„Geschichte der Geschichtswissenschaft“ – Versionsunterschied
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Die '''Geschichte der Geschichtswissenschaft''' ist ein Teil der [[Wissenschaftsgeschichte]]. Eine [[Geschichtsschreibung]] gibt es bereits seit der [[Antike]] (siehe [[Geschichte der Geschichtsschreibung]]), eine systematische [[Geschichtswissenschaft]] allerdings wird erst mit dem [[19. Jahrhundert]] angesetzt. |
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==Anfänge bis zum 17. Jahrhundert== |
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== Einführung == |
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Die epischen Gesänge von [[Homer]] aus der [[Ilias]] und der [[Odyssee]] lassen sich nicht im engeren Sinne als Geschichtswerke definieren, auch wenn sie historischen Stoff verarbeiten. Die Existenz von [[Troja]] ist mit seit [[Heinrich Schliemann]] als bewiesen anzusehen. Die Handlungen der 24 Gesänge im Einzelnen sind historisch nicht eindeutig belegbar. Ganz sicher waren die Götter, die Homer zu Menschen werden lässt, bei diesen Handlungen kaum wirklich dabei gewesen. Es geht hier nicht um die Überlieferung historischer Vorgänge im engeren Sinne, sondern um eine literarische Verarbeitung. |
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[[Bild:Johann Gustav Droysen - Imagines philologorum.jpg|mini|[[Johann Gustav Droysen]]]] |
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Es gibt eine lange und vielfältige Tradition von Geschichtsschreibung in verschiedenen Kulturkreisen. Diese Werke waren aber meistens praktischer Natur (z. B. kommentierte Herrscherlisten, astronomische Kalender) oder wurden als eine Gattung der Literatur verfasst und rezipiert. Im Verlauf der [[Geschichte der Geschichtsschreibung]] entwickelten einzelne [[Autor]]en Ansätze zu einer wissenschaftlichen, methodischen Durchdringung des behandelten Stoffs, auf die spätere [[Historiker]] auch zurückgriffen. Eine systematische, allgemein anerkannte wissenschaftliche Methodik entstand aber erst Anfang des 19. Jahrhunderts. Diese Entwicklung verlief nicht gleichförmig, so wurde das Fundament der [[Quellenkritik]] für die [[Klassische Altertumswissenschaft|Altertumswissenschaft]] bereits in der Renaissance gelegt. Im 19. Jahrhundert entwickelten [[Wilhelm Wachsmuth]] und [[Johann Gustav Droysen]] die ersten grundlegenden methodischen Anleitungen für ein Geschichtsstudium, die sogenannte [[Historik]]. Auch der Institutionalisierungsprozess der Geschichte als akademisches Fach ist im 19. Jahrhundert zu verorten. Anfangs noch Teildisziplin anderer Wissenschaften wie der Rechtswissenschaft, etablierte sich die „Geschichte“ als eigenständige Disziplin. |
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[[Geschichtsschreibung]] im engeren Sinne haben wir seit der [[Antike]] wie die griechischen Geschichtsschreiber [[Herodot]], [[Thukydides]], [[Xenophon]], [[Diodor]] und [[Polybios]]. Bedeutende Vertreter der römischen Geschichtsschreibung sind [[Titus Livius]], [[Cäsar]], [[Tacitus]] und [[Ammianus Marcellinus]]. Hierbei lassen sich Wandlungsprozesse erkennen. Ist bei Herodot, dem Vater der Geschichtsschreibung noch stärker Historisches mit Mythologischem verwoben, so ist bei den Nachgenannten überwiegend eine Beschreibung des Tatsächlichen, das heißt Historischen zu erkennen. Dabei ist jedoch nicht gesagt, daß Mythologisches auch hierbei nicht gelegentlich mit einfließt. Thukydides ist bedeutend durch seine Geschichte des [[Peloponnesischer Krieg|Peloponnesischen Krieges]], Xenophon durch seinen Anabasis oder den Zug der Zehntausend in das [[Perserreich]]. Titus Livius, dessen [[Geschichtswerk]] über die Stadt [[Rom]] nur unvollständig überliefert ist, geht von einer Gründung im Jahre 753 v. Chr. aus, die aber nicht belegt ist und soll bis zum Jahr 9 v. Chr. gegangen sein. Herhaltene Werkteile gehen nur bis in die mit des 3. vorchristlichen Jahrhunderts. Cäsar beschreibt den Krieg in [[Gallien]], dem er selbst als Feldherr mitmacht. Tacitus schreibt eine Geschichte [[Germania]]. |
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== 19. Jahrhundert == |
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Auch im [[Mittelalter]] haben wir Geschichtsschreibung durch [[Chronist|Chronisten]] wie z.B. [[Gregor von Tours]], [[Thietmar von Merseburg]] oder [[Lambert von Hersfeld]] in der Form der Annalen. In dieser Zeit sind es vornehmlich Mönche oder Geistliche am Hofe, die durch die Kenntnis der Schrift diese Quellen abfassen. Später sind Historiker wie [[Jean Froissart]], [[Otto von Freising]], [[Giovanni Villani]], [[Matteo Villani]], [[Matthäus von Paris]], [[Salimbene von Parma]] u.v.a. zu nennen, die also überwiegend aus dem weltlichen Bereich stammen. Gerade die Chroniken der Städte gewannen an Bedeutung. Nicht unerwähnt bleiben soll der [[Venetianer]] [[Marco Polo]], der als der erste Reiseberichterstatter gilt. |
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=== Hauptcharakteristik der Geschichtsschreibung === |
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Im [[Byzantinisches Reich|byzantinischen Kaiserreich]] ist es nicht so, dass wie im lateinischen Westen der Adel häufig des Lesens und Schreibens unkundig war. Wir haben dort Quellen, die nicht von Geistlichen verfaßt werden. Beispielsweise schrieb in der [[Spätantike]] [[Prokopios von Cäsarea]] ein umfassendes Werk über die Regierungszeit [[Justinian I.|Justinians I.]] Später verfasste [[Anna Komnene]], die Tochter Kaiser [[Alexios I.]], eine Geschichte ihres Vaters in ihrer Gefangenschaft unter Kaiser [[Manuel I.]] Wichtig ist uns diese Quelle als Zeugnis für den [[Erster Kreuzzug| Ersten Kreuzzug]], wie die [[Lateiner]] in [[Konstantinopel]] ankamen, welche Probleme während ihres Aufenthaltes in [[Konstantinopel]] auftraten und wie Alexios damit fertig wurde. Diese hat neben der Beschreibung der als [[Franken]] bezeichneten Lateiner verherrlichende Züge für ihren Vater. Sie ist keine Ausnahme wie beispielsweise an [[Georgios Sphrantzes]], [[Michael Psellos]] oder [[Niketas Choniates]] gezeigt werden kann. |
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[[Bild:Barthold Georg Niebuhr.jpg|mini|[[Barthold Georg Niebuhr]]]] |
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Die Geschichte als wissenschaftliche Disziplin beginnt sich mit den [[Preußische Reformen|preußischen Reformen]] im Jahre 1810 unter [[Wilhelm von Humboldt]] zu etablieren für die Einführung solcher wissenschaftlich-systematischer Kategorien. Das wissenschaftliche Konzept nennt man auch [[Historismus (Geschichtswissenschaft)|Historismus]]. [[Barthold Georg Niebuhr]] setzt in seiner ''Römischen Geschichte'' von 1812 erstmals dieses wissenschaftliche Konzept um. Unverkennbar steht das im Zusammenhang mit der Reorganisation des preußischen Staatswesens mit einer antinapoleonischen Zielstellung. [[Leopold von Ranke]] entwickelt etwas später eine [[Quellenkritik|quellenkritische]] Methode zur Geschichtsschreibung, die die erzählende Methode aus dem Zeitalter der [[Aufklärung]] mit der neuen quellenkritischen Methode, die die Geschichte auf die Grundlage der überlieferten Quellen stellt, verbindet. Letztere hat allerdings das Primat. |
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Eine ansatzweise auf wissenschaftlichen Grundlagen betriebene Geschichtsschreibung läßt sich wohl erst seit dem 15. Jahrhundert bei den italienischen Humanisten feststellen. Zu denen zählen wir [[Enea Silvio de' Piccolomini]], von dem wir u.a. eine Geschichte Böhmens besitzen bzw. [[Flavio Biondo]], dessen Bücher über die Topographie des antiken Roms. Im 16. Jahrhundert verdienen die ''Discorsi'' und ''Fürst'' [[Niccolo Machiavelli]] nicht nur als philosophische Anleitungen für die Leitung eines Staates, sondern durch ihre historische Begründung auch in historiographischer Hinsicht berücksichtigt zu werden. |
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[[Bild:Theodor Mommsen by Ludwig Knaus (1881).jpg|mini|Theodor Mommsen]] |
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Auch die Reformationszeit hat eine zeitgenössische Geschichtsschreibung. Zur [[Reformation]] insbesondere zu [[Martin Luther]] schrieben u.a. [[Johannes Sleidanus]], [[Johann Mathesius]] oder auch [[Johannes Cochläus]]. Die Geschichtsschreibung dieser Zeit ist nicht selten sehr polemisch und zugunsten oder ungunsten reformatorischer Strömungen. Das Urteil der späteren katholischen Geschichtsschreibung bezieht sich jahrhundertelang auf eine Lutherbiographie von Cochläus: ''Historia Ioannis Cochlaei de actis et scriptis Martini Lutheri Saxonis : chronographice ex ordine ab anno domini M.D.XVII. vsq. ad annum M.D.XLVI inclusine, fideliter descripta et ad posteros denarrata. - Colonia : Baumius, 1568'', wie erst im 20. Jahrhundert [[Adolf Herte]] feststellte. |
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Die [[Geschichtswissenschaft]] hat selbst keine literarische Aufgabe, aber auch eine gute Wissenschaftsprosa kann in weiten Kreisen Anerkennung finden. Im Jahre 1902 erhielt [[Theodor Mommsen]] für seine ''Römische Geschichte'' sogar den [[Nobelpreis für Literatur]]. |
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Im Wesentlichen war die Geschichtsschreibung lange Zeit primär Personen- und Staatengeschichte. „Männer machen die Geschichte“, wie einst [[Heinrich von Treitschke]] sagte. Die Kulturgeschichte oder auch Sozial- und Wirtschaftsgeschichte wird in der zünftigen deutschen Geschichtswissenschaft als sekundär aufgefasst, abgesehen von [[Johannes Janssen (Historiker)|Johannes Janssen]], der die sozialen Folgen der [[Reformation]] betont. Jedoch kommen hier konfessionelle Besonderheiten zum Tragen. |
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Seit [[Cellarius]] ([[1638]] – [[1707]]) finden wir eine Unterteilung der Geschichte Europas und des Mittelmeerraums in historisch datierbare Zeiträume von [[Alte Geschichte|Alter Geschichte]], Mittelalterlicher Geschichte und Neuerer Geschichte. Tatsächlich wird damit eine wesentliche methodische Voraussetzung geschaffen für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der Geschichte. |
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Es kommt Ende des 19. Jahrhunderts auch zu einem [[Karl Lamprecht#Methodenstreit der Geschichtswissenschaft|Methodenstreit]] mit [[Karl Lamprecht]], für den Personen und Staaten sekundär sind, während die kultur- und sozialgeschichtlichen Prozesse das Primäre sind. Wie sehr Lamprechts Auffassungen an den Grundlagen bisheriger Geschichtsdarstellung rütteln, zeigt sich an den Reaktionen seiner Gegner, die ihn des [[Positivismus]] und [[Materialismus]] bezichtigen. Das kommt auch daher, als ein Band seiner ''[[Geschichte Deutschlands|Deutschen Geschichte]]'' von dem sozialdemokratischen Historiker [[Franz Mehring]] positiv rezensiert wird. |
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==18. Jahrhundert== |
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Wir finden erst seit dem 18. Jahrhundert Geschichte als Bestandteil akademischer Lehre vor. Es fehlt für die Geschichte bis dahin noch ein institutionalisierter Rahmen um zur Wissenschaft werden zu können. |
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[[Bild:Karl Lamprecht.jpg|mini|Karl Lamprecht]] |
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Im 18. Jahrhundert hält man die [[Philosophie]] für die entscheidende Wissenschaft, mit der man die Geschichte, die man als [[Universalgeschichte]] begreift, erklären will. [[Friedrich von Schiller]] in seiner Antrittsvorlesung in [[Jena]] stellt hier die Frage: ''Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?'' Wesentlich ist dabei im gesamten universitären "Lehrgebäude" damit eine veränderte Stellung zur [[Theologie]], welche jahrhundertelang als die höchste Wissenschaft angesehen wurde. Tatsächlich sind bis dahin theologische Gesichtspunkte in der Geschichtsschreibung von entscheidender Bedeutung. Man denkt hinsichtlich einer [[Geschichtsphilosophie]] noch verstärkt in ästhetischen Kategorien. Die Kulturgeschichtsschreibung dieser Zeit ist unverkennbar davon gekennzeichnet. Die Geschichte wird einem philosophischen Vernunftbegriff untergeordnet. Die Entwicklung der Geschichte deutet man meistens [[teleologisch]]. Das bedeutet, daß man meint, die Geschichte habe ein Entwicklungsziel. Man deutet die Geschichte auf der Grundlage eines Vernunftbegriffes. Namentlich die Geschichtsschreibung in der Zeit der [[Spätaufklärung]] ist hiervon geprägt. Der Vernunftbegriff ist untrennbar mit dem Namen des [[Philosoph| Philosophen]] [[Immanuel Kant]] verbunden. Dieser wiederum ist für die Aufklärung insgesamt von außerordentlicher Bedeutung. Zu den wichtigsten Vertretern dieser Zeit gehören [[August Ludwig Schlözer]], [[Justus Möser]], [[Johann Joachim Winckelmann]], der als Begründer der Klassischen Archäologie gilt (Winckelmann versucht als erster die griechische Kunst in einen kulturgeschichtlichen Zusammenhang zu stellen. Sein Ansatz ist primär ein kunsthistorischer), [[Friedrich A. Wolf]] (versucht als Erster einen kulturgeschichtlichen Ansatz für das klassische Altertum, der eher philologisch orientiert ist), der strenggenommen der eigentliche Begründer der Klassischen Altertumswissenschaft ist, wenn man den [[Italiener]] [[Flavio Biondo]] im 15. Jahrhundert einmal wegläßt, der bald nach seinem Tode vergessen wurde, und erst durch [[Georg Voigt]] und seine Schule (z.B. [[Alfred Masius]]) eingehender gewürdigt wurde, Friedrich von Schiller und [[Johann Gottfried Herder]]. Nicht weniger wichtig für die Geschichtsschreibung selbst sind einerseits aufgeklärte Monarchen wie König [[Friedrich II. von Preußen]] oder Kaiserin [[Katharina II.]] von [[Rußland]]. Schließlich müssen hier auch die französischen Aufklärer wie [[Diderot]], [[Voltaire]] und [[Montesquieu]] genannt werden. |
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Zu den entschiedensten Gegnern Lamprechts zählen [[Georg von Below]], [[Felix Rachfahl]], [[Heinrich Rickert (Philosoph)|Heinrich Rickert]] und [[Max Lenz]]. Die Auseinandersetzungen trugen dabei nicht selten das Gepräge offener Feindseligkeit, bei denen die eigentliche Diskussion zurücktrat. Einzelne Debatten wie zwischen [[Dietrich Schäfer]] und [[Eberhard Gothein]], die sich vorher abspielten, erlangten nicht diese grundsätzliche Schärfe. Im Grunde stellte die Naturwissenschaft, die eine generische Methode hat, die deskriptive Methode, wie sie in der Geschichtswissenschaft angewandt wird, infrage. [[Luise Schorn-Schütte]] spricht in diesem Zusammenhang von der „Krise der Geschichtswissenschaft“. |
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Das bedeutet allerdings nicht, dass in Deutschland keine Wirtschafts- und Sozialgeschichte betrieben worden sei. Es gab seit ca. 1850 die [[Historische Schule der Nationalökonomie]] mit Gelehrten wie [[Gustav von Schmoller (Ökonom)|Gustav von Schmoller]]. Sie beschäftigte sich auch ausdrücklich mit sozialen Fragen und bemühte sich um praxisnahe Wissenschaft für die Lösung der Probleme der Zeit. |
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Insgesamt hat hier noch die erzählende Funktion der Geschichte gegenüber der wissenschaftlichen quellenmäßigen Neuerkenntnis den Primat. Es ist unverkennbar, daß die Geschichtswissenschaft, wie sie sich im Laufe des 19. Jahrhunderts als eigenständige wissenschaftliche Disziplin herausbildet, in der [[Aufklärung]] ihren Vorläufer und ihre Wurzeln hat. Bisher betrachtet man Geschichte als Teil der Rechts- oder Staatswissenschaften oder der Philosophie. Eine [[historische Rechtsschule]] im Sinne einer Geschichtsphilosophie gibt es erst mit [[Friedrich Carl von Savigny]] und [[Karl Friedrich Eichhorn]] zum beginnenden 19. Jahrhundert. |
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Die bisherige Methode der Geschichtsschreibung trug den neuen sozialen Anforderungen der [[Industrialisierung]] nicht entsprechend Rechnung. Lamprecht suchte nach entsprechenden methodischen [[Alternative|Alternativen]]. Er wollte, unter dem Einfluss des [[Psychologe|Psychologen]] [[Wilhelm Wundt]] und dessen [[Völkerpsychologie]], die Kulturzeitalter von der psychischen Beschaffenheit des Volkes abhängig machen. Daraus entwickelte er seine Theorie der [[Psychogenese]]. Auch wenn allgemein der Zustand der Volksseele berücksichtigt wird, so verwirft man in der Regel Lamprechts Ansatz für die Universalgeschichtsschreibung. |
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==19. Jahrhundert== |
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[[Bild:Jules Michelet par Thomas Couture.jpg|mini|Jules Michelet]] |
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===Hauptcharakteristik der Geschichtsschreibung 19. Jahrhundert=== |
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In den anderen Staaten Westeuropas und in den Vereinigten Staaten von Amerika kann man einen analogen Prozess beobachten. Auch hier wurde zunächst Staatengeschichte geschrieben. Für Frankreich sind beispielsweise die Namen [[Alexis de Tocqueville]], [[Adolphe Thiers]] und [[Jules Michelet]] zu nennen, für England [[Thomas Macaulay, 1. Baron Macaulay|Thomas Babbington Macaulay]]. Allerdings im Unterschied zur deutschen Geschichtswissenschaft wurde der methodologische Ansatz von Karl Lamprecht positiver aufgenommen, weil seine Geschichtsauffassung die Entwicklung der sozialen Verhältnisse stärker berücksichtigt, als es sonst in der deutschen Geschichtswissenschaft der Fall ist. Im Westen suchte man auf solche Fragen verstärkt Antworten. Nicht zufällig studierten besonders viele ausländische Studenten in Leipzig bei Lamprecht. Sehr viel stärker wirkte in der westlichen Geschichtsschreibung die philosophische Auffassung des [[Positivismus]] ([[Auguste Comte]], [[Henry Thomas Buckle]]), welche in der deutschen Geschichtsschreibung weitgehend abgelehnt wurde, Karl Lamprecht ausgenommen. |
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=== Institutionen === |
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Die Geschichte als wissenschaftliche Disziplin beginnt sich mit den preußischen Reformen im Jahre 1810 unter [[Wilhelm von Humboldt]] zu etablieren für die Einführung solcher wissenschaftlich-systematischer Kategorien. Das wissenschaftliche Konzept nennt man auch [[Historismus]]. [[Barthold Georg Niebuhr]] setzt in seiner ''Römischen Geschichte'' von 1812 erstmalig dieses wissenschaftliche Konzept um. Unverkennbar steht das im Zusammenhang mit der Reorganisation des preußischen Staatswesens mit einer antinapoleonischen Zielstellung. [[Leopold von Ranke]] entwickelt etwas später eine quellenkritische Methode zur Geschichtsschreibung, die eine Verbindung herstellt zwischen der erzählenden Methode, wie wir sie seit der [[Aufklärung]] kennen und der neuen quellenkritischen Methode, die die Geschichte auf die Grundlage der überlieferten Quellen stellt. Letztere hat allerdings das Primat. Die literarische Aufgabe der Geschichtsschreibung insgesamt wird nicht zwingend infragegestellt. So ist es nicht zufällig, daß im Jahre [[1902]] [[Theodor Mommsen]] für seine "Römische Geschichte" den Nobelpreis für Literatur erhält. |
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[[Datei:Maison des sciences de l'homme, 54 boulevard Raspail, Paris 6e 1.jpg|mini|Die Elite-Hochschule [[École des hautes études en sciences sociales]] (EHESS) in [[Paris]] zählt als wichtigste zeitgenössische Vertreterin der [[Annales-Schule]] ]] |
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Im wesentlichen ist die Geschichtsschreibung die primäre Personen- und Staatengeschichte. "Männer machen die Geschichte", wie einst [[Heinrich von Treitschke]] sagte. Die Kulturgeschichte oder auch Sozial- und Wirtschaftsgeschichte wird in der zünftigen deutschen Geschichtswissenschaft als sekundär aufgefaßt, wenn wir [[Johannes Janssen]] einmal ausnehmen, der gerade die sozialen Folgen der [[Reformation]] betont. Jedoch kommen hier konfessionelle Besonderheiten zum tragen. Es kommt Ende des 19. Jahrhunderts auch zu einem [[Methodenstreit]] mit [[Karl Lamprecht]], für den Personen und Staaten sekundär sind, während die kultur- und sozialgeschichtlichen Prozesse das Primäre sind. Wie sehr Lamprechts Auffassungen an die Grundlagen bisheriger Geschichtsdastellung rütteln, zeigt sich an den Reaktionen seiner Gegner, die ihm auch des [[Positivismus]] und [[Materialismus]] bezichtigen. Das kommt auch daher, als ein Band seiner ''[[Deutsche Geschichte |Deutschen Geschichte]]'' von dem sozialdemokratischen Historiker [[Franz Mehring]] positiv rezensiert wird. Zu seinen entschiedendsten Gegnern zählen [[Georg von Below]], [[Felix Rachfahl]], [[Heinrich Rickert]] und [[Max Lenz]]. Die Auseinandersetzungen tragen dabei nicht selten das Gepräge offener Feindseligkeit, bei denen die eigentliche Diskussion zurücktritt. Einzelne Streits wie zwischen [[Dietrich Schäfer]] und [[Eberhard Gothein]], die sich vorher abspielten, erlangten nicht diese grundsätzliche Schärfe. Im Grunde stellte die Naturwissenschaft, die eine generische Methode hat, die deskriptive Methode, wie sie in der Geschichtswissenschaft angewandt wird, infrage. Man nennt das auch die "Krise der Geschichtswissenschaft", so jedenfalls ist bei [[Luise Schorn-Schütte]] zu finden. Lamprecht versucht unter dem Einfluß des [[Psychologe| Psychologen]] [[Wilhelm Wundt]] und dessen [[Völkerpsychologie]] die Kulturzeitalter von der psychischen Beschaffenheit des Volkes abhängig zu machen und entwickelt daraus seine Theorie der [[Psychogenese]]. Auch wenn allgemein der Zustand der Volksseele anerkannt wird als zu berücksichtigenden Faktor, so verwirft man in der Regel Lamprechts Ansatz für die Universalgeschichtsschreibung. |
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[[Bild:MPIER2.jpg|mini|Ehemaliges Gebäude des [[Max-Planck-Institut für Sozialwissenschaften|Max-Planck-Instituts]] für europäische Rechtsgeschichte, [[Frankfurt am Main]]]] |
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Insgesamt vollzieht sich ein Wandel auch an den Universitäten, wo bislang die Geschichte im Rahmen der Philosophie und der Rechtswissenschaft gelehrt wird, hin zur Herausbildung einer eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin. Das betrifft zum einen die Herausbildung von institutionellen Strukturen wie auch den Professionalisierungsprozess an sich, der sich in der Ausprägung der Ausbildung von Fachhistorikern und Lehrern äußert. In Deutschland vollzieht sich dieser Prozess einer [[Institutionalisierung]] bereits zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in den USA und Frankreich bereits Mitte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In Großbritannien dagegen kommt es erst kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts dazu. |
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In den anderen Staaten Westeuropas einschließlich den Vereinigten Staaten von Amerika können wir einen analogen Prozeß beobachten. Auch hier wird zunächst Staatengeschichte geschrieben. Für Frankreich wollen wir hier einmal beispielsweise die Namen nennen [[Alexis de Tocqueville]], [[Adolphe Thiers]] und [[Jules Michelet]]. Für England nennen wir hierbei [[Thomas Babbington Macaulay]]. Allerdings im Unterschied zur deutschen Geschichtswissenschaft wird der methodologische Ansatz von Karl Lamprecht positiv aufgenommen. Das wiederum hat seine Ursachen, weil seine Geschichtsauffassung die Entwicklung der sozialen Verhältnisse stärker berücksichtigt als es sonst in der deutschen Geschichtswissenschaft der Fall ist. Im Westen sucht man auf solche Fragen verstärkt Antworten. Nicht zufällig studieren besonders viele ausländische Studenten in Leipzig bei Lamprecht. Sehr viel stärker wirkt in der westlichen Geschichtsschreibung die philosophische Auffassung des [[Positivismus]] ([[Auguste Comte]], [[Henry Thomas Buckle]]), welche in der deutschen Geschichtsschreibung weitgehend abgelehnt wird, wenn wir von Karl Lamprecht einmal absehen. |
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Neben dem Ausbau der universitären Lehrstühle wurden weitere Institutionen gegründet, beispielsweise die [[Monumenta Germaniae Historica]] (1819) oder die [[Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien]] (1951). |
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===Institutionen=== |
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== 20. Jahrhundert == |
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Insgesamt vollzieht sich ein Wandel auch an den Universitäten, wo bislang die Geschichte in Rahmen der Philosophie und der Rechtswissenschaft gelehrt wird hin zur Herausbildung einer eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin. Das betrifft zum einen die Herausbildung von institutionellen Strukturen wie auch den Professionalisierungsprozeß an sich, der sich in der Ausprägung der Ausbildung von Fachistorikern und Lehrern äußert. In Deutschland vollzieht sich dieser Prozeß bereits zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In den USA und Frankreich bereits Mitte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In Großbritannien dagegen erst kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts. |
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Im beginnenden zwanzigsten Jahrhundert kommt es zu einer verstärkten Hinwendung zur Kultur-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, ohne allerdings die politische Geschichte zu vernachlässigen. Das geschieht unter maßgebendem Einfluss von [[Karl Lamprecht]] und dem Begründer der [[Soziologie]] [[Max Weber]]. Sozialgeschichte befasste sich anfänglich vor allem mit den Strukturen der Gesellschaft. Von dieser ausgehend kommt es zur Herausbildung einer historischen Sozialwissenschaft. Das bedeutet eine verstärkte Verbindung von Geschichtswissenschaft und Soziologie. Die Letztere Grundlagendisziplin erfährt hierbei eine deutliche Aufwertung. |
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Zu den bedeutendsten deutschen Vertretern der Sozialgeschichte nach 1945 gehören [[Werner Conze]], [[Jürgen Kocka]], [[Wolfgang Köllmann]], [[Reinhart Koselleck]], [[Thomas Nipperdey]] und [[Hans-Ulrich Wehler]]. Weiterhin muss hier die [[Annales-Schule]] der französischen Geschichtswissenschaft genannt werden, welche eine Strömung darstellt, die versucht, Methoden benachbarter Disziplinen wie der Soziologie oder [[Geographie]] in die Geschichtsbetrachtung zu integrieren. Ihre wichtigsten Vertreter sind [[Lucien Febvre]], [[Marc Bloch]], [[Fernand Braudel]], [[Philippe Ariès]] und [[Jacques Le Goff]], welche jeweils alle eng mit der späteren [[École des hautes études en sciences sociales]] (EHESS) in [[Paris]] verbunden waren. In der marxistischen Literatur, etwa bei [[Jürgen Kuczynski]], wird der sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekt ohnehin besonders betont, weil die Frage nach den Produktionsverhältnissen von außerordentlicher Bedeutung ist. Später, in den 1980er Jahren kommt es zu einer deutlichen Akzentverschiebung hin zur [[Alltagsgeschichte]]. |
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==20. Jahrhundert== |
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Seitens der amerikanischen Sozialgeschichtsforschung ging man seit den beginnenden 1980er Jahren dazu über, zu Einzelaspekten der jüngeren Alltagsgeschichte mündliche Quellen damit zu „erschaffen“, dass man Zeitzeugen ohne Beeinflussung reden lässt und die Bandaufnahmen transkribiert ([[Oral History]]). |
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Im beginnenden zwanzigsten Jahrhundert kommt es allerdings zu einer verstärkten Hinwendung zur Kultur, -Wirtschafts- und Sozialgeschichte, ohne allerdings die politische Geschichte zu vernachlässigen. Das geschieht unter maßgebenden Einfluß von [[Karl Lamprecht]] und dem Begründer der [[Soziologie]] [[Max Weber]]. Zunächst müssen wir für die weitere Entwicklung sagen, daß zunächst Sozialgeschichte sich mit den Strukturen der Gesellschaft befaßt. Später, in den 1980er Jahren kommt es zu einer deutlichen Akzentverschiebung, die sich mit Alltagsgeschichte stärker befaßt. Von dieser ausgehend kommt es zur Herausbildung einer historischen Sozialwissenschaft. Das bedeutet eine verstärkte Verbindung von Geschichtswissenschaft und Soziologie. Die letztere Grundlagendisziplin erfährt hierbei eine deutliche Aufwertung. In der marxistischen Literatur wird der sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekt ohnehin besonders betont, weil die Frage nach den Produktionsverhältnissen von außerordentlicher Bedeutung ist. Seitens der amerikanischen Sozialgeschichtsforschung ging man seit den beginnenden 1980er Jahren dazu über, auch zu Einzelaspekten der jüngeren Alltagsgeschichte auch mündliche Quellen, also Informationen durch gezieltes Befragen von Personen, zu sammeln und auszuwerten. Diese Methode ist als "oral history" in die Geschichte der Geschichtswissenschaft eingegangen. Inszwischen ist sie weltweit verbreitet. Zu den bedeutendsten deutschen Historikern dieser Zeit gehören [[Thomas Nipperdey]] und [[Hans-Ulrich Wehler]]. Ebenfalls in den 1980er Jahren kam es zum sogenannten "[[paradigm breakdown]]" (deutsch [[Paradigmenwechsel]]) bzw. zum "[[linguistic turn]]" in den [[Sozialwissenschaften]]. Unter dem Einfluß des [[Postmodernismus]] bzw. des [[Poststrukturalismus]] kam es zu einer Abkehr von dem Anspruch, historische Wahrheiten "hinter" [[Sprache]] und [[Diskurs]] zu entdecken. man wandte sich statt dessen dem [[Diskurs]] selbst, als Ausdruck sozialer Bedeutung zu. Als Wegbereiter dieses Ansatzes können Michel [[Foucault]] sowie der Geschichtstheoretiker [[Hayden White]] gelten. Infolgedessen traten eine Vielzahl neuer Fragestellungen und Methoden auf, so z.B die [[Neue Kulturgeschichte]], die [[historische Anthropologie]], die [[Mikrogeschichte]] sowie die Frauen- und Geschlechtergeschichte (im Rahmen der [[Gender Studies]]). |
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Ebenfalls in den 1980er Jahren kam es zum sogenannten ''paradigm breakdown'' (deutsch [[Paradigmenwechsel]]) bzw. zum [[Linguistische Wende|''linguistic turn'']] in den [[Sozialwissenschaften]]. Unter dem Einfluss des [[Postmoderne|Postmodernismus]] bzw. des [[Poststrukturalismus]] kam es zu einer Abkehr von dem Anspruch, historische Wahrheiten „hinter“ [[Sprache]] und [[Diskurs]] zu entdecken. Man wandte sich stattdessen dem Diskurs selbst als Ausdruck sozialer Bedeutung zu. Als Wegbereiter dieses Ansatzes können [[Michel Foucault]] sowie der Geschichtstheoretiker [[Hayden White]] gelten. Infolgedessen traten eine Vielzahl neuer Fragestellungen und Methoden auf, so z. B. die [[Neue Kulturgeschichte]], die [[Historische Anthropologie]] und die [[Mikrogeschichte]] sowie [[Frauengeschichte]] und Geschlechterforschung im Rahmen der [[Gender Studies]]. |
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Die Ereignisse des 2. Weltkrieges führen in den 1980er Jahren in der deutschen Geschichtswissenschaft zu einem sogenannten [[Historikerstreit]], der hauptsächlich zwischen [[Jürgen Habermas]], [[Ernst Nolte]] und [[Michael Stürmer]] ausgetragen wird. Hier stehen Fragen der Vergangenheitsbewältigung und der Aufarbeitung der Vergangenheit des [[Nationalsozialismus]] oder dessen [[Revisionismus]] zur Debatte. Sehr deutlich zeigt sich hier die große Schwierigkeit der Geschichtswissenschaft das Phänomen [[Nationalsozialismus]] wissenschaftlich und methodische aufzuarbeiten, ohne daß Vorwürfe wie "Geschichtsrevisionismus" oder Ähnliches laut werden. Das betrifft im besonderem Maße die Problematik des [[Holocaust| Holocaustes]]. |
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Auch die Bereiche der [[Alte Geschichte|Alten Geschichte]], der [[Mediävistik]] und die Geschichte der [[Frühe Neuzeit|Frühen Neuzeit]] blieben wichtige Betätigungsfelder der Geschichtswissenschaft, wobei ein breites Interesse der Öffentlichkeit für die Geschichte des Mittelalters festzustellen ist (wenn auch oft durch populäre Vorstellungen verzerrt). Als neues Forschungsgebiet der Mittelalterkunde entstand seit den [[1960er|sechziger Jahren]] die [[Personenforschung]] der „Freiburger Schule“, ausgehend von [[Gerd Tellenbach]] vor allem durch [[Karl Schmid (Mediävist)|Karl Schmid]] und [[Joachim Wollasch]], die sich in erster Linie mit der bis dahin arg vernachlässigten [[Quelle (Geschichtswissenschaft)|Quellengattung]] der [[Memorialüberlieferung]] befasst. |
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Ab den 1990er Jahren spricht man |
Ab den 1990er Jahren spricht man statt von [[Weltgeschichte]] immer stärker von Globalgeschichte oder Global History, mit dem Ziel, den nationalstaatlichen Habitus, der der Weltgeschichtsschreibung anhafte, durch eine veränderte Perspektive zu überwinden. Dieses Ziel verfolgt auch die [[Transnationale Geschichte]] oder die [[Histoire croisée]] bzw. [[Entangled history]]. |
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'''Zur Geschichte in der Volkstumsforschung und im Nationalsozialismus''': |
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* [[Aktion Ritterbusch]], [[Ostforschung]] |
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'''Zu einzelnen Auseinandersetzungen in der Geschichtswissenschaft''': |
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''siehe:'' [[Geschichtsbild]], [[Geschichtswissenschaft]], [[Geschichtsphilosophie]], [[Universalgeschichte]] |
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* [[Fischer-Kontroverse]], [[Historikerstreit]], [[Neue israelische Historiker]] |
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== Siehe auch == |
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* [[Frauengeschichte]] |
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* [[Geschichtsbild]] |
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* [[Geschichtsphilosophie]] |
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* [[Kirchengeschichte]] |
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* [[Sozialgeschichte]] |
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* [[Theorie der Geschichte]] |
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* [[Weltgeschichte]] |
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* [[Nationalgeschichte]] |
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== Literatur == |
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* Adolf Herte, Die Lutherkommentare des Johannes Cochläus : kritische Studie zur Geschichtsschreibung im Zeitalter der Glaubensspaltung, Münster i.W. 1935. |
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* Horst Walter Blanke: ''Historiographiegeschichte als Historik''. Stuttgart 1991. |
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* Ernst Schaumkell, Geschichte der deutschen Kulturgeschichtsschreibung von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Romantik im Zusammenhange mit der allgemeinen geistigen Entwicklung, Leipzig 1905. |
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* |
* [[Roger Chickering]]: ''Karl Lamprecht. A German Academic Life''. Atlantic Highlands (New Jersey) 1993. |
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* [[Sebastian Conrad]]: ''Auf der Suche nach der verlorenen Nation. Geschichtsschreibung in Westdeutschland und Japan 1945–1960''. Göttingen 1999. |
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* Horst Walter Blanke, Historiographiegeschichte als Historik, Stuttgart 1992. |
|||
* Christoph Conrad, Sebastian Conrad (Hrsg.): ''Die Nation schreiben. Geschichtswissenschaft im internationalen Vergleich''. Göttingen 2002 ({{Digitalisat|http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00044533_00001.html}}). |
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* Georg Iggers, Die Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, Göttingen 1992. |
|||
*[[Andreas W. Daum]], Hartmut Lehmann, James J. Sheehan (Hrsg.): ''The Second Generation. Émigrés from Nazi Germany as Historians''. Berghahn Books, New York 2016, ISBN 978-1-78238-985-9. |
|||
* Roger Chickering, Karl Lamprecht. A German Akademic Life, Jew Jersey 1993. |
|||
* [[Johann Gustav Droysen]]: ''Grundriß der Historik''. Leipzig 1868. |
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* Luise Schorn-Schütte, Karl Lamprecht: Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik, Göttingen 1994. |
|||
* [[Heinz Duchhardt]], [[Gerhard May (Theologe)|Gerhard May]] (Hrsg.): ''Geschichtswissenschaft um 1950''. Mainz 2002. |
|||
* Hans Schleier, Geschichte der deutschen Kulturgeschichtsschreibung, Bd. I (2 Teile): Vom Ende des 18. bis Ende des 19. Jahrhunderts, Waltrop 2003. |
|||
* [[Jan Eckel]], Thomas Etzemüller (Hrsg.): ''Neue Zugänge zur Geschichte der Geschichtswissenschaft''. Göttingen 2007. |
|||
* Georg Iggers, Deutsche Geschichtswissenschaft. Eine Kritik der traditionellen Geschichtsauffassung von Herder bis zur Gegenwart, 3. Aufl., Wien-Köln-Weimar 1997. |
|||
* [[Bernd Faulenbach]] (Hrsg.): ''Geschichtswissenschaft in Deutschland.'' München 1974. |
|||
* Friedrich Jaeger und Jörn Rüsen, Geschichte des Historismus, München 1992. |
|||
* Alexander Fischer, [[Günther Heydemann]] (Hrsg.): ''Geschichtswissenschaft in der DDR''. 2 Bände. Berlin 1988/90. |
|||
* Hans-Ulrich Wehler, Entsorgung der deutschen Vergangenheit? : Ein polem. Essay zum "Historikerstreit" , München 1988. |
|||
* [[Eduard Fueter senior|Eduard Fueter]]: ''Geschichte der neueren Historiographie.'' 3. Auflage. Zürich 1985. |
|||
* Horst Walter Blanke, Historiographiegeschichte als Historik, Stuttgart 1991. |
|||
* [[Ewald Grothe]]: ''Zwischen Geschichte und Recht. Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900–1970.'' München 2005. |
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* Eduard Fueter, Geschichte der neueren Historiographie, 3. um e. Nachtrag vermehrte. Aufl., (reprographischer Nachdruck der. 3. Aufl. München 1936) Zürich [u.a.] 1985. |
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* Günter Johannes Henz: ''Leopold von Ranke in Geschichtsdenken und Forschung''. 2 Bände. Berlin 2014. |
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* Günther Heydemann: ''Geschichtswissenschaft im geteilten Deutschland. Entwicklungsgeschichte, Organisationsstruktur, Funktionen, Theorie- und Methodenprobleme in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR''. Frankfurt am Main 1980. |
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* Bettina Hitzer, Thomas Welskopp (Hrsg.): ''Die Bielefelder Sozialgeschichte. Klassische Texte zu einem geschichtswissenschaftlichen Programm und seinen Kontroversen''. Bielefeld 2010. |
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* [[Georg Iggers|Georg G. Iggers]]: ''Deutsche Geschichtswissenschaft. Eine Kritik der traditionellen Geschichtsauffassung von Herder bis zur Gegenwart''. 3. Auflage. Köln/Weimar/Wien 1997. |
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* Georg G. Iggers: ''Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein kritischer Überblick im internationalen Zusammenhang''. Göttingen 2007 ({{Digitalisat|http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00052968_00001.html}}). |
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* Friedrich Jaeger, [[Jörn Rüsen]]: ''Geschichte des Historismus''. München 1992. |
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* Tobias Kaiser, Steffen Kaudelka, [[Matthias Steinbach]] (Hrsg.): ''Historisches Denken und gesellschaftlicher Wandel. Studien zur Geschichtswissenschaft zwischen Kaiserreich und deutscher Zweistaatlichkeit''. Berlin 2004. |
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* [[Ilko-Sascha Kowalczuk]] (Hrsg.): ''Paradigmen deutscher Geschichtswissenschaft. Ringvorlesung an der Humboldt-Universität zu Berlin''. Berlin 1994. |
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* Ilko-Sascha Kowalczuk: ''Legitimation eines neuen Staates. Parteiarbeiter an der historischen Front. Geschichtswissenschaft in der SBZ/DDR 1945 bis 1961.'' Ch. Links, Berlin 1997. |
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* [[Gabriele Lingelbach]]: ''Klio macht Karriere. Die Institutionalisierung der Geschichtswissenschaft in Frankreich und in den USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts''. Göttingen 2002 ({{Digitalisat|http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00052989_00001.html}}). |
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* [[Otto Gerhard Oexle]]: ''Geschichtswissenschaft im Zeichen des Historismus. Studien zu Problemgeschichten der Moderne''. Göttingen 1996 ({{Digitalisat|http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00045805_00001.html}}). |
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* [[Ulrich Pfeil]] (Hrsg.): ''Das Deutsche Historische Institut Paris und seine Gründungsväter. Ein personengeschichtlicher Ansatz''. München 2007. |
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* Ulrich Pfeil (Hrsg.): ''Die Rückkehr der deutschen Geschichtswissenschaft in die „Ökumene der Historiker“. Ein wissenschaftsgeschichtlicher Ansatz''. München 2008 ({{Digitalisat|http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00044533_00001.html}}). |
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* [[Karl Heinrich Pohl]] (Hrsg.): ''Historiker in der DDR''. Göttingen 1997 ({{Digitalisat|http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00048252_00001.html}}). |
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* [[Lutz Raphael]]: ''Die Erben von Bloch und Febvre. Annales-Geschichtsschreibung und nouvelle histoire in Frankreich 1945–1980''. Stuttgart 1994. |
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* Lutz Raphael: ''Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart''. München 2003. |
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* Pietro Rossi (Hrsg.): ''Theorie der modernen Geschichtsschreibung''. Frankfurt am Main 1987. |
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* [[Hans Schleier]]: ''Geschichte der deutschen Kulturgeschichtsschreibung''. Band 1: ''Vom Ende des 18. bis Ende des 19. Jahrhunderts''. Waltrop 2003. |
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* Hans Schleier (Hrsg.): ''Karl Lamprecht. Alternative zu Ranke''. Leipzig 1988. |
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* [[Luise Schorn-Schütte]]: ''Karl Lamprecht. Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik''. Göttingen 1994. |
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* [[Peter Schöttler]] (Hrsg.): ''Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918–1945''. Frankfurt am Main 1997. |
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* Peter Schöttler: ''Die „Annales“-Historiker und die deutsche Geschichtswissenschaft.'' Tübingen 2015. |
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* [[Ernst Schulin]] (Hrsg.): ''Deutsche Geschichtswissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg 1945–1965''. München 1989. |
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* [[Winfried Schulze]]: ''Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945''. München 1989. |
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* Winfried Schulze, Otto Gerhard Oexle (Hrsg.): ''Deutsche Historiker im Nationalsozialismus''. Frankfurt am Main 1999. |
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* [[Hans-Ulrich Wehler]]: ''Historische Sozialwissenschaft und Geschichtsschreibung. Studien zu Aufgaben und Traditionen deutscher Geschichtswissenschaft''. Göttingen 1980. |
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== Weblinks == |
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{{Wikisource|Geschichte#Geschichte der Geschichtswissenschaft|Geschichte der Geschichtswissenschaft}} |
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* [http://www.historicum.net/themen/klassiker-der-geschichtswissenschaft/ Klassiker der Geschichtswissenschaft] |
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* [http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/BEITRAG/diskusio/nszeit.htm Historiker in der NS-Zeit - Hitlers willige Helfer?] |
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[[Kategorie:Geschichtswissenschaft]] |
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===Weblinks=== |
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[[Kategorie:Wissenschaftsgeschichte nach Fachgebiet]] |
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*[http://www.klassiker.historicum.net/index.htm Klassiker der Geschichtswissenschaft] |
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*http://www.skeptischeecke.de/Worterbuch/Holocaust__Nationalsozialismus/holocaust__nationalsozialismus.html |
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[[nl:Geschiedenis van de geschiedschrijving]] |
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[[Kategorie: Geschichtswissenschaft]] |
Aktuelle Version vom 7. Januar 2025, 09:30 Uhr
Die Geschichte der Geschichtswissenschaft ist ein Teil der Wissenschaftsgeschichte. Eine Geschichtsschreibung gibt es bereits seit der Antike (siehe Geschichte der Geschichtsschreibung), eine systematische Geschichtswissenschaft allerdings wird erst mit dem 19. Jahrhundert angesetzt.
Einführung
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Es gibt eine lange und vielfältige Tradition von Geschichtsschreibung in verschiedenen Kulturkreisen. Diese Werke waren aber meistens praktischer Natur (z. B. kommentierte Herrscherlisten, astronomische Kalender) oder wurden als eine Gattung der Literatur verfasst und rezipiert. Im Verlauf der Geschichte der Geschichtsschreibung entwickelten einzelne Autoren Ansätze zu einer wissenschaftlichen, methodischen Durchdringung des behandelten Stoffs, auf die spätere Historiker auch zurückgriffen. Eine systematische, allgemein anerkannte wissenschaftliche Methodik entstand aber erst Anfang des 19. Jahrhunderts. Diese Entwicklung verlief nicht gleichförmig, so wurde das Fundament der Quellenkritik für die Altertumswissenschaft bereits in der Renaissance gelegt. Im 19. Jahrhundert entwickelten Wilhelm Wachsmuth und Johann Gustav Droysen die ersten grundlegenden methodischen Anleitungen für ein Geschichtsstudium, die sogenannte Historik. Auch der Institutionalisierungsprozess der Geschichte als akademisches Fach ist im 19. Jahrhundert zu verorten. Anfangs noch Teildisziplin anderer Wissenschaften wie der Rechtswissenschaft, etablierte sich die „Geschichte“ als eigenständige Disziplin.
19. Jahrhundert
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hauptcharakteristik der Geschichtsschreibung
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Die Geschichte als wissenschaftliche Disziplin beginnt sich mit den preußischen Reformen im Jahre 1810 unter Wilhelm von Humboldt zu etablieren für die Einführung solcher wissenschaftlich-systematischer Kategorien. Das wissenschaftliche Konzept nennt man auch Historismus. Barthold Georg Niebuhr setzt in seiner Römischen Geschichte von 1812 erstmals dieses wissenschaftliche Konzept um. Unverkennbar steht das im Zusammenhang mit der Reorganisation des preußischen Staatswesens mit einer antinapoleonischen Zielstellung. Leopold von Ranke entwickelt etwas später eine quellenkritische Methode zur Geschichtsschreibung, die die erzählende Methode aus dem Zeitalter der Aufklärung mit der neuen quellenkritischen Methode, die die Geschichte auf die Grundlage der überlieferten Quellen stellt, verbindet. Letztere hat allerdings das Primat.

Die Geschichtswissenschaft hat selbst keine literarische Aufgabe, aber auch eine gute Wissenschaftsprosa kann in weiten Kreisen Anerkennung finden. Im Jahre 1902 erhielt Theodor Mommsen für seine Römische Geschichte sogar den Nobelpreis für Literatur.
Im Wesentlichen war die Geschichtsschreibung lange Zeit primär Personen- und Staatengeschichte. „Männer machen die Geschichte“, wie einst Heinrich von Treitschke sagte. Die Kulturgeschichte oder auch Sozial- und Wirtschaftsgeschichte wird in der zünftigen deutschen Geschichtswissenschaft als sekundär aufgefasst, abgesehen von Johannes Janssen, der die sozialen Folgen der Reformation betont. Jedoch kommen hier konfessionelle Besonderheiten zum Tragen.
Es kommt Ende des 19. Jahrhunderts auch zu einem Methodenstreit mit Karl Lamprecht, für den Personen und Staaten sekundär sind, während die kultur- und sozialgeschichtlichen Prozesse das Primäre sind. Wie sehr Lamprechts Auffassungen an den Grundlagen bisheriger Geschichtsdarstellung rütteln, zeigt sich an den Reaktionen seiner Gegner, die ihn des Positivismus und Materialismus bezichtigen. Das kommt auch daher, als ein Band seiner Deutschen Geschichte von dem sozialdemokratischen Historiker Franz Mehring positiv rezensiert wird.

Zu den entschiedensten Gegnern Lamprechts zählen Georg von Below, Felix Rachfahl, Heinrich Rickert und Max Lenz. Die Auseinandersetzungen trugen dabei nicht selten das Gepräge offener Feindseligkeit, bei denen die eigentliche Diskussion zurücktrat. Einzelne Debatten wie zwischen Dietrich Schäfer und Eberhard Gothein, die sich vorher abspielten, erlangten nicht diese grundsätzliche Schärfe. Im Grunde stellte die Naturwissenschaft, die eine generische Methode hat, die deskriptive Methode, wie sie in der Geschichtswissenschaft angewandt wird, infrage. Luise Schorn-Schütte spricht in diesem Zusammenhang von der „Krise der Geschichtswissenschaft“.
Das bedeutet allerdings nicht, dass in Deutschland keine Wirtschafts- und Sozialgeschichte betrieben worden sei. Es gab seit ca. 1850 die Historische Schule der Nationalökonomie mit Gelehrten wie Gustav von Schmoller. Sie beschäftigte sich auch ausdrücklich mit sozialen Fragen und bemühte sich um praxisnahe Wissenschaft für die Lösung der Probleme der Zeit.
Die bisherige Methode der Geschichtsschreibung trug den neuen sozialen Anforderungen der Industrialisierung nicht entsprechend Rechnung. Lamprecht suchte nach entsprechenden methodischen Alternativen. Er wollte, unter dem Einfluss des Psychologen Wilhelm Wundt und dessen Völkerpsychologie, die Kulturzeitalter von der psychischen Beschaffenheit des Volkes abhängig machen. Daraus entwickelte er seine Theorie der Psychogenese. Auch wenn allgemein der Zustand der Volksseele berücksichtigt wird, so verwirft man in der Regel Lamprechts Ansatz für die Universalgeschichtsschreibung.

In den anderen Staaten Westeuropas und in den Vereinigten Staaten von Amerika kann man einen analogen Prozess beobachten. Auch hier wurde zunächst Staatengeschichte geschrieben. Für Frankreich sind beispielsweise die Namen Alexis de Tocqueville, Adolphe Thiers und Jules Michelet zu nennen, für England Thomas Babbington Macaulay. Allerdings im Unterschied zur deutschen Geschichtswissenschaft wurde der methodologische Ansatz von Karl Lamprecht positiver aufgenommen, weil seine Geschichtsauffassung die Entwicklung der sozialen Verhältnisse stärker berücksichtigt, als es sonst in der deutschen Geschichtswissenschaft der Fall ist. Im Westen suchte man auf solche Fragen verstärkt Antworten. Nicht zufällig studierten besonders viele ausländische Studenten in Leipzig bei Lamprecht. Sehr viel stärker wirkte in der westlichen Geschichtsschreibung die philosophische Auffassung des Positivismus (Auguste Comte, Henry Thomas Buckle), welche in der deutschen Geschichtsschreibung weitgehend abgelehnt wurde, Karl Lamprecht ausgenommen.
Institutionen
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Insgesamt vollzieht sich ein Wandel auch an den Universitäten, wo bislang die Geschichte im Rahmen der Philosophie und der Rechtswissenschaft gelehrt wird, hin zur Herausbildung einer eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin. Das betrifft zum einen die Herausbildung von institutionellen Strukturen wie auch den Professionalisierungsprozess an sich, der sich in der Ausprägung der Ausbildung von Fachhistorikern und Lehrern äußert. In Deutschland vollzieht sich dieser Prozess einer Institutionalisierung bereits zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in den USA und Frankreich bereits Mitte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In Großbritannien dagegen kommt es erst kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts dazu.
Neben dem Ausbau der universitären Lehrstühle wurden weitere Institutionen gegründet, beispielsweise die Monumenta Germaniae Historica (1819) oder die Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien (1951).
20. Jahrhundert
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im beginnenden zwanzigsten Jahrhundert kommt es zu einer verstärkten Hinwendung zur Kultur-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, ohne allerdings die politische Geschichte zu vernachlässigen. Das geschieht unter maßgebendem Einfluss von Karl Lamprecht und dem Begründer der Soziologie Max Weber. Sozialgeschichte befasste sich anfänglich vor allem mit den Strukturen der Gesellschaft. Von dieser ausgehend kommt es zur Herausbildung einer historischen Sozialwissenschaft. Das bedeutet eine verstärkte Verbindung von Geschichtswissenschaft und Soziologie. Die Letztere Grundlagendisziplin erfährt hierbei eine deutliche Aufwertung.
Zu den bedeutendsten deutschen Vertretern der Sozialgeschichte nach 1945 gehören Werner Conze, Jürgen Kocka, Wolfgang Köllmann, Reinhart Koselleck, Thomas Nipperdey und Hans-Ulrich Wehler. Weiterhin muss hier die Annales-Schule der französischen Geschichtswissenschaft genannt werden, welche eine Strömung darstellt, die versucht, Methoden benachbarter Disziplinen wie der Soziologie oder Geographie in die Geschichtsbetrachtung zu integrieren. Ihre wichtigsten Vertreter sind Lucien Febvre, Marc Bloch, Fernand Braudel, Philippe Ariès und Jacques Le Goff, welche jeweils alle eng mit der späteren École des hautes études en sciences sociales (EHESS) in Paris verbunden waren. In der marxistischen Literatur, etwa bei Jürgen Kuczynski, wird der sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekt ohnehin besonders betont, weil die Frage nach den Produktionsverhältnissen von außerordentlicher Bedeutung ist. Später, in den 1980er Jahren kommt es zu einer deutlichen Akzentverschiebung hin zur Alltagsgeschichte.
Seitens der amerikanischen Sozialgeschichtsforschung ging man seit den beginnenden 1980er Jahren dazu über, zu Einzelaspekten der jüngeren Alltagsgeschichte mündliche Quellen damit zu „erschaffen“, dass man Zeitzeugen ohne Beeinflussung reden lässt und die Bandaufnahmen transkribiert (Oral History).
Ebenfalls in den 1980er Jahren kam es zum sogenannten paradigm breakdown (deutsch Paradigmenwechsel) bzw. zum linguistic turn in den Sozialwissenschaften. Unter dem Einfluss des Postmodernismus bzw. des Poststrukturalismus kam es zu einer Abkehr von dem Anspruch, historische Wahrheiten „hinter“ Sprache und Diskurs zu entdecken. Man wandte sich stattdessen dem Diskurs selbst als Ausdruck sozialer Bedeutung zu. Als Wegbereiter dieses Ansatzes können Michel Foucault sowie der Geschichtstheoretiker Hayden White gelten. Infolgedessen traten eine Vielzahl neuer Fragestellungen und Methoden auf, so z. B. die Neue Kulturgeschichte, die Historische Anthropologie und die Mikrogeschichte sowie Frauengeschichte und Geschlechterforschung im Rahmen der Gender Studies.
Auch die Bereiche der Alten Geschichte, der Mediävistik und die Geschichte der Frühen Neuzeit blieben wichtige Betätigungsfelder der Geschichtswissenschaft, wobei ein breites Interesse der Öffentlichkeit für die Geschichte des Mittelalters festzustellen ist (wenn auch oft durch populäre Vorstellungen verzerrt). Als neues Forschungsgebiet der Mittelalterkunde entstand seit den sechziger Jahren die Personenforschung der „Freiburger Schule“, ausgehend von Gerd Tellenbach vor allem durch Karl Schmid und Joachim Wollasch, die sich in erster Linie mit der bis dahin arg vernachlässigten Quellengattung der Memorialüberlieferung befasst.
Ab den 1990er Jahren spricht man statt von Weltgeschichte immer stärker von Globalgeschichte oder Global History, mit dem Ziel, den nationalstaatlichen Habitus, der der Weltgeschichtsschreibung anhafte, durch eine veränderte Perspektive zu überwinden. Dieses Ziel verfolgt auch die Transnationale Geschichte oder die Histoire croisée bzw. Entangled history.
Zur Geschichte in der Volkstumsforschung und im Nationalsozialismus:
Zu einzelnen Auseinandersetzungen in der Geschichtswissenschaft:
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Frauengeschichte
- Geschichtsbild
- Geschichtsphilosophie
- Kirchengeschichte
- Sozialgeschichte
- Theorie der Geschichte
- Weltgeschichte
- Nationalgeschichte
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Horst Walter Blanke: Historiographiegeschichte als Historik. Stuttgart 1991.
- Roger Chickering: Karl Lamprecht. A German Academic Life. Atlantic Highlands (New Jersey) 1993.
- Sebastian Conrad: Auf der Suche nach der verlorenen Nation. Geschichtsschreibung in Westdeutschland und Japan 1945–1960. Göttingen 1999.
- Christoph Conrad, Sebastian Conrad (Hrsg.): Die Nation schreiben. Geschichtswissenschaft im internationalen Vergleich. Göttingen 2002 (Digitalisat ).
- Andreas W. Daum, Hartmut Lehmann, James J. Sheehan (Hrsg.): The Second Generation. Émigrés from Nazi Germany as Historians. Berghahn Books, New York 2016, ISBN 978-1-78238-985-9.
- Johann Gustav Droysen: Grundriß der Historik. Leipzig 1868.
- Heinz Duchhardt, Gerhard May (Hrsg.): Geschichtswissenschaft um 1950. Mainz 2002.
- Jan Eckel, Thomas Etzemüller (Hrsg.): Neue Zugänge zur Geschichte der Geschichtswissenschaft. Göttingen 2007.
- Bernd Faulenbach (Hrsg.): Geschichtswissenschaft in Deutschland. München 1974.
- Alexander Fischer, Günther Heydemann (Hrsg.): Geschichtswissenschaft in der DDR. 2 Bände. Berlin 1988/90.
- Eduard Fueter: Geschichte der neueren Historiographie. 3. Auflage. Zürich 1985.
- Ewald Grothe: Zwischen Geschichte und Recht. Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900–1970. München 2005.
- Günter Johannes Henz: Leopold von Ranke in Geschichtsdenken und Forschung. 2 Bände. Berlin 2014.
- Günther Heydemann: Geschichtswissenschaft im geteilten Deutschland. Entwicklungsgeschichte, Organisationsstruktur, Funktionen, Theorie- und Methodenprobleme in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR. Frankfurt am Main 1980.
- Bettina Hitzer, Thomas Welskopp (Hrsg.): Die Bielefelder Sozialgeschichte. Klassische Texte zu einem geschichtswissenschaftlichen Programm und seinen Kontroversen. Bielefeld 2010.
- Georg G. Iggers: Deutsche Geschichtswissenschaft. Eine Kritik der traditionellen Geschichtsauffassung von Herder bis zur Gegenwart. 3. Auflage. Köln/Weimar/Wien 1997.
- Georg G. Iggers: Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein kritischer Überblick im internationalen Zusammenhang. Göttingen 2007 (Digitalisat ).
- Friedrich Jaeger, Jörn Rüsen: Geschichte des Historismus. München 1992.
- Tobias Kaiser, Steffen Kaudelka, Matthias Steinbach (Hrsg.): Historisches Denken und gesellschaftlicher Wandel. Studien zur Geschichtswissenschaft zwischen Kaiserreich und deutscher Zweistaatlichkeit. Berlin 2004.
- Ilko-Sascha Kowalczuk (Hrsg.): Paradigmen deutscher Geschichtswissenschaft. Ringvorlesung an der Humboldt-Universität zu Berlin. Berlin 1994.
- Ilko-Sascha Kowalczuk: Legitimation eines neuen Staates. Parteiarbeiter an der historischen Front. Geschichtswissenschaft in der SBZ/DDR 1945 bis 1961. Ch. Links, Berlin 1997.
- Gabriele Lingelbach: Klio macht Karriere. Die Institutionalisierung der Geschichtswissenschaft in Frankreich und in den USA in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Göttingen 2002 (Digitalisat ).
- Otto Gerhard Oexle: Geschichtswissenschaft im Zeichen des Historismus. Studien zu Problemgeschichten der Moderne. Göttingen 1996 (Digitalisat ).
- Ulrich Pfeil (Hrsg.): Das Deutsche Historische Institut Paris und seine Gründungsväter. Ein personengeschichtlicher Ansatz. München 2007.
- Ulrich Pfeil (Hrsg.): Die Rückkehr der deutschen Geschichtswissenschaft in die „Ökumene der Historiker“. Ein wissenschaftsgeschichtlicher Ansatz. München 2008 (Digitalisat ).
- Karl Heinrich Pohl (Hrsg.): Historiker in der DDR. Göttingen 1997 (Digitalisat ).
- Lutz Raphael: Die Erben von Bloch und Febvre. Annales-Geschichtsschreibung und nouvelle histoire in Frankreich 1945–1980. Stuttgart 1994.
- Lutz Raphael: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart. München 2003.
- Pietro Rossi (Hrsg.): Theorie der modernen Geschichtsschreibung. Frankfurt am Main 1987.
- Hans Schleier: Geschichte der deutschen Kulturgeschichtsschreibung. Band 1: Vom Ende des 18. bis Ende des 19. Jahrhunderts. Waltrop 2003.
- Hans Schleier (Hrsg.): Karl Lamprecht. Alternative zu Ranke. Leipzig 1988.
- Luise Schorn-Schütte: Karl Lamprecht. Kulturgeschichtsschreibung zwischen Wissenschaft und Politik. Göttingen 1994.
- Peter Schöttler (Hrsg.): Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft 1918–1945. Frankfurt am Main 1997.
- Peter Schöttler: Die „Annales“-Historiker und die deutsche Geschichtswissenschaft. Tübingen 2015.
- Ernst Schulin (Hrsg.): Deutsche Geschichtswissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg 1945–1965. München 1989.
- Winfried Schulze: Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945. München 1989.
- Winfried Schulze, Otto Gerhard Oexle (Hrsg.): Deutsche Historiker im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main 1999.
- Hans-Ulrich Wehler: Historische Sozialwissenschaft und Geschichtsschreibung. Studien zu Aufgaben und Traditionen deutscher Geschichtswissenschaft. Göttingen 1980.