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„Risalit“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Pronstorf Herrenhaus.JPG|mini|Barockes [[Herrenhaus (Gebäude)|Herrenhaus]] mit einem durch ein [[Frontspieß|''Frontispiz'']] bekrönten ''Mittelrisalit'' und zwei ''Eckrisaliten'' ([[Herrenhaus Pronstorf|Gut Pronstorf]])]]
Ein '''Risalit''', von italienisch 'risalto', 'Vorsprung', ist ein auf ganzer Höhe hervorspringender Gebäudeteil, welcher ab dem [[Barock]] als Mittel zur Fassadengliederung in der [[Architektur]] gebräuchlich wurde.


Der '''Risalit''' (aus {{itS|risalto}} = „Vorsprung“ und ''saltare'' = „springen“), auch '''Avantcorps'''<ref>{{Herder-1854 |Lemma=Avantcorps |Band=1 |Seite=354 |zenoID=20003217671}}</ref> oder ''Avant-corps'' (von {{frS|avant corps}} „vor dem Körper“),<ref>{{Brockhaus-1911 |Lemma=Avant-corps |Band=1 |Seite=131 |zenoID=20000928224}}</ref> ist in der historischen [[Architektur]] ein vor die Flucht des Hauptbaukörpers über alle Stockwerke hinweg vorspringender Bauteil, der auch höher sein kann und oft ein eigenes Dach hat.
Münden zwei rechtwinklig zueinander verlaufende Flügel in einem Risalit, so spricht man von einem Eckrisalit. Bei einer barocken Dreiflügelanlage wird der Hauptsaal bzw. das Treppenhaus oft durch einen Mittelrisaliten aufgenommen (z.B. [[Pommersfelden]], [[Schloss Weißenstein]], [[Klosterschule Roßleben]]).


== {{Anker|Seitenrisalit|Begriffsunterscheidungen}} Funktion und Begriffsunterscheidungen ==
[[Kategorie:Bauteil]]
Risalite dienten in der historischen Architektur als Mittel zur [[Fassade]]ngliederung, vor allem zur Verräumlichung der zumeist [[Symmetrie (Geometrie)|symmetrisch]] strukturierten Fassade durch das Vorziehen von Gebäudeteilen, ähnlich den weiter vortretenden Gebäudeflügeln oder dem Ausgliedern von Pavillons sowie dem Vorstellen eines Portikus mit Freisäulen.<ref name="Reallexikon">{{Literatur |Autor=Paul-Henry Boerlin, Erik Forssman, Ingrid Haug, Erich Kubach, Wolfgang Prohaska |Titel=Fassade |Sammelwerk=Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte |Band=VII |Datum=1978 |Seiten=536–690 |Online=https://www.rdklabor.de/wiki/Fassade |Abruf=2024-02-15}}</ref> Risalite sind oft mit einem [[Giebel]] (auch ''[[Frontispiz (Architektur)|Frontispiz]]'', ''Frontspieß'') ausgezeichnet.

Man unterscheidet je nach der Lage des Risalits am Gebäude einen '''Mittelrisalit''', einen außermittig positionierten '''Seitenrisalit''' und einen außen liegenden '''Eckrisalit'''.<ref name="KoepfBinding">[[Hans Koepf]], [[Günther Binding]]: ''Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar''. 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (= ''Kröners Taschenausgabe'', Band 194); [https://moodle.unifr.ch/pluginfile.php/975203/mod_resource/content/0/KOEPF%2C%20BINDING%2C%202005%2C%20Bildwoerterbuch%20der%20Architektur.pdf Digitalisat auf moodle.unifr.ch] (PDF; 15&nbsp;MB; abgerufen am 2. Februar 2024), S. 394 f.</ref> Einen vom Hauptbaukörper stärker abgehobenen Eckrisalit mit besonderer Dachform nennt man auch ''[[Pavillon#Pavillon als Teil eines größeren Gebäudes|Pavillon]]''.<ref name="KoepfBinding" />
[[Datei:Avant-corps 09.svg|zentriert|mini|Drei Arten von Risaliten: links ''Mittelrisalit'', Mitte ''zwei Seitenrisalite'', rechts ''zwei Eckrisalite'' (Schemazeichnungen der Baukörper ohne Dächer)]]

Im Gegensatz zum vortretenden Risalit wird die „Rücklage“ der Fassadenfront als ''Arrierecorps'' (''Arrière-corps'', {{frS|arrière corps}}: „hinter dem Baukörper“) bezeichnet.
<gallery class="center" caption="Beispiele zu den Begriffsunterscheidungen">
Wilhelmsplatz 1 Göttingen 20180119 004.jpg|Klassizistisches Universitätsgebäude mit ''Mittelrisalit'' ([[Aula der Georg-August-Universität|Aula der Georg-August-Universität Göttingen]])
Bahnhof Gensungen 01.jpg|Empfangsgebäude im Rundbogenstil mit ''Mittelrisalit'' ([[Bahnhof Gensingen-Horrweiler|Bahnhof Gensungen]])
Berlin Schloss Charlottenburg (S41 2538).jpg|Dreiflügeliges Barockschloss mit fünf ''Mittelrisaliten'' ([[Schloss Charlottenburg]])
Hannover-Herrenhausen-Großer-Garten-Galeriegebäude-Panorama.jpg|Barockes Galeriegebäude mit Mittelrisalit und Eckrisaliten ([[Großer Garten Hannover-Herrenhausen#Galeriegebäude|Galeriegebäude Herrenhausen]])
Villa Parkstraße 3.jpg|Klassizistische Villa mit ''Seitenrisaliten'' ([[Villa Parkstraße 3 (Dresden)|Dresden, Parkstraße 3]])
Zeughaus Berlin 2012.jpg|Barockes Zeughaus mit ''Mittelrisalt'' sowie mehreren schwach vortretenden ''Seitenrisaliten'' ([[Zeughaus (Berlin)|Zeughaus Berlin]])
Neuhardenberg Castle 04-12.jpg|Klassizistisches Schloss mit ''Mittelrisalit'' und ''Seitenflügeln'' ([[Schloss Neuhardenberg]])
Schloss Werneck 20190921 018.jpg|Barockschloss mit ''Mittelrisalit'' und ''Eckpavillons'' ([[Schloss Werneck]])
</gallery>

== Geschichte ==
Risalite als Mittel zur Fassadengliederung sind in der mittelalterlichen Baukunst nur selten; ein Beispiel ist die um 1320/30 entstandene Nordfassade des [[Marburger Schloss]]es.<ref name="Reallexikon" /> Risalite sind ein vor allem in der Architektur der [[Renaissance]] und des [[Barock]] (sowie des entsprechenden [[Historismus]]) verbreitetes Gestaltungsmerkmal.<ref name="KoepfBinding" />

=== Historische Beschreibungen ===
In Zedlers ''[[Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste|Grossem vollständigen Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste]]'' (Band 50, 1747) wird der Zweck von einem „Vorsprung (Riselita)“ als Fassadengliederung mit einem [[Gesims]] verglichen und so begründet: „Wie man denn einen dergleichen Vorsprung an den Häusern anzubringen pflegt. Denn weil unsere Augen einer Sache gar leicht überdrüßig werden; muß man auf allerhand Veränderungen und Zierrathen bedacht seyn. Damit nun also dergleichen Veränderungen desto besser in die Augen fallen, pfleget man diejenigen Theile des Hauses, wo sie am meisten angebracht sind, vor den andern etwas heraus zurücken.“<ref>{{Zedler Online|50|637|1243|1243|Vorsprung (Riselita)}}<!-- id=454433 --></ref>

Krünitz’ ''[[Oeconomische Encyclopädie|Ökonomisch-technologischer Encyklopädie]]'' (Band 125, 1818) beschreibt unter dem Lemma „Risalio, Risalit“: „ein Theil eines Gebäudes, der durch alle Stockwerke durchgeht, etwas vor den übrigen Theilen des Gebäudes heraustritt, und gewöhnlich mit einem Fronton oder niedrigem italienischem Dache bedeckt wird.“<ref>''Risalio''. In: [[Johann Georg Krünitz]]: ''Ökonomisch-technologische Encyklopädie (…)''. Band 125. 1818; [https://www.kruenitz.uni-trier.de/xxx/r/kr04011.htm kruenitz.uni-trier.de]</ref>

== Abgrenzung ==
Ein nicht durch alle [[Geschoss (Architektur)|Geschosse]] reichender vor die Fassade vorgezogener Baukörper heißt ''Vorbau'' (auch ''[[Erker]], [[Auslucht]], [[Söller]]''). Weit vortretende Baukörper nennt man ''[[Gebäudetrakt|Flügel]]''.<ref name="KoepfBinding" />

== Literatur ==
* [[Wilfried Koch]]: ''Baustilkunde. Das Standardwerk zur europäischen Baukunst von der Antike bis zur Gegenwart.'' 32. Auflage. Prestel, München u.&nbsp;a. 2014, ISBN 978-3-7913-4997-8, S.&nbsp;479.
* ''Risalit''. In: [[Hans Koepf]], [[Günther Binding]]: ''Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar''. 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X, S.&nbsp;394 f. (= ''Kröners Taschenausgabe'', Band 194); [https://moodle.unifr.ch/pluginfile.php/975203/mod_resource/content/0/KOEPF%2C%20BINDING%2C%202005%2C%20Bildwoerterbuch%20der%20Architektur.pdf moodle.unifr.ch] (PDF; 15&nbsp;MB) abgerufen am 2. Februar 2024.
* [[Johann Friedrich Penther]]: ''Ausführliche Anleitung zur bürgerlichen Bau-Kunst (Band 1): Enthaltend ein Lexicon Architectonicum oder Erklärungen der üblichsten Deutschen, Französischen, Italiänischen Kunst-Wörter der Bürgerlichen Bau-Kunst (…).'' Johann Andreas Pfeffel, Augspurg 1744, S.&nbsp;133: ''Risalit''. ([https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/penther1744/0147/image,info Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de], abgerufen am 15. Februar 2024)

== Weblinks ==
{{Wiktionary}}
{{Commonscat|Avant-corps|audio=0|video=0}}

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Normdaten|TYP=s|GND=4694616-0}}

[[Kategorie:Ornament (Bauteil)]]
[[Kategorie:Fassadengliederung]]

Aktuelle Version vom 23. November 2024, 21:16 Uhr

Barockes Herrenhaus mit einem durch ein Frontispiz bekrönten Mittelrisalit und zwei Eckrisaliten (Gut Pronstorf)

Der Risalit (aus italienisch risalto = „Vorsprung“ und saltare = „springen“), auch Avantcorps[1] oder Avant-corps (von französisch avant corps „vor dem Körper“),[2] ist in der historischen Architektur ein vor die Flucht des Hauptbaukörpers über alle Stockwerke hinweg vorspringender Bauteil, der auch höher sein kann und oft ein eigenes Dach hat.

Funktion und Begriffsunterscheidungen

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Risalite dienten in der historischen Architektur als Mittel zur Fassadengliederung, vor allem zur Verräumlichung der zumeist symmetrisch strukturierten Fassade durch das Vorziehen von Gebäudeteilen, ähnlich den weiter vortretenden Gebäudeflügeln oder dem Ausgliedern von Pavillons sowie dem Vorstellen eines Portikus mit Freisäulen.[3] Risalite sind oft mit einem Giebel (auch Frontispiz, Frontspieß) ausgezeichnet.

Man unterscheidet je nach der Lage des Risalits am Gebäude einen Mittelrisalit, einen außermittig positionierten Seitenrisalit und einen außen liegenden Eckrisalit.[4] Einen vom Hauptbaukörper stärker abgehobenen Eckrisalit mit besonderer Dachform nennt man auch Pavillon.[4]

Drei Arten von Risaliten: links Mittelrisalit, Mitte zwei Seitenrisalite, rechts zwei Eckrisalite (Schemazeichnungen der Baukörper ohne Dächer)

Im Gegensatz zum vortretenden Risalit wird die „Rücklage“ der Fassadenfront als Arrierecorps (Arrière-corps, französisch arrière corps: „hinter dem Baukörper“) bezeichnet.

Risalite als Mittel zur Fassadengliederung sind in der mittelalterlichen Baukunst nur selten; ein Beispiel ist die um 1320/30 entstandene Nordfassade des Marburger Schlosses.[3] Risalite sind ein vor allem in der Architektur der Renaissance und des Barock (sowie des entsprechenden Historismus) verbreitetes Gestaltungsmerkmal.[4]

Historische Beschreibungen

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In Zedlers Grossem vollständigen Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste (Band 50, 1747) wird der Zweck von einem „Vorsprung (Riselita)“ als Fassadengliederung mit einem Gesims verglichen und so begründet: „Wie man denn einen dergleichen Vorsprung an den Häusern anzubringen pflegt. Denn weil unsere Augen einer Sache gar leicht überdrüßig werden; muß man auf allerhand Veränderungen und Zierrathen bedacht seyn. Damit nun also dergleichen Veränderungen desto besser in die Augen fallen, pfleget man diejenigen Theile des Hauses, wo sie am meisten angebracht sind, vor den andern etwas heraus zurücken.“[5]

Krünitz’ Ökonomisch-technologischer Encyklopädie (Band 125, 1818) beschreibt unter dem Lemma „Risalio, Risalit“: „ein Theil eines Gebäudes, der durch alle Stockwerke durchgeht, etwas vor den übrigen Theilen des Gebäudes heraustritt, und gewöhnlich mit einem Fronton oder niedrigem italienischem Dache bedeckt wird.“[6]

Ein nicht durch alle Geschosse reichender vor die Fassade vorgezogener Baukörper heißt Vorbau (auch Erker, Auslucht, Söller). Weit vortretende Baukörper nennt man Flügel.[4]

  • Wilfried Koch: Baustilkunde. Das Standardwerk zur europäischen Baukunst von der Antike bis zur Gegenwart. 32. Auflage. Prestel, München u. a. 2014, ISBN 978-3-7913-4997-8, S. 479.
  • Risalit. In: Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar. 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X, S. 394 f. (= Kröners Taschenausgabe, Band 194); moodle.unifr.ch (PDF; 15 MB) abgerufen am 2. Februar 2024.
  • Johann Friedrich Penther: Ausführliche Anleitung zur bürgerlichen Bau-Kunst (Band 1): Enthaltend ein Lexicon Architectonicum oder Erklärungen der üblichsten Deutschen, Französischen, Italiänischen Kunst-Wörter der Bürgerlichen Bau-Kunst (…). Johann Andreas Pfeffel, Augspurg 1744, S. 133: Risalit. (Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 15. Februar 2024)
Wiktionary: Risalit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Avant-corps – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Avantcorps. In: Herders Conversations-Lexikon. 1. Auflage. Band 1. Herder, Freiburg im Breisgau 1854, S. 354 (Digitalisat. zeno.org).
  2. Avant-corps. In: Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon. 5. Auflage. Band 1. Brockhaus, Leipzig 1911, S. 131 (Digitalisat. zeno.org).
  3. a b Paul-Henry Boerlin, Erik Forssman, Ingrid Haug, Erich Kubach, Wolfgang Prohaska: Fassade. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Band VII, 1978, S. 536–690 (rdklabor.de [abgerufen am 15. Februar 2024]).
  4. a b c d Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar. 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (= Kröners Taschenausgabe, Band 194); Digitalisat auf moodle.unifr.ch (PDF; 15 MB; abgerufen am 2. Februar 2024), S. 394 f.
  5. Vorsprung (Riselita). In: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 50, Leipzig 1746, Sp. 1243.
  6. Risalio. In: Johann Georg Krünitz: Ökonomisch-technologische Encyklopädie (…). Band 125. 1818; kruenitz.uni-trier.de