Zum Inhalt springen

„Ratatöskr“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Keine Bearbeitungszusammenfassung
K
Markierungen: Mobile Bearbeitung Mobile Web-Bearbeitung Erweiterte mobile Bearbeitung
 
(100 dazwischenliegende Versionen von 64 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:AM 738 4to Ratatoskr.png|mini|Ratatöskr in der Weltenesche Yggdrasil. Aus einer isländischen Handschrift des 17. Jahrhunderts. "Rata-tøskur ber øf undar ord my-llū a<sup>r</sup>n<sup>r</sup> og nyd-hoggs."]]
'''Ratatöskr''' (Ratatwisker, nordisch ''Nagezahn'') ist ein [[Eichhörnchen]] aus der [[Nordische Mythologie|nordischen Mythologie]], welches an der [[Esche]] [[Yggdrasil]] auf und ab läuft und vom Baumwipfel die Worte des Adlers [[Hräswelgr]] zum Drachen [[Nidhöggr]] herabträgt. Es will die beiden aufstacheln und ärgern und führt so deren Streit fort.
'''Ratatöskr''', auch '''Ratatosk''', '''Ratatösk''' oder '''Ratatwisker''', ist in der [[Nordische Mythologie|nordischen Mythologie]] ein [[Eurasisches Eichhörnchen|Eichhörnchen]], das zu den Tieren des [[Weltenbaum]]s [[Yggdrasil]] gehört. Es übermittelt Nachrichten zwischen dem Adler in der Krone und dem schlangenartigen Drachen [[Nidhöggr]] am Fuße des Weltenbaums.


== Quellen ==
[[Kategorie:Nordische Mythologie]]
Das Eichhörnchen wird in der ''[[Lieder-Edda]]'' nur im Lied ''[[Grímnismál]]'' erwähnt.

<poem style="margin-left:2em; float:left;">
Ratatoscr heitir ícorni,
er renna scal
at asci Yggdrasils;
arnar orð
hann scal ofan bera
oc segia Níðhǫggvi niðr.<ref>Lieder-Edda: Grímnismál 32. Textausgabe nach Titus Projekt, URL: http://titus.uni-frankfurt.de/texte/etcs/germ/anord/edda/edda.htm, aufgerufen am 14. Dezember 2009.</ref>
</poem>

<poem style="margin-left:2em; float:left;">
Ratatosk heißt das Eichhörnchen,
das herumspringt
an der Esche Yggdrasil;
die Worte des Adlers
trägt es von oben herab
und sagt sie unten Nidhögg.<ref>Übersetzung nach Arnulf Krause: ''Die Götter- und Heldenlieder der Älteren Edda.'' Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-15-050047-7</ref>
</poem>
{{Absatz|links}}
::– Grímnismál, Strophe 32 <small>(Übersetzung nach [[Arnulf Krause]])</small>

Demnach ist das Eichhörnchen im Wesentlichen der Überbringer der Botschaften des [[Adler am nordischen Weltenbaum|Adlers]] an den Drachen [[Nidhöggr]], der sich unten an den Wurzeln des Weltenbaums aufhält. [[Snorri Sturluson]] fügte in seiner ''[[Prosa-Edda]]'' hinzu, dass Ratatöskr auch umgekehrt die Nachrichten des Drachen an den Adler übermittelt und dass die beiden auf diese Weise einen Streit miteinander austragen. Aus welchem Grund bleibt unerwähnt.

<poem style="margin-left:2em; float:left;">
Örn einn sitr í limum asksins, ok er hann margs vitandi
en í milli augna honum sitr haukr, sá er heitir Veðrfölnir.
Íkorni sá, er heitir Ratatoskr, renn upp ok niðr eftir askinum
ok berr öfundarorð milli arnarins ok Níðhöggs, [...]
</poem>

<poem style="margin-left:2em; float:left;">
Ein Adler sitzt in den Ästen der Esche, der hat manches Wissen
und zwischen seinen Augen sitzt der Habicht mit Namen Wedrfölnir.
Das Eichhörnchen, das Ratatosk heißt, springt an der Esche hinauf und hinunter.
Zwischen dem Adler und Nidhögg tauscht es Gehässigkeiten aus.<ref>Arnulf Krause: ''Die Edda des Snorri Sturluson.'' Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-15-000782-2</ref>
</poem>
{{Absatz|links}}
::– Snorri Sturluson, Prosa-Edda: Gylfaginning, Kapitel 16 <small>(Übersetzung von Arnulf Krause)</small>

== Forschung ==
Das Eichhörnchen gehört wohl nicht zur ursprünglichen Grundausstattung des Weltenbaums, dessen Wurzeln man bis in [[Indogermanen|indogermanische]] Zeit zurückverfolgen kann. Es handelt sich vermutlich um ein ausschmückendes Detail aus späterer Zeit.<ref>Rudolf Simek: ''Lexikon der germanischen Mythologie'' (= ''Kröners Taschenausgabe.'' Band 368). 3., völlig überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X, S. 343.</ref>

Das Streitmotiv zwischen Adler und Drache könnte hingegen ein Motiv aus indogermanischer Zeit sein. Auch in der indischen Mythologie streiten sich der Adler und die Schlangen. In einer Fabel des römischen Dichters [[Phaedrus]] stiftet eine Katze an einem Baum Feindschaft zwischen einem Adler in der Höhe und einer Wildsau an den Wurzeln.<ref>Jan de Vries: ''Altgermanische Religionsgeschichte, Band 2: Religion der Nordgermanen.'' Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin, Leipzig 1937, § 328 – Rudolf Simek: ''Lexikon der germanischen Mythologie'' (= ''Kröners Taschenausgabe.'' Band 368). 3., völlig überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X, S. 343 weist darauf hin, dass diese Parallelen keinen sicheren Schluss über das Alter des Streitmotivs erlauben.</ref> Der Streit zwischen Adler und Drache könnte den Widerstreit der aufbauenden mit den zerstörerischen Kräften der Welt symbolisieren, den Göttern und den Riesen, doch hält man das in der Wissenschaft nicht unbedingt für wahrscheinlich.<ref>Henry Adams Bellows: ''The Poetic Edda. The Mythological Poems.'' Courier Dover Publications, Mineola NY 2004, ISBN 978-0-486-43710-1, S. 97, Anmerkung 32 [http://books.google.de/books?id=cJG6kfgZBf8C&pg=PA97&dq=Ratatosk&ei=KX0lS7nSMKT8ygSx-emvCw&cd=2#v=onepage&q=Ratatosk&f=false Online Auszug]</ref>

Den Namen Ratatöskrs, [[Altnordische Sprache|altnordisch]] ''Ratatǫskr'', leitet man meist ab von altnordisch ''rati'' „Bohrer“ und ''*toskr'' „Zahn(?)“, so dass der Name mit „Bohrerzahn, Nagezahn“ übersetzt wird.<ref>Rudolf Simek: ''Lexikon der germanischen Mythologie'' (= ''Kröners Taschenausgabe.'' Band 368). 3., völlig überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X, S. 343: Bohrerzahn – John Lindow: ''Handbook of Norse Mythology.'' ABC-CLIO Ltd, USA 2001, ISBN 978-1-57607-217-2, S. xi: Bore-Tooth. – einer Tetzner: ''Germanische Göttersagen (nach den Quellen neu erzählt).'' Reclam-Verlag, Ditzingen 1992, ISBN 978-3-15-008750-3, S. 193: Nagezahn</ref>

== Wirkungsgeschichte ==
Der deutsche Schriftsteller [[Hans Erich Blaich]] wählte Ratatöskr als eines seiner Pseudonyme.

== Literatur ==
* [[Rudolf Simek]]: ''Lexikon der germanischen Mythologie'' (= ''[[Kröners Taschenausgabe]].'' Band 368). 3., völlig überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X.

== Einzelnachweise ==
<references />

{{SORTIERUNG:Ratatoskr}}
[[Kategorie:Germanische Sagengestalt]]
[[Kategorie:Mythologisches Tier]]
[[Kategorie:Hörnchen in der Kultur]]

Aktuelle Version vom 18. November 2023, 18:25 Uhr

Ratatöskr in der Weltenesche Yggdrasil. Aus einer isländischen Handschrift des 17. Jahrhunderts. "Rata-tøskur ber øf undar ord my-llū arnr og nyd-hoggs."

Ratatöskr, auch Ratatosk, Ratatösk oder Ratatwisker, ist in der nordischen Mythologie ein Eichhörnchen, das zu den Tieren des Weltenbaums Yggdrasil gehört. Es übermittelt Nachrichten zwischen dem Adler in der Krone und dem schlangenartigen Drachen Nidhöggr am Fuße des Weltenbaums.

Das Eichhörnchen wird in der Lieder-Edda nur im Lied Grímnismál erwähnt.

Ratatoscr heitir ícorni,
er renna scal
at asci Yggdrasils;
arnar orð
hann scal ofan bera
oc segia Níðhǫggvi niðr.[1]

Ratatosk heißt das Eichhörnchen,
das herumspringt
an der Esche Yggdrasil;
die Worte des Adlers
trägt es von oben herab
und sagt sie unten Nidhögg.[2]

– Grímnismál, Strophe 32 (Übersetzung nach Arnulf Krause)

Demnach ist das Eichhörnchen im Wesentlichen der Überbringer der Botschaften des Adlers an den Drachen Nidhöggr, der sich unten an den Wurzeln des Weltenbaums aufhält. Snorri Sturluson fügte in seiner Prosa-Edda hinzu, dass Ratatöskr auch umgekehrt die Nachrichten des Drachen an den Adler übermittelt und dass die beiden auf diese Weise einen Streit miteinander austragen. Aus welchem Grund bleibt unerwähnt.

Örn einn sitr í limum asksins, ok er hann margs vitandi
en í milli augna honum sitr haukr, sá er heitir Veðrfölnir.
Íkorni sá, er heitir Ratatoskr, renn upp ok niðr eftir askinum
ok berr öfundarorð milli arnarins ok Níðhöggs, [...]

Ein Adler sitzt in den Ästen der Esche, der hat manches Wissen
und zwischen seinen Augen sitzt der Habicht mit Namen Wedrfölnir.
Das Eichhörnchen, das Ratatosk heißt, springt an der Esche hinauf und hinunter.
Zwischen dem Adler und Nidhögg tauscht es Gehässigkeiten aus.[3]

– Snorri Sturluson, Prosa-Edda: Gylfaginning, Kapitel 16 (Übersetzung von Arnulf Krause)

Das Eichhörnchen gehört wohl nicht zur ursprünglichen Grundausstattung des Weltenbaums, dessen Wurzeln man bis in indogermanische Zeit zurückverfolgen kann. Es handelt sich vermutlich um ein ausschmückendes Detail aus späterer Zeit.[4]

Das Streitmotiv zwischen Adler und Drache könnte hingegen ein Motiv aus indogermanischer Zeit sein. Auch in der indischen Mythologie streiten sich der Adler und die Schlangen. In einer Fabel des römischen Dichters Phaedrus stiftet eine Katze an einem Baum Feindschaft zwischen einem Adler in der Höhe und einer Wildsau an den Wurzeln.[5] Der Streit zwischen Adler und Drache könnte den Widerstreit der aufbauenden mit den zerstörerischen Kräften der Welt symbolisieren, den Göttern und den Riesen, doch hält man das in der Wissenschaft nicht unbedingt für wahrscheinlich.[6]

Den Namen Ratatöskrs, altnordisch Ratatǫskr, leitet man meist ab von altnordisch rati „Bohrer“ und *toskr „Zahn(?)“, so dass der Name mit „Bohrerzahn, Nagezahn“ übersetzt wird.[7]

Wirkungsgeschichte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der deutsche Schriftsteller Hans Erich Blaich wählte Ratatöskr als eines seiner Pseudonyme.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Lieder-Edda: Grímnismál 32. Textausgabe nach Titus Projekt, URL: http://titus.uni-frankfurt.de/texte/etcs/germ/anord/edda/edda.htm, aufgerufen am 14. Dezember 2009.
  2. Übersetzung nach Arnulf Krause: Die Götter- und Heldenlieder der Älteren Edda. Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-15-050047-7
  3. Arnulf Krause: Die Edda des Snorri Sturluson. Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-15-000782-2
  4. Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie (= Kröners Taschenausgabe. Band 368). 3., völlig überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X, S. 343.
  5. Jan de Vries: Altgermanische Religionsgeschichte, Band 2: Religion der Nordgermanen. Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin, Leipzig 1937, § 328 – Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie (= Kröners Taschenausgabe. Band 368). 3., völlig überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X, S. 343 weist darauf hin, dass diese Parallelen keinen sicheren Schluss über das Alter des Streitmotivs erlauben.
  6. Henry Adams Bellows: The Poetic Edda. The Mythological Poems. Courier Dover Publications, Mineola NY 2004, ISBN 978-0-486-43710-1, S. 97, Anmerkung 32 Online Auszug
  7. Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie (= Kröners Taschenausgabe. Band 368). 3., völlig überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X, S. 343: Bohrerzahn – John Lindow: Handbook of Norse Mythology. ABC-CLIO Ltd, USA 2001, ISBN 978-1-57607-217-2, S. xi: Bore-Tooth. – einer Tetzner: Germanische Göttersagen (nach den Quellen neu erzählt). Reclam-Verlag, Ditzingen 1992, ISBN 978-3-15-008750-3, S. 193: Nagezahn