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„Gertrud Bäumer“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Frau Dr. Gertrud Bäumer c. 1927.png|mini|Gertrud Bäumer (ca. 1927)]]
'''Gertrud Bäumer''' (* [[12. September]] [[1873]] in [[Hohenlimburg]] ([[Westfalen]]); † [[25. März]] [[1954]] in den ''Bodelschwinghschen Anstalten'' in [[Bethel]]) war eine deutsche [[Frauenrechtlerin]] und [[Politiker]]in.
[[Datei:BäumerGertrud.jpg|mini|Gertrud Bäumer (ca. 1930)]]
[[Datei:Grab Gertrud Bäumer.jpg|mini|Das Grab von Gertrud Bäumer auf dem Neuen Zionsfriedhof [[von Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel|Bethel]] in Bielefeld]]
'''Gertrud Bäumer''' (* [[12. September]] [[1873]] in [[Hohenlimburg]], [[Kreis Iserlohn]]; † [[25. März]] [[1954]] in [[Gadderbaum]], [[Kreis Bielefeld]]) war eine deutsche [[Frauenrechtlerin]], [[Liberalismus|liberale]] [[Politiker]]in ([[Freisinnige Vereinigung|FVg]], [[Fortschrittliche Volkspartei|FVP]], [[Deutsche Demokratische Partei|DDP]], [[Deutsche Staatspartei|DStP]], [[Christlich-Soziale Union in Bayern|CSU]]), Publizistin und Schriftstellerin. Sie war von 1910 bis 1919 Vorsitzende des [[Bund Deutscher Frauenvereine|Bundes Deutscher Frauenvereine]], von 1919 bis 1932 [[Mitglied des Reichstages]] und wurde 1920 als erste Frau in Deutschland [[Ministerialrat|Ministerialrätin]] im [[Reichsministerium des Innern]].<ref>Ausstellung [[Damenwahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht|''Damenwahl zu 100 Jahre Frauenwahlrecht'']] im [[Historisches Museum Frankfurt|Historischen Museum Frankfurt am Main]] vom 30. August 2018 bis 20. Januar 2019.</ref>


==Leben==
== Leben ==
=== Kindheit und Ausbildung ===
Gertrud Bäumer entstammte einer [[evangelisch-reformiert]]en [[Liste von evangelischen Pfarrerskindern|Pfarrersfamilie]] aus dem [[Grafschaft Mark|märkischen]] [[Sauerland]]. Der Urgroßvater [[Wilhelm Bäumer (Geistlicher)|Wilhelm Bäumer]] war Pfarrer in [[Bodelschwingh (Dortmund)|Bodelschwingh]] bei Dortmund. Als Kirchenpolitiker setzte er sich für den Fortbestand der [[presbyterial-synodal]]en Verfassung in der 1815 gegründeten preußischen [[Provinz Westfalen]] und darüber hinaus in ganz Preußen ein. Wilhelm Bäumer, der mit [[Friedrich Schleiermacher]] korrespondierte, gehörte damit in den größeren Gesamtzusammenhang des kirchlichen und politischen [[Frühkonstitutionalismus]].<ref>{{Literatur |Autor=Albrecht Geck |Titel=Schleiermacher als Kirchenpolitiker. Die Auseinandersetzungen um die Reform der Kirchenverfassung in Preußen (1799–1823) |Hrsg= |Sammelwerk=Unio et Confessio |Band=20 |Nummer= |Auflage= |Verlag= |Ort=Bielefeld |Datum=1996 |Seiten=221–231 und 261–265 |ISBN=}}</ref>


Als Bäumer drei Jahre alt war, zog die Familie nach [[Kamień Pomorski|Cammin in Pommern]], wo ihr Vater Emil (1845–1883) eine Stelle als [[Kreisschulinspektor]] bekam. Nach dem frühen Tod des Vaters zog die zehnjährige Gertrud mit ihrer Mutter Caroline, geborene Schede (1850–1929), und ihren beiden Geschwistern ins Haus der Großmutter in [[Halle (Saale)]]. Die Leere im Leben ihrer Mutter und deren wirtschaftliche Abhängigkeit von der Verwandtschaft beschreibt Bäumer in ihren Memoiren als eine schmerzvolle aber lehrreiche Erfahrung. Zur Öde im großmütterlichen Hause schreibt sie: „War dies das Frauenleben – diese Spirale um die eigene Achse?“<ref>Gertrud Bäumer: ''Lebensweg durch eine Zeitenwende''. Tübingen 1933, S. 101, ISBN 3-596-23738-6.</ref> Ihr Entschluss, einen Beruf zu ergreifen, stand daher nach ihrer eigenen Aussage schon früh fest: „Ich wollte –&nbsp;und mußte<!-- sic! --> aus wirtschaftlichen Gründen&nbsp;– Lehrerin werden.“<ref>Gertrud Bäumer: ''Lebensweg durch eine Zeitenwende''. Tübingen 1933, S. 96.</ref>
===Kindheit und Ausbildung===


[[Datei:Kamen Gertrud Baeumer 1894 wp.jpg|mini|Gertrud Bäumer mit ihren Schülern an der Elementarschule in [[Kamen]], 1894]]
Gertrud Bäumer kam wie viele Frauen der damaligen Zeit über ihren Beruf als Lehrerin zur bürgerlichen [[Frauenbewegung]], die sich ja zuerst als Frauenbildungsbewegung verstand. Der Lehrerinnenberuf war für diese Frauen, wenn sie nicht sogleich standesgemäß heiraten konnten oder wollten, fast die einzige Möglichkeit auf eigenen Beinen zu stehen.
Sie besuchte die [[Höhere Mädchenschule|Höhere Töchterschule]] in Halle und absolvierte im Anschluss daran das [[Lehrerinnenseminar]] in [[Magdeburg]]. Ab 1894 unterrichtete sie an Volksschulen in [[Halberstadt]], [[Kamen]] und Magdeburg und konnte so auch ihre Mutter finanziell unterstützen. Bald darauf knüpfte sie durch Vermittlung einer älteren Kollegin Kontakte zum ''[[Allgemeiner Deutscher Lehrerinnenverein|Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein]]'' (ADLV), dessen Vorsitzende [[Helene Lange]] auf sie fachlich wie persönlich großen Eindruck machte. 1898 wechselte sie nach [[Berlin]], um dort das [[Oberlehrer]]innenexamen abzulegen, das die Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums war. Das [[Frauenstudium im deutschen Sprachraum|Frauenstudium]] war zu jener Zeit in [[Preußen]] nur mit Ausnahmegenehmigung der einzelnen Professoren möglich; die [[Immatrikulation]] von Frauen wurde erst 1908 offiziell genehmigt.


An der [[Humboldt-Universität zu Berlin|Berliner Universität]] belegte sie Theologie, Germanistik, Philologie und Nationalökonomie. Prägende akademische Lehrer waren der Kirchenhistoriker [[Adolf von Harnack]] und der Philosoph [[Wilhelm Dilthey]].<ref>Werner Huber: ''Gertrud Bäumer. Eine politische Biographie.'' München 1970.</ref> Ihr Studium finanzierte Bäumer sich selbst, unter anderem durch Publikationstätigkeit für die Frauenbewegung; eine Unterstützung aus dem Hoffmannschen Familienstipendium, die jedem männlichen Studenten ihrer Verwandtschaft gewährt wurde, erhielt sie nicht.<ref>[[Ludwig Gerstein]]: ''Wie sind wir miteinander verwandt?'' München 1971, S. 87.</ref> Sie promovierte dort 1904 über [[Johann Wolfgang Goethe|Goethes]] ''[[Satyros oder Der vergötterte Waldteufel|Satyros]]''.
Sie kam aus einer Pfarrersfamilie, ihr Vater starb jedoch jung, und ihre Mutter musste die drei Kinder mit Hilfe der Verwandtschaft durchbringen. Die Leere in dem Leben ihrer Mutter, und ihre Abhängigkeit von anderen, war für Gertrud Bäumer eine schmerzvolle, aber lehrreiche Erfahrung. Die Öde im großmütterlichen Hause lastete auf ihr: »War dies das Frauenleben - diese Spirale um die eigene Achse?« (Bäumer 1933a, 101). Ihr Entschluß, einen Beruf zu ergreifen, stand daher schon sehr früh fest: »Ich wollte - und mußte aus wirtschaftlichen Gründen - Lehrerin werden.« (Bäumer 1933a, 96)
[[Bild:GB1913klein.jpg|thumb|Gertrud Bäumer 1913]]


=== Helene Lange und die Arbeit für die Frauenbewegung ===
[[1892]] trat sie ihre erste Stelle an und knüpfte bald darauf, durch ältere Kolleginnen vermittelt, Kontakte zum ''[[Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverband]]'' (ADLV), dessen Vorstand sie ab [[1901]] angehörte. Weil sie glaubte, den dort an sie gestellten Anforderungen nicht entsprechen zu können, entschloss sie sich ihre Bildung durch ein Universitätsstudium zu vertiefen (vgl. Bäumer 1933a, 135). [[1898]] wechselte sie deshalb nach [[Berlin]], wo sie zwei Jahre später ihr Oberlehrerinnenexamen bestand, das die Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums war. Der Wunsch zu studieren war auch für Frauen »aus gutem Haus« ungewöhnlich. Erst [[1908]] wurde zuletzt in [[Preußen]] die [[Immatrikulation]] von Frauen erlaubt, bis dahin waren sie auf das Wohlwollen der einzelnen Professoren angewiesen.
[[Datei:Vorstand des ersten deutschen Frauenkongress Anfang März 1912 in Berlin.jpg|mini|Vorstand des ersten deutschen Frauenkongresses Anfang März 1912 in Berlin. Hintere Reihe von links: [[Elisabeth Altmann-Gottheiner]], Martha Voss-Zietz, [[Alice Bensheimer]], [[Anna Pappritz]]. Vordere Reihe von links: [[Helene von Forster]], Gertrud Bäumer, [[Alice Salomon]].]]
Bäumer kam wie viele Frauen der damaligen Zeit über ihren Beruf als Lehrerin zur bürgerlichen [[Frauenbewegung]], die sich zuerst als Frauenbildungsbewegung verstand. In Berlin kam sie in engeren Kontakt mit [[Helene Lange]], die als unbestrittene Führerin der Lehrerinnenbewegung galt. Als Bäumer kurz nach ihrer Ankunft 1898 über eine Bekannte hörte, dass Lange durch eine Augenkrankheit zunehmend in ihrer Arbeit behindert wurde, bot sie sich als Assistentin an. Sehr rasch entwickelte sich nicht nur eine rege gemeinsame publizistische Arbeit, sondern auch eine intensive Freundschaft, die in eine Lebensgemeinschaft mündete, die bis zu Helene Langes Tod im Jahr 1930 währte.


Lange erkannte bald das geistige Potenzial und die überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit der jungen Gertrud Bäumer und fasste den Entschluss, sie zu ihrer Nachfolgerin aufzubauen. Nicht zuletzt auf Langes Betreiben stieg Bäumer schnell in Vorstandsfunktionen des [[Bund Deutscher Frauenvereine|Bundes Deutscher Frauenvereine]] (BDF) auf. 1910 löste sie [[Marie Stritt]] als Vorsitzende ab, bekleidete das Amt bis 1919 und blieb auch nach dieser Zeit die unbestritten einflussreichste Figur des Verbands.<ref>Vgl. [[Angelika Schaser]]: ''Helene Lange und Gertrud Bäumer. Eine politische Lebensgemeinschaft''. 2. durchges. und aktual. Auflage, Böhlau, Köln 2010, ISBN 978-3-412-09100-2.</ref> Während des Kriegs war sie maßgeblich am Aufbau des [[Nationaler Frauendienst|Nationalen Frauendiensts]] beteiligt, einer Wohlfahrtsorganisation, die um eine Koordinierung der Nahrungsmittelversorgung und des freiwilligen Kriegseinsatzes der Frauen innerhalb von Industrie und Wirtschaft bemüht war.<ref>Vgl. Sabine Hering: ''Die Kriegsgewinnlerinnen – Praxis und Ideologie der deutschen Frauenbewegung im Ersten Weltkrieg.'' Centaurus, Pfaffenweiler 1992, ISBN 978-3-89085-368-0.</ref>
Es ist bezeichnend, daß Gertrud Bäumer sich das Geld für ihr Studium ersparen musste, und keine Unterstützung des Hoffmannschen Familienstipendiums erhielt, die ansonsten jedem männlichen Studenten ihrer Verwandtschaft gewährt wurde: »Auf den Gedanken einer Ausnahmeregelung oder einer Statutenänderung kam man damals noch nicht, obgleich dieser im Hinblick auf den frühen Tod des Vaters besonders nahe gelegen hätte.« (Gerstein 1971, 87). An der Universität belegte sie Theologie, Germanistik, Philologie und Nationalökonomie und promovierte [[1904]] über [[Johann Wolfgang Goethe|Goethes]] ''Satyros''.


Ihre hauptsächliche Arbeit für die Frauenbewegung erstreckte sich auf die Arbeit innerhalb des BDF und der monatlich erscheinenden Zeitschrift ''[[Die Frau (deutsche Zeitschrift)|Die Frau]]'', die als das Sprachrohr der bürgerlichen Frauenbewegung gilt. Daneben übernahm sie 1916 mit [[Marie Baum]] den Aufbau und die Leitung (bis 1920) der Institution ''Soziale Frauenschule und Sozialpädagogisches Institut Hamburg'', einer höheren Fachschule für Wohlfahrtspflegerinnen.<ref>[[Marie Baum]]: ''Rückblick auf mein Leben''. Heidelberg 1950, S. 209 ff.</ref> Die intensive und enge Zusammenarbeit mit den damaligen Schülerinnen führte in den darauffolgenden Jahren zu wiederholten Treffen des ehemaligen Kreises.
===Helene Lange und die Arbeit für die Frauenbewegung===


=== Die Politikerin ===
In Berlin kam sie in engeren Kontakt mit [[Helene Lange]], die als unbestrittene Führerin der Lehrerinnenbewegung galt. Als Gertrud Bäumer hörte, daß sie durch eine Augenkrankheit zunehmend in ihrer Arbeit behindert wurde, bot sie sich sofort als Hilfe an. Helene Lange schreibt in ihren ''Lebenserinnerungen'' dazu: »In dieser Zeit der schwersten geistigen Not ist Gertrud Bäumer zu mir gekommen. Ich brauche kaum ein Wort weiter hinzuzufügen.« (Lange 1928, 216) Sehr rasch entwickelte sich nicht nur eine rege gemeinsame publizistische Arbeit, sondern auch eine intensive Freundschaft. Für Gertrud Bäumer bedeutete die Begegnung mit Helene Lange eine »Lebensentscheidung« (Bäumer 1933a, 157): »Mein Leben mußte im Ziel und Kern der ebenbürtigen und vollen Einschaltung der Frauen in die Kulturkräfte ihres Volkes dienen (...).« (Bäumer 1933a, 157). [[Marianne Weber]] charakterisierte später das Verhältnis der beiden Frauen als »Wahlmutter- und Wahltochterschaft« (Weber 1935, 234): »Gemeinsame Ideale und gemeinsamer Einsatz für sie verliehen ihr die überpersönliche Weihe.« (Weber 1935, 253)15
[[Datei:Damenwahl - Banner Frauen zur Wahl.jpg|mini|Banner ''Frauen zur Wahl'' in der Sonderausstellung ''Damenwahl'', [[Historisches Museum Frankfurt]]. Gertrud Bäumer ist ganz links zu sehen.]]
Gertrud Bäumer gehörte zu den Vertreterinnen eines [[Feminismus#Differenzfeminismus|Differenzfeminismus]], die dem konstatierten „weiblichen Prinzip“ die Aufgabe zuschrieben, zur Humanisierung des Lebens beizutragen. Politisch identifizierte sie sich mit dem sozialen [[Liberalismus]] [[Friedrich Naumann]]s, mit dem sie ab 1906 eng zusammenarbeitete; ab 1912 war sie für den Kulturteil seiner 1894 gegründeten Zeitschrift ''Die Hilfe'' redaktionell verantwortlich. Nach seinem Tod 1919 wurde sie zeitweilig die alleinige [[Herausgeber]]in. Auch mit Naumann verband sie nicht nur eine Arbeitsgemeinschaft, sondern eine intensive Freundschaft.<ref>Gertrud Bäumer: ''Lebensweg durch eine Zeitenwende''. Tübingen 1933, S. 250 ff.</ref>


Nach der Änderung des preußischen Vereinsrechts im Jahre 1908 (das Frauen bis dahin den Eintritt in politische Parteien verboten hatte), traten Gertrud Bäumer und Helene Lange der [[Freisinnige Vereinigung|Freisinnigen Vereinigung]] bei, in der auch Naumann seit 1903 aktiv war. Aus der Freisinnigen Vereinigung ging später die linksliberale [[Fortschrittliche Volkspartei]] (FVP) hervor. Im Jahr 1919 gründete Bäumer gemeinsam mit Naumann und anderen die [[Deutsche Demokratische Partei]] (DDP), deren stellvertretende Vorsitzende sie von 1920 bis 1930 war.<ref>[https://www.dhm.de/lemo/biografie/gertrud-baeumer Biografischer Abriss] des Deutschen Historischen Museums.</ref>
Helene Lange erkannte sehr rasch das geistige Potential und die Begabung Gertrud Bäumers. In ihr sah sie die Nachfolge gesichert:
:»Ich wußte, das Werk, an dessen Grundlagen ich mitgeschaffen hatte, war nun sicher, emporzuwachsen, dem Licht entgegen. Was ich persönlich nicht mehr zu sehen hoffen durfte, die Zukunft würde es verwirklichen.« (Lange 1928, 216)
Es war daher nur folgerichtig, daß Gertrud Bäumer trotz ihres jungen Alters sehr rasch in Vorstandsfunktionen des BDF präsent war. [[1910]] wurde sie zur Vorsitzenden gewählt, kriegsbedingt dauerte ihre Amtsperiode bis [[1919]]. Während dieser Zeit war sie maßgeblich am Aufbau des ''Nationalen Frauendienstes'' beteiligt, einer Wohlfahrtsorganisation, die um eine Koordinierung der Nahrungsmittelversorgung und des freiwilligen Kriegseinsatzes der Frauen innerhalb von Industrie und Wirtschaft bemüht war (vgl. Hering 1990). Auch als sie ihren Vorstandsvorsitz abgab, behielt sie weiterhin großen Einfluss (vgl. ''Vom Gestern zum Heute'' 1933, 76ff). Vielen ihrer Nachfolgerinnen war sie mit Rat und Tat behilflich.


1919 zog sie in die [[Weimarer Nationalversammlung]] ein und hatte von 1920 bis 1932 ein Reichstagsmandat, davon in den Jahren 1930 bis 1932 als Mitglied der ''Deutschen Staatspartei (DStP)'', in der die Deutsche Demokratische Partei kurz zuvor aufgegangen war. Zusammen mit ihrem Fraktionskollegen [[Theodor Heuss]] setzte sie sich für das 1926 beschlossene [[Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften]] ein. Dies stieß auf erhebliche Kritik von Künstlern, Schriftstellern und der linksliberalen Presse, die Zensur befürchteten.<ref>[[Elke Seefried]]: ''Theodor Heuss – In der Defensive. Briefe 1933–1945.'' K.G. Saur, München 2009, S. 27.</ref><ref>[[Peter Merseburger]]: ''Theodor Heuss. Der Bürger als Präsident.'' Deutsche Verlags-Anstalt, München 2013.</ref> [[Kurt Tucholsky]] verspottete Bäumer in diesem Zusammenhang als „Old Bäumerhand, der Schrecken der Demokratie“.<ref>[[Kurt Tucholsky]] alias Ignaz Wrobel: [http://www.textlog.de/tucholsky-der-schrecken.html ''Old Bäumerhand, der Schrecken der Demokratie''.] Kommentar zur Einführung des [[Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften|Gesetzes zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften]]. In: ''[[Die Weltbühne]]'', 14. Dezember 1926, Nr. 50, S. 916.</ref> Zu den Reichstagswahlen 1932 kandidierte sie nicht mehr.
Ihre hauptsächliche Arbeit für die Frauenbewegung erstreckte sich auf die Arbeit innerhalb des BDF und der ''Frau''. Daneben übernahm sie [[1916]] mit [[Marie Baum]] den Aufbau und die Leitung (bis [[1920]]) des ''Sozialpädagogischen Instituts'' in [[Hamburg]], einer höheren Fachschule für Wohlfahrtspflegerinnen (vgl. Baum 1950, 209ff). Die intensive und persönlich gehaltene Zusammenarbeit mit den damaligen Schülerinnen führte in den darauffolgenden Jahren zu wiederkehrenden Treffen des ehemaligen Kreises.


Darüber hinaus wurde sie 1920 als [[Ministerialrat]] in das Reichsinnenministerium berufen, wo sie für die Referate Jugendwohlfahrt und Schulwesen zuständig war. Zudem war sie von 1926 bis 1933 Delegierte der Reichsregierung beim [[Völkerbund]] in [[Genf]].


=== Die Position von Gertrud Bäumer zum Nationalsozialismus vor 1933 ===
===Die Politikerin===
Ihre tagespolitischen Aufsätze hatte Gertrud Bäumer bis 1933 vor allem in der Zeitschrift ''Die Hilfe'' veröffentlicht. In dieser Zeitschrift, die personell eng mit der DDP verknüpft war und sich als Forum des national-sozialen Kreises um Naumann (in der Tradition des [[Nationalsozialer Verein|Nationalsozialen Vereins]]) verstand, wurde dem Phänomen des aufkommenden Nationalsozialismus zunehmende Aufmerksamkeit geschenkt.
[[Bild:GBvornklein.jpg|thumb|150px|Bäumer]]
[[1920]] wurde Gertrud Bäumer als [[Ministerialrat|Ministerialrätin]] in das Reichsinnenministerium berufen, sie war für die Referate Jugendwohlfahrt und Schulwesen zuständig. Daneben war sie von [[1926]] bis [[1933]] Delegierte der Reichsregierung beim [[Völkerbund]] in [[Genf]]. Ihre publizistische Arbeit im Rahmen der Frauenbewegung war unermüdlich, und viele der Frauen aus ihrer Umgebung fragten sich,
::»... woher sie die Kraft zu ihrer unablässigen, stetigen, aber niemals angestrengt wirkenden Arbeit nahm, woher die Zeit, um neben Staatsdienst, parlamentarischen Pflichten und den Ansprüchen des öffentlichen Lebens ihre vielen Aufsätze und Bücher zu schreiben. (Die Antwort lautete), dass Begabung und vorzügliche Gesundheit sich mit einer von Jugend auf geübten strengen Selbstdisziplin verbanden.« (Velsen: 1956, 276)


Als im Herbst 1923 in [[Bayern]] zunehmend Gerüchte eines „Marsches auf Berlin“ (nach dem Vorbild von [[Benito Mussolini|Mussolinis]] [[Marsch auf Rom]]) und Verschwörungspläne zwischen [[Adolf Hitler|Hitler]] und Teilen der [[Reichswehr]]führung bekanntwerden,<ref>[[Martin Broszat]], [[Norbert Frei]] (Hrsg.): ''Das Dritte Reich im Überblick. Chronik, Ereignisse, Zusammenhänge.'' Piper, München/Zürich 1989, S. 182 ff.</ref> bezeichnet Gertrud Bäumer die Vorgänge in Bayern als
===Die Schriftstellerin===
{{Zitat
|Text=skrupellose(n) Kampf um die Macht von solchen Leuten, denen das Reich nur so weit etwas wert ist, als&nbsp;s&nbsp;i&nbsp;e&nbsp;darin herrschen, heute wie vor dem Weltkrieg. Und das brave und leichtgläubige Bürgertum läuft ihnen nach und macht mit dem Tribut seiner Leiden, enttäuschten Hoffnungen und guten vaterländischen Gefühlen aus einem Staatsstreich der alten ‚Gesellschaft‘ eine Volksbewegung.
|ref=<ref>''Die Hilfe'', 1. November 1923, S. 368.</ref>}}
Als am 9. November 1923 tatsächlich der so genannte [[Hitlerputsch]] stattfindet, kommentiert sie mit resignativen Worten:
{{Zitat
|Text=Schlimmer als dieses tragikomische Gaukelspiel ist die Tatsache, <!-- sic! -->daß diese Klassenoffensive auch republikanische Parteien durchsetzt und ihre Kraft für die Verteidigung der Republik gebrochen oder doch gelähmt hat. Die wirtschaftlichen Machthaber in Deutschland sind bestenfalls Vernunftrepublikaner.
|ref=<ref>''Die Hilfe'', 1. Dezember 1923, S. 403.</ref>}}
Mit dem zunehmenden Erfolg der „Bewegung“ warnte sie davor, dass „der politische Sieg dieser Stimmungswelle […] der deutsche Zusammenbruch [wäre]. Gefährlicher als diese Stimmungen selbst ist die Tatsache, <!-- sic! -->daß auch von denen, die sie nicht teilen, ihre ganze Gefährlichkeit nicht gesehen wird.“<ref>''Die Hilfe'', 5. März 1932, S. 221; Hervorhebung im Original gesperrt gedruckt.</ref>


Hitlers ''[[Mein Kampf]]'' nannte sie ein „erstaunlich konfuse[s] Buch“,<ref>''Die Hilfe'', 20. September 1930, S. 937.</ref>; ihr Urteil gegenüber dem Nationalsozialismus blieb ablehnend:
Das Jahr [[1933]] bedeutete für Gertrud Bäumer auch ganz persönlich einen Schnittpunkt: Aus dem Beruf gedrängt und aller öffentlichen Ämter enthoben, war sie einerseits ein Opfer der [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]], andererseits profitierte sie von der ihr nun zur Verfügung stehenden Zeit, die sie für historische Studien, Reisen, schriftstellerische Arbeiten und den Rückzug ins Privatleben nutzte.
{{Zitat
|Text=Der Nationalsozialismus, was auch immer an ihm wertvoll sein möge, ist so lange mehr zerstörerisch als aufbauend, als seine Führer unverantwortlich handeln: unverantwortlich in der durch keinen Wahrheitssinn gezügelten Herabsetzung der Gegner, unverantwortlich in der demagogisch-gefälschten Darstellung der deutschen Lage und der Machtverhältnisse, unverantwortlich in dem skrupellosen ‚Appell an den Schweinehund im Menschen‘, wie im Reichstag mit Recht gesagt wurde, unverantwortlich in der hemmungslosen Ausbeutung der Urteilsunfähigkeit und im Mißbrauch anständiger und reiner Kräfte.
|ref=<ref>''Die Hilfe'', 26. März 1932, S. 309.</ref>}}


Sie selbst hoffte auf eine ''Erneuerung der Mitte'',<ref>''Die Hilfe'', 18. Juni 1932, S. 578.</ref> wenngleich sie sich der Tatsache bewusst war, dass durch die Zerstrittenheit der Parteien ein gemeinsames politisches Profil der „Mitte“ kaum zu verwirklichen war. Die Grundlage musste für sie aber immer „die Erhaltung der bürgerlichen Freiheit im Geiste der Reichsverfassung“ sein.<ref>''Die Hilfe'', 18. Juni 1932, S. 579.</ref> Allerdings lehnte sie nicht alle Vorstellungen und Ziele des Nationalsozialismus von vornherein ab. Sie erkannte sehr wohl, dass die Nationalsozialisten nicht nur aufgrund ihrer „Technik der Massenbearbeitung“<ref>''Die Hilfe'', 20. September 1930, S. 937.</ref> erfolgreich waren. Das Konglomerat an Ideen, wie es in der NS-Ideologie präsentiert wurde, sprach eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen an. Keine Diskussion konnte es geben über den menschenverachtenden [[Geschichte des Antisemitismus bis 1945|Antisemitismus]] und die „innerpolitische Greuelpropaganda“<ref>''Die Hilfe'', 20. September 1930, S. 938.</ref> dieser Partei, die ja eine „Bewegung“ sein wollte. Unbestritten konnte die [[Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei|NSDAP]] aber ein Defizit in der Parteipolitik füllen, sei es auch nur durch Versprechungen. Bäumer nahm die seelische Krise, die sich ihrer Meinung nach in den Erfolgen der Nationalsozialisten offenbarte, ernst. Wichtig war ihr eine Reformierung des Parlamentarismus, da dieser sich ihrer Meinung nach immer mehr in kleingläubigen Interessenpartikularismus zu entwickeln drohte.<ref>''Die Hilfe'', 1. Juni 1929, S. 268 ff.</ref>
Im Frühsommer 1933 schrieb sie ihre Autobiographie ''Lebensweg durch eine Zeitenwende'', die sie »als geistige Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus« verstand (Vogel 1973, 398). Anfang des Jahres [[1934]] zog sie mit ihrer Freundin Gertrud von Sanden (1881-1940) weg von Berlin nach Gießmannsdorf in [[Schlesien]]. In einem Brief an Emmy Beckmann schrieb sie über diesen »Bruch« in ihrem Leben:
:»Ich weiß, daß ich mich auch wieder in die andere Lebensform des 'freien' Schriftstellers hineinleben werde, obgleich die 'Freiheit' heute eine sehr zweifelhafte Sache ist. Vielleicht haben wir, die wir alle ersten Versuche auf einmal machen mußten, darüber das Persönliche ein bißchen zu sehr versäumt. Jetzt kommt eine Zeit, in der man ganz einfach seelsorgerisch aus persönlicher Verbundenheit arbeiten muß, das Äußere wird unwichtiger, weil man da nicht viel wird machen können.« (Bäumer 1956, 49; Brief vom 13.4.1933)
In einem Brief an ihren Onkel [[Werner Schede]] ging sie noch stärker auf die Auswirkungen ein, die ihre Weiterarbeit unter den Nationalsozialisten für sie persönlich bedeutet hätte:
:»Ich bin also mit Pension und auch unter Anrechnung meiner früheren Lehrerinnenzeit entlassen. Persönlich ist das für mich die reinlichere Lösung. Wäre ich im Amt, so müsste ich referatsmäßig jetzt z.B. die Verfügungen über die jüdischen Kinder in den Schulen machen oder die bevorstehende Verfügung für den Geschichtsunterricht, durch die alles, was seit dem Zusammenbruch geschehen ist, defamiert [i.O.] werden soll. Das wäre mir selbst auch tatsächlich unmöglich.« (BA Koblenz, NL 76 Bäumer, Brief vom 28.4.1933)
Trotz [[1939]] gegen sie ergangenen [[Redeverbot]]s hielt sie weiter Vorträge, vor allem in [[evangelisch]]en Kreisen (vgl. Schumacher 1991, 47). »Ihr Heim wurde Treffpunkt für Freunde und Zufluchtsstätte für Verfolgte.« (Vogel 1973, 398)


Die [[semantische Nähe]] der Begriffe „[[Nationaler Sozialismus#Entwürfe der Kaiserzeit|national-sozial]]“, wie sich der ''Hilfe''-Kreis bezeichnete, und das „nationalsozialistisch“ der NSDAP führte zu einer ganz besonderen Aufmerksamkeit dieser Partei gegenüber. Den wesentlichen Unterschied sah Gertrud Bäumer jedoch darin, dass sich bei Naumann „der Nationalsozialismus mit der Demokratie“ verband,<ref>''Die Hilfe'', 15. August 1924, S. 267; Hervorhebung im Original gesperrt gedruckt.</ref> und in diesem Sinne auch weitergetragen wurde. Die „Epigone[n] à la Hitler“, die Bäumer als „hysterische Schaumschläger“ bezeichnete, machten sie angesichts ihrer „wirtschaftspolitische[n] Kleinbürgerphantastik“<ref>''Die Hilfe'', 15. August 1924, S. 266.</ref> zornig:
===Der Einfluß Friedrich Naumanns auf Gertrud Bäumer===
{{Zitat
|Text=Wenn das, was sich heute Nationalsozialismus nennt, nicht, verflacht und verrannt zugleich, in seiner Gedankenarbeit klastertief unter dem Niveau bliebe, auf dem die alten Nationalsozialen gearbeitet haben, so müßte<!-- sic! --> ernsthafte Jugend, die in dunkler Zeit nach einem Ziel und einem Weg sucht, hier eine Anknüpfung finden – manches einzelne umbildend und neugestaltend, aber der Generalidee folgend, die den Sozialismus aus der marxistischen Verengung heraushebt und als Aufgabe der Erschaffung der Nation von innen her <!-- sic! -->erfaßt.
|ref=<ref>''Die Hilfe'', 15. August 1924, S. 268 f.</ref>}}


Als sie sich am 13. Oktober 1930 bei der Eröffnung des Reichstages das Spektakel der in Parteiuniform einziehenden NSDAP-Abgeordneten ansehen musste, schrieb sie dazu: „Ein heißer Protest steht in einem auf gegen den Gewaltwillen, der sich in dem Aufzug dieser Truppe renommistisch ausdrückt.“<ref>''Die Hilfe'', 18. Oktober 1930, S. 1033.</ref> Einer inhaltlichen Auseinandersetzung oder gar einer Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten erteilte Gertrud Bäumer eine Absage. Es gelte vielmehr den Kampf zu führen,
Gertrud Bäumer gehörte zu den Vertreterinnen eines [[Feminismus]], die dem »weiblichen Prinzip« die Aufgabe zuschrieben, zur Humanisierung des Lebens beizutragen. Politisch identifizierte sie sich mit dem durch seine soziale Note bestimmten [[Liberalismus]] [[Friedrich Naumann]]s, mit dem sie ab [[1906]] eng zusammenarbeitete; ab [[1912]] war sie für den Kulturteil seiner [[1894]] gegründeten Zeitschrift ''Die Hilfe'' redaktionell verantwortlich, nach seinem Tod [[1919]] wurde sie zeitweilig die alleinige [[Herausgeber]]in. Auch mit Friedrich Naumann verband sie nicht nur eine Arbeitsgemeinschaft, sondern eine intensive Freundschaft (vgl. Bäumer 1933a, 250ff).
{{Zitat
|Text=… gegen eine Macht, die auf Kosten der Achtung vor dem lebendigen Gewissen des Einzelnen und durch gewaltsame [[Stilllegung]] aller anderen Anschauungen den Staatsbürger durch den politischen Soldaten ersetzen will – etwas im tiefsten Kern Undeutsches, Ungermanisches. Nur durch die rücksichtslose Bekämpfung dieser neuen deutsch-völkischen Auflage eines ungeheuerlichen Byzantinismus wird das Echte und Kräftige der Bewegung aus einer üblen und sehr unrassischen Legierung einmal befreit werden!
|ref=<ref>''Die Hilfe'', 16. Juli 1932, S. 676.</ref>}}


Bäumers kritische aber letztlich lavierende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus ist symptomatisch für ihren reformistischen und staatstragenden Ansatz: Ihr Bemühen galt Verbesserungen innerhalb von Systemen, welche Systeme dies auch seien. In der Zeit des Nationalsozialismus ließ sie sich dabei aber auf Kompromisse ein, die für die meisten ihrer Mitstreiterinnen in der Frauenbewegung nicht mehr tragbar waren.<ref>Angelika Schaser: ''Helene Lange und Gertrud Bäumer. Eine politische Lebensgemeinschaft''. 2. durchgesehene und aktualisierte Auflage, Böhlau, Köln u.&nbsp;a. 2010, ISBN 978-3-412-09100-2, S. 268–284.</ref>
[[Friedrich Naumann]] (1860-1919) kam durch seine Tätigkeit als [[Pfarrer]] mit den ärmeren Bevölkerungsschichten in Berührung. Er verschloß sich deren Problemen jedoch nicht, sondern suchte nach Lösungsmöglichkeiten, die er in einer Verbindung von »national« und »sozial« fand. Er war der Überzeugung, daß nur eine nationale Machtpolitik nach außen die sozialen Reformen im Innern sichern könnte. Diesen Zielen war der [[1896]] von ihm gegründete ''National-soziale Verein'' verpflichtet. In § 1 der Satzung hieß es:
:»Wir stehen auf nationalem Boden, in dem wir die wirtschaftliche und politische Machtentfaltung der deutschen Nation nach außen für die Voraussetzung aller größeren sozialen Reformen im Innern halten (...). Wir wünschen darum eine Politik der Macht nach außen und der Reform nach innen.« (Naumann 1897, § 1)
Die Sogwirkung, die die [[Sozialdemokratie|Sozialdemokraten]] auf die Arbeiterschichten ausübten, betrachtete Naumann mit Argwohn. Er wollte die Arbeiterschaft für Staat, Nation und 'soziales Kaisertum' gewinnen. Der Verein löste sich aber schon [[1903]] wieder auf, nachdem er bei den Reichstagswahlen gescheitert war, und Naumann wechselte mit seinen Gesinnungsgenossen in die ''[[Freisinnige Vereinigung]]'' über.


=== Schriftstellerin und Publizistin in der NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg ===
Nach Abschaffung des preußischen Vereinsrechts im Jahre [[1908]] (das Frauen bis dahin den Eintritt in politische Parteien verbot), traten Gertrud Bäumer und Helene Lange der ''Freisinnigen Vereinigung'', später der daraus hervorgegangenen linksliberalen ''[[Fortschrittlichen Volkspartei]]'' (FVP) bei.
1933, nachdem sie von den [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] ihrer politischen Ämter enthoben worden war, wandte Bäumer sich stärker historischen Studien, Reisen und schriftstellerischen Arbeiten zu. Im Herbst 1933 schrieb sie ihre politische Autobiografie ''Lebensweg durch eine Zeitenwende'', die sie offenbar als „geistige Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus“ verstand.<ref>Vogel 1973, S. 398.</ref> <!-- Bitte vollständige bibl. Angaben in die Fußnote einfügen! --> In einem Brief an ihren Onkel [[Werner Schede]] ging sie auf das Dilemma ein, vor das ihre Weiterarbeit unter den Nationalsozialisten sie gestellt hätte:
{{Zitat
|Text=Ich bin also mit Pension und auch unter Anrechnung meiner früheren Lehrerinnenzeit entlassen. Persönlich ist das für mich die reinlichere Lösung. Wäre ich im Amt, so müsste ich referatsmäßig jetzt z.&nbsp;B. die Verfügungen über die jüdischen Kinder in den Schulen machen oder die bevorstehende Verfügung für den Geschichtsunterricht, durch die alles, was seit dem Zusammenbruch geschehen ist, defamiert<!-- sic! --> [i.O.] werden soll. Das wäre mir selbst auch tatsächlich unmöglich.
|Quelle=Brief vom 28. April 1933
|ref=<ref>Bundesarchiv Koblenz, NL 1076 Bäumer.</ref>}}


Anfang 1934 zog sie mit ihrer zweiten Lebensgefährtin [[Gertrud von Sanden]] (1881–1940) ins [[Schlesien|schlesische]] [[Gmina Nowogrodziec|Gießmannsdorf (heute Gościszów)]] bei Bunzlau. In den folgenden Jahren unternahm sie mit Ludwig Nießen und von Sandens Tochter [[Isabel Hamer]] Studienreisen in die Schweiz und nach Italien. 1936 entstand ihr umfangreiches Werk ''[[Adelheid von Burgund (931–999)|Adelheid]] – Mutter der Königreiche''. Trotz des 1939 gegen sie ergangenen [[Redeverbot]]s hielt sie weiter Vorträge, vor allem in [[evangelisch]]en Kreisen.<ref>[[Martin Schumacher (Historiker)|Martin Schumacher]]: ''MdR, die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933–1945. Eine biographische Dokumentation.'' Saur, München 1991, S. 47.</ref> „Ihr Heim wurde Treffpunkt für Freunde und Zufluchtsstätte für Verfolgte.“<ref>Vogel 1973, S. 398.</ref> <!-- Bitte vollständige bibl. Angaben in Fußnote einfügen! -->
Im Jahr [[1919]] gründete Gertrud Bäumer gemeinsam mit Friedrich Naumann und anderen die ''[[Deutsche Demokratische Partei]]'' (DDP). Die Hochschätzung, die Gertrud Bäumer innerhalb der Partei genoss, lässt sich wohl am besten daran ersehen, daß sie bis [[1930]] in Folge das Amt der dritten Vorsitzenden innehatte. Außerdem gehörte sie von 1919 bis 1932 durchgängig dem [[Reichstag]] an.


Trotz erheblichen Zugeständnissen an Zensur und anderweitige Presseauflagen glaubte Bäumer, mit der Publikation der ''Frau'', die sie ab 1933 zusammen mit [[Frances Magnus|Frances Magnus von Hausen]] herausgab, noch Reste von frauenbewegten Inhalten vermitteln zu können. Dies verlangte ihr jedoch im Lauf der Zeit immer größere Zugeständnisse bis hin zur Aufnahme auch nationalsozialistischer Inhalte ab. Weggefährtinnen wie [[Anna Pappritz]], [[Marie-Elisabeth Lüders]]<ref>[[Marie-Elisabeth Lüders]]: ''Fürchte Dich nicht. Politisches und Persönliches aus mehr als 80 Jahren.'' Köln/Opladen 1963, S. 140 f., ISBN 978-3-322-98441-8.</ref>, [[Alice Salomon]] und [[Dorothee von Velsen]] warfen ihr neben der Selbstzensur außerdem vor, sich nicht oder nur unzureichend vom nationalsozialistischen Antisemitismus abzugrenzen. 1944 stellten die beiden Herausgeberinnen das Erscheinen der ''Frau'' aufgrund von Papiermangel endgültig ein.
===Die Position von Gertrud Bäumer zum Nationalsozialismus vor 1933===
[[Bild:gbaeumeralt.jpg|thumb|100px|Die Bäumer im Alter]]
Ihre tagespolitischen Aufsätze hatte Gertrud Bäumer bis 1933 vor allem in der Zeitschrift ''Die Hilfe'' veröffentlicht. In dieser Zeitschrift, die personell eng mit der DDP verknüpft war und sich als Forum des national-sozialen Kreises um Naumann verstand, wurde dem Phänomen des aufkommenden Nationalsozialismus zunehmende Aufmerksamkeit geschenkt.


=== Nachkriegszeit ===
Als im Herbst [[1923]] in [[Bayern]] zunehmend Gerüchte eines 'Marsches auf Berlin' (nach dem Vorbild [[Mussolini]]s) und Verschwörungspläne zwischen [[Hitler]] und Teilen der [[Reichswehr]]führung bekanntwerden (vgl. Broszat/Frei: 1989, 182ff), bezeichnet Gertrud Bäumer die Vorgänge in Bayern als
[[Datei:Grabstätte Trakehner Allee 1 (Westend) Helene Lange.jpg|mini|hochkant|Ehrengrab von [[Helene Lange]] auf dem [[Friedhof Heerstraße]] in [[Berlin-Westend]] mit Gedenkinschrift für Gertrud Bäumer]]
:»skrupellose(n) Kampf um die Macht von solchen Leuten, denen das Reich nur so weit etwas wert ist, als s i e darin herrschen, heute wie vor dem Weltkrieg. Und das brave und leichtgläubige Bürgertum läuft ihnen nach und macht mit dem Tribut seiner Leiden, enttäuschten Hoffnungen und guten vaterländischen Gefühlen aus einem Staatsstreich der alten 'Gesellschaft' eine Volksbewegung.« (DH, 1.11.1923, 368)
Anfang 1945 floh Bäumer mit dem Enkel ihrer mittlerweile verstorbenen Lebensgefährtin vor der vorrückenden Roten Armee von Schlesien nach [[Saalfeld/Saale]] (Körnerstraße 6) und weiter nach [[Bamberg]], wo sie im [[Aufseesianum (Bamberg)|Aufseesianum]] aufgenommen wurde. Sie versuchte sich noch am politischen Aufbau der Bundesrepublik und insbesondere am Wiederaufbau einer Frauenbewegung zu beteiligen, musste jedoch feststellen, dass gerade in den Frauenorganisationen der Nachkriegszeit ihr lavierendes Verhalten in der Zeit des Nationalsozialismus als Opportunismus ausgelegt wurde und ihre Auffassung von Frauenpolitik als nicht mehr zeitgemäß galt. Sie war auch im Gründerkreis der [[Christlich-Soziale Union|Christlich-Sozialen Union]] (CSU) aktiv. Bäumer hielt noch einige Vorträge insbesondere zu theologischen und historischen Themen, begann aber bald, an [[Arteriosklerose|Atherosklerose]] zu leiden, was ihr die öffentliche Tätigkeit nach und nach unmöglich machte.
Als am [[9. November]] 1923 tatsächlich der sogenannte [[Hitler-Putsch]] stattfindet, kommentiert sie mit resignativen Worten:
:»Schlimmer als dieses tragikomische Gaukelspiel ist die Tatsache, daß diese Klassenoffensive auch republikanische Parteien durchsetzt und ihre Kraft für die Verteidigung der Republik gebrochen oder doch gelähmt hat. Die wirtschaftlichen Machthaber in Deutschland sind bestenfalls Vernunftrepublikaner.« (DH, 1.12.1923, 403)
Mit dem zunehmenden Erfolg der 'Bewegung' warnte sie davor, daß 'der politische Sieg dieser Stimmungswelle (...) der deutsche Zusammenbruch (wäre). Gefährlicher als diese Stimmungen selbst ist die Tatsache, daß auch von denen, die sie nicht teilen, ihre ganze Gefährlichkeit nicht gesehen wird.' (DH, 5.3.1932, 221; Hervorh. i.O. gesp. gedr.)


Gertrud Bäumer zog 1949 mit ihrer Schwester Else Bäumer (1875–1959) nach [[Bad Godesberg]]. Anfang 1954 wurde sie in die [[Von Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel|Bodelschwinghschen Anstalten]] in [[Bethel (Bielefeld)|Bethel]] verlegt, wo sie am 25. März verstarb. Sie liegt auf dem [[Neuer Zionsfriedhof|Neuen Zionsfriedhof]] begraben.
Auch wenn sie Hitlers ''Mein Kampf'', ein 'erstaunlich konfuse(s) Buch' nannte (DH, 20.9.1930, 937), blieb sie wachsam gegenüber einer Partei, die der [[Demokratie]] und dem [[Parlamentarismus]] offen den Kampf angesagt hatte:
:»Der Nationalsozialismus, was auch immer an ihm wertvoll sein möge, ist so lange mehr zerstörerisch als aufbauend, als seine Führer unverantwortlich handeln: unverantwortlich in der durch keinen Wahrheitssinn gezügelten Herabsetzung der Gegner, unverantwortlich in der demagogisch-gefälschten Darstellung der deutschen Lage und der Machtverhältnisse, unverantwortlich in dem skrupellosen 'Appell an den Schweinehund im Menschen', wie im Reichstag mit Recht gesagt wurde, unverantwortlich in der hemmungslosen Ausbeutung der Urteilsunfähigkeit und im Mißbrauch anständiger und reiner Kräfte.« (DH, 26.3.1932, 309)


== Ehrungen ==
Sie selbst hoffte auf eine ''Erneuerung der Mitte'' (DH, 18.6.1932, 578), wenngleich sie sich der Tatsache bewußt war, daß durch die Zerstrittenheit der Parteien ein gemeinsames politisches Profil der »Mitte« kaum zu verwirklichen war. Die Grundlage mußte aber immer 'die Erhaltung der bürgerlichen Freiheit im Geiste der Reichsverfassung' sein (DH, 18.6.1932, 579).
Am Grabdenkmal des [[Liste der Ehrengräber des Landes Berlin|Ehrengrabes des Landes Berlin]] für Helene Lange auf dem [[Friedhof Heerstraße]] in [[Berlin-Westend]] erinnert eine Inschrift ''in memoriam'' an Gertrud Bäumer.<ref>[[Hans-Jürgen Mende (Historiker)|Hans-Jürgen Mende]]: ''Lexikon Berliner Begräbnisstätten''. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1. S.&nbsp;483.</ref>
Allerdings lehnte sie nicht alle Vorstellungen und Ziele des Nationalsozialismus von vornherein ab. Sie erkannte sehr wohl, daß die Nationalsozialisten nicht nur aufgrund ihrer 'Technik der Massenbearbeitung' (DH, 20.9.1930, 937) erfolgreich waren. Das Konglomerat an Ideen, wie es in der NS-Ideologie präsentiert wurde, sprach eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen an. Keine Diskussion konnte es geben über den menschenverachtenden [[Antisemitismus]] und die »innerpolitische Greuelpropaganda« (ebd., 938) dieser Partei, die ja eine 'Bewegung' sein wollte. Unbestritten konnte die [[NSDAP]] aber ein Defizit in der Parteipolitik füllen, sei es auch nur durch Versprechungen. Bäumer nahm die seelische Krise, die sich ihrer Meinung nach in den Erfolgen der Nationalsozialisten offenbarte, ernst. Wichtig war ihr eine Reformierung des Parlamentarismus, da dieser sich ihrer Meinung nach immer mehr in kleingläubigen Interessenpartikularismus zu entwickeln drohte (vgl. DH, 1.6.1929, 268ff).


Zahlreiche Schulen wurden nach Gertrud Bäumer benannt, darunter:
Die semantische Nähe der Begriffe »national-sozial«, wie sich der ''Hilfe''-Kreis bezeichnete, und das »nationalsozialistisch« der NSDAP führte zu einer ganz besonderen Aufmerksamkeit dieser Partei gegenüber. Den wesentlichen Unterschied sahe Gertrud Bäumer jedoch darin, daß sich bei Naumann »der Nationalsozialismus mit der Demokratie« verband (DH, 15.8.1924, 267; Hervorh. i.O. gesp. gedr.), und in diesem Sinne auch weitergetragen wurde. Die »Epigone(n) à la Hitler«, die Bäumer als »hysterische Schaumschläger« bezeichnete, machten sie angesichts ihrer »wirtschaftspolitische(n) Kleinbürgerphantastik« (ebd., 266) zornig:
* [[Gertrud-Bäumer-Gymnasium]] (GBG) in [[Remscheid]]
:»Wenn das, was sich heute Nationalsozialismus nennt, nicht, verflacht und verrannt zugleich, in seiner Gedankenarbeit klastertief unter dem Niveau bliebe, auf dem die alten Nationalsozialen gearbeitet haben, so müßte ernsthafte Jugend, die in dunkler Zeit nach einem Ziel und einem Weg sucht, hier eine Anknüpfung finden - manches einzelne umbildend und neugestaltend, aber der Generalidee folgend, die den Sozialismus aus der marxistischen Verengung heraushebt und als Aufgabe der Erschaffung der Nation von innen her erfaßt.« (ebd., 268f.)
* Gertrud-Bäumer Berufskolleg in [[Duisburg]]
* [[Gertrud-Bäumer-Berufskolleg (Märkischer Kreis)]] in [[Lüdenscheid]] und [[Plettenberg]]
* Gertrud-Bäumer-Schule in [[Bielefeld]]
* Gertrud Bäumer Realschule in [[Bonn]]
* Gertrud-Bäumer-Schule in [[Essen]]
* Gertrud-Bäumer-Realschule in [[Gelsenkirchen]]
* Gertrud-Bäumer-Realschule in [[Dortmund]]
* Gertrud-Bäumer-Schule in [[Karlsruhe]], ist jedoch mittlerweile zusammen mit der Helene-Lange-Schule in der Elisabeth-Selbert-Schule aufgegangen.
* Gertrud-Bäumer-Grundschule in [[München]]


[[Datei:2021-05-01 Gertrud-Bäumer-Weg (Hannover) 01.JPG|mini|Blick in den Gertrud-Bäumer-Weg in Hannover-Südstadt]]
Als sie sich am [[13. Oktober]] 1930 bei der Eröffnung des Reichstages das Spektakel der einziehenden [[SA]]-Männer ansehen musste, schrieb sie dazu: »Ein heißer Protest steht in einem auf gegen den Gewaltwillen, der sich in dem Aufzug dieser Truppe renommistisch ausdrückt.« (DH, 18.10.1930, 1033). Einer inhaltlichen Auseinandersetzung oder gar einer Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten erteilte Gertrud Bäumer eine Absage. Es gelte vielmehr den Kampf zu führen,
Ebenfalls wurden Straßen nach ihr benannt, so unter anderem in ihrem Geburtsort [[Hagen]]-[[Hohenlimburg]] sowie in [[Hanau]], 1954 in [[Hannover-Südstadt]]<ref>Renate Deuter: ''Bodo Dringenberg: Frauenstraßennamen.'' In: ''Hannoversche Geschichtsblätter.'' N.F. 52, 1998, S. 436.</ref>, [[Lünen]], [[München]], [[Regensburg]]<ref>{{Literatur |Autor=Matthias Freitag |Titel=Regensburger Straßennamen |Verlag= Mittelbayerische Verlagsgesellschaft |Ort=Regensburg |Datum=1997 |ISBN=3-931904-05-9 |Seiten=59}}</ref>, [[Tübingen]], [[Troisdorf]] und [[Wiesbaden]].
: »... gegen eine Macht, die auf Kosten der Achtung vor dem lebendigen Gewissen des Einzelnen und durch gewaltsame Stillegung aller anderen Anschauungen den Staatsbürger durch den politischen Soldaten ersetzen will - etwas im tiefsten Kern Undeutsches, Ungermanisches. Nur durch die rücksichtslose Bekämpfung dieser neuen deutsch-völkischen Auflage eines ungeheuerlichen Byzantinismus wird das Echte und Kräftige der Bewegung aus einer üblen und sehr unrassischen Legierung einmal befreit werden!« (DH, 16.7.1932, 676)


Im Jahr 1974 gab die Deutsche Bundespost eine Sondermarke mit dem Bildnis Gertrud Bäumers heraus.
Wo allerdings das »Echte und Kräftige« bei einer Partei sein kann, die ihre Politik unter dem Banner des Rassenhasses betrieb, bleibt unverständlich. Selbst wenn Gertrud Bäumer bei dieser Äußerung den Antisemitismus ignoriert haben mag, so bleibt doch die völlig undemokratische Struktur des Nationalsozialismus, die den Vorstellungen Naumanns, wie Gertrud Bäumer oft genug bestätigt hat, genau diametral gegenübergesetzt waren.


== Schriften (Auswahl) ==
==Literatur==
* ''Handbuch der Frauenbewegung.'' Teil I und II (Herausgeberschaft mit Helene Lange). Moeser, Berlin 1901. [https://archive.org/stream/handbuchderfrau04ratgoog#page/n8/mode/2up Digitalisat].
* ''Die hoeheren Lehranstalten und das Maedchenschulwesen im Deutschen Reich'' (mit [[Conrad Rethwisch]] und [[Rudolf Lehmann (Pädagoge)|Rudolf Lehmann]]). Asher, Berlin 1904.
* ''Geschichte der Gymnasialkurse für Frauen zu Berlin''. Moeser, Berlin 1906.
* ''Von der Kinderseele''. Voigtländers Verlag, Leipzig 1908 (mit [[Lili Droescher]]).
* ''Frauenbewegung und Sexualethik. Beiträge zur modernen Ehekritik''. Salzer, Heilbronn 1909.
* ''Die soziale Idee in den Weltanschauungen des 19. Jahrhunderts. Die Grundzüge der modernen Sozialphilosophie''. Salzer, Heilbronn 1910.
* ''Die Frau und das geistige Leben''. C.F.&nbsp;Amelangs Verlag, Leipzig 1911 (→ [[Elisabeth Siewert#Bäumer|Zusammenfassung der enthaltenen Darstellung Elisabeth Siewerts]].)
* ''Der Deutsche Frauenkongreß. Sämtliche Vorträge'' (Herausgeberschaft), Teubner, Leipzig 1912.
* ''Die Frau in Volkswirtschaft und Staatsleben der Gegenwart''. DVA, Stuttgart/Berlin 1914.
* ''Studien über Frauen''. Herbig, Berlin 1921.
* ''Die seelische Krisis''. Herbig, Berlin 1924.
* ''Grundlagen demokratischer Politik'', G. Braun, Karlsruhe 1928.
* ''Deutsche Schulpolitik'', G. Braun, Karlsruhe 1928.
* ''Heimatchronik während des Weltkrieges''. Quelle & Meyer, Leipzig 1930.
* ''Sinn und Formen geistiger Führung''. Herbig, Berlin 1930.
* ''Neuer Humanismus''. Quelle & Meyer, Leipzig 1930.
* ''Lebensweg durch eine Zeitenwende''. Wunderlich, Tübingen 1933.
* ''Männer und Frauen im geistigen Werden des deutschen Volkes''. Winderlich, Tübingen 1934.
* ''Adelheid – Mutter der Königreiche''. Wunderlich, Tübingen 1936.
* ''Der Park – Geschichte eines Sommers''. Herbig, Berlin 1937.
* ''Wolfram von Eschenbach''. Cotta, Stuttgart 1938.
* ''Der Berg des Königs – Das Epos des langobardischen Volkes''. Bruckmann, München 1938.
* ''Gestalt und Wandel. Frauenbildnisse.'' Herbig, Berlin 1939
* ''Die Macht der Liebe – Der Weg des Dante Alighieri''. Bruckmann, München 1941.
* ''Das Antlitz der Mutter. 32 Abbildungen, davon 4 Farbtafeln. Mit einer Einleitung von Gertrud Bäumer'', Genius Verlag, Berlin 1941
* ''Der ritterliche Mensch – Die Naumburger Stifterfiguren in 16 Farbaufnahmen von Walter Hege''. F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung Deutscher Kunstverlag, Berlin o.J (1941).
* ''Eine Woche im Mai – Sieben Tage des jungen Goethe''. Wunderlich, Tübingen 1944.
* ''Frau Rath Goethe – Die Weisheit der Mutter''. Wunderlich, Tübingen 1949.
* ''Die drei göttlichen Komödien des Abendlandes. Wolframs Parsifal. Dantes Divina Commedia. Goethes Faust''. Regensberg, Münster 1949.
* ''Ricarda Huch''. Wunderlich, Tübingen 1949.
* ''Otto&nbsp;I. und Adelheid''. Wunderlich, Tübingen 1951.
* ''Das königliche Haupt. Eine Erzählung''. Wunderlich, Tübingen 1951.
* ''Im Licht der Erinnerung''. Wunderlich, Tübingen 1953 (Autobiographie).
* ''Des Lebens wie der Liebe Band. Briefe''. Hrsg. von Emmy Beckmann, Wunderlich, Tübingen 1956.
* ''Bildnis der Liebenden – Gestalt und Wandel der Frau''. Wunderlich, Tübingen 1958 (''Das Schicksal bedeutender Frauengestalten – von Heloise und Vittoria Colonna bis zu Lou Andreas-Salomé und Eleonora Duse''). [https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bvb:355-ubr20151-3 Digitalisat].
* ''Eleonora Duse''. Wunderlich, Tübingen 1958 (Porträt der italienischen Schauspielerin, mit der Bäumer persönlich bekannt war).


== Literatur über Gertrud Bäumer (Auswahl) ==
* Eva Matthes und Caroline Hopf, ''Helene Lange und Gertrud Bäumer. Ihr Engagement für Frauen- undMädchenbildung''; Bad Heilbrunn 2001 (ISBN 3-7815-1146-4)
* Marie Luise Bach: ''Gertrud Bäumer. Biographische Daten und Texte zu einem Persönlichkeitsbild. Mit einem Vorwort von [[Line Kossolapow]].'' Deutscher Studien Verlag, Weinheim 1989.
* [[Manfred Berger (Pädagoge)|Manfred Berger]]: ''Wer war... Gertrud Bäumer?'' In: ''Sozialmagazin'' 2001, H. 7–8, S. 6–9.
* Maximilian Buchka: ''Bäumer, Gertrud.'' In: Hugo Maier (Hrsg.): ''Who is who der Sozialen Arbeit.'' Lambertus, Freiburg i.Br. 1998, S.&nbsp;64–68.
* Sascha Bütow: ''„[...] wir stehen heute vor ihrem Glanz als die im Dunkel Wohnenden [...]“. Zur Vergegenwärtigung ottonischer Geschichte durch Gertrud Bäumer in der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit.'' In: [[Stephan Freund]], [[Gabriele Köster (Kunsthistorikerin)|Gabriele Köster]], [[Matthias Puhle]] (Hrsg.): ''Des Kaisers letzte Reise. Höhepunkt und Ende der Herrschaft Ottos des Großen 973 und sein (Weiter-)Leben vom Mittelalter bis zur Gegenwart'' (= ''Schriftenreihe des Zentrums für Mittelalterausstellungen Magdeburg'', Bd. 8). Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2023, ISBN 978-3-96311-780-0, S. 283–304.
* [[Ingeborg Drewitz]]: ''Gertrud Bäumer (1873–1954).'' In: Hans Jürgen Schultz (Hrsg.): ''Frauen. Porträts aus zwei Jahrhunderten.'' Kreuz Verlag, Stuttgart 1987.
* Orla Maria Fels: ''Die deutsche bürgerliche Frauenbewegung als juristisches Phänomen dargestellt an der Erscheinung Gertrud Bäumers.'' Photodruck, Stuttgart 1959.
* Margit Göttert: ''Macht und Eros. Frauenbeziehungen und weibliche Kultur um 1900 – eine neue Perspektive auf Helene Lange und Gertrud Bäumer.'' Ulrike Helmer, Frankfurt/M. 2000.
* Caroline Hopf, [[Eva Matthes]] (Hrsg.): ''Helene Lange und Gertrud Bäumer. Ihr Engagement für die Frauen- und Mädchenbildung. Kommentierte Texte.'' Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2001.
* Caroline Hopf, Eva Matthes (Hrsg.): ''Helene Lange und Gertrud Bäumer. Ihr Beitrag zum Erziehungs- und Bildungsdiskurs vom Wilhelminischen Kaiserreich bis in die NS-Zeit. Kommentierte Texte.'' Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2003, ISBN 978-3-7815-1275-7.
* [[Susanne Maurer]], Wolfgang Schröer: ''„Ich kreise um&nbsp;…“ Die Bildungstheorie der Mitte am Beispiel Gertrud Bäumer.'' In: Liegle, Treptow (Hrsg.): ''Welten der Bildung in der Pädagogik der frühen Kindheit und in der Sozialpädagogik''. Lambertus, Freiburg i.Br. 2002.
* [[Ulrike Prokop]]: ''Die Sehnsucht nach der Volkseinheit. Zum Konservativismus der bürgerlichen Frauenbewegung vor 1933.'' In: [[Gabriele Dietze]] (Hrsg.): ''Die Überwindung der Sprachlosigkeit. Texte aus der neuen Frauenbewegung.'' Luchterhand, Darmstadt 1979.
* Ulrike Prokop: ''Elemente des weiblichen Autoritarismus. Die Sehnsucht nach der „Volksgemeinschaft“ in der bürgerlichen Frauenbewegung vor 1933.'' In: Christel Eckhart, Dagmar Henze (Hrsg.): ''Sackgassen der Selbstbehauptung. Feministische Analysen zu Rechtsradikalismus und Gewalt.'' Jenior & Pressler, Kassel 1995.
* [[Angelika Schaser]]: ''Helene Lange und Gertrud Bäumer. Eine politische Lebensgemeinschaft''. 2. durchgesehene und aktualisierte Auflage, Böhlau, Köln u.&nbsp;a. 2010, ISBN 978-3-412-09100-2.
* {{HambBio|Bäumer, Gertrud|5|35|37|Angelika Schaser}}
* {{BibISBN|3770051831}}
* Gabriele Starke: ''Das frauenpolitische Wirken Gertrud Bäumers 1910–1933.'' Dissertation der Fakultät für Philosophie und Geschichtswissenschaft, Leipzig 1993.
* [[Marianne Weber (Frauenrechtlerin)|Marianne Weber]]: ''Vom Gestern zum Morgen. Eine Gabe für Gertrud Bäumer.'' Hans Bott, Berlin 1933.


== Weblinks ==
[[Kategorie:Pädagoge (20. Jh.)|Bäumer, Gertrud]]
{{Commonscat}}
[[Kategorie:Frauenrechtler|Bäumer, Gertrud]]
* {{DNB-Portal|118651870}}
[[Kategorie:DDP-Mitglied|Bäumer, Gertrud]]
* {{DDB|Person|118651870}}
* Schaser, Angelika: [https://www.deutsche-biographie.de/ppn118651870.html Bäumer, Gertrud]. In: ''[[NDB-online]].''
* {{Pressemappe|FID=pe/000875}}
* {{ReichstagDB|118651870}}
* {{DHM-HdG|Bio=gertrud-baeumer|Titel=Gertrud Bäumer|Autor=Levke Harders, Kai-Britt Albrecht}}
* {{WestfAutoren|545}}
* [[Gisbert Strotdrees]]: [http://www.westfaelische-geschichte.de/per624 ''„Anwältin aller Frauenfragen“. Gertrud Bäumer''.] In: Gisbert Strotdrees: ''Es gab nicht nur die Droste. Sechzig Lebensbilder westfälischer Frauen''. 2. Auflage, Münster 1997, ISBN 3-7843-2523-8, S. 114 f.
* [http://www.gertrudbaeumer.de/ ''Gertrud Bäumer 1873–1954. Politikerin und Schriftstellerin''.] Artikel und Aufsätze von Gertrud Bäumer
* Nicolas Kessler: [https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Virtuelle-Ausstellungen/Gertrud-Baumer-Ein-Lebensweg-Durch-Eine-Zeitenwende/gertrud-baumer-ein-lebensweg-durch-eine-zeitenwende.html ''Gertrud Bäumer. Ein „Lebensweg durch eine Zeitenwende“''.] Bundesarchiv.de (Galerie von Dokumenten)
* [https://invenio.bundesarchiv.de/invenio/direktlink/6d125af0-d20a-4f36-991d-3de0a5a78cbd/ Nachlass Bundesarchiv N 1076]
* [https://programm.ard.de/?sendung=282294101105694 ''Starke Frauen, Starke Geschichten: Weimar und die 37 Frauen'' – Film von Steffen Jindra (2021)]


== Einzelnachweise ==
[[Kategorie:Frau|Bäumer, Gertrud]]
<references />
[[Kategorie:Deutscher|Bäumer, Gertrud]]

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{{SORTIERUNG:Baumer, Gertrud}}
[[Kategorie:Pädagoge (20. Jahrhundert)]]
[[Kategorie:Reformpädagoge]]
[[Kategorie:Person der sozialen Arbeit]]
[[Kategorie:Frauenrechtler (Deutschland)]]
[[Kategorie:Politische Literatur]]
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[[Kategorie:Mitglied der Weimarer Nationalversammlung]]
[[Kategorie:Reichstagsabgeordneter (Weimarer Republik)]]
[[Kategorie:FVg-Mitglied]]
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{{Personendaten
|NAME=Bäumer, Gertrud
|ALTERNATIVNAMEN=
|KURZBESCHREIBUNG=deutsche Frauenrechtlerin, Politikerin (DDP, DStP), MdR, Sozialarbeiterin
|GEBURTSDATUM=12. September 1873
|GEBURTSORT=[[Hohenlimburg]]
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|STERBEORT=[[Gadderbaum]]
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Aktuelle Version vom 10. März 2025, 15:10 Uhr

Gertrud Bäumer (ca. 1927)
Gertrud Bäumer (ca. 1930)
Das Grab von Gertrud Bäumer auf dem Neuen Zionsfriedhof Bethel in Bielefeld

Gertrud Bäumer (* 12. September 1873 in Hohenlimburg, Kreis Iserlohn; † 25. März 1954 in Gadderbaum, Kreis Bielefeld) war eine deutsche Frauenrechtlerin, liberale Politikerin (FVg, FVP, DDP, DStP, CSU), Publizistin und Schriftstellerin. Sie war von 1910 bis 1919 Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine, von 1919 bis 1932 Mitglied des Reichstages und wurde 1920 als erste Frau in Deutschland Ministerialrätin im Reichsministerium des Innern.[1]

Kindheit und Ausbildung

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Gertrud Bäumer entstammte einer evangelisch-reformierten Pfarrersfamilie aus dem märkischen Sauerland. Der Urgroßvater Wilhelm Bäumer war Pfarrer in Bodelschwingh bei Dortmund. Als Kirchenpolitiker setzte er sich für den Fortbestand der presbyterial-synodalen Verfassung in der 1815 gegründeten preußischen Provinz Westfalen und darüber hinaus in ganz Preußen ein. Wilhelm Bäumer, der mit Friedrich Schleiermacher korrespondierte, gehörte damit in den größeren Gesamtzusammenhang des kirchlichen und politischen Frühkonstitutionalismus.[2]

Als Bäumer drei Jahre alt war, zog die Familie nach Cammin in Pommern, wo ihr Vater Emil (1845–1883) eine Stelle als Kreisschulinspektor bekam. Nach dem frühen Tod des Vaters zog die zehnjährige Gertrud mit ihrer Mutter Caroline, geborene Schede (1850–1929), und ihren beiden Geschwistern ins Haus der Großmutter in Halle (Saale). Die Leere im Leben ihrer Mutter und deren wirtschaftliche Abhängigkeit von der Verwandtschaft beschreibt Bäumer in ihren Memoiren als eine schmerzvolle aber lehrreiche Erfahrung. Zur Öde im großmütterlichen Hause schreibt sie: „War dies das Frauenleben – diese Spirale um die eigene Achse?“[3] Ihr Entschluss, einen Beruf zu ergreifen, stand daher nach ihrer eigenen Aussage schon früh fest: „Ich wollte – und mußte aus wirtschaftlichen Gründen – Lehrerin werden.“[4]

Gertrud Bäumer mit ihren Schülern an der Elementarschule in Kamen, 1894

Sie besuchte die Höhere Töchterschule in Halle und absolvierte im Anschluss daran das Lehrerinnenseminar in Magdeburg. Ab 1894 unterrichtete sie an Volksschulen in Halberstadt, Kamen und Magdeburg und konnte so auch ihre Mutter finanziell unterstützen. Bald darauf knüpfte sie durch Vermittlung einer älteren Kollegin Kontakte zum Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein (ADLV), dessen Vorsitzende Helene Lange auf sie fachlich wie persönlich großen Eindruck machte. 1898 wechselte sie nach Berlin, um dort das Oberlehrerinnenexamen abzulegen, das die Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums war. Das Frauenstudium war zu jener Zeit in Preußen nur mit Ausnahmegenehmigung der einzelnen Professoren möglich; die Immatrikulation von Frauen wurde erst 1908 offiziell genehmigt.

An der Berliner Universität belegte sie Theologie, Germanistik, Philologie und Nationalökonomie. Prägende akademische Lehrer waren der Kirchenhistoriker Adolf von Harnack und der Philosoph Wilhelm Dilthey.[5] Ihr Studium finanzierte Bäumer sich selbst, unter anderem durch Publikationstätigkeit für die Frauenbewegung; eine Unterstützung aus dem Hoffmannschen Familienstipendium, die jedem männlichen Studenten ihrer Verwandtschaft gewährt wurde, erhielt sie nicht.[6] Sie promovierte dort 1904 über Goethes Satyros.

Helene Lange und die Arbeit für die Frauenbewegung

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Vorstand des ersten deutschen Frauenkongresses Anfang März 1912 in Berlin. Hintere Reihe von links: Elisabeth Altmann-Gottheiner, Martha Voss-Zietz, Alice Bensheimer, Anna Pappritz. Vordere Reihe von links: Helene von Forster, Gertrud Bäumer, Alice Salomon.

Bäumer kam wie viele Frauen der damaligen Zeit über ihren Beruf als Lehrerin zur bürgerlichen Frauenbewegung, die sich zuerst als Frauenbildungsbewegung verstand. In Berlin kam sie in engeren Kontakt mit Helene Lange, die als unbestrittene Führerin der Lehrerinnenbewegung galt. Als Bäumer kurz nach ihrer Ankunft 1898 über eine Bekannte hörte, dass Lange durch eine Augenkrankheit zunehmend in ihrer Arbeit behindert wurde, bot sie sich als Assistentin an. Sehr rasch entwickelte sich nicht nur eine rege gemeinsame publizistische Arbeit, sondern auch eine intensive Freundschaft, die in eine Lebensgemeinschaft mündete, die bis zu Helene Langes Tod im Jahr 1930 währte.

Lange erkannte bald das geistige Potenzial und die überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit der jungen Gertrud Bäumer und fasste den Entschluss, sie zu ihrer Nachfolgerin aufzubauen. Nicht zuletzt auf Langes Betreiben stieg Bäumer schnell in Vorstandsfunktionen des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF) auf. 1910 löste sie Marie Stritt als Vorsitzende ab, bekleidete das Amt bis 1919 und blieb auch nach dieser Zeit die unbestritten einflussreichste Figur des Verbands.[7] Während des Kriegs war sie maßgeblich am Aufbau des Nationalen Frauendiensts beteiligt, einer Wohlfahrtsorganisation, die um eine Koordinierung der Nahrungsmittelversorgung und des freiwilligen Kriegseinsatzes der Frauen innerhalb von Industrie und Wirtschaft bemüht war.[8]

Ihre hauptsächliche Arbeit für die Frauenbewegung erstreckte sich auf die Arbeit innerhalb des BDF und der monatlich erscheinenden Zeitschrift Die Frau, die als das Sprachrohr der bürgerlichen Frauenbewegung gilt. Daneben übernahm sie 1916 mit Marie Baum den Aufbau und die Leitung (bis 1920) der Institution Soziale Frauenschule und Sozialpädagogisches Institut Hamburg, einer höheren Fachschule für Wohlfahrtspflegerinnen.[9] Die intensive und enge Zusammenarbeit mit den damaligen Schülerinnen führte in den darauffolgenden Jahren zu wiederholten Treffen des ehemaligen Kreises.

Die Politikerin

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Banner Frauen zur Wahl in der Sonderausstellung Damenwahl, Historisches Museum Frankfurt. Gertrud Bäumer ist ganz links zu sehen.

Gertrud Bäumer gehörte zu den Vertreterinnen eines Differenzfeminismus, die dem konstatierten „weiblichen Prinzip“ die Aufgabe zuschrieben, zur Humanisierung des Lebens beizutragen. Politisch identifizierte sie sich mit dem sozialen Liberalismus Friedrich Naumanns, mit dem sie ab 1906 eng zusammenarbeitete; ab 1912 war sie für den Kulturteil seiner 1894 gegründeten Zeitschrift Die Hilfe redaktionell verantwortlich. Nach seinem Tod 1919 wurde sie zeitweilig die alleinige Herausgeberin. Auch mit Naumann verband sie nicht nur eine Arbeitsgemeinschaft, sondern eine intensive Freundschaft.[10]

Nach der Änderung des preußischen Vereinsrechts im Jahre 1908 (das Frauen bis dahin den Eintritt in politische Parteien verboten hatte), traten Gertrud Bäumer und Helene Lange der Freisinnigen Vereinigung bei, in der auch Naumann seit 1903 aktiv war. Aus der Freisinnigen Vereinigung ging später die linksliberale Fortschrittliche Volkspartei (FVP) hervor. Im Jahr 1919 gründete Bäumer gemeinsam mit Naumann und anderen die Deutsche Demokratische Partei (DDP), deren stellvertretende Vorsitzende sie von 1920 bis 1930 war.[11]

1919 zog sie in die Weimarer Nationalversammlung ein und hatte von 1920 bis 1932 ein Reichstagsmandat, davon in den Jahren 1930 bis 1932 als Mitglied der Deutschen Staatspartei (DStP), in der die Deutsche Demokratische Partei kurz zuvor aufgegangen war. Zusammen mit ihrem Fraktionskollegen Theodor Heuss setzte sie sich für das 1926 beschlossene Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften ein. Dies stieß auf erhebliche Kritik von Künstlern, Schriftstellern und der linksliberalen Presse, die Zensur befürchteten.[12][13] Kurt Tucholsky verspottete Bäumer in diesem Zusammenhang als „Old Bäumerhand, der Schrecken der Demokratie“.[14] Zu den Reichstagswahlen 1932 kandidierte sie nicht mehr.

Darüber hinaus wurde sie 1920 als Ministerialrat in das Reichsinnenministerium berufen, wo sie für die Referate Jugendwohlfahrt und Schulwesen zuständig war. Zudem war sie von 1926 bis 1933 Delegierte der Reichsregierung beim Völkerbund in Genf.

Die Position von Gertrud Bäumer zum Nationalsozialismus vor 1933

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Ihre tagespolitischen Aufsätze hatte Gertrud Bäumer bis 1933 vor allem in der Zeitschrift Die Hilfe veröffentlicht. In dieser Zeitschrift, die personell eng mit der DDP verknüpft war und sich als Forum des national-sozialen Kreises um Naumann (in der Tradition des Nationalsozialen Vereins) verstand, wurde dem Phänomen des aufkommenden Nationalsozialismus zunehmende Aufmerksamkeit geschenkt.

Als im Herbst 1923 in Bayern zunehmend Gerüchte eines „Marsches auf Berlin“ (nach dem Vorbild von Mussolinis Marsch auf Rom) und Verschwörungspläne zwischen Hitler und Teilen der Reichswehrführung bekanntwerden,[15] bezeichnet Gertrud Bäumer die Vorgänge in Bayern als

„skrupellose(n) Kampf um die Macht von solchen Leuten, denen das Reich nur so weit etwas wert ist, als s i e darin herrschen, heute wie vor dem Weltkrieg. Und das brave und leichtgläubige Bürgertum läuft ihnen nach und macht mit dem Tribut seiner Leiden, enttäuschten Hoffnungen und guten vaterländischen Gefühlen aus einem Staatsstreich der alten ‚Gesellschaft‘ eine Volksbewegung.“[16]

Als am 9. November 1923 tatsächlich der so genannte Hitlerputsch stattfindet, kommentiert sie mit resignativen Worten:

„Schlimmer als dieses tragikomische Gaukelspiel ist die Tatsache, daß diese Klassenoffensive auch republikanische Parteien durchsetzt und ihre Kraft für die Verteidigung der Republik gebrochen oder doch gelähmt hat. Die wirtschaftlichen Machthaber in Deutschland sind bestenfalls Vernunftrepublikaner.“[17]

Mit dem zunehmenden Erfolg der „Bewegung“ warnte sie davor, dass „der politische Sieg dieser Stimmungswelle […] der deutsche Zusammenbruch [wäre]. Gefährlicher als diese Stimmungen selbst ist die Tatsache, daß auch von denen, die sie nicht teilen, ihre ganze Gefährlichkeit nicht gesehen wird.“[18]

Hitlers Mein Kampf nannte sie ein „erstaunlich konfuse[s] Buch“,[19]; ihr Urteil gegenüber dem Nationalsozialismus blieb ablehnend:

„Der Nationalsozialismus, was auch immer an ihm wertvoll sein möge, ist so lange mehr zerstörerisch als aufbauend, als seine Führer unverantwortlich handeln: unverantwortlich in der durch keinen Wahrheitssinn gezügelten Herabsetzung der Gegner, unverantwortlich in der demagogisch-gefälschten Darstellung der deutschen Lage und der Machtverhältnisse, unverantwortlich in dem skrupellosen ‚Appell an den Schweinehund im Menschen‘, wie im Reichstag mit Recht gesagt wurde, unverantwortlich in der hemmungslosen Ausbeutung der Urteilsunfähigkeit und im Mißbrauch anständiger und reiner Kräfte.“[20]

Sie selbst hoffte auf eine Erneuerung der Mitte,[21] wenngleich sie sich der Tatsache bewusst war, dass durch die Zerstrittenheit der Parteien ein gemeinsames politisches Profil der „Mitte“ kaum zu verwirklichen war. Die Grundlage musste für sie aber immer „die Erhaltung der bürgerlichen Freiheit im Geiste der Reichsverfassung“ sein.[22] Allerdings lehnte sie nicht alle Vorstellungen und Ziele des Nationalsozialismus von vornherein ab. Sie erkannte sehr wohl, dass die Nationalsozialisten nicht nur aufgrund ihrer „Technik der Massenbearbeitung“[23] erfolgreich waren. Das Konglomerat an Ideen, wie es in der NS-Ideologie präsentiert wurde, sprach eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen an. Keine Diskussion konnte es geben über den menschenverachtenden Antisemitismus und die „innerpolitische Greuelpropaganda“[24] dieser Partei, die ja eine „Bewegung“ sein wollte. Unbestritten konnte die NSDAP aber ein Defizit in der Parteipolitik füllen, sei es auch nur durch Versprechungen. Bäumer nahm die seelische Krise, die sich ihrer Meinung nach in den Erfolgen der Nationalsozialisten offenbarte, ernst. Wichtig war ihr eine Reformierung des Parlamentarismus, da dieser sich ihrer Meinung nach immer mehr in kleingläubigen Interessenpartikularismus zu entwickeln drohte.[25]

Die semantische Nähe der Begriffe „national-sozial“, wie sich der Hilfe-Kreis bezeichnete, und das „nationalsozialistisch“ der NSDAP führte zu einer ganz besonderen Aufmerksamkeit dieser Partei gegenüber. Den wesentlichen Unterschied sah Gertrud Bäumer jedoch darin, dass sich bei Naumann „der Nationalsozialismus mit der Demokratie“ verband,[26] und in diesem Sinne auch weitergetragen wurde. Die „Epigone[n] à la Hitler“, die Bäumer als „hysterische Schaumschläger“ bezeichnete, machten sie angesichts ihrer „wirtschaftspolitische[n] Kleinbürgerphantastik“[27] zornig:

„Wenn das, was sich heute Nationalsozialismus nennt, nicht, verflacht und verrannt zugleich, in seiner Gedankenarbeit klastertief unter dem Niveau bliebe, auf dem die alten Nationalsozialen gearbeitet haben, so müßte ernsthafte Jugend, die in dunkler Zeit nach einem Ziel und einem Weg sucht, hier eine Anknüpfung finden – manches einzelne umbildend und neugestaltend, aber der Generalidee folgend, die den Sozialismus aus der marxistischen Verengung heraushebt und als Aufgabe der Erschaffung der Nation von innen her erfaßt.“[28]

Als sie sich am 13. Oktober 1930 bei der Eröffnung des Reichstages das Spektakel der in Parteiuniform einziehenden NSDAP-Abgeordneten ansehen musste, schrieb sie dazu: „Ein heißer Protest steht in einem auf gegen den Gewaltwillen, der sich in dem Aufzug dieser Truppe renommistisch ausdrückt.“[29] Einer inhaltlichen Auseinandersetzung oder gar einer Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten erteilte Gertrud Bäumer eine Absage. Es gelte vielmehr den Kampf zu führen,

„… gegen eine Macht, die auf Kosten der Achtung vor dem lebendigen Gewissen des Einzelnen und durch gewaltsame Stilllegung aller anderen Anschauungen den Staatsbürger durch den politischen Soldaten ersetzen will – etwas im tiefsten Kern Undeutsches, Ungermanisches. Nur durch die rücksichtslose Bekämpfung dieser neuen deutsch-völkischen Auflage eines ungeheuerlichen Byzantinismus wird das Echte und Kräftige der Bewegung aus einer üblen und sehr unrassischen Legierung einmal befreit werden!“[30]

Bäumers kritische aber letztlich lavierende Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus ist symptomatisch für ihren reformistischen und staatstragenden Ansatz: Ihr Bemühen galt Verbesserungen innerhalb von Systemen, welche Systeme dies auch seien. In der Zeit des Nationalsozialismus ließ sie sich dabei aber auf Kompromisse ein, die für die meisten ihrer Mitstreiterinnen in der Frauenbewegung nicht mehr tragbar waren.[31]

Schriftstellerin und Publizistin in der NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg

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1933, nachdem sie von den Nationalsozialisten ihrer politischen Ämter enthoben worden war, wandte Bäumer sich stärker historischen Studien, Reisen und schriftstellerischen Arbeiten zu. Im Herbst 1933 schrieb sie ihre politische Autobiografie Lebensweg durch eine Zeitenwende, die sie offenbar als „geistige Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus“ verstand.[32] In einem Brief an ihren Onkel Werner Schede ging sie auf das Dilemma ein, vor das ihre Weiterarbeit unter den Nationalsozialisten sie gestellt hätte:

„Ich bin also mit Pension und auch unter Anrechnung meiner früheren Lehrerinnenzeit entlassen. Persönlich ist das für mich die reinlichere Lösung. Wäre ich im Amt, so müsste ich referatsmäßig jetzt z. B. die Verfügungen über die jüdischen Kinder in den Schulen machen oder die bevorstehende Verfügung für den Geschichtsunterricht, durch die alles, was seit dem Zusammenbruch geschehen ist, defamiert [i.O.] werden soll. Das wäre mir selbst auch tatsächlich unmöglich.“

Brief vom 28. April 1933[33]

Anfang 1934 zog sie mit ihrer zweiten Lebensgefährtin Gertrud von Sanden (1881–1940) ins schlesische Gießmannsdorf (heute Gościszów) bei Bunzlau. In den folgenden Jahren unternahm sie mit Ludwig Nießen und von Sandens Tochter Isabel Hamer Studienreisen in die Schweiz und nach Italien. 1936 entstand ihr umfangreiches Werk Adelheid – Mutter der Königreiche. Trotz des 1939 gegen sie ergangenen Redeverbots hielt sie weiter Vorträge, vor allem in evangelischen Kreisen.[34] „Ihr Heim wurde Treffpunkt für Freunde und Zufluchtsstätte für Verfolgte.“[35]

Trotz erheblichen Zugeständnissen an Zensur und anderweitige Presseauflagen glaubte Bäumer, mit der Publikation der Frau, die sie ab 1933 zusammen mit Frances Magnus von Hausen herausgab, noch Reste von frauenbewegten Inhalten vermitteln zu können. Dies verlangte ihr jedoch im Lauf der Zeit immer größere Zugeständnisse bis hin zur Aufnahme auch nationalsozialistischer Inhalte ab. Weggefährtinnen wie Anna Pappritz, Marie-Elisabeth Lüders[36], Alice Salomon und Dorothee von Velsen warfen ihr neben der Selbstzensur außerdem vor, sich nicht oder nur unzureichend vom nationalsozialistischen Antisemitismus abzugrenzen. 1944 stellten die beiden Herausgeberinnen das Erscheinen der Frau aufgrund von Papiermangel endgültig ein.

Ehrengrab von Helene Lange auf dem Friedhof Heerstraße in Berlin-Westend mit Gedenkinschrift für Gertrud Bäumer

Anfang 1945 floh Bäumer mit dem Enkel ihrer mittlerweile verstorbenen Lebensgefährtin vor der vorrückenden Roten Armee von Schlesien nach Saalfeld/Saale (Körnerstraße 6) und weiter nach Bamberg, wo sie im Aufseesianum aufgenommen wurde. Sie versuchte sich noch am politischen Aufbau der Bundesrepublik und insbesondere am Wiederaufbau einer Frauenbewegung zu beteiligen, musste jedoch feststellen, dass gerade in den Frauenorganisationen der Nachkriegszeit ihr lavierendes Verhalten in der Zeit des Nationalsozialismus als Opportunismus ausgelegt wurde und ihre Auffassung von Frauenpolitik als nicht mehr zeitgemäß galt. Sie war auch im Gründerkreis der Christlich-Sozialen Union (CSU) aktiv. Bäumer hielt noch einige Vorträge insbesondere zu theologischen und historischen Themen, begann aber bald, an Atherosklerose zu leiden, was ihr die öffentliche Tätigkeit nach und nach unmöglich machte.

Gertrud Bäumer zog 1949 mit ihrer Schwester Else Bäumer (1875–1959) nach Bad Godesberg. Anfang 1954 wurde sie in die Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel verlegt, wo sie am 25. März verstarb. Sie liegt auf dem Neuen Zionsfriedhof begraben.

Am Grabdenkmal des Ehrengrabes des Landes Berlin für Helene Lange auf dem Friedhof Heerstraße in Berlin-Westend erinnert eine Inschrift in memoriam an Gertrud Bäumer.[37]

Zahlreiche Schulen wurden nach Gertrud Bäumer benannt, darunter:

Blick in den Gertrud-Bäumer-Weg in Hannover-Südstadt

Ebenfalls wurden Straßen nach ihr benannt, so unter anderem in ihrem Geburtsort Hagen-Hohenlimburg sowie in Hanau, 1954 in Hannover-Südstadt[38], Lünen, München, Regensburg[39], Tübingen, Troisdorf und Wiesbaden.

Im Jahr 1974 gab die Deutsche Bundespost eine Sondermarke mit dem Bildnis Gertrud Bäumers heraus.

Schriften (Auswahl)

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  • Handbuch der Frauenbewegung. Teil I und II (Herausgeberschaft mit Helene Lange). Moeser, Berlin 1901. Digitalisat.
  • Die hoeheren Lehranstalten und das Maedchenschulwesen im Deutschen Reich (mit Conrad Rethwisch und Rudolf Lehmann). Asher, Berlin 1904.
  • Geschichte der Gymnasialkurse für Frauen zu Berlin. Moeser, Berlin 1906.
  • Von der Kinderseele. Voigtländers Verlag, Leipzig 1908 (mit Lili Droescher).
  • Frauenbewegung und Sexualethik. Beiträge zur modernen Ehekritik. Salzer, Heilbronn 1909.
  • Die soziale Idee in den Weltanschauungen des 19. Jahrhunderts. Die Grundzüge der modernen Sozialphilosophie. Salzer, Heilbronn 1910.
  • Die Frau und das geistige Leben. C.F. Amelangs Verlag, Leipzig 1911 (→ Zusammenfassung der enthaltenen Darstellung Elisabeth Siewerts.)
  • Der Deutsche Frauenkongreß. Sämtliche Vorträge (Herausgeberschaft), Teubner, Leipzig 1912.
  • Die Frau in Volkswirtschaft und Staatsleben der Gegenwart. DVA, Stuttgart/Berlin 1914.
  • Studien über Frauen. Herbig, Berlin 1921.
  • Die seelische Krisis. Herbig, Berlin 1924.
  • Grundlagen demokratischer Politik, G. Braun, Karlsruhe 1928.
  • Deutsche Schulpolitik, G. Braun, Karlsruhe 1928.
  • Heimatchronik während des Weltkrieges. Quelle & Meyer, Leipzig 1930.
  • Sinn und Formen geistiger Führung. Herbig, Berlin 1930.
  • Neuer Humanismus. Quelle & Meyer, Leipzig 1930.
  • Lebensweg durch eine Zeitenwende. Wunderlich, Tübingen 1933.
  • Männer und Frauen im geistigen Werden des deutschen Volkes. Winderlich, Tübingen 1934.
  • Adelheid – Mutter der Königreiche. Wunderlich, Tübingen 1936.
  • Der Park – Geschichte eines Sommers. Herbig, Berlin 1937.
  • Wolfram von Eschenbach. Cotta, Stuttgart 1938.
  • Der Berg des Königs – Das Epos des langobardischen Volkes. Bruckmann, München 1938.
  • Gestalt und Wandel. Frauenbildnisse. Herbig, Berlin 1939
  • Die Macht der Liebe – Der Weg des Dante Alighieri. Bruckmann, München 1941.
  • Das Antlitz der Mutter. 32 Abbildungen, davon 4 Farbtafeln. Mit einer Einleitung von Gertrud Bäumer, Genius Verlag, Berlin 1941
  • Der ritterliche Mensch – Die Naumburger Stifterfiguren in 16 Farbaufnahmen von Walter Hege. F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung Deutscher Kunstverlag, Berlin o.J (1941).
  • Eine Woche im Mai – Sieben Tage des jungen Goethe. Wunderlich, Tübingen 1944.
  • Frau Rath Goethe – Die Weisheit der Mutter. Wunderlich, Tübingen 1949.
  • Die drei göttlichen Komödien des Abendlandes. Wolframs Parsifal. Dantes Divina Commedia. Goethes Faust. Regensberg, Münster 1949.
  • Ricarda Huch. Wunderlich, Tübingen 1949.
  • Otto I. und Adelheid. Wunderlich, Tübingen 1951.
  • Das königliche Haupt. Eine Erzählung. Wunderlich, Tübingen 1951.
  • Im Licht der Erinnerung. Wunderlich, Tübingen 1953 (Autobiographie).
  • Des Lebens wie der Liebe Band. Briefe. Hrsg. von Emmy Beckmann, Wunderlich, Tübingen 1956.
  • Bildnis der Liebenden – Gestalt und Wandel der Frau. Wunderlich, Tübingen 1958 (Das Schicksal bedeutender Frauengestalten – von Heloise und Vittoria Colonna bis zu Lou Andreas-Salomé und Eleonora Duse). Digitalisat.
  • Eleonora Duse. Wunderlich, Tübingen 1958 (Porträt der italienischen Schauspielerin, mit der Bäumer persönlich bekannt war).

Literatur über Gertrud Bäumer (Auswahl)

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  • Marie Luise Bach: Gertrud Bäumer. Biographische Daten und Texte zu einem Persönlichkeitsbild. Mit einem Vorwort von Line Kossolapow. Deutscher Studien Verlag, Weinheim 1989.
  • Manfred Berger: Wer war... Gertrud Bäumer? In: Sozialmagazin 2001, H. 7–8, S. 6–9.
  • Maximilian Buchka: Bäumer, Gertrud. In: Hugo Maier (Hrsg.): Who is who der Sozialen Arbeit. Lambertus, Freiburg i.Br. 1998, S. 64–68.
  • Sascha Bütow: „[...] wir stehen heute vor ihrem Glanz als die im Dunkel Wohnenden [...]“. Zur Vergegenwärtigung ottonischer Geschichte durch Gertrud Bäumer in der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit. In: Stephan Freund, Gabriele Köster, Matthias Puhle (Hrsg.): Des Kaisers letzte Reise. Höhepunkt und Ende der Herrschaft Ottos des Großen 973 und sein (Weiter-)Leben vom Mittelalter bis zur Gegenwart (= Schriftenreihe des Zentrums für Mittelalterausstellungen Magdeburg, Bd. 8). Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2023, ISBN 978-3-96311-780-0, S. 283–304.
  • Ingeborg Drewitz: Gertrud Bäumer (1873–1954). In: Hans Jürgen Schultz (Hrsg.): Frauen. Porträts aus zwei Jahrhunderten. Kreuz Verlag, Stuttgart 1987.
  • Orla Maria Fels: Die deutsche bürgerliche Frauenbewegung als juristisches Phänomen dargestellt an der Erscheinung Gertrud Bäumers. Photodruck, Stuttgart 1959.
  • Margit Göttert: Macht und Eros. Frauenbeziehungen und weibliche Kultur um 1900 – eine neue Perspektive auf Helene Lange und Gertrud Bäumer. Ulrike Helmer, Frankfurt/M. 2000.
  • Caroline Hopf, Eva Matthes (Hrsg.): Helene Lange und Gertrud Bäumer. Ihr Engagement für die Frauen- und Mädchenbildung. Kommentierte Texte. Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2001.
  • Caroline Hopf, Eva Matthes (Hrsg.): Helene Lange und Gertrud Bäumer. Ihr Beitrag zum Erziehungs- und Bildungsdiskurs vom Wilhelminischen Kaiserreich bis in die NS-Zeit. Kommentierte Texte. Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2003, ISBN 978-3-7815-1275-7.
  • Susanne Maurer, Wolfgang Schröer: „Ich kreise um …“ Die Bildungstheorie der Mitte am Beispiel Gertrud Bäumer. In: Liegle, Treptow (Hrsg.): Welten der Bildung in der Pädagogik der frühen Kindheit und in der Sozialpädagogik. Lambertus, Freiburg i.Br. 2002.
  • Ulrike Prokop: Die Sehnsucht nach der Volkseinheit. Zum Konservativismus der bürgerlichen Frauenbewegung vor 1933. In: Gabriele Dietze (Hrsg.): Die Überwindung der Sprachlosigkeit. Texte aus der neuen Frauenbewegung. Luchterhand, Darmstadt 1979.
  • Ulrike Prokop: Elemente des weiblichen Autoritarismus. Die Sehnsucht nach der „Volksgemeinschaft“ in der bürgerlichen Frauenbewegung vor 1933. In: Christel Eckhart, Dagmar Henze (Hrsg.): Sackgassen der Selbstbehauptung. Feministische Analysen zu Rechtsradikalismus und Gewalt. Jenior & Pressler, Kassel 1995.
  • Angelika Schaser: Helene Lange und Gertrud Bäumer. Eine politische Lebensgemeinschaft. 2. durchgesehene und aktualisierte Auflage, Böhlau, Köln u. a. 2010, ISBN 978-3-412-09100-2.
  • Angelika Schaser: Bäumer, Gertrud. In: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hrsg.): Hamburgische Biografie. Band 5. Wallstein, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8353-0640-0, S. 35–37.
  • Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. 3., erheblich erweiterte und überarbeitete Auflage. Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-5183-1.
  • Gabriele Starke: Das frauenpolitische Wirken Gertrud Bäumers 1910–1933. Dissertation der Fakultät für Philosophie und Geschichtswissenschaft, Leipzig 1993.
  • Marianne Weber: Vom Gestern zum Morgen. Eine Gabe für Gertrud Bäumer. Hans Bott, Berlin 1933.
Commons: Gertrud Bäumer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Ausstellung Damenwahl zu 100 Jahre Frauenwahlrecht im Historischen Museum Frankfurt am Main vom 30. August 2018 bis 20. Januar 2019.
  2. Albrecht Geck: Schleiermacher als Kirchenpolitiker. Die Auseinandersetzungen um die Reform der Kirchenverfassung in Preußen (1799–1823). In: Unio et Confessio. Band 20. Bielefeld 1996, S. 221–231 und 261–265.
  3. Gertrud Bäumer: Lebensweg durch eine Zeitenwende. Tübingen 1933, S. 101, ISBN 3-596-23738-6.
  4. Gertrud Bäumer: Lebensweg durch eine Zeitenwende. Tübingen 1933, S. 96.
  5. Werner Huber: Gertrud Bäumer. Eine politische Biographie. München 1970.
  6. Ludwig Gerstein: Wie sind wir miteinander verwandt? München 1971, S. 87.
  7. Vgl. Angelika Schaser: Helene Lange und Gertrud Bäumer. Eine politische Lebensgemeinschaft. 2. durchges. und aktual. Auflage, Böhlau, Köln 2010, ISBN 978-3-412-09100-2.
  8. Vgl. Sabine Hering: Die Kriegsgewinnlerinnen – Praxis und Ideologie der deutschen Frauenbewegung im Ersten Weltkrieg. Centaurus, Pfaffenweiler 1992, ISBN 978-3-89085-368-0.
  9. Marie Baum: Rückblick auf mein Leben. Heidelberg 1950, S. 209 ff.
  10. Gertrud Bäumer: Lebensweg durch eine Zeitenwende. Tübingen 1933, S. 250 ff.
  11. Biografischer Abriss des Deutschen Historischen Museums.
  12. Elke Seefried: Theodor Heuss – In der Defensive. Briefe 1933–1945. K.G. Saur, München 2009, S. 27.
  13. Peter Merseburger: Theodor Heuss. Der Bürger als Präsident. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2013.
  14. Kurt Tucholsky alias Ignaz Wrobel: Old Bäumerhand, der Schrecken der Demokratie. Kommentar zur Einführung des Gesetzes zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften. In: Die Weltbühne, 14. Dezember 1926, Nr. 50, S. 916.
  15. Martin Broszat, Norbert Frei (Hrsg.): Das Dritte Reich im Überblick. Chronik, Ereignisse, Zusammenhänge. Piper, München/Zürich 1989, S. 182 ff.
  16. Die Hilfe, 1. November 1923, S. 368.
  17. Die Hilfe, 1. Dezember 1923, S. 403.
  18. Die Hilfe, 5. März 1932, S. 221; Hervorhebung im Original gesperrt gedruckt.
  19. Die Hilfe, 20. September 1930, S. 937.
  20. Die Hilfe, 26. März 1932, S. 309.
  21. Die Hilfe, 18. Juni 1932, S. 578.
  22. Die Hilfe, 18. Juni 1932, S. 579.
  23. Die Hilfe, 20. September 1930, S. 937.
  24. Die Hilfe, 20. September 1930, S. 938.
  25. Die Hilfe, 1. Juni 1929, S. 268 ff.
  26. Die Hilfe, 15. August 1924, S. 267; Hervorhebung im Original gesperrt gedruckt.
  27. Die Hilfe, 15. August 1924, S. 266.
  28. Die Hilfe, 15. August 1924, S. 268 f.
  29. Die Hilfe, 18. Oktober 1930, S. 1033.
  30. Die Hilfe, 16. Juli 1932, S. 676.
  31. Angelika Schaser: Helene Lange und Gertrud Bäumer. Eine politische Lebensgemeinschaft. 2. durchgesehene und aktualisierte Auflage, Böhlau, Köln u. a. 2010, ISBN 978-3-412-09100-2, S. 268–284.
  32. Vogel 1973, S. 398.
  33. Bundesarchiv Koblenz, NL 1076 Bäumer.
  34. Martin Schumacher: MdR, die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. Saur, München 1991, S. 47.
  35. Vogel 1973, S. 398.
  36. Marie-Elisabeth Lüders: Fürchte Dich nicht. Politisches und Persönliches aus mehr als 80 Jahren. Köln/Opladen 1963, S. 140 f., ISBN 978-3-322-98441-8.
  37. Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1. S. 483.
  38. Renate Deuter: Bodo Dringenberg: Frauenstraßennamen. In: Hannoversche Geschichtsblätter. N.F. 52, 1998, S. 436.
  39. Matthias Freitag: Regensburger Straßennamen. Mittelbayerische Verlagsgesellschaft, Regensburg 1997, ISBN 3-931904-05-9, S. 59.