Zum Inhalt springen

„Gaius Sempronius Gracchus“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Roughneck (Diskussion | Beiträge)
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Markierungen: Visuelle Bearbeitung Mobile Bearbeitung Mobile Web-Bearbeitung
 
(342 dazwischenliegende Versionen von mehr als 100 Benutzern, die nicht angezeigt werden)
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:Eugene Guillaume - the Gracchi.jpg|mini|Das Brüderpaar Gracchus, von [[Eugène Guillaume|Jean-Baptiste Claude Eugène Guillaume]].]]
'''Gaius Sempronius Gracchus''' (* [[153 v. Chr.]] † [[121 v. Chr.]]) war ein [[Römische Republik|römischer]] Politiker des 2. Jahrhunderts vor Christus. Er war der jüngere Bruder von [[Tiberius Gracchus|Tiberius Sempronius Gracchus]] und verfolgte wie dieser ein [[Popularen|populares]] politisches Programm, was schließlich zu seiner Tötung durch konservative Kräfte des [[Römischer Senat|römischen Senats]] führte.
'''Gaius Sempronius Gracchus''' (* [[153 v. Chr.]]; † [[121 v. Chr.]]) war ein [[Römische Republik|römischer]] Politiker. Er war der jüngere Bruder des [[Tiberius Sempronius Gracchus]] und verfolgte wie dieser ein [[Popularen|populares]] [[Gracchische Reform|politisches Programm]], was dazu führte, dass konservative Kräfte des [[Römischer Senat|römischen Senats]] ihn ausschalteten und ein Massaker unter seinen Anhängern verübten.


== Leben ==
Gaius wurde geboren im Jahr 154 v. Chr. als jüngster Sohn des älteren [[Gracchus|Tiberius Sempronius Gracchus]] (der im gleichen Jahr starb) und der [[Cornelia, Mutter der Gracchen|Cornelia Africana]]. Die [[Gracchen]], obwohl nicht [[Patrizier|patrizischer]] Herkunft, waren als Zweig der Familie der [[Sempronier]], die der römischen [[Nobilität]] angehörten, von großem politischen Einfluss. Gaius' Mutter war eine Tochter von [[Publius Cornelius Scipio Africanus Major]] und seine Schwester Sempronia war die Frau von [[Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus]], dem Eroberer von [[Karthago]]. Gaius wurde von seiner Mutter erzogen, einer römischen ''[[Matrona]]'' von hohem moralischem Anspruch.


=== Familie ===
Gaius’ militärische Karriere begann in [[Numantia]] als [[Tribun|Militärtribun]] beim Stab seines Schwagers Scipio Aemilianus. Als junger Mann beobachtete er den politischen Aufruhr, den sein älterer Bruder Tiberius verursachte, als er versuchte, Gesetze für eine Agrarreformen durchzubringen. Tiberius wurde im Jahr [[132 v. Chr.]] in den Nähe des [[Capitol]]s bei einer bewaffneten Auseinandersetzung mit politischen Gegnern, die von ihrem Vetter [[Publius Cornelius Scipio Nasica|Publius Cornelius Scipio Nasica Corculum]] angeführt wurden, getötet. Nach Tiberius’ Tod erbte Gaius das Vermögen der Familie der Gracchen.


Gaius Sempronius Gracchus wurde im Jahr 153 v. Chr. als Sohn des [[Tiberius Sempronius Gracchus (Konsul 177 v. Chr.)|Tiberius Sempronius Gracchus]], [[Konsul]] des Jahres 177 v. Chr., und der [[Cornelia (Mutter der Gracchen)|Cornelia Africana]] geboren. Die [[Gracchus|Gracchen]], obwohl nicht [[Patriziat (Römisches Reich)|patrizischer]] Herkunft, waren als Zweig der Familie der [[Sempronier]], die der römischen [[Nobilität]] angehörten, von großem politischen Einfluss und gehörten zu den reichsten und mächtigsten Familien Roms. Gaius’ Mutter war eine Tochter des [[Publius Cornelius Scipio Africanus|Scipio Africanus]], sein älterer Bruder [[Tiberius Sempronius Gracchus]] wurde zu einem einflussreichen Politiker und seine Schwester [[Sempronia (Schwester der Gracchen)|Sempronia]] war die Frau des [[Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus|Scipio Aemilianus]], des Eroberers von [[Karthago]]. Gaius wurde von seiner Mutter erzogen, einer römischen ''[[Matrona]]'' von hohem moralischem Anspruch.
Er startete seine politische Karriere sechs Jahre später, im Jahr [[126 v. Chr.]], als [[Quaestor]] des [[Konsul]]s [[Lucius Aurelius Orestes]] in [[Sardinien]]. Nach wenigen Jahren des politischen Friedens in Rom, wurde Gaius im Jahr [[123 v. Chr.]] zum [[Volkstribun]] gewählt, so wie jedes männliche Familienmitglied vor ihm – und die Konservativen erwarteten bald Ärger von seiner Seite. Gaius hatte ähnliche Ideale wie Tiberius, hatte aber die Zeit genutzt, um aus den Fehlern seines Bruders zu lernen. Sein Programm (siehe [[Leges Semproniae]]) enthielt nicht nur die Agrargesetze, die verlangten, das Grundbesitz der Reichen an die Armen gegeben werden sollte, sondern auch Bestimmungen zur Regelung des Getreidepreises. Darüber hinaus versuchte er die Anzahl der Jahre und Feldzüge zu begrenzen, die ein Mann verpflichtet war, in der Armee zu dienen. Andere Maßnahmen beinhalteten die Schaffung eines Gerichtshof gegen Erpressungen, um illegale Einkommen von Senatsmitglieder daraus zu bestrafen, sowie die Gewährung des römischen Bürgerrechts an verschiedene italische Stämme, die mit Rom verbündet waren. All dies missfiel erwartungsgemäß dem Senat, der streng darauf achtete, dass die eigenen Privilegien nicht angetastet wurden.


Gaius Gracchus selbst war mit [[Licinia (Gattin des Gaius Gracchus)|Licinia]] verheiratet, der Tochter des reichen Politikers [[Publius Licinius Crassus Dives Mucianus]]. [[Sempronia]], die eine aktive Rolle in der [[Catilinarische Verschwörung|Catilinarischen Verschwörung]] spielte, war vielleicht seine Tochter.<ref>So z. B. {{RE|II A,2|1446||Sempronius 103|[[Friedrich Münzer]]|RE:Sempronius 103}}</ref>
Im Jahr [[122 v. Chr.]] bewarb sich Gaius um eine weitere Amtszeit als Volkstribun – ein außergewöhnliches politisches Vorgehen – und wurde mit der überwältigenden Unterstützung der römischen Unterschicht gewählt. In diesem Jahr arbeitete er weiter an der Umsetzung seiner Reformen, wobei er - vor allem aufgrund der Gründung der Kolonie Iunonia auf dem Boden [[Karthago]]s, und der Forsetzung seine Bemüphungen zum Bürgerrecht - sich der wachsenden Opposition des Senats gegenübersah. Gaius versuchte eine dritte Amtszeit mit [[Marcus Fulvius Flaccus]] als Partner durchzusetzen. Aber dieses Mal verloren sie die Abstimmung und mussten in der Folge zusehen, wie alle ihre Gesetze durch die neuen konservativen Konsuln [[Quintus Fabius Maximus Allobrigicus]] und [[Lucius Opimius]] zurückgezogen wurden. Um den Verlust ihrer gesamten Arbeit zu vermeiden, gingen Gaius und Fulvius Flaccus zu Gewaltmaßnahmen über, was vom Senat dadurch beantwortet wurde, dass er den Notstand ausrief (''senatus consultum ultimum'') und sie zu Feinden der Republik erklärte. Fulvius Flaccus wurde mit seinen Söhnen ermordet, Gaius hingegen gelang es mit Philokrates, seinem Sklaven, zu fliehen. Verfolgt von den Männern der Konservativen Fraktion, beging Gaius in einem Keller, in dem er sich versteckte, Selbstmord. Nach seinem Tod wurden etwa 1000 Männer, die im Verdacht standen, zu seinen Anhängern zu gehören, getötet, deren Vermögen konfisziert.


=== Beginn der politischen Karriere ===
Gaius Gracchus hinterließ nur eine Tochter aus seine Ehe mit [[Licinia Crassa]]. Das Mädchen Sempronia, Erbin des Vermögens der Gracchen, heiratete [[Fulvius Flaccus Bambalus]]. Die beiden hatten ebenfalls nur eine Tochter, die später zuerst die Frau von [[Publius Clodius Pulcher]] wurde und anschließend die von [[Marcus Antonius]]


Gaius’ militärische Karriere begann in [[Numantia]] als [[Militärtribun]] beim Stab seines Schwagers [[Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus|Scipio Aemilianus]]. Als junger Mann beobachtete er den politischen Aufruhr, den sein älterer Bruder Tiberius verursachte, als er versuchte, gegen die Senatsmehrheit und auf widerrechtlichem Wege Gesetze für eine Agrarreform ([[Gracchische Reform]]) durchzubringen. Tiberius wurde im Jahr 133 v. Chr. in der Nähe des [[Kapitol (Rom)|Kapitols]] bei einer bewaffneten Auseinandersetzung mit politischen Gegnern, die von seinem Vetter [[Publius Cornelius Scipio Nasica Serapio]] angeführt wurden, getötet. Nach Tiberius’ Tod erbte Gaius das enorme Vermögen der Familie der Gracchen, zugleich aber nach römischem Verständnis auch die Pflicht, Rache für seinen älteren Bruder zu nehmen.
In Erinnerung an den gerechten Volkstribun und unbestechlichen [[Republikaner]] nahm der französische Revolutionär und Frühsozialist [[François Noël Babeuf]] den Beinamen "Gracchus" an; ironischerweise wurde er selbst von den Peripetien der geliebten Revolution, wie einst Gaius von der Republik, verschlungen.


Gaius begann seine aktive politische Karriere sechs Jahre später, im Jahr 126 v. Chr., als [[Quaestur|Quästor]] des [[Konsulat (Römisches Reich)|Konsuls]] [[Lucius Aurelius Orestes (Konsul 126 v. Chr.)|Lucius Aurelius Orestes]] in [[Sardinien]].
Zu den verwandtschaftlichen Beziehungen der Scipionen und Gracchen siehe: [[Scipio-Paullus-Gracchus (Familie)]]


=== Erstes Tribunat ===


Nach wenigen Jahren des politischen Friedens in Rom wurde Gaius Gracchus für das Jahr 123 v. Chr., wie schon sein Vater und sein Bruder, zum [[Volkstribun]] gewählt – sehr zum Missfallen der [[Optimaten]]. Gaius hatte ähnliche Ziele wie Tiberius, ging jedoch aufgrund des Scheiterns seines Bruders zunächst vorsichtiger vor.<ref>[[Mary Beard (Althistorikerin)|Mary Beard]]: ''SPQR. Die tausendjährige Geschichte Roms.'' Fischer, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-596-03134-4, S. 242.</ref> Andererseits waren seine Anliegen weitaus radikaler: Da er – nicht ohne Grund – die Senatsmehrheit für den Tod seines Bruders verantwortlich machte, strebte er nach Rache am Senat. Da seine Gegner das wussten, war ein Kompromiss von Anfang an unmöglich. Die moderne Forschung hat darauf hingewiesen, dass das gracchische Reformprojekt primär im Rahmen einer eskalierenden innersenatorischen Konkurrenz zu verstehen ist, in der die schwächere Seite – die [[Popularen]] – Rückendeckung beim Volk suchte.
* ''siehe auch'': [[Portal Rom|Portal und]] [[Themenliste Rom]]


Zur Umsetzung seiner Reformpläne bediente sich Gaius Gracchus, ebenso wie schon sein Bruder Tiberius, des ''[[ius agendi cum plebe]]'', also des Rechts des Tribuns, die [[Volksversammlung]] zu leiten und bindende Beschlüsse zu fassen. Wie schon sein Bruder missachtete er dabei den alten Grundsatz, sich zuvor mit dem Senat abzustimmen. Gaius Gracchus erwarb so durch das Einbringen [[plebejer]]<nowiki/>freundlicher Gesetzesvorschläge eine große Popularität und setzte unter anderem die ''[[Ackergesetze|lex agraria]]'', welche die Ackerkommission zur Verteilung von Staatsland an die Plebejer wieder einsetzte, die ''[[lex frumentaria]]'', welche eine Getreideversorgung der Plebs zu festgelegten Preisen garantierte, und die ''[[lex militaris]]'', welche die Versorgung der Soldaten durch den Staat gewährleistete und unter 17-Jährige vom Militärdienst ausnahm, durch. Darüber hinaus versuchte er, die Anzahl der Jahre und Feldzüge zu begrenzen, die ein Mann verpflichtet war in der Armee abzuleisten. Andere Maßnahmen beinhalteten die Schaffung eines Gerichtshofs gegen Erpressungen, um illegale Einkommen von Senatsmitgliedern daraus zu bestrafen. Auch den [[Eques|Rittern]] kam er entgegen, indem er ihnen durch ein Gesetz künftig allein die Besetzung von Richterstellen zusicherte. Das war für sie nicht nur ein willkommener Erfolg, sondern hatte unmittelbare ökonomische Bedeutung. Da sich nämlich aus den [[Provinz]]en die Klagen über die Steuerpächter häuften, waren sie zufrieden, die Prozessführung in ihren Händen zu halten. Sie konnten von ihren Standesgenossen so das Schlimmste fernhalten und die Ausplünderung der Provinzen fortsetzen. Die Ritter wurden damit neben dem Volk zur zweiten Stütze des Gracchus.<ref>[[Otto Leggewie]]: ''Die Welt der Römer.'' Aschendorff, Münster 1978, ISBN 3-402-02610-4, S. 32–34.</ref>
===Literaturhinweis===


All diese Reformen erweckten natürlich das Missfallen der Senatsmehrheit, der nicht entging, dass sich Gracchus systematisch eine Machtbasis bei Volk und Ritterstand verschaffte, um gegen seine Standesgenossen vorgehen zu können.
''Das Leben von Tiberius und Gaius Gracchus'' von [[Plutarch]]


=== Zweites Tribunat ===
[[Kategorie:Römische Geschichte]]

[[Kategorie:Wikipedia:Artikel die Bilder benötigen]]
Nachdem mehrere Kandidaten zu wenige Stimmen erhalten hatten, wurde Gaius im Jahr 123 v. Chr. (für das Amtsjahr 122 v. Chr. – das Amtsjahr eines Volkstribunen begann am 10. Dezember) zum Volkstribun ernannt, obwohl er sich nicht um dieses Amt beworben hatte.<ref>[[Plutarch]], ''Gaius Gracchus'' [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Plut.+CG+8.2&fromdoc=Perseus%3Atext%3A2008.01.0015 8,2]; vgl. [[Aulus Gellius|Gellius]] [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus%3Atext%3A2007.01.0071%3Abook%3D11%3Achapter%3D10%3Asection%3D3 11,10,3] mit {{RE|II A,2|1383||4=Sempronius 47|5=[[Friedrich Münzer]]|6=RE:Sempronius 47}}</ref> Damit verstieß er zwar gegen das [[Iteration#Geschichtswissenschaft|Iterationsverbot]], das eine ununterbrochene Ämterfolge streng verbot (um Magistrate rechtlich belangen zu können), wurde aber mit der überwältigenden Unterstützung der römischen Pleps gewählt. Es war abzusehen, dass die Senatsmehrheit versuchen würde, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um einem weiteren Machtverlust vorzubeugen und sich vor Gracchus’ Rache zu schützen. Die Möglichkeiten hierzu erhielt sie, da [[Marcus Livius Drusus der Ältere|Marcus Livius Drusus]] zu seinem Mittribunen bestimmt wurde. Dieser war ein junger, den Optimaten nahestehender Politiker und er sollte die entscheidende Rolle bei der Demontage des Gaius Gracchus spielen. Livius Drusus umwarb das Volk von nun an mit Versprechungen, die weit über diejenigen des Gaius Gracchus hinausgingen. Ein besonderes Anliegen des Gaius und seiner Anhänger war stets die [[Colonia (Rom)|Kolonisierungspolitik]] gewesen. So hatten sie sich für die Gründung zweier neuer Kolonien auf der [[Apenninhalbinsel|Italischen Halbinsel]], nämlich in der Nähe von [[Capua]] und [[Tarent]], sowie einer weiteren auf dem Gelände des zerstörten [[Karthago]] in Nordafrika eingesetzt. (Eine ''[[Colonia (Rom)|colonia]]'' war eine Stadt, deren Einwohner weiterhin das [[Römisches Bürgerrecht|römische Bürgerrecht]] behielten.) Als Gaius Gracchus dazu ausersehen wurde, den Aufbau dieser Kolonie, [[Iunonia]], genauer ''Colonia Iunonia Carthago'' genannt, zu beaufsichtigen, nutzte Livius Drusus seine Abwesenheit geschickt. Da eine Kolonisierung in Italien immer populärer war als derartige Projekte außerhalb, beantragte er seinerseits die Gründung von gleich zwölf neuen Kolonien auf italischem Boden. Auch forderte er, dass daran nur römische Bürger beteiligt werden sollten, nicht, wie Gracchus vorgeschlagen hatte, auch alle mit Rom verbündeten [[Italiker]]. Dieses Projekt, das Drusus die Begeisterung der römischen Plebejer einbrachte, wurde allerdings nie umgesetzt und muss von vorneherein als reine [[Demagogie]] verstanden werden, zumal in Italien damals gar nicht ausreichend Boden für die Gründung so vieler Kolonien zur Verfügung stand.
[[en:Gaius Gracchus]]

Durch die Agitation des Drusus war Gaius Gracchus, eigentlich ja selbst ein Demagoge, bei seiner Rückkehr unter Zugzwang geraten. Über die Art und Weise, wie er die Initiative wieder an sich reißen wollte, gibt es unterschiedliche Angaben. Es ist vor allem unklar, ob er nun das römische Bürgerrecht nur für die [[Latiner]] oder sogar für alle Italiker forderte; in jedem Fall wären natürlich alle Neubürger aus Dankbarkeit zu seinen ihm treu ergebenen [[Klient]]en geworden. Dies mussten seine Gegner unbedingt verhindern. Dies gelang, denn auch in diesem Punkt konnte Livius Drusus gegenüber Gracchus punkten, da dessen Vorschlag im Gegensatz zum Egoismus derjenigen stand, die das römische Bürgerrecht und alle damit verbundenen Privilegien bereits besaßen und nicht teilen wollten. Drusus forderte hingegen nur die Gleichstellung der Latiner im römischen Heer und deren Befreiung von der Prügelstrafe. Dieser Vorschlag wurde wiederum von der stadtrömischen Bevölkerung weithin durchaus gutgeheißen. Er konnte damit das Volk [[Divide et impera|spalten]].

=== Niedergang ===

Gaius versuchte, eine dritte Amtszeit als Volkstribun (mit [[Marcus Fulvius Flaccus (Konsul 125 v. Chr.)|Marcus Fulvius Flaccus]] als Partner) zu erreichen. Aber dieses Mal verloren sie die Abstimmung und mussten in der Folge zusehen, wie viele ihrer Gesetze durch die neuen Konsuln [[Quintus Fabius Maximus Allobrogicus]] und [[Lucius Opimius]] zurückgezogen wurden. Ohne Amt war Gracchus zudem den juristischen Nachstellungen seiner Gegner schutzlos ausgeliefert; eine Verurteilung wegen der diversen Rechtsbrüche war nur eine Frage der Zeit.

Als sich am Abstimmungstag die Anhänger beider Seiten auf dem [[Kapitol (Rom)|Kapitol]] versammelten, kam es zu einem Zwischenfall. Denn übereifrige Anhänger des Gaius Gracchus töteten einen [[Liktor]] namens Antullius, vermutlich aufgrund eines Missverständnisses. Dies gab nun jedoch Lucius Opimius die Möglichkeit, mit aller Härte gegen Gracchus und dessen Anhänger vorzugehen. So rief zum ersten Mal in der Geschichte Roms der Senat den [[Ausnahmezustand|Staatsnotstand]] (''[[senatus consultum ultimum]]'') aus, während zugleich Gracchus in einem Akt der Verzweiflung die Sklaven aufrief, sich gegen ihre Herren zu erheben – ohne großen Erfolg. Fulvius Flaccus wurde mit seinen Söhnen getötet, Gaius hingegen gelang es mit Philokrates, seinem Sklaven, zu fliehen. Verfolgt von den Männern der konservativen Fraktion, ließ sich Gaius in einem Keller, in dem er sich versteckte, von seinem Sklaven töten. [[Orosius]] berichtet von 250 im Kampf gefallenen Anhängern; durch die folgenden Hinrichtungen sollen mehr als 3.000 weitere Menschen getötet worden sein.<ref>Orosius [http://www.thelatinlibrary.com/orosius/orosius5.shtml#12 5,12,9f.]; ungenau dagegen Plutarch, ''Gaius Gracchus'' [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus%3Atext%3A2008.01.0015%3Achapter%3D17%3Asection%3D5 17,5]; [http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Plut.+CG+18.1&fromdoc=Perseus%3Atext%3A2008.01.0015 18,1]. Hierzu {{RE|II A,2|1397|4=Sempronius 47|5=Friedrich Münzer|6=RE:Sempronius 47}}</ref>

== Die Gesetzentwürfe ==

{{Hauptartikel|Leges Semproniae|Gracchische Reform}}

Im Jahr 123 v. Chr. wurde Gaius Sempronius Gracchus zum [[Volkstribun]] gewählt und setzte die politischen Reformprojekte fort, die Tiberius Sempronius Gracchus nicht hatte verwirklichen können, indem er versuchte einige Gesetzesinitiativen durchzusetzen.<ref>[[Mary Beard (Althistorikerin)|Mary Beard]]: ''SPQR. Die tausendjährige Geschichte Roms.'' Fischer, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-596-03134-4, S. 234–247.</ref>

Zu seinen ersten Initiativen gehörten, neben anderen:
* Die ''Lex ab actis'' durch die ein vom Volk entlassener [[Magistratur|Magistrat]] von der Besetzung eines anderen Magistratamts ausgeschlossen wurde, um die Bedingungen für die Klage gegen den Willen der Senatorenmehrheit zu verbessern.
* Die ''Lex de capite civis'' auch bekannt als ''Lex Sempronia de provocatione'' schlug vor, diejenigen vor Gericht zu stellen, die [[Römisches Bürgerrecht|Bürger]] hinrichten ließen, ohne sich an das Volk wenden zu dürfen, was im Fall seines Bruders geschehen war.
* Die ''Lex ne quis iudicio circumveniatur'' die eng mit der vorherigen verwandt ist, sah die Inhaftierung jedes Magistrats vor, der sich einmischte, um die Verurteilung einer unschuldigen Person zu erreichen.

Aber seine drei großen Gesetze, verabschiedet im Jahr 122 v. Chr. waren zweifellos:
* Die ''[[Ackergesetze|Lex agraria]]'', das Agrargesetz, durch das die Triumviralkommission erneut mit rechtlichen Befugnissen ausgestattet wurde, die es der Kommission ermöglichten, Befugnisse zur Verfügung über den ''[[ager publicus]]'' der [[Römische Provinz|Provinzen]] zu erhalten.
* Die ''Lex frumentaria'', das Getreide-Gesetz, das den römischen Staat dazu zwang, Getreide zu einem einheitlichen und niedrigen Preis an die römische Bevölkerung zu verkaufen.
* Das weniger bekannte Gerichtsgesetz, die ''[[Lex Calpurnia]]'' von 149 v. Chr. sie ordnete die Einstellung von Gerichtsrichtern nur unter Bürgern an, die nicht dem Senatsorden angehörten, was zweifellos den Mitgliedern der [[Eques]] zugutekam.

== Nachruhm ==

Trotz seines Scheiterns wurde Gaius Gracchus, ebenso wie sein Bruder, zur Ikone der [[Popularen]] und sein Wirken zum Leitbild für viele nachfolgende Politiker bis in die Neuzeit. In Erinnerung an den vermeintlich gerechten Volkstribun und unbestechlichen [[Republik]]aner nahm der französische Revolutionär und Frühsozialist [[François Noël Babeuf]] den Beinamen Gracchus an und fand selbst, wie einst Gaius, einen gewaltsamen Tod.

Dieses sozialromantische Bild von den Gracchen hat bis heute großen Einfluss, so wie ihre Motive umstritten sind. Zum einen haben erst in jüngster Zeit [[Alte Geschichte|Althistoriker]] verstärkt darauf hingewiesen, dass Tiberius und Gaius typische Vertreter der Nobilität gewesen seien, denen es in erster Linie um die eigene Karriere gegangen sei und die das Volk lediglich als Instrument benutzt hätten, um sich gegen die Mehrheit ihrer Standesgenossen durchzusetzen, was katastrophale Folgen für die Republik gehabt habe. Auf der anderen Seite waren die gracchischen Reformversuche Reaktionen auf eine durch die römische Expansion verursachte, tiefgreifende soziale Krise, die den Bestand Roms und seine Institutionen selbst gefährdete.

== Quellen ==

* [[Plutarch]]: ''Gaius Gracchus''. Deutsche Übersetzung: ''Große Griechen und Römer''. Übersetzt von [[Konrat Ziegler]]. Band 6. dtv, München 1980, ISBN 3-7608-3611-9. [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Plutarch/Lives/Caius_Gracchus*.html (englische Übersetzung)]

== Literatur ==

* {{RE|II A,2|1375|1400|Sempronius 47|[[Friedrich Münzer]]|RE:Sempronius 47}}
* [[Jochen Bleicken]]: ''Geschichte der römischen Republik'' (= ''[[Oldenbourg Grundriss der Geschichte]].'' Band 2). 6. Auflage. Oldenbourg, München 2004, ISBN 3-486-49666-2.
* [[Klaus Bringmann]]: ''Geschichte der römischen Republik. Von den Anfängen bis Augustus.'' C. H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-49292-4.
* [[Karl Christ]]: ''Krise und Untergang der römischen Republik.'' 4., durchgesehene und aktualisierte Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2000, ISBN 3-534-14518-6.
* Raimund Ottow: ''Die Gracchen und ihre Rezeption im politischen Denken der frühen Neuzeit.'' In: ''[[Der Staat]]. Zeitschrift für Staatslehre und Verfassungsgeschichte, deutsches und europäisches Öffentliches Recht.'' Band 42, 2003, S. 557–581.
* Frank Görne: ''Die Obstruktionen in der Römischen Republik.'' Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-515-12754-7 (Dissertation, Universität Rostock 2017).
* {{DNP|Suppl. 8|459|468|Gracchen|[[Karen Piepenbrink]]}}

== Weblinks ==

{{Commonscat|Gaius Gracchus|3=S}}
* Maik Hager: ''Das Ackergesetz des Tiberius Sempronius Gracchus Soziale Realpolitik oder Opposition um jeden Preis?'' Wissenschaftliche Hausarbeit, Technischen Universität Berlin, Berlin 2004, auf geschichte-erforschen.de [http://www.geschichte-erforschen.de/downloads/Hager_Maik_Tiberius_Sempronius_Gracchus_Ackergesetz.pdf]
* [[Werner Rieß (Althistoriker)|Werner Rieß]]: ''04 – Das Ausgreifen nach Osten, der Ausbruch der Krise, das Zeitalter der Gracchen.'' eManual Alte Geschichte, hamburg open, 28. März 2017, auf emanualaltegeschichte.blogs.uni-hamburg.de [https://emanualaltegeschichte.blogs.uni-hamburg.de/04-das-ausgreifen-nach-osten-der-ausbruch-der-krise-das-zeitalter-der-gracchen/]

== Einzelnachweise ==

<references />

{{Normdaten|TYP=p|GND=102394229|LCCN=n/81/98243|VIAF=75178071}}

{{SORTIERUNG:Gracchus, Gaius Sempronius}}
[[Kategorie:Sempronier]]
[[Kategorie:Volkstribun]]
[[Kategorie:Politiker (Römische Republik)]]
[[Kategorie:Geboren 153 v. Chr.]]
[[Kategorie:Gestorben 121 v. Chr.]]
[[Kategorie:Mann]]

{{Personendaten
|NAME=Gracchus, Gaius Sempronius
|ALTERNATIVNAMEN=
|KURZBESCHREIBUNG=römischer Politiker
|GEBURTSDATUM=153 v. Chr.
|GEBURTSORT=
|STERBEDATUM=121 v. Chr.
|STERBEORT=
}}

Aktuelle Version vom 5. Mai 2025, 08:01 Uhr

Das Brüderpaar Gracchus, von Jean-Baptiste Claude Eugène Guillaume.

Gaius Sempronius Gracchus (* 153 v. Chr.; † 121 v. Chr.) war ein römischer Politiker. Er war der jüngere Bruder des Tiberius Sempronius Gracchus und verfolgte wie dieser ein populares politisches Programm, was dazu führte, dass konservative Kräfte des römischen Senats ihn ausschalteten und ein Massaker unter seinen Anhängern verübten.

Gaius Sempronius Gracchus wurde im Jahr 153 v. Chr. als Sohn des Tiberius Sempronius Gracchus, Konsul des Jahres 177 v. Chr., und der Cornelia Africana geboren. Die Gracchen, obwohl nicht patrizischer Herkunft, waren als Zweig der Familie der Sempronier, die der römischen Nobilität angehörten, von großem politischen Einfluss und gehörten zu den reichsten und mächtigsten Familien Roms. Gaius’ Mutter war eine Tochter des Scipio Africanus, sein älterer Bruder Tiberius Sempronius Gracchus wurde zu einem einflussreichen Politiker und seine Schwester Sempronia war die Frau des Scipio Aemilianus, des Eroberers von Karthago. Gaius wurde von seiner Mutter erzogen, einer römischen Matrona von hohem moralischem Anspruch.

Gaius Gracchus selbst war mit Licinia verheiratet, der Tochter des reichen Politikers Publius Licinius Crassus Dives Mucianus. Sempronia, die eine aktive Rolle in der Catilinarischen Verschwörung spielte, war vielleicht seine Tochter.[1]

Beginn der politischen Karriere

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gaius’ militärische Karriere begann in Numantia als Militärtribun beim Stab seines Schwagers Scipio Aemilianus. Als junger Mann beobachtete er den politischen Aufruhr, den sein älterer Bruder Tiberius verursachte, als er versuchte, gegen die Senatsmehrheit und auf widerrechtlichem Wege Gesetze für eine Agrarreform (Gracchische Reform) durchzubringen. Tiberius wurde im Jahr 133 v. Chr. in der Nähe des Kapitols bei einer bewaffneten Auseinandersetzung mit politischen Gegnern, die von seinem Vetter Publius Cornelius Scipio Nasica Serapio angeführt wurden, getötet. Nach Tiberius’ Tod erbte Gaius das enorme Vermögen der Familie der Gracchen, zugleich aber nach römischem Verständnis auch die Pflicht, Rache für seinen älteren Bruder zu nehmen.

Gaius begann seine aktive politische Karriere sechs Jahre später, im Jahr 126 v. Chr., als Quästor des Konsuls Lucius Aurelius Orestes in Sardinien.

Erstes Tribunat

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach wenigen Jahren des politischen Friedens in Rom wurde Gaius Gracchus für das Jahr 123 v. Chr., wie schon sein Vater und sein Bruder, zum Volkstribun gewählt – sehr zum Missfallen der Optimaten. Gaius hatte ähnliche Ziele wie Tiberius, ging jedoch aufgrund des Scheiterns seines Bruders zunächst vorsichtiger vor.[2] Andererseits waren seine Anliegen weitaus radikaler: Da er – nicht ohne Grund – die Senatsmehrheit für den Tod seines Bruders verantwortlich machte, strebte er nach Rache am Senat. Da seine Gegner das wussten, war ein Kompromiss von Anfang an unmöglich. Die moderne Forschung hat darauf hingewiesen, dass das gracchische Reformprojekt primär im Rahmen einer eskalierenden innersenatorischen Konkurrenz zu verstehen ist, in der die schwächere Seite – die Popularen – Rückendeckung beim Volk suchte.

Zur Umsetzung seiner Reformpläne bediente sich Gaius Gracchus, ebenso wie schon sein Bruder Tiberius, des ius agendi cum plebe, also des Rechts des Tribuns, die Volksversammlung zu leiten und bindende Beschlüsse zu fassen. Wie schon sein Bruder missachtete er dabei den alten Grundsatz, sich zuvor mit dem Senat abzustimmen. Gaius Gracchus erwarb so durch das Einbringen plebejerfreundlicher Gesetzesvorschläge eine große Popularität und setzte unter anderem die lex agraria, welche die Ackerkommission zur Verteilung von Staatsland an die Plebejer wieder einsetzte, die lex frumentaria, welche eine Getreideversorgung der Plebs zu festgelegten Preisen garantierte, und die lex militaris, welche die Versorgung der Soldaten durch den Staat gewährleistete und unter 17-Jährige vom Militärdienst ausnahm, durch. Darüber hinaus versuchte er, die Anzahl der Jahre und Feldzüge zu begrenzen, die ein Mann verpflichtet war in der Armee abzuleisten. Andere Maßnahmen beinhalteten die Schaffung eines Gerichtshofs gegen Erpressungen, um illegale Einkommen von Senatsmitgliedern daraus zu bestrafen. Auch den Rittern kam er entgegen, indem er ihnen durch ein Gesetz künftig allein die Besetzung von Richterstellen zusicherte. Das war für sie nicht nur ein willkommener Erfolg, sondern hatte unmittelbare ökonomische Bedeutung. Da sich nämlich aus den Provinzen die Klagen über die Steuerpächter häuften, waren sie zufrieden, die Prozessführung in ihren Händen zu halten. Sie konnten von ihren Standesgenossen so das Schlimmste fernhalten und die Ausplünderung der Provinzen fortsetzen. Die Ritter wurden damit neben dem Volk zur zweiten Stütze des Gracchus.[3]

All diese Reformen erweckten natürlich das Missfallen der Senatsmehrheit, der nicht entging, dass sich Gracchus systematisch eine Machtbasis bei Volk und Ritterstand verschaffte, um gegen seine Standesgenossen vorgehen zu können.

Zweites Tribunat

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem mehrere Kandidaten zu wenige Stimmen erhalten hatten, wurde Gaius im Jahr 123 v. Chr. (für das Amtsjahr 122 v. Chr. – das Amtsjahr eines Volkstribunen begann am 10. Dezember) zum Volkstribun ernannt, obwohl er sich nicht um dieses Amt beworben hatte.[4] Damit verstieß er zwar gegen das Iterationsverbot, das eine ununterbrochene Ämterfolge streng verbot (um Magistrate rechtlich belangen zu können), wurde aber mit der überwältigenden Unterstützung der römischen Pleps gewählt. Es war abzusehen, dass die Senatsmehrheit versuchen würde, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um einem weiteren Machtverlust vorzubeugen und sich vor Gracchus’ Rache zu schützen. Die Möglichkeiten hierzu erhielt sie, da Marcus Livius Drusus zu seinem Mittribunen bestimmt wurde. Dieser war ein junger, den Optimaten nahestehender Politiker und er sollte die entscheidende Rolle bei der Demontage des Gaius Gracchus spielen. Livius Drusus umwarb das Volk von nun an mit Versprechungen, die weit über diejenigen des Gaius Gracchus hinausgingen. Ein besonderes Anliegen des Gaius und seiner Anhänger war stets die Kolonisierungspolitik gewesen. So hatten sie sich für die Gründung zweier neuer Kolonien auf der Italischen Halbinsel, nämlich in der Nähe von Capua und Tarent, sowie einer weiteren auf dem Gelände des zerstörten Karthago in Nordafrika eingesetzt. (Eine colonia war eine Stadt, deren Einwohner weiterhin das römische Bürgerrecht behielten.) Als Gaius Gracchus dazu ausersehen wurde, den Aufbau dieser Kolonie, Iunonia, genauer Colonia Iunonia Carthago genannt, zu beaufsichtigen, nutzte Livius Drusus seine Abwesenheit geschickt. Da eine Kolonisierung in Italien immer populärer war als derartige Projekte außerhalb, beantragte er seinerseits die Gründung von gleich zwölf neuen Kolonien auf italischem Boden. Auch forderte er, dass daran nur römische Bürger beteiligt werden sollten, nicht, wie Gracchus vorgeschlagen hatte, auch alle mit Rom verbündeten Italiker. Dieses Projekt, das Drusus die Begeisterung der römischen Plebejer einbrachte, wurde allerdings nie umgesetzt und muss von vorneherein als reine Demagogie verstanden werden, zumal in Italien damals gar nicht ausreichend Boden für die Gründung so vieler Kolonien zur Verfügung stand.

Durch die Agitation des Drusus war Gaius Gracchus, eigentlich ja selbst ein Demagoge, bei seiner Rückkehr unter Zugzwang geraten. Über die Art und Weise, wie er die Initiative wieder an sich reißen wollte, gibt es unterschiedliche Angaben. Es ist vor allem unklar, ob er nun das römische Bürgerrecht nur für die Latiner oder sogar für alle Italiker forderte; in jedem Fall wären natürlich alle Neubürger aus Dankbarkeit zu seinen ihm treu ergebenen Klienten geworden. Dies mussten seine Gegner unbedingt verhindern. Dies gelang, denn auch in diesem Punkt konnte Livius Drusus gegenüber Gracchus punkten, da dessen Vorschlag im Gegensatz zum Egoismus derjenigen stand, die das römische Bürgerrecht und alle damit verbundenen Privilegien bereits besaßen und nicht teilen wollten. Drusus forderte hingegen nur die Gleichstellung der Latiner im römischen Heer und deren Befreiung von der Prügelstrafe. Dieser Vorschlag wurde wiederum von der stadtrömischen Bevölkerung weithin durchaus gutgeheißen. Er konnte damit das Volk spalten.

Gaius versuchte, eine dritte Amtszeit als Volkstribun (mit Marcus Fulvius Flaccus als Partner) zu erreichen. Aber dieses Mal verloren sie die Abstimmung und mussten in der Folge zusehen, wie viele ihrer Gesetze durch die neuen Konsuln Quintus Fabius Maximus Allobrogicus und Lucius Opimius zurückgezogen wurden. Ohne Amt war Gracchus zudem den juristischen Nachstellungen seiner Gegner schutzlos ausgeliefert; eine Verurteilung wegen der diversen Rechtsbrüche war nur eine Frage der Zeit.

Als sich am Abstimmungstag die Anhänger beider Seiten auf dem Kapitol versammelten, kam es zu einem Zwischenfall. Denn übereifrige Anhänger des Gaius Gracchus töteten einen Liktor namens Antullius, vermutlich aufgrund eines Missverständnisses. Dies gab nun jedoch Lucius Opimius die Möglichkeit, mit aller Härte gegen Gracchus und dessen Anhänger vorzugehen. So rief zum ersten Mal in der Geschichte Roms der Senat den Staatsnotstand (senatus consultum ultimum) aus, während zugleich Gracchus in einem Akt der Verzweiflung die Sklaven aufrief, sich gegen ihre Herren zu erheben – ohne großen Erfolg. Fulvius Flaccus wurde mit seinen Söhnen getötet, Gaius hingegen gelang es mit Philokrates, seinem Sklaven, zu fliehen. Verfolgt von den Männern der konservativen Fraktion, ließ sich Gaius in einem Keller, in dem er sich versteckte, von seinem Sklaven töten. Orosius berichtet von 250 im Kampf gefallenen Anhängern; durch die folgenden Hinrichtungen sollen mehr als 3.000 weitere Menschen getötet worden sein.[5]

Die Gesetzentwürfe

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 123 v. Chr. wurde Gaius Sempronius Gracchus zum Volkstribun gewählt und setzte die politischen Reformprojekte fort, die Tiberius Sempronius Gracchus nicht hatte verwirklichen können, indem er versuchte einige Gesetzesinitiativen durchzusetzen.[6]

Zu seinen ersten Initiativen gehörten, neben anderen:

  • Die Lex ab actis durch die ein vom Volk entlassener Magistrat von der Besetzung eines anderen Magistratamts ausgeschlossen wurde, um die Bedingungen für die Klage gegen den Willen der Senatorenmehrheit zu verbessern.
  • Die Lex de capite civis auch bekannt als Lex Sempronia de provocatione schlug vor, diejenigen vor Gericht zu stellen, die Bürger hinrichten ließen, ohne sich an das Volk wenden zu dürfen, was im Fall seines Bruders geschehen war.
  • Die Lex ne quis iudicio circumveniatur die eng mit der vorherigen verwandt ist, sah die Inhaftierung jedes Magistrats vor, der sich einmischte, um die Verurteilung einer unschuldigen Person zu erreichen.

Aber seine drei großen Gesetze, verabschiedet im Jahr 122 v. Chr. waren zweifellos:

  • Die Lex agraria, das Agrargesetz, durch das die Triumviralkommission erneut mit rechtlichen Befugnissen ausgestattet wurde, die es der Kommission ermöglichten, Befugnisse zur Verfügung über den ager publicus der Provinzen zu erhalten.
  • Die Lex frumentaria, das Getreide-Gesetz, das den römischen Staat dazu zwang, Getreide zu einem einheitlichen und niedrigen Preis an die römische Bevölkerung zu verkaufen.
  • Das weniger bekannte Gerichtsgesetz, die Lex Calpurnia von 149 v. Chr. sie ordnete die Einstellung von Gerichtsrichtern nur unter Bürgern an, die nicht dem Senatsorden angehörten, was zweifellos den Mitgliedern der Eques zugutekam.

Trotz seines Scheiterns wurde Gaius Gracchus, ebenso wie sein Bruder, zur Ikone der Popularen und sein Wirken zum Leitbild für viele nachfolgende Politiker bis in die Neuzeit. In Erinnerung an den vermeintlich gerechten Volkstribun und unbestechlichen Republikaner nahm der französische Revolutionär und Frühsozialist François Noël Babeuf den Beinamen Gracchus an und fand selbst, wie einst Gaius, einen gewaltsamen Tod.

Dieses sozialromantische Bild von den Gracchen hat bis heute großen Einfluss, so wie ihre Motive umstritten sind. Zum einen haben erst in jüngster Zeit Althistoriker verstärkt darauf hingewiesen, dass Tiberius und Gaius typische Vertreter der Nobilität gewesen seien, denen es in erster Linie um die eigene Karriere gegangen sei und die das Volk lediglich als Instrument benutzt hätten, um sich gegen die Mehrheit ihrer Standesgenossen durchzusetzen, was katastrophale Folgen für die Republik gehabt habe. Auf der anderen Seite waren die gracchischen Reformversuche Reaktionen auf eine durch die römische Expansion verursachte, tiefgreifende soziale Krise, die den Bestand Roms und seine Institutionen selbst gefährdete.

Commons: Gaius Gracchus – Sammlung von Bildern
  • Maik Hager: Das Ackergesetz des Tiberius Sempronius Gracchus Soziale Realpolitik oder Opposition um jeden Preis? Wissenschaftliche Hausarbeit, Technischen Universität Berlin, Berlin 2004, auf geschichte-erforschen.de [1]
  • Werner Rieß: 04 – Das Ausgreifen nach Osten, der Ausbruch der Krise, das Zeitalter der Gracchen. eManual Alte Geschichte, hamburg open, 28. März 2017, auf emanualaltegeschichte.blogs.uni-hamburg.de [2]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. So z. B. Friedrich Münzer: Sempronius 103. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band II A,2, Stuttgart 1923, Sp. 1446.
  2. Mary Beard: SPQR. Die tausendjährige Geschichte Roms. Fischer, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-596-03134-4, S. 242.
  3. Otto Leggewie: Die Welt der Römer. Aschendorff, Münster 1978, ISBN 3-402-02610-4, S. 32–34.
  4. Plutarch, Gaius Gracchus 8,2; vgl. Gellius 11,10,3 mit Friedrich Münzer: Sempronius 47. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band II A,2, Stuttgart 1923, Sp. 1383.
  5. Orosius 5,12,9f.; ungenau dagegen Plutarch, Gaius Gracchus 17,5; 18,1. Hierzu Friedrich Münzer: Sempronius 47. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band II A,2, Stuttgart 1923, Sp. 1397.
  6. Mary Beard: SPQR. Die tausendjährige Geschichte Roms. Fischer, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-596-03134-4, S. 234–247.