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„Trofim Denissowitsch Lyssenko“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Trofim Lysenko portrait.jpg|mini|Trofim Denissowitsch Lyssenko]]
'''Trofim Denissowitsch Lyssenko''' (russisch ''Трофим Денисович Лысенко'') (* 17.?/[[29. September]] [[1898]]; † [[20. November]] [[1976]] in [[Kiew]]) war ein [[Ukraine|ukrainischer]] [[Biologe]].
'''Trofim Denissowitsch Lyssenko''' ({{ruS|Трофим Денисович Лысенко}}, wiss. [[Transliteration]] ''{{lang|ru-Latn|Trofim Denisovič Lysenko}}''; * {{JULGREGDATUM|29|9|1898|Link=1}} in [[Karliwka|Karlowka]], [[Gouvernement Poltawa]], [[Russisches Kaiserreich]]; † [[20. November]] [[1976]] in [[Moskau]], [[RSFSR]], [[Sowjetunion]]) war ein [[Sowjetunion|sowjetischer]] [[Agrarwissenschaften|Agrarwissenschaftler]], der unter [[Josef Stalin]] großen politischen Einfluss erlangte. Seine Theorie des [[Lyssenkoismus]], nach der die Eigenschaften von Kulturpflanzen und anderen Organismen nicht durch [[Gen]]e, sondern ausschließlich durch Umweltbedingungen bestimmt werden, war wissenschaftlich unhaltbar und widersprach den zu Lyssenkos Zeiten bekannten Grundlagen der [[Genetik]]. Einige seiner Forschungsergebnisse wurden als [[Betrug und Fälschung in der Wissenschaft|Fälschungen]] entlarvt.


Weil Lyssenko die persönliche Unterstützung Josef Stalins genoss, wagte es kaum ein Genetiker im sowjetischen Machtbereich, den Theorien Lyssenkos offen zu widersprechen. Wissenschaftler, die dies taten, wie zum Beispiel [[Nikolai Iwanowitsch Wawilow|Nikolai Wawilow]], wurden als Dissidenten verfolgt. Die Anwendung der Konzepte Lyssenkos in der sowjetischen Landwirtschaft führte zu [[Missernte]]n und zur Verschärfung von Hungersnöten. Die Misserfolge wurden durch das stalinistische Regime als „durch Sabotage verursacht“ erklärt und mit einer Verschärfung der politischen Repression und des Terrors beantwortet.
== Lyssenkos Werk ==
Lyssenko war zur Regierungszeit von [[Josef Stalin]] der führende Biologe der [[UdSSR]]. Er vertrat – frei nach [[Lamarck]] – die Ansicht, dass erworbene Eigenschaften vererbt würden und negierte die Existenz von Genen als [[Sozialismus|unsozialistisch]] und deshalb falsch. Seine Theorien prüfte er in groß angelegten Landwirtschaftsprojekten. So pflanzte er [[Weizen]] unter ungünstigen klimatischen Bedingungen und fand daraufhin im nächsten Jahr [[Roggen]]pflanzen auf dem Feld. Tatsächlich hatten sich Roggenpflanzen von benachbarten Feldern ausgesät. Lyssenko interpretierte dagegen solche Ergebnisse als Beleg für seine Thesen.


Aus heutiger Sicht wird der Einfluss Lyssenkos auf die Entwicklung der sowjetischen Genetik als katastrophal beurteilt. Der [[Lyssenkoismus]] hat die Entwicklung der Genetik in der Sowjetunion und den von ihr abhängigen Staaten um Jahrzehnte zurückgehalten.<ref>{{Internetquelle |autor=Maggie Koerth-Baker |url=https://www.technologyreview.com/s/600758/when-biology-meets-ideology/ |titel=MIT Technological Review: ''When Biology Meets Ideology.'' |datum=2016-02-23 |abruf=2019-08-18 |sprache=en}}</ref><ref>Semyon Reznik und Victor Fet: ''The destructive role of Trofim Lysenko in Russian Science.'' In: ''European Journal of Human Genetics.'' Band 27, 2019, S. 1324–1325, [[doi:10.1038/s41431-019-0422-5]]</ref>
Wesentliche Thesen Lyssenkos, z. B. in seinem Hauptreferat auf der Tagung der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der UdSSR im August [[1948]] in Moskau vorgetragen, waren:
#Die Vererbung ist eine Eigenschaft des gesamten Organismus. Es existieren keine diskreten Erbanlagen oder Gene.
#Durch veränderte Umwelt- und Lebensbedingungen können erbliche Veränderungen induziert werden. Der Charakter der Veränderungen ist dem Charakter der induzierenden Bedingungen adäquat.
#In der Auseinandersetzung mit den Umweltbedingungen erworbene Eigenschaften werden vererbt.
#Bei Pflanzen können gezielte Veränderungen durch Pfropfung im Prozess der vegetativen Hybridisation induziert werden; es existiert kein prinzipieller Unterschied zur sexuellen Hybridisation.
#Durch Aufzucht von Winterformen ohne Kälteschock können bei Getreide erbliche Sommerformen erzielt werden.
#Kulturpflanzenarten wie Weizen und Roggen lassen sich durch geeignete Umweltbedingungen ineinander umwandeln.


== Biografie ==
Durch gute Beziehungen zum sowjetischen Geheimdienst [[NKWD]] gelang es ihm, Kritiker mundtot zu machen. Insbesondere nach seiner Ernennung zum Präsidenten der [[Akademie für Landwirtschaftswissenschaften]] (AdL) der Sowjetunion im Jahre [[1938]] ließ er andere Biologen, vor allem Genetiker, politisch verfolgen und in den Archipel [[Gulag]] bringen. Nicht zuletzt war Lyssenko verantwortlich für den Tod des bedeutenden Biologen und Gründers der Akademie, [[Nikolai Iwanowitsch Wawilow]], im Jahre [[1943]].
Lyssenko stammte aus einer bäuerlichen Familie. Zunächst besuchte er eine Gartenbauschule. 1925 wurde er am landwirtschaftlichen Institut der [[Nationale Taras-Schewtschenko-Universität Kiew|Universität Kiew]] als Agronom graduiert. Danach arbeitete er in einer Selektionsstation in [[Aserbaidschan]]. 1929 ging er an das Allunions-Institut für Genetik und Saatzucht in [[Odessa]], das er von 1934 bis 1939 leitete. Bekannt wurde Lyssenko durch die von ihm propagierte [[Vernalisation]], die allerdings in den USA schon seit 1857 bekannt war. Dort war diese Methode der Kältebehandlung von Winterweizen allerdings wieder verlassen worden, weil die Erfolge sehr zweifelhaft waren. Lyssenko führte auf einem Feld seines Vaters einen sehr publikumswirksamen Versuch durch und meldete eine hohe Steigerung des Ertrages. Dieser eine Versuch genügte den sowjetischen Landwirtschaftspolitikern, um die Vernalisation landesweit einzuführen. Ab 1940 leitete Lyssenko das Institut für Genetik der [[Russische Akademie der Wissenschaften|Akademie der Wissenschaften der Sowjetunion]]. Diese Ernennung war eigentlich absurd, denn Lyssenko leugnete ja öffentlich die Bedeutung der Genetik. In seiner neuen sehr einflussreichen Position führte er die Vernalisation auch für Knollen und Stecklinge ein. Die Misserfolge dieser Anbaumethode verschleierte er oder schob sie anderen in die Schuhe. Kritiker bezeichnete er als Saboteure und Klassenfeinde. Eines seiner bekanntesten Opfer war der Genetiker [[Nikolai Iwanowitsch Wawilow|Nikolai Wawilow]]. Er wurde auf Betreiben Lyssenkos verhaftet und als englischer Spion zum Tode verurteilt. Die Todesstrafe wurde zwar in 10 Jahre Haft umgewandelt, aber Wawilow verstarb 1943 in einem Lager an Unterernährung.<ref>[[Heinrich Zankl]]: ''Politik ist Trumpf - Die "Wissenschaft" des Dr. Lyssenko.'' In: ''Fälscher, Schwindler, Scharlatane - Betrug in Forschung und Wissenschaft.'' Wiley-VCH, Weinheim 2003, S. 67–71, ISBN 978-3-527-30710-4.</ref><ref>[[Albrecht Fölsing]]: ''Forschung auf Befehl.'' In: ''Der Mogelfaktor''. Rasch und Röhring, Hamburg 1984, S. 162–167, ISBN 978-3-89136-007-1.</ref> Als treuer Parteianhänger (er war niemals Mitglied der [[Kommunistische Partei der Sowjetunion|KPdSU]]) versprach Lyssenko immer wieder, ertragreiche Nutzpflanzen-Sorten zu züchten und alle Ernährungsprobleme zu lösen. 1936 wurde er von Josef Stalin mit dem [[Leninorden|Lenin-Orden]] ausgezeichnet, den er später noch sechsmal erhielt. Bis in die Endphase der Ära [[Nikita Sergejewitsch Chruschtschow|Chruschtschow]] hatte er bedeutenden Einfluss in Partei und Wissenschaft. Er war Mitglied der [[Nationale Akademie der Wissenschaften der Ukraine|Akademie der Wissenschaften]] der [[Ukrainische SSR|Ukrainischen SSR]].<ref>{{Internetquelle |url=https://www.nas.gov.ua/UA/PersonalSite/Pages/default.aspx?PersonID=0000007628 |titel=Mitglieder: Lyssenko, Trofim Denissowitsch |hrsg=Nationale Akademie der Wissenschaften der Ukraine |abruf=2021-05-07 |sprache=uk}}</ref>


1948 organisierte er die berüchtigte Augustsitzung der [[Sowjetische Akademie für Landwirtschaftswissenschaften|Sowjetischen Akademie für Landwirtschaftswissenschaften]] namens Lenin (Всесоюзная академия сельскохозяйственных наук имени В. И. Ленина [ВАСХНИЛ]; WASChNIL). Seine Geleitrede „Über die Situation der Biologie“, unterstützt von Stalin, führte zu einem totalen Bann sog. pseudowissenschaftlicher Theorien der Genetik. Damit wurden die Lehren [[Gregor Mendel]]s, [[August Weismann]]s und [[Thomas Hunt Morgan]]s und damit die moderne [[Genetik]] an sich in der Sowjetunion verworfen. Bis in die 1960er Jahre hielt man am [[Lyssenkoismus]] fest. Dies hatte auch intensiven gesellschaftspolitischen Einfluss und katastrophale Folgen für die Landwirtschaft in der Sowjetunion und weiteren Ländern des [[Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe|RGW]].
Lyssenko verstand es, sich durch gute Beziehungen innerhalb der [[KPdSU]] und zu Stalin persönlich erhebliche Ressourcen zu verschaffen. Auf seine Anweisung hin wurden erhebliche Flächen mit Weizen bepflanzt, die dafür klimatisch nicht geeignet waren. Die dadurch hervorgerufenen Missernten verschärften die schlechte Ernährungslage der russischen Bevölkerung deutlich. Zugleich warf seine Verdammung der Genetik die Pflanzenzucht in Russland weit zurück.


Im März 1953 wurde er von [[Nikita Sergejewitsch Chruschtschow|Nikita Chruschtschow]] persönlich kritisiert. Mitte April 1956 wurde er als Präsident der [[Sowjetische Akademie für Landwirtschaftswissenschaften|Lenin-Akademie für landwirtschaftliche Forschung]] durch [[Pawel Pawlowitsch Lobanow|Pawel Lobanow]] ersetzt, blieb jedoch landwirtschaftlicher Berater Chruschtschows. Erst nach dem Sturz von Chruschtschow wurde eine Versuchsfarm überprüft, auf der Lyssenko eine neue Methode zur Erhöhung des Milchfettgehalts eingeführt hatte. Es zeigte sich, dass die publizierten Resultate völlig verfälscht waren.<ref>Alexander Kohn: ''Lysenko-Science and Politics.'' In: ''False Prophets - Fraud and Error in Science and Medicine.'' Basil-Blackwell, Oxford 1986, S. 63–74, ISBN 978-0-631-16237-7 (englisch).</ref>
Das Resultat: Hungersnöte brachen über die gesamte Sowjetunion herein. Die sowjetischen biologischen Wissenschaften brachen zusammen. Bis heute haben diese sich nicht gänzlich vom [[Lysenkoismus]] erholt. Er hat die Menschenrechte mit Füßen getreten, so dass er im Standardwerk [[Schwarzbuch des Kommunismus]] gleich viermal erwähnt wird.


1962 wurden seine wissenschaftlichen Fehlinterpretationen und Fälschungen sowie seine Politik der politischen Ausgrenzung wissenschaftlicher Kritiker durch prominente Naturwissenschaftler, darunter [[Jakow Seldowitsch]], [[Witali Lasarewitsch Ginsburg|Witali Ginsburg]], [[Andrei Sacharow]] und [[Pjotr Leonidowitsch Kapiza|Pjotr Kapiza]], offengelegt. Lyssenko wurde daraufhin von Chruschtschow entlassen.
== Biografie ==
Lyssenko stammte aus einer bäuerlichen Familie in Karlowka in der [[Ukraine]]. [[1925]] wurde er am landwirtschaftlichen Institut der Universität [[Kiew]] graduiert.


== Lyssenkos Werk ==
In den [[30er]] Jahre übernahm er die Institute für Genetik in der Sowjetunion. Als treuer Parteianhänger versprach er, ertragreiche Sorten zu züchten und alle Ernährungsprobleme zu lösen. [[1936]] wurde er von Josef Stalin mit dem [[Lenin-Orden]] ausgezeichnet. Bis zum Tod Stalins [[1953]] war sein Einfluss in Partei und Wissenschaft ungebrochen.
{{Hauptartikel|Lyssenkoismus}}
Lyssenko war unter [[Josef Stalin]] der führende Biologe der UdSSR. Er vertrat wie [[Jean-Baptiste de Lamarck]] und die [[Neolamarckismus|Neolamarckisten]] die Ansicht, dass erworbene Eigenschaften vererbt würden, und negierte die Existenz von [[Gen]]en als [[Sozialismus|unsozialistisch]] und deshalb falsch. Die Entstehung neuer Arten erfolge daher nicht durch [[Mutation]] und [[Selektion (Evolution)|Selektion]] ([[Synthetische Evolutionstheorie]]), sondern durch Einflüsse der Umwelt. Seine Theorien prüfte er in groß angelegten Landwirtschaftsprojekten. So säte er [[Weizen]] unter ungünstigen klimatischen Bedingungen und fand daraufhin im nächsten Jahr [[Roggen]]pflanzen auf dem Feld. Tatsächlich hatten sich Roggenpflanzen von benachbarten Feldern ausgesät. Lyssenko interpretierte dagegen solche Ergebnisse als Beleg für seine Thesen. Mit der Einführung der künstlichen [[Jarowisation]] von Weizensaatgut wollte er die nach der [[Zwangskollektivierung in der Sowjetunion|Zwangskollektivierung]] verbreiteten [[Missernte]]n in der Ukraine und Russland verhindern. Die von ihm prognostizierten Ertragssteigerungen erwiesen sich bald als unhaltbar.


Wesentliche Thesen Lyssenkos, z.&nbsp;B. in seinem Hauptreferat auf der Tagung der Leninakademie der Landwirtschaftswissenschaften der UdSSR im August 1948 in Moskau vorgetragen, waren:
[[1948]] organisierte er die berüchtigte Augustsitzung der Akademie für Agrarwissenschaften. Eine Periode erzwungenen Gehorsams gegenüber obskuren und primitiven Dogmen in allen Bereichen der Biologie begann.
# Die Vererbung ist eine Eigenschaft des gesamten Organismus. Es existieren keine diskreten Erbanlagen oder Gene.
# Durch veränderte Umwelt- und Lebensbedingungen können erbliche Veränderungen induziert werden. Der Charakter der Veränderungen ist dem Charakter der induzierenden Bedingungen adäquat.
# In der Auseinandersetzung mit den Umweltbedingungen erworbene Eigenschaften werden vererbt.
# Bei Pflanzen können gezielte Veränderungen durch [[Pfropfen (Pflanzen)|Pfropfung]] im Prozess der vegetativen Hybridisation induziert werden; es existiert kein prinzipieller Unterschied zur sexuellen Hybridisation.
# Durch Aufzucht von Winterformen ohne Kälteschock können bei Getreide erbliche Sommerformen erzielt werden.
# Kulturpflanzenarten wie Weizen und Roggen lassen sich durch geeignete Umweltbedingungen ineinander umwandeln.


Durch gute Beziehungen zum sowjetischen Geheimdienst [[Innenministerium der UdSSR|NKWD]] gelang es ihm, Kritiker mundtot zu machen. Insbesondere nach seiner Ernennung zum Präsidenten der Sowjetischen Akademie für Landwirtschaftswissenschaften der Sowjetunion im Jahre 1938 ließ er andere Biologen, vor allem Genetiker, politisch verfolgen und in [[Gulag|Straflager]] bringen. So war Lyssenko mitverantwortlich für den Tod des bedeutenden Biologen und Gründers der Akademie, [[Nikolai Iwanowitsch Wawilow|Nikolai Wawilow]], im Jahre 1943.
Im März 1953 wurde er von [[Nikita Chruschtschow]] persönlich kritisiert. [[1954]] wurde Lyssenko als Präsident der Akademie abgelöst, blieb jedoch landwirtschaftlicher Berater Chruschtschows.


Lyssenko verstand es, sich durch gute Beziehungen innerhalb der Partei und zu Stalin persönlich erhebliche Ressourcen zu verschaffen. Auf seine Anweisung hin wurden erhebliche Flächen mit Weizen bepflanzt, die dafür klimatisch nicht geeignet waren. Die dadurch hervorgerufenen Missernten verschärften die ohnehin schlechte Ernährungslage der Sowjetbürger deutlich, es kam zu Hungersnöten. Ebenso in der [[Volksrepublik China]], nachdem [[Mao Zedong]] für den [[Großer Sprung nach vorn|Großen Sprung nach vorn]] den chinesischen Bauern die Anwendung der Methoden Lyssenkos befahl. In der Landwirtschaft der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] kam es aufgrund der couragierten Tätigkeit [[Hans Stubbe]]s bis auf einige Lippenbekenntnisse in Schulbüchern zu keiner praktischen Anwendung der Thesen Lyssenkos.
[[1962]] wurden seine wissenschaftlichen Fehler und Fälschungen sowie seine Politik der politischen Ausgrenzung wissenschaftlicher Kritiker durch prominente Naturwissenschaftler, darunter [[Jakow Borisowitsch Zeldowitsch]], [[Witali Ginzburg]] und [[Pjotr Kapiza]], offengelegt. Lysenko wurde daraufhin von Chruschtschow entlassen.


Die biologischen Wissenschaften der Sowjetunion wurden nachhaltig geschädigt, so dass der Begriff [[Lyssenkoismus]] fortan als Schlagwort für [[Scharlatan]]erie und die Unterordnung wissenschaftlicher Erkenntnis unter die Wunschvorstellungen der Politik gebraucht wurde.
==Siehe auch==
*[[Evolutionstheorie]]
*[[Charles Darwin]]
*[[Paul Kammerer]]
*[[Gregor Mendel]]
*[[Iwan Wladimirowitsch Mitschurin]]


== Ehrungen ==
== Weiterführende Literatur==
Lyssenko erhielt:<ref>{{Internetquelle |url=http://www.warheroes.ru/hero/hero.asp?Hero_id=9475 |titel=Biografie Lysenko auf Seite "War Heroes" |abruf=2020-12-19 |sprache=ru}}</ref>
*Shores A. Medwedjew: "Der Fall Lyssenko. Eine Wissenschaft kapituliert" Hamburg, 1971 (Original: The Rise and Fall of T.D.Lysenko. N.Y./London 1969) ''Sehr gute Einführung in alle Aspekte des "Falls" Lyssenko''
* [[Leninorden]] (1935, Juni 1945, September 1945, 1948, 1949, 1953, 1958, 1961)
* [[Stalinpreis]] (1941, 1943, 1949)
* [[Held der sozialistischen Arbeit]] (1945)
* [[Ilja Iljitsch Metschnikow|I. I. Metschnikow]]-Goldmedaille der AN-SSSR (1950)
* [[Medaille „Für heldenmütige Arbeit“]] (1959)

== Werke ==
* ''Die Lage in der biologischen Wissenschaft. Tagung der Lenin-Akademie der landwirtschaftlichen Wissenschaften der UdSSR. 31. Juli – 7. August 1948.'' Stenographischer Bericht. Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau 1949 (darin das gleichnamige Referat Lyssenkos: S. 9–59).

== Siehe auch ==
* [[Paul Kammerer]]
* [[Iwan Wladimirowitsch Mitschurin]]
* [[Wissenschaft und Technik in der Sowjetunion]]

== Literatur ==
* Alexander Popowski: ''Gesetze des Lebens. Roman einer Wissenschaft.'' Aufbau, Berlin 1946.
* [[Schores Alexandrowitsch Medwedew]]: ''Der Fall Lyssenko. Eine Wissenschaft kapituliert.'' Hamburg 1971 (Original: ''The Rise and Fall of T.D.Lysenko''. New York/London 1969) ''Sehr gute Einführung in alle Aspekte des „Falls“ Lyssenko''.
* Dominique Lecourt: ''Proletarische Wissenschaft? Der Fall Lyssenko und der Lyssenkismus.'' VSA, Westberlin 1976.
* Johann-Peter Regelmann: ''Die Geschichte des Lyssenkoismus.'' Frankfurt (Main) 1980.
* belletristische Verarbeitung in: [[Wladimir Dmitrijewitsch Dudinzew|Dudinzew, Wladimir]]: ''[[Weiße Gewänder]]. Roman.'' Volk und Welt, Berlin 1990, Übers. Erich Ahrndt und Ingeborg Schröder ISBN 3-353-00508-0 (russ. Белые одежды).
* Ekkehard Höxtermann: ''„Klassenbiologen“ und „Formalgenetiker“ – Zur Rezeption Lyssenkows unter den Biologen der DDR.'' In: ''Acta Historica Leopoldina'', Bd. 36, 2000, S. 273–300.
* Nils Roll-Hansen: ''The Lysenko Effect: The Politics of Science.'' Humanity Books, 2005 (englisch).
* [[Martin Gardner]]: ''Fads and Fallacies in the Name of Science''. Dover Publications, New York 1957, Neuauflage 2000, Kapitel 12 (Lysenkoism).
* [[Loren Graham]]: ''Lysenko’s Ghost: Epigenetics and Russia.'' Harvard University Press, Cambridge 2016, ISBN 978-0-674-08905-1.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Trofim Lysenko|Trofim Lyssenko}}
*Einige Bemerkungen zu wissenschaftspolitischen Aspekten genetischer Forschungen der fünfziger Jahre in der DDR im Zusammenhang mit der Lyssenko-Problematik [http://www.lomonossow.de/1999_03/ddr_3_99.htm]
* {{DNB-Portal|118575597}}
* "Lysenko came to believe that the crucial factor in determining the length of the vegetation period in a plant was not its genetic constitution, but its interaction with its environment." [http://www.comms.dcu.ie/sheehanh/lysenko.htm]
* {{Internetquelle |autor=[[Helmut Böhme (Agrarwissenschaftler)|Helmut Böhme]] |url=http://www.lomonossow.de/1999_03/ddr_3_99.htm |titel=Einige Bemerkungen zu wissenschaftspolitischen Aspekten genetischer Forschungen der fünfziger Jahre in der DDR im Zusammenhang mit der Lyssenko-Problematik |werk=Lomonossov |hrsg=3/1999 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20020317191551/http://www.lomonossow.de/1999_03/ddr_3_99.htm |archiv-datum=2002-03-17 |abruf=2021-01-10 |offline=1 |abruf-verborgen=1}}
* "Under Lysenko's guidance, science was guided not by the most likely theories, backed by appropriately controlled experiments, but by the desired ideology." [http://skepdic.com/lysenko.html]
* {{Internetquelle |autor=[[Uwe Hoßfeld]] |url=http://www.lomonossow.de/1999_03/uwe_3_99.htm |titel=Im Spannungsfeld von ‚Deutscher Biologie‘, Lyssenkoismus und evolutions-ideologischer Axolotl-Forschung |werk=Lomonossov |hrsg=3/1999 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20020321180646/http://www.lomonossow.de/1999_03/uwe_3_99.htm |archiv-datum=2002-03-21 |abruf=2021-01-10 |offline=1 |abruf-verborgen=1}}
* http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/6/0,1872,2134502,00.html
* {{Internetquelle |autor=Helena Sheehan |url=http://webpages.dcu.ie/~sheehanh/lysenko.htm |titel=Who was Lysenko? What was Lysenkoism? |werk=Marxism and the Philosophy of Science: A Critical History |hrsg=Humanities Press International, Atlantic Highlands (New Jersey), ISBN 0-391-02998-3 |datum=1985 |seiten=217–228 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20081220013822/http://webpages.dcu.ie/~sheehanh/lysenko.htm |archiv-datum=2008-12-20 |abruf=2021-01-10 |sprache=en |kommentar=wiedergegeben auf [[Dublin City University|dcu.ie]] |offline=1 |abruf-verborgen=1}}
* {{Internetquelle |autor=[[Robert Todd Carroll]] |url=http://skepdic.com/lysenko.html |titel=Lysenkoism |werk=The Skeptic’s Dictionary |datum=2015-11-07 |abruf=2021-01-10 |sprache=en |abruf-verborgen=1}}
* {{Internetquelle |autor=Michael Lange |url=https://www.deutschlandfunk.de/pflanzen-zuechten-mit-epigenetik-lyssenkos-geist.740.de.html?dram:article_id=490236 |titel=Pflanzen züchten mit Epigenetik – Lyssenkos Geist |werk=[[Deutschlandfunk]]-Sendung „[[Wissenschaft im Brennpunkt]]“ |datum=2021-01-10 |abruf=2021-01-10 |kommentar=auch als [https://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2021/01/10/lyssenkos_geist_pflanzen_zuechten_mit_epigenetik_dlf_20210110_1630_5aa3be4b.mp3 mp3-Audio;] 28,3&nbsp;MB; 30:56&nbsp;Minuten |abruf-verborgen=1}}

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Normdaten|TYP=p|GND=118575597|LCCN=n50043097|VIAF=30328897}}


[[Kategorie:Biologe|Lyssenko, Trofim Denissowitsch]]
{{SORTIERUNG:Lyssenko, Trofim Denissowitsch}}
[[Kategorie:Mann|Lyssenko, Trofim Denissowitsch]]
[[Kategorie:Botaniker (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Ukrainer|Lyssenko, Trofim Denissowitsch]]
[[Kategorie:Agrarwissenschaftler (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Pflanzenzüchter]]
[[Kategorie:Träger des Leninordens]]
[[Kategorie:Held der sozialistischen Arbeit]]
[[Kategorie:Träger des Stalinpreises]]
[[Kategorie:Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften]]
[[Kategorie:Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine]]
[[Kategorie:Absolvent der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität Kiew]]
[[Kategorie:Wissenschaftliche Fälschung]]
[[Kategorie:Sowjetbürger]]
[[Kategorie:Geboren 1898]]
[[Kategorie:Gestorben 1976]]
[[Kategorie:Mann]]
[[Kategorie:Ukrainer]]


{{Personendaten
[[en:Trofim Lysenko]]
|NAME=Lyssenko, Trofim Denissowitsch
[[fr:Trofim Denissovitch Lyssenko]]
|ALTERNATIVNAMEN=Трофим Денисович Лысенко
[[sv:Trofim Lysenko]]
|KURZBESCHREIBUNG=sowjetischer Biologe
[[zh:李森科]]
|GEBURTSDATUM=29. September 1898
|GEBURTSORT=[[Karliwka]]
|STERBEDATUM=20. November 1976
|STERBEORT=[[Moskau]]
}}

Aktuelle Version vom 5. Dezember 2024, 19:50 Uhr

Trofim Denissowitsch Lyssenko

Trofim Denissowitsch Lyssenko (russisch Трофим Денисович Лысенко, wiss. Transliteration Trofim Denisovič Lysenko; * 17. Septemberjul. / 29. September 1898greg. in Karlowka, Gouvernement Poltawa, Russisches Kaiserreich; † 20. November 1976 in Moskau, RSFSR, Sowjetunion) war ein sowjetischer Agrarwissenschaftler, der unter Josef Stalin großen politischen Einfluss erlangte. Seine Theorie des Lyssenkoismus, nach der die Eigenschaften von Kulturpflanzen und anderen Organismen nicht durch Gene, sondern ausschließlich durch Umweltbedingungen bestimmt werden, war wissenschaftlich unhaltbar und widersprach den zu Lyssenkos Zeiten bekannten Grundlagen der Genetik. Einige seiner Forschungsergebnisse wurden als Fälschungen entlarvt.

Weil Lyssenko die persönliche Unterstützung Josef Stalins genoss, wagte es kaum ein Genetiker im sowjetischen Machtbereich, den Theorien Lyssenkos offen zu widersprechen. Wissenschaftler, die dies taten, wie zum Beispiel Nikolai Wawilow, wurden als Dissidenten verfolgt. Die Anwendung der Konzepte Lyssenkos in der sowjetischen Landwirtschaft führte zu Missernten und zur Verschärfung von Hungersnöten. Die Misserfolge wurden durch das stalinistische Regime als „durch Sabotage verursacht“ erklärt und mit einer Verschärfung der politischen Repression und des Terrors beantwortet.

Aus heutiger Sicht wird der Einfluss Lyssenkos auf die Entwicklung der sowjetischen Genetik als katastrophal beurteilt. Der Lyssenkoismus hat die Entwicklung der Genetik in der Sowjetunion und den von ihr abhängigen Staaten um Jahrzehnte zurückgehalten.[1][2]

Lyssenko stammte aus einer bäuerlichen Familie. Zunächst besuchte er eine Gartenbauschule. 1925 wurde er am landwirtschaftlichen Institut der Universität Kiew als Agronom graduiert. Danach arbeitete er in einer Selektionsstation in Aserbaidschan. 1929 ging er an das Allunions-Institut für Genetik und Saatzucht in Odessa, das er von 1934 bis 1939 leitete. Bekannt wurde Lyssenko durch die von ihm propagierte Vernalisation, die allerdings in den USA schon seit 1857 bekannt war. Dort war diese Methode der Kältebehandlung von Winterweizen allerdings wieder verlassen worden, weil die Erfolge sehr zweifelhaft waren. Lyssenko führte auf einem Feld seines Vaters einen sehr publikumswirksamen Versuch durch und meldete eine hohe Steigerung des Ertrages. Dieser eine Versuch genügte den sowjetischen Landwirtschaftspolitikern, um die Vernalisation landesweit einzuführen. Ab 1940 leitete Lyssenko das Institut für Genetik der Akademie der Wissenschaften der Sowjetunion. Diese Ernennung war eigentlich absurd, denn Lyssenko leugnete ja öffentlich die Bedeutung der Genetik. In seiner neuen sehr einflussreichen Position führte er die Vernalisation auch für Knollen und Stecklinge ein. Die Misserfolge dieser Anbaumethode verschleierte er oder schob sie anderen in die Schuhe. Kritiker bezeichnete er als Saboteure und Klassenfeinde. Eines seiner bekanntesten Opfer war der Genetiker Nikolai Wawilow. Er wurde auf Betreiben Lyssenkos verhaftet und als englischer Spion zum Tode verurteilt. Die Todesstrafe wurde zwar in 10 Jahre Haft umgewandelt, aber Wawilow verstarb 1943 in einem Lager an Unterernährung.[3][4] Als treuer Parteianhänger (er war niemals Mitglied der KPdSU) versprach Lyssenko immer wieder, ertragreiche Nutzpflanzen-Sorten zu züchten und alle Ernährungsprobleme zu lösen. 1936 wurde er von Josef Stalin mit dem Lenin-Orden ausgezeichnet, den er später noch sechsmal erhielt. Bis in die Endphase der Ära Chruschtschow hatte er bedeutenden Einfluss in Partei und Wissenschaft. Er war Mitglied der Akademie der Wissenschaften der Ukrainischen SSR.[5]

1948 organisierte er die berüchtigte Augustsitzung der Sowjetischen Akademie für Landwirtschaftswissenschaften namens Lenin (Всесоюзная академия сельскохозяйственных наук имени В. И. Ленина [ВАСХНИЛ]; WASChNIL). Seine Geleitrede „Über die Situation der Biologie“, unterstützt von Stalin, führte zu einem totalen Bann sog. pseudowissenschaftlicher Theorien der Genetik. Damit wurden die Lehren Gregor Mendels, August Weismanns und Thomas Hunt Morgans und damit die moderne Genetik an sich in der Sowjetunion verworfen. Bis in die 1960er Jahre hielt man am Lyssenkoismus fest. Dies hatte auch intensiven gesellschaftspolitischen Einfluss und katastrophale Folgen für die Landwirtschaft in der Sowjetunion und weiteren Ländern des RGW.

Im März 1953 wurde er von Nikita Chruschtschow persönlich kritisiert. Mitte April 1956 wurde er als Präsident der Lenin-Akademie für landwirtschaftliche Forschung durch Pawel Lobanow ersetzt, blieb jedoch landwirtschaftlicher Berater Chruschtschows. Erst nach dem Sturz von Chruschtschow wurde eine Versuchsfarm überprüft, auf der Lyssenko eine neue Methode zur Erhöhung des Milchfettgehalts eingeführt hatte. Es zeigte sich, dass die publizierten Resultate völlig verfälscht waren.[6]

1962 wurden seine wissenschaftlichen Fehlinterpretationen und Fälschungen sowie seine Politik der politischen Ausgrenzung wissenschaftlicher Kritiker durch prominente Naturwissenschaftler, darunter Jakow Seldowitsch, Witali Ginsburg, Andrei Sacharow und Pjotr Kapiza, offengelegt. Lyssenko wurde daraufhin von Chruschtschow entlassen.

Lyssenko war unter Josef Stalin der führende Biologe der UdSSR. Er vertrat wie Jean-Baptiste de Lamarck und die Neolamarckisten die Ansicht, dass erworbene Eigenschaften vererbt würden, und negierte die Existenz von Genen als unsozialistisch und deshalb falsch. Die Entstehung neuer Arten erfolge daher nicht durch Mutation und Selektion (Synthetische Evolutionstheorie), sondern durch Einflüsse der Umwelt. Seine Theorien prüfte er in groß angelegten Landwirtschaftsprojekten. So säte er Weizen unter ungünstigen klimatischen Bedingungen und fand daraufhin im nächsten Jahr Roggenpflanzen auf dem Feld. Tatsächlich hatten sich Roggenpflanzen von benachbarten Feldern ausgesät. Lyssenko interpretierte dagegen solche Ergebnisse als Beleg für seine Thesen. Mit der Einführung der künstlichen Jarowisation von Weizensaatgut wollte er die nach der Zwangskollektivierung verbreiteten Missernten in der Ukraine und Russland verhindern. Die von ihm prognostizierten Ertragssteigerungen erwiesen sich bald als unhaltbar.

Wesentliche Thesen Lyssenkos, z. B. in seinem Hauptreferat auf der Tagung der Leninakademie der Landwirtschaftswissenschaften der UdSSR im August 1948 in Moskau vorgetragen, waren:

  1. Die Vererbung ist eine Eigenschaft des gesamten Organismus. Es existieren keine diskreten Erbanlagen oder Gene.
  2. Durch veränderte Umwelt- und Lebensbedingungen können erbliche Veränderungen induziert werden. Der Charakter der Veränderungen ist dem Charakter der induzierenden Bedingungen adäquat.
  3. In der Auseinandersetzung mit den Umweltbedingungen erworbene Eigenschaften werden vererbt.
  4. Bei Pflanzen können gezielte Veränderungen durch Pfropfung im Prozess der vegetativen Hybridisation induziert werden; es existiert kein prinzipieller Unterschied zur sexuellen Hybridisation.
  5. Durch Aufzucht von Winterformen ohne Kälteschock können bei Getreide erbliche Sommerformen erzielt werden.
  6. Kulturpflanzenarten wie Weizen und Roggen lassen sich durch geeignete Umweltbedingungen ineinander umwandeln.

Durch gute Beziehungen zum sowjetischen Geheimdienst NKWD gelang es ihm, Kritiker mundtot zu machen. Insbesondere nach seiner Ernennung zum Präsidenten der Sowjetischen Akademie für Landwirtschaftswissenschaften der Sowjetunion im Jahre 1938 ließ er andere Biologen, vor allem Genetiker, politisch verfolgen und in Straflager bringen. So war Lyssenko mitverantwortlich für den Tod des bedeutenden Biologen und Gründers der Akademie, Nikolai Wawilow, im Jahre 1943.

Lyssenko verstand es, sich durch gute Beziehungen innerhalb der Partei und zu Stalin persönlich erhebliche Ressourcen zu verschaffen. Auf seine Anweisung hin wurden erhebliche Flächen mit Weizen bepflanzt, die dafür klimatisch nicht geeignet waren. Die dadurch hervorgerufenen Missernten verschärften die ohnehin schlechte Ernährungslage der Sowjetbürger deutlich, es kam zu Hungersnöten. Ebenso in der Volksrepublik China, nachdem Mao Zedong für den Großen Sprung nach vorn den chinesischen Bauern die Anwendung der Methoden Lyssenkos befahl. In der Landwirtschaft der DDR kam es aufgrund der couragierten Tätigkeit Hans Stubbes bis auf einige Lippenbekenntnisse in Schulbüchern zu keiner praktischen Anwendung der Thesen Lyssenkos.

Die biologischen Wissenschaften der Sowjetunion wurden nachhaltig geschädigt, so dass der Begriff Lyssenkoismus fortan als Schlagwort für Scharlatanerie und die Unterordnung wissenschaftlicher Erkenntnis unter die Wunschvorstellungen der Politik gebraucht wurde.

Lyssenko erhielt:[7]

  • Die Lage in der biologischen Wissenschaft. Tagung der Lenin-Akademie der landwirtschaftlichen Wissenschaften der UdSSR. 31. Juli – 7. August 1948. Stenographischer Bericht. Verlag für fremdsprachige Literatur, Moskau 1949 (darin das gleichnamige Referat Lyssenkos: S. 9–59).
  • Alexander Popowski: Gesetze des Lebens. Roman einer Wissenschaft. Aufbau, Berlin 1946.
  • Schores Alexandrowitsch Medwedew: Der Fall Lyssenko. Eine Wissenschaft kapituliert. Hamburg 1971 (Original: The Rise and Fall of T.D.Lysenko. New York/London 1969) Sehr gute Einführung in alle Aspekte des „Falls“ Lyssenko.
  • Dominique Lecourt: Proletarische Wissenschaft? Der Fall Lyssenko und der Lyssenkismus. VSA, Westberlin 1976.
  • Johann-Peter Regelmann: Die Geschichte des Lyssenkoismus. Frankfurt (Main) 1980.
  • belletristische Verarbeitung in: Dudinzew, Wladimir: Weiße Gewänder. Roman. Volk und Welt, Berlin 1990, Übers. Erich Ahrndt und Ingeborg Schröder ISBN 3-353-00508-0 (russ. Белые одежды).
  • Ekkehard Höxtermann: „Klassenbiologen“ und „Formalgenetiker“ – Zur Rezeption Lyssenkows unter den Biologen der DDR. In: Acta Historica Leopoldina, Bd. 36, 2000, S. 273–300.
  • Nils Roll-Hansen: The Lysenko Effect: The Politics of Science. Humanity Books, 2005 (englisch).
  • Martin Gardner: Fads and Fallacies in the Name of Science. Dover Publications, New York 1957, Neuauflage 2000, Kapitel 12 (Lysenkoism).
  • Loren Graham: Lysenko’s Ghost: Epigenetics and Russia. Harvard University Press, Cambridge 2016, ISBN 978-0-674-08905-1.
Commons: Trofim Lyssenko – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Maggie Koerth-Baker: MIT Technological Review: When Biology Meets Ideology. 23. Februar 2016, abgerufen am 18. August 2019 (englisch).
  2. Semyon Reznik und Victor Fet: The destructive role of Trofim Lysenko in Russian Science. In: European Journal of Human Genetics. Band 27, 2019, S. 1324–1325, doi:10.1038/s41431-019-0422-5
  3. Heinrich Zankl: Politik ist Trumpf - Die "Wissenschaft" des Dr. Lyssenko. In: Fälscher, Schwindler, Scharlatane - Betrug in Forschung und Wissenschaft. Wiley-VCH, Weinheim 2003, S. 67–71, ISBN 978-3-527-30710-4.
  4. Albrecht Fölsing: Forschung auf Befehl. In: Der Mogelfaktor. Rasch und Röhring, Hamburg 1984, S. 162–167, ISBN 978-3-89136-007-1.
  5. Mitglieder: Lyssenko, Trofim Denissowitsch. Nationale Akademie der Wissenschaften der Ukraine, abgerufen am 7. Mai 2021 (ukrainisch).
  6. Alexander Kohn: Lysenko-Science and Politics. In: False Prophets - Fraud and Error in Science and Medicine. Basil-Blackwell, Oxford 1986, S. 63–74, ISBN 978-0-631-16237-7 (englisch).
  7. Biografie Lysenko auf Seite "War Heroes". Abgerufen am 19. Dezember 2020 (russisch).