der Türkei. Der Süden Bessarabiens (der Budschak) stand seit dem Ende des 15. Jahrhunderts unter direkter osmanischen Herrschaft.
Im Mittelalter waren verschiedene walachische und moldauische Fürsten, darunter Neagoe Basarab (1512–21), Negru Vodă Basarab und Ladislas Basarab, hier einflussreich. Sie beherrschten im 13. und 14. Jahrhundert rund 150 Jahre lang das Gebiet. Kontakte unterhielten sie mit der Kiewer Rus, mit Ungarn und Polen.
Osmanische Zeit
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Nachdem die Osmanen das von Fürst Stephan dem Großen erbaute Kastell in Akkerman (siehe auch Oblast Odessa) am 14. Juli 1484 erobert hatten, begann die osmanische Zeit. Etwa ab 1511 war ganz Südbessarabien von Sultan Bayezid II. erobert und wurde mit tatarischen Hirten der Nogaier-Horde bevölkert. Sie nannten den Südteil des Landes Budschak, was Winkel bedeutet, und für die dreieckige Form des Landstücks zwischen Pruth, Dnister und Schwarzem Meer steht. 1538 wurde auch Tighina (Bendery) osmanisch.
Das Fürstentum Moldau, zu dem das spätere Bessarabien gehörte, war seit Beginn des 16. Jahrhunderts bis 1859 ein Vasallenstaat des Osmanischen Reichs. Getreidelieferungen nach Konstantinopel sicherten die innere Autonomie. Dafür baute der Sultan keine Moscheen in dem Donaufürstentum und gewährte ihm Schutz vor äußerer Bedrohung, wie dem russischen und habsburgischen Expansionsdrang im 18. und 19. Jahrhundert.
Russische Zeit
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Konsequenz des russischen Expansionsdrangs gegenüber Konstantinopel war der 1806 begonnene 6. russische Türkenkrieg. Während des Krieges siedelten um 1810 russische Truppen Teile der im Budschak nomadisierenden Turkvölker auf die Krim um, ein Großteil war bereits mit den Osmanen geflohen und in die Dobrudscha evakuiert worden. Nach von Karl Marx für die New York Tribune verfassten Berichten gingen die russischen Truppen bei der Eroberung mit brutaler Gewalt gegen die einheimische Zivilbevölkerung vor: »Es gab grausame Exzesse, Zwangsabgaben aller Art, Frondienste, Diebstahl, Mord.« Der Verleger Horace Greeley veröffentlichte die Texte jedoch nicht, weil er sie für übertrieben hielt.[12] 1812 drängte der russische Zar Alexander I. zum Friedensschluss, um sich auf den bevorstehenden Krieg mit Napoleon zu konzentrieren. Im Frieden von Bukarest bekam Russland die östliche Hälfte des Fürstentums Moldau zugesprochen, die westliche blieb weiterhin im Einflussbereich des Osmanischen Reichs. Die Grenze zwischen dem Osmanischen Reich und Russland verlief ab 1812 nicht mehr am Dnister, sondern 100 km bis 125 km weiter westlich, am Pruth. Im zugesprochenen Gebiet errichtete Russland das Gouvernement Bessarabien, das kleinste des Kaiserreichs. Hauptstadt wurde das mittelbessarabische Kischinew (Chișinău). Generalgouverneur von Neurussland und Bessarabien wurde 1823 Michail Semjonowitsch Woronzow.
Als Russland 1812 das Land zwischen den Flüssen Pruth und Dnister mit einer Fläche von etwa 45.000 km² übernahm, dehnte es den ursprünglich nur für den Südteil geltenden Begriff Bessarabien auf das gesamte Gebiet aus. Das Zarenreich wollte eine neue bessarabische Identität stiften, um die eigenen Machtansprüche auf die darin lebenden Rumänen historisch abzusichern. Russland gelangte in den Besitz von fünf Festungen, 17 Städten, 685 Dörfern und 482.000 Menschen. Nach der ersten russischen Volkszählung von 1817 bestand die Bevölkerung aus:
- 83.848 rumänischen Familien (86 % der Gesamtbevölkerung),
- 6000 ruthenischen Familien (6,5 %),
- 3826 jüdischen Familien (1,5 %),
- 1200 lipowanischen Familien (1,5 %),
- 640 griechischen Familien (0,7 %),
- 530 armenischen Familien (0,6 %),
- 241 bulgarischen Familien (0,25 %),
- 241 gagausischen Familien (0,25 %).
Die russischen Machthaber gewährten anfangs Autonomie und griffen nicht in das innere Gesellschaftsgefüge ein, erhöhten aber später den Russifizierungsdruck durch Einführung von Russisch als alleinige Amtssprache, nachdem 1828 der Autonomiestatus der Region aufgehoben worden war. Das Land war hauptsächlich in der Hand von Großgrundbesitzern, den Bojaren. Der Großteil der Bevölkerung waren kleine Bauern, die für den Eigenbedarf produzierten. Viele flüchteten nach der Eroberung Bessarabiens nach Westen über den Pruth-Fluss aus Angst vor der kommenden Einführung der russischen Leibeigenschaft, die zu diesem Zeitpunkt in Bessarabien nur noch bei den Roma praktiziert wurde, aber im restlichen Russland noch alle ethnischen Gruppen umfasste und sehr verbreitet war.
Zwischen 1856 und 1878 kam der südwestliche Teil Bessarabiens (Cahul, Bolgrad und Ismail) infolge des Krimkrieges wieder zur Moldau beziehungsweise zu Rumänien (ab 1859).
Kolonisierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach der russischen Vertreibung und Umsiedlung der Tataren um 1810 aus dem südlichen Landesteil, dem Budschak, setzte ab 1812 die russische Kolonisation der bis dahin dünn besiedelten Region ein. Die russische Krone warb in Russland, der heutigen Ukraine und mittels Werbern im Ausland gezielt Kolonisten mit zugesicherten Privilegien an wie Landschenkungen, zinslosen Krediten, Steuerfreiheit für zehn Jahre, Selbstverwaltung, Religionsfreiheit und Befreiung vom Militärdienst.
Ab 1814 wanderten insgesamt etwa 9000 deutsche Auswanderer ein, die später die Volksgruppe der Bessarabiendeutschen bildeten. Sie gründeten insgesamt 150 deutsche Siedlungen, hauptsächlich im Steppengebiet des Budschak (siehe auch Geschichte der Russlanddeutschen). Hinzu kamen zahlreiche Bulgaren, die vor den osmanischen Truppen in den Herrschaftsbereich der russischen Krone geflohen waren. Da in Bessarabien nicht die sonst üblichen Verbote für Juden in der Landwirtschaft galten, entstanden im Norden 17 jüdische Dörfer, wo 1858 mehr als 10.000 Menschen vom Ackerbau lebten und damit im gesamten Russland eine geduldete Ausnahme darstellten.
Neben der Urbarmachung führte die Kolonisierung auch zur Veränderung der demografischen Verhältnisse in Bessarabien; der Anteil der rumänischen Mehrheitsbevölkerung sank stark.
Russifizierung und Sprachwandel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1812 versprach Russland bei den Verhandlungen in Bukarest die weitgehende Autonomie Bessarabiens, das Land sollte weiterhin von moldawischen Bojaren regiert werden. 1829 wurde die Region in ein russisches Gouvernement umgewandelt und die rumänische Sprache wurde zuerst aus der Verwaltung entfernt. Ab 1842 wurde die rumänische Sprache in den Gymnasien durch Russisch ersetzt und ab 1860 wurde auch der rumänische Unterricht in den Grundschulen eingestellt.
Die Russifizierung richtete sich gegen die Mehrheitsbevölkerung. Während der zaristischen Herrschaft verringerte sich der Anteil der Rumänen bzw. Moldauer in Bessarabien. Rumänen wurden angeregt, sich in anderen Regionen des Russischen Reiches niederzulassen (vor allem in Sibirien und in der Kuban-Region) und im Gegenzug wurden andere Ethnien angeworben. Die restriktive Sprachpolitik führte zur Assimilation des aufstrebenden Bürgertums in die russische Kultur.
Gebietsabtretungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die russische Niederlage im Krimkrieg 1853–1856 führte zum Pariser Frieden von 1856. Als Folge dessen ging ein Teil des 1812 von Russland gewonnenen südlichen Bessarabiens im Bereich der Donaumündung (etwa ein Viertel der Gesamtfläche) mit den Kreisen Cahul, Bolgrad und Ismail wieder zurück ans Fürstentum Moldau. Sieben europäische Staaten übernahmen die Schutzherrschaft über dieses Gebiet, durch das Russland den strategisch wichtigen Zugang zur Donaumündung verlor. Allerdings musste Rumänien diesen Teil Bessarabiens im Vertrag von Berlin 1878 wieder an Russland abtreten.
Rumänische Zwischenkriegszeit (1918 bis 1940)
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Auch im russischen Gouvernement Bessarabien kündigte sich durch Revolten Anfang des 20. Jahrhunderts ein Sturz des Zarenregimes an. Am 6.jul. / 19. April 1903greg. und 7.jul. / 20. April 1903greg., dem ersten Osterfeiertag, kam es in Chișinău, dem Zentrum jüdischen Lebens, zu einem größeren antisemitischen Pogrom, der 47 bis 49 jüdische Einwohner das Leben kostete. Schätzungsweise 400 wurden verletzt. Hunderte Haushalte und Geschäfte wurden geplündert und zerstört.
Am 22. August 1905 kam es in der Stadt erneut zu einer blutigen Eskalation, als die Polizei das Feuer auf zirka 3.000 demonstrierende Landarbeiter eröffnete. Vergleichbar ist diese Tragödie mit dem Petersburger Blutsonntag, der sich am 9. Januarjul. / 22. Januar 1905greg. in Sankt Petersburg ereignete; dort wurden etwa 1.000 demonstrierende Arbeiter getötet.
Nach Ausbruch der russischen Revolutionswirren übernahm im November 1917 eine nationale Vollversammlung mit der Bezeichnung Landesrat (Sfatul Țării) mit Sitz in Kischinew die Regierung. Der Landesrat bestand Ende 1917 aus 156 Abgeordneten, von denen 67,3 %, also 105 Personen, ethnische Moldauer/Rumänen waren[13]. Dies war deutlich höher als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung, der nur bei knapp 50 % lag.
Am 2. Dezemberjul. / 15. Dezember 1917greg. rief der Landesrat Bessarabien die Moldauische Demokratische Republik aus, die zu diesem Zeitpunkt aber noch keine volle Unabhängigkeit anstrebte, sondern Teil eines neuen, reformierten russischen Staates bleiben und dafür über weitgehende Autonomie verfügen sollte[14]. Auch andere Teile des Russischen Reichs forderten nun mehr Autonomie oder drängten in die Unabhängigkeit.
Die Verhältnisse in Bessarabien waren chaotisch, denn die russische Front des Ersten Weltkrieges hatte sich aufgelöst, in Russland selbst tobte ein Bürgerkrieg zwischen Bolschewiki und Weißer Armee und die Macht des moldauischen Landesrats war zunächst eher beschränkt. Kommunistische Truppen des Rumtscherod besetzten am 5. Januar 1918 Kischinew, sodass Bessarabien unter Kontrolle der Bolschewiki kam. Am 18. Januarjul. / 31. Januar 1918greg. wurde aus Bessarabien und Teilen des Gouvernements Cherson die kurzlebige Sowjetrepublik Odessa mit Zentrum in Odessa gegründet. Der Landesrat (Sfatul Țării) rief am 24. Januarjul. / 6. Februar 1918greg. die vollständige Unabhängigkeit des Landes aus und bat Rumänien um militärischen Beistand. Rumänische Truppen marschierten daraufhin in ganz Bessarabien ein und brachten es nach kurzen, intensiven Gefechten unter ihre Kontrolle. Nach Ende der Kampfhandlungen zogen die rumänischen Truppen nicht mehr ab, sondern verblieben im Land, was von den meisten Bewohnern Bessarabiens als Zeichen für einen baldigen Anschluss an Rumänien gesehen wurde.[15]
Am 27. März stimmte der Landesrat, der zu diesem Zeitpunkt aus 135 Abgeordneten bestand, offiziell über eine Vereinigung mit Rumänien ab. Der Rat formulierte dazu elf Bedingungen, die im Falle einer Vereinigung gewährleistet werden sollten, darunter eine Agrarreform, lokale Autonomie und Minderheitenschutz. 86 Abgeordnete stimmten für die Vereinigung unter diesen Bedingungen, drei stimmten dagegen und 49 gaben keine Stimme ab.[16] Die meisten Abgeordneten, die sich enthielten, taten dies aus Boykott, da rumänische Truppen ohnehin bereits im Land waren und sie die Vereinigung mit Rumänien daher als bereits entschieden ansahen. Unter den 86 „Für“-Stimmen waren nur zwei Abgeordnete nicht-rumänischer Herkunft.
Am 9. April 1918 erklärte Bessarabien unter Zustimmung weiter Teile der Bevölkerung den Anschluss an Rumänien für ewige Zeiten. Im November 1918 stimmte der Sfatul Țării bei nur 44 anwesenden Abgeordneten für eine bedingungslose Vereinigung mit Rumänien, sodass, bis auf die Agrarreform, alle 10 der 11 Bedingungen Bessarabiens an Rumänien aufgegeben wurden, darunter auch die Forderung nach Autonomie. Da weit weniger als die Hälfte der Abgeordneten überhaupt anwesend waren, wird diese Abstimmung heute als illegitim angesehen.[17] Im selben Monat wurde die Vereinigung mit Rumänien offiziell vollzogen und der Landesrat löste sich auf. Aus Sicht der Sowjetunion, die den Anschluss an Rumänien nicht anerkannte, handelte es sich dabei jedoch um eine inszenierte Abspaltung von Russland und eine planmäßige Annexion durch Rumänien.
1920 wurde der Anschluss Bessarabiens an Rumänien im Pariser Vertrag von Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan als rechtmäßig anerkannt. Die Vereinigten Staaten hingegen erkannten dies nicht an, kritisierten die Nicht-Einbindung der Sowjetunion in die Verhandlungen und bezeichneten Bessarabien als ein Territorium unter rumänischer Besatzung.[18] Auch die Sowjetunion gab ihren Anspruch auf Bessarabien nicht auf. Sie forderte 1924 die Durchführung einer Volksabstimmung in Bessarabien über künftige staatliche Zugehörigkeit. Als Rumänien dies 1924 ablehnte, nannte die Sowjetunion Bessarabien „sowjetisches Territorium unter Fremdbesatzung“.[19]
Am Ostufer des Dnjestr, auf dem Gebiet der Ukrainischen SSR wurde daher 1924 die „Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik“ (MASSR) gegründet, um die Ansprüche auf Bessarabien zu untermauern. In dieser Region lebte eine signifikante rumänischsprachige (moldauische) Minderheit, die Mehrheit der Bevölkerung waren jedoch Ukrainer.
Rumänien setzte auf eine zentralistische Verwaltung und teilte Bessarabien in neun Kreise (Județ) auf. In der Zwischenkriegszeit von 1918 bis 1940 gab es eine wirtschaftliche Entwicklung und Rumänen setzte sich stark für den Ausbau der Infrastruktur in Bessarabien ein. Durch eine Agrarreform von 1920 mit der Enteignung von Großgrundbesitzern (mit mehr als 100 Hektar) konnten viele besitzlose Bauern zu eigenem Land gelangen. Die Durchführung dieser Reform dauerte allerdings bis in die 1930er Jahre an und wurde durch Korruption gehemmt.
In Bessarabien war jetzt erstmals nach 1812 für die rumänischsprachige Mehrheit der Bevölkerung wieder ihre Muttersprache Amts- und Schulsprache. Andererseits waren die ethnischen und sprachlichen Minderheiten, die über 40 % der Bevölkerung ausmachten,[3] nun einer starken Rumänisierungspolitik ausgesetzt[20][21], die vielerorts auf Widerstand stieß. In weiten Teilen Bessarabiens waren Rumänen bzw. Moldauer nur eine Minderheit. In der mehrheitlich russischsprachigen Stadt Tighina etwa gab es mehrere bewaffnete Aufstände, die auf einen Anschluss an die benachbarte Sowjetunion abzielten. Die lange Zugehörigkeit zum Russischen Reich hatte Spuren hinterlassen und nicht alle Rumänischsprachigen Bessarabiens sahen sich auch als Rumänen. Ein signifikanter Teil von ihnen hielt an einer von den Rumänen separaten, eigenen moldauischen Identität fest. In vielen Teilen Bessarabiens war eine pro-sowjetische Stimmung weit verbreitet, so dass die lokale Verwaltung häufig mit Rumänen aus anderen Teilen des Landes besetzt wurde, da viele Einheimische als potentielle Sympathisanten oder Spione der Sowjetunion angesehen wurden. Viele Einheimische sahen sich nach wie vor als Bürger zweiter Klasse. Probleme bereiteten auch die innenpolitisch schwierigen Verhältnisse in Rumänien, wie etwa der Aufstieg der ultranationalistischen, antisemitischen und faschistischen Eisernen Garde, die 1937 drittstärkste Partei bei den rumänischen Parlamentswahlen wurde. Seit 1937 bestand für Juden ein Verbot, Land zu erwerben.
Anders als im Russischen Reich gab es zwar Schulen, in denen auch andere Sprachen als die Amtssprache zugelassen waren, deren Zahl war jedoch weitaus niedriger als der Anteil der nicht-rumänischen Bevölkerung und eine Rumänisierung der Gesellschaft wurde forciert. Während viele Angehörige der ethnischen Minderheiten negativ gegenüber Rumänien eingestellt und schlecht integriert waren, assimilierten sich andere in die rumänische Gesellschaft. Beispiele hierfür sind der Politiker Iosif Chișinevschi oder der Schriftsteller Leonid Dimov, die beide aus einem russischsprachigen Umfeld stammten.
Sowjetische Besetzung 1940
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Ende des deutschen Westfeldzugs mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands von Compiègne am 22. Juni 1940 sah die Sowjetunion den Zeitpunkt gekommen, die Rückgabe Bessarabiens nach 22 Jahren (aus ihrer Sicht widerrechtlicher) Zugehörigkeit zu Rumänien zu erreichen. Mit dem besiegten Frankreich hatte Rumänien seinen engsten Bündnispartner verloren. Am 28. Juni 1940 besetzte die sowjetische Rote Armee das Territorium Bessarabiens. Rumänien hatte zuvor ein 48-stündiges Ultimatum zur Abtretung gestellt bekommen, dem es kampflos nachkam. Als Reaktion auf das Ultimatum und den erwarteten Anmarsch der russischen Truppen, kam es zu einer Flüchtlingswelle aus Bessarabien nach Rumänien. Bei der rumänischen Volkszählung vom 6. April 1941 wurden 68.953 Geflüchtete erfasst. Zurück in Bessarabien blieben mehrheitlich Bauern.[22] Wie im Geheimen Zusatzprotokoll des Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts von 1939 verabredet, duldete das Deutsche Reich die Besetzung. Gegenüber der Sowjetunion bekundete es sein Desinteresse an der Bessarabischen Frage, forderte aber die Rücksiedlung unter dem Motto „Heim ins Reich“ der etwa 93.000 Bessarabiendeutschen. Deren Umsiedlung ins Deutsche Reich im Herbst 1940 ermöglichte der am 5. September 1940 geschlossene Umsiedlungsvertrag.
Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik (Moldauische SSR)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 2. August 1940 teilte die Sowjetunion Bessarabien und gründete für den größten Teil des Nordens und der Mitte des Landes die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik (MSSR) und schlug ihr die östlich des Dnisters gelegene Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik (MASSR) zu. Der Süden und das Gebiet im Norden um die Stadt Chotyn (Oblast Tscherniwzi) ging an die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik; in diesen Gebieten stellten Ukrainer auch eine Bevölkerungsmehrheit.
Unmittelbar nach der Besetzung kollektivierte die Sowjetunion die Landwirtschaft, enteignete Großgrundbesitz, verteilte Land an landlose Bauern und gründete Sowchosen sowie Kolchosen. Gleichzeitig setzte eine Welle der Repression gegen nationalistisch oder anti-sowjetisch eingestellte Rumänen bzw. Moldauer ein, welche in der Deportation von bis zu 250.000 Personen gipfelte. Diese Politik richtete sich gegen die vermeintlich politische Opposition, wie Gutsbesitzer, Kulaken (Großbauern), Großkaufleute, frühere Weißgardisten, Priester und rumänische Nationalisten.[23] Von der Verfolgung waren nur die Bessarabiendeutschen ausgenommen, die unter dem Schutz des Deutschen Reichs standen und bis November 1940 ausgesiedelt wurden, auch nach Österreich, damals als Ostmark Teil des Deutschen Reiches. Nach Bessarabien benannte Straßen in deutschen und österreichischen Städten erinnern an die Herkunft der dortigen Einwohner.
Zweiter Weltkrieg (1941 bis 1944)
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Am 22. Juni 1941 begann mit dem Unternehmen Barbarossa der deutsche Angriff auf die Sowjetunion, an dem sich im Südbereich der Front etwa eine Million rumänische Soldaten der Armata Română beteiligten. Beim kriegsbedingten Rückzug hinterließ die Rote Armee in Bessarabien verbrannte Erde und transportierte die beweglichen Güter per Bahn nach Russland. Ende Juli 1941 stand das Land wieder unter rumänischer Verwaltung.
Bereits während der militärischen Rückeroberung begingen rumänische Soldaten unter Beteiligung der Bevölkerung Pogrome gegen bessarabische Juden mit Tausenden von Toten. Am Anfang stand das Massaker nahe Sculeni, bei dem am 27. Juni 311 Juden ermordet wurden. Der Hass beruhte teilweise darauf, dass man den Juden ein Paktieren mit der Sowjetmacht vorwarf, die sie 1940 wegen Hitlers antisemitischer Vernichtungspolitik als Befreier ansahen. Gleichzeitig gab es Tötungsaktionen der SS-Einsatzgruppen (hier die Einsatzgruppe D) an Juden unter dem Vorwand, sie seien Spione, Saboteure oder Kommunisten. Die politische Lösung der Judenfrage war vom rumänischen Diktator Marschall Ion Antonescu jedoch eher durch Vertreibung als durch Vernichtung gewollt. Die jüdische Bevölkerung (ca. 200.000 Personen) kam zunächst in Ghettos oder Auffanglager, um sie 1941/42 bei Todesmärschen in Lager, wie beispielsweise Bogdanowka, im rumänisch okkupierten Gouvernement Transnistrien zu deportieren, das, anders als das rumänische Mutterland, teilweise von der SS kontrolliert wurde. Im Rahmen des Porajmos wurden die Roma in Bessarabien in der Zeit des Nationalsozialismus ebenfalls Opfer von Verfolgung und Vernichtung.
Nach dreijähriger Zugehörigkeit zu Rumänien war 1944 die deutsch-sowjetische Front wieder bis an die östliche Landesgrenze am Dnister herangekommen. Am 20. August 1944 begann die Rote Armee mit etwa 900.000 Soldaten eine groß angelegte Sommeroffensive unter der Bezeichnung Operation Jassy-Kischinew. Mit einer Zangenoperation gelang es der Roten Armee, das Gebiet des historischen Bessarabiens in fünf Tagen einzunehmen. In Kesselschlachten bei Kischinew und Sarata wurde die nach der Schlacht von Stalingrad neu gebildete 6. deutsche Armee mit ca. 650.000 Soldaten aufgerieben, worauf Rumänien das Waffenbündnis mit Hitler kündigte und die Fronten wechselte. Mit dem Staatsstreich vom 23. August 1944 wurde in Rumänien Marschall Ion Antonescu abgesetzt und König Michael I. wieder eingesetzt.
Erneute Besetzung und Eingliederung in die Sowjetunion (1944 bis 1991)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach der Rückeroberung Bessarabiens durch Truppen der UdSSR wurde die Moldauische SSR als politische Entität wiederhergestellt und blieb bis zum Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 eine sowjetische Teilrepublik.
Im unabhängigen Moldau (1991)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Zerfall der Sowjetunion hatte auch Auswirkungen auf die staatliche Organisation in Bessarabien: die Moldauische SSR zerfiel in zwei Teile. Der Großteil des ehemaligen Bessarabien bildete die Republik Moldau. Die Stadt Bender und ihre Nachbardörfer wurden Teil der international nicht anerkannten Transnistrischen Moldauischen Republik („Transnistrien“) – der Großteil des Territoriums Transnistriens liegt jedoch östlich des Flusses Dnister und war nie Teil des historischen Bessarabiens, wenngleich es dort bis heute eine signifikante rumänischsprachige Minderheit gibt.
Museum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Geschichte
- Fürstentum Moldau
- Liste der historischen Regionen in Rumänien und der Republik Moldau
- Liste deutscher Bezeichnungen ukrainischer Orte
- Geschichte der Republik Moldau
- Geschichte der Ukraine
- Geschichte Rumäniens
- Geschichte der Russlanddeutschen
- Bessarabiendeutsche
Gebiete
Orte
Angrenzende historische Regionen
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ion Țurcanu: Istoria Basarabiei, Bd. 1: Preludii. Din paleolitic până la sfârşitul Antichităţii, Chișinău 2016. (das 868 S. starke Werk Geschichte Bessarabiens reicht vom Altpaläolithikum bis zur Spätantike)
- George Ciorănescu: Bessarabia – Disputed land between east and west. Jon Dumitru Verlag, München, 1985. Neudruck: Editura Fundației Culturale Române, București, 1993, ISBN 973-9155-17-0
- Hannes Hofbauer, Viorel Roman: Bukowina, Bessarabien, Moldawien – Vergessenes Land zwischen Westeuropa, Russland und der Türkei. Promedia, Wien 1993, ISBN 3-900478-71-6
- Ion Alexandrescu: A short history of Bessarabia and northern Bucovina. in: Romanian civilization. Romanian Cultural Foundation, Iași 1994, ISSN 1220-7365
- Ute Schmidt: Bessarabien. Deutsche Kolonisten am Schwarzen Meer. Deutsches Kulturforum östliches Europa, Potsdam 2008.
- Ute Schmidt: „Heim ins Reich“? Propaganda und Realität der Umsiedlungen nach dem „Hitler-Stalin-Pakt“. In: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat, Band 26, Berlin 2009.
- Axel Hindemith: Bessarabien im 2. Weltkrieg. in: Jahrbuch der Deutschen aus Bessarabien. Heimatkalender. Hilfskomitee, Hannover 2004, ISBN 3-9807392-5-2
- Ion Mardari: Miclești din Ținutul Orheiului: Monografie istorisită în 2001, Editura Universității din Pitești, 2003, ISBN 973-690-140-8
- Svetlana Suveica: Post-imperial Encounters. Transnational Designs of Bessarabia in Paris and Elsewhere 1917–1922, De Gruyter Oldenbourg, 2022, Südosteuropäische Arbeiten 167, ISBN 978-3-11-116633-9
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Geschichte Bessarabiens
- Geschichte Bessarabiens (englisch)
- Historische Karte von Bessarabien, 1789 ( vom 13. Januar 2015 im Internet Archive)
- Cornelia Schlarb: Bessarabien im „Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“ der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und des Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa
- Genealogischer Suchdienst Bessarabien mit historischen Karten (englisch)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Eva-Maria Krech, Eberhard Stock, Ursula Hirschfeld, Lutz Christian Anders: Deutsches Aussprachewörterbuch. 1. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin, New York 2009, ISBN 978-3-11-018202-6, S. 368.
- ↑ Eintrag in der Jewish Encyclopedia. Funk and Wagnalls, New York 1901–1906.
- ↑ a b — ( vom 4. Dezember 2013 im Internet Archive)
- ↑ Electronic Text Archive. In: depts.washington.edu. (englisch).
- ↑ Archivierte Kopie ( vom 5. Oktober 2020 im Internet Archive)
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- ↑ Umsiedlung, Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg
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- ↑ Cristina Petrescu: Contrasting/Conflicting Identities: Bessarabians, Romanians, Moldovans in Nation-Building and Contested Identities, Polirom, 2001, S. 170
- ↑ Irina Livezeanu: Cultural Politics in Greater Romania. Cornell University Press, 2000, ISBN 978-0-8014-8688-3, S. 119 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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- ↑ Viorica Olaru-Cemîrtan, Georg Aescht: Wo die Züge Trauer trugen: Deportationen in Bessarabien 1940-1941, In: Osteuropa, Der Hitler-Stalin-Pakt: Der Krieg und die europäische Erinnerung., Nr. 7/8, 2009, S. 219.
- ↑ Viorica Olaru-Cemîrtan, Georg Aescht: Wo die Züge Trauer trugen: Deportationen in Bessarabien 1940-1941, In: Osteuropa, Der Hitler-Stalin-Pakt: Der Krieg und die europäische Erinnerung., Nr. 7/8, 2009, S. 221.
Koordinaten: 46° 50′ 0″ N, 29° 0′ 0″ O