„Jesus von Nazaret“ – Versionsunterschied
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{{Dieser Artikel|behandelt die ''historische'' Person Jesus von Nazaret. Den urchristlichen Glauben an ihn behandelt der Artikel [[Jesus Christus]]. Zu weiteren Bedeutungen siehe [[Jesus (Begriffsklärung)]].}} |
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[[bild:GiottoTemple.jpg|thumb|350px|Giotto, Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel]] |
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[[Datei:The Good Shepherd, Priscilla Catacomb,from the 1903 book Die Malereien der Katakomben Roms (Tafeln) by Wilpert, Joseph.jpg|mini|Jesus als [[guter Hirte]], frühchristliche Deckenmalerei in der [[Calixtus-Katakombe]] in Rom, um 250]] |
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'''Jesus von Nazaret''' ([[Hebräische Sprache|hebräisch]] ''[[Jehoschua|Jeschua]]'' oder ''[[Jeschu]]'', [[Gräzisierung|gräzisiert]] {{lang|grc|Ἰησοῦς}}; * zwischen [[7 v. Chr.|7]] und [[4 v. Chr.]], wahrscheinlich in [[Nazareth]]; † [[30]] oder [[31]] in [[Jerusalem]]) war ein jüdischer [[Prediger|Wanderprediger]]. Etwa ab dem Jahr 28 trat er öffentlich in [[Galiläa]] und [[Judäa]] auf. Zwei bis drei Jahre später wurde er auf Befehl des römischen [[Präfekt (Römisches Reich)|Präfekten]] [[Pontius Pilatus]] von römischen Soldaten [[Kreuzigung|gekreuzigt]]. |
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==Der Name== |
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Das [[Neues Testament|Neue Testament]] (NT) ist als Glaubensdokument der [[Urchristentum|Urchristen]] zugleich die wichtigste Quelle für die [[historische Jesusforschung]]. Danach hat Jesus [[Nachfolge Jesu|Nachfolger]] berufen, den [[Judentum|Juden]] seiner Zeit das nahe [[Reich Gottes]] verkündet und sein Volk darum zur [[Buße (Religion)|Umkehr]] aufgerufen.<ref>Bibelstellen im Artikel werden nach der [[Einheitsübersetzung]] zitiert und nach den [[Schreibweise biblischer Namen im Deutschen|Loccumer Richtlinien]] abgekürzt. Biblische Namen werden danach buchstabiert.</ref> |
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*"Jesus" ist die latinisierte Form des griechischen Ιησους. Dieses übersetzt seinerseits den hebräischen Vornamen ''Jeschua'', auch ''[[Jehoschua]]'' oder ''[[Josua]]''. So hieß der Nachfolger des [[Mose]]. |
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*"Jehoschua" verbindet "Je" (das Präfix des Gottesnamens) und "Hoshea" (Rettung, Heil). "Jesus" heißt also auf Hebräisch: "Gott-Retter" oder als Satz: "Gott-rettet". Dieser männliche Vorname war zu Lebzeiten Jesu unter Juden weit verbreitet. Er selbst hieß mit Vor- und Zunamen [[Jehoschua Ben Joseph]], wurde also nach jüdischer Sitte nach seinem Vater genannt. |
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*"von Nazareth" gibt seine Herkunft an (Mk. 1, 9). Da "Nazarenus" im Neuen Testament (im Folgenden abgekürzt mit: NT) mit "Nazoraios" variiert wird, sind andere Deutungen möglich (s.u.). |
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*"Christus" ist die latinisierte Form des griechischen Χριστος. Dieses übersetzt wiederum das hebräische "maschiach", deutsch "der Gesalbte". Es handelt sich um einen Ehrentitel für Könige und Hohepriester, später für den [[Messias]]. |
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*"Jesus Christus" verbindet also einen jüdischen Vornamen mit einem Titel. Das ist ein griechischer Nominalsatz: "Jesus ist der Christus". So drückt dieser Name das christliche Glaubensbekenntnis in Kurzform aus. |
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Das Christentum entstand zu einer Zeit, als Griechisch die allgemein anerkannte Verkehrssprache war. Daher übertrugen sich die griechischen Namensformen in andere Sprachen, nicht aber die hebräischen. Nachdem sich Juden- und Christentum getrennt hatten, wurde der Name "Jeshua" im Judentum nur noch selten verwendet. |
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Seine Anhänger verkündeten ihn nach seinem Tod als [[Jesus Christus]], den [[Messias]] und [[Sohn Gottes]]. Daraus entstand eine neue [[Weltreligion]], das [[Christentum]]. Auch [[Jesus außerhalb des Christentums|außerhalb des Christentums]] wurde Jesus bedeutsam. |
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'''Die Aneignung Jesu''' |
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== Die Quellen und ihre Auswertung == |
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Die Person Jesus von Nazareth wird von verschiedenen Religionen beansprucht. |
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Jesus hat keine Schriften hinterlassen. Fast das gesamte historische Wissen über ihn stammt von seinen Anhängern, die ihre Erinnerungen an ihn nach seinem Tod weitererzählten, sammelten und aufschrieben. |
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*Für Juden galt er früh als Falschprophet und gottloser Zauberer (Mischnah und Talmud). Heute sehen Juden ihn häufiger auch positiv als echten Propheten an. |
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*Für Christen ist er "Jesus Christus", der Mensch gewordene "[[Sohn Gottes]]" und [[Erlöser]], zu dem man beten kann. |
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*Im [[Islam]] wird er wie andere Figuren aus der hebräischen Bibel als [[Prophet]] betrachtet. Dort heißt er "Isa". Ob er unter den Propheten im Koran eine Sonderrolle einnimmt, ist umstritten. |
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*Im [[Mandäismus]] - einer Religion, die parallel zum Christentum entstand und sich auf den Täufer Johannes zurückführt - wird Jesus als "falscher Prophet" betrachtet. Wo Jesus als "Prophet" gesehen wird, ist also nicht eindeutig, in welchem Sinne. |
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=== Nichtchristliche Quellen === |
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*[[Martin Luther]] hat den Christustitel mit "Heiland" übersetzt. Dieser Ausdruck geht auf das gotische "heliandos" zurück. Diese Übersetzung verändert die Sichtweise der Person: Der hebräische "Messias" hat andere Bedeutungen als der germanische "Heiland", weil "Heil" anders gesehen wird. |
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{{Hauptartikel|Außerchristliche antike Quellen zu Jesus von Nazaret}} |
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Wenige jüdische, griechische und römische Autoren der [[Antike]] erwähnen Jesus, jedoch fast nur seinen Christustitel und seine [[Hinrichtung]]. Woher ihre Kenntnis stammte, ist unsicher. |
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*Für distanziertere Betrachter ist Jesus ein Religionsstifter, da das [[Christentum]] als neue Religion von ihm ausging und sich auf ihn bezieht. Das wird heute jedoch relativiert, weil Jesus als Jude in Israel wirkte und keine neue Religion gründen wollte. |
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Der jüdische Historiker [[Flavius Josephus]] erwähnt Jesus in seinen ''[[Jüdische Altertümer|Jüdischen Altertümern]]'' (um 93/94) zweimal. Die erste Stelle, das [[Testimonium Flavianum]] (18,63 f.), galt früher als komplett eingefügt, heute wird es nur als von Christen überarbeitet betrachtet. Sein vermutlich authentischer Kern beschreibt Jesus als von vornehmen Juden angeklagten, von Pilatus zum Kreuzestod verurteilten [[Weisheit]]slehrer für Juden und Nichtjuden, dessen Anhänger ihm treu geblieben seien. Die zweite Stelle (20,200) berichtet über die Hinrichtung des [[Jakobus (Bruder Jesu)|Jakobus]] und bezeichnet ihn als Bruder Jesu, „der Christus genannt wird“. Manche Historiker bezweifeln, dass ein Jude Jesus so bezeichnet hätte, für andere bezieht sich dies auf die erste Stelle zurück.<ref>Alice Whealey: ''Josephus on Jesus: The Testimonium Flavianum Controversy from Late Antiquity to Modern Times.'' Peter Lang, New York 2003, ISBN 0-8204-5241-6, S. 2–4</ref> |
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Der römische Geschichtsschreiber [[Tacitus]] berichtet um 117 von „Chrestianern“, denen Kaiser [[Nero]] die Schuld am [[Großer Brand Roms|Brand Roms]] im Jahr 64 zugeschoben habe, und notiert in seinen ''[[Annales (Tacitus)|Annales]]'' (15,44): „Dieser Name [Christiani] stammt von Christus, der unter [[Tiberius]] vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war.“ Unklar ist, ob sich diese Notiz auf römische oder christliche Quellen stützt. Möglicherweise erfuhr Tacitus während seiner Statthalterschaft im Osten des Reiches davon.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 89</ref> |
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Weitere Notizen von [[Sueton]], [[Mara Bar Serapion]] und im [[Babylonischer Talmud|babylonischen Talmud]] (''Traktat Sanhedrin 43a'') beziehen sich nur beiläufig oder polemisch auf ihnen bekannt gewordene christliche Überlieferung. |
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=== Deklination === |
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Der Name "Jesus Christus" wird im traditionell kirchlichen Gebrauch lateinisch dekliniert: |
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| Nominativ || Jes''us'' Christ''us'' |
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| Genitiv || Jes''u'' Christ''i'' |
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| Dativ || Jes''u'' Christ''o'' |
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| Akkusativ || Jes''um'' Christ''um'' |
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| Ablativ || Jes''u'' Christ''o'' |
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Die Endungen sind teilweise unterschiedlich, weil Jesus und Christus im Lateinischen unterschiedlichen Deklinationen angehören (u- bzw. o-Deklination). |
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=== Christliche Quellen === |
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Informationen über Jesus werden großenteils den vier [[Kanon (Bibel)|kanonischen]] [[Evangelium (Literaturgattung)|Evangelien]], manche auch den [[Paulusbriefe]]n, einigen [[Apokryphen]] und außerhalb davon überlieferten Einzelworten ([[Agrapha]]) entnommen. Diese Texte stammen von Urchristen jüdischer Herkunft, die an die [[Auferstehung Jesu Christi]] glaubten (Mk 16,6; Apg 2,32) und authentische Erinnerungen an Jesus mit biblischen, legendarischen und symbolischen Elementen verbanden. Damit wollten sie Jesus als den verheißenen Messias für ihre Gegenwart verkündigen, nicht biografisches Wissen über ihn festhalten und vermitteln. Gleichwohl enthalten diese Glaubensdokumente auch historische Angaben. |
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Die zwischen 48 und 61 entstandenen Paulusbriefe nennen kaum biografische Daten Jesu, zitieren aber einige seiner Worte und Aussagen aus der [[Jerusalemer Urgemeinde]] über ihn, die entsprechende Evangelienangaben bestätigen. Auch der [[Brief des Jakobus]] spielt öfter auf Eigenaussagen Jesu an und gilt manchen Neutestamentlern als mögliche Quelle dafür, falls er von Jesu Bruder stammt.<ref>James H. Charlesworth: ''The Historical Jesus'', Nashville 2008, S. 41</ref> |
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Die Bedeutung des Zusatzes "Nazarenus" ist umstritten. Er kann die Herkunft aus oder von [[Nazareth]] in Galilea bezeichnen. Er kann aber auch von "[[Nazoräer]]" oder "[[Nasiräer]]" abgeleitet sein. |
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Wegen Anspielungen auf die Zerstörung des [[Herodianischer Tempel|Jerusalemer Tempels]] (Mk 13,2; Mt 22,7; Lk 19,43 f.) werden die drei [[Synoptische Evangelien|synoptischen Evangelien]] meist auf die Zeit nach 70 datiert. Daher kannte wahrscheinlich keiner der Autoren Jesus persönlich. Sie übernahmen jedoch ältere Überlieferung, die mit auf Jesu erste Nachfolger aus Galiläa zurückgeht.<ref>[[Richard Bauckham]]: ''Jesus and the Eyewitnesses. The Gospels as Eyewitness Testimony.'' William B. Eerdmans, Grand Rapids / Michigan 2006, ISBN 0-8028-3162-1</ref> Den Autoren des [[Evangelium nach Matthäus|Matthäus-]] und [[Evangelium nach Lukas|Lukasevangeliums]] lag nach der weithin akzeptierten [[Zweiquellentheorie]] das [[Evangelium nach Markus|Markusevangelium]] oder eine Vorform davon vor. Sie übernahmen die Komposition und die meisten Texte daraus und veränderten diese nach ihren eigenen theologischen Absichten. Ihre sonstigen gemeinsamen Stoffe werden einer hypothetischen [[Logienquelle Q]] mit gesammelten Reden und Sprüchen Jesu zugewiesen, deren Verschriftung auf 40 bis 70 datiert wird.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 44 f.</ref> Ähnliche Spruchsammlungen enthält das vermutlich in Syrien entstandene [[Thomasevangelium]]. Ihre frühesten, zuvor jahrelang mündlich überlieferten Bestandteile (Lk 1,2) stammen von Jesu ersten Anhängern und können originale Jesusworte bewahrt haben. Auch ihr jeweiliges [[Sondergut]] und das um 100 entstandene [[Evangelium nach Johannes|Johannesevangelium]] können unabhängig überlieferte historische Angaben zu Jesus enthalten. |
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"Nazoraios" bezeichnet keinen Ort, sondern die Zugehörigkeit zu einer Lehrtätigkeit. So hießen Talmudlehrer früher "Amoräer", später "Saboräer". Mischnalehrer hießen "Tanojäer". In der Endung ai wird das Jod, wenn noch ein Vokal dazutritt, zu Alef, wie sonst öfter besonders im palästinischen Aramäisch. |
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Die Evangelisten überarbeiteten ihre Quellen auf je eigene Weise für ihre Missions- und Lehrabsichten, erzählen die Ereignisse vom Einzug Jesu in Jerusalem bis zu seiner Grablegung jedoch in fast derselben Reihenfolge. Diese gemeinsamen Texte werden auf einen [[Passion Jesu|Passionsbericht]] aus der Urgemeinde zurückgeführt, der frühe [[Christliche Glaubensbekenntnisse|Credoformeln]] narrativ entfaltete. Gemeinsame Grundzüge dieser Vorlage werden auf einen historischen Kern zurückgeführt. Der Autor des Markusevangeliums verknüpfte diesen Passionsbericht mit Jesusüberlieferung aus Galiläa und erweiterte ihn; seinen Aufriss übernahmen die übrigen Evangelisten.<ref>Ludger Schenke: ''Der gekreuzigte Christus. Versuch einer literarkritischen und traditionsgeschichtlichen Bestimmung der vormarkinischen Passionsgeschichte.'' Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1974, ISBN 3-460-03691-5; Joachim Gnilka: ''Das Evangelium nach Markus (Mk 8,27–16,20)'', EKK Teil II/2, : Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2010, ISBN 978-3-7887-2392-7, S. 217</ref> Dabei veränderten sie manche der hier besonders häufigen Orts-, Zeit-, Personen- und Situationsangaben, so dass deren Historizität stark umstritten ist. Galten früher nur die von außerchristlichen Notizen bestätigte Kreuzigung Jesu durch Römer, seine Festnahme und ein Hinrichtungsbefehl des Statthalters als unstrittig historisch,<ref>[[Hans Conzelmann (Theologe)|Hans Conzelmann]]: ''Historie und Theologie in den synoptischen Passionsberichten.'' In: Fritz Viering (Hrsg.): ''Zur Bedeutung des Todes Jesu: Exegetische Beiträge.'' Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1967, S. 37 f.</ref> so nehmen heute viele Forscher an, dass die Jerusalemer Urchristen einige der zu Jesu Tod führenden Ereignisse zutreffend überlieferten: besonders in Textpassagen, deren Details auch das Johannesevangelium enthält und die gemäß jüdischen und römischen Quellen rechts- und sozialhistorisch plausibel wirken.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 394; Wolfgang Reinbold: ''Der Prozess Jesu'', Göttingen 2006, S. 49; Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 362.</ref> |
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Vielleicht haben die Evangelisten den "Nazoräer" also bewusst oder irrtümlich zum "Nazarener" gemacht. So sagt Mt. 2, 23: "(Joseph) kam und wohnte in der Stadt, die Nazareth heißt, damit erfüllt würde, was die Propheten gesagt haben: Er soll Nazarener heißen." Eine solche Verheißung ist aber im AT nicht zu finden. |
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=== Forschung === |
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[[Paul Lidzbarski]] hält das Missverständis aus [[Philologie|philologischer]] Sicht für sehr wahrscheinlich: |
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{{Hauptartikel|Historische Jesusforschung}} |
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:''"Wenn die Dinge so liegen, dass für Nazareth nur diese Namensform überliefert ist ("Nazarener"), dass alle Formen, die vorgebracht werden, um eine Verbindung zwischen Nazareth und Nazoraios herzustellen, erfunden und erkünstelt sind, dass andererseits Nazoraios eine Form aufweist, die sonst ausschließlich Vertreter eines Berufes, besonders einer bestimmten Lehrtätigkeit bezeichnet (2), so ist für einen jeden unabhängig denkenden die Frage damit entschieden. Gerade aus den Worten Mt. 2, 23, auf die man sich stützt, scheint mir hervorzugehen, dass man Jesu Eltern in Nazareth wohnen ließ, um eine Erklärung für "Nazoraios" zu haben." (aus: Paul Lidzbarski, "Ginza. Das große Buch der [[Mandäer]]." Göttingen 1978; Nachdruck der Auflage von 1925, Einleitung S. IX) |
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Seit etwa 1750 werden die urchristlichen Schriften mit den [[Historisch-kritische Methode (Theologie)|Methoden der historischen Kritik]] untersucht. Die Forschung unterscheidet darin historische Angaben von legendarischen, mythischen und theologischen Motiven. Viele Neutestamentler glaubten früher, sie könnten den Evangelien eine biografische Entwicklung Jesu entnehmen; oft ergänzten sie fehlende Daten spekulativ. Manche bestritten wegen der mythischen Elemente der Quellen Jesu Existenz (siehe [[Jesus-Mythos]]). Methodik und viele Einzelthesen der damaligen ''Leben-Jesu''-Literatur gelten seit [[Albert Schweitzer]]s ''Geschichte der Leben-Jesu-Forschung'' (1906/1913) als überholt. |
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Seitdem verfeinerten sich die historisch-kritischen Textanalysen. Ab 1950 wurden zunehmend außerbiblische Quellen herangezogen, um die historische Glaubwürdigkeit der NT-Überlieferung zu überprüfen. Ab etwa 1970 bezog man gewachsene Kenntnisse der [[Archäologie]], [[Sozialgeschichte]], [[Orientalistik]] und [[Jüdische Studien|Judaistik]] zur Zeit Jesu stärker ein. Evangelische, katholische, jüdische und religionslose Historiker forschen heute teilweise gemeinsam, so dass ihre Ergebnisse weniger von weltanschaulichen Interessen bestimmt sind.<ref>James H. Charlesworth: ''The Historical Jesus'', Nashville 2008, S. 22.</ref> |
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Für "Nazarener" spricht jedoch, dass andere [[Nazoräer]] Jesus als falschen Propheten ablehnen. Wie kann dann Jesus einer sein? [[Nasiräer]] wiederum lehnten es ab, sich einer Leiche oder einem Grab zu nähern. Jesus aber soll sich Gräbern genähert (Mk. 5, 2) und sogar Tote auferweckt haben (Mk. 5, 41). |
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Die weitaus meisten NT-Historiker entnehmen den Quellen, dass Jesus tatsächlich gelebt hat. Sie ordnen ihn ganz in das damalige Judentum ein<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 7; Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 123.</ref> und nehmen an, dass sich seine Lebens- und Todesumstände, Verkündigung, sein Verhältnis zu anderen jüdischen Gruppen und Selbstverständnis in Grundzügen ermitteln lassen. Umfang und Zuverlässigkeit historischer Angaben im NT sind jedoch bis heute stark umstritten. Welche überlieferten Worte und Taten Jesu als historisch gelten, hängt von Vorentscheidungen über die sogenannten Echtheitskriterien ab.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 148 f.</ref> Weithin anerkannt sind die Kriterien der Kontext- und Wirkungsplausibilität: „Historisch ist in den Quellen das, was sich als Auswirkung Jesu begreifen lässt und gleichzeitig nur in einem jüdischen Kontext entstanden sein kann.“<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 117; Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 148 und öfter.</ref> |
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'''Jesu Muttersprache''' |
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== Herkunft == |
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Jesus war [[Jude]], kam zeitlebens nie über Palästina (Galilea, Samaria, Judäa) hinaus und sprach im Alltag [[Aramäische Sprache|aramäisch]], die Muttersprache eines galiläischen Juden jener Zeit. Es ist umstritten, ob er auch [[Griechische Sprache|griechisch]], die damalige Verkehrssprache (siehe: [[Koine]] beherrschte. Die hebräische Bibel war bereits ins Griechische übersetzt (LXX), doch wahrscheinlich wurde sie nur von hellenistisch geprägten vornehmen Juden so gelesen ([[Hellenismus]]). |
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=== Name === |
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''[[Jesus (Name)|Jesus]]'' ist die [[Latinisierung|latinisierte]] Form des griechischen männlichen Vornamens {{lang|grc|Ἰησοῦς}}, der seinerseits den hebräischen Vornamen ''Jehoschua'' und dessen aramäische Kurzformen ''Jeschua'' oder ''Jeschu'' übersetzt. Dieser Name setzt sich aus der Kurzform ''Jeho-'' des Gottesnamens [[JHWH]] und einer Form des hebräischen Verbs ''j(a)sch(a)ʿ'' („helfen, retten“) zusammen.<ref>Werner Foerster, Art. Ἰησοῦς, in: ThWNT III, Stuttgart/Berlin/Köln 1990, ISBN 3-17-011204-X, S. 290.</ref> Demgemäß deuten Mt 1,21 und Apg 4,12 den Namen als Aussage: „Gott ist die Rettung“ oder „der Herr hilft“. Auch die gräzisierte Form blieb im damaligen Judentum geläufig und wurde nicht wie sonst üblich mit einem griechischen oder lateinischen Doppelnamen ergänzt oder von ähnlich klingenden Namen ersetzt.<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 46 f.</ref> |
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Einige Stellen setzen dem Vornamen „[[Josef von Nazaret|Josefs]] Sohn“ (Lk 3,23; 4,22; Joh 1,45) oder „Sohn der [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]]“ (Mk 6,3; Mt 13,55), meist jedoch ''Nazarenos'' oder ''Nazoraios'' hinzu ({{B|Mt|26|71}}; {{B|Joh|19|19}}), um seinen Herkunftsort anzugeben (Mk 1,9). {{B|Mt|2|23}} erklärt dies so: {{"|(Josef) ließ sich in einer Stadt namens Nazaret nieder. Denn es sollte sich erfüllen, was durch die Propheten gesagt worden ist: Er wird Nazoräer genannt werden.}} Diese Weissagung kommt im [[Tanach]] nicht vor, kann aber auf den Ausdruck ''nēṣer'' („Spross“) in {{B|Jes|11|1}} für den Messias als Nachkommen [[David]]s anspielen. Eventuell deuteten die Evangelisten damit eine herabsetzende Fremdbezeichnung Jesu ({{B|Joh|1|46}}: „Was kann aus Nazaret Gutes kommen?“) um. Die Bezeichnung ''Nazarenos'' für Jesus wurde auch auf Christen im syrischen Raum übertragen (''nasraja'') und ging in den [[Talmud]] als ''noṣri'' ein.<ref>[[Wolfgang Wiefel]]: ''Das Evangelium nach Matthäus.'' In: ''Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament Band 1'', Evangelische Verlagsanstalt 1998, ISBN 3-374-01639-1, S. 49.</ref> |
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Das Aramäische oder Syrische hatten die Babylonier und Perser einige Jahrhunderte früher in Israel eingeführt. Diese Sprachverordnung war gezielte Unterdrückungs-politik: Man versuchte den eroberten Völkern mit ihrer Sprache ihre religiösen Traditionen und damit ihre Identität zu rauben. |
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=== Geburts- und Todesjahr === |
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Für die Suche nach "echten" Jesusworten ist die Möglichkeit, griechische Ausdrücke und Satzkonstruktionen ins Hebräische und von dort ins Aramäische zurück zu übersetzen, ein relativ sicheres historisches Kriterium (Joachim Jeremias). Einzelworte, die Jesus zugeschrieben werden, können jedoch nur im Gesamtkontext seines Wirkens als "echt" oder "unecht" beurteilt werden. Hier kommt seinen Zeichenhandlungen und den damit verbundenen Bezügen auf die hebräische Bibel Bedeutung zu. |
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{{Hauptartikel|Chronologie des Lebens Jesu}} |
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Das NT gibt kein Geburtsdatum Jesu an; es war den Urchristen unbekannt. Die [[christliche Jahreszählung]] beginnt mit dem (angenommenen) Jahr der Geburt [[Jesus Christus|Jesu Christi]] (* zwischen 7 und 4 [[v. Chr.]]). |
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== '''Der historische Jesus''' == |
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Die NT-Angaben dazu sind widersprüchlich. Nach Mt 2,1 ff. und Lk 1,5 wurde er zu Lebzeiten des [[Herodes]] geboren, der laut Josephus 4 v. Chr. starb. Lk 2,1f. datiert Jesu Geburtsjahr auf eine von Kaiser [[Augustus]] angeordnete „erste“ römische [[Volkszählung]] durch Eintragung von Grundbesitz in Steuerlisten unter [[Publius Sulpicius Quirinius]]. Dieser wurde jedoch erst 6/7 n. Chr. Statthalter Roms für [[Syrien]] und Judäa. Eine frühere derartige Steuererhebung ist dort unbelegt und gilt wegen der Steuerhoheit des Herodes als unwahrscheinlich.<ref>Jürgen Roloff: ''Jesus.'' 2011, S. 36.</ref> Lk 2,2 ist wahrscheinlich ein chronologischer Irrtum und dient als Anlass für die Reise vom Maria und Josef nach [[Bethlehem]].<ref>Hans Klein: ''Das Lukasevangelium.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005, ISBN 3-525-51500-6, [http://books.google.de/books?id=PItFF1Pby1sC&pg=PA133 S. 133].</ref> Versuche, Jesu Geburtstag durch astronomische Berechnungen einer mit dem [[Stern von Betlehem]] (Mt 2,1.9) identifizierten Himmelserscheinung zu bestimmen, sind bisher nicht überzeugend.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 149–151; Eduard Schweizer: ''Jesus Christus I'', ThRE, S. 710.</ref> Somit wurde Jesus wahrscheinlich zwischen 7 und 4 v. Chr. geboren.<ref>Eduard Lohse, Anton Vögtle: ''Geschichte des Urchristentums.'' In: Thomas Kaufmann, Raymund Kottje, Bernd Moeller, Hubert Wolf (Hrsg.): ''Ökumenische Kirchengeschichte 01: Von den Anfängen bis zum Mittelalter.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006, ISBN 3-534-15804-0, S. 7; [[Rainer Riesner]]: ''Wann war Weihnachten? Chronologische und überlieferungsgeschichtliche Fragen zur Geburt Jesu.'' In: [[Theologische Beiträge]], Jahrgang 54, 2023, S. 223–240, hier S. 225–229 (dort auch weitere Literatur)</ref> |
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'''Vorbemerkungen''' |
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Die Evangelien berichten zusammenhängend nur aus einem bis drei der letzten Lebensjahre Jesu. Nach Lk 3,1 trat [[Johannes der Täufer]] „im 15. Jahr der Herrschaft des Kaisers [[Tiberius]]“ auf: Nach dieser einzigen exakten Jahresangabe im NT trat Jesus frühestens ab 28 auf, wohl seit der Täufer inhaftiert war (Mk 1,14). Damals soll er etwa 30 Jahre alt gewesen sein (Lk 3,23).<ref>Leonard Goppelt: ''Zur Chronologie Jesu.'' In: ''Theologie des Neuen Testaments'', Göttingen 1978, S. 71.</ref> |
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Historische Informationen über Jesus von Nazareth stammen fast alle aus dem NT der [[Bibel]], insbesondere aus den [[Evangelium_(Buch)|Evangelien]]. |
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Nach allen Evangelien wurde Jesus auf Befehl des römischen Präfekten Pontius Pilatus hingerichtet, der von 26 bis 36 in Judäa amtierte. Als Todestag Jesu überliefern sie den Vortag eines [[Schabbat|Sabbat]] (Freitag) während eines [[Pessach]]. Die Synoptiker nennen den Hauptfesttag nach dem [[Seder]]abend, also den 15. [[Nisan (Monat)|Nisan]] im [[Jüdischer Kalender|jüdischen Kalender]], das Johannesevangelium dagegen nennt den [[Rüsttag]] zum Fest, also den 14. Nisan. Nach kalendarisch-astronomischen Berechnungen fiel der 15. Nisan in den Jahren 31 und 34, der 14. Nisan dagegen 30 und 33 auf einen Freitag. Viele Forscher halten die johanneische Datierung heute für historisch glaubwürdiger.<ref>Michael Theobald: ''Das Herrenmahl im Neuen Testament.'' In: ''Theologische Quartalsschrift'' 183/2003, S. 261 (Verweise ebd.)</ref> Manche vermuten einen zusätzlichen Pessach-Sabbat am Tag vor dem Wochensabbat; dann wäre Jesus übereinstimmend an einem Donnerstag gekreuzigt worden.<ref>Richard L. Niswonger: ''New Testament History.'' 1992, ISBN 0-310-31201-9, [http://books.google.de/books?id=uyAXaNnz9sUC&pg=PA167 S. 167 f.]</ref> |
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Die Evangelien bilden eine besondere Literaturgattung im antiken Raum: Sie wollen Jesus als den wiederkommenden Christus verkündigen, indem sie seine Geschichte deutend nacherzählen. Dabei legen sie auf exakt nachprüfbare Daten wenig Wert, sei es, weil diese nicht bekannt waren (z.B. Jesu kalendarischer Geburtstag), sei es wegen übergeordneter Lehrabsichten. |
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Die meisten Forscher halten das Jahr 30 für Jesu Todesjahr, weil [[Paulus von Tarsus]] zwischen 32 und 35 Christ wurde, nachdem er die Urchristen eine Weile verfolgt hatte.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 152 ff.</ref> Jesus wurde demnach zwischen 30 und 40 Jahre alt. |
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Die Evangelien sind Glaubenszeugnisse, keine Tatsachenberichte. Das heißt nicht, dass man ihnen gar keine Tatsachen entnehmen kann. Doch erst die Neuzeit hat einen Begriff von historischer Objektivität entwickelt, dessen Anspruch die Glaubensdokumente des NT kaum genügen können noch wollen. Daraus ergeben sich spezifische methodische Probleme, um einem |
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"historischen Jesus" überhaupt nahezukommen. |
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=== Geburtsort === |
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200 Jahre intensivste historische Evangelienforschung seit der Aufklärung haben jeden Satz und jedes Wort gedreht und gewendet, jede denkbare Hypothese erwogen, alles bis hin zur Existenz Jesu angezweifelt oder in großartige spekulative Theorien eingeordnet. Doch inzwischen lautet der schlichte Minimalkonsens: Es gab Jesus wirklich, und einige Eckdaten seines Lebens, Wirkens und Sterbens sind relativ gewiss. |
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[[Datei:Bethlehem - Stern von Bethlehem in der Geburtsgrotte.jpg|mini|Die „Geburtsgrotte“ in Bethlehem wird als der Geburtsort Jesu verehrt.]] |
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Die [[Weihnachtsgeschichte|Geburtsgeschichten]] des NT (Mt 1–2/Lk 1–2) gelten weitgehend als Legenden, da sie bei Mk und Joh fehlen, sich stark unterscheiden und viele mythische und legendarische Züge enthalten.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 150.</ref> Dazu zählt man die Listen der [[Vorfahren Jesu]] (Mt 1; Lk 3), die Geburtsankündigung durch einen [[Engel]] (Lk 1,26 f.), die Geistzeugung und [[Jungfrauengeburt]] Jesu (Mt 1,18; Lk 1,35), den Besuch von [[Heilige Drei Könige|orientalischen Astrologen]] (Mt 2,1), den Stern, der sie zu Jesu Geburtsort geführt haben soll (Mt 2,9), den [[Kindermord in Bethlehem]] (Mt 2,13; vgl. Ex 1,22) und die Flucht der Eltern mit Jesus nach Ägypten (Mt 2,16 ff.). |
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Nach Mt 2,5f und Lk 2,4 wurde Jesus in Betlehem in Judäa geboren, dem Herkunftsort Davids, von dem im Tanach der künftige Messias abstammen sollte. Damit betonen sie, Jesus sei Davids Nachkomme gewesen und seine Geburt in Betlehem habe die messianische Verheißung Mi 5,1 erfüllt. Mk und Joh erzählen keine Geburtsgeschichten. |
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Um dies zu erkennen, muss man nicht an Jesus als den Christus glauben. Man darf es aber! Denn alle Texte des NT sehen Jesus und seine Geschichte von seiner Auferstehung her und zielen auf sie hin. Sie gehen also davon aus, dass Gott ihn tatsächlich auferweckt hat (Mk. 16, 6). Das lässt sich nur "beweisen" (besser: als glaub-würdig nahelegen), wenn man bereits daran glaubt. Deshalb gehört eine Analyse der Auferstehungstexte nicht in einen Artikel über den historischen Jesus - auf jeden Fall aber die Frage, wer er selbst sein wollte. |
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Alle Evangelien nennen Nazareth in Galiläa als Jesu „Heimat“ oder „Vaterstadt“, Wohnsitz seiner Eltern und Geschwister (Mk 1,9; 6,1–4; Mt 13,54; 21,11; Lk 1,26; 2,39; 4,23; Joh 1,45 und öfter) und bezeichnen ihn darum als „Nazarener“ (Mk 1,24; 10,47) oder „Nazoräer“ (Mt 2,23; Joh 19,19). Nazareth war nach archäologischen Funden damals ein unbedeutendes Dorf von höchstens 400 Einwohnern.<ref>James F. Strange: ''Nazareth.'' ABD 4, S. 1050 f.; Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 76.</ref> Es kommt im Tanach nicht vor. Darauf beziehen sich im NT überlieferte Einwände gegen Jesu Messianität (Joh 1,45; Joh 7,41). |
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Der Entstehungszeitraum der Evangelien wird auf die Zeit zwischen 60 bis 120 n. Chr. geschätzt. Der Tod Jesu lag also schon mindestens 30 Jahre zurück. Die Evangelien enthalten aber ältere Überlieferungen, die näher an die berichteten Ereignisse heranreichen. |
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Aus den Paralleltexten, die Matthäus und Lukas gemeinsam haben, während sie im Markusevangelium fehlen, schließt man historisch auf mindestens eine von Markus unabhängige [[Logienquelle Q]] (siehe [[Zweiquellentheorie]]). Diese enthielt - ähnlich wie das apokryphe [[Thomasevangelium]] - nur Worte und Heiltaten Jesu und wurde erst mündlich, dann schriftlich überliefert. Ihre ältesten Anteile können aus Jüngerkreisen stammen, die Jesus zu Lebzeiten kannten und folgten. |
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Mt und Lk haben den ihnen überlieferten Wohnort der Familie Jesu verschieden mit den Geburtsgeschichten ausgeglichen: Jesu Eltern hätten in Betlehem ein Haus bewohnt und seien erst später nach Nazareth gezogen (Mt 2,22 f.); sie seien kurz vor Jesu Geburt von Nazareth nach Betlehem gezogen und hätten sich dort vorübergehend aufgehalten (Lk 2,4 ff.).<ref>Edwin D. Freed: ''Stories of Jesus’ Birth: A Critical Introduction.'' T&t Clark, 2001, ISBN 1-84127-132-2, [http://books.google.de/books?id=X7jUAwAAQBAJ&pg=PA77 S. 77 f.]</ref> Deshalb nehmen Historiker heute meist an, dass Jesus in Nazareth geboren, seine Geburt aber später nach Betlehem verlegt wurde, um ihn gegenüber Juden als Messias zu verkünden.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, [http://books.google.de/books?id=N2mkcwZHoGAC&pg=PA158 S. 158]; Martin Koschorke: ''Jesus war nie in Bethlehem.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2011, ISBN 978-3-534-23639-8; [[Anton Ziegenaus]]: ''Bethlehem oder Nazareth? Zur Frage nach dem Geburtsort Jesu.'' In: Forum katholische Theologie 24, Schneider Druck, 2008, S. 205–214.</ref> |
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'''Von der Geburt bis zum Tod Jesu''' |
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=== Familie === |
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Historische Bezüge im NT deuten darauf hin, dass Jesus zwischen [[7 v. Chr.|7]] und [[4 v. Chr.]] geboren, zwischen [[30]] bis [[33]] n. Chr. [[Kreuzigung| |
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Jesus war nach Mk 6,3 der erstgeborene „Sohn Marias“; Josef wird bei Mk nirgends genannt. Die Vorfahrenlisten betonen jedoch Jesu väterliche Stammlinie als „Sohn Josefs“ (Mt 1,16; Lk 3,23). So nennen ihn auch Maria in Lk 2,48 und die Galiläer in Joh 6,42. Laut {{B|Mt|1|18}} war Maria vor Jesu Geburt mit Josef verlobt. Nach Lk 2,21 wurde Jesus gemäß der [[Tora]] am achten Lebenstag [[Brit Mila|beschnitten]] und dabei nach jüdischem Brauch nach seinem Vater benannt, also „Jeschua ben Josef“ (Lk 4,22). Nach der Namensgebung erwähnen die Synoptiker Josef nicht mehr. |
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gekreuzigt]] wurde. |
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Die Erzählungen der Evangelien erstrecken sich, abgesehen von den Geburts- und Jugendtexten, auf die Zeit vom 30. Lebensjahr Jesu bis zu seinem Tod mit etwa 33 Jahren. |
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'''Geburt''' |
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Daher vermutet Bruce Chilton, dass Jesus noch vor Josefs gültiger Heirat mit Maria gezeugt wurde und Josef früh starb. Niemand habe Josefs Vaterschaft rechtsgültig bezeugen können. Darum sei Jesus in seiner Heimat als uneheliches, nicht erbberechtigtes Kind (hebräisch ''mamzer'') abgelehnt worden (Joh 8,41).<ref>Bruce Chilton: ''Jesus, le mamzer (MT 1.18).'' New Testament Studies, Cambridge University Press, Cambridge 2001, {{ISSN|0028-6885}}, S. 222–227.</ref> Die erstmals im späten 2. Jahrhundert bezeugte „[[Panthera-Legende]]“ stellte Jesus als außereheliches Kind Marias dar.<ref>Peter Schäfer: ''Jesus im Talmud.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149462-8, [https://books.google.de/books?id=30In6G1aiTcC&lpg=PP1&dq=Jesus%20im%20Talmud.&hl=de&pg=PA37 S. 37–39].</ref> Mit Bezug darauf erklärte [[Gerd Lüdemann]] Jesu Benennung nach seiner Mutter in Mk 6,3 und seine Außenseiterrolle in Nazareth.<ref>Gerd Lüdemann: ''Jungfrauengeburt? Die Geschichte von Maria und ihrem Sohn Jesus.'' Zu Klampen, 2008, ISBN 978-3-86674-028-0.</ref> Viele Neutestamentler nehmen dagegen eine tatsächliche Vaterschaft Josefs und dessen Herkunft aus einer damals unterdrückten Nebenlinie der Daviddynastie an.<ref>Walter Gerwing: ''Die Gottesherrschaftsbewegung Jesu.'' Lit, Münster 2002, ISBN 3-8258-6299-2, [http://books.google.de/books?id=Cd0ek8EgC7sC&pg=PA22 S. 22]; Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 183 f.</ref> |
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Das Lukas- und Matthäusevangelium legen nahe, dass Jesu Geburt und frühe Kindheit in [[Bethlehem]] stattfand. Damit sollte offenbar Jesu Abstammung von [[David]] und seine Messiaswürde belegt werden (Mt. 2, 6/ Mi. 5, 1). Darum halten es manche Historiker für wahrscheinlicher, dass Jesus in [[Nazareth]] (Mk. 1, 9), dem Wohnort seiner Familie (Mk. 6, 1), oder in [[Kapharnaum]], dem Ort seines ersten und wiederholten Auftretens (Mk. 1, 21) geboren wurde. |
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Nach Mk 6,3 hatte Jesus vier Brüder namens Jakobus, Joses (gräzisierte Form von Josef, Mt 13,55), Judas und Simon sowie einige nicht benannte Schwestern. Die Brüdernamen nach einigen der [[Zwölf Stämme Israels|zwölf Jakobssöhne]] und die Auslösung Jesu als des ersten Sohnes im Tempel (Lk 2,23) deuten auf eine [[tora]]treue jüdische Familie. „Brüder“ und „Schwestern“ kann im biblischen Wortgebrauch auch Vettern und Cousinen umfassen (siehe [[Geschwister Jesu]]).<ref>Diese Deutung soll die in der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]] und den [[Orthodoxe Kirchen|orthodoxen Kirchen]] vertretene „[[immerwährende Jungfräulichkeit Marias]]“ stützen. Siehe Lorenz Oberlinner: ''Historische Überlieferung und christologische Aussage. Zur Frage der 'Brüder Jesu' in der Synopse.'' Stuttgart 1975; dagegen Rudolf Pesch: ''Das Markusevangelium.'' Band 1, Herder, Freiburg 1976, S. 323; Joachim Gnilka: ''Das Evangelium nach Markus.'' Neuenkirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1978, ISBN 3-7887-0576-0, S. 234.</ref> |
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Die Geburtsgeschichten sieht man als weitestgehend legendär an. Der Kindermord des [[Herodes]] (Mt. 2, 13) z.B. ist kein historisches Ereignis, sondern setzt Jesus in Beziehung zum Kindermord des ägyptischen Pharao, der Israels Exodus vorausging (Ex. 1, 22). |
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Nach allen Evangelien bewirkte Jesu öffentliches Auftreten Konflikte mit seiner Familie. Das vierte der biblischen [[Zehn Gebote]] – ''Ehre Vater und Mutter!'' (Ex 20,12; Dtn 5,16) – verlangte nach damaliger Auslegung die Fürsorge der ersten Söhne für Eltern und Sippe.<ref>Harry Jungbauer: ''„Ehre Vater und Mutter“, Der Weg des Elterngebots in der biblischen Tradition.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2002, S. 80 ff.; [[Cornelis Houtman (Theologe)|Cornelis Houtman]]: ''Das Bundesbuch: ein Kommentar'', Brill, Leiden 1997, S. 131 ff.</ref> Doch zu Jesu Nachfolge gehörte nach Mt 10,37; Lk 14,26 das Verlassen der Angehörigen, das auch von der vermuteten [[Qumran]]-Gemeinde bekannt ist. Wie sie vertrat Jesus offenbar ein „afamiliäres Ethos der Nachfolge“, da seine ersten Jünger ihren Vater nach Mk 1,20 bei der Arbeit zurückließen, wenn auch mit Tagelöhnern.<ref>Rudolf Pesch: ''Das Markusevangelium'' Band 1, Freiburg 1976, S. 223.</ref> |
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'''Jugend, Ausbildung und Beruf''' |
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Nach Mk 3,21 versuchten Jesu Verwandte, ihn zurückzuhalten, und [[Psychische Gesundheit von Jesus von Nazaret#Darstellung Jesu als psychisch krank|erklärten ihn für verrückt]]. Darauf soll er seinen Anhängern erklärt haben {{Bibel|Mk|3|35}}: {{"|Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.}} Auch rabbinische Lehrer ordneten den Gehorsam gegenüber der Tora jenem gegenüber den Eltern vor, verlangten aber keine völlige Trennung von der Familie.<ref>Joachim Gnilka: ''Das Matthäusevangelium.'' Herder, Freiburg 1986, S. 396.</ref> Nach Mk 7,10 f. hob auch Jesus das vierte Gebot nicht auf: Durch keine Gelöbnisformel dürfe man sich der Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern entziehen.<ref>Rudolf Pesch: ''Das Markusevangelium.'' Band 1, S. 374 f.</ref> |
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In seiner Jugendzeit kam Jesus wohl mit dem [[Pharisäer|Pharisäismus]] in Berührung. Er soll sich sehr früh gut in der Bibel ausgekannt haben (Lk. 2, 46f). Vielleicht ist das ein Hinweis darauf, dass er eine rabbinische Ausbildung genoss. Seine ersten Jünger nannten ihn "Rabbuni" (aramäisch Meister, Lehrer), und seine späteren Lehren weisen einige Ähnlichkeiten zu Pharisäerschulen auf, etwa zu der des Rabbi [[Hillel]] (Heilen am Sabbat Mk. 2-3, Betonung der Nächstenliebe als Zentralgebot Mk. 12, 28ff). |
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Nach Mk 6,1–6 wurde Jesu Lehre in Nazareth abgelehnt, darum sei er nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Aber nach Mk 1,31 versorgten Frauen aus Jesu Heimat ihn und seine Jünger. Sie blieben nach Mk 15,41 bis zum Tod bei ihm, so nach Joh 19,26 f. auch seine Mutter. Er soll noch am Kreuz für ihr Wohlergehen gesorgt haben, indem er sie einem anderen Jünger anvertraute. Obwohl seine Brüder nach Joh 7,5 „nicht an ihn glaubten“, gehörten seine Mutter und einige Brüder nach seinem Tod zur Urgemeinde (Apg 1,14; 1 Kor 9,5; Gal 1,19). Jakobus wurde später wegen seiner Auferstehungsvision (1 Kor 15,7) deren Leiter (Gal 2,9). |
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Ein Rabbi lebte nicht vom Predigen, sondern übte ein gewöhnliches Handwerk zum Lebensunterhalt aus. Jesus lernte den Beruf des [[Zimmermann]]s oder richtiger: [[Bauhandwerker]]s, den auch sein Vater [[Josef von Nazareth|Josef]] ausübte (Mk. 6, 3). |
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Nach einem von [[Eusebius von Caesarea]] überlieferten Zitat des [[Hegesippus]] ließ Kaiser [[Domitian]] bei seiner [[Christenverfolgungen im Römischen Reich|Christenverfolgung]] (um 90) die noch lebenden Großneffen Jesu verhaften und verhörte sie. Dabei hätten sie die Frage nach ihrer davidischen Abstammung bejaht, vom Kaiser deshalb vermutete politische Ambitionen aber verneint und ihre bäuerliche Armut betont. Sie seien freigelassen worden und danach zu Kirchenführern aufgestiegen. Dass Jesu Angehörige sich als Nachfahren von König David sahen, gilt daher als wahrscheinlich.<ref>Hans Conzelmann: ''Geschichte des Urchristentums.'' 6. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1989, ISBN 978-3-525-51354-5, S. 150</ref> |
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'''Familie''' |
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=== Sprache, Ausbildung, Beruf === |
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Die Quellen erwähnen einige Verwandte Jesu, namentlich vier Brüder(Mk. 6, 3/Mt 13, 55): Jakobus, Josef, Simon und Judas. Der dort verwendete Begriff "Brüder" kann im biblischen Umfeld aber auch - zumindest "vereinzelt bei lockerem Sprachgebrauch" - andere männliche Verwandte bezeichnen. Ähnliches gilt, wenn auch seltener belegt, bei "Schwestern" (Walter Bauer, Wörterbuch). |
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[[Datei:Giotto - Scrovegni - -22- - Christ among the Doctors.jpg|mini|[[Giotto di Bondone]]: ''Christus bei den Toralehrern'' (um 1305)]] |
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Als galiläischer Jude sprach Jesus im Alltag das westliche [[Aramäische Sprachen|Aramäisch]]. Das bestätigen einige aramäische Jesuszitate im NT. Ob man griechische Ausdrücke und Redewendungen ins Aramäische zurückübersetzen kann, ist seit [[Joachim Jeremias]] ein wichtiges Kriterium, mögliche authentische Jesusworte von urchristlicher Deutung zu unterscheiden.<ref>[[Guido Baltes]]: ''Hebräisches Evangelium und synoptische Überlieferung: Untersuchungen zum hebräischen Hintergrund der Evangelien.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2011, ISBN 3-16-150953-6, [http://books.google.de/books?id=a_kKgpyzc8UC&pg=PA35 S. 35].</ref> |
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Das biblische [[Hebräische Sprache|Hebräisch]] wurde in [[Palästina (Region)|Palästina]] zur Zeit Jesu kaum noch gesprochen. Er kann es dennoch beherrscht haben, da er den Tanach gut kannte und in den [[Synagoge]]n Galiläas vorlas und auslegte. Er kann Bibeltexte auch aus aramäischen Übersetzungen ([[Targum]]im) kennengelernt haben.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 318 f.</ref> Ob er die griechische [[Koine]] sprechen konnte, die damals [[Verkehrssprache]] im Osten des [[Römisches Reich|Römischen Reichs]] war, ist wegen fehlender direkter NT-Belege ungewiss.<ref>Für wahrscheinlich hält es [[Rainer Riesner]]: ''[[Jesus als Lehrer]]: Frühjüdische Volksbildung und Evangelien-Überlieferung.'' (1981) 4. Auflage, Mohr/Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-162497-1, S. 512. Für „eher unwahrscheinlich“ halten es Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 162.</ref> |
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Die Evangelien beschreiben Jesu Verhältnis zu seiner leiblichen Familie als sehr gespannt. Demnach hat er sie und sie ihn wiederholt zurückgewiesen. Er soll öffentlich gesagt haben: "(Nur) wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter!" (Mk. 3, 35) Darin zeigt sich bereits eine andere Auffassung des Willens Gottes als die im damaligen [[Judentum]] tradierte: Dort war gerade das Ehren der Eltern, Gehorsam und Achtung ihnen gegenüber, wichtig und gottgefällig. |
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Aus Jesu Jugendzeit überliefert das NT nur einen Aufenthalt des 12-Jährigen im Tempel, bei dem er die Jerusalemer Toralehrer mit seiner Bibelauslegung beeindruckt haben soll (Lk 2,46 f.). Das gilt als legendarisches Motiv, um Jesu Bibelkenntnis zu erklären.<ref>Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 77, Fn. 82.</ref> Lesen und Schreiben konnten Kinder ärmerer jüdischer Familien, die keine Schriftrollen besaßen, in Toraschulen und Synagogen lernen. Nach Lk 4,16 las Jesus in der Synagoge von Nazareth aus der Tora vor, bevor er sie auslegte. Nach Mk 6,2 f. hatten Jesu Hörer ihm das Predigen nicht zugetraut und bemerkt, dass es sich von der traditionellen Schriftauslegung unterschied; nach Joh 7,15 fragten sie sich: ''Wie kann dieser die Schrift verstehen, obwohl er es nicht gelernt hat?'' Doch Jesu häufige Frage an seine Hörer „Habt ihr nicht gelesen…?“ (Mk 2,25; 12,10.26; Mt 12,5; 19,4 u. a.) setzt seine Lesefähigkeit voraus. Ob er auch schreiben konnte, ist ungewiss. Nur Joh 8,6.8 erwähnt eine Geste des Schreibens oder Zeichnens auf den Boden. |
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'''Taufe''' |
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Jesu Predigt- und Argumentationsstil ist rabbinisch ([[Halacha]] und [[Midrasch]]im). Seine ersten Jünger nannten ihn „[[Rabbiner|Rabbi]]“ (Mk 9,5; 11,21; 14,45; Joh 1,38.49; Joh 3,2; 4,31 u. a.) oder „Rabbuni“ („mein Meister“: Mk 10,51; Joh 20,16). Diese aramäische Anrede entsprach dem griechischen ''διδάσκαλος'' für „Lehrer“. Sie drückte Ehrerbietung aus und gab Jesus denselben Rang wie den [[Pharisäer]]n, die sich als Ausleger mosaischer Gebote ebenso bezeichneten (Mt 13,52; 23,2.7 f.). Aus starken Ähnlichkeiten der Toraauslegung Jesu mit damaligen Rabbinerrichtungen folgert [[Pinchas Lapide]], er müsse eine Toraschule besucht haben.<ref>Pinchas Lapide: ''Er predigte in ihren Synagogen. Jüdische Evangelienauslegung.'' Gütersloher Verlagshaus 1980, ISBN 3-579-01400-5.</ref> |
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Alle Berichte stimmen darin überein: Jesu Auftreten begann nach seiner [[Taufe des Herrn|Taufe im Jordan]] durch [[Johannes der Täufer|Johannes den Täufer]]. |
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Dieser Bußprediger lebte offenbar zurückgezogen in der Wüste und stand daher vielleicht der Sekte der [[Essener]] nahe. Das Verhältnis Jesu zu ihm ist historisch umstritten. Es gab offenbar eine Nähe, aber auch Konkurrenz zwischen Johannes- und Jesusgruppen. |
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Nach Mk 6,3 war Jesus, nach Mt 13,55 sein Vater Bauhandwerker (griechisch ''τέκτων'', oft irreführend als „[[Zimmerer|Zimmermann]]“ übersetzt).<ref>Menge-Gütling: ''Griechisch-deutsches Wörterbuch.'' Langenscheidt, München 2001, ISBN 3-468-02030-9: τέκτων bezeichnet einen „mit harten Stoffen (Holz, Stein etc.) arbeitenden Handwerker“.</ref> Vermutlich erlernte Jesus wie viele jüdische Söhne den Beruf des Vaters, zumal ein Handwerksberuf für den Lebensunterhalt eines Rabbis damals üblich war. Das NT enthält dazu keine Angaben.<ref>Michael Schäfers: ''Prophetische Kraft der kirchlichen Soziallehre? Armut, Arbeit, Eigentum und Wirtschaftskritik.'' Münster 1998, [http://books.google.de/books?id=0eh45d8cUTwC&pg=PA87 S. 87] ff.</ref> Bauhandwerkliche Kenntnisse Jesu zeigen etwa die Gleichnisse Lk 6,47–49 und Mk 12,10. Nach vielen Metaphern seiner Aussagen (etwa Lk 5,1–7; Joh 21,4–6) kann er auch Schäfer, Bauer oder Fischer gewesen sein.<ref name="charlewsworthFamily">James H. Charlesworth: ''The historical Jesus. An essential guide.'' Nashville 2008, S. 69–71.</ref> |
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Der Täufer predigte die bevorstehende radikale Wende der Endzeit und rief das ganze Volk [[Israel]] zur [[Umkehr]]: Damit griff er auf die Zukunftserwartung ([["Eschatologie"]]) der jüdischen [[Prophetie]] und [[Apokalyptik]]) zurück. Die Taufe im Jordan sollte die Rettung der Getauften aus dem bevorstehenden [[Endgericht]] realsymbolisch vorwegnehmen. Darauf geht die spätere christliche [[Taufe]] zurück. Jesus selbst hat laut Quellen jedoch nie getauft. |
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Nazareth lag sieben Kilometer von der Stadt [[Sepphoris]] entfernt, die [[Herodes Antipas]] zur Residenz ausbauen ließ und in der die Großgrundbesitzer wohnten. Sie kann manchen Dorfbewohnern als Arbeitsplatz gedient haben. Das NT erwähnt die Stadt nicht und betont, dass Jesus andere hellenistische Städte nicht besuchte.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 249; Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 159</ref> |
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Alle Evangelien gestalten die Taufe Jesu als das Ereignis aus, bei dem Gott Jesus zu seinem [[Sohn Gottes|Sohn]] erwählt und seinen Geist auf ihn gesandt habe. |
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== Wirken == |
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=== Verhältnis zum Täufer Johannes === |
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Die [[Taufe Jesu]] durch [[Johannes der Täufer|Johannes den Täufer]] gilt als [[historisches Ereignis]], mit dem sein öffentliches Wirken begann. Johannes war nach Mt 3,7–12; Lk 3,7 ff. ein Prophet des nahen [[Jüngstes Gericht|Endgerichts]], der aus einer [[Kohanim|Priesterfamilie]] stammte (Lk 1,5) und als [[Askese|Asket]], eventuell als [[Nasiräer]],<ref>H. H. Schader: ''Nasiraios.'' In: Gerhard Kittel (Hrsg.): ''Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament'' Bd. IV, Sp. 879–884.</ref> in der unbewohnten Wüste lebte (Lk 1,80). Seine persönliche und einmalige Taufe bot laut Mk 1,4 f. [[Vergebung]] an und setzte ein [[Beichte|Sündenbekenntnis]] voraus. Josephus verstand sie als gewöhnliches [[Mikwe|jüdisches Reinigungsritual]].<ref>Flavius Josephus: ''Antiquitates'' 18, 116–119; Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 184–191</ref> |
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'''Beginn des Auftretens''' |
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{{B|Mk|1|11}} stellt Jesu Taufe als Gottes einzigartige Erwählung („du bist mein geliebter [[Sohn Gottes|Sohn]]“; vgl. Ps 2,7; Hos 11,1 und öfter) und sein ganzes folgendes Wirken als Sendung durch Gott (vgl. {{B|Röm|1|3 f.}}) dar.<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' Göttingen 1998, [http://books.google.com/books?id=z0kM9xJ-4lMC&pg=PA194 S. 194.]</ref> Wie Jesus selbst sich verstand, ist fraglich, da er sich im NT nie direkt „Sohn Gottes“ nennt. Die johannäischen [[Ich-bin-Worte]] werden auf den Evangelisten, nicht den historischen Jesus zurückgeführt. Laut Joh 3,22; 4,1 taufte er eine Zeit lang parallel zu Johannes dem Täufer. Nach Joh 1,35-42 kamen die Brüder [[Simon Petrus]] und [[Andreas (Apostel)|Andreas]] aus dem Johanneskreis zu Jesus. Demnach gab es zwischen beiden Gruppen Austausch und eventuell Konkurrenz.<ref name="becker60">Jürgen Becker: ''Jesus von Nazaret.'' Berlin 1995, [http://books.google.de/books?id=ymQgnezMMO0C&pg=PA62 S. 60–62.]</ref> Auch dass Jesus mit der Taufe Schüler des Johannes wurde, gilt als plausibel.<ref name="becker60" /><ref name="schroeterJohannes" /> |
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Nach dem ältesten [[Evangelium]] des [[Markus]] begann Jesus nach der Festnahme des Täufers durch die Dörfer [[Galilea|Galiläas]] zu ziehen (Mk. 1, 14). Dabei scharte er eine stetig wachsende Gruppe von Anhängerinnen und Anhängern um sich. Von Beginn an gehörten Frauen dazu (Mk. 1, 31). |
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Vermutlich reduzierte Markus Jesu Kontakt mit Johannes auf das isolierte Taufereignis und ließ ihn erst seit der Inhaftierung des Johannes öffentlich auftreten.<ref name="becker60" /> Mk 1,15 gilt als Beleg für die Ähnlichkeiten beider Botschaften. Jesus übernahm den endgültigen [[Umkehr]]ruf des Täufers<ref>Josef Ernst: ''Johannes der Täufer: Interpretation, Geschichte, Wirkungsgeschichte.'' Walter de Gruyter, Berlin 1989, S. 156 ff.</ref> und wohl auch das [[Apokalypse|apokalyptische]] Motiv des Gerichtsfeuers auf Erden (Lk 12,49, Mt 3,10).<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' Göttingen 1998, S. 267. Anders Jürgen Becker: ''Jesus von Nazaret'', Berlin 1996, S. 99.</ref> Er lehnte jedoch nach Mk 2,16–19 [[Fasten]] und Askese für seine Jünger ab und pflegte die [[Tischgemeinschaft]] gerade mit solchen Juden, die nach der geltenden Tora-Auslegung als „Unreine“ vom Heil ausgeschlossen wurden. Er zog sich nicht in die Wüste zurück, sondern wandte sich gerade ausgestoßenen Juden und Fremden zu und sagte ihnen das bedingungslose Heil Gottes zu. Daraufhin soll der inhaftierte Täufer Jesus durch Boten gefragt haben: ''Bist du der Kommende?'' (der [[Messias]]; Mt 11,2 ff.). |
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Zentrales Thema von Jesu Reden und Wirken war wie für Johannes die endzeitliche Wende, der unmittelbar bevorstehende Anbruch des "[[Reich Gottes|Reiches Gottes]]", das in der Prophetie Israels seit dem [[Exil]] eine zentrale Rolle spielt. Aber anders als andere [[Wanderprediger]] seiner Zeit war Jesus, soweit bekannt, der einzige, der behauptete, dass dieses Reich schon punktuell angebrochen sei (Lk. 11,20): und zwar in seinem eigenen heilsamen Handeln (Mt. 11, 2ff/Lk. 7, 18ff). |
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Demgemäß betonten die Urchristen die Vorläufer- und Zeugenrolle des Johannes gegenüber Jesus (Mk 1,7; Lk 3,16; Mt 3,11; Joh 1,7 f.; 3,28 ff. u. a.). Jesus identifizierte Johannes laut Mk 9,13 mit dem Propheten [[Elija]], an dessen Wiederkunft vor dem Endgericht Juden damals glaubten, sowie nach Lk 7,24–28 mit dem in Mal 3,1 angekündigten Propheten der Endzeit. Daher befürwortete er die Johannestaufe auch nach Beginn seines Auftretens als Rettung aus dem Endgericht.<ref name="schroeterJohannes">Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 133–140.</ref> |
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Jesus bezog sich dabei vor allem auf Heilsansagen der exilisch-nachexilischen Propheten [[Deuterojesaja]] (Jes. 40-55) und [[Tritojesaja]] (Jes. 56-66), ab etwa 530 v. Chr.). Er bezog diese auf das Volk der Bettelarmen (Lk. 6, 20/ Mt. 5, 1). Deren Befreiung sah Jesus als seine ihm von Gott aufgetragene Mission an (Lk. 4, 17-21). |
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Dass [[Herodes Antipas]] den Täufer hinrichten ließ (Mk 6,17 ff.), war Jesus wahrscheinlich bekannt. Ein [[Prophetie im Tanach#Prophetenmorde|ermordeter Prophet]] galt in biblischer Tradition als von Gott legitimiert.<ref>Artikel ''Johannes der Täufer II.'' In: Theologische Realenzyklopädie Band 17, Walter de Gruyter, Berlin 1988, [http://books.google.de/books?id=0CvvBg_Q3lUC&pg=PA177 S. 177.]</ref> Demgemäß kündigte Jesus mit seinem Täuferzeugnis sein eigenes Leiden an, erwartete laut Lk 13,32–35; Lk 20,9–19 für sich ein analoges gewaltsames Ende und stellte sich in die Reihe der verfolgten Propheten Israels.<ref>Joachim Jeremias: ''Der Opfertod Jesu Christi.'' In: Bertold Klappert: ''Diskussion um Kreuz und Auferstehung'', Aussaat Verlag, Wuppertal 1967, ISBN 3-7615-4661-0, S. 179 f.; Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 272 f.</ref> Nach Mk 11,27–33 legitimierte Jesus später seinen Vollmachtsanspruch zur Sündenvergebung wie zur Tempelreinigung gegenüber Jerusalemer Gegnern mit seiner Taufe durch Johannes.<ref>Jostein Ådna: ''Jesu Stellung zum Tempel: Die Tempelaktion und das Tempelwort als Ausdruck seiner messianischen Sendung.'' Tübingen 2000, ISBN 3-16-146974-7, [http://books.google.de/books?id=e27PnLjoj-8C&pg=PR292 S. 292 ff.]</ref> |
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Die große jüdische Bevölkerungsmehrheit war damals sehr arm, täglich von Hunger, römischer Gewalt und sozialem Absturz ins Bodenlose bedroht. Insofern war die von Jesus geforderte Besitz- und Wehrlosigkeit seiner Anhänger (Mk. 10, 21/Mt. 6, 25ff/ Mt. 10, 9f/) nur Ausdruck der weit verbreiteten Lebensumstände (Gerd Theißen). |
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=== Gebiet des Auftretens === |
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Jesus versprach den Armen den Landbesitz (Mt. 5, 5) und das [["Gnadenjahr"]] der gerechten Bodenreform (Lk. 4, 19f, vgl. 3. Mose 25/5. Mose 15). So erneuerte er die jüdische Zukunftserwartung einer umfassenden revolutionären Veränderung zu Gunsten der Besitz- und Rechtlosen. |
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[[Datei:Landkarte der Orte des Wirkens Jesu Christi.svg|mini|Orte, an denen Jesus laut den Evangelien gewirkt hat]] |
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[[Datei:Kapernaum 2.jpg|mini|Ausgrabungsstätte des vermuteten Petrushauses in Kafarnaum (1980er Jahre)]] |
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Jesus sah sich nur zu den „verlorenen Schafen des Hauses Israel“ gesandt (Mt 10,5; 15,24); seine wenigen überlieferten Begegnungen mit Nichtjuden erscheinen als Ausnahmen. Seine Reisewege lassen sich nicht genau rekonstruieren, da viele Ortsangaben und ihre Abfolge in den Evangelien von den Evangelisten stammen und die Ausbreitung des Christentums bei ihrer Abfassung spiegeln können.<ref>Hans Conzelmann: ''Geschichte des Urchristentums'', Göttingen 1989, S. 21</ref> Plausibel wirken jedoch Nachbarorte Nazareths wie [[Kana (Galiläa)|Kana]] und [[Naïn]] sowie bei Tagesmärschen und Bootsfahrten über den [[See Genezareth]] erreichbare Orte wie [[Bethsaida]], [[Chorazin]] und [[Migdal|Magdala]]. Weiter entfernt lagen [[Gerasa]] im Südosten (Mk 5,1), [[Tyros]] und [[Sidon]] im Nordwesten (Mk 7,24). Ob Jesus auch [[Samarien]] durchstreifte (Joh 4,5 gegen Mt 10,5), ist ungewiss. Von Römern und Herodianern erbaute Städte wie [[Tiberias]] und [[Sepphoris]] erwähnt das NT nicht. Laut Mk 8,27 betrat Jesus nur die umgebenden Dörfer von [[Banyas|Cäsarea Philippi]]. Daraus wird gefolgert, dass er eher auf dem Land wirkte und hellenisierte Städte mied.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 161–163 und S. 170</ref> |
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'''Heiltätigkeit''' |
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In [[Kafarnaum]] soll Jesus zuerst aufgetreten (Mk 1,21 ff.; Lk 4,23), in das dortige Haus des Petrus eingezogen (Mk 1,29; 1,33) und von seinen Reisen öfter dorthin zurückgekehrt sein (Mt 4,12 f.; Mk 2,1; 9,33; Lk 7,1). Mt 9,1 nennt den Ort daher „seine Stadt“. Dieses Fischerdorf lag damals an der Grenze des von Herodes Antipas regierten Gebiets. Vielleicht wählte Jesus hier sein Quartier, um notfalls vor dessen Verfolgung in das Nachbargebiet des [[Herodes Philippos]] fliehen zu können (Lk 13,31 ff.).<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 160</ref> |
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Jesus betonte in seiner Verkündigung das Zentralgebot der [[Nächstenliebe]] und realisierte es mit seiner lebensrettenden Heiltätigkeit für Kranke und Randgruppen, die nach geltender Thoraauslegung gemieden wurden und so häufig zum Tod verurteilt waren (Adolf Holl). Das verband ihn mit reformorientierten |
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[[Pharisäer|Pharisäern]]. |
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=== Verkündigung des Gottesreichs === |
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Aber anders als sie trieb Jesus "Dämonen" aus, d.h. er heilte auch für unheilbar gehaltene Krankheiten. Bezieht man Textmotive auf moderne Krankheitsbilder, dann heilte Jesus u.a. Lepra, grauen Star, Epilepsie, Schizophrenie. Doch hier muss man berücksichtigen: Heilwunder werden in der antiken Umwelt oft berichtet. In Israel aber galten besondere Kräfte schnell als Teufelei. Seine "Vollmacht" brachte Jesus nicht nur Sympathie, sondern auch Neid, Abwehr, Feindschaft ein. |
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{{Hauptartikel|Reich Gottes}} |
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Die nahe „Königsherrschaft Gottes“ war Jesu zentrale Botschaft nach den synoptischen Evangelien (Mk 1,14 f.): Dies nimmt die NT-Forschung fast immer als historisch an.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 299</ref> Die Evangelien veranschaulichen den Begriff durch konkrete Handlungen, [[Gleichnis]]se und Lehrgespräche Jesu. Sie setzen dabei seine Bekanntheit unter Juden voraus. An Nichtjuden gerichtete NT-Texte verwenden den Begriff dagegen selten.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 221</ref> Damit bezog sich Jesus auf die [[Prophetie im Tanach]] und biblische Apokalyptik, wie einige eventuell echte Zitate aus [[Deuterojesaja]] und [[Daniel]] zeigen.<ref>Werner Grimm: ''Weil ich dich liebe: die Verkündigung Jesu und Deuterojesaja.'' 2., überarbeitete Auflage, Herbert Lang, Bern / Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-8204-5943-X; Jörg Frey: ''Jesus und die Apokalyptik.'' In: Michael Becker, Markus Öhler (Hrsg.): ''Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-148592-0, S. 23–94</ref> |
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'''Gegner''' |
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Manche Aussagen Jesu kündigen Gottes Herrschaft als unmittelbar bevorstehend an, andere sagen sie als schon angebrochen zu oder setzen ihre Gegenwart voraus. Umstritten war früher, ob eher die futurische (so etwa [[Albert Schweitzer]]) oder die präsentische (so etwa [[Charles Harold Dodd]]) [[Eschatologie]] auf Jesus zurückgeht. Seit etwa 1945 beurteilen die meisten Exegeten beide Aspekte gemäß ihrem paradoxen Nebeneinander im [[Vaterunser]] (Mt 6,9–13) als authentisch.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 224 und 230 ff.</ref> Sie betonen, dass Jesus diese Herrschaft als dynamisches Geschehen und gegenwärtig laufenden Prozess auffasste, nicht nur als jenseitige Welt. So habe er im Anschluss an jüdische Apokalyptik nicht die Vernichtung der Erde, sondern ihre umfassende Erneuerung einschließlich der Natur erwartet und durch sein Handeln in seine Zeit hineingezogen.<ref>Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret'', Leipzig 2006, S. 191–193 und 200–209</ref> |
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Jesu [[Heilungen]] auch am [[Sabbat]] sollen eine Verschwörung zwischen Pharisäern und Herodianern gegen ihn ausgelöst haben (Mk. 3, 6). Doch Heilen am Sabbat wurde gerade von Pharisäern schon vor Jesus erlaubt (Mk. 3, 4). Herodes hingegen, der von Rom eingesetzte Marionettenkönig, war nicht an der Befolgung jüdischer Gesetze im Alltag interessiert und wurde von den Pharisäern daher abgelehnt. Das hatte Markus schon vergessen. |
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Daran knüpfen Worte vom Sturz [[Satan]]s (Lk 10,18 ff.) an oder das Streitgespräch darüber, ob Jesus seine Heilkraft von [[Beelzebub]] oder Gott empfangen habe (Mt 12,22 ff. par.). Der „Stürmerspruch“ (Mt 11,12) legt nahe, dass der Ankunft der Gottesherrschaft gewaltsame Konflikte vorausgehen, die seit dem Auftreten des Täufers Johannes bis in Jesu Gegenwart andauern.<ref>Wolfgang Wiefel: ''Das Evangelium nach Matthäus.'' Evangelische Verlags-Anstalt, Berlin 1998, ISBN 3-374-01639-1, S. 214</ref> Wie Johannes predigte Jesus ein unerwartet hereinbrechendes Gericht, das eine letzte Chance zur Umkehr bietet (Lk 12,39–48). Anders als dieser stellte er die Einladung zum Gottesreich wie zu einem für alle offenen Festmahl heraus.<ref>Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret'', Leipzig 2006, S. 200 und 204</ref> Eventuell verknüpfte er die Rettung aus dem Endgericht mit der aktuellen Entscheidung seiner Hörer zu seiner Botschaft (Mk 8,38; Lk 12,8).<ref>Bertold Klappert: ''Die Auferweckung des Gekreuzigten: Der Ansatz der Christologie Karl Barths im Zusammenhang der Christologie der Gegenwart.'' 3. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1981, ISBN 3-7887-0429-2, S. 106–115</ref> |
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Seine Reich-Gottes-Verkündigung trennte Jesus |
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jedoch von den [[Sadduzäer|Sadduzäern]], die den vorfindlichen Tempelbetrieb verteidigten und von den |
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Opfergaben des Volkes lebten. Sie waren im Hinterland wenig präsent, wachten aber auch dort über die Einhaltung z.B. der Reinheitsgesetze. Jesus setzte diese für seine Jünger komplett außer Kraft (Mk. 7, 1-23). Damit wurde ein Konflikt unvermeidlich. |
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Die der Logienquelle zugewiesenen „[[Seligpreisung]]en“ (Lk 6,20–23; Mt 5,3–10) sagen Gottes Herrschaft den aktuell Armen, Trauernden, Machtlosen, Verfolgten als gerechte Wende zur Aufhebung ihrer Not zu. Diese Menschen waren die ersten und wichtigsten Adressaten Jesu. Seine oft für authentisch gehaltene Antwort auf die Täuferfrage (Mt 11,4 ff.) weist darauf hin, dass ihnen in Jesu Heilungen schon das Reich Gottes begegne. Seine Antrittspredigt (Lk 4,18–21) aktualisiert die biblische Verheißung eines [[Erlassjahr]]es zur Entschuldung und Landumverteilung (Lev 25) für die gegenwärtig Armen. |
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'''Zug nach Jerusalem''' |
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Sozialhistorische Untersuchungen erklären solche NT-Texte aus damaligen Lebensumständen: Juden litten unter [[Ausbeutung]], steuerlichen Abgaben für Rom und den Tempel, täglicher römischer Militärgewalt, Schuldversklavung, [[Hunger]], [[Epidemie]]n und sozialer Entwurzelung.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 223–226; Wolfgang Stegemann: ''Das Evangelium und die Armen'', München 1981, S. 26 ff.</ref> Manchmal wird die Armentheologie in der ältesten Jesusüberlieferung aus dem Einfluss [[Kynismus|kynischer]] Wanderphilosophen erklärt,<ref>Francis Gerald Downing: ''Cynics and Christian Origins'', Band 1. Bloomsbury Academic 1992, ISBN 0-567-09613-0</ref> meist aber aus biblischen, besonders prophetischen Traditionen.<ref name="karrer">Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' Göttingen 1998, S. 266</ref> |
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Die Hinrichtung des Bußpredigers Johannes durch [[Herodes]] könnte Jesu Sendungsbewusstsein und seinen Entschluss, nach [[Jerusalem]] zu ziehen, beeinflusst haben (Mk. 6, 14ff). Auch die Vorahnung seines eigenen gewaltsamen Todes kann er so gewonnen haben (u.a. Mk. 8, 31). |
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[[Wolfgang Stegemann]] zufolge strebten Jesus und seine Anhänger mit ihrer Reich-Gottes-Predigt keine „Aushandlungsprozesse über ein bestimmtes Gesellschaftsmodell“ an, sondern erwarteten die Durchsetzung einer anderen Ordnung allein von Gott. Ihre Botschaft konnte nur angenommen oder abgelehnt werden (Lk 10,1–12). Sie habe die Gottesherrschaft nach dem Modell eines wohltätigen, von Reichen meist vergeblich erwarteten [[Patronat (Römer)|Patronats]] gegen aktuell erfahrene Herrschaftsformen gestellt.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 299 und 314 ff.</ref> [[John Dominic Crossan]] zufolge verbreitete die Jesusbewegung durch „kostenloses Heilen und gemeinsames Essen“, ohne sesshaft zu werden, einen radikalen [[Egalitäre Gesellschaft|Egalitarismus]]. So habe sie die Gottesherrschaft unmittelbar erlebbar werden lassen und die hierarchischen Wertmaßstäbe und Gesellschaftsstrukturen angegriffen, um sie zu entkräften.<ref>John Dominic Crossan: ''Der historische Jesus'', München 1994, S. 554</ref> Ähnlich meint Martin Karrer, Jesus habe eine „subversive“ Bewegung der Abweichler von religiösen und gesellschaftlichen Normen bewirkt.<ref name="karrer" /> |
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Manche Historiker meinen, er sei nicht wiederholt, sondern wie die meisten armen Juden aus der Provinz nur einmal in seinem Leben nach Jerusalem gepilgert. Dann hätte er nur etwa ein Jahr öffentlich gewirkt. |
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=== Tätigkeit als Heiler === |
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Jesus traf in Jerusalem auf 2 mächtige Gruppen: die [[Sadduzäer]], also die vornehme, vom [[Hellenismus]] geprägte Führungsschicht, aus der die Tempelpriester kamen, und die [[Römer]], also die ausländischen Besatzer, die Israel kolonisierten, als Getreide- und Holzlieferanten ausbeuteten und deren Militär jeden Winkel beherrschte. |
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{{Hauptartikel|Wunder Jesu}} |
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Antike Quellen erzählen oft von wunderbaren Heilungen, doch nirgends so oft von einer Einzelperson wie im NT.<ref name="Merz 2011">Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 275</ref> Die Evangelien überliefern von Jesus Heilungswunder als [[Exorzismus|Exorzismen]] oder Therapien sowie Geschenk-, Rettungs-, Normenwunder und Totenerweckungen.<ref>Bernd Kollmann: ''Neutestamentliche Wundergeschichten: Biblisch-theologische Zugänge und Impulse für die Praxis.'' 3. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-17-021376-0, [http://books.google.de/books?id=qSdeaf9hH0gC&pg=PA65 S. 65]</ref> Die Exorzismen beziehen sich auf damals unheilbare Krankheiten oder Defekte wie „Aussatz“ (alle Hautkrankheiten), verschiedene Erblindungen<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 280</ref> und heute als [[Epilepsie]]<ref>Michael Wohlers: ''Heilige Krankheit: Epilepsie in antiker Medizin, Astrologie und Religion.'' N.G. Elwert, Marburg 1999, ISBN 3-7708-1135-6, S. 237 ff.</ref> und [[Schizophrenie]] bezeichnete Krankheitsbilder. Davon Betroffene galten als „von unreinen Geistern ([[Dämon]]en) besessen“ (Mk 1,23).<ref>Horst Balz: ''Heil und Heilung im Neuen Testament.'' In: Karl Hoheisel, Hans-Joachim Klimkeit (Hrsg.): ''Heil und Heilung in den Religionen.'' Harrassowitz, Wiesbaden 1995, ISBN 3-447-03619-2, [http://books.google.de/books?id=ODW7fgskm94C&pg=PA107 S. 107]</ref> Man vermied Umgang und Berührung mit ihnen, vertrieb sie aus bewohnten Gegenden und lieferte sie so oft dem Tod aus.<ref>Adolf Holl: ''Jesus in schlechter Gesellschaft.'' 3. Auflage, Kreuz-Verlag, Freiburg im Breisgau 2002, ISBN 3-7831-1816-6</ref> |
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'''Jesu und die [[Zeloten]]''' |
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Exorzismen- und Therapietexte betonen Jesu Zuwendung zu solchen Ausgegrenzten, auch Nichtjuden, die die Ursache ihrer Ausgrenzung beseitigte und so ihre Isolation aufhob. Ihre Rahmenverse laden oft zu Glauben und Umkehr ein. Seine Heilerfolge hätten ihm Misstrauen, Neid und Abwehr eingebracht, die Tötungspläne seiner Gegner ausgelöst (Mk 3,6; Joh 11,53) und Forderungen nach demonstrativen „Zeichen und Wundern“ bewirkt. Diese habe Jesus abgelehnt (Mk 8,11 ff.; 9,19 ff.). Besondere Züge der NT-Wundertexte sind, dass der Wundertäter die Heilung dem Glauben der Geheilten zuspricht („Dein Glaube hat dich gerettet“: Mk 5,34; 10,52; Lk 17,19 und andere) und sie als Zeichen für den Beginn des Reiches Gottes und das Ende der Herrschaft des Bösen deutet (Mk 3,22 ff., ein meist für echt gehaltenes Jesuswort). Daher nehmen Neutestamentler an, dass Jesus die ältesten Exorzismus- und Therapietexte anregte: Weil Augenzeugen sein Handeln als Wunder erlebten, hätten sie es weitererzählt und ihm dann weitere Wunder zugeschrieben.<ref name="Merz 2011" /> |
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Seit den Tagen des Judas Makkabäus (ca. 170 v. Chr.) gab es in Israel eine Tradition des Widerstands gegen Fremdmächte, die Israel ihre Religion aufzwangen. Auslöser für Aufstände waren oft Königs- oder Götterstatuen, die ein Fremdherrscher im Jerusalemer Tempel aufstellen ließ. Das widersprach dem biblischen Bilderverbot als Kehrseite des 1. Gebots (Ex. 20, 2ff). |
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=== Tora-Auslegung === |
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Die Religionspolitik der Römer war zunächst toleranter als die ihrer Vorgänger. Doch um 4 n. Chr. verordneten sie allen Juden eine Volkszählung, um ihre Tribut-pflicht zu prüfen und zu erzwingen. Der Galiläer Judas versuchte einen Boykott dagegen zu organisieren. In diesen Kontext hat der Evangelist Lukas Jesu Geburt gestellt (Lk. 2, 1). |
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Die [[Bergpredigt]] (Mt 5–7) wird als „Lehre“ Jesu eingeführt (Mt 5,2). Sie wurde von Urchristen aus Einzelpredigten Jesu zusammengestellt und vom Evangelisten redigiert oder komponiert.<ref>Hans D. Betz: ''Studien zur Bergpredigt.'' Mohr Siebeck, Tübingen 1985, ISBN 978-3-16-144906-2</ref> Ihr Beginn (Mt 5,14 ff.) erinnert Jesu Nachfolger an Israels Auftrag, als Volk Gottes „Licht der Völker“ zu sein (Jes 42,6), indem es die Tora vorbildlich erfüllt. Mt 5,17–20 betont demgemäß, Jesus habe alle überlieferten Gebote erfüllt, nicht aufgehoben. |
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Judas scheiterte, aber danach verübten seine Anhänger vermehrt Anschläge gegen römische Beamte und Soldaten. Andere waren weniger radikal und beschränkten sich darauf, Steuerforderungen der Römer passiv zu verweigern. Das Zahlen von Steuern an den römischen Kaiser galt als Götzendienst, da dessen Bild auf die Münzen geprägt war und er sich seit Augustus als Gott verehren ließ. |
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Ob Jesus selbst das so sah, ist umstritten. Anders als Paulus nahm er nur zu Einzelgeboten, nicht zur Tora insgesamt Stellung, da er sie wie alle damaligen Juden als gültigen Willen Gottes voraussetzte.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 263–266 und S. 276–278.</ref> Einige Gebote verschärfte er, andere entschärfte er, wieder andere relativierte er so, dass sie im Urchristentum aufgehoben wurden. Dies gilt heute als innerjüdische Toradeutung, nicht als Bruch mit dem Judentum. Wie der Rabbiner [[Hillel]] (ca. 30 v. Chr. bis 9 n. Chr.) gab Jesus der [[Nächstenliebe]] den gleichen Rang wie der [[Gottesfurcht]] und ordnete sie damit den übrigen Torageboten über (Mk 12,28–34). Er sah sich zu denen gesandt, die wegen Übertretungen verachtet wurden {{Bibel|Mk|2|17}}: {{"|Nicht die Starken brauchen einen Arzt, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.}} Damit waren unter anderem jüdische „Zöllner“ gemeint, die für die Römer Steuern eintrieben, oft dabei ihre Landsleute übervorteilten und daher gehasst und gemieden wurden. Nach Lk 19,8 lud Jesus sie zum Teilen mit den Armen ein, nach Mt 6,19-24 deutete er das Anhäufen von Besitz als Bruch des ersten Gebots. Erst mit der Besitzaufgabe für die Armen erfülle der gesetzestreue Reiche alle Zehn Gebote so, dass er zur Nachfolge frei werde (Mk 10,17–27). |
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Jesus kam wie viele jüdische Befreiungskämpfer aus dem bergigen Hinterland Galilea, dem Gebiet des früheren Nordreichs, wo die Exodus- und Widerstandstradition lebendig blieb. Doch nach den Evangelien war sein Anliegen nicht, die Römer mit Gewalt aus Israel zu vertreiben. Er hatte eine andere Grundhaltung als die Zeloten: Er lehrte, dass Israels Aufgabe sei, die Völker zu segnen, nicht zu hassen, also der ohnehin übermächtigen Gewalt nicht mit Gegengewalt zu begegnen, sondern die Feinde durch unerwartetes Entgegenkommen zu überraschen (Mt. 5, 38-48) und so zu "ent-feinden" (Pinchas Lapide). |
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Am Verhalten zur Kaisersteuer erkannte man einen Zeloten. Mk. 12, 13-17 berichtet, wie Jesu Gegner ihm eine Falle stellten, um ihn als Zeloten zu überführen und an die Römer ausliefern zu können. Darauf soll Jesus gesagt haben: "Gebt dem Kaiser, was ihm gehört, und Gott, was Gott gehört!" Das hieß offenbar: Der Kaiser ist nicht Gott. Gebt ihm nicht, was Gott gehört: euch und euer Volk. Jesus lehnte die Steuerverweigerung also nicht ab, ordnete sie aber dem großen Ziel unter: ganz Israel und die Völker zu befreien. Denn auch er war ein "Eiferer" für Gottes Reich. |
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Die „Antithesen“ legen wichtige Toragebote aus. Danach betonte Jesus über deren Wortlaut hinaus die innere Einstellung als Ursache des Vergehens: Das Tötungsverbot (Ex 20,13) breche schon der, der seinem Nächsten bloß zürne, ihn beschimpfe oder verfluche. Damit ziehe er Gottes Zorngericht auf sich. Darum solle er sich erst mit seinem Gegner versöhnen, bevor er im Tempel Opfer darbringe (Mt 5,21–26). [[Ehebruch]] (Ex 20,14) begehe innerlich schon, wer als verheirateter Mann eine andere Frau begehre (Mt 5,27–30). Missbrauch des Gottesnamens (Ex 20,7) und Lüge (Ex 20,16) sei jeder [[Eid]], nicht erst ein Meineid (Mt 5,33 ff.). Weil Gott Erhaltung seiner Schöpfung versprochen habe (Gen 8,22), sollen Juden und Jesusnachfolger auf [[Vergeltung]] (Gen 9,6) durch Gegengewalt verzichten (Mt 5,39) und stattdessen mit kreativer [[Feindesliebe]] antworten, gerade auch ihre Verfolger als Nächste segnen, sie mit Fürsorge und freiwilligem Entgegenkommen überraschen und so „entfeinden“ (Mt 5,40–48).<ref>Pinchas Lapide: ''Entfeindung leben?'' Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1993, ISBN 978-3-579-02205-5</ref> Damit erinnerte Jesus an Israels Aufgabe, alle Völker zu segnen, um auch sie von Gewaltherrschaft zu befreien (Gen 12,3), die Herrschaft des „Bösen“ zu beenden und Gottes Reich herbeizurufen.<ref>René Girard: ''Das Ende der Gewalt: Analyse des Menschheitsverhängnisses.'' Herder, Freiburg 1983, ISBN 3-451-19017-6, S. 203–210</ref> Darum warnt Jesus laut {{Bibel|Mt|7|1–3}} davor, die Tora und seine Toraauslegung zur unbarmherzigen Verurteilung anderer zu missbrauchen:<ref>Klaus Haacker: ''Was Jesus lehrte: Die Verkündigung Jesu - vom Vaterunser aus entfaltet.'' Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2010, ISBN 978-3-7887-2427-6, S. 152f.</ref> |
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Darum folgten ihm auch einige Zeloten nach und erhofften sich große Dinge von ihm, als er nach Jerusalem zog: so auch sein Jünger Judas, der ihn dann -enttäuscht? - an den "Feind" verriet. |
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{{Zitat|Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?}} |
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Nach {{B|Joh|8|7}} rettete Jesus eine Ehebrecherin vor der [[Steinigung]], indem er den Anklägern ihre eigene Schuld bewusst machte: {{"|Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.}} Dies wird als Entkräftung der in der Tora vorgeschriebenen [[Todesstrafe]] für Ehebruch (Lev 20,10) gedeutet. Der Satz wird oft für echt oder zumindest Jesus gemäß gehalten, obwohl die Erzählung in älteren Handschriften des Johannesevangeliums fehlt.<ref>Ulrich Becker: ''Jesus und die Ehebrecherin. Untersuchungen zur Text- und Überlieferungsgeschichte von Johannes 7,53–8,11.'' (1963) Nachdruck: De Gruyter, Berlin / Boston 2018, ISBN 978-3-11-005593-1, S. 8–43</ref> |
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'''Einzug in Jerusalem''' |
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Nach Mk 7,15 erklärte Jesus nur das für unrein, was von innen her aus dem Menschen komme, nicht was von außen in ihn hineingehe. Das wurde früher oft als Aufhebung der wichtigen [[Jüdische Speisegesetze|Speise-]] und Reinheitsgebote und damit als Bruch mit allen übrigen Kultgeboten der Tora verstanden. Heute gilt es eher als Auslegung, die moralische über äußerliche Reinheit stellt.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' 2010, S. 281 und 288 ff.</ref> In Konkurrenz zu Sadduzäern und Teilen der Pharisäer wollte Jesus nicht Reine von Unreinen abgrenzen, sondern Reinheit offensiv auf als unrein geltende Gruppen ausweiten. Daher integrierte er in Israel ausgegrenzte [[Lepra]]-Kranke (Mk 1,40–45), Sünder (Mk 2,15) und Zöllner (Lk 19,6) und verweigerte sich nicht kontaktsuchenden Nichtjuden (Mk 7,24–30).<ref>Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 177–187.</ref> |
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Zu jedem Passahfest strömten Massen von Festpilgern in die Hauptstadt, unter ihnen auch Jesu Anhänger. Als er den Stadtrand bei Bethfage erreichte, begrüßten sie ihn laut Markus wie einen neuen König: "Gelobt sei, der da kommt im Namen unseres Gottes! Gelobt sei das Reich Davids!" (Mk. 11, 9f) Offenbar hoffte das Volk auf einen Sieg über die Römer und ein neues Großisrael. |
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=== Anhänger === |
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Jesus reagierte darauf mit einer Zeichenhandlung: Er ritt auf einem jungen, zuvor unberittenen Esel in die Stadt ein. Das erinnerte an die Verheißung des nachexilischen Propheten Sacharja: |
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[[Datei:Meister der Reichenauer Schule 001.jpg|mini|Reichenauer Schule: ''Christus spricht zu den Jüngern'' (um 1010)]] |
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"Tochter Zion freue Dich, jauchze, Jerusalem! Siehe, Dein König kommt zu Dir! Ein Gerechter und Helfer (ist er), ARM und reitet auf einem Esel, dem Jungen einer Eselin. Denn Ich (Gott) werde die Kriegswagen aus Ephraim (Nordreich) wegtun und die Streitrosse aus Jerusalem (Südreich), und der Kriegsbogen (damalige Hauptangriffswaffe) soll zerbrochen werden. Denn er (der Messias der Armen) wird Frieden gebieten allen Völkern, und seine (gewaltlose) Herrschaft wird von einem Meer bis zum andern und vom Strom (Jordan? Euphrat?) bis an die Enden der Erde (Horizonte) reichen." (Sa. 9, 9-11) |
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{{Hauptartikel|Nachfolge Jesu}} |
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Von Beginn seines Auftretens an berief Jesus nach dem NT männliche und weibliche [[Jünger]] (Mk 1,14 ff.) dazu, wie er Beruf, Familie und Besitz zu verlassen (Mk 10,28–31) und mittel- und waffenlos umherziehend Gottes Reich zu verkünden. Sie gehörten wie er zum einfachen Volk, das verarmt und vielfach vom Hunger bedroht war. Sie wurden ausgesandt, um Kranke zu heilen, Dämonen auszutreiben und Gottes Segen weiterzugeben. Beim Betreten eines Hauses sollten sie mit dem Friedensgruß „[[Schalom (Hebräisch)|Schalom]]“ die ganze Sippe unter Gottes Schutz stellen. Waren sie nicht willkommen, dann sollten sie den Ort verlassen, ohne zurückzukehren, und ihn Gottes Gericht überlassen (Mt 10,5–15).<ref>zur Nachfolge der Urchristen insgesamt: Martin Hengel: ''Nachfolge und Charisma.'' Berlin 1968.</ref> |
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Jesus gab der bibelkundigen Menge demnach klar zu verstehen: Ich bin der Messias - aber nicht so, wie ihr euch das vorstellt. Sondern wer die Fremdherrscher entmachten will, muss selbst ohne Waffengewalt handeln. Der Esel als Reittier des Königs ist hier zugleich Zeichen dieses konkreten Gewaltverzichts, der der Verheißung entspricht. |
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Diese Aussendungsrede und vergleichbare Nachfolgetexte werden der Logienquelle zugewiesen und in der sozialhistorischen Forschung als Ausdruck für die Lebensumstände und Wertvorstellungen der frühen [[Jesusbewegung]] gedeutet. Auf solche Texte stützte [[Gerd Theißen]] 1977 seine einflussreiche soziologische These vom Wanderradikalismus: Die Jesusbewegung habe inmitten einer ökonomischen Krise und zerfallender sozialer Bindungen ein damals attraktives, charismatisches Nachfolgeethos zur Erneuerung des Judentums vertreten. Die engeren Anhänger Jesu seien im Bewusstsein einer endzeitlichen Rettungsaufgabe als besitz- und waffenlose Wanderer umhergezogen und von ortsansässigen Sympathisanten materiell unterstützt worden.<ref>Gerd Theißen: ''Soziologie der Jesusbewegung. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Urchristentums.'' (1977) 7. Auflage, Christian Kaiser, Gütersloh 1997, ISBN 3-579-05035-4; Wolfgang Reinbold: ''Propaganda und Mission im ältesten Christentum: Eine Untersuchung zu den Modalitäten der Ausbreitung der frühen Kirche.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, ISBN 3-525-53872-3, S. 226–240</ref> |
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Diese griff auf ältere Friedens- und Abrüstungsvisionen der Exilsprophetie zurück. Jesus nahm sie auf und bezog sie auf sich: Er wollte offenbar der sein, der mit dem Zerbrechen der Waffen in ganz Israel beginnt. So, nicht durch Großmachtpolitik im Gefolge Davids, wollte er die Friedensvisionen erfüllen. Damit wurde Jesu Predigt vom Reich Gottes politisch konkret und bot zugleich auch anderen Völkern eine Perspektive an: Weltweite Abrüstung war sein Ziel, Gewaltlosigkeit sein Weg. |
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Nach Géza Vermes waren Jesus und seine Anhänger von einem „charismatischen Milieu“ im damaligen Galiläa beeinflusste „Wandercharismatiker“. Denn auch von [[Chanina ben Dosa]] (um 40–75), einem Vertreter des galiläischen [[Chassidismus]], wurden Armenfürsorge, Besitzlosigkeit, Wunderheilungen durch Gebet und Toraauslegungen überliefert.<ref>Géza Vermes: ''Jesus the Jew: a historian’s reading of the Gospels.'' SCM Press, 1983, S. 73 ff.; Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 278</ref> |
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'''Jesu Tempelkritik ''' |
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Sollte Jesus einen engeren, leitenden Zwölferkreis ([[Apostel]]) ausgewählt haben, unterstreicht dies nach [[James H. Charlesworth]] seinen gewaltfreien politischen Anspruch, der zur Zeit des jüdischen zweiten Tempels nicht von religiösen Zielen zu trennen war. Denn die [[Testamente der zwölf Patriarchen]] und andere Dokumente weisen auf die Bedeutung der [[zwölf Stämme Israels]] zur Zeit Jesu hin. Diese sollten auf der Erde herrschen, wenn Gott die politische Autonomie Israels wiederherstellen würde.<ref>James H. Charlesworth: ''The Historical Jesus, An Essential Guide.'' Nashville 2008, S. 107.</ref> |
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Nach seiner Ankunft in Jerusalem ging Jesus offenbar sofort in den Tempelbezirk und "besah alles ringsumher" (Mk. 11, 11). Vielleicht sagte er schon bei dieser Gelegenheit zu einem Jünger, der die großartigen Bauten bewunderte: "Nicht ein Stein wird auf dem anderen bleiben, alles wird zerbrochen werden." (Mk. 13, 2) |
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=== Frauen, Ehe, Ehebruch === |
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In den folgenden Tagen - es waren wohl nur wenige - ging er im Tempel ein und aus und diskutierte dort mit Anhängern und Gegnern verschiedene sie betreffende Themen, z.B. Kaisersteuer, Auferstehung, seine Vollmacht, die wichtigsten Gebote, das Beten, das Kommen des Gottesreichs (Mk. 11-13). |
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Jesu Verhalten gegenüber Frauen war im [[Patriarchat (Soziologie)|patriarchalischen]] Judentum damals neu und ungewöhnlich. Viele der berichteten Heilungen galten sozial ausgegrenzten Frauen wie [[Prostitution|Prostituierten]], [[Witwer|Witwen]] oder Ausländerinnen. Geheilte Frauen folgten ihm von Beginn an nach (Mk 1,31), manche versorgten ihn und die Jünger (Lk 8,2 f.). Sie spielten laut NT für Jesus auch sonst eine wichtige Rolle: Eine Frau soll ihn vor seinem Tod gesalbt (Mk 14,3–9), die Gattin des Pilatus soll gegen seine Hinrichtung protestiert haben (Mt 27,19). Nachfolgerinnen Jesu sollen nicht geflohen sein, sondern sein Sterben begleitet, seine Grablegung beobachtet (Mk 15,40 f.), sein leeres Grab entdeckt (Mk 16,1–8) und als erste seine Auferweckung bezeugt haben (Lk 24,10; Joh 20,18). |
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Nach Mt 19,12 gebot Jesus seinen Jüngern die Eheschließung nicht, sondern ließ um ihrer Aufgabe willen, der Reich-Gottes-Verkündigung, Ehelosigkeit zu. Einige Jünger traf Paulus später mit ihren Ehefrauen in Jerusalem an (1 Kor 9,5). Diese können also schon mit Jesus und ihren Männern umhergezogen sein. Die NT-Evangelien zeigen keine Spur einer Partnerschaft Jesu; er kann unverheiratet gewesen sein.<ref>Géza Vermes: ''Jesus der Jude.'' S. 5 und S. 85–88.</ref> Nur das späte apokryphe [[Philippusevangelium]] erwähnt in einem unvollständigen, in der Übersetzung ergänzten Vers (6,33): Jesus habe Maria Magdalena [oft auf den Mund] geküsst. Dies weist im Kontext nicht auf eine Partnerschaft, sondern auf das Übertragen einer göttlichen Seelenkraft hin.<ref>Hans-Martin Schenke: ''Das Philippus-Evangelium (Nag-Hammadi-Codex II, 3).'' Wiley-VCH Verlag GmbH, 1997, ISBN 3-05-003199-9, S. 264–268.</ref> Die NT-Forschung weist populäre Theorien, Maria Magdalena sei Jesu Ehefrau gewesen, als quellenlose Fiktion zurück.<ref>Andreas Lindemann: ''Auferstehung: Gedanken zur biblischen Überlieferung.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, [http://books.google.de/books?id=jmAZSHIxa7YC&pg=PA80 S. 80]; Jacobus L. M. van Schaik: ''Warum Jesus nicht mit Maria Magdalena verheiratet war: Eine kurze Geschichte des esoterischen Christentums.'' Urachhaus, 2006, ISBN 3-8251-7559-6.</ref> |
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Das Verhalten Jesu zum Tempelkult ist nicht eindeutig. |
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In Galilea schickte er geheilte Patienten zu den Priestern, damit diese die Gesundung amtlich feststellten und die Geheilten wieder in die Gesellschaft aufnahmen (Mk. 1, 44). In seiner Thoraauslegung lehnte er das Opfern nicht direkt ab, ordnet es aber der Nächstenliebe unter (Mt. 5, 23f). |
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Indem er im Tempel lehrte, erkannte er diesen als Gotteshaus an. Auch die Tempelsteuer scheint er, anders als die Kaisersteuer, gebilligt zu haben (Mk. 12, 41-44). |
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Während die Tora laut Dtn 24,1–4 Männern die Ehescheidung mit einem [[Scheidebrief]] für die geschiedene Frau erlaubte, betonte Jesus gegenüber Pharisäern nach Mk 10,2–12 die Unauflösbarkeit der Ehe gemäß Gen 1,27 und verbot gegenüber seinen Jüngern beiden Ehepartnern die Scheidung und Wiederheirat. Nach Mt 5,32 und 19,9 begründete er dies als Schutz der Frau, die sonst zu Ehebruch genötigt werde. Der Einschub „abgesehen von (vom Fall eines) Ehebruch(s)“ ''(porneia)'' gilt als redaktioneller Zusatz. Nach Lk 16,18 sprach Jesus den jüdischen Mann an, der bei Wiederheirat die fortbestehende erste Ehe breche.<ref>Peter Fiedler: ''Theologischer Kommentar zum Neuen Testament (ThKNT) Band 1: Das Matthäusevangelium.'' Kohlhammer, Stuttgart 2006, [http://books.google.de/books?id=8rQQbbqpn-wC&pg=PA139, S. 139 ff.]</ref> |
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Andererseits erwartete er die Zerstörung der Tempelstadt(Mk. 13, 2) und kündete diese wie der Prophet [[Jeremia]](Jer. 22, 5/ 26, 12) öffentlich an (Mt. 23, 37ff/ Lk. 13, 34f). Das war lebensgefährlich: Jeremia wäre damals dafür fast gelyncht worden. Wer den Tempel angriff, bedrohte nach Auffassung der Priester die Existenz ganz Israels. Sich auf Jeremia zu berufen, war die schärfstmögliche Kritik am Tempelkult überhaupt. |
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Da manche [[Schriftrollen vom Toten Meer]] (CD 4,12–5,14) und die Rabbinerschule [[Schammai]] eine ähnliche Position vertraten, wird vermutet, dass diese Strenge auf damalige soziale Auflösungstendenzen im Judentum reagierte und sowohl das Verhalten der Oberschicht kritisieren wie auch verarmte, von Zerrüttung gefährdete Familien schützen sollte.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 287 f.</ref> Dass Jesus sein Verbot an jüdische Männer richtete und des Ehebruchs angeklagte Frauen laut Lk 7,36 ff.; Joh 8,2 ff. verteidigte, wird als Absicht zum Schutz der Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft gedeutet.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 331</ref> |
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Dann soll Jesus auch noch gezielt die Opferhändler aus dem Tempelvorhof vertrieben haben. Diese prophetische Zeichenhandlung zielte auf die Abschaffung des Opferkults und sollte Gottes Haus "reinigen": |
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"Steht nicht in der Schrift (= hat Gott nicht gesagt): Mein Haus soll ein Bethaus für alle Völker heißen?" (Mk. 11, 17/ Jes. 56, 7) |
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Das Opfern war offenbar zu einem riesigen Geschäft mit der Angst, zu einem bedrückenden Zwang für die Armen und einem abstoßenden Hindernis für Ausländer geworden, den Tempel des Gottes Israels zu betreten. Das wollte Jesus nun ändern, dazu wollte er die Tempelbesucher demonstrativ anstiften. |
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=== Pharisäer === |
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Spätestens jetzt sahen sich die Sadduzäer gezwungen, einzugreifen. Jesu Reden und Handeln war eine echte Gefahr für sie geworden: "Sie fürchteten sich vor ihm, denn alles Volk war beeeindruckt von seiner Lehre." (Mk. 11, 18) |
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[[Pharisäer]] und Toragelehrte erscheinen in den Evangelien meist als Kritiker des Verhaltens Jesu und seiner Nachfolger. Sie empört seine [[Sünde]]nvergebung als todeswürdige Anmaßung (Mk 2,7), sie missbilligen seine Tischgemeinschaft mit als „unrein“ ausgegrenzten „Zöllnern und Sündern“ (2,16) und das Feiern seiner Jünger (2,18); deshalb verachten sie ihn stereotyp als „Fresser und Weinsäufer“ (Lk 7,31–35). Besonders Jesu demonstrative Sabbatheilungen und Erlaubnis zum Sabbatbruch (Mk 2–3) provozieren ihre Feindschaft. Nach Mk 3,6 planen sie darum zusammen mit Herodesanhängern seinen Tod. Vorsätzlicher Sabbatbruch war nach Ex 31,14 f., Num 15,32–35 durch Steinigung zu ahnden. Joh 8,59 und 10,31.39 erwähnen Steinigungsversuche jüdischer Gegner Jesu, weil er sich über [[Abraham]] und [[Mose]] gestellt habe. |
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So brachte sein kompromissloser Angriff auf den Tempelkult Jesus schließlich einen Konflikt mit dem Hohenpriester, dem Religionsführer Israels ein. Wie dieser ausgehen würde, war unschwer zu erahnen. |
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Diese Verse gelten als ahistorisch, da die Pharisäer weder geschlossen noch mit den Toralehrern identisch noch mit Herodianern verbunden waren. Die Passionstexte erwähnen sie kaum und Jesu Sabbatkonflikte gar nicht. Die Verse sollten offenbar die Ereignisse in Galiläa redaktionell mit Tötungsplänen der Jerusalemer Gegner Jesu (Mk 11,18; 12,13; vgl. Joh 11,47; 18,3) verklammern.<ref>Lorenz Oberlinner: ''Todeserwartung und Todesgewißheit Jesu. Zum Problem einer historischen Begründung.'' Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1980, S. 64 ff.</ref> |
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[[bild:Jesusamkreuz.jpg|thumb|Der gekreuzigte Jesus]] |
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Andere NT-Texte kommen der historischen Lage näher: Nach Mk 2,23 ff. begründete Jesus das Ährensammeln seiner Jünger am Sabbat als biblisch erlaubte Gebotsübertretung bei akuter Hungersnot. Er ergänzte damit die damals diskutierten Ausnahmen vom Sabbatgebot zur Lebensrettung.<ref>Babylonischer Talmud, Mischna Joma 8,6 u. a.</ref> Nach Lk 7,36; 11,37 luden Pharisäer Jesus zum Essen in ihre Häuser ein und interessierten sich dabei für seine Lehre. Nach Mk 12,32 ff. stimmte ein Jerusalemer Pharisäer Jesus zu, die Tora im Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe zusammenzufassen. Solche Summarien entsprachen jüdischer Tradition. Auch in der Erwartung des Reiches Gottes und einer [[Auferstehung]] aller Toten stimmten die Pharisäer mit Jesus überein. Nach Lk 13,31 warnten und retteten sie ihn vor Nachstellungen des Herodes. Ein Pharisäer sorgte für Jesu Bestattung. |
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'''Der Passionsbericht''' |
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Viele Forscher nehmen heute an, dass Jesus den Pharisäern unter damaligen Juden am nächsten stand. Dass sie dennoch zu seinen Gegnern stilisiert wurden, wird aus der Situation nach der Tempelzerstörung im Jahr 70 erklärt: Danach übernahmen Pharisäer die Führungsrolle im Judentum. Juden und Christen grenzten sich verstärkt voneinander ab und legitimierten dies wechselseitig in ihren damals entstandenen Schriften.<ref>Klaus Berger: ''Jesus als Pharisäer und frühe Christen als Pharisäer.'' NT30 (1988), S. 231–262; John P. Meier: ''A Marginal Jew: Rethinking the Historical Jesus'' Band 3, Bantam Doubleday Dell Publishing Group, 2001, ISBN 0-385-46993-4, S. 289–388; Hyam Maccoby: ''Jesus the Pharisee'', SCM Press, 2003, ISBN 0-334-02914-7.</ref> |
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Jesu Festnahme, der Prozess gegen ihn, sein Tod am Kreuz und seine folgende [[Auferstehung]] nehmen die zentrale Stellung in den Evangelien ein. Diese sind auf diese Ereignisse hin verfasst worden und wären sonst wahrscheinlich gar nicht entstanden. "Die Evangelien sind Passions- und Ostergeschichten mit ausführlicher Einleitung" (Martin Kähler). |
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=== Herodianer === |
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Dabei folgen die Evangelien in der Ereignisfolge jetzt ihrer Vorlage. Markus lag seinerseits ein älterer [[Passionsbericht]] vor, den er in sein Evangelium einbaute. Dieser Bericht begann wohl mit dem Verrat des Judas (Mk. 14, 10) und wurde dann allmählich nach vorn erweitert. Er führt die ältesten [[Credoformeln]] der [[Paulusbriefe]] erzählend aus und kann daher bis auf die Jerusalemer [[Urgemeinde]] zurückgehen (Ulrich Wilckens). |
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Der von Rom eingesetzte Vasallenkönig Herodes der Große war vielen Juden als aus [[Idumäa]] stammender „Halbjude“ verhasst. Gegen die hohen Steuerauflagen für seine Palast- und Tempelbauten kam es zu Aufständen. Darum teilte Rom sein Herrschaftsgebiet nach seinem Tod 4 v. Chr. unter seine vier Söhne auf, die sich nicht mehr „König der Juden“ nennen durften und dem römischen [[Präfekt (Römisches Reich)|Präfekten]] unterstellt wurden.<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 161.</ref> [[Herodes Antipas]], der Galiläa und [[Peräa]] zur Zeit Jesu regierte, ließ die galiläischen Orte Sepphoris und Tiberias zu hellenisierten Metropolen ausbauen. Diese Städte und die dort angesiedelten Juden galten der galiläischen Landbevölkerung und antirömischen Jerusalemern als unrein.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 177</ref> |
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Die Zweitehe des Antipas mit seiner zuvor schon verheirateten Nichte [[Herodias]] galt als eklatanter Torabruch.<ref>Günther Baumbach: ''Herodes/Herodeshaus.'' In: Theologische Realenzyklopädie Band 15, Berlin/New York 1986, S. 159 ff.</ref> Er ließ Johannes den Täufer laut Mk 6,17–29 wegen seiner Kritik daran verhaften und enthaupten und soll auch Jesus nach Mk 3,6 und Lk 13,31 namentlich gekannt und verfolgt haben. Damit erklärt Mt 14,13, dass Jesus keine der von Antipas erbauten Städte besuchte.<ref>Sean Freyne: ''Galilee and Gospel.'' Brill Academic Publishers, Leiden 2002, ISBN 0-391-04171-1, S. 139 f.</ref> Nach Lk 23,6–12.15 soll Antipas den inhaftierten Jesus verhört und dann als harmlosen Verrückten an Pilatus übergeben haben. Dies gilt als redaktioneller Versuch, die folgend berichteten Freigabeversuche des Pilatus plausibel zu machen.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 359.</ref> |
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Markus hat den Passionsbericht mit deutlich antijüdischer Tendenz überarbeitet. Er hat den römischen Statthalter Pilatus entlastet und den jüdischen Führern die Alleinschuld an Jesu Tod gegeben. Er übertrug sogar die Folter aus dem römischen in den jüdischen Prozess Jesu. Die späteren Evangelisten folgten ihm darin. |
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=== Sadduzäer === |
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Darin spiegelt sich die bedrohte Lage der christlichen Gemeinden im römischen Reich und die verschärfte Konkurrenz mit den jüdischen Synagogen nach dem verlorenen [[jüdischer Befreiungskrieg|jüdischen Befreiungskrieg]] (70 n. Chr.). Die endgültige Trennung vom Judentum stand bevor oder war bereits vollzogen. |
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Jesu Hauptgegner in Jerusalem waren die hellenistisch gebildeten und wohlhabenden [[Sadduzäer]], die als priesterliche Erben der [[Leviten]] den [[Jerusalemer Tempel]] leiteten. Der dortige zentrale, von allen Juden zu befolgende Opferkult war ihre Existenzgrundlage und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für ganz Palästina.<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 234.</ref> Sie stellten den [[Hohepriester]], der sein erbliches Amt als höchster Richter für Kultfragen auf Dtn 17,8–13 zurückführte. |
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Die Amtsträger wurden aber seit 6 n. Chr. von römischen Präfekten ein- und abgesetzt und mussten diese bei der ordnungspolitischen Kontrolle von Judäa-Syrien unterstützen. Dafür durften sie die für Juden obligatorische Tempelsteuer eintreiben, den Tempelkult verwalten, eine bewaffnete Tempelgarde unterhalten und auch wohl über Kultvergehen urteilen, aber keine Todesstrafen vollstrecken; dies oblag nur den römischen Präfekten.<ref name="Peter Egger 1997">Peter Egger: ''„Crucifixus Sub Pontio Pilato“'', Münster 1997, S. 202.</ref> Im Hinterland war ihr Einfluss zwar geringer, doch setzten sie auch dort die Tempelsteuer und Einhaltung der Kultgebote durch. |
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'''Die Gefangennahme Jesu''' |
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Jesus hat die Tempelpriester offenbar nicht grundsätzlich abgelehnt: Denn nach Mk 1,44 sandte er in Galiläa Geheilte zu ihnen, damit sie deren Gesundung feststellten und sie wieder in die Gesellschaft aufnahmen. Nach Mk 12,41 ff. lobte er Tempelspenden einer armen Witwe als Hingabe an Gott, die er bei Reichen vermisste. Seine Tora-Auslegung ordnete [[Opfer (Religion)|Opfer]] der Versöhnung mit Streitgegnern unter (Mt 5,23 f.). |
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Wer Jesus festnahm und von wem der Befehl dazu kam,ist unklar. Im Garten Gethsemane hatten Jesu Anhänger |
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ihr Lager. Einer von ihnen, Judas, soll eine |
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bewaffnete Truppe dorthin geführt haben. Nur römische Soldaten durften Schwerter und Lanzen tragen. Sie |
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bewachten auch den Wald von Gethsemane, wo sich Zeloten verstecken konnten. Die Tempelwache des Hohenpriesters war nur für den Tempelbezirk zuständig. Aber hätte ein enttäuschter Zelot die Römer gerufen? Oder war es Kaiphas, der schon jetzt mit Pilatus gegen Jesus kooperierte? |
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=== Zeloten === |
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Jesus soll klar gewesen sein, was ihm bevorstand: |
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Jesus trat in einem von starken religiös-politischen Spannungen bestimmten Land auf. Aus Galiläa, dem früheren [[Nordreich Israel]], kamen seit Generationen jüdische Befreiungskämpfer gegen Fremdmächte. Seit dem 6 n. Chr. niedergeschlagenen Steuerboykott des [[Judas der Galiläer|Judas Galilaeus]] traten Widerstandsgruppen hervor, die die römische Fremdherrschaft mit verschiedenen Mitteln bekämpften, Aufstände vorzubereiten suchten und verhasste Kaiserstandarten, Feldzeichen und andere Besatzungssymbole angriffen. Manche begingen Messer-Attentate auf römische Beamte („[[Sikarier]]“, Dolchträger). Diese heute als [[Zelot]]en („Eiferer“) bezeichneten Gruppen wurden damals von Römern und dem römerfreundlichen Historiker Josephus generell als „Räuber“ oder „Mörder“ abgewertet und stigmatisiert.<ref>Martin Hengel: ''Die Zeloten: Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr.'' Mohr Siebeck, 3., durchgesehene und ergänzte Auflage, Tübingen 2012, ISBN 3-16-150776-2, [http://books.google.de/books?id=4bE3AAAAIAAJ&pg=PA390 S. 390]; Otto Michel, Otto Betz: ''Josephus-Studien.'' Vandenhoeck und Ruprecht, 1974, ISBN 3-525-53553-8, S. 176 und 189.</ref> |
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"Ihr seid vorgegangen wie gegen einen Mörder...dabei war ich jeden Tag im Tempel, wo ihr mich festnehmen konntet. Aber so soll die Schrift erfüllt werden!" |
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(Mk. 14, 48f) Die Priester hatten offenbar vor, Jesus als Zeloten an die Römer auszuliefern. Diese nannten Zeloten "Mörder", um Widerstand zu kriminalisieren und ihre Gewalt dagegen zu legalisieren. |
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Jesus richtete seine apokalyptische Botschaft vom nahen Reich Gottes an alle Juden. Er kündigte damit öffentlich das baldige Ende aller Gewaltimperien an. Sein Wirken solle dieses Reich aktiv herbeiführen und in seinen Heiltaten (Mt 11,5) und seiner gewaltlosen Nachfolge im Kontrast zu den Gewaltherrschern Raum gewinnen (Mk 10,42 ff.). Wie die Zeloten nannte er den Vasallenkönig Herodes Antipas einen „Fuchs“ (Lk 13,32). Bei der Heilung eines Besessenen aus der Garnisonsstadt Gerasa (Mk 5,1–20) befällt der mit dem lateinischen Lehnwort für „Legion“ vorgestellte Dämon eine Schweineherde, die sich dann selbst ertränkt. Damit entlarvte Jesus eventuell die römische Militärherrschaft, um sie symbolisch zu entmachten:<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' 2010, S. 337.</ref> Denn das Juden als unrein geltende Schwein war damals als römisches Opfertier und Legionszeichen bekannt. Der Waffenkauf nach Lk 22,36 wird als Erlaubnis Jesu zu begrenztem Widerstand bei Verfolgung auf dem Weg nach Jerusalem gedeutet.<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' 1998, S. 275.</ref> |
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Es gab wohl einen kurzen Kampf: Alle Evangelien berichten davon. Aber alle wissen auch, dass Jesus diesen sofort gestoppt habe. Daraufhin flohen seine Anhänger. |
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Wegen NT-Texten wie dem [[Magnificat]] (Lk 1,46 ff.) oder dem Jubel der Festpilger bei Jesu Ankunft in Jerusalem (Mk 11,9 f.) betonen viele Forscher eine indirekte oder symbolische politische Dimension seines Wirkens.<ref>Gerd Theißen: ''Die politische Dimension des Wirkens Jesu.'' In: Gerd Theißen (Hrsg.): ''Jesus in neuen Kontexten'', S. 118 ff.</ref> Wohl darum waren einige seiner Jünger frühere Zeloten, so [[Simon Zelotes]] (Lk 6,15),<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 167</ref> eventuell auch Simon Petrus und [[Judas Iskariot]].<ref>Jürgen Moltmann: ''Der gekreuzigte Gott.'' München 1972, ISBN 3-459-00828-8, S. 132</ref> |
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'''Das [[Synhedrium]]''' |
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Anders als die Zeloten rief Jesus auch als „unrein“ verhasste Steuereintreiber für die Römer („Zöllner“) in seine Nachfolge und war ihr Gast (Mk 2,14 ff.), freilich um ihr Verhalten gegenüber den Armen grundlegend zu ändern (Lk 19,1–10). Anders als jene, die Gottes Gericht mit Gewalt an Andersgläubigen vorwegnehmen wollten, rief er seine Hörer zur Feindesliebe auf (Mt 5,38–48). Als Kritik an den Zeloten wird auch das Wort Mt 11,12 von den „Gewalttätigen, die Gottes Reich herbeizwingen und sich mit Gewalt seiner bemächtigen“ gedeutet.<ref>Oscar Cullmann, zitiert nach Jürgen Moltmann: ''Der gekreuzigte Gott.'' S. 133.</ref> |
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Das oberste Religionsgericht für ganz Israel mit Sitz in Jerusalem bestand aus den führenden Repräsentanten des Judentums: den Jerusalemer Pharisäern, Schriftlehrern und Tempelpriestern. Markus zählt sie |
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häufig stereotyp auf. Daran kann man die redaktionelle |
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Bearbeitungsschicht seines Evangeliums gut erkennen. |
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Römische Münzen mit Kaiserköpfen verstießen für Zeloten gegen das biblische [[Bilderverbot]] (Ex 20,4 f.), so dass sie Abgaben an Rom verweigerten. Die Steuerfrage seiner Jerusalemer Gegner sollte Jesus als Zeloten überführen. Seine überlieferte Antwort entzog sich der gestellten Falle {{Bibel|Mk|12|17}}: {{"|Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!}} Da nach Mt 6,24 für Jesus der ganze Mensch Gott gehörte, konnte dies als Absage an die Kaisersteuer aufgefasst werden, überließ aber den Angeredeten diese Entscheidung. Erst die Evangelisten wiesen diese Deutung zurück (Lk 23,2 ff.).<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' S. 268.</ref> |
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Die Priester stellten nach jüdischem Gesetz die Mehrheit |
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und waren nicht abwählbar. Der [[Hohepriester| |
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Hoherpriester]] hatte die Leitung inne: Er war Chefankläger und Richter in Personalunion. Sein Amt war erblich. Zur Zeit Jesu wurde es von [[Kaiphas]] bekleidet. |
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Dass Jesu Wirken politische Reaktionen hervorrief, zeigt seine Kreuzigung beim höchsten jüdischen Fest. Fraglich ist jedoch, ob er einen politischen Messiasanspruch erhob.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 125–220</ref> Deutsche Neutestamentler betonten früher meist den unpolitischen Charakter seines Auftretens. Seine Hinrichtung als ''König der Juden'' ([[Liste jüdischer Messias-Anwärter|Messiasanwärter]]) galt als Justizirrtum und „Missverständnis seines Wirkens als eines politischen“.<ref>Rudolf Bultmann: ''Das Verhältnis der urchristlichen Glaubensbotschaft zum historischen Jesus.'' 1960.</ref> Dagegen zeigten jüngere Untersuchungen partielle Übereinstimmungen Jesu mit der jüdischen Widerstandsbewegung auf und erklärten sein gewaltsames Ende als zu erwartende Folge seines eigenen Handelns.<ref>Samuel George Frederick Brandon: ''Jesus and the Zealots.'' 1967; Martin Hengel: ''War Jesus revolutionär?'', 1970; Oscar Cullmann: ''Jesus und die Revolutionäre seiner Zeit'', 1970; [[Hyam Maccoby]]: ''Jesus und der jüdische Freiheitskampf.'' Ahriman-Verlag, Freiburg im Breisgau 1996.</ref> |
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Der Hohe Rat war nicht für politische, aber für kultische [[Kapitalvergehen]] zuständig. Darum bestreiten vor allem jüdische Historiker, dass es überhaupt einen religiösen Prozess gegen Jesus gegeben hat (z.B. Paul Winter). |
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== Ereignisse am Lebensende == |
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Doch die Evangelien lassen historisch plausible Gründe für Jesu Festnahme und Auslieferung erkennen: Kaiphas war für das Überleben des Volkes Israel verantwortlich und sah von seiner Warte aus keine andere Möglichkeit, als Aufruhr im Keim zu ersticken. Seine Angst vor einem Volksaufstand beim bevorstehenden [[Passahfest]], dem unvermeidlich ein militärischer Eingriff der Römer und der Verlust der relativen religiösen Autonomie Israels gefolgt wäre, war berechtigt (Mk. 14, 1/Jh. 18, 14). |
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=== Einzug in Jerusalem === |
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[[Datei:Giotto - Scrovegni - -26- - Entry into Jerusalem2.jpg|mini|Giotto di Bondone: ''Einzug in Jerusalem'' (um 1305)]] |
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Nach {{B|Mk|11|1–11}} ritt Jesus im Gefolge seiner Jünger auf einem jungen Esel in Jerusalem ein, während eine Pilgermenge ihm zujubelte: |
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Daher wurde Jesus "mit List"(Mk. 14,1), nämlich nachts (Mk. 14,17.49) festgenommen. Eine direkte Auslieferung an Roms Statthalter ohne gültiges Rechtsverfahren kam für die Kulthüter jedoch nicht in Frage. Sie waren gerade wegen fehlender eigener Strafjustiz auf strenge Legalität bedacht, um ihre Autorität zu wahren. |
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{{Zitat|Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt. Hosanna in der Höhe!}} |
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'''Der Prozess''' |
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Der Anruf „Hosanna“ („Gott, rette doch!“: Ps 118,25) war beim [[Laubhüttenfest]] und der Inthronisation eines Königs üblich (2 Sam 14,4; 2 Kön 6,26). Der [[Lulav]], ein Dattelpalmenzweig, gehört ebenfalls zum zeremoniellen Teil des Laubhüttenfestes. „Der kommt im Namen Gottes“ meinte den erwarteten Messias auf dem Thron König [[David]]s (2 Sam 7,14 ff.), als den die Evangelien Jesus verkündigen (Mt 11,3; 23,39; Lk 7,19; 13,35).<ref>Klaus Berger: ''Wer war Jesus wirklich?'' Quell Verlag, 3. Auflage. Stuttgart 1996, S. 172.</ref> Mit ausgestreuten Palmzweigen (V. 8), einem antiken Triumphsymbol, feierten Juden ihre Siege über Nichtjuden (Jdt 15,12; 1 Makk 13,51; 2 Makk 10,7). |
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Zeugen wurden vernommen, die behaupteten, Jesus habe Unmögliches, nämlich den Abriss und Neubau des Tempels innerhalb von 3 Tagen geweissagt. Die Anklage gegen ihn lautete also auf [[Falschprophetie]] (Mk. 14, 58): eins der schwersten Kapitalvergehen nach dem [[Tenak]], den fünf längst kanonisierten Büchern Mose. |
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Jesu Eselsritt erinnert an Sach 9,9 ff.: Dort wird ein machtloser Messias angekündigt, der die Kriegswaffen in Israel abschaffen und allen Völkern Frieden gebieten werde. Diese nachexilische Zusage hielt die frühere Verheißung universaler Abrüstung fest, die in Israel beginnen sollte (Jes 2,2–4/Mi 4,1–5; [[Schwerter zu Pflugscharen]]). Sie widersprach also der Erwartung der Bevölkerung an einen Davidnachfolger, die Fremdherrscher zu vertreiben und das Großreich Israel zu erneuern. |
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Für Markus waren die Zeugen Lügner, die sich widersprachen und damit kein legales Todesurteil hergaben (Mk. 14, 56/Dtn. 19, 15ff). Doch ihre Aussage traf im Kern zu. Denn Jesus hatte im Zusammenhang seiner [[Vertreibung der Opferhändler]] aus dem Tempelvorhof den Abriss des alten Tempels gefordert und seinen Neubau angekündigt (Jh. 2, 19). Eine solche |
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Kultreform aber stand nach jüdischer Tradition (2. Sam. 7, 13) nur dem Nachkommen Davids, also dem [[Messias]] zu (Otto Betz). Das erklärt die Frage des Kaiphas im Verhör Jesu (Mk. 14, 61): "Bist Du der Messias, der Sohn des Hochgelobten?" |
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Im damaligen Judentum war die Messiashoffnung mit der Sammlung aller exilierten Juden, gerechten Rechtsprechung im Innern und Befriedung der Völkergemeinschaft verbunden. Einzüge jüdischer Thronanwärter waren jedoch oft Signal für Aufstände. So strebte der Zelot ''[[Schimon bar Giora]]'' laut Josephus um 69 das jüdische Königtum an: Er sei dazu mit seinen Anhängern als charismatischer „Retter und Beschützer“ der Juden triumphal in Jerusalem eingezogen, aber von den Römern in einem Purpurmantel gefangen, nach Rom überführt und dort hingerichtet worden.<ref>Flavius Josephus: ''Bellum Iudaicum'' 2,652 f.; 4,508 ff.; 4,575 u.ö.; Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 343.</ref> |
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Jesu Antwort: "Ich bin es..." |
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Ein klares Ja also. Doch Jesu [[Messiasanspruch]] als solcher war auch für die [[Sadduzäer]] keine [[Todsünde]]: Man konnte ihn zunächst festsetzen und abwarten, was folgen würde (5. Mose 18, 22). |
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Es gab vor und nach Jesus im [[Judentum]] Messiasanwärter, die trotz späterer Niederlagen hoch verehrt wurden (z.B. [[Simon Bar-Kochba]]). |
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Auch Jesus weckte messianische Hoffnungen der Landbevölkerung, etwa indem er den Armen den Landbesitz zusagte (Mt 5,3), seine Heiltaten als anfängliche Realisierung dieser Zusagen erklärte (Lk 11,20) und sich auf dem Weg in die Tempelstadt von Armen als ''Sohn Davids'' anreden ließ (Mk 10,46.49). Daher bedeutete Jesu Jerusalembesuch zum Pessach eine Konfrontation mit den dortigen Machteliten der Sadduzäer und Römer, bei der ihm das Todesrisiko bewusst gewesen sein muss.<ref>Ulrich Luz: ''Warum zog Jesus nach Jerusalem?'' In: Jens Schröter, Ralph Brucker (Hrsg.): ''Der historische Jesus'', Berlin/New York 2002, S. 415 ff.</ref> Das gewaltlose Messiasbild entspricht für echt gehaltenen Aussagen Jesu wie {{B|Mk|10|42 ff.}}: Er sei gekommen, als Menschensohn allen wie ein Sklave zu dienen, um der Unterdrückung durch Gewaltherrscher seine herrschaftsfreie Vertrauensgemeinschaft entgegenzustellen.<ref>Matthias Kreplin: ''Das Selbstverständnis Jesu.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2001, S. 128.</ref> |
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Doch Jesus ergänzte sein Ja wie folgt (Mk. 14, 62): |
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"...und ihr werdet sehen den Menschensohn sitzend zur Rechten der Kraft und mit den Himmelswolken kommen". |
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Das war ein deutliches Zitat aus der dem Seher Daniel zugeschriebenen Vision vom Endgericht Gottes. Dort hieß es nach der Vernichtung aller Weltmächte: |
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"Siehe, es kam einer mit den Himmelswolken, der sah aus wie eines Menschen Sohn..." Ihm werde Gott seine ganze |
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Macht über die Welt übergeben (Dan. 7, 13f). |
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Die Römer verhörten und kreuzigten Jesus wenige Tage später als mutmaßlichen „König der Juden“. Sein als Messiasankunft bejubelter Einzug kann der Anlass dafür gewesen sein.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', S. 342 f.</ref> Römer fürchteten eine Volksmenge (Mk 5,21) als „gefährliche und unberechenbare soziale Gruppe“, als „Mob“.<ref>James H. Charlesworth: ''The Historical Jesus. An Essential Guide.'' Nashville 2008, S. 106 f.</ref> Jedoch können Urchristen die Szene übertreibend als „Gegenbild zum Einzug des Präfekten in die Stadt zu den drei großen Festen“ dargestellt haben.<ref>Gerd Theißen: ''Jesus als historische Gestalt. Beiträge zur Jesusforschung.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, S. 130</ref> Eventuell fügten sie den Eselsritt hinzu, da eine solch eindeutige Messiasdemonstration die Römer sofort zur Festnahme Jesu veranlasst hätte.<ref>John Dominic Crossan: ''Jesus'', München 1996, S. 170</ref> |
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[Exkurs: Diese rätselhafte Figur taucht in der apokalyptischen Literatur um 170 v. Chr. erstmals auf. Sie war offenbar als Bewahrung der älteren prophetischen Messiasweissagungen gedacht und stellte sich zugleich gegen sie. Denn sie veränderte diese, indem sie die Erlösung nur noch ''nach'' dem Endgericht Gottes, zusammen mit dem Ende der Welt erhoffte. |
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Die endzeitliche Wende wurde offenbar nun keinem Menschen, auch keinem Davidsspross mehr zugetraut. Diese besondere jüdische Apokalyptik hat die Zeit |
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"zwischen" den Testamenten und die Endzeiterwartung um die Jahrtausendwende mitgeprägt.] |
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=== Kritik am Tempelkult === |
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Offenbar identifizierte sich Jesus hier mit diesem |
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[[Datei:Giotto - Scrovegni - -27- - Expulsion of the Money-changers from the Temple.jpg|mini|Giotto di Bondone: ''Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel'']] |
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"Menschensohn". Einen solchen Anspruch hat es im gesamten Judentum weder vor noch nach Jesus gegeben. |
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Nach Mk 11,15 ff. vertrieb Jesus am Tag nach seinem Einzug einige Händler und Geldwechsler aus dem Tempelvorhof für Israeliten, [[Konversion (Religion)|Proselyten]] und Nichtjuden. Die in der Säulenhalle auf der Tempelsüdseite tätigen Händler verkauften kultisch zulässiges Opfermaterial (Tauben, Öl und Mehl) an Wallfahrer und nahmen die von allen Juden jährlich entrichtete [[Tempelsteuer]] für kollektive Tieropfer ein. Jesus habe ihre Stände umgestoßen und verhindert, dass Gegenstände durch diesen Bereich getragen wurden. Er störte demnach das ordnungsgemäße Darbringen gekaufter Opfer und Überbringen eingenommener Geldmittel und griff damit demonstrativ den Tempelkult an.<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 209–215.</ref> |
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Daraus hörte Kaiphas eine [["Gotteslästerung"]] heraus (Mk. 14, 64). Eine direkte Verfluchung Gottes kann nicht gemeint sein, da Jesus das 1. Gebot achtete und wie Kaiphas vermied, den Gottesnamen auszusprechen. |
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Aber ein Bruch des [[1. Gebot| 1. Gebotes]] lag für den Sadduzäer dennoch vor: Laut Daniel sollte der |
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"Menschensohn" als Himmelswesen neben Gott erscheinen. |
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Jesus maßte sich also an, "wie Gott" zu sein |
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(1. Mose 3, 5). |
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Ob die Aktion historisch ist und falls ja, ob sie den jüdischen Tempelkult als Institution oder nur bestimmte Missstände angreifen sollte, wird diskutiert. Meist wird eine nur von wenigen beobachtete Szene angenommen, keine dramatische Szene wie in Joh 2,13–22, da sonst die jüdische Tempelgarde oder sogar römische Soldaten aus der angrenzenden [[Burg Antonia]] eingeschritten wären. Da Jesus weiter im Tempelbezirk mit Jerusalemer Toralehrern diskutierte (Mk 11,27; 12,35), sollte seine Aktion offenbar solche Debatten anstoßen. Der Zulauf dazu macht plausibel, dass die Tempelpriester nun, wenige Tage vor dem Pessach, heimlich Jesu nichtöffentliche Festnahme geplant haben sollen (V. 18).<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 217 f.</ref> |
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Doch die umständliche Satzkonstruktion lässt deutlich erkennen, dass der Satzteil "sitzend zur Rechten der Kraft und..." später eingefügt wurde. Hier spricht die Evangelienredaktion, die schon Jesu Auferstehung im Rücken hat und den bereits inthronisierten Christus verkündet(Apg.) |
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Jesus begründete die Vertreibung der Opferhändler nach {{B|Mk|11|17}} mit einem Hinweis auf die Verheißung Jes 56,7: {{"|Heißt es nicht in der Schrift: Mein Haus soll ein Haus des Gebetes für alle Völker sein?}} Demnach wollte er nicht den Tempelgottesdienst beenden, sondern auch Nichtjuden freien Zugang dazu eröffnen, den künftig alle Völker haben sollten. Diese eschatologische „[[Tempelreinigung]]“ griff das prophetische Motiv der künftigen „Völkerwallfahrt zum [[Zion]]“ auf, an das auch andere Jesusworte (Mt 8,11 f.; Lk 13,28 f.) erinnern, und kann als Aufruf zu einer entsprechenden Kultreform gedeutet werden.<ref>Joachim Jeremias: ''Jesu Verheißung für die Völker.'' Stuttgart 1956, S. 55 f.; Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 217 f. und 228 f.</ref> |
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Jesus selbst sprach sonst immer vom ''kommenden'' Menschensohn in der 3. Person. Er wollte die Führer Israels an Daniels Vision erinnern und ihnen so sagen: Ihr habt eine Zukunft jenseits des Tempelkults, auch wenn dieser zu Ende geht. Seine Aussage klingt drohend -"ihr werdet sehen!" - und ist doch eine ''Zusage''. |
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In Spannung dazu steht der Folgevers: ''Ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht.'' Der Ausdruck spielt auf Jer 7,1–15 an, wo der Gerichtsprophet [[Jeremia]] um 590 v. Chr. die Zerstörung des ersten Tempels ankündigt und mit fortgesetzten Rechtsbrüchen der Jerusalemer Priester begründet. Sie hätten den Tempel wie Räuber als Versteck missbraucht, indem sie sich auf Gottes vermeintlich sichere Präsenz beriefen, aber den Armen gerechtes Verhalten verweigerten. Die Echtheit dieses Jesusworts ist umstritten. „Räuber“ nannten Römer damals zelotische Rebellen, die sich gern in Höhlen versteckten; die Sadduzäer dagegen waren ihnen treu ergeben. Im Verlauf des jüdischen Aufstands (66-70) verschanzten sich Zeloten zeitweise im Tempel; der Ausdruck kann daher die Rückschau der Urchristen spiegeln. |
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Doch das konnte Kaiphas nur darin bestärken, Jesus zu verurteilen. Denn es schloss seine Entmachtung ein. Obwohl der Angeklagte völlig machtlos vor ihm stand, stellte er sich über ihn, seinen Ankläger und Richter: eine unerhörte Provokation für den Führer Israels, der sein Amt durch die gesamte biblische Tradition legitimiert sah. |
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Laut Joh 2,13 forderte Jesus bei seiner Aktion den Abriss des Tempels. Daher wird vermutet, dass er in diesem Kontext Zerstörung (Mk 13,2) und Neubau (Mk 14,58) des Tempels ankündigte. Nach [[Jens Schröter (Theologe)|Jens Schröter]] beabsichtigte Jesus keinen realen Tempelneubau, sondern stellte wie mit seiner „Kritik an den Reinheitsgeboten die an den vorhandenen Institutionen orientierte Verfassung Israels in Frage“, um die Juden wie Johannes der Täufer auf die unmittelbare Begegnung mit Gott vorzubereiten.<ref>Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 278–280 und 282 f.</ref> Nach [[Peter Stuhlmacher]] erhob er damit einen impliziten Messiasanspruch, weil die [[Natan (Prophet)|Nathanweissagung]] 2 Sam 7,1–16 dem Davidnachfolger für den Tempelbau ewige Herrschaft und vor allem die Gottessohnschaft zusagte und apokryphe jüdische Texte (PsSal 17,30; 4Q flor 1,1–11) mit Bezug darauf vom künftigen Messias eine Reinigung und den Neubau des Tempels erwarteten.<ref>Peter Stuhlmacher: ''Charakteristische Formen der Verkündigung Jesu.'' In: ''Biblische Theologie des Neuen Testaments Band 1: Grundlegung: Von Jesus zu Paulus.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3-525-53595-3, S. 84.</ref> |
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Der Evangelist Markus behauptet denn auch ein einstimmiges [[Todesurteil]] des Hohen Rates. Er will damit die Beteiligung und Schuld ganz Israels am Tod Jesu ausdrücken (Mk. 14, 63f). Historisch ist das sicher nicht, da es nach geltender Rechtslage ungültig gewesen wäre. Auch Joseph von Arimathia, der den toten Jesus später vom Kreuz abnahm und ehrenhaft begrub, war ein Ratsmitglied (Mk. 15, 43-46): Er hat dem Todesurteil also kaum zugestimmt. |
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Für Jostein Ådna provozierte Jesus zudem die Ablehnung seines mit Tempelaktion und Tempelwort verbundenen Umkehrrufs und lieferte sich so selbst an seine Hinrichtung aus. Denn er habe geglaubt, Gottes Heilshandeln könne sich bei ausbleibender Umkehr seiner Adressaten nur durch „seinen [[Sühne#Christentum|Sühnetod]] als endzeitlichem Ersatz für den Sühnopferkult des Tempels“ durchsetzen.<ref>Jostein Ådna: ''Jesu Stellung zum Tempel'', Tübingen 2000, S. 425–430 und 440.</ref> |
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Der Hohepriester präjudizierte es durch das Zerreißen seines Gewandes: ein Trauerritus, wenn ein Jude Zeuge eines Kapitalvergehens wurde. Die Ratsmehrheit folgte ihm: Jesus selbst hatte mit seinem Menschensohn-Bekenntnis vor ihren Ohren die Anklage auf Falschprophetie voll und ganz bestätigt. |
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Rechtsgrundlage ihres Urteils war das [[5. Buch Mose]] mit den strengen Bestimmungen zur Tötung von Falschpropheten (Dtn. 13, 6/18, 20) (August Strobel), so auch später bei der Hinrichtung des [[Stephanus]] |
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(Apg. 6-7) (siehe dazu auch: [[Paulus]]). |
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=== Festnahme === |
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Die Evangelien folgen Markus und stellen das Vorgehen der Führer Israels als böswillig geplanten und herbeigeführten Justizmord dar. Doch wenn Jesus sich in seinem Prozess als "Menschensohn" vorstellte, dann blieb |
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[[Datei:Giotto - Scrovegni - -31- - Kiss of Judas.jpg|mini|Giotto di Bondone: ''Judaskuss und Gefangennahme Christi'']] |
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dem Synhedrium nichts anderes übrig, als ihn zum Tod zu |
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Der Tempelaktion folgen verschiedene Lehrreden und Streitgespräche Jesu mit Jerusalemer Priestern und Toralehrern, die die Vollmacht seines Handelns bestreiten (Mk 11,28) und dabei ihren Tötungsplan verfolgen (Mk 11,18; 12,12). Angesichts der Sympathien vieler Festbesucher für Jesus hätten sie seine heimliche Festnahme „mit List“ verabredet (14,1). Dabei habe ihnen Judas Iskariot unverhofft Hilfe angeboten (14,11). Die Festnahme sei nachts nach dem [[Abendmahl Jesu|letzten Mahl]] Jesu mit seinen erstberufenen Jüngern (14,17–26) im Garten [[Getsemani]], einer Lagerstätte für Pessachpilger am Fuß des [[Ölberg (Jerusalem)|Ölbergs]], erfolgt. Dorthin habe Judas eine mit „Schwertern und Stangen“ bewaffnete „große Schar“ geführt, darunter einen Diener des Hohenpriesters. Auf ein verabredetes Zeichen hin, den [[Kuss#Judaskuss oder Todeskuss|Judaskuss]], hätten sie Jesus festgenommen. Dabei hätten einige Jünger ihn gewaltsam zu verteidigen versucht. Dies habe er zurückgewiesen, indem er seine Festnahme als vorherbestimmten Willen Gottes angenommen habe. Daraufhin seien alle Jünger geflohen (14,32.43–51). |
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verurteilen. Dann war das Urteil nach damaligem Recht juristisch zwangsläufig und rechtsgültig. |
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Diese Darstellung legt nahe, dass der Hohepriester Jesus durch die jüdische Tempelwache, die zum Waffentragen berechtigt war, festnehmen ließ, da der vorige öffentliche Tempelkonflikt die Machtposition des [[Synhedrion|Sanhedrin]] (des Hohen Rats) als zentrale Institution des Judentums gefährden konnte.<ref>Martin Karrer: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' S. 163; Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 408 ff.</ref> Der Hohepriester wurde damals von den Römern ein- und abgesetzt und konnte nur im Rahmen römischen Besatzungsrechts handeln. Der von ihm geführte Sanhedrin war verpflichtet, potentielle Unruhestifter festzusetzen und auszuliefern. Sonst hätten die Römer ihm die restliche Selbständigkeit nehmen können, wie es bei der Zerstörung des Tempels später geschah.<ref>Jens Schröter: ''Jesus von Nazaret.'' Leipzig 2006, S. 276–285.</ref> Daher wird Jesu Festnahme als vorbeugende Maßnahme gedeutet, um das jüdische Volk vor den Folgen eines Aufruhrs zu schützen und den Tempelkult nach gültigen Torageboten zu bewahren.<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 412, Fn. 199.</ref> Dem entspricht das realpolitische Kalkül, mit dem der Hohepriester den Sanhedrin laut {{B|Joh|11|50}} und {{BB|Joh|18|14}} überzeugt haben soll, Jesus festzunehmen und hinrichten zu lassen: {{"|Es ist besser, dass ein einziger Mensch für das Volk stirbt.}}<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 381.</ref> Dass der Sanhedrin schon vor Jesu Festnahme geplant haben soll, ihn zur Hinrichtung an Pilatus auszuliefern, gilt jedoch als tendenziöse Redaktion.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 382 und Fn. 906; Ekkehard W. Stegemann: ''Wie im Angesicht des Judentums historisch vom Tod Jesu sprechen?'' In: Helmut Hoping et al.: ''Wie heute vom Tod Jesu sprechen? Neutestamentliche, systematisch-theologische und liturgiewissenschaftliche Perspektiven.'' Katholische Akademie, Freiburg 2002, ISBN 3-928698-20-6, S. 39 f.</ref> Denn die Tempelaktion betraf die Römer nicht und griff ihr Besatzungsstatut nicht an, solange sie keine Unruhen auslöste, gefährdete aber die Autorität und relative Autonomie der Hohenpriester in Kultfragen.<ref>Marlis Gielen: ''Die Passionserzählung in den vier Evangelien. Literarische Gestaltung – theologische Schwerpunkte.'' Kohlhammer, Stuttgart 2008, S. 32 ([https://books.google.de/books?id=uD94DwAAQBAJ&pg=PA32 Digitalisat]).</ref> |
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Damit würde auch verständlich, dass der Rat schon am Morgen wieder zusammentraf, um das Todesurteil in den Vorwurf eines politischen Messiasanspruchs umzuformen. |
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So konnte man Jesus dem römischen Statthalter rechtmäßig und rechtzeitig zur Hinrichtung übergeben. Die Sadduzäer durften Todesurteile damals ja nicht selbst ausführen. Die nach der Thora vorgeschriebene 24-Stunden-Frist zwischen Urteil und Vollstreckung wurde in diesem Ausnahmefall missachtet: Offenbar musste die Hinrichtung des Falschpropheten vor Beginn des Sabbat geschehen, um Israel nicht zu verunreinigen. |
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Falsche Propheten oder Gotteslästerer sollten nach damaligem jüdischen Recht "am Fest" hingerichtet werden. Darum nehmen vor allem christliche Historiker an, dass Jesu Kreuzigung am 14. Nisan (= 7. April) des Jahres 30 stattfand, dem Hauptfesttag des damaligen [[Passahfest|Passahfestes]]. |
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Nach Joh 18,3.12 soll eine Soldatentruppe (griech. ''speira'') unter einem Offizier (griech. ''chiliarchos'') zusammen mit Dienern des Sanhedrin Jesus mit Waffengewalt festgenommen haben. Der Ausdruck ''speira'' verweist auf eine römische [[Kohorte]]. Sie umfasste nach zeitgenössischen Quellen zwischen 600 und 1000 Soldaten.<ref>Martin Hengel, Claus-Jürgen Thornton: ''Kleine Schriften: Jesus und die Evangelien.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149327-0, [http://books.google.de/books?id=hu40skHXkEYC&pg=PA117 S. 117.]</ref> Eine Kohorte war ständig in der Burg Antonia oberhalb des Tempelbezirks stationiert, um Aufstände an [[Liste jüdischer Feste|hohen jüdischen Festen]] zu verhindern. Sie wurde zum Pessachfest um weitere Truppen aus Cäsarea verstärkt.<ref>Martin Hengel, Anna Maria Schwemer: ''Jesus und das Judentum.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149359-1, [http://books.google.de/books?id=TV7wBUEQoAUC&pg=PA602 S. 602.]</ref> |
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Diese historische Hypothese folgt der Textvorlage und deren innerer Logik. Sie steht natürlich unter dem Vorbehalt, dass der Passionsbericht von Urchristen verfasst wurde, die bereits den erhöhten Christus verkündigen wollten. Wie hätten diese solch gravierende Details aus dem Prozessverlauf erfahren können? Die Verhandlung geschah nachts hinter verschlossener Tür im schwer bewachten Haus des Kaiphas. Die Jünger waren alle geflohen: Auch ihnen drohte Festnahme und Hinrichtung. |
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Der jüdische Historiker [[Paul Winter (Historiker)|Paul Winter]] nahm daher an, Jesus sei auf Befehl des Pilatus, nicht des Hohenpriesters, durch römische Soldaten, nicht jüdische Tempelwächter festgenommen worden. Die Besatzer hätten mögliche politisch-revolutionäre Tendenzen unterdrücken wollen, die sie unter Jesu Nachfolgern vermuteten und als Wirkung seines Auftretens befürchteten.<ref>Paul Winter: ''On the Trial of Jesus.'' 2. Auflage 1974, S. 60–69; Hartwig Thyen: ''Studien zum Corpus Iohanneum.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2007, [http://books.google.de/books?id=VdfhjHXNp9wC&pg=PA327 S. 327.]</ref> Auch Wolfgang Stegemann hält eine römische Beteiligung an Jesu Festnahme für denkbar, da die Römer rebellische Tendenzen in Judäa damals oft im Keim erstickten und Jesu Einzug und Tempelaktion solche Tendenzen für sie nahegelegt habe.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' 2010, S. 376–379.</ref> [[Klaus Wengst]] hält die johanneische Festnahmeszene dagegen für insgesamt ahistorisch, da eine ganze Kohorte kaum zur Festnahme eines Einzelnen aufmarschiert wäre, ihn nicht einer jüdischen Behörde übergeben hätte und niemanden, der sich wehrte, hätte entkommen lassen.<ref>Klaus Wengst: ''Das Johannesevangelium, 2. Teilband: Kapitel 11–21.'' Kohlhammer, Stuttgart 2007, [https://books.google.de/books?id=TH772LZkCtcC&lpg=PP1&dq=Das%20Johannesevangelium%2C%202.%20Teilband%3A%20Kapitel%2011%E2%80%9321&hl=de&pg=PA215#v=onepage&q=Das%20Johannesevangelium,%202.%20Teilband:%20Kapitel%2011%E2%80%9321&f=false S. 215 f.] und [http://books.google.de/books?id=TH772LZkCtcC&pg=PA220 S. 220, Fn. 38].</ref> Die Szene soll die Souveränität des Gottessohns über die übermächtige Gewaltherrschaft der gottfeindlichen Mächte ausdrücken.<ref>Hartwig Thyen: ''Das Johannesevangelium.'' Mohr/Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148485-1, S. 708.</ref> |
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Alle? Im Innenhof des Kaiphashauses harrten noch einige aus: vor allem die Frauen und Petrus. Der vornehme Pharisäer Joseph von Arimathia könnte ihnen Details aus dem Prozess zugetragen haben: Dafür spricht, dass die Urchristen sich noch Jahrzehnte später an seinen Namen erinnerten. |
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Für eine zeitnahe Abfassung des Markusberichts spricht, dass er die Namen der sich widersetzenden Jünger anders als sonst nicht nennt. Diese Personen waren Jerusalemer Urchristen eventuell ohnehin bekannt und blieben hier anonym, um sie vor römischen oder jüdischen Verfolgern zu schützen.<ref>Gerd Theißen: ''Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien. Ein Beitrag zur Geschichte der synoptischen Tradition.'' 2. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3-525-53522-8, S. 177–211</ref> Zur vermuteten römischen Initiative passt Jesu Aussage, man sei gegen ihn wie gegen einen „Räuber“ (Zeloten) vorgegangen, obwohl er tagsüber greifbar gewesen sei. Doch nahm die bewaffnete Schar nur ihn fest und verfolgte seine fliehenden Begleiter nicht; Pilatus ging laut NT auch später nicht gegen die Urchristen vor. Dies deutet eher auf einen religiösen als politischen Festnahmegrund hin.<ref>Kurt Müller: ''Möglichkeit und Vollzug jüdischer Kapitalgerichtsbarkeit im Prozess gegen Jesus von Nazareth.'' In: Karl Kertelge: ''Der Prozess gegen Jesus.'' Freiburg 1988, S. 41–83.</ref> |
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'''Vor Pilatus''' |
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=== Vor dem Hohen Rat === |
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Den römischen Statthalter haben innerjüdische |
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[[Datei:Giotto di Bondone - No. 32 Scenes from the Life of Christ - 16. Christ before Caiaphas - WGA09217.jpg|mini|Giotto di Bondone: ''Christus vor dem Hohen Rat'']] |
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Konflikte um den wahren Glauben nicht interessiert. |
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Nach Mk 14,53.55–65 brachte man Jesus dann ins Haus des nicht namentlich genannten Hohepriesters, wo sich Priester, Älteste, Toragelehrte – alle Fraktionen des Sanhedrin – versammelten. Jesus sei mit dem Ziel eines Todesurteils angeklagt worden. Die aufgebotenen Zeugen hätten ein Jesuswort zitiert: Er habe den Abriss und Neubau des Tempels innerhalb von drei Tagen geweissagt. Doch ihre Aussagen hätten nicht übereingestimmt, waren also rechtlich nicht verwertbar. Dann habe der Hohepriester Jesus aufgefordert, zur Anklage Stellung zu nehmen. Nach seinem Schweigen habe er ihn direkt gefragt: „Bist du der Messias, der Sohn des Hochgelobten?“ Darauf habe Jesus geantwortet {{Bibel|Mk|14|62}}: |
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Er ist aus zuverlässigen römischen Quellen als äußerst skrupelloser Machtpolitiker bekannt, der keine Rücksicht auf jüdische Tradition nahm und Juden häufig ohne jedes Rechtsverfahren hinrichten ließ, bis man ihn deswegen absetzte. Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass er Jesus gegen unberechtigte Verurteilung durch Kaiphas in Schutz nahm. |
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{{Zitat|Ich bin es; und ihr werdet sehen den Menschensohn sitzend zur Rechten der Kraft und mit den Himmelswolken kommen.}} |
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Das habe der Hohepriester als [[Blasphemie|Gotteslästerung]] gedeutet und zum Zeichen dafür sein Amtskleid zerrissen. Darauf habe der Rat Jesus einstimmig zum Tod verurteilt. Einige hätten ihn geschlagen und verhöhnt. |
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Ob es so einen Prozess gab und falls ja, ob er legal war, ist stark umstritten. Fraglich ist schon, woher die geflohenen Jesusanhänger Details davon erfahren haben können: eventuell durch den „angesehenen Ratsherrn“ [[Josef von Arimathäa]], der Jesus bestattete (Mk 15,43–46). Doch während Mt wie Mk einen nächtlichen Prozess mit einem Todesurteil schildert, wird Jesus nach Lk 22,63–71 erst am Folgetag vom ganzen Rat nach seiner Messianität gefragt und ohne Todesurteil vor Pilatus angeklagt. Nach Joh 18,19 ff. wird er nur von [[Hannas]] verhört und dann ohne Ratsprozess und Todesurteil an dessen damals amtierenden Nachfolger [[Kajaphas]], von diesem an Pilatus übergeben. |
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Unglaubhaft ist auch, dass eine Volksmenge Pilatus |
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zur Hinrichtung Jesu gedrängt haben soll |
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("Kreuzige ihn!", Mk. 15, 13). Der Innenhof des Pilatuspalastes bot nur wenigen Menschen Raum. Jesus |
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war nur Tage zuvor von der Masse der Festpilger begeistert als Messiasanwärter begrüßt worden (Mk. 11, 9). Die Sadduzäer dagegen waren im Volk unbeliebt. |
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Die Markusversion beschreibt mit Tötungsvorsatz, heimlicher Sitzung in der Pessachnacht, Falschzeugen, einstimmigem Todesurteil direkt nach dem Verhör und Misshandlung des Verurteilten einen illegalen Prozess. Spätere Vorschriften der [[Mischna]] verboten Kapitalprozesse in der Nacht, in Privathäusern, an Festtagen und zugehörigen Rüsttagen. Die Verhandlung musste mit Entlastungszeugen beginnen. Todesurteile durften frühestens einen Tag danach gefällt werden. Die jüngsten Ratsmitglieder sollten ihr Urteil zuerst und unbeeinflusst sprechen.<ref>''Traktat Sanhedrin'', in: Dietrich Correns (Hrsg.): ''Die Mischna: das grundlegende enzyklopädische Regelwerk rabbinischer Tradition.'' Marixverlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-86539-016-1, S. 505–527, besonders S. 515</ref> Für Jesu Zeit sind diese Regeln unbelegt. Josephus stellte eine milde, nach 70 durchgesetzte pharisäische einer früheren harten sadduzäischen Strafrechtspraxis gegenüber. Doch direkte Belege für letztere und für ein derartiges Eilverfahren, das Tötungsabsichten begünstigte, fehlen.<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 379</ref> |
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Der Passionsbericht lässt aber erkennen, dass es so etwas wie einen "Deal" zwischen Kaiphas und Pilatus gegeben haben muss. Er bot ihnen den "Mörder" (Zeloten)Barabbas zum Tausch für Jesus an: offenbar als |
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"Trostpflaster" für das Volk (Mk. 15, 6-15). Das zeigt zum einen, dass nicht alle Zeloten auch Feinde der Sadduzäer waren, zum anderen, dass Jesus in ihren Augen die größere Gefahr darstellte. |
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Auch Herodes und Kaiphas sollen über dem Tod Jesu Freunde geworden sein (...). So wird sichtbar, wie der Tod Jesu im Zusammenspiel von religiösen und politischen Interessen, die mit der Besatzungsmacht kollaborierten,zu Stande kam. |
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Damals durfte in Judäa nur Roms Statthalter Todesstrafen anordnen und vollstrecken lassen. Der Sanhedrin unterstand Roms Herrschaft, durfte sich nur mit Erlaubnis des Statthalters und nur zu besonderen Anlässen vollständig versammeln und musste ihn bei der Durchsetzung von Ruhe und Ordnung unterstützen. Die Römer setzten den Hohepriester ein und ab, verwahrten sein Amtskleid und stellten es ihm nur an Festtagen für Amtshandlungen zur Verfügung. Als der Hohepriester [[Ananus ben Ananus]] um 62, als das Statthalteramt vakant war, den Rat einberief und Jesu ältesten Bruder Jakobus steinigen ließ, setzten die Römer ihn deswegen ab.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 380f.; dort angegebener Primärbeleg: Flavius Josephus: ''Antiquitates'' 20,200–203</ref> Falls beschriftete Warntafeln im Tempel eine formelle Todesstrafe meinten, durfte der Rat nur nichtjüdische Eindringlinge in den inneren Tempelbereich selbst hinrichten.<ref>Peter Egger: ''„Crucifixus Sub Pontio Pilato“'', Münster 1997, S. 46–48</ref> |
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Die [[Kreuzigung]] |
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Wegen dieser außerchristlichen Belege halten viele Historiker einen regulären Prozess, zumindest ein Todesurteil des Sanhedrin für ahistorisch. Sie nehmen an, dass die Urchristen beides erfanden, um die Römer nach der Tempelzerstörung zu entlasten und die jüdische Führungselite zu belasten.<ref>Chaim Cohn: ''Der Prozeß und Tod Jesu aus jüdischer Sicht'', Frankfurt am Main 1997, S. 161; Wolfgang Stegemann: ''Gab es eine jüdische Beteiligung an der Kreuzigung Jesu?'' In: Kirche und Israel 13 / 1998, S. 3-24; James H. Charlesworth: ''The Historical Jesus. An Essential Guide'', Nashville 2008, S. 111 f.</ref> Denn ab etwa 65 waren die ''Christianoi'', die einen von Römern Gekreuzigten verehrten, als kriminelle Vereinigung im Römischen Reich bedroht. Die Tempelzerstörung im Jahr 70 verstärkte ihre Abgrenzung vom Judentum.<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', Stuttgart 2010, S. 374; Ekkehart W. Stegemann: ''Wie im Angesicht des Judentums historisch vom Tod Jesu sprechen? Vom Prozess Jesu zu den Passionserzählungen der Evangelien.'' In: G. Häfner, H. Schmid (Hrsg.): ''Wie heute vom Tod Jesu sprechen?'' Freiburg 2002, S. 46.</ref> |
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Römische Quellen bestätigen das Gerücht, dass Pilatus |
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"Chrestus" hinrichten ließ, sagen aber nicht, weshalb. |
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Er senkte wohl einfach den Daumen, verurteilte Jesus zusammen mit anderen [[Zeloten]] (jüdischen Befreiungskämpfern) zum Foltertod am Kreuz und gab ihn seinen Folterknechten preis. |
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Andere nehmen ein Ausnahmeverfahren des Rates an,<ref>August Strobel: ''Die Stunde der Wahrheit'', Tübingen 1980, S. 46–61</ref> halten es aber auch dann für unwahrscheinlich, dass dieser Jesus als Lästerer des Gottesnamens oder Verführer des Volkes zum Abfall von JHWH (Dtn 13,6; Lk 23,2; Talmudtraktat ''Sanhedrin'' 43a) verurteilte: Denn Jesu [[Theozentrismus|theozentrische]] Botschaft vom Reich Gottes erfüllte das erste der [[Zehn Gebote]],<ref>Klaus Haacker: ''Was Jesus lehrte'', Neukirchen-Vluyn 2010, S. 44–69</ref> und er umschrieb den Gottesnamen ebenso wie der Hohepriester.<ref>Michael Theobald: ''Der Prozess Jesu: Geschichte und Theologie der Passionserzählungen.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2022, ISBN 978-3-16-161610-5, [https://www.google.de/books/edition/Der_Prozess_Jesu/GJh9EAAAQBAJ?hl=de&gbpv=1&pg=PA348 S. 348]</ref> Das von den Zeugen zitierte Jesuswort legt eine Anklage auf Falschprophetie (Dtn 18,20 ff.) nahe.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 403–406</ref> Sie werden Falschzeugen genannt, weil sie gegen den Sohn Gottes aussagten, nicht weil sie Jesus falsch zitierten. Sie können Jesus vorgeworfen haben, er habe Unmögliches geweissagt und einen Tempelabriss torawidrig als Gottes Willen ausgegeben. Man konnte jedoch abwarten, ob seine Ankündigung eintrat, bevor man ihn dafür verurteilte (Dtn 18,22). Falschpropheten sollten laut der Tora gesteinigt werden; nur Gotteslästerer und Götzendiener sollten nach der Mischna (Traktat Sanhedrin VI,4) erhängt werden. |
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Diese Hinrichtungsmethode war die übliche Art und Weise, wie der römische Staat damals mit Ausländern, entlaufenen Sklaven und Aufständischen umging: eine Klassenstrafe zur Demütigung und Abschreckung aller Augenzeugen. Juden galt diese Todesart als Gottesfluch (5. Mose 21, 23/ Galater 3, 13) für Gotteslästerer und damit als endgültiger Ausschluss aus dem erwählten Volk. |
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Die Tempelpriester verfolgten Tempel- und Kultkritiker auch sonst, etwa Jeremia (Jer 26,1–19; um 590 v. Chr.) und den „[[Lehrer der Gerechtigkeit]]“ (um 250 v. Chr.). Ratsmitglieder steinigten den tempelkritischen Urchristen [[Stephanus]], nachdem er dem Rat [[Justizmord]] an Jesus vorgeworfen und diesen als inthronisierten Menschensohn verkündet hatte (Apg 7,55 f.; um 36). Als [[Jesus ben Ananias]] um 62 in Jerusalem die Zerstörung von Tempel und Stadt ankündigte, nahm der Rat ihn als Ruhestörer fest und überstellte ihn Roms Statthalter, der ihn nach einer [[Auspeitschung]] jedoch freiließ.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 405</ref> |
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Nach der üblichen öffentlichen Folter wurde Jesus gezwungen, sein Kreuz zum Richtplatz vor die Stadtmauer zu tragen. Ein Landarbeiter aus der nordafrikanischen Exilsgemeinde Kyrenaika wurde gezwungen, ihm die Last abzunehmen, als er nicht mehr konnte. Er wurde angenagelt, und der Todeskampf begann. |
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Falls es einen regulären Prozess des Rates gab, muss dieser kein Todesurteil angestrebt haben. Die Messiasfrage des Hohenpriesters nach dem Zeugenverhör wirkt plausibel, da für ihn gemäß der Nathanverheißung 2Sam 7,12–16 nur der künftige, als Gottes „Sohn“ angeredete Davidnachfolger den Tempel neu erbauen durfte.<ref>Otto Betz: ''Jesus, der Messias Israels: Aufsätze zur biblischen Theologie.'' Mohr Siebeck, Tübingen 1987, ISBN 978-3-16-145163-8, S. 140–168, hier S. 155f.</ref> Dieser Anspruch war für Juden nicht unbedingt blasphemisch, da andere [[Liste jüdischer Messias-Anwärter|Messiasanwärter]] geachtet wurden, so der wohl nach Num 24,17 „Sternensohn“ genannte [[Bar Kochba]] (um 132). Doch Jesu Eigenaussage in Mk 14,62 kann das Todesurteil ausgelöst haben. Sie erinnert die Ankläger an die Vision vom Menschensohn in Dan 7,13 f.: Dieser erscheint nicht als Davidnachfolger, sondern als von Gott bevollmächtigter Vertreter der Gottesherrschaft nach dem Endgericht über alle Weltmächte. So hätte Jesus gegenüber der national begrenzten Messiashoffnung an die Hoffnung auf ein Ende aller Gewaltherrschaft jenseits des Tempelkults erinnert (vgl. Mk 8,38 und Mk 13,24 ff.). Dies hätte für die Sadduzäer die Anklage auf Falschprophetie bestätigt, da sie Daniels Apokalyptik als [[Häresie|Irrlehre]] ablehnten.<ref>Bertold Klappert: ''Die Auferweckung des Gekreuzigten.'' § 7: ''Die Subjektsfrage im Kontext des Menschensohnproblems'', Neukirchener Verlag, 2. Auflage. Neukirchen-Vluyn 1974, S. 119–123.</ref> Manche verweisen auf den genauen Wortlaut der Antwort Jesu: „Sitzend zur Rechten Gottes“ zitiert Ps 110,1. Damit erscheint der Menschensohn als schon inthronisierter Endrichter. Dann hätte Jesus für den Hohepriester dessen Richteramt missachtet und sich selbst an Gottes Seite erhöht.<ref>August Strobel: ''Die Stunde der Wahrheit'', Tübingen 1980, S. 92 ff.; Otto Betz: ''Probleme des Prozesses Jesu'', Berlin 1982, S. 636 ff.; Darrell L. Bock: ''Blasphemy and Exaltation in Judaism: The Charge Against Jesus in Mark 14:53–65'', 1998/2000, S. 197–209</ref> Andere halten Partizip „sitzend…“ für redaktionell in den Satz eingefügt, da es den Glauben an Jesu Auferstehung und erwartete [[Parusie|Wiederkunft]] voraussetze.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 406</ref> |
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Die brutale Willkür der Soldateska zeigte dem gesamten jüdischen Volk hautnah, dass Jesu Schicksal sie alle betraf und schmerzen sollte. Der Kreuzestitel "Rex Judaios" sollte sie und ihren lächerlichen Messiasglauben verhöhnen. |
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=== Vor Pilatus === |
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'''Die Bedeutung des Todes Jesu''' |
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Nach Mk 15,1–15 lieferte der „ganze Hohe Rat“ Jesus am Folgetag nach einem Beschluss dazu gefesselt an Pilatus aus. Dieser habe ihn gemäß der Anklagen des Sanhedrin gefragt: „Bist du der König der Juden?“ Dann habe er der zusammengeströmten Volksmenge zur üblichen Pessachamnestie Jesu Freilassung angeboten. Doch die Tempelpriester hätten die Menge aufgewiegelt, stattdessen die Freigabe des [[Barabbas]], eines kürzlich inhaftierten Zeloten, zu fordern. Nach mehrfachen vergeblichen Rückfragen, was Jesus getan habe, habe Pilatus der Menge nachgegeben, Barabbas freigelassen und Jesus kreuzigen lassen. |
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Lk 23,6–12 ergänzt ein Verhör Jesu durch Herodes, der ihn auf sein Schweigen hin verhöhnt, an Pilatus zurückgibt und so dessen Freund wird. Die Szene gilt als redaktioneller Vorgriff auf Apg 4,25–28, wonach ein biblisch vorhergesagtes Bündnis von Heiden und Königen (Ps 2,1 f.) Jesus zu Tode brachte.<ref>Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 158 f.</ref> Lk 23,17 ff. erweitert die Anklage um Vorwürfe, die im Sanhedrinprozess fehlten: Volksverführung und Steuerboykott gegen den Kaiser Roms. Auch den Verlauf der Pessachamnestie variieren die Evangelien (Mt 27,17; Lk 23,16; Joh 18,38 f.). In allen Versionen betreiben die Tempelpriester und ihre Anhänger Jesu Hinrichtung, während Pilatus von seiner Unschuld ausgeht, ihn aber nicht freilässt, sondern ihr Urteil erfragt und ihrem Druck zuletzt nachgibt. |
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Das Evangelium läuft von vornherein auf den Tod Jesu zu. So werden Passion und andere Stoffe durch Leidensankündigungen, die Jesus gesagt haben soll, |
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gegliedert und miteinander verknüpft. |
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Eine damalige Pessachamnestie ist sonst nirgends überliefert. Die Römer gingen nach außerbiblischen Quellen von sich aus massiv gegen jede prophetisch inspirierte Volksansammlung im Raum Judäas vor.<ref>Peter Egger: ''„Crucifixus Sub Pontio Pilato“'', Münster 1997, S. 82–100.</ref> Jüdische Historiker stellen Pilatus als rücksichtslos, unnachgiebig, korrupt und grausam dar: Er habe die Juden durch Kaisersymbole im Tempelbezirk provoziert, Massaker befohlen (vgl. Lk 13,1) und ständig Juden ohne Gerichtsverfahren hinrichten lassen.<ref>Flavius Josephus: ''Antiquitates'' 18,3,1 f.; ''Bellum Judaicum'' 2,9,2 ff.; Philo von Alexandria: ''Legatio ad Gaium'' 38. Beispiele bei Christoph Niemand: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz'', Stuttgart 2007, S. 163 f.</ref> Gemäß [[Römisches Straf- und Strafverfahrensrecht|römischen Verfahrensweisen]] in unterworfenen Provinzen konnte Pilatus Jesus nach einem Kurzverhör ohne förmliches Urteil ''(coercitio)'' hinrichten lassen: Der Verdacht aufrührerischen Verhaltens genügte.<ref>[[Christoph Paulus (Rechtswissenschaftler)|Christoph Paulus]]: [https://www.iiiglobal.org/sites/default/files/ProzessJesu-BJG.pdf ''Der Prozess Jesu – aus römisch-rechtlicher Perspektive.''] De Gruyter, Berlin/Boston 2016, ISBN 978-3-11-047938-6</ref> |
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Sie entsprechen der Deutung, die Jesus selbst nach dem vormarkinischen Passionsbericht seinem Tod gab. Im Rahmen eines [[Passahmahl|Passahmahls]] soll er dem versammeltem Zwölferkreis - der für ganz Israel stand und Judas einschloss! - zugesagt haben: |
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"Das ist mein Leib/Blut, für euch zerbrochen/ |
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vergossen zur [[Vergebung der Sünden]] für die Vielen" (Mk. 14, 24). |
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Jesus hatte laut Mk 11,9.18; 12,12; 14,2 die Sympathie der Festpilger, die das römische Besatzungsrecht ablehnten, und der enge Innenhof des Pilatuspalastes bot einem Volksauflauf kaum Raum. Daher gelten öffentliches Verhör, Volksbefragung, Amnestie und Unschuldserklärungen des Pilatus heute meist als ahistorisch und werden einer antijüdischen Redaktion des Passionsberichts zugewiesen.<ref>Paul Winter: ''On the Trial of Jesus.'' S. 51–61 und dort zitierte Literatur; Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit'', S. 369–375.</ref> |
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Der Ausdruck "für die Vielen" bedeutet im Aramäischen: für ALLE. Das ist eine deutliche Anspielung auf eine im ganzen Alten Testament einzigartige [[Prophetie]]: den stellvertretend für das ganze Volk und seine Führer leidenden [["Knecht Gottes"]] (Jesaja 52, 13 - 53, 12). |
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Die Tacitusnotiz erwähnt einen [[Ius gladii|Hinrichtungsbefehl]] des Pilatus, ohne den unter ihm wohl niemand gekreuzigt wurde. Die Evangelien setzen den Befehl voraus, indem sie eine römische Urteilsanzeige, hier als [[INRI|Kreuzestafel]], zitieren: Pilatus habe Jesus als „König der Juden“ verurteilt (Mk 15,26 par). Dieser Urteilsgrund gilt meist als historisch, weil der Titel auf einen politisch gedeuteten Messiasanspruch verweist, mit dem Auslieferungsgrund (Mk 15,2 par) übereinstimmt und vor dem Hintergrund des römischen Rechts plausibel ist: Die Römer hatten jüdischen Vasallenherrschern das Tragen des Königstitels seit 4 v. Chr. verboten.<ref>[[Martin Karrer]]: ''Jesus Christus im Neuen Testament.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 161.</ref> Als „König“ (basileus) hatten sich auch jüdische Zelotenführer bezeichnet.<ref>[[Martin Hengel]]: ''Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr.'' 2. verbesserte und erweiterte Auflage, Leiden 1976, S. 297–307.</ref> Dies galt nach [[Rechtswesen im antiken Rom|römischem Gesetz]] als [[Majestätsbeleidigung]] (''crimen laesae maiestatis (populi Romani)''), Anstiftung zum Aufstand ''(seditio)'' und staatsfeindlichen Aufruhr ''([[perduellio]])'', da nur der römische Kaiser Könige ein- oder absetzen durfte. Falls Jesu Verhör wie dargestellt verlief, musste Pilatus Jesu Antwort auf die Frage nach einer angemaßten Königswürde („Du sagst es“) und sein folgendes Schweigen als Geständnis werten, das sein Todesurteil erzwang.<ref>Klaus Haacker: ''Wer war Schuld am Tode Jesu?'' In: Klaus Haacker: ''Versöhnung mit Israel. Exegetische Beiträge.'' Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2002, ISBN 3-7887-1836-6, S. 33–48</ref> |
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Der älteste Passionsbericht stellt die Kreuzigungsszene als vorweggenommenes Endgericht über die ganze Welt dar (Mk. 15, 33). |
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Jesus soll am Kreuz für seine jüdischen Ankläger und römischen Mörder gebetet haben, und zwar mit Worten des 22. Psalms, den zu Unrecht zum Tod verurteilte Juden bis heute beten und der seit dem Exil auf das ungerechte Leiden ganz Israels bezogen wurde (Mk. 15, 34) (Claus Westermann). Auch in Auschwitz ist so gebetet worden. |
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Mit Jesu Hinrichtung zwischen Zeloten wollte Pilatus wahrscheinlich ein Exempel gegen alle rebellischen Juden statuieren und ihre Messiashoffnung verhöhnen.<ref>[[Hyam Maccoby]]: ''Jesus und der jüdische Freiheitskampf.'' 2. verbesserte Auflage, Ahriman, Freiburg 2013, ISBN 978-3-89484-611-4, S. 111; Hans Conzelmann, [[Andreas Lindemann]]: ''Arbeitsbuch zum Neuen Testament.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2000, ISBN 3-8252-0052-3, S. 503</ref> Demgemäß deutet der redaktionelle Vers Joh 19,21 den Protest der Sadduzäer: Jesus habe bloß behauptet, der Messias zu sein.<ref>Manfred Lang: ''Johannes und die Synoptiker: Eine redaktionsgeschichtliche Analyse von Joh 18–20 vor dem markinischen und lukanischen Hintergrund.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-53866-9, [http://books.google.de/books?id=5zptUM5069AC&pg=PA216 S. 216.]</ref> Für die Urchristen bestätigte der Kreuzestitel deren Unrechtsurteil, da Jesus keinen bewaffneten Aufstand geplant habe (Lk 22,38), und Jesu verborgene wahre Identität als des ''[[Kyrios (Christentum)|Kyrios]] Christus'', des Herrschers aller Herren (Offb 19,16). |
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'''Schlussbemerkung''' |
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=== Kreuzigung === |
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Nimmt man den ältesten Passionsbericht genau beim Wort, dann ist gerade die Verkündigung des Todes Jesu, die in der europäischen Geschichte immer wieder zu Judenpogromen führte und dazu missbraucht wurde, der stärkste historische Grund für eine unkündbare Solidarität aller Christen mit allen Juden und allen zu Unrecht Verfolgten. Zugleich lassen sich von da aus judenfeindliche Aussagen in den Evangelien als situationsbedingt relativieren und sachlich entkräften. |
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{{Hauptartikel|Passion Jesu}} |
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[[Datei:Hortus Deliciarum, Die Kreuzigung Jesu Christi.JPG|mini|''Die Kreuzigung Jesu Christi'', Illustration aus dem ''[[Hortus Deliciarum]]'' der [[Herrad von Landsberg]] (12. Jahrhundert)]] |
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Die [[Kreuzigung]] war im [[Römische Kaiserzeit|römischen Kaiserreich]] die grausamste Hinrichtungsmethode, die meist gegen Aufständische, entlaufene [[Sklaverei im Römischen Reich|Sklaven]] und Einwohner ohne [[römisches Bürgerrecht]] angewandt wurde. Sie sollte Augenzeugen demütigen und von der Teilnahme an Aufruhr abschrecken. Juden galt sie als Verfluchtsein durch Gott (Dtn 21,23; Gal 3,13). Der Todeskampf konnte je nach Ausführung tagelang dauern, bis der Gekreuzigte verdurstete, am eigenen Körpergewicht erstickte oder an Kreislaufversagen starb.<ref>Raymond Schmittlein: ''Umstände und Ursache von Jesu Tod.'' Mainz 1951; {{Webarchiv | url=http://www.slublog.com/deathjesus.pdf | wayback=20120523135753 | text=William D. Edwards u. a. ''On the Physical Death of Jesus Christ '', JAMA, 21. März 1986, Vol 255, No. 11}}; Lee Strobel: ''Der Fall Jesus'', 1997, S. 217–227.</ref> Der markinische Passionsbericht nennt jedoch keine Details zum physischen Vorgang, sondern nur zum Verhalten von ausführenden Tätern und Zeugen, zu letzten Worten Jesu und Zeitdauer seines Sterbens. |
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Geht man vom Ende aus, dann zeigt Jesu [[Kreuzigung]] durch die römische Besatzungsmacht als solche schon: Er wurde als politischer Aufrührer verurteilt. Allein Pilatus, der römische Statthalter, hatte die Justizvollmacht, jemand hinrichten zu lassen. |
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Über Jesu Kreuz war eine Tafel befestigt, auf der sein Vergehen stand, für das er sterben musste: INRI, "Iesus Nazarenus Rex Judaios". |
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Dann warf man ihm also vor, sich anmaßend als [[König]] der Juden hervorgewagt zu haben. |
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Laut Mk 15,15–20 entkleideten die römischen Soldaten Jesus, zogen ihm ein Purpurgewand an, setzten ihm eine [[Dornenkrone]] auf und verspotteten ihn gemäß dem Pilatusurteil als „König der Juden“, um so die messianische Hoffnung der Juden zu verhöhnen.<ref>Wolfgang Wiefel: ''Das Evangelium nach Matthäus.'' S. 475.</ref> Darauf hätten sie ihn geschlagen und angespuckt. Eine [[Auspeitschung|Geißelung]] war integraler Bestandteil der römischen Kreuzigung und wurde oft so brutal durchgeführt, dass der Verurteilte bereits daran starb.<ref>Paul Winter: ''On the Trial of Jesus.'' S. 56, Anmerkung 21.</ref> |
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Doch Israels Königtum war längst vergangen. Israel hatte damals einen König namens Herodes, den Rom eingesetzt hatte, große Paläste bauen ließ und in Israel verhasst war. |
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Laut Vers 21 musste Jesus dann selbst sein Kreuz zum Richtplatz vor die Stadtmauer tragen. Als der von den Schlägen Geschwächte zusammengebrochen sei, hätten die Soldaten den zufällig von der Feldarbeit kommenden Juden [[Simon von Cyrene]] genötigt, sein Kreuz zu tragen. Dass die Urchristen noch Jahrzehnte später seinen Namen und die seiner Söhne überlieferten, wird als Solidarität zwischen Urchristen und [[Jüdische Diaspora|Diasporajuden]] gedeutet. |
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Der hier gemeinte "König" ist der jüdische [[Messias]]. Dabei verstanden Römer kaum, was |
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ein Messias war und sein sollte. Sie verstanden nur, dass er ihre Macht bedrohen konnte. Und da hörte der Spaß dann meist sofort auf. |
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Laut Vers 23 boten die Soldaten Jesus [[Myrrhe]] in Wein an, bevor sie ihn kreuzigten; diesen Trank habe er abgelehnt. Die Kreuzigung habe um die dritte Stunde (etwa 9 Uhr vormittags) begonnen (V. 25). Dann hätten sie um sein Gewand gelost. Laut Vers 27 wurde Jesus zusammen mit zwei „Räubern“ (Zeloten oder „Sozialbanditen“)<ref>Wolfgang Stegemann: ''Jesus und seine Zeit.'' Stuttgart 2010, S. 248.</ref> auf dem Hügel [[Golgota]] („Schädelstätte“) vor der damaligen Jerusalemer Stadtmauer gekreuzigt, begleitet von Hohn und Spott der Anwesenden. Um die sechste Stunde habe eine dreistündige [[Finsternis bei der Kreuzigung Jesu|Finsternis]] eingesetzt (V. 33). Gegen deren Ende habe Jesus auf Aramäisch das Psalmzitat {{B|Ps|22|2}} gerufen: {{"|Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?}} (V. 34) Dann habe er aus jüdischer Hand einen mit Weinessig ([[Posca]]) getränkten Schwamm angenommen (V. 36) und sei unmittelbar darauf mit einem lauten Schrei gestorben (V. 37). Der Tod sei um die „neunte Stunde“ (etwa 15 Uhr nachmittags) erfolgt. |
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Bei den Propheten hat der Messias verschiedene Aufgaben: Er bringt Israel das Heil in der Endzeit, führt die Juden wieder zusammen, zurück in die Heimat, er rettet die Armen, richtet gerecht und unparteisch - nicht nur Israel, sondern auch die Völker - , beendet alle Gewaltherrschaft und bringt so schließlich |
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den Völkerfrieden, der die ganze Schöpfung aufatmen lässt und sie verwandelt (z.B. Jesaja 9, 1-6/ 11, 1-10). |
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Das Stundenschema, die Finsternis, Anspielungen auf Psalmen und Psalmzitate gelten als theologische Deutung, nicht als historische Details.<ref>Peter Dulschnigg: ''Das Markusevangelium. Theologischer Kommentar zum Neuen Testament, Band 2.'' Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 3-17-019770-3, [http://books.google.de/books?id=5m2fNzkyM_8C&pg=PA393&lpg=PA393 S. 393] ff.</ref> Sie stellen Jesus in die Reihe der zu Unrecht verfolgten, von der Gewalt aller Feinde umringten und an Gottes Gerechtigkeit appellierenden leidenden Juden.<ref>René Girard: ''Das Ende der Gewalt'', Freiburg 1983, S. 172–176 und 240 ff.</ref> |
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Diese Erwartungen gingen natürlich weit über das Sichtbare und Mögliche hinaus. Dennoch gab es immer wieder Juden, die ein besonderes |
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Sendungsbewusstsein hatten und der Messias sein wollten. Sie waren nicht unbedingt von edler Abstammung. Ihr eigener Anspruch und der darauf folgende historische Erfolg konnte sie aber zum Anführer des ganzen Gottesvolks aufsteigen lassen. Denn Israels Gott wirkt in der Geschichte. Auf diese Weise wurde der Messias nicht von Menschen, sondern von Gott zum Führer Israels erwählt. |
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=== Grablegung === |
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Wollte Jesus der Messias sein? Hatte er sich den Römern so präsentiert? Offenbar nahmen sie an, dass sein anmaßender Anspruch Aufruhr stiften und die Macht der Römer in Israel unterminieren könne. Wie kamen sie darauf? |
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[[Datei:Giotto di Bondone - Entombment - WGA09347.jpg|mini|Giotto di Bondone: ''Grablegung Christi'' (um 1320)]] |
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Nach Mk 15,42–47 starb Jesus vor Anbruch der Nacht. Daher habe [[Josef von Arimathäa]] [[Pontius Pilatus|Pilatus]] gebeten, ihn vom Kreuz abnehmen und bestatten zu dürfen. Pilatus, erstaunt über Jesu rasches Sterben, habe sich seinen Tod beim römischen Aufseher der Hinrichtung bestätigen lassen und seinen Leichnam dann zur Bestattung freigegeben. Josef habe ihn noch am selben Abend nach jüdischem Brauch in ein Tuch gewickelt, in ein neues [[Felsengrab]] gelegt und dieses mit einem schweren Felsen verschlossen. [[Maria Magdalena]] und eine andere Maria, die mit anderen Frauen aus Galiläa Jesu Sterben begleiteten, hätten den Vorgang beobachtet. |
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Römer ließen am Kreuz Getötete oft zur Abschreckung und Demütigung ihrer Angehörigen Tage und Wochen hängen, bis sie verwest, zerfallen oder von Vögeln gefressen worden waren. Für Juden verstieß dies gegen die Vorschrift von Dtn 21,22–23, wonach der „an ein Holz gehängte“ Hingerichtete noch am gleichen Tag begraben werden sollte. Nach Josephus (''Bellum Judaicum'' 4,317) durften von Römern gekreuzigte Juden nach jüdischer Sitte bestattet werden. Dies wird als Rücksicht der Römer auf Gefühle und Religion der Juden gedeutet; im Falle Jesu, um beim Pessachfest keine Unruhe auszulösen.<ref>Wolfgang Reinbold: ''Der Prozess Jesu'', Göttingen 2006, S. 98</ref> |
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Die gesetzesgemäße Grablegung eines Verurteilten gehörte eventuell zur Aufgabe des Sanhedrin. Dann hätte Josef von Arimathäa in dessen Auftrag gehandelt. Dies stellt das einstimmige Todesurteil wegen Gotteslästerung in Frage.<ref>Paul Winter: ''On the Trial of Jesus'', Berlin 1974, S. 57, Fn. 24</ref> Dass der Markusbericht die amtliche Prüfung des Todes Jesu erwähnt, sollte diesen wohl gegen frühe Scheintodthesen bekräftigen.<ref>Peter Dschulnigg: ''Theologischer Kommentar zum Neuen Testament (ThKNT) Band 2: Das Markusevangelium.'' Kohlhammer, Stuttgart 2007, [https://books.google.de/books?id=5m2fNzkyM_8C&lpg=PP1&dq=%3A%20Das%20Markusevangelium&hl=de&pg=PA408#v=onepage&q=:%20Das%20Markusevangelium&f=false, S. 408.]</ref> Die Namen der Zeuginnen für Jesu Sterben und Grablegung waren offenbar in der Jerusalemer Urgemeinde bekannt. An sie wurde wohl erinnert, weil nur sie nach der Flucht der Jünger Jesu Grabstätte kannten. Sie sollen sie am übernächsten Morgen leer gefunden haben (Mk 16,1–8).<ref>Eduard Schweizer: ''Das Neue Testament Deutsch, Band 1: Das Evangelium nach Markus.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 978-3-525-51304-0, S. 198</ref> |
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=== Kirchengeschichtliche Schriften === |
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Der Ort des Jesusgrabes ist unbekannt. Das NT enthält keine Hinweise auf seine Verehrung.<ref>Wolfgang Reinbold: ''Der älteste Bericht über den Tod Jesu.'' De Gruyter, Berlin 1993, ISBN 3-11-014198-1, S. 280</ref> Manche Historiker vermuten es unter der heutigen [[Grabeskirche]], weil dort eine Grabverehrung aus dem 1. Jahrhundert archäologisch nachgewiesen ist.<ref>[[Othmar Keel]], [[Max Küchler]]: ''Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-50170-6, [http://books.google.de/books?id=lo4f3iCjizgC&pg=PA430 S. 430 und Fn. 229]</ref> |
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[[Hegesippus]] berichtet lt. [[Eusebius von Caesarea|Eusebius]] im 2. Jahrhundert, dass Männer vor [[Domitian]] (81–96) gebracht worden seien. Diese wurden verdächtigt, von Jesu Bruder Judas abzustammen und somit als Blutsverwandte von Jesus aus einem potentiell gefährlichen königlichen Haus zu stammen. Domitian verhörte sie bezüglich des Messias und seines Königreichs, aber als die Männer erklärten, dieses Königreich sei nicht weltlich sondern himmlisch, habe Domitian sie als harmlos entlassen und seine Verfolgung der Kirche beendet. |
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Die historische Forschung untersucht NT-Texte zu Ereignissen nach Jesu Grablegung nur im Rahmen der Geschichte des urchristlichen Auferstehungsglaubens.<ref>Theißen/Merz: ''Der historische Jesus'', Göttingen 2011, S. 422–443; Jürgen Becker: ''Die Auferstehung Jesu Christi nach dem Neuen Testament: Ostererfahrung und Osterverständnis im Urchristentum.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149426-0</ref> |
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===Nichtchristliche Schriften=== |
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{{Hauptartikel|Auferstehung Jesu Christi|Jesus Christus|Christologie}} |
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Erwähnung in nichtchristlichen bzw. außerbiblischen zeitgenössischen Schriften findet Jesus sehr wenig. Erstaunlich ist dabei, dass der jüdische Schriftsteller [[Justus von Tiberias]], ein Zeitgenosse des [[Josephus Flavius]], trotz der zeitlichen und räumlichen Nähe Jesus mit keinem Wort erwähnt, obwohl er eine umfangreiche Chronik von [[Moses]] bis in seine Tage verfasste. Andererseits ist diese Chronik nur bruchstückhaft überliefert. Einige Theologen schlussfolgern daraus, dass es einen historischen Jesus nie gegeben habe. |
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== Literatur == |
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Das früheste außerbiblische Zeugnis ist das bekannte [[Testimonium Flavianum]] des Josephus Flavius, das aus zwei Abschnitten aus seinen ''Jüdischen Altertümern'' besteht. Die Authentizität des ersten, berühmteren, Abschnittes ist unter Philologen allerdings umstritten, weil Jesus in den frühen Textvarianten nicht auftaucht, sondern erst in der meistzitierten Übersetzung aus dem Jahre 1000 nach Christus. Der zweite Abschnitt, der sich mit der Hinrichtung von Jesu Bruder [[Jakobus der Gerechte|Jakobus]] befasst, wird häufiger als echt angesehen. Die meisten Kirchen und Theologen betrachten diese zweite Stelle ebenfalls als Fälschung und bringen vor allem zwei Argumente: Während es bei Flavius heißt, dass Jakobus, der Bruder von Jesus, bei einem Aufstand gegen die Römer ums Leben kam, heißt es bei allen frühen Kirchenvätern und in der Bibel, dass Jakobus als Märtyrer für den christlichen Glauben von den Juden zu Tode gesteinigt wurde. Weiterhin existiert auch hier eine ältere Textvariante, in der der Name Jesus nicht erwähnt wird, in dieser wird Jakobus als der Bruder von Barabas bezeichnet. Erklärlich wird der streitige Sachverhalt alsbald daraus, dass man davon ausgehen darf, dass der Name Jacobus sicher nicht nur von einem einzigen Anhänger Jesu Christi geführt wurde. |
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'''Quellen''' |
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Übrigens glaubt die Theologie der Revolution, dass die ersten Christen Revolutionäre waren, und erst später alles über Aufstände aus der Bibel und den Kirchengeschichtsbüchern eliminiert wurde. |
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* [[Eberhard Nestle]], [[Barbara Aland]]: ''Novum Testamentum Graece.'' 28. Auflage, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2012, ISBN 3-438-05159-1 |
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'''Historisches Umfeld''' |
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In den Berichten der beiden [[römisch]]en Autoren [[Gaius Cornelius Tacitus|Tacitus]] (innerhalb seinen 117/118 n. Chr. entstandenen ''[[Annalen]]'') und [[Sueton]] (das ''[[Judenedikt des Claudius]]'') wird jeweils über [[Christen]] und den Namensgeber dieser Gruppen berichtet; in diesen im 2. Jahrhundert entstandenen Schriften wird allerdings nicht auf die Person Jesus selbst eingegangen. |
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* [[Werner Dahlheim]]: ''Die Welt zur Zeit Jesu.'' Beck, München 2013, ISBN 978-3-406-65176-2. |
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* [[Hartmut Stegemann (Theologe)|Hartmut Stegemann]]: ''Die Essener, Qumran, Johannes der Täufer und Jesus.'' 10. Auflage, Herder, Freiburg 2007, ISBN 978-3-451-05881-3. |
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* [[Amy-Jill Levine]], Dale C. Allison Jr., John Dominic Crossan: ''The Historical Jesus in Context.'' Princeton University Press, Princeton 2006, ISBN 0-691-00991-0. |
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* Craig A. Evans: ''Jesus and His Contemporaries: Comparative Studies.'' Brill Academic Publications, Leiden 2001, ISBN 0-391-04118-5 |
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'''Zum historischen Jesus''' |
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Tacitus schreibt: |
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* [[Wolfgang Treitler]]: ''Jesus, Josefs Sohn. Der Messias als Tor des Bundes.'' Brill, Schöningh, Paderborn 2023. |
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:''Der Mann, von dem sich dieser Name herleitet, Christus, war unter der Herrschaft des Tiberius auf Veranlassung des Prokurators Pontius Pilatus hingerichtet worden; und für den Augenblick unterdrückt, brach der unheilvolle Aberglaube wieder hervor, nicht nur in Judäa, dem Ursprungsland dieses Übels, sondern auch in Rom, wo aus der ganzen Welt alle Gräuel und Scheußlichkeiten zusammenströmen und gefeiert werden.'' |
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* Gerd Theißen, [[Annette Merz]]: ''Wer war Jesus? Der erinnerte Jesus in historischer Sicht. Ein Lehrbuch.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2023, ISBN 978-3-8252-6108-5; Neuauflage von Gerd Theißen, Annette Merz: ''Der historische Jesus. Ein Lehrbuch.'' 4. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-52198-4 |
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: Annales 15, 44, 13; zitiert nach Roloff, Jesus (s. Literaturliste) |
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* [[Michael Wolter]]: ''Jesus von Nazaret.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, ISBN 978-3-7887-3406-0 |
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* Jens Schröter, [[Christine Jacobi]], Lena Nogossek (Hrsg.): ''Jesus Handbuch.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2017, ISBN 978-3-16-153853-7 |
|||
* [[Reza Aslan]]: ''Zelot. Jesus von Nazareth und seine Zeit.'' Rowohlt, Hamburg 2013, ISBN 978-3-498-00083-7 |
|||
* [[Wolfgang Stegemann]]: ''Jesus und seine Zeit.'' Kohlhammer, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-17-012339-7 |
|||
* [[Walter Homolka]]: ''Jesus von Nazareth im Spiegel jüdischer Forschung.'' Hentrich & Hentrich, Berlin 2010, ISBN 978-3-942271-01-1 |
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* [[Darrell Bock]], Robert L. Webb: ''Key events in the life of the historical Jesus: a collaborative exploration of context and coherence.'' Mohr Siebeck, Tübingen 2009, ISBN 978-3-16-150144-9 |
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* James H. Charlesworth: ''The Historical Jesus. An Essential Guide.'' Abingdon, Nashville 2008, ISBN 978-0-687-02167-3 |
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* Jens Schröter, Ralph Brucker (Hrsg.): ''Der historische Jesus. Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung.'' De Gruyter, Berlin/New York 2002, ISBN 978-3-11-017511-0 |
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* [[David Flusser]]: ''Jesus.'' Rowohlt, Hamburg 2002, ISBN 3-499-50632-7 |
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* [[Susannah Heschel]]: ''Der jüdische Jesus und das Christentum. Abraham Geigers Herausforderung an die christliche Theologie.'' Jüdische Verlagsanstalt, Berlin 2001, ISBN 3-934658-04-0 |
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* [[Jürgen Roloff (Theologe)|Jürgen Roloff]]: ''Jesus.'' Beck, München 2000, ISBN 3-406-44742-2 |
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* [[Jürgen Becker (Theologe)|Jürgen Becker]]: ''Jesus von Nazaret.'' De Gruyter, Berlin 1996, ISBN 3-11-014882-X |
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* John Dominic Crossan: ''Jesus.'' Beck, München 1996, ISBN 3-406-39244-X |
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* [[Géza Vermes]]: ''Jesus der Jude. Ein Historiker liest die Evangelien.'' Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1993, ISBN 3-7887-1373-9 |
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* [[Joseph Klausner]]: ''Jesus von Nazareth. Seine Zeit, sein Leben und seine Lehre.'' 3., erweiterte Auflage, Athenaeum, Bodenheim 1992, ISBN 3-7610-0325-0 |
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* [[Schalom Ben-Chorin]]: ''Bruder Jesus. Der Nazarener in jüdischer Sicht.'' dtv, München 1987, ISBN 3-423-01253-6 |
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'''Zum Prozess''' |
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Man kann heute nicht nachvollziehen, ob Tacitus sich von christlichen Quellen leiten ließ oder selbst nachforschte, außer, dass eine Christus genannte Person von [[Pontius Pilatus]] hingerichtet wurde, finden sich hier keine weiteren Informationen. Aufgrund der geringen Bedeutung des Urchristentums im 2. Jahrhundert ist das aber nicht verwunderlich. |
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* [[Christoph Niemand]]: ''Jesus und sein Weg zum Kreuz: Ein historisch-rekonstruktives und theologisches Modellbild.'' Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-17-019702-2 |
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* [[Wolfgang Reinbold]]: ''Der Prozess Jesu.'' Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-61591-4. |
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* Géza Vermes: ''Die Passion. Die wahre Geschichte der letzten Tage im Leben Jesu.'' Primus, Darmstadt 2006, ISBN 3-89678-291-6 |
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* Chaim Cohn: ''Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht.'' Insel, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-458-34430-6 |
|||
* Raymond E. Brown: ''The Death of the Messiah. From Gethsemane to the Grave: A Commentary on the Passion Narratives in the Four Gospels.'' Yale University Press, 1999. Band 1: ISBN 0-300-14009-6; Band 2: ISBN 0-300-14010-X |
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* [[Peter Egger (Theologe)|Peter Egger]]: ''Crucifixus sub Pontio Pilato. Das „Crimen“ Jesu von Nazareth im Spannungsfeld römischer und jüdischer Verwaltungs- und Rechtsstrukturen.'' Aschendorff, Münster 1997, ISBN 3-402-04780-2 |
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* Karl Kertelge: ''Der Prozeß gegen Jesus. Historische Rückfrage und theologische Deutung.'' 2. Auflage, Herder, Freiburg im Breisgau 1991, ISBN 3-451-02112-9 |
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* [[Rudolf Pesch]]: ''Der Prozess Jesu geht weiter.'' Herder, Freiburg im Breisgau 1988, ISBN 3-451-08507-0 |
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* Pinchas Lapide: ''Wer war schuld an Jesu Tod?'' 4. Auflage, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1987, ISBN 3-579-01419-6 |
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* Otto Betz: ''Probleme des Prozesses Jesu.'' In: [[Aufstieg und Niedergang der römischen Welt]] II.25.1, De Gruyter, Berlin 1982, S. 566–647 |
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* David Flusser: ''Die letzten Tage Jesu in Jerusalem. Das Passionsgeschehen aus jüdischer Sicht.'' Calwer, Stuttgart 1982, ISBN 3-7668-0676-9 |
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* [[August Strobel]]: ''Die Stunde der Wahrheit. Untersuchungen zum Strafverfahren gegen Jesus.'' Mohr Siebeck, Tübingen 1980, ISBN 3-16-143041-7 |
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* [[Paul Winter (Historiker)|Paul Winter]]: ''On the Trial of Jesus.'' De Gruyter, Berlin 1974 |
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== Weblinks == |
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===Forschungen zur Person=== |
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{{Commonscat|Jesus Christ|Jesus}} |
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{{Wikisource|Jesus|Jesus von Nazaret}} |
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; NT-Quelltexte |
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* [http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/novum-testamentum-graece-na-28/lesen-im-bibeltext/ Griechischer Urtext] ([[Novum Testamentum Graece|Nestle-Aland]] 28. A.) und Übersetzungen |
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* [http://nttranscripts.uni-muenster.de/ ''New Testament Transcripts Prototype'']. Griechischer Urtext, Nestle-Aland 27. A. nebst Textvariantenapparat |
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; Übersetzungen |
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[[bild:Christus-Ravenna-6.J..png|thumb|Christus aus S.Apollinare Nuovo, Ravenna - 6. Jahrhundert]] |
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* [https://www.bibleserver.com/ Bibleserver] |
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Seit dem frühen [[19. Jahrhundert]] versuchen [[Forscher]], ein Bild des Lebens und der Lebensumstände von Jesus zu zeichnen. Dazu werden die überlieferten christlichen [[Quelle (Geschichtswissenschaft)|Quellen]] sowie das sonstige [[Wissen]] über die [[Gesellschaft]] der Zeit heran gezogen. |
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; Bibliografien |
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Heute wird vielfach angenommen, dass Jesus nicht in [[Betlehem]] in einem Stall geboren wurde, und dass der Geburtsort später den [[Prophezeihung]]en des Alten Testaments angeglichen wurde. Auch die Herkunft aus Nazareth ist nicht sicher. |
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* {{DNB-Portal|118557513}} |
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* {{DDB|Person|118557513}} |
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* [[Herbert Frohnhofen]]: [http://www.theologie-systematisch.de/christologie/2leben.htm Auswahlbibliografie] zu Jesus von Nazaret |
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; Grundinformationen |
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Traditionsgemäß dürfte Jesus das [[Handwerk]] des Vaters erlernt haben und "''[[Tekton]]''" geworden sein, ein Handwerker, der vorwiegend im Baugewerbe tätig ist, jedoch generell mit Steinen, Stroh und Holz umgehen kann. Anhand von Rechnungen ist auch belegt, dass ein Tekton am Schleusenbau, bei der Instandhaltung von Schöpfrädern und der Ausbesserung von Sätteln mitgearbeitet haben kann. Vermutlich hat Jesus über keinerlei höhere Bildung verfügt, evtl. sprach er neben dem lokalen Dialekt etwas griechisch und konnte rudimentär lesen und schreiben; belegt ist dies jedoch nicht. Andere Forscher gehen jedoch davon aus, dass Jesus zumindest Teile einer Ausbildung zum [[Rabbi]] genossen hat und somit auch die [[Hebräische Sprache|hebräisch]]e Sprache erlernte. |
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* Peter Philhofer: [http://www.neutestamentliches-repetitorium.de/inhalt/vorlesungen.html ''Der historische Jesus.''] Vorlesungsskript. Erlangen/Nürnberg 2009 |
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* Jon Swales: [http://ordinand.wordpress.com/historical-jesus-method-and-criteria/ ''Historical Jesus: Method and Criteria.''] Bristol 2008 |
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; Einzelthemen |
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Wie Jesus seine Jugendzeit verbracht hat, ist unklar. Möglicherweise hat Jesus als Gehilfe Josefs beim Wiederaufbau der nahe gelegenen Stadt [[Sepphoris]] mitgearbeitet, die durch [[Varus]] und seine [[Legion]]en zerstört worden war. Nazareth selbst dürfte keine Basis für die Ernährung der achtköpfigen Familie von Josef und Maria geboten haben. |
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* Christoph Rall: [http://jesus-der-christus.info/histjesu.htm ''Außerbiblische Notizen zum historischen Jesus''] |
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* Marcus Cohn: [http://www.juedisches-recht.de/rec_prozess_jesu.php ''Der Prozess Jesu nach jüdischem Recht''] |
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== Einzelnachweise == |
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Spekuliert wird, dass Jesus ein illegitimes bzw. voreheliches Kind Marias sei. Dem widersprechen jene Forscher, die den gesamten Überlieferungskomplex von der "unregelmäßigen" Geburt auf christologisches Interesse zurückführen. Üblich war in dieser [[Nachname|nachname]]nlosen Zeit, dass Söhne nach ihrem Vater als "Sohn des..." bezeichnet wurden, Jesus wurde jedoch als "Sohn der Maria" bezeichnet (seit wann, ist unklar). Jesus wäre dann ein Außenseiter in seinem Heimatdorf gewesen, was wiederum seine spätere Zuwendung zu anderen gesellschaftlichen Außenseitern erklären könnte. |
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<references responsive /> |
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{{Exzellent|20. April 2005|5442734}} |
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Ziemlich sicher ist, dass Jesus kurz vor seinem 30. Lebensjahr seine Familie verließ und nach [[Kapernaum]] umzog. Sein mutmaßlicher Vater Josef war wahrscheinlich bereits tot, jedenfalls wird er in keiner Quelle mehr erwähnt. Mit diesem Schritt verstößt Jesus nach Ansicht von Kritikern gegen das [[Zehn Gebote|vierte Gebot]] und seine Pflicht, als erster Sohn sich weiter um die Familie zu kümmern. Nach den gesellschaftlichen und moralischen Vorstellungen seiner Zeit ist er damit mit einem [[Mörder]] und einem [[Ehebruch|Ehebrecher]] gleichzusetzen. Von seiner Familie wird bei [[Markusevangelium|Markus]] gesagt, dass sie Jesus aufhalten wollten und dass sie erklärten, er sei von Sinnen. |
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{{Normdaten|TYP=p|GND=118557513|LCCN=n79084784|NDL=00565948|VIAF=141145970137232251241|REMARK=Ansetzungsform GND: „[[Jesus Christus]]“.|NDLSachbegriff=1}} |
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Zur Zeit Jesu gab es eine Reihe von [[Eschatologie|eschatologischen]] Wanderpredigern mit mehr oder weniger großer [[Gemeinde]]. Einer davon war [[Johannes der Täufer]], dem sich Jesus vermutlich nur für wenige Wochen anschloss. Vielleicht gab es Berührungspunkte oder eine zeitweilige Zugehörigkeit beider zur Gruppe der [[Essener]]. Anschließend predigte er selbst auf charakteristisch andere Weise vom [[Reich Gottes]], wobei sein Wirkungskreis auf ein kleines Gebiet am [[See Genezareth]] beschränkt war, das durch das Städtedreieck [[Kapernaum]]-[[Bethsaida]]-[[Chorazim]] eingegrenzt wird. Das sehr flache Dreieck hat eine Seitenlänge von weniger als 20 km, wobei Kapernaum an der Spitze des Dreiecks zwischen den anderen beiden Städten liegt. Insofern ist verständlich, dass nichtchristliche zeitgenössische Quellen kein Material zu Jesus liefern: Er war eine unbedeutende Randfigur, ein [[Wanderprediger]] unter vielen, der in einem provinziellen Gebiet unterwegs war, das keinerlei besondere Bedeutung im [[Römisches Reich|römischen Reich]] hatte. |
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{{SORTIERUNG:Jesus #Nazaret}} |
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Vermutlich lernte Jesus [[Petrus]] und dessen Bruder [[Andreas]] bei Johannes dem Täufer kennen. Im Haus von Petrus, das in Kapernaum lag (zu jener Zeit ein Fischerstädchen mit ca. 1000 Einwohnern) richtete er eine Art Hauptquartier ein. Möglicherweise wurde er dort von einigen Reisenden gehört, die auf der Fernstraße [[Via Maris]] nach [[Syrien]] oder [[Ägypten]] unterwegs waren. [[Archäologe]]n bestätigen die Existenz eines Gebäudes, das seit frühchristlicher Zeit als [[Pilgerstätte]] diente und möglicherweise das Haus des Petrus war. |
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[[Kategorie:Jesus| ]] |
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[[Kategorie:Jude (Altertum)]] |
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Jesus stellte viele [[Tradition]]en und [[Brauch|Bräuche]] auf zum Teil umstürzlerische Weise in Frage, so die [[Sabbat]]-Heiligung, die [[Todesstrafe]] für eine Frau bei [[Ehebruch]] ("Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie") und das Gebot, die Eltern zu ehren ("Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert."). Zugleich radikalisierte er die [[Gebot]]e über ihren Wortlaut hinaus ([[Bergpredigt]]). Er stellte die führenden Gesellschaftsschichten, die Reichen und die [[Schriftgelehrte]]n in Frage. Seine Anhängerschaft rekrutierte sich ausschließlich aus [[Juden]], er vermied aber den Kontakt mit Nichtjuden nicht. |
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[[Kategorie:Person im Neuen Testament]] |
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[[Kategorie:Prophet des Islam]] |
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(Anmerkung: "Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie" ist nicht im originalen Johannes-Evangelium enthalten. Obwohl diese Stelle nach dem Original-Jesus klingt, ist sie eine Erfindung eines Kopisten, oder aber eine Einfügung aus einer unbekannten anderen Quelle.) |
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[[Kategorie:Märtyrer]] |
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[[Kategorie:Exorzist]] |
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Jesus bezeichnete sich wohl selbst als "[[Messias]]", was bedeutete, oberste Autorität des [[Judentum]] zu sein. Unter der [[Priester]]schaft wie auch unter der regierenden Klasse der mit der römischen Besatzungsmacht kollaborierenden Juden ist dies ein [[Politikum]] gewesen. Die Gefahr der Destabilisierung, besonders Unruhen im Vorfeld des [[Pessach]]-Festes (unmittelbar vor seiner Festnahme und Hinrichtung), zu dem Jesus mit seiner Anhängerschaft nach [[Jerusalem]] gereist ist, können eine akute Gefahr gewesen sein – Jesus hatte schließlich [[Galiläa]] verlassen, um sich Jerusalem und damit dem Zentrum des Glaubens zuzuwenden, möglicherweise enttäuscht und gescheitert, da er die Städte Galiläas laut Markus und [[Lukasevangelium|Lukas]] verfluchte, da sie sich nach seiner [[Predigt]] nicht gebessert hätten. |
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[[Kategorie:Hingerichtete Person (1. Jahrhundert)]] |
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(Parallele der Zeitgeschichte: [[Moktada al Sadr]] und [[Nadschaf]]) |
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[[Kategorie:Hingerichtete Person (Römisches Reich)]] |
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[[Kategorie:Person (Nazareth)]] |
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Tatsächlich provoziert Jesus einen Aufruhr beim Jerusalemer [[Tempel]]. Im Vorhof des Tempels, der im Gegensatz zum hinteren Tempelbereich auch dem gemeinen Volk und Nicht-Juden zugänglich ist, hatten sich Händler und Geldwechsler eingerichtet. Die Händler sind historisch betrachtet ebenso wichtig wie die Priester: Der Handel im Vorhof ist eine feste Institution, denn nur sie verkaufen die Opfer, die ausschließlich im Jerusalemer Tempel dargebracht werden können. Ohne die Opfer können aber die religiösen Riten nicht vollzogen werden. Der Angriff auf die Händler kann als höchster [[Tabu]]bruch betrachtet werden, nicht als Reinigung, sondern als ein Angriff auf die bestehende Ordnung und die [[Elite]] des Judentums. Jesus befindet sich allerdings hier in bester jüdischer Tradition, auch Jeremia, den er zitiert, hat kritisiert, dass aus dem Hause des Vaters (=Gottes) eine Räuberhöhle gemacht wurde und spektakuläre Auftritte (Joch, Zerbrechen eines Gefäßes) gefeiert. |
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[[Kategorie:Zimmerer]] |
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[[Kategorie:Geboren im 1. Jahrhundert v. Chr.]] |
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Jesus entkommt, wird aber gesucht und möglicherweise durch [[Verrat]] gefunden. Ein kurzer Prozess folgt. Zwei Tage nach dem Zwischenfall beim Tempel wird Jesus hingerichtet. Die Todesart war [[Kreuzigung]]. Damit wurde das Urteil von [[Pontius Pilatus]] ausgesprochen, da nur die Römer das Recht hatten, Todesurteile auszusprechen. Kreuzigung war die übliche römische Todesstrafe für Nichtrömer. Der Umstand, dass Jesus ''von den Römern'' als "König der Juden" hingerichtet worden ist, bedeutet als Schuldspruch: Anzettelung von Aufruhr. Die übliche jüdische Todesstrafe nach dem Alten Testament war die Steinigung (siehe Jakobus). |
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[[Kategorie:Gestorben im 1. Jahrhundert]] |
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Falls Jesus als "König der Juden" verurteilt worden ist, bedeutet dies automatisch, dass er bei der Anklage die Frage, ob er der Messias wäre, nicht verneint hat. |
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Was ist das besondere, einzigartige an der Lehre Jesu, die im Alten Testament oder von hellenistischen Philosophen ([[Hellenismus]]) aufgezeigt wurde? |
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Nichts ist originär neu! |
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Nach Harnack ist dies das [[Gleichnis vom verlorenen Sohn]]: |
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* Gott verlangt nichts, kein [[Sündenbekenntnis]], kein [[Opfer]], keine Leistung, Gott freut sich einfach über die Heimkehr, dies ist so im Judentum, dem Glauben Jesu schon vorhanden. |
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Die Liebe Gottes und die [[Erbsünde]], die Innovation des sündigen Fleisches und des rechtgläubigen, reinen Geistes, geht per missio ([[Missionierung]]) über die ganze Welt. Das [[Judentum]] kennt diese Geborgenheit im Hinblick auf die Seele. Die Seele ist rein und kann durch die Taten auf Erden nicht befleckt werden. Sie geht rein wieder zu Gott ein. Jedoch steht das Judentum fest im Rahmen von heiligen Gesetzen und religiösen Pflichthandlungen, die vielfach vom frühen Christentum adaptiert und bedeutungsgewandelt wurden und zudem durch zahlreiche heidnische Bräuche ergänzt wurden. |
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Das [[Turiner Grabtuch]] stellt möglicherweise einen heidnischen Zugang zum historischen Jesus dar, in der Tradition der mittelalterlichen [[Aberglaube|abergläubischen]] [[Reliquienverehrung]]. Es enthalte das Abbild eines Gekreuzigten, die Spuren folgen den Passionsberichten. Die Wissenschaft, wie viele Gläubige bezweifelt allerdings die [[Authentizität]] sowie die Aussagekraft der Spuren des Tuches. |
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''Literatur'': Propyläen Weltgeschichte und GEO 1/2004 |
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===Spekulationen zum historischen Jesus=== |
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Bei einem so emotionalen Thema bleibt es nicht aus, dass Spekulationen von mehreren Seiten zur historischen jüdischen Person des Jesus angestellt werden. Die drei größten und gegenläufigsten Pole sind hier dargestellt: |
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====Jesus als Spartacus-Ersatz==== |
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Einige Forscher gehen heute davon aus, dass Jesus und besonders seine Kreuzigung nur die ideologisierte Verkörperung des Spartacus sind, dessen Ende und die Kreuzigung von 6000 seiner Anhängiger in breiten Schichten in der römischen Gesellschaft nie verarbeitet wurden. |
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Diese These strapaziert allerdings die Sozialpsychologie und konstruiert eine Art Projektion von enttäuschter Hoffnung von dem gescheiterten Soldatenheerführer und Militärstrategen auf den Prediger und Heiler des Reiches Gottes. Dabei ist dieser historisch gesehen noch viel mehr gescheitert: |
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"Das Reich Gottes blieb aus, stattdessen kam die Kirche." (D. F. Strauß) |
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Weniger von der Seite ihrer späteren Wahrnehmung her als von der Seite ihrer tatsächlichen Ziele und Adressaten her kann man Jesus mit Spartacus Seite an Seite stellen. So war auch Jesus von Anfang seines Auftretens in der Rolle eines Befreiers für die Armen und Unterdrückten. |
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(Fortsetzung folgt...) |
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====Johannesevangelium als Augenzeugenbericht==== |
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Vor allem strenggläubige Christen sehen im Evangelium des Johannes ein authentisches Zeugnis eines Jüngers Christi; das Johannesevangelium spricht sich selbst dem "Jünger, den Jesus liebte" zu, und in Johannes 21 heißt es: |
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:''24 Das ist der Jünger, der von diesen Dingen zeugt und der dies geschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist.'' |
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:Zitiert nach revid. [[Elberfelder Bibel]] |
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Die liberale Theologie geht von einer Endredaktion des Johannesevangelium in den Jahren 100–120 n. Chr. aus, wobei ältere Traditionen verwendet wurden und hält es wegen seiner bildhaften Sprache für eine [[Pseudepigraph]]e aus dem Johannes-Schriftkreis. |
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====Jesus als fiktive literarische Gestalt==== |
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Manche [[Atheist]]en sehen das Fehlen von Zeugnissen aus der eigentlichen Wirkungszeit Jesu (um 29–30 oder 32–33 n. Chr.) als Anlass, an der Historizität Jesu selbst zu zweifeln. Es gibt überdies Abhandlungen, die Jesus als Personifikation jüdischer Wunschvorstellungen der damaligen Zeit sehen, beispielsweise als eine Abwandlung von [[Cäsar]] (das Schwert zu bringen bin ich gekommen etc.). Das Fehlen von Zeugnissen von dritten Zeitgenossen wird dazu ebenfalls herangezogen. |
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Der heutige Wissensstand geht davon nicht aus; einerseits war das Christentum bis in das dritte Jahrhundert n. Chr. hinein eine Minderheitenreligion und Palästina gehörte im [[Römisches Reich|Römischen Reich]] zum Hinterland. Andererseits wären Zeugnisse aus jener Zeit auch Verfälschungen durch Gläubige im späten Altertum und frühen Mittelalter ausgesetzt gewesen (siehe [[Testimonium Flavianum]]), die nicht viel davon übrig gelassen hätten. Dazu kommt, dass das Judenchristentum, dem Zeitgenossen Jesu angehört hätten, von einer dominierenden Stellung zu einer Minderheit und Irrlehre wurde (heute noch ist der [[orthodox|orthodoxe]] [[Patriarch]] von Jerusalem in der Rangfolge der fünf alten [[Patriarchat]]e der letztgenannte), was auch viele seiner Schriften kostete. |
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Alleine von den Tatsachen her erklärt dieser Ansatz nicht, wie sich die christliche Religion nahezu direkt nach dem – in diesem Falle fiktiven – Hinrichtungsdatum im Jahre 30 oder 33 ausbreiten konnte, und dass Zeugnisse von Gläubigen dieser Zeit (wie der [[Apostel Paulus]]) klar darauf hindeuten, dass diese an Jesu Leben und Hinrichtung geglaubt haben. Gegen die Version der jüdischen Wunschvorstellungen spricht die Neuartigkeit und Radikalität der Lehre Jesu und dessen Ende durch Kreuzigung, was zu jener Zeit ein Ende in Schande bedeutete. |
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==Theologie== |
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=== Jesus im Neuen Testament === |
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Mit der Reflexion und Diskussion christlicher Glaubensaussagen über Jesus Christus beschäftigt sich die [[Christologie]]. |
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''Jesus von Nazareth'' oder ''Jesus Christus''? Für die traditionelle und [[evangelikal]]e [[Theologie]] handelt es sich um die gleiche Person, die historisch-kritische Theologie versucht dagegen, zwischen dem historischen Jesus von Nazareth und Christus terminologisch zu unterscheiden, je nachdem, ob man historisch oder religionsbezogen von Jesus redet. |
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Die Lehre von der [[Erbsünde]] ist eines der grundlegenden Elemente [[Christentum|christlicher]] [[Theologie]]. Allerdings wird der Begriff in der [[östlich-orthodoxe Kirchen|orthodox]]en, [[römisch-katholisch]]en, und [[evangelisch]]en Tradition unterschiedlich verstanden, wobei einzelne evangelische Traditionen nochmals ein unterschiedliches spezifisches Verständnis haben können. |
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Gemeinsam ist allen Traditionen die Lehre, dass der Mensch durch die Erbsünde von der Gemeinschaft mit Gott getrennt ist und aus eigener Kraft diese Gemeinschaft nicht wieder herstellen kann, und dass diese Trennung durch Jesus Christus überwunden wird. Über die genaue Art dieser Erlösung und den Weg dazu gibt es innerhalb der verschiedenen christlichen Konfessionen unterschiedliche Auffassungen. Die so genannte christliche ''Liebe Gottes'', ist der logische andere Pol dieser Lehre. |
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Weiteren besonderen Stellenwert nimmt im Christentum die [[Dreifaltigkeit]] ein. Diese Lehre besagt, dass [[Gott]] der Schöpfer, Jesus Christus und der [[Heiliger Geist|Heilige Geist]] eine Gottheit sind, zudem ist der zweite Teil, Jesus, auch Mensch. In dieser Form wird der christliche Gott angebetet. Das Wort [[Trinität]] wird weder von Jesus von Nazareth noch im Neuen Testament selbst verwendet, das Judentum, wie auch der [[Islam]], gibt Gott keine Gestalt, betet keine Menschen an und verwehrt sich tiefst gegen den Gedanken der Teilbarkeit Gottes. |
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Die Ausarbeitung und Abgrenzung der Erklärungsmodelle für die Dreifaltigkeit (Trinität, Dreieinigkeit) ist im Laufe der [[Dogma|Dogmen]]geschichte der frühen Kirche über längere Zeit hin erfolgt, mit der Minimierung von Widersprüchen. |
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Im allgemeinen wird die Entwicklung mit der Formulierung des [[Nicäno-Konstantinopolitanum|nicäisch-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses]] von [[Nicäa]] am [[erstes Konzil von Konstantinopel|ersten Konzil von Konstantinopel]] [[381]] als abgeschlossen angesehen. Bezüglich der [[Christologie]] gab es in den nächsten Jahrhunderten jedoch noch viele Auseinandersetzungen. Ein Meilenstein bedeutete hierbei jedoch das [[Konzil von Chalcedon]] (451 n. Chr., 4. [[Ökumene|ökumenisches]] Konzil), die größte [[Synode]] der [[Alte Kirche|Alten Kirche]]. Dort einigten sich die versammelten Theologen auf das Bekenntnis "Jesus Christus ist wahrer Mensch und wahrer Gott" ([[Zweinaturenlehre]]). Die Ergebnisse dieser Synode sind bis heute gemeinsame (ökumenische) Lehrgrundlage der christlichen Kirchen, mit Ausnahme der damals widersprechenden [[Altorientalische Kirchen|Altorientalischen Kirchen]]. |
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=== Jesus im Alten Testament === |
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Der Begriff ''Christus'' ist die Übersetzung des hebräischen ''maschiach'' (Messias – Gesalbter) ins Griechische. |
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Der Begriff bezeichnet im Alten Testament zunächst den König Israels oder Judas. In der Zeit nach dem babylonischen Exil (nach 539 v. Chr) kann auch der jüdische Hohepriester als "[[Gesalbter]]" tituliert werden (vgl. [[Sacharja (Buch)|Sach]] 4). Ein namentlich unbekannter Prophet aus der Zeit des babylonischen Exils (587–539 v. Chr.), auf den die Kapitel 40–55 des Jesajabuches zurückgehen, wendet die Titulatur sogar auf den persischen König [[Kyros] an (vgl. [[Jesaja (Buch)|Jes]] 45,1). |
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Erst sehr spät wird der Messiastitel auf einen erwarteten endzeitlichen Heilskönig angewandt. |
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Die Autoren des Neuen Testaments beziehen viele Passagen des Alten Testaments auf Jesus. In ihrer Deutung wird das Alte Testament auf vielschichtige Weise zu einer Prophetie auf den "Messias" Jesus Christus hin. – Einige Beispiele sind: |
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* [[Genesis (Buch)|Gen]] 49,10: Aus dem Stamm Juda (NT: [[Lukas (Evangelium)|Lk]] 3,33) |
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* [[Micha (Buch)|Mi]] 5,1: Geburtsort (NT: [[Matthäus (Evangelium)|Mt]] 2,1) |
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* [[Jesaja (Buch)|Jes]] 7,14: Von einer Jungfrau geboren (NT: Mt 1,18) |
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* [[Psalmen (Buch)|Ps]] 41,10: Von einem Freund verraten (NT: [[Markus (Evangelium)|Mk]] 14,10) |
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* [[Psalmen (Buch)|Ps]] 22,19: Soldaten werfen das Los um seine Kleider (NT: Mk 15,24) |
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''Siehe auch:'' [[Menschensohn]], [[Gottessohn]], [[Lamm Gottes]] |
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== Andere Ansichten == |
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Außerhalb des Christentums wird Jesus von Nazareth nicht als Sohn Gottes (Gott als Mensch) oder einziger [[Erlöser]] der Menschheit angesehen, der christliche Glaube nicht als der einzige [[rechter Glaube|rechte Glaube]] angesehen, auch die [[Erbsünde]] ist unitär christlich und das [[Heiland|Heil]] erhalten sie durch ihre jeweiligen Religionen oder ohne jeden Glauben. |
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Positive Ansichten reichen von einer Einreihung Jesu in untergeordneter Rolle in die eigene Religion bis zur Rolle eines außergewöhnlichen Menschen, zwischen Rhetoriker und [[Magier]]; andere Ansichten betrachten ihn als religiösen Verführer, Aufruhestifter, Sektierer oder bestreiten seine historische Existenz oder, wie im Judentum, ignorieren ihn. |
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== Judentum == |
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Das [[Judentum]] erkennt Jesus nicht als göttlichen Erlöser und Messias an, da die Erwartungen an den Messias durch Jesus von Nazareth nicht erfüllt wurden. Jesus, im jüdischen [[Talmud]] meist nur "[[jener Mann]]" genannt, betrieb nach diesen Quellen [[Zauberei]], spottete über die Weisen, hatte fünf Jünger und war uneheliches Kind des römischen Soldaten [[Panthera (römischer Soldat)|Panthera]] - Parallelen dazu finden sich im koptischen [[Thomasevangelium]] (Logie 105) und bei [[Celsus]]. Außerdem sei er am Vorabend des Pessachfestes gehängt worden, nachdem sich trotz vierzigtägiger Suche kein Entlastungszeuge gefunden habe (bSanh43a). (Diese nüchternen nicht [[Eschatologie|eschatologischen]] Beschreibungen entstanden zu einer Zeit, als das Judentum bereits schwer unter dem christlichen [[Antijudaismus]] litt.) |
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Diese Beschreibungen machen deutlich, das das Christentum als mit dem Judentum unvereinbar abgelehnt wird, während der historische Jesus noch in der Glaubensvielfalt seiner jüdischen Religion getragen wurde. Der Bruch erfolgt mit den [[Paulus-Briefe|Briefen des Paulus]] und der urchristlichen Mission, mit der Lehre von der Erbsünde und der Anbetung des Messias, der eine Mensch ist, durch [[Paulus]] und die [[Urchristen]]. |
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Es gibt in neuerer Zeit einige jüdische Intellektuelle, die den Versuch unternehmen, Jesus in einer positiven Weise ins Judentum "heimzuholen", nicht als Messias, aber als eine herausragende jüdische Figur. Beispiele dafür sind [[Martin Buber]], [[Pinchas Lapide]] und [[Shalom Ben-Chorin]], sowie die evangelikalen und allgemein christlichen so genannten [[Messiansche Juden]]. |
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== Islam == |
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Der [[Koran]], die heilige Schrift des [[Islam]], erzählt vom Leben Isas, der in vielem Jesus gleicht, sich aber in einigen Punkten radikal von Jesus unterscheidet. Wenn [[Muslim]]e von Jesus sprechen, meinem sie meist Isa. Weiteres zu Isa sie unter [[Isa (Prophet)]]. |
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== Manichäismus == |
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Nach den Lehren [[Mani]]s wurde Jesus den Menschen gesandt, um sie über die göttliche Vernunft aufzuklären. Jesus spielt in der Religion Manis, speziell die Kosmologie, eine ganz wichtige Rolle. |
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== Östliche Religionen == |
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Einige östliche Religionen ([[Hinduismus]], [[Buddhismus]]) ordnen Jesus als [[Guru]] oder Weisheitslehrer in ihr [[Weltbild]] ein, ohne ihm eine universelle Erlöserrolle zuzugestehen. |
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==Atheismus== |
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[[Atheismus|Atheisten]] haben sehr unterschiedliche Ansichten in Bezug auf Jesus. Teilweise bezweifeln sie die Glaubwürdigkeit biblischer Aufzeichnungen oder verneinen die Existenz des historischen Jesus von Nazareth. |
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Manche akzeptieren Jesus als philosophischen Lehrer, ohne ihn als Erlöser zu verstehen. Andere glauben an seine historische Existenz, sehen ihn aber als einen [[Sekte|sektiererischen]] [[Demagoge]]n und [[Verführung|Verführer]] an. Es gibt auch Atheisten die das "Wirken" Jesu als wichtig und gut ansehen, hier gilt er als Mensch, der Menschen geholfen hat. |
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== Weiterführende Informationen == |
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===Siehe auch=== |
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*[[Jehoschua]], [[Josua]], [[Jesus Ben Joseph]], [[Jesus]], [[Christus]], [[Eingeborener Sohn]], [[Christentum]], [[Messias]], [[Agnus Dei]], [[Messianisches Judentum]], [[Turiner Grabtuch]], [[Auferstehung]], [[Menschenopfer]] |
|||
===Kunstwerke=== |
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*[[Kontrafaktur]], [[Passionsspiel]]e, [[Heliand]] (Langzeilen-Epos), [[Platytera]], |
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*[[Passionskantate]], [[Oratorium]], [[Jesus Christ Superstar]], [[Godspell]] (Rock-Musical) |
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*[[Madonna]], [[Kruzifix]], [[Vorauer Handschrift]] und [[Transfiguration]] |
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===Verfilmungen=== |
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*''[[Die Passion Christi]]'', [[2004]] (Regie: [[Mel Gibson]], [http://www.passion-film.de Zur Diskussion]) |
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*''[[Jesus von Nazareth]]'', [[1977]] (Regie: [[Franco Zeffirelli]]) |
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*''[[The Gospel according to St. Matthew]]'' [[1964]] (Regie: [[Pier Paolo Pasolini]]) |
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*''[[The Gospel of John]], [[2004]]'' (Regie: [[Philip Saville]]) |
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*''[http://www.jesus-film.de/ Der Jesus-Film]'', [[1979]] (Regie: [[John Heyman]]) |
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* Das Leben von Jesus Christus, [[1976]] ([[Franco Zeffirelli]]) |
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=== Literatur === |
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Ältere Standardwerke: |
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* [[Eduard Meyer]]: ''Urgeschichte des Christentums'', 5. Aufl. 1921, ISBN 388851200X (Nachdruck) |
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* [[Carl Schneider]]: Geistesgeschichte der christlichen Antike. DTV-Verlag, München 1978. |
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Moderne Standardwerke aus exegetischer Perspektive: |
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* [[Gerd Theißen]] und [[Annette Merz]]: Der historische Jesus. Vandenhoeck & Ruprecht. 3. Auflage 2001 ISBN 352552143X. |
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* [[Jürgen Roloff]]: Jesus. Beck Verlag. 2000. |
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Werke aus systematisch-theologischer Perspektive: |
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* [[Walter Kasper]]: Jesus, der Christus. Mainz (Grünewald) 1974. |
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Werke aus ergänzenden oder korrigierende Perspektiven: |
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* [[Rudolf Augstein]]: ''Jesus Menschensohn''. dtv Taschenbücher Bd. 30822. 2001. ISBN 3-423-30822-2 |
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* [[Carsten Peter Thiede]]: "Jesus, der Glaube, die Fakten" 2003, ISBN 3-929246-95-3 |
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* [[Gerd Lüdemann]]: Jungfrauengeburt. Radius Verlag, Stuttgart 1997 |
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* [[Karlheinz Deschner]]: Abermals krähte der Hahn. Eine kritische Kirchengeschichte. Goldmann Verlag. 4. Auflage, Taschenbuchausgabe 1996. |
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* [[Uta Ranke-Heinemann]]: Nein und Amen. 1992, 1994, 2002, Heyne Verlag, ISBN 3453211820 |
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* [[Harry M. Kuitert]]: Kein zweiter Gott. 1998 niederländisch, 2004 deutsch Patmos Verlag, ISBN 3-491-77052-1 |
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Werke aus jüdischer Perspektive: |
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*[[Pinchas Lapide]]: Der Jude Jesus, ISBN 3491694051 |
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* W. Gunther Plaut (Hrsg.); "Die Tora. In jüdischer Auslegung.", Band 1, Genesis; Gütersloh, 1999,ISBN 3579026461 |
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:Das Alte Testament mit Kommentar in jüdischer Auslegung, Deutsch - Hebräisch. |
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*Susannah Heschel: Der jüdische Jesus und das Christentum |
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*[[Abraham Geiger]]: Herausforderung an die christliche Theologie; Jvb, Jüdische Verlagsanstalt, Berlin, März 2001, ISBN 3934658040 |
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===Weblinks=== |
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* [http://www.jesus.de Internetmagazin zum Thema: Jesus] |
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* [http://www.buber.de/cj/chrjud7.htm Zur Erneuerung unseres Verhältnisses zum Judentum] - Synodalerklärung vom 24. April 1990 |
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[[af:Jesus Christus]] |
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|NAME=Jesus von Nazaret |
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Aktuelle Version vom 26. März 2025, 15:50 Uhr

Jesus von Nazaret (hebräisch Jeschua oder Jeschu, gräzisiert Ἰησοῦς; * zwischen 7 und 4 v. Chr., wahrscheinlich in Nazareth; † 30 oder 31 in Jerusalem) war ein jüdischer Wanderprediger. Etwa ab dem Jahr 28 trat er öffentlich in Galiläa und Judäa auf. Zwei bis drei Jahre später wurde er auf Befehl des römischen Präfekten Pontius Pilatus von römischen Soldaten gekreuzigt.
Das Neue Testament (NT) ist als Glaubensdokument der Urchristen zugleich die wichtigste Quelle für die historische Jesusforschung. Danach hat Jesus Nachfolger berufen, den Juden seiner Zeit das nahe Reich Gottes verkündet und sein Volk darum zur Umkehr aufgerufen.[1]
Seine Anhänger verkündeten ihn nach seinem Tod als Jesus Christus, den Messias und Sohn Gottes. Daraus entstand eine neue Weltreligion, das Christentum. Auch außerhalb des Christentums wurde Jesus bedeutsam.
Die Quellen und ihre Auswertung
Jesus hat keine Schriften hinterlassen. Fast das gesamte historische Wissen über ihn stammt von seinen Anhängern, die ihre Erinnerungen an ihn nach seinem Tod weitererzählten, sammelten und aufschrieben.
Nichtchristliche Quellen
Wenige jüdische, griechische und römische Autoren der Antike erwähnen Jesus, jedoch fast nur seinen Christustitel und seine Hinrichtung. Woher ihre Kenntnis stammte, ist unsicher.
Der jüdische Historiker Flavius Josephus erwähnt Jesus in seinen Jüdischen Altertümern (um 93/94) zweimal. Die erste Stelle, das Testimonium Flavianum (18,63 f.), galt früher als komplett eingefügt, heute wird es nur als von Christen überarbeitet betrachtet. Sein vermutlich authentischer Kern beschreibt Jesus als von vornehmen Juden angeklagten, von Pilatus zum Kreuzestod verurteilten Weisheitslehrer für Juden und Nichtjuden, dessen Anhänger ihm treu geblieben seien. Die zweite Stelle (20,200) berichtet über die Hinrichtung des Jakobus und bezeichnet ihn als Bruder Jesu, „der Christus genannt wird“. Manche Historiker bezweifeln, dass ein Jude Jesus so bezeichnet hätte, für andere bezieht sich dies auf die erste Stelle zurück.[2]
Der römische Geschichtsschreiber Tacitus berichtet um 117 von „Chrestianern“, denen Kaiser Nero die Schuld am Brand Roms im Jahr 64 zugeschoben habe, und notiert in seinen Annales (15,44): „Dieser Name [Christiani] stammt von Christus, der unter Tiberius vom Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden war.“ Unklar ist, ob sich diese Notiz auf römische oder christliche Quellen stützt. Möglicherweise erfuhr Tacitus während seiner Statthalterschaft im Osten des Reiches davon.[3]
Weitere Notizen von Sueton, Mara Bar Serapion und im babylonischen Talmud (Traktat Sanhedrin 43a) beziehen sich nur beiläufig oder polemisch auf ihnen bekannt gewordene christliche Überlieferung.
Christliche Quellen
Informationen über Jesus werden großenteils den vier kanonischen Evangelien, manche auch den Paulusbriefen, einigen Apokryphen und außerhalb davon überlieferten Einzelworten (Agrapha) entnommen. Diese Texte stammen von Urchristen jüdischer Herkunft, die an die Auferstehung Jesu Christi glaubten (Mk 16,6; Apg 2,32) und authentische Erinnerungen an Jesus mit biblischen, legendarischen und symbolischen Elementen verbanden. Damit wollten sie Jesus als den verheißenen Messias für ihre Gegenwart verkündigen, nicht biografisches Wissen über ihn festhalten und vermitteln. Gleichwohl enthalten diese Glaubensdokumente auch historische Angaben.
Die zwischen 48 und 61 entstandenen Paulusbriefe nennen kaum biografische Daten Jesu, zitieren aber einige seiner Worte und Aussagen aus der Jerusalemer Urgemeinde über ihn, die entsprechende Evangelienangaben bestätigen. Auch der Brief des Jakobus spielt öfter auf Eigenaussagen Jesu an und gilt manchen Neutestamentlern als mögliche Quelle dafür, falls er von Jesu Bruder stammt.[4]
Wegen Anspielungen auf die Zerstörung des Jerusalemer Tempels (Mk 13,2; Mt 22,7; Lk 19,43 f.) werden die drei synoptischen Evangelien meist auf die Zeit nach 70 datiert. Daher kannte wahrscheinlich keiner der Autoren Jesus persönlich. Sie übernahmen jedoch ältere Überlieferung, die mit auf Jesu erste Nachfolger aus Galiläa zurückgeht.[5] Den Autoren des Matthäus- und Lukasevangeliums lag nach der weithin akzeptierten Zweiquellentheorie das Markusevangelium oder eine Vorform davon vor. Sie übernahmen die Komposition und die meisten Texte daraus und veränderten diese nach ihren eigenen theologischen Absichten. Ihre sonstigen gemeinsamen Stoffe werden einer hypothetischen Logienquelle Q mit gesammelten Reden und Sprüchen Jesu zugewiesen, deren Verschriftung auf 40 bis 70 datiert wird.[6] Ähnliche Spruchsammlungen enthält das vermutlich in Syrien entstandene Thomasevangelium. Ihre frühesten, zuvor jahrelang mündlich überlieferten Bestandteile (Lk 1,2) stammen von Jesu ersten Anhängern und können originale Jesusworte bewahrt haben. Auch ihr jeweiliges Sondergut und das um 100 entstandene Johannesevangelium können unabhängig überlieferte historische Angaben zu Jesus enthalten.
Die Evangelisten überarbeiteten ihre Quellen auf je eigene Weise für ihre Missions- und Lehrabsichten, erzählen die Ereignisse vom Einzug Jesu in Jerusalem bis zu seiner Grablegung jedoch in fast derselben Reihenfolge. Diese gemeinsamen Texte werden auf einen Passionsbericht aus der Urgemeinde zurückgeführt, der frühe Credoformeln narrativ entfaltete. Gemeinsame Grundzüge dieser Vorlage werden auf einen historischen Kern zurückgeführt. Der Autor des Markusevangeliums verknüpfte diesen Passionsbericht mit Jesusüberlieferung aus Galiläa und erweiterte ihn; seinen Aufriss übernahmen die übrigen Evangelisten.[7] Dabei veränderten sie manche der hier besonders häufigen Orts-, Zeit-, Personen- und Situationsangaben, so dass deren Historizität stark umstritten ist. Galten früher nur die von außerchristlichen Notizen bestätigte Kreuzigung Jesu durch Römer, seine Festnahme und ein Hinrichtungsbefehl des Statthalters als unstrittig historisch,[8] so nehmen heute viele Forscher an, dass die Jerusalemer Urchristen einige der zu Jesu Tod führenden Ereignisse zutreffend überlieferten: besonders in Textpassagen, deren Details auch das Johannesevangelium enthält und die gemäß jüdischen und römischen Quellen rechts- und sozialhistorisch plausibel wirken.[9]
Forschung
Seit etwa 1750 werden die urchristlichen Schriften mit den Methoden der historischen Kritik untersucht. Die Forschung unterscheidet darin historische Angaben von legendarischen, mythischen und theologischen Motiven. Viele Neutestamentler glaubten früher, sie könnten den Evangelien eine biografische Entwicklung Jesu entnehmen; oft ergänzten sie fehlende Daten spekulativ. Manche bestritten wegen der mythischen Elemente der Quellen Jesu Existenz (siehe Jesus-Mythos). Methodik und viele Einzelthesen der damaligen Leben-Jesu-Literatur gelten seit Albert Schweitzers Geschichte der Leben-Jesu-Forschung (1906/1913) als überholt.
Seitdem verfeinerten sich die historisch-kritischen Textanalysen. Ab 1950 wurden zunehmend außerbiblische Quellen herangezogen, um die historische Glaubwürdigkeit der NT-Überlieferung zu überprüfen. Ab etwa 1970 bezog man gewachsene Kenntnisse der Archäologie, Sozialgeschichte, Orientalistik und Judaistik zur Zeit Jesu stärker ein. Evangelische, katholische, jüdische und religionslose Historiker forschen heute teilweise gemeinsam, so dass ihre Ergebnisse weniger von weltanschaulichen Interessen bestimmt sind.[10]
Die weitaus meisten NT-Historiker entnehmen den Quellen, dass Jesus tatsächlich gelebt hat. Sie ordnen ihn ganz in das damalige Judentum ein[11] und nehmen an, dass sich seine Lebens- und Todesumstände, Verkündigung, sein Verhältnis zu anderen jüdischen Gruppen und Selbstverständnis in Grundzügen ermitteln lassen. Umfang und Zuverlässigkeit historischer Angaben im NT sind jedoch bis heute stark umstritten. Welche überlieferten Worte und Taten Jesu als historisch gelten, hängt von Vorentscheidungen über die sogenannten Echtheitskriterien ab.[12] Weithin anerkannt sind die Kriterien der Kontext- und Wirkungsplausibilität: „Historisch ist in den Quellen das, was sich als Auswirkung Jesu begreifen lässt und gleichzeitig nur in einem jüdischen Kontext entstanden sein kann.“[13]
Herkunft
Name
Jesus ist die latinisierte Form des griechischen männlichen Vornamens Ἰησοῦς, der seinerseits den hebräischen Vornamen Jehoschua und dessen aramäische Kurzformen Jeschua oder Jeschu übersetzt. Dieser Name setzt sich aus der Kurzform Jeho- des Gottesnamens JHWH und einer Form des hebräischen Verbs j(a)sch(a)ʿ („helfen, retten“) zusammen.[14] Demgemäß deuten Mt 1,21 und Apg 4,12 den Namen als Aussage: „Gott ist die Rettung“ oder „der Herr hilft“. Auch die gräzisierte Form blieb im damaligen Judentum geläufig und wurde nicht wie sonst üblich mit einem griechischen oder lateinischen Doppelnamen ergänzt oder von ähnlich klingenden Namen ersetzt.[15]
Einige Stellen setzen dem Vornamen „Josefs Sohn“ (Lk 3,23; 4,22; Joh 1,45) oder „Sohn der Maria“ (Mk 6,3; Mt 13,55), meist jedoch Nazarenos oder Nazoraios hinzu (Mt 26,71 EU; Joh 19,19 EU), um seinen Herkunftsort anzugeben (Mk 1,9). Mt 2,23 EU erklärt dies so: „(Josef) ließ sich in einer Stadt namens Nazaret nieder. Denn es sollte sich erfüllen, was durch die Propheten gesagt worden ist: Er wird Nazoräer genannt werden.“ Diese Weissagung kommt im Tanach nicht vor, kann aber auf den Ausdruck nēṣer („Spross“) in Jes 11,1 EU für den Messias als Nachkommen Davids anspielen. Eventuell deuteten die Evangelisten damit eine herabsetzende Fremdbezeichnung Jesu (Joh 1,46 EU: „Was kann aus Nazaret Gutes kommen?“) um. Die Bezeichnung Nazarenos für Jesus wurde auch auf Christen im syrischen Raum übertragen (nasraja) und ging in den Talmud als noṣri ein.[16]
Geburts- und Todesjahr
Das NT gibt kein Geburtsdatum Jesu an; es war den Urchristen unbekannt. Die christliche Jahreszählung beginnt mit dem (angenommenen) Jahr der Geburt Jesu Christi (* zwischen 7 und 4 v. Chr.).
Die NT-Angaben dazu sind widersprüchlich. Nach Mt 2,1 ff. und Lk 1,5 wurde er zu Lebzeiten des Herodes geboren, der laut Josephus 4 v. Chr. starb. Lk 2,1f. datiert Jesu Geburtsjahr auf eine von Kaiser Augustus angeordnete „erste“ römische Volkszählung durch Eintragung von Grundbesitz in Steuerlisten unter Publius Sulpicius Quirinius. Dieser wurde jedoch erst 6/7 n. Chr. Statthalter Roms für Syrien und Judäa. Eine frühere derartige Steuererhebung ist dort unbelegt und gilt wegen der Steuerhoheit des Herodes als unwahrscheinlich.[17] Lk 2,2 ist wahrscheinlich ein chronologischer Irrtum und dient als Anlass für die Reise vom Maria und Josef nach Bethlehem.[18] Versuche, Jesu Geburtstag durch astronomische Berechnungen einer mit dem Stern von Betlehem (Mt 2,1.9) identifizierten Himmelserscheinung zu bestimmen, sind bisher nicht überzeugend.[19] Somit wurde Jesus wahrscheinlich zwischen 7 und 4 v. Chr. geboren.[20]
Die Evangelien berichten zusammenhängend nur aus einem bis drei der letzten Lebensjahre Jesu. Nach Lk 3,1 trat Johannes der Täufer „im 15. Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius“ auf: Nach dieser einzigen exakten Jahresangabe im NT trat Jesus frühestens ab 28 auf, wohl seit der Täufer inhaftiert war (Mk 1,14). Damals soll er etwa 30 Jahre alt gewesen sein (Lk 3,23).[21]
Nach allen Evangelien wurde Jesus auf Befehl des römischen Präfekten Pontius Pilatus hingerichtet, der von 26 bis 36 in Judäa amtierte. Als Todestag Jesu überliefern sie den Vortag eines Sabbat (Freitag) während eines Pessach. Die Synoptiker nennen den Hauptfesttag nach dem Sederabend, also den 15. Nisan im jüdischen Kalender, das Johannesevangelium dagegen nennt den Rüsttag zum Fest, also den 14. Nisan. Nach kalendarisch-astronomischen Berechnungen fiel der 15. Nisan in den Jahren 31 und 34, der 14. Nisan dagegen 30 und 33 auf einen Freitag. Viele Forscher halten die johanneische Datierung heute für historisch glaubwürdiger.[22] Manche vermuten einen zusätzlichen Pessach-Sabbat am Tag vor dem Wochensabbat; dann wäre Jesus übereinstimmend an einem Donnerstag gekreuzigt worden.[23]
Die meisten Forscher halten das Jahr 30 für Jesu Todesjahr, weil Paulus von Tarsus zwischen 32 und 35 Christ wurde, nachdem er die Urchristen eine Weile verfolgt hatte.[24] Jesus wurde demnach zwischen 30 und 40 Jahre alt.
Geburtsort

Die Geburtsgeschichten des NT (Mt 1–2/Lk 1–2) gelten weitgehend als Legenden, da sie bei Mk und Joh fehlen, sich stark unterscheiden und viele mythische und legendarische Züge enthalten.[25] Dazu zählt man die Listen der Vorfahren Jesu (Mt 1; Lk 3), die Geburtsankündigung durch einen Engel (Lk 1,26 f.), die Geistzeugung und Jungfrauengeburt Jesu (Mt 1,18; Lk 1,35), den Besuch von orientalischen Astrologen (Mt 2,1), den Stern, der sie zu Jesu Geburtsort geführt haben soll (Mt 2,9), den Kindermord in Bethlehem (Mt 2,13; vgl. Ex 1,22) und die Flucht der Eltern mit Jesus nach Ägypten (Mt 2,16 ff.).
Nach Mt 2,5f und Lk 2,4 wurde Jesus in Betlehem in Judäa geboren, dem Herkunftsort Davids, von dem im Tanach der künftige Messias abstammen sollte. Damit betonen sie, Jesus sei Davids Nachkomme gewesen und seine Geburt in Betlehem habe die messianische Verheißung Mi 5,1 erfüllt. Mk und Joh erzählen keine Geburtsgeschichten.
Alle Evangelien nennen Nazareth in Galiläa als Jesu „Heimat“ oder „Vaterstadt“, Wohnsitz seiner Eltern und Geschwister (Mk 1,9; 6,1–4; Mt 13,54; 21,11; Lk 1,26; 2,39; 4,23; Joh 1,45 und öfter) und bezeichnen ihn darum als „Nazarener“ (Mk 1,24; 10,47) oder „Nazoräer“ (Mt 2,23; Joh 19,19). Nazareth war nach archäologischen Funden damals ein unbedeutendes Dorf von höchstens 400 Einwohnern.[26] Es kommt im Tanach nicht vor. Darauf beziehen sich im NT überlieferte Einwände gegen Jesu Messianität (Joh 1,45; Joh 7,41).
Mt und Lk haben den ihnen überlieferten Wohnort der Familie Jesu verschieden mit den Geburtsgeschichten ausgeglichen: Jesu Eltern hätten in Betlehem ein Haus bewohnt und seien erst später nach Nazareth gezogen (Mt 2,22 f.); sie seien kurz vor Jesu Geburt von Nazareth nach Betlehem gezogen und hätten sich dort vorübergehend aufgehalten (Lk 2,4 ff.).[27] Deshalb nehmen Historiker heute meist an, dass Jesus in Nazareth geboren, seine Geburt aber später nach Betlehem verlegt wurde, um ihn gegenüber Juden als Messias zu verkünden.[28]
Familie
Jesus war nach Mk 6,3 der erstgeborene „Sohn Marias“; Josef wird bei Mk nirgends genannt. Die Vorfahrenlisten betonen jedoch Jesu väterliche Stammlinie als „Sohn Josefs“ (Mt 1,16; Lk 3,23). So nennen ihn auch Maria in Lk 2,48 und die Galiläer in Joh 6,42. Laut Mt 1,18 EU war Maria vor Jesu Geburt mit Josef verlobt. Nach Lk 2,21 wurde Jesus gemäß der Tora am achten Lebenstag beschnitten und dabei nach jüdischem Brauch nach seinem Vater benannt, also „Jeschua ben Josef“ (Lk 4,22). Nach der Namensgebung erwähnen die Synoptiker Josef nicht mehr.
Daher vermutet Bruce Chilton, dass Jesus noch vor Josefs gültiger Heirat mit Maria gezeugt wurde und Josef früh starb. Niemand habe Josefs Vaterschaft rechtsgültig bezeugen können. Darum sei Jesus in seiner Heimat als uneheliches, nicht erbberechtigtes Kind (hebräisch mamzer) abgelehnt worden (Joh 8,41).[29] Die erstmals im späten 2. Jahrhundert bezeugte „Panthera-Legende“ stellte Jesus als außereheliches Kind Marias dar.[30] Mit Bezug darauf erklärte Gerd Lüdemann Jesu Benennung nach seiner Mutter in Mk 6,3 und seine Außenseiterrolle in Nazareth.[31] Viele Neutestamentler nehmen dagegen eine tatsächliche Vaterschaft Josefs und dessen Herkunft aus einer damals unterdrückten Nebenlinie der Daviddynastie an.[32]
Nach Mk 6,3 hatte Jesus vier Brüder namens Jakobus, Joses (gräzisierte Form von Josef, Mt 13,55), Judas und Simon sowie einige nicht benannte Schwestern. Die Brüdernamen nach einigen der zwölf Jakobssöhne und die Auslösung Jesu als des ersten Sohnes im Tempel (Lk 2,23) deuten auf eine toratreue jüdische Familie. „Brüder“ und „Schwestern“ kann im biblischen Wortgebrauch auch Vettern und Cousinen umfassen (siehe Geschwister Jesu).[33]
Nach allen Evangelien bewirkte Jesu öffentliches Auftreten Konflikte mit seiner Familie. Das vierte der biblischen Zehn Gebote – Ehre Vater und Mutter! (Ex 20,12; Dtn 5,16) – verlangte nach damaliger Auslegung die Fürsorge der ersten Söhne für Eltern und Sippe.[34] Doch zu Jesu Nachfolge gehörte nach Mt 10,37; Lk 14,26 das Verlassen der Angehörigen, das auch von der vermuteten Qumran-Gemeinde bekannt ist. Wie sie vertrat Jesus offenbar ein „afamiliäres Ethos der Nachfolge“, da seine ersten Jünger ihren Vater nach Mk 1,20 bei der Arbeit zurückließen, wenn auch mit Tagelöhnern.[35]
Nach Mk 3,21 versuchten Jesu Verwandte, ihn zurückzuhalten, und erklärten ihn für verrückt. Darauf soll er seinen Anhängern erklärt haben (Mk 3,35 EU): „Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“ Auch rabbinische Lehrer ordneten den Gehorsam gegenüber der Tora jenem gegenüber den Eltern vor, verlangten aber keine völlige Trennung von der Familie.[36] Nach Mk 7,10 f. hob auch Jesus das vierte Gebot nicht auf: Durch keine Gelöbnisformel dürfe man sich der Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern entziehen.[37]
Nach Mk 6,1–6 wurde Jesu Lehre in Nazareth abgelehnt, darum sei er nicht mehr dorthin zurückgekehrt. Aber nach Mk 1,31 versorgten Frauen aus Jesu Heimat ihn und seine Jünger. Sie blieben nach Mk 15,41 bis zum Tod bei ihm, so nach Joh 19,26 f. auch seine Mutter. Er soll noch am Kreuz für ihr Wohlergehen gesorgt haben, indem er sie einem anderen Jünger anvertraute. Obwohl seine Brüder nach Joh 7,5 „nicht an ihn glaubten“, gehörten seine Mutter und einige Brüder nach seinem Tod zur Urgemeinde (Apg 1,14; 1 Kor 9,5; Gal 1,19). Jakobus wurde später wegen seiner Auferstehungsvision (1 Kor 15,7) deren Leiter (Gal 2,9).
Nach einem von Eusebius von Caesarea überlieferten Zitat des Hegesippus ließ Kaiser Domitian bei seiner Christenverfolgung (um 90) die noch lebenden Großneffen Jesu verhaften und verhörte sie. Dabei hätten sie die Frage nach ihrer davidischen Abstammung bejaht, vom Kaiser deshalb vermutete politische Ambitionen aber verneint und ihre bäuerliche Armut betont. Sie seien freigelassen worden und danach zu Kirchenführern aufgestiegen. Dass Jesu Angehörige sich als Nachfahren von König David sahen, gilt daher als wahrscheinlich.[38]
Sprache, Ausbildung, Beruf

Als galiläischer Jude sprach Jesus im Alltag das westliche Aramäisch. Das bestätigen einige aramäische Jesuszitate im NT. Ob man griechische Ausdrücke und Redewendungen ins Aramäische zurückübersetzen kann, ist seit Joachim Jeremias ein wichtiges Kriterium, mögliche authentische Jesusworte von urchristlicher Deutung zu unterscheiden.[39]
Das biblische Hebräisch wurde in Palästina zur Zeit Jesu kaum noch gesprochen. Er kann es dennoch beherrscht haben, da er den Tanach gut kannte und in den Synagogen Galiläas vorlas und auslegte. Er kann Bibeltexte auch aus aramäischen Übersetzungen (Targumim) kennengelernt haben.[40] Ob er die griechische Koine sprechen konnte, die damals Verkehrssprache im Osten des Römischen Reichs war, ist wegen fehlender direkter NT-Belege ungewiss.[41]
Aus Jesu Jugendzeit überliefert das NT nur einen Aufenthalt des 12-Jährigen im Tempel, bei dem er die Jerusalemer Toralehrer mit seiner Bibelauslegung beeindruckt haben soll (Lk 2,46 f.). Das gilt als legendarisches Motiv, um Jesu Bibelkenntnis zu erklären.[42] Lesen und Schreiben konnten Kinder ärmerer jüdischer Familien, die keine Schriftrollen besaßen, in Toraschulen und Synagogen lernen. Nach Lk 4,16 las Jesus in der Synagoge von Nazareth aus der Tora vor, bevor er sie auslegte. Nach Mk 6,2 f. hatten Jesu Hörer ihm das Predigen nicht zugetraut und bemerkt, dass es sich von der traditionellen Schriftauslegung unterschied; nach Joh 7,15 fragten sie sich: Wie kann dieser die Schrift verstehen, obwohl er es nicht gelernt hat? Doch Jesu häufige Frage an seine Hörer „Habt ihr nicht gelesen…?“ (Mk 2,25; 12,10.26; Mt 12,5; 19,4 u. a.) setzt seine Lesefähigkeit voraus. Ob er auch schreiben konnte, ist ungewiss. Nur Joh 8,6.8 erwähnt eine Geste des Schreibens oder Zeichnens auf den Boden.
Jesu Predigt- und Argumentationsstil ist rabbinisch (Halacha und Midraschim). Seine ersten Jünger nannten ihn „Rabbi“ (Mk 9,5; 11,21; 14,45; Joh 1,38.49; Joh 3,2; 4,31 u. a.) oder „Rabbuni“ („mein Meister“: Mk 10,51; Joh 20,16). Diese aramäische Anrede entsprach dem griechischen διδάσκαλος für „Lehrer“. Sie drückte Ehrerbietung aus und gab Jesus denselben Rang wie den Pharisäern, die sich als Ausleger mosaischer Gebote ebenso bezeichneten (Mt 13,52; 23,2.7 f.). Aus starken Ähnlichkeiten der Toraauslegung Jesu mit damaligen Rabbinerrichtungen folgert Pinchas Lapide, er müsse eine Toraschule besucht haben.[43]
Nach Mk 6,3 war Jesus, nach Mt 13,55 sein Vater Bauhandwerker (griechisch τέκτων, oft irreführend als „Zimmermann“ übersetzt).[44] Vermutlich erlernte Jesus wie viele jüdische Söhne den Beruf des Vaters, zumal ein Handwerksberuf für den Lebensunterhalt eines Rabbis damals üblich war. Das NT enthält dazu keine Angaben.[45] Bauhandwerkliche Kenntnisse Jesu zeigen etwa die Gleichnisse Lk 6,47–49 und Mk 12,10. Nach vielen Metaphern seiner Aussagen (etwa Lk 5,1–7; Joh 21,4–6) kann er auch Schäfer, Bauer oder Fischer gewesen sein.[46]
Nazareth lag sieben Kilometer von der Stadt Sepphoris entfernt, die Herodes Antipas zur Residenz ausbauen ließ und in der die Großgrundbesitzer wohnten. Sie kann manchen Dorfbewohnern als Arbeitsplatz gedient haben. Das NT erwähnt die Stadt nicht und betont, dass Jesus andere hellenistische Städte nicht besuchte.[47]
Wirken
Verhältnis zum Täufer Johannes
Die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer gilt als historisches Ereignis, mit dem sein öffentliches Wirken begann. Johannes war nach Mt 3,7–12; Lk 3,7 ff. ein Prophet des nahen Endgerichts, der aus einer Priesterfamilie stammte (Lk 1,5) und als Asket, eventuell als Nasiräer,[48] in der unbewohnten Wüste lebte (Lk 1,80). Seine persönliche und einmalige Taufe bot laut Mk 1,4 f. Vergebung an und setzte ein Sündenbekenntnis voraus. Josephus verstand sie als gewöhnliches jüdisches Reinigungsritual.[49]
Mk 1,11 EU stellt Jesu Taufe als Gottes einzigartige Erwählung („du bist mein geliebter Sohn“; vgl. Ps 2,7; Hos 11,1 und öfter) und sein ganzes folgendes Wirken als Sendung durch Gott (vgl. Röm 1,3 f. EU) dar.[50] Wie Jesus selbst sich verstand, ist fraglich, da er sich im NT nie direkt „Sohn Gottes“ nennt. Die johannäischen Ich-bin-Worte werden auf den Evangelisten, nicht den historischen Jesus zurückgeführt. Laut Joh 3,22; 4,1 taufte er eine Zeit lang parallel zu Johannes dem Täufer. Nach Joh 1,35-42 kamen die Brüder Simon Petrus und Andreas aus dem Johanneskreis zu Jesus. Demnach gab es zwischen beiden Gruppen Austausch und eventuell Konkurrenz.[51] Auch dass Jesus mit der Taufe Schüler des Johannes wurde, gilt als plausibel.[51][52]
Vermutlich reduzierte Markus Jesu Kontakt mit Johannes auf das isolierte Taufereignis und ließ ihn erst seit der Inhaftierung des Johannes öffentlich auftreten.[51] Mk 1,15 gilt als Beleg für die Ähnlichkeiten beider Botschaften. Jesus übernahm den endgültigen Umkehrruf des Täufers[53] und wohl auch das apokalyptische Motiv des Gerichtsfeuers auf Erden (Lk 12,49, Mt 3,10).[54] Er lehnte jedoch nach Mk 2,16–19 Fasten und Askese für seine Jünger ab und pflegte die Tischgemeinschaft gerade mit solchen Juden, die nach der geltenden Tora-Auslegung als „Unreine“ vom Heil ausgeschlossen wurden. Er zog sich nicht in die Wüste zurück, sondern wandte sich gerade ausgestoßenen Juden und Fremden zu und sagte ihnen das bedingungslose Heil Gottes zu. Daraufhin soll der inhaftierte Täufer Jesus durch Boten gefragt haben: Bist du der Kommende? (der Messias; Mt 11,2 ff.).
Demgemäß betonten die Urchristen die Vorläufer- und Zeugenrolle des Johannes gegenüber Jesus (Mk 1,7; Lk 3,16; Mt 3,11; Joh 1,7 f.; 3,28 ff. u. a.). Jesus identifizierte Johannes laut Mk 9,13 mit dem Propheten Elija, an dessen Wiederkunft vor dem Endgericht Juden damals glaubten, sowie nach Lk 7,24–28 mit dem in Mal 3,1 angekündigten Propheten der Endzeit. Daher befürwortete er die Johannestaufe auch nach Beginn seines Auftretens als Rettung aus dem Endgericht.[52]
Dass Herodes Antipas den Täufer hinrichten ließ (Mk 6,17 ff.), war Jesus wahrscheinlich bekannt. Ein ermordeter Prophet galt in biblischer Tradition als von Gott legitimiert.[55] Demgemäß kündigte Jesus mit seinem Täuferzeugnis sein eigenes Leiden an, erwartete laut Lk 13,32–35; Lk 20,9–19 für sich ein analoges gewaltsames Ende und stellte sich in die Reihe der verfolgten Propheten Israels.[56] Nach Mk 11,27–33 legitimierte Jesus später seinen Vollmachtsanspruch zur Sündenvergebung wie zur Tempelreinigung gegenüber Jerusalemer Gegnern mit seiner Taufe durch Johannes.[57]
Gebiet des Auftretens


Jesus sah sich nur zu den „verlorenen Schafen des Hauses Israel“ gesandt (Mt 10,5; 15,24); seine wenigen überlieferten Begegnungen mit Nichtjuden erscheinen als Ausnahmen. Seine Reisewege lassen sich nicht genau rekonstruieren, da viele Ortsangaben und ihre Abfolge in den Evangelien von den Evangelisten stammen und die Ausbreitung des Christentums bei ihrer Abfassung spiegeln können.[58] Plausibel wirken jedoch Nachbarorte Nazareths wie Kana und Naïn sowie bei Tagesmärschen und Bootsfahrten über den See Genezareth erreichbare Orte wie Bethsaida, Chorazin und Magdala. Weiter entfernt lagen Gerasa im Südosten (Mk 5,1), Tyros und Sidon im Nordwesten (Mk 7,24). Ob Jesus auch Samarien durchstreifte (Joh 4,5 gegen Mt 10,5), ist ungewiss. Von Römern und Herodianern erbaute Städte wie Tiberias und Sepphoris erwähnt das NT nicht. Laut Mk 8,27 betrat Jesus nur die umgebenden Dörfer von Cäsarea Philippi. Daraus wird gefolgert, dass er eher auf dem Land wirkte und hellenisierte Städte mied.[59]
In Kafarnaum soll Jesus zuerst aufgetreten (Mk 1,21 ff.; Lk 4,23), in das dortige Haus des Petrus eingezogen (Mk 1,29; 1,33) und von seinen Reisen öfter dorthin zurückgekehrt sein (Mt 4,12 f.; Mk 2,1; 9,33; Lk 7,1). Mt 9,1 nennt den Ort daher „seine Stadt“. Dieses Fischerdorf lag damals an der Grenze des von Herodes Antipas regierten Gebiets. Vielleicht wählte Jesus hier sein Quartier, um notfalls vor dessen Verfolgung in das Nachbargebiet des Herodes Philippos fliehen zu können (Lk 13,31 ff.).[60]
Verkündigung des Gottesreichs
Die nahe „Königsherrschaft Gottes“ war Jesu zentrale Botschaft nach den synoptischen Evangelien (Mk 1,14 f.): Dies nimmt die NT-Forschung fast immer als historisch an.[61] Die Evangelien veranschaulichen den Begriff durch konkrete Handlungen, Gleichnisse und Lehrgespräche Jesu. Sie setzen dabei seine Bekanntheit unter Juden voraus. An Nichtjuden gerichtete NT-Texte verwenden den Begriff dagegen selten.[62] Damit bezog sich Jesus auf die Prophetie im Tanach und biblische Apokalyptik, wie einige eventuell echte Zitate aus Deuterojesaja und Daniel zeigen.[63]
Manche Aussagen Jesu kündigen Gottes Herrschaft als unmittelbar bevorstehend an, andere sagen sie als schon angebrochen zu oder setzen ihre Gegenwart voraus. Umstritten war früher, ob eher die futurische (so etwa Albert Schweitzer) oder die präsentische (so etwa Charles Harold Dodd) Eschatologie auf Jesus zurückgeht. Seit etwa 1945 beurteilen die meisten Exegeten beide Aspekte gemäß ihrem paradoxen Nebeneinander im Vaterunser (Mt 6,9–13) als authentisch.[64] Sie betonen, dass Jesus diese Herrschaft als dynamisches Geschehen und gegenwärtig laufenden Prozess auffasste, nicht nur als jenseitige Welt. So habe er im Anschluss an jüdische Apokalyptik nicht die Vernichtung der Erde, sondern ihre umfassende Erneuerung einschließlich der Natur erwartet und durch sein Handeln in seine Zeit hineingezogen.[65]
Daran knüpfen Worte vom Sturz Satans (Lk 10,18 ff.) an oder das Streitgespräch darüber, ob Jesus seine Heilkraft von Beelzebub oder Gott empfangen habe (Mt 12,22 ff. par.). Der „Stürmerspruch“ (Mt 11,12) legt nahe, dass der Ankunft der Gottesherrschaft gewaltsame Konflikte vorausgehen, die seit dem Auftreten des Täufers Johannes bis in Jesu Gegenwart andauern.[66] Wie Johannes predigte Jesus ein unerwartet hereinbrechendes Gericht, das eine letzte Chance zur Umkehr bietet (Lk 12,39–48). Anders als dieser stellte er die Einladung zum Gottesreich wie zu einem für alle offenen Festmahl heraus.[67] Eventuell verknüpfte er die Rettung aus dem Endgericht mit der aktuellen Entscheidung seiner Hörer zu seiner Botschaft (Mk 8,38; Lk 12,8).[68]
Die der Logienquelle zugewiesenen „Seligpreisungen“ (Lk 6,20–23; Mt 5,3–10) sagen Gottes Herrschaft den aktuell Armen, Trauernden, Machtlosen, Verfolgten als gerechte Wende zur Aufhebung ihrer Not zu. Diese Menschen waren die ersten und wichtigsten Adressaten Jesu. Seine oft für authentisch gehaltene Antwort auf die Täuferfrage (Mt 11,4 ff.) weist darauf hin, dass ihnen in Jesu Heilungen schon das Reich Gottes begegne. Seine Antrittspredigt (Lk 4,18–21) aktualisiert die biblische Verheißung eines Erlassjahres zur Entschuldung und Landumverteilung (Lev 25) für die gegenwärtig Armen.
Sozialhistorische Untersuchungen erklären solche NT-Texte aus damaligen Lebensumständen: Juden litten unter Ausbeutung, steuerlichen Abgaben für Rom und den Tempel, täglicher römischer Militärgewalt, Schuldversklavung, Hunger, Epidemien und sozialer Entwurzelung.[69] Manchmal wird die Armentheologie in der ältesten Jesusüberlieferung aus dem Einfluss kynischer Wanderphilosophen erklärt,[70] meist aber aus biblischen, besonders prophetischen Traditionen.[71]
Wolfgang Stegemann zufolge strebten Jesus und seine Anhänger mit ihrer Reich-Gottes-Predigt keine „Aushandlungsprozesse über ein bestimmtes Gesellschaftsmodell“ an, sondern erwarteten die Durchsetzung einer anderen Ordnung allein von Gott. Ihre Botschaft konnte nur angenommen oder abgelehnt werden (Lk 10,1–12). Sie habe die Gottesherrschaft nach dem Modell eines wohltätigen, von Reichen meist vergeblich erwarteten Patronats gegen aktuell erfahrene Herrschaftsformen gestellt.[72] John Dominic Crossan zufolge verbreitete die Jesusbewegung durch „kostenloses Heilen und gemeinsames Essen“, ohne sesshaft zu werden, einen radikalen Egalitarismus. So habe sie die Gottesherrschaft unmittelbar erlebbar werden lassen und die hierarchischen Wertmaßstäbe und Gesellschaftsstrukturen angegriffen, um sie zu entkräften.[73] Ähnlich meint Martin Karrer, Jesus habe eine „subversive“ Bewegung der Abweichler von religiösen und gesellschaftlichen Normen bewirkt.[71]
Tätigkeit als Heiler
Antike Quellen erzählen oft von wunderbaren Heilungen, doch nirgends so oft von einer Einzelperson wie im NT.[74] Die Evangelien überliefern von Jesus Heilungswunder als Exorzismen oder Therapien sowie Geschenk-, Rettungs-, Normenwunder und Totenerweckungen.[75] Die Exorzismen beziehen sich auf damals unheilbare Krankheiten oder Defekte wie „Aussatz“ (alle Hautkrankheiten), verschiedene Erblindungen[76] und heute als Epilepsie[77] und Schizophrenie bezeichnete Krankheitsbilder. Davon Betroffene galten als „von unreinen Geistern (Dämonen) besessen“ (Mk 1,23).[78] Man vermied Umgang und Berührung mit ihnen, vertrieb sie aus bewohnten Gegenden und lieferte sie so oft dem Tod aus.[79]
Exorzismen- und Therapietexte betonen Jesu Zuwendung zu solchen Ausgegrenzten, auch Nichtjuden, die die Ursache ihrer Ausgrenzung beseitigte und so ihre Isolation aufhob. Ihre Rahmenverse laden oft zu Glauben und Umkehr ein. Seine Heilerfolge hätten ihm Misstrauen, Neid und Abwehr eingebracht, die Tötungspläne seiner Gegner ausgelöst (Mk 3,6; Joh 11,53) und Forderungen nach demonstrativen „Zeichen und Wundern“ bewirkt. Diese habe Jesus abgelehnt (Mk 8,11 ff.; 9,19 ff.). Besondere Züge der NT-Wundertexte sind, dass der Wundertäter die Heilung dem Glauben der Geheilten zuspricht („Dein Glaube hat dich gerettet“: Mk 5,34; 10,52; Lk 17,19 und andere) und sie als Zeichen für den Beginn des Reiches Gottes und das Ende der Herrschaft des Bösen deutet (Mk 3,22 ff., ein meist für echt gehaltenes Jesuswort). Daher nehmen Neutestamentler an, dass Jesus die ältesten Exorzismus- und Therapietexte anregte: Weil Augenzeugen sein Handeln als Wunder erlebten, hätten sie es weitererzählt und ihm dann weitere Wunder zugeschrieben.[74]
Tora-Auslegung
Die Bergpredigt (Mt 5–7) wird als „Lehre“ Jesu eingeführt (Mt 5,2). Sie wurde von Urchristen aus Einzelpredigten Jesu zusammengestellt und vom Evangelisten redigiert oder komponiert.[80] Ihr Beginn (Mt 5,14 ff.) erinnert Jesu Nachfolger an Israels Auftrag, als Volk Gottes „Licht der Völker“ zu sein (Jes 42,6), indem es die Tora vorbildlich erfüllt. Mt 5,17–20 betont demgemäß, Jesus habe alle überlieferten Gebote erfüllt, nicht aufgehoben.
Ob Jesus selbst das so sah, ist umstritten. Anders als Paulus nahm er nur zu Einzelgeboten, nicht zur Tora insgesamt Stellung, da er sie wie alle damaligen Juden als gültigen Willen Gottes voraussetzte.[81] Einige Gebote verschärfte er, andere entschärfte er, wieder andere relativierte er so, dass sie im Urchristentum aufgehoben wurden. Dies gilt heute als innerjüdische Toradeutung, nicht als Bruch mit dem Judentum. Wie der Rabbiner Hillel (ca. 30 v. Chr. bis 9 n. Chr.) gab Jesus der Nächstenliebe den gleichen Rang wie der Gottesfurcht und ordnete sie damit den übrigen Torageboten über (Mk 12,28–34). Er sah sich zu denen gesandt, die wegen Übertretungen verachtet wurden (Mk 2,17 EU): „Nicht die Starken brauchen einen Arzt, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.“ Damit waren unter anderem jüdische „Zöllner“ gemeint, die für die Römer Steuern eintrieben, oft dabei ihre Landsleute übervorteilten und daher gehasst und gemieden wurden. Nach Lk 19,8 lud Jesus sie zum Teilen mit den Armen ein, nach Mt 6,19-24 deutete er das Anhäufen von Besitz als Bruch des ersten Gebots. Erst mit der Besitzaufgabe für die Armen erfülle der gesetzestreue Reiche alle Zehn Gebote so, dass er zur Nachfolge frei werde (Mk 10,17–27).
Die „Antithesen“ legen wichtige Toragebote aus. Danach betonte Jesus über deren Wortlaut hinaus die innere Einstellung als Ursache des Vergehens: Das Tötungsverbot (Ex 20,13) breche schon der, der seinem Nächsten bloß zürne, ihn beschimpfe oder verfluche. Damit ziehe er Gottes Zorngericht auf sich. Darum solle er sich erst mit seinem Gegner versöhnen, bevor er im Tempel Opfer darbringe (Mt 5,21–26). Ehebruch (Ex 20,14) begehe innerlich schon, wer als verheirateter Mann eine andere Frau begehre (Mt 5,27–30). Missbrauch des Gottesnamens (Ex 20,7) und Lüge (Ex 20,16) sei jeder Eid, nicht erst ein Meineid (Mt 5,33 ff.). Weil Gott Erhaltung seiner Schöpfung versprochen habe (Gen 8,22), sollen Juden und Jesusnachfolger auf Vergeltung (Gen 9,6) durch Gegengewalt verzichten (Mt 5,39) und stattdessen mit kreativer Feindesliebe antworten, gerade auch ihre Verfolger als Nächste segnen, sie mit Fürsorge und freiwilligem Entgegenkommen überraschen und so „entfeinden“ (Mt 5,40–48).[82] Damit erinnerte Jesus an Israels Aufgabe, alle Völker zu segnen, um auch sie von Gewaltherrschaft zu befreien (Gen 12,3), die Herrschaft des „Bösen“ zu beenden und Gottes Reich herbeizurufen.[83] Darum warnt Jesus laut (Mt 7,1–3 EU) davor, die Tora und seine Toraauslegung zur unbarmherzigen Verurteilung anderer zu missbrauchen:[84]
„Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“
Nach Joh 8,7 EU rettete Jesus eine Ehebrecherin vor der Steinigung, indem er den Anklägern ihre eigene Schuld bewusst machte: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ Dies wird als Entkräftung der in der Tora vorgeschriebenen Todesstrafe für Ehebruch (Lev 20,10) gedeutet. Der Satz wird oft für echt oder zumindest Jesus gemäß gehalten, obwohl die Erzählung in älteren Handschriften des Johannesevangeliums fehlt.[85]
Nach Mk 7,15 erklärte Jesus nur das für unrein, was von innen her aus dem Menschen komme, nicht was von außen in ihn hineingehe. Das wurde früher oft als Aufhebung der wichtigen Speise- und Reinheitsgebote und damit als Bruch mit allen übrigen Kultgeboten der Tora verstanden. Heute gilt es eher als Auslegung, die moralische über äußerliche Reinheit stellt.[86] In Konkurrenz zu Sadduzäern und Teilen der Pharisäer wollte Jesus nicht Reine von Unreinen abgrenzen, sondern Reinheit offensiv auf als unrein geltende Gruppen ausweiten. Daher integrierte er in Israel ausgegrenzte Lepra-Kranke (Mk 1,40–45), Sünder (Mk 2,15) und Zöllner (Lk 19,6) und verweigerte sich nicht kontaktsuchenden Nichtjuden (Mk 7,24–30).[87]
Anhänger

Von Beginn seines Auftretens an berief Jesus nach dem NT männliche und weibliche Jünger (Mk 1,14 ff.) dazu, wie er Beruf, Familie und Besitz zu verlassen (Mk 10,28–31) und mittel- und waffenlos umherziehend Gottes Reich zu verkünden. Sie gehörten wie er zum einfachen Volk, das verarmt und vielfach vom Hunger bedroht war. Sie wurden ausgesandt, um Kranke zu heilen, Dämonen auszutreiben und Gottes Segen weiterzugeben. Beim Betreten eines Hauses sollten sie mit dem Friedensgruß „Schalom“ die ganze Sippe unter Gottes Schutz stellen. Waren sie nicht willkommen, dann sollten sie den Ort verlassen, ohne zurückzukehren, und ihn Gottes Gericht überlassen (Mt 10,5–15).[88]
Diese Aussendungsrede und vergleichbare Nachfolgetexte werden der Logienquelle zugewiesen und in der sozialhistorischen Forschung als Ausdruck für die Lebensumstände und Wertvorstellungen der frühen Jesusbewegung gedeutet. Auf solche Texte stützte Gerd Theißen 1977 seine einflussreiche soziologische These vom Wanderradikalismus: Die Jesusbewegung habe inmitten einer ökonomischen Krise und zerfallender sozialer Bindungen ein damals attraktives, charismatisches Nachfolgeethos zur Erneuerung des Judentums vertreten. Die engeren Anhänger Jesu seien im Bewusstsein einer endzeitlichen Rettungsaufgabe als besitz- und waffenlose Wanderer umhergezogen und von ortsansässigen Sympathisanten materiell unterstützt worden.[89]
Nach Géza Vermes waren Jesus und seine Anhänger von einem „charismatischen Milieu“ im damaligen Galiläa beeinflusste „Wandercharismatiker“. Denn auch von Chanina ben Dosa (um 40–75), einem Vertreter des galiläischen Chassidismus, wurden Armenfürsorge, Besitzlosigkeit, Wunderheilungen durch Gebet und Toraauslegungen überliefert.[90]
Sollte Jesus einen engeren, leitenden Zwölferkreis (Apostel) ausgewählt haben, unterstreicht dies nach James H. Charlesworth seinen gewaltfreien politischen Anspruch, der zur Zeit des jüdischen zweiten Tempels nicht von religiösen Zielen zu trennen war. Denn die Testamente der zwölf Patriarchen und andere Dokumente weisen auf die Bedeutung der zwölf Stämme Israels zur Zeit Jesu hin. Diese sollten auf der Erde herrschen, wenn Gott die politische Autonomie Israels wiederherstellen würde.[91]
Frauen, Ehe, Ehebruch
Jesu Verhalten gegenüber Frauen war im patriarchalischen Judentum damals neu und ungewöhnlich. Viele der berichteten Heilungen galten sozial ausgegrenzten Frauen wie Prostituierten, Witwen oder Ausländerinnen. Geheilte Frauen folgten ihm von Beginn an nach (Mk 1,31), manche versorgten ihn und die Jünger (Lk 8,2 f.). Sie spielten laut NT für Jesus auch sonst eine wichtige Rolle: Eine Frau soll ihn vor seinem Tod gesalbt (Mk 14,3–9), die Gattin des Pilatus soll gegen seine Hinrichtung protestiert haben (Mt 27,19). Nachfolgerinnen Jesu sollen nicht geflohen sein, sondern sein Sterben begleitet, seine Grablegung beobachtet (Mk 15,40 f.), sein leeres Grab entdeckt (Mk 16,1–8) und als erste seine Auferweckung bezeugt haben (Lk 24,10; Joh 20,18).
Nach Mt 19,12 gebot Jesus seinen Jüngern die Eheschließung nicht, sondern ließ um ihrer Aufgabe willen, der Reich-Gottes-Verkündigung, Ehelosigkeit zu. Einige Jünger traf Paulus später mit ihren Ehefrauen in Jerusalem an (1 Kor 9,5). Diese können also schon mit Jesus und ihren Männern umhergezogen sein. Die NT-Evangelien zeigen keine Spur einer Partnerschaft Jesu; er kann unverheiratet gewesen sein.[92] Nur das späte apokryphe Philippusevangelium erwähnt in einem unvollständigen, in der Übersetzung ergänzten Vers (6,33): Jesus habe Maria Magdalena [oft auf den Mund] geküsst. Dies weist im Kontext nicht auf eine Partnerschaft, sondern auf das Übertragen einer göttlichen Seelenkraft hin.[93] Die NT-Forschung weist populäre Theorien, Maria Magdalena sei Jesu Ehefrau gewesen, als quellenlose Fiktion zurück.[94]
Während die Tora laut Dtn 24,1–4 Männern die Ehescheidung mit einem Scheidebrief für die geschiedene Frau erlaubte, betonte Jesus gegenüber Pharisäern nach Mk 10,2–12 die Unauflösbarkeit der Ehe gemäß Gen 1,27 und verbot gegenüber seinen Jüngern beiden Ehepartnern die Scheidung und Wiederheirat. Nach Mt 5,32 und 19,9 begründete er dies als Schutz der Frau, die sonst zu Ehebruch genötigt werde. Der Einschub „abgesehen von (vom Fall eines) Ehebruch(s)“ (porneia) gilt als redaktioneller Zusatz. Nach Lk 16,18 sprach Jesus den jüdischen Mann an, der bei Wiederheirat die fortbestehende erste Ehe breche.[95]
Da manche Schriftrollen vom Toten Meer (CD 4,12–5,14) und die Rabbinerschule Schammai eine ähnliche Position vertraten, wird vermutet, dass diese Strenge auf damalige soziale Auflösungstendenzen im Judentum reagierte und sowohl das Verhalten der Oberschicht kritisieren wie auch verarmte, von Zerrüttung gefährdete Familien schützen sollte.[96] Dass Jesus sein Verbot an jüdische Männer richtete und des Ehebruchs angeklagte Frauen laut Lk 7,36 ff.; Joh 8,2 ff. verteidigte, wird als Absicht zum Schutz der Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft gedeutet.[97]
Pharisäer
Pharisäer und Toragelehrte erscheinen in den Evangelien meist als Kritiker des Verhaltens Jesu und seiner Nachfolger. Sie empört seine Sündenvergebung als todeswürdige Anmaßung (Mk 2,7), sie missbilligen seine Tischgemeinschaft mit als „unrein“ ausgegrenzten „Zöllnern und Sündern“ (2,16) und das Feiern seiner Jünger (2,18); deshalb verachten sie ihn stereotyp als „Fresser und Weinsäufer“ (Lk 7,31–35). Besonders Jesu demonstrative Sabbatheilungen und Erlaubnis zum Sabbatbruch (Mk 2–3) provozieren ihre Feindschaft. Nach Mk 3,6 planen sie darum zusammen mit Herodesanhängern seinen Tod. Vorsätzlicher Sabbatbruch war nach Ex 31,14 f., Num 15,32–35 durch Steinigung zu ahnden. Joh 8,59 und 10,31.39 erwähnen Steinigungsversuche jüdischer Gegner Jesu, weil er sich über Abraham und Mose gestellt habe.
Diese Verse gelten als ahistorisch, da die Pharisäer weder geschlossen noch mit den Toralehrern identisch noch mit Herodianern verbunden waren. Die Passionstexte erwähnen sie kaum und Jesu Sabbatkonflikte gar nicht. Die Verse sollten offenbar die Ereignisse in Galiläa redaktionell mit Tötungsplänen der Jerusalemer Gegner Jesu (Mk 11,18; 12,13; vgl. Joh 11,47; 18,3) verklammern.[98]
Andere NT-Texte kommen der historischen Lage näher: Nach Mk 2,23 ff. begründete Jesus das Ährensammeln seiner Jünger am Sabbat als biblisch erlaubte Gebotsübertretung bei akuter Hungersnot. Er ergänzte damit die damals diskutierten Ausnahmen vom Sabbatgebot zur Lebensrettung.[99] Nach Lk 7,36; 11,37 luden Pharisäer Jesus zum Essen in ihre Häuser ein und interessierten sich dabei für seine Lehre. Nach Mk 12,32 ff. stimmte ein Jerusalemer Pharisäer Jesus zu, die Tora im Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe zusammenzufassen. Solche Summarien entsprachen jüdischer Tradition. Auch in der Erwartung des Reiches Gottes und einer Auferstehung aller Toten stimmten die Pharisäer mit Jesus überein. Nach Lk 13,31 warnten und retteten sie ihn vor Nachstellungen des Herodes. Ein Pharisäer sorgte für Jesu Bestattung.
Viele Forscher nehmen heute an, dass Jesus den Pharisäern unter damaligen Juden am nächsten stand. Dass sie dennoch zu seinen Gegnern stilisiert wurden, wird aus der Situation nach der Tempelzerstörung im Jahr 70 erklärt: Danach übernahmen Pharisäer die Führungsrolle im Judentum. Juden und Christen grenzten sich verstärkt voneinander ab und legitimierten dies wechselseitig in ihren damals entstandenen Schriften.[100]
Herodianer
Der von Rom eingesetzte Vasallenkönig Herodes der Große war vielen Juden als aus Idumäa stammender „Halbjude“ verhasst. Gegen die hohen Steuerauflagen für seine Palast- und Tempelbauten kam es zu Aufständen. Darum teilte Rom sein Herrschaftsgebiet nach seinem Tod 4 v. Chr. unter seine vier Söhne auf, die sich nicht mehr „König der Juden“ nennen durften und dem römischen Präfekten unterstellt wurden.[101] Herodes Antipas, der Galiläa und Peräa zur Zeit Jesu regierte, ließ die galiläischen Orte Sepphoris und Tiberias zu hellenisierten Metropolen ausbauen. Diese Städte und die dort angesiedelten Juden galten der galiläischen Landbevölkerung und antirömischen Jerusalemern als unrein.[102]
Die Zweitehe des Antipas mit seiner zuvor schon verheirateten Nichte Herodias galt als eklatanter Torabruch.[103] Er ließ Johannes den Täufer laut Mk 6,17–29 wegen seiner Kritik daran verhaften und enthaupten und soll auch Jesus nach Mk 3,6 und Lk 13,31 namentlich gekannt und verfolgt haben. Damit erklärt Mt 14,13, dass Jesus keine der von Antipas erbauten Städte besuchte.[104] Nach Lk 23,6–12.15 soll Antipas den inhaftierten Jesus verhört und dann als harmlosen Verrückten an Pilatus übergeben haben. Dies gilt als redaktioneller Versuch, die folgend berichteten Freigabeversuche des Pilatus plausibel zu machen.[105]
Sadduzäer
Jesu Hauptgegner in Jerusalem waren die hellenistisch gebildeten und wohlhabenden Sadduzäer, die als priesterliche Erben der Leviten den Jerusalemer Tempel leiteten. Der dortige zentrale, von allen Juden zu befolgende Opferkult war ihre Existenzgrundlage und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für ganz Palästina.[106] Sie stellten den Hohepriester, der sein erbliches Amt als höchster Richter für Kultfragen auf Dtn 17,8–13 zurückführte.
Die Amtsträger wurden aber seit 6 n. Chr. von römischen Präfekten ein- und abgesetzt und mussten diese bei der ordnungspolitischen Kontrolle von Judäa-Syrien unterstützen. Dafür durften sie die für Juden obligatorische Tempelsteuer eintreiben, den Tempelkult verwalten, eine bewaffnete Tempelgarde unterhalten und auch wohl über Kultvergehen urteilen, aber keine Todesstrafen vollstrecken; dies oblag nur den römischen Präfekten.[107] Im Hinterland war ihr Einfluss zwar geringer, doch setzten sie auch dort die Tempelsteuer und Einhaltung der Kultgebote durch.
Jesus hat die Tempelpriester offenbar nicht grundsätzlich abgelehnt: Denn nach Mk 1,44 sandte er in Galiläa Geheilte zu ihnen, damit sie deren Gesundung feststellten und sie wieder in die Gesellschaft aufnahmen. Nach Mk 12,41 ff. lobte er Tempelspenden einer armen Witwe als Hingabe an Gott, die er bei Reichen vermisste. Seine Tora-Auslegung ordnete Opfer der Versöhnung mit Streitgegnern unter (Mt 5,23 f.).
Zeloten
Jesus trat in einem von starken religiös-politischen Spannungen bestimmten Land auf. Aus Galiläa, dem früheren Nordreich Israel, kamen seit Generationen jüdische Befreiungskämpfer gegen Fremdmächte. Seit dem 6 n. Chr. niedergeschlagenen Steuerboykott des Judas Galilaeus traten Widerstandsgruppen hervor, die die römische Fremdherrschaft mit verschiedenen Mitteln bekämpften, Aufstände vorzubereiten suchten und verhasste Kaiserstandarten, Feldzeichen und andere Besatzungssymbole angriffen. Manche begingen Messer-Attentate auf römische Beamte („Sikarier“, Dolchträger). Diese heute als Zeloten („Eiferer“) bezeichneten Gruppen wurden damals von Römern und dem römerfreundlichen Historiker Josephus generell als „Räuber“ oder „Mörder“ abgewertet und stigmatisiert.[108]
Jesus richtete seine apokalyptische Botschaft vom nahen Reich Gottes an alle Juden. Er kündigte damit öffentlich das baldige Ende aller Gewaltimperien an. Sein Wirken solle dieses Reich aktiv herbeiführen und in seinen Heiltaten (Mt 11,5) und seiner gewaltlosen Nachfolge im Kontrast zu den Gewaltherrschern Raum gewinnen (Mk 10,42 ff.). Wie die Zeloten nannte er den Vasallenkönig Herodes Antipas einen „Fuchs“ (Lk 13,32). Bei der Heilung eines Besessenen aus der Garnisonsstadt Gerasa (Mk 5,1–20) befällt der mit dem lateinischen Lehnwort für „Legion“ vorgestellte Dämon eine Schweineherde, die sich dann selbst ertränkt. Damit entlarvte Jesus eventuell die römische Militärherrschaft, um sie symbolisch zu entmachten:[109] Denn das Juden als unrein geltende Schwein war damals als römisches Opfertier und Legionszeichen bekannt. Der Waffenkauf nach Lk 22,36 wird als Erlaubnis Jesu zu begrenztem Widerstand bei Verfolgung auf dem Weg nach Jerusalem gedeutet.[110]
Wegen NT-Texten wie dem Magnificat (Lk 1,46 ff.) oder dem Jubel der Festpilger bei Jesu Ankunft in Jerusalem (Mk 11,9 f.) betonen viele Forscher eine indirekte oder symbolische politische Dimension seines Wirkens.[111] Wohl darum waren einige seiner Jünger frühere Zeloten, so Simon Zelotes (Lk 6,15),[112] eventuell auch Simon Petrus und Judas Iskariot.[113]
Anders als die Zeloten rief Jesus auch als „unrein“ verhasste Steuereintreiber für die Römer („Zöllner“) in seine Nachfolge und war ihr Gast (Mk 2,14 ff.), freilich um ihr Verhalten gegenüber den Armen grundlegend zu ändern (Lk 19,1–10). Anders als jene, die Gottes Gericht mit Gewalt an Andersgläubigen vorwegnehmen wollten, rief er seine Hörer zur Feindesliebe auf (Mt 5,38–48). Als Kritik an den Zeloten wird auch das Wort Mt 11,12 von den „Gewalttätigen, die Gottes Reich herbeizwingen und sich mit Gewalt seiner bemächtigen“ gedeutet.[114]
Römische Münzen mit Kaiserköpfen verstießen für Zeloten gegen das biblische Bilderverbot (Ex 20,4 f.), so dass sie Abgaben an Rom verweigerten. Die Steuerfrage seiner Jerusalemer Gegner sollte Jesus als Zeloten überführen. Seine überlieferte Antwort entzog sich der gestellten Falle (Mk 12,17 EU): „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ Da nach Mt 6,24 für Jesus der ganze Mensch Gott gehörte, konnte dies als Absage an die Kaisersteuer aufgefasst werden, überließ aber den Angeredeten diese Entscheidung. Erst die Evangelisten wiesen diese Deutung zurück (Lk 23,2 ff.).[115]
Dass Jesu Wirken politische Reaktionen hervorrief, zeigt seine Kreuzigung beim höchsten jüdischen Fest. Fraglich ist jedoch, ob er einen politischen Messiasanspruch erhob.[116] Deutsche Neutestamentler betonten früher meist den unpolitischen Charakter seines Auftretens. Seine Hinrichtung als König der Juden (Messiasanwärter) galt als Justizirrtum und „Missverständnis seines Wirkens als eines politischen“.[117] Dagegen zeigten jüngere Untersuchungen partielle Übereinstimmungen Jesu mit der jüdischen Widerstandsbewegung auf und erklärten sein gewaltsames Ende als zu erwartende Folge seines eigenen Handelns.[118]
Ereignisse am Lebensende
Einzug in Jerusalem

Nach Mk 11,1–11 EU ritt Jesus im Gefolge seiner Jünger auf einem jungen Esel in Jerusalem ein, während eine Pilgermenge ihm zujubelte:
„Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! Gesegnet sei das Reich unseres Vaters David, das nun kommt. Hosanna in der Höhe!“
Der Anruf „Hosanna“ („Gott, rette doch!“: Ps 118,25) war beim Laubhüttenfest und der Inthronisation eines Königs üblich (2 Sam 14,4; 2 Kön 6,26). Der Lulav, ein Dattelpalmenzweig, gehört ebenfalls zum zeremoniellen Teil des Laubhüttenfestes. „Der kommt im Namen Gottes“ meinte den erwarteten Messias auf dem Thron König Davids (2 Sam 7,14 ff.), als den die Evangelien Jesus verkündigen (Mt 11,3; 23,39; Lk 7,19; 13,35).[119] Mit ausgestreuten Palmzweigen (V. 8), einem antiken Triumphsymbol, feierten Juden ihre Siege über Nichtjuden (Jdt 15,12; 1 Makk 13,51; 2 Makk 10,7).
Jesu Eselsritt erinnert an Sach 9,9 ff.: Dort wird ein machtloser Messias angekündigt, der die Kriegswaffen in Israel abschaffen und allen Völkern Frieden gebieten werde. Diese nachexilische Zusage hielt die frühere Verheißung universaler Abrüstung fest, die in Israel beginnen sollte (Jes 2,2–4/Mi 4,1–5; Schwerter zu Pflugscharen). Sie widersprach also der Erwartung der Bevölkerung an einen Davidnachfolger, die Fremdherrscher zu vertreiben und das Großreich Israel zu erneuern.
Im damaligen Judentum war die Messiashoffnung mit der Sammlung aller exilierten Juden, gerechten Rechtsprechung im Innern und Befriedung der Völkergemeinschaft verbunden. Einzüge jüdischer Thronanwärter waren jedoch oft Signal für Aufstände. So strebte der Zelot Schimon bar Giora laut Josephus um 69 das jüdische Königtum an: Er sei dazu mit seinen Anhängern als charismatischer „Retter und Beschützer“ der Juden triumphal in Jerusalem eingezogen, aber von den Römern in einem Purpurmantel gefangen, nach Rom überführt und dort hingerichtet worden.[120]
Auch Jesus weckte messianische Hoffnungen der Landbevölkerung, etwa indem er den Armen den Landbesitz zusagte (Mt 5,3), seine Heiltaten als anfängliche Realisierung dieser Zusagen erklärte (Lk 11,20) und sich auf dem Weg in die Tempelstadt von Armen als Sohn Davids anreden ließ (Mk 10,46.49). Daher bedeutete Jesu Jerusalembesuch zum Pessach eine Konfrontation mit den dortigen Machteliten der Sadduzäer und Römer, bei der ihm das Todesrisiko bewusst gewesen sein muss.[121] Das gewaltlose Messiasbild entspricht für echt gehaltenen Aussagen Jesu wie Mk 10,42 ff. EU: Er sei gekommen, als Menschensohn allen wie ein Sklave zu dienen, um der Unterdrückung durch Gewaltherrscher seine herrschaftsfreie Vertrauensgemeinschaft entgegenzustellen.[122]
Die Römer verhörten und kreuzigten Jesus wenige Tage später als mutmaßlichen „König der Juden“. Sein als Messiasankunft bejubelter Einzug kann der Anlass dafür gewesen sein.[123] Römer fürchteten eine Volksmenge (Mk 5,21) als „gefährliche und unberechenbare soziale Gruppe“, als „Mob“.[124] Jedoch können Urchristen die Szene übertreibend als „Gegenbild zum Einzug des Präfekten in die Stadt zu den drei großen Festen“ dargestellt haben.[125] Eventuell fügten sie den Eselsritt hinzu, da eine solch eindeutige Messiasdemonstration die Römer sofort zur Festnahme Jesu veranlasst hätte.[126]
Kritik am Tempelkult

Nach Mk 11,15 ff. vertrieb Jesus am Tag nach seinem Einzug einige Händler und Geldwechsler aus dem Tempelvorhof für Israeliten, Proselyten und Nichtjuden. Die in der Säulenhalle auf der Tempelsüdseite tätigen Händler verkauften kultisch zulässiges Opfermaterial (Tauben, Öl und Mehl) an Wallfahrer und nahmen die von allen Juden jährlich entrichtete Tempelsteuer für kollektive Tieropfer ein. Jesus habe ihre Stände umgestoßen und verhindert, dass Gegenstände durch diesen Bereich getragen wurden. Er störte demnach das ordnungsgemäße Darbringen gekaufter Opfer und Überbringen eingenommener Geldmittel und griff damit demonstrativ den Tempelkult an.[127]
Ob die Aktion historisch ist und falls ja, ob sie den jüdischen Tempelkult als Institution oder nur bestimmte Missstände angreifen sollte, wird diskutiert. Meist wird eine nur von wenigen beobachtete Szene angenommen, keine dramatische Szene wie in Joh 2,13–22, da sonst die jüdische Tempelgarde oder sogar römische Soldaten aus der angrenzenden Burg Antonia eingeschritten wären. Da Jesus weiter im Tempelbezirk mit Jerusalemer Toralehrern diskutierte (Mk 11,27; 12,35), sollte seine Aktion offenbar solche Debatten anstoßen. Der Zulauf dazu macht plausibel, dass die Tempelpriester nun, wenige Tage vor dem Pessach, heimlich Jesu nichtöffentliche Festnahme geplant haben sollen (V. 18).[128]
Jesus begründete die Vertreibung der Opferhändler nach Mk 11,17 EU mit einem Hinweis auf die Verheißung Jes 56,7: „Heißt es nicht in der Schrift: Mein Haus soll ein Haus des Gebetes für alle Völker sein?“ Demnach wollte er nicht den Tempelgottesdienst beenden, sondern auch Nichtjuden freien Zugang dazu eröffnen, den künftig alle Völker haben sollten. Diese eschatologische „Tempelreinigung“ griff das prophetische Motiv der künftigen „Völkerwallfahrt zum Zion“ auf, an das auch andere Jesusworte (Mt 8,11 f.; Lk 13,28 f.) erinnern, und kann als Aufruf zu einer entsprechenden Kultreform gedeutet werden.[129]
In Spannung dazu steht der Folgevers: Ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht. Der Ausdruck spielt auf Jer 7,1–15 an, wo der Gerichtsprophet Jeremia um 590 v. Chr. die Zerstörung des ersten Tempels ankündigt und mit fortgesetzten Rechtsbrüchen der Jerusalemer Priester begründet. Sie hätten den Tempel wie Räuber als Versteck missbraucht, indem sie sich auf Gottes vermeintlich sichere Präsenz beriefen, aber den Armen gerechtes Verhalten verweigerten. Die Echtheit dieses Jesusworts ist umstritten. „Räuber“ nannten Römer damals zelotische Rebellen, die sich gern in Höhlen versteckten; die Sadduzäer dagegen waren ihnen treu ergeben. Im Verlauf des jüdischen Aufstands (66-70) verschanzten sich Zeloten zeitweise im Tempel; der Ausdruck kann daher die Rückschau der Urchristen spiegeln.
Laut Joh 2,13 forderte Jesus bei seiner Aktion den Abriss des Tempels. Daher wird vermutet, dass er in diesem Kontext Zerstörung (Mk 13,2) und Neubau (Mk 14,58) des Tempels ankündigte. Nach Jens Schröter beabsichtigte Jesus keinen realen Tempelneubau, sondern stellte wie mit seiner „Kritik an den Reinheitsgeboten die an den vorhandenen Institutionen orientierte Verfassung Israels in Frage“, um die Juden wie Johannes der Täufer auf die unmittelbare Begegnung mit Gott vorzubereiten.[130] Nach Peter Stuhlmacher erhob er damit einen impliziten Messiasanspruch, weil die Nathanweissagung 2 Sam 7,1–16 dem Davidnachfolger für den Tempelbau ewige Herrschaft und vor allem die Gottessohnschaft zusagte und apokryphe jüdische Texte (PsSal 17,30; 4Q flor 1,1–11) mit Bezug darauf vom künftigen Messias eine Reinigung und den Neubau des Tempels erwarteten.[131]
Für Jostein Ådna provozierte Jesus zudem die Ablehnung seines mit Tempelaktion und Tempelwort verbundenen Umkehrrufs und lieferte sich so selbst an seine Hinrichtung aus. Denn er habe geglaubt, Gottes Heilshandeln könne sich bei ausbleibender Umkehr seiner Adressaten nur durch „seinen Sühnetod als endzeitlichem Ersatz für den Sühnopferkult des Tempels“ durchsetzen.[132]
Festnahme

Der Tempelaktion folgen verschiedene Lehrreden und Streitgespräche Jesu mit Jerusalemer Priestern und Toralehrern, die die Vollmacht seines Handelns bestreiten (Mk 11,28) und dabei ihren Tötungsplan verfolgen (Mk 11,18; 12,12). Angesichts der Sympathien vieler Festbesucher für Jesus hätten sie seine heimliche Festnahme „mit List“ verabredet (14,1). Dabei habe ihnen Judas Iskariot unverhofft Hilfe angeboten (14,11). Die Festnahme sei nachts nach dem letzten Mahl Jesu mit seinen erstberufenen Jüngern (14,17–26) im Garten Getsemani, einer Lagerstätte für Pessachpilger am Fuß des Ölbergs, erfolgt. Dorthin habe Judas eine mit „Schwertern und Stangen“ bewaffnete „große Schar“ geführt, darunter einen Diener des Hohenpriesters. Auf ein verabredetes Zeichen hin, den Judaskuss, hätten sie Jesus festgenommen. Dabei hätten einige Jünger ihn gewaltsam zu verteidigen versucht. Dies habe er zurückgewiesen, indem er seine Festnahme als vorherbestimmten Willen Gottes angenommen habe. Daraufhin seien alle Jünger geflohen (14,32.43–51).
Diese Darstellung legt nahe, dass der Hohepriester Jesus durch die jüdische Tempelwache, die zum Waffentragen berechtigt war, festnehmen ließ, da der vorige öffentliche Tempelkonflikt die Machtposition des Sanhedrin (des Hohen Rats) als zentrale Institution des Judentums gefährden konnte.[133] Der Hohepriester wurde damals von den Römern ein- und abgesetzt und konnte nur im Rahmen römischen Besatzungsrechts handeln. Der von ihm geführte Sanhedrin war verpflichtet, potentielle Unruhestifter festzusetzen und auszuliefern. Sonst hätten die Römer ihm die restliche Selbständigkeit nehmen können, wie es bei der Zerstörung des Tempels später geschah.[134] Daher wird Jesu Festnahme als vorbeugende Maßnahme gedeutet, um das jüdische Volk vor den Folgen eines Aufruhrs zu schützen und den Tempelkult nach gültigen Torageboten zu bewahren.[135] Dem entspricht das realpolitische Kalkül, mit dem der Hohepriester den Sanhedrin laut Joh 11,50 EU und 18,14 EU überzeugt haben soll, Jesus festzunehmen und hinrichten zu lassen: „Es ist besser, dass ein einziger Mensch für das Volk stirbt.“[136] Dass der Sanhedrin schon vor Jesu Festnahme geplant haben soll, ihn zur Hinrichtung an Pilatus auszuliefern, gilt jedoch als tendenziöse Redaktion.[137] Denn die Tempelaktion betraf die Römer nicht und griff ihr Besatzungsstatut nicht an, solange sie keine Unruhen auslöste, gefährdete aber die Autorität und relative Autonomie der Hohenpriester in Kultfragen.[138]
Nach Joh 18,3.12 soll eine Soldatentruppe (griech. speira) unter einem Offizier (griech. chiliarchos) zusammen mit Dienern des Sanhedrin Jesus mit Waffengewalt festgenommen haben. Der Ausdruck speira verweist auf eine römische Kohorte. Sie umfasste nach zeitgenössischen Quellen zwischen 600 und 1000 Soldaten.[139] Eine Kohorte war ständig in der Burg Antonia oberhalb des Tempelbezirks stationiert, um Aufstände an hohen jüdischen Festen zu verhindern. Sie wurde zum Pessachfest um weitere Truppen aus Cäsarea verstärkt.[140]
Der jüdische Historiker Paul Winter nahm daher an, Jesus sei auf Befehl des Pilatus, nicht des Hohenpriesters, durch römische Soldaten, nicht jüdische Tempelwächter festgenommen worden. Die Besatzer hätten mögliche politisch-revolutionäre Tendenzen unterdrücken wollen, die sie unter Jesu Nachfolgern vermuteten und als Wirkung seines Auftretens befürchteten.[141] Auch Wolfgang Stegemann hält eine römische Beteiligung an Jesu Festnahme für denkbar, da die Römer rebellische Tendenzen in Judäa damals oft im Keim erstickten und Jesu Einzug und Tempelaktion solche Tendenzen für sie nahegelegt habe.[142] Klaus Wengst hält die johanneische Festnahmeszene dagegen für insgesamt ahistorisch, da eine ganze Kohorte kaum zur Festnahme eines Einzelnen aufmarschiert wäre, ihn nicht einer jüdischen Behörde übergeben hätte und niemanden, der sich wehrte, hätte entkommen lassen.[143] Die Szene soll die Souveränität des Gottessohns über die übermächtige Gewaltherrschaft der gottfeindlichen Mächte ausdrücken.[144]
Für eine zeitnahe Abfassung des Markusberichts spricht, dass er die Namen der sich widersetzenden Jünger anders als sonst nicht nennt. Diese Personen waren Jerusalemer Urchristen eventuell ohnehin bekannt und blieben hier anonym, um sie vor römischen oder jüdischen Verfolgern zu schützen.[145] Zur vermuteten römischen Initiative passt Jesu Aussage, man sei gegen ihn wie gegen einen „Räuber“ (Zeloten) vorgegangen, obwohl er tagsüber greifbar gewesen sei. Doch nahm die bewaffnete Schar nur ihn fest und verfolgte seine fliehenden Begleiter nicht; Pilatus ging laut NT auch später nicht gegen die Urchristen vor. Dies deutet eher auf einen religiösen als politischen Festnahmegrund hin.[146]
Vor dem Hohen Rat

Nach Mk 14,53.55–65 brachte man Jesus dann ins Haus des nicht namentlich genannten Hohepriesters, wo sich Priester, Älteste, Toragelehrte – alle Fraktionen des Sanhedrin – versammelten. Jesus sei mit dem Ziel eines Todesurteils angeklagt worden. Die aufgebotenen Zeugen hätten ein Jesuswort zitiert: Er habe den Abriss und Neubau des Tempels innerhalb von drei Tagen geweissagt. Doch ihre Aussagen hätten nicht übereingestimmt, waren also rechtlich nicht verwertbar. Dann habe der Hohepriester Jesus aufgefordert, zur Anklage Stellung zu nehmen. Nach seinem Schweigen habe er ihn direkt gefragt: „Bist du der Messias, der Sohn des Hochgelobten?“ Darauf habe Jesus geantwortet (Mk 14,62 EU):
„Ich bin es; und ihr werdet sehen den Menschensohn sitzend zur Rechten der Kraft und mit den Himmelswolken kommen.“
Das habe der Hohepriester als Gotteslästerung gedeutet und zum Zeichen dafür sein Amtskleid zerrissen. Darauf habe der Rat Jesus einstimmig zum Tod verurteilt. Einige hätten ihn geschlagen und verhöhnt.
Ob es so einen Prozess gab und falls ja, ob er legal war, ist stark umstritten. Fraglich ist schon, woher die geflohenen Jesusanhänger Details davon erfahren haben können: eventuell durch den „angesehenen Ratsherrn“ Josef von Arimathäa, der Jesus bestattete (Mk 15,43–46). Doch während Mt wie Mk einen nächtlichen Prozess mit einem Todesurteil schildert, wird Jesus nach Lk 22,63–71 erst am Folgetag vom ganzen Rat nach seiner Messianität gefragt und ohne Todesurteil vor Pilatus angeklagt. Nach Joh 18,19 ff. wird er nur von Hannas verhört und dann ohne Ratsprozess und Todesurteil an dessen damals amtierenden Nachfolger Kajaphas, von diesem an Pilatus übergeben.
Die Markusversion beschreibt mit Tötungsvorsatz, heimlicher Sitzung in der Pessachnacht, Falschzeugen, einstimmigem Todesurteil direkt nach dem Verhör und Misshandlung des Verurteilten einen illegalen Prozess. Spätere Vorschriften der Mischna verboten Kapitalprozesse in der Nacht, in Privathäusern, an Festtagen und zugehörigen Rüsttagen. Die Verhandlung musste mit Entlastungszeugen beginnen. Todesurteile durften frühestens einen Tag danach gefällt werden. Die jüngsten Ratsmitglieder sollten ihr Urteil zuerst und unbeeinflusst sprechen.[147] Für Jesu Zeit sind diese Regeln unbelegt. Josephus stellte eine milde, nach 70 durchgesetzte pharisäische einer früheren harten sadduzäischen Strafrechtspraxis gegenüber. Doch direkte Belege für letztere und für ein derartiges Eilverfahren, das Tötungsabsichten begünstigte, fehlen.[148]
Damals durfte in Judäa nur Roms Statthalter Todesstrafen anordnen und vollstrecken lassen. Der Sanhedrin unterstand Roms Herrschaft, durfte sich nur mit Erlaubnis des Statthalters und nur zu besonderen Anlässen vollständig versammeln und musste ihn bei der Durchsetzung von Ruhe und Ordnung unterstützen. Die Römer setzten den Hohepriester ein und ab, verwahrten sein Amtskleid und stellten es ihm nur an Festtagen für Amtshandlungen zur Verfügung. Als der Hohepriester Ananus ben Ananus um 62, als das Statthalteramt vakant war, den Rat einberief und Jesu ältesten Bruder Jakobus steinigen ließ, setzten die Römer ihn deswegen ab.[149] Falls beschriftete Warntafeln im Tempel eine formelle Todesstrafe meinten, durfte der Rat nur nichtjüdische Eindringlinge in den inneren Tempelbereich selbst hinrichten.[150]
Wegen dieser außerchristlichen Belege halten viele Historiker einen regulären Prozess, zumindest ein Todesurteil des Sanhedrin für ahistorisch. Sie nehmen an, dass die Urchristen beides erfanden, um die Römer nach der Tempelzerstörung zu entlasten und die jüdische Führungselite zu belasten.[151] Denn ab etwa 65 waren die Christianoi, die einen von Römern Gekreuzigten verehrten, als kriminelle Vereinigung im Römischen Reich bedroht. Die Tempelzerstörung im Jahr 70 verstärkte ihre Abgrenzung vom Judentum.[152]
Andere nehmen ein Ausnahmeverfahren des Rates an,[153] halten es aber auch dann für unwahrscheinlich, dass dieser Jesus als Lästerer des Gottesnamens oder Verführer des Volkes zum Abfall von JHWH (Dtn 13,6; Lk 23,2; Talmudtraktat Sanhedrin 43a) verurteilte: Denn Jesu theozentrische Botschaft vom Reich Gottes erfüllte das erste der Zehn Gebote,[154] und er umschrieb den Gottesnamen ebenso wie der Hohepriester.[155] Das von den Zeugen zitierte Jesuswort legt eine Anklage auf Falschprophetie (Dtn 18,20 ff.) nahe.[156] Sie werden Falschzeugen genannt, weil sie gegen den Sohn Gottes aussagten, nicht weil sie Jesus falsch zitierten. Sie können Jesus vorgeworfen haben, er habe Unmögliches geweissagt und einen Tempelabriss torawidrig als Gottes Willen ausgegeben. Man konnte jedoch abwarten, ob seine Ankündigung eintrat, bevor man ihn dafür verurteilte (Dtn 18,22). Falschpropheten sollten laut der Tora gesteinigt werden; nur Gotteslästerer und Götzendiener sollten nach der Mischna (Traktat Sanhedrin VI,4) erhängt werden.
Die Tempelpriester verfolgten Tempel- und Kultkritiker auch sonst, etwa Jeremia (Jer 26,1–19; um 590 v. Chr.) und den „Lehrer der Gerechtigkeit“ (um 250 v. Chr.). Ratsmitglieder steinigten den tempelkritischen Urchristen Stephanus, nachdem er dem Rat Justizmord an Jesus vorgeworfen und diesen als inthronisierten Menschensohn verkündet hatte (Apg 7,55 f.; um 36). Als Jesus ben Ananias um 62 in Jerusalem die Zerstörung von Tempel und Stadt ankündigte, nahm der Rat ihn als Ruhestörer fest und überstellte ihn Roms Statthalter, der ihn nach einer Auspeitschung jedoch freiließ.[157]
Falls es einen regulären Prozess des Rates gab, muss dieser kein Todesurteil angestrebt haben. Die Messiasfrage des Hohenpriesters nach dem Zeugenverhör wirkt plausibel, da für ihn gemäß der Nathanverheißung 2Sam 7,12–16 nur der künftige, als Gottes „Sohn“ angeredete Davidnachfolger den Tempel neu erbauen durfte.[158] Dieser Anspruch war für Juden nicht unbedingt blasphemisch, da andere Messiasanwärter geachtet wurden, so der wohl nach Num 24,17 „Sternensohn“ genannte Bar Kochba (um 132). Doch Jesu Eigenaussage in Mk 14,62 kann das Todesurteil ausgelöst haben. Sie erinnert die Ankläger an die Vision vom Menschensohn in Dan 7,13 f.: Dieser erscheint nicht als Davidnachfolger, sondern als von Gott bevollmächtigter Vertreter der Gottesherrschaft nach dem Endgericht über alle Weltmächte. So hätte Jesus gegenüber der national begrenzten Messiashoffnung an die Hoffnung auf ein Ende aller Gewaltherrschaft jenseits des Tempelkults erinnert (vgl. Mk 8,38 und Mk 13,24 ff.). Dies hätte für die Sadduzäer die Anklage auf Falschprophetie bestätigt, da sie Daniels Apokalyptik als Irrlehre ablehnten.[159] Manche verweisen auf den genauen Wortlaut der Antwort Jesu: „Sitzend zur Rechten Gottes“ zitiert Ps 110,1. Damit erscheint der Menschensohn als schon inthronisierter Endrichter. Dann hätte Jesus für den Hohepriester dessen Richteramt missachtet und sich selbst an Gottes Seite erhöht.[160] Andere halten Partizip „sitzend…“ für redaktionell in den Satz eingefügt, da es den Glauben an Jesu Auferstehung und erwartete Wiederkunft voraussetze.[161]
Vor Pilatus
Nach Mk 15,1–15 lieferte der „ganze Hohe Rat“ Jesus am Folgetag nach einem Beschluss dazu gefesselt an Pilatus aus. Dieser habe ihn gemäß der Anklagen des Sanhedrin gefragt: „Bist du der König der Juden?“ Dann habe er der zusammengeströmten Volksmenge zur üblichen Pessachamnestie Jesu Freilassung angeboten. Doch die Tempelpriester hätten die Menge aufgewiegelt, stattdessen die Freigabe des Barabbas, eines kürzlich inhaftierten Zeloten, zu fordern. Nach mehrfachen vergeblichen Rückfragen, was Jesus getan habe, habe Pilatus der Menge nachgegeben, Barabbas freigelassen und Jesus kreuzigen lassen.
Lk 23,6–12 ergänzt ein Verhör Jesu durch Herodes, der ihn auf sein Schweigen hin verhöhnt, an Pilatus zurückgibt und so dessen Freund wird. Die Szene gilt als redaktioneller Vorgriff auf Apg 4,25–28, wonach ein biblisch vorhergesagtes Bündnis von Heiden und Königen (Ps 2,1 f.) Jesus zu Tode brachte.[162] Lk 23,17 ff. erweitert die Anklage um Vorwürfe, die im Sanhedrinprozess fehlten: Volksverführung und Steuerboykott gegen den Kaiser Roms. Auch den Verlauf der Pessachamnestie variieren die Evangelien (Mt 27,17; Lk 23,16; Joh 18,38 f.). In allen Versionen betreiben die Tempelpriester und ihre Anhänger Jesu Hinrichtung, während Pilatus von seiner Unschuld ausgeht, ihn aber nicht freilässt, sondern ihr Urteil erfragt und ihrem Druck zuletzt nachgibt.
Eine damalige Pessachamnestie ist sonst nirgends überliefert. Die Römer gingen nach außerbiblischen Quellen von sich aus massiv gegen jede prophetisch inspirierte Volksansammlung im Raum Judäas vor.[163] Jüdische Historiker stellen Pilatus als rücksichtslos, unnachgiebig, korrupt und grausam dar: Er habe die Juden durch Kaisersymbole im Tempelbezirk provoziert, Massaker befohlen (vgl. Lk 13,1) und ständig Juden ohne Gerichtsverfahren hinrichten lassen.[164] Gemäß römischen Verfahrensweisen in unterworfenen Provinzen konnte Pilatus Jesus nach einem Kurzverhör ohne förmliches Urteil (coercitio) hinrichten lassen: Der Verdacht aufrührerischen Verhaltens genügte.[165]
Jesus hatte laut Mk 11,9.18; 12,12; 14,2 die Sympathie der Festpilger, die das römische Besatzungsrecht ablehnten, und der enge Innenhof des Pilatuspalastes bot einem Volksauflauf kaum Raum. Daher gelten öffentliches Verhör, Volksbefragung, Amnestie und Unschuldserklärungen des Pilatus heute meist als ahistorisch und werden einer antijüdischen Redaktion des Passionsberichts zugewiesen.[166]
Die Tacitusnotiz erwähnt einen Hinrichtungsbefehl des Pilatus, ohne den unter ihm wohl niemand gekreuzigt wurde. Die Evangelien setzen den Befehl voraus, indem sie eine römische Urteilsanzeige, hier als Kreuzestafel, zitieren: Pilatus habe Jesus als „König der Juden“ verurteilt (Mk 15,26 par). Dieser Urteilsgrund gilt meist als historisch, weil der Titel auf einen politisch gedeuteten Messiasanspruch verweist, mit dem Auslieferungsgrund (Mk 15,2 par) übereinstimmt und vor dem Hintergrund des römischen Rechts plausibel ist: Die Römer hatten jüdischen Vasallenherrschern das Tragen des Königstitels seit 4 v. Chr. verboten.[167] Als „König“ (basileus) hatten sich auch jüdische Zelotenführer bezeichnet.[168] Dies galt nach römischem Gesetz als Majestätsbeleidigung (crimen laesae maiestatis (populi Romani)), Anstiftung zum Aufstand (seditio) und staatsfeindlichen Aufruhr (perduellio), da nur der römische Kaiser Könige ein- oder absetzen durfte. Falls Jesu Verhör wie dargestellt verlief, musste Pilatus Jesu Antwort auf die Frage nach einer angemaßten Königswürde („Du sagst es“) und sein folgendes Schweigen als Geständnis werten, das sein Todesurteil erzwang.[169]
Mit Jesu Hinrichtung zwischen Zeloten wollte Pilatus wahrscheinlich ein Exempel gegen alle rebellischen Juden statuieren und ihre Messiashoffnung verhöhnen.[170] Demgemäß deutet der redaktionelle Vers Joh 19,21 den Protest der Sadduzäer: Jesus habe bloß behauptet, der Messias zu sein.[171] Für die Urchristen bestätigte der Kreuzestitel deren Unrechtsurteil, da Jesus keinen bewaffneten Aufstand geplant habe (Lk 22,38), und Jesu verborgene wahre Identität als des Kyrios Christus, des Herrschers aller Herren (Offb 19,16).
Kreuzigung
Die Kreuzigung war im römischen Kaiserreich die grausamste Hinrichtungsmethode, die meist gegen Aufständische, entlaufene Sklaven und Einwohner ohne römisches Bürgerrecht angewandt wurde. Sie sollte Augenzeugen demütigen und von der Teilnahme an Aufruhr abschrecken. Juden galt sie als Verfluchtsein durch Gott (Dtn 21,23; Gal 3,13). Der Todeskampf konnte je nach Ausführung tagelang dauern, bis der Gekreuzigte verdurstete, am eigenen Körpergewicht erstickte oder an Kreislaufversagen starb.[172] Der markinische Passionsbericht nennt jedoch keine Details zum physischen Vorgang, sondern nur zum Verhalten von ausführenden Tätern und Zeugen, zu letzten Worten Jesu und Zeitdauer seines Sterbens.
Laut Mk 15,15–20 entkleideten die römischen Soldaten Jesus, zogen ihm ein Purpurgewand an, setzten ihm eine Dornenkrone auf und verspotteten ihn gemäß dem Pilatusurteil als „König der Juden“, um so die messianische Hoffnung der Juden zu verhöhnen.[173] Darauf hätten sie ihn geschlagen und angespuckt. Eine Geißelung war integraler Bestandteil der römischen Kreuzigung und wurde oft so brutal durchgeführt, dass der Verurteilte bereits daran starb.[174]
Laut Vers 21 musste Jesus dann selbst sein Kreuz zum Richtplatz vor die Stadtmauer tragen. Als der von den Schlägen Geschwächte zusammengebrochen sei, hätten die Soldaten den zufällig von der Feldarbeit kommenden Juden Simon von Cyrene genötigt, sein Kreuz zu tragen. Dass die Urchristen noch Jahrzehnte später seinen Namen und die seiner Söhne überlieferten, wird als Solidarität zwischen Urchristen und Diasporajuden gedeutet.
Laut Vers 23 boten die Soldaten Jesus Myrrhe in Wein an, bevor sie ihn kreuzigten; diesen Trank habe er abgelehnt. Die Kreuzigung habe um die dritte Stunde (etwa 9 Uhr vormittags) begonnen (V. 25). Dann hätten sie um sein Gewand gelost. Laut Vers 27 wurde Jesus zusammen mit zwei „Räubern“ (Zeloten oder „Sozialbanditen“)[175] auf dem Hügel Golgota („Schädelstätte“) vor der damaligen Jerusalemer Stadtmauer gekreuzigt, begleitet von Hohn und Spott der Anwesenden. Um die sechste Stunde habe eine dreistündige Finsternis eingesetzt (V. 33). Gegen deren Ende habe Jesus auf Aramäisch das Psalmzitat Ps 22,2 EU gerufen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (V. 34) Dann habe er aus jüdischer Hand einen mit Weinessig (Posca) getränkten Schwamm angenommen (V. 36) und sei unmittelbar darauf mit einem lauten Schrei gestorben (V. 37). Der Tod sei um die „neunte Stunde“ (etwa 15 Uhr nachmittags) erfolgt.
Das Stundenschema, die Finsternis, Anspielungen auf Psalmen und Psalmzitate gelten als theologische Deutung, nicht als historische Details.[176] Sie stellen Jesus in die Reihe der zu Unrecht verfolgten, von der Gewalt aller Feinde umringten und an Gottes Gerechtigkeit appellierenden leidenden Juden.[177]
Grablegung

Nach Mk 15,42–47 starb Jesus vor Anbruch der Nacht. Daher habe Josef von Arimathäa Pilatus gebeten, ihn vom Kreuz abnehmen und bestatten zu dürfen. Pilatus, erstaunt über Jesu rasches Sterben, habe sich seinen Tod beim römischen Aufseher der Hinrichtung bestätigen lassen und seinen Leichnam dann zur Bestattung freigegeben. Josef habe ihn noch am selben Abend nach jüdischem Brauch in ein Tuch gewickelt, in ein neues Felsengrab gelegt und dieses mit einem schweren Felsen verschlossen. Maria Magdalena und eine andere Maria, die mit anderen Frauen aus Galiläa Jesu Sterben begleiteten, hätten den Vorgang beobachtet.
Römer ließen am Kreuz Getötete oft zur Abschreckung und Demütigung ihrer Angehörigen Tage und Wochen hängen, bis sie verwest, zerfallen oder von Vögeln gefressen worden waren. Für Juden verstieß dies gegen die Vorschrift von Dtn 21,22–23, wonach der „an ein Holz gehängte“ Hingerichtete noch am gleichen Tag begraben werden sollte. Nach Josephus (Bellum Judaicum 4,317) durften von Römern gekreuzigte Juden nach jüdischer Sitte bestattet werden. Dies wird als Rücksicht der Römer auf Gefühle und Religion der Juden gedeutet; im Falle Jesu, um beim Pessachfest keine Unruhe auszulösen.[178]
Die gesetzesgemäße Grablegung eines Verurteilten gehörte eventuell zur Aufgabe des Sanhedrin. Dann hätte Josef von Arimathäa in dessen Auftrag gehandelt. Dies stellt das einstimmige Todesurteil wegen Gotteslästerung in Frage.[179] Dass der Markusbericht die amtliche Prüfung des Todes Jesu erwähnt, sollte diesen wohl gegen frühe Scheintodthesen bekräftigen.[180] Die Namen der Zeuginnen für Jesu Sterben und Grablegung waren offenbar in der Jerusalemer Urgemeinde bekannt. An sie wurde wohl erinnert, weil nur sie nach der Flucht der Jünger Jesu Grabstätte kannten. Sie sollen sie am übernächsten Morgen leer gefunden haben (Mk 16,1–8).[181]
Der Ort des Jesusgrabes ist unbekannt. Das NT enthält keine Hinweise auf seine Verehrung.[182] Manche Historiker vermuten es unter der heutigen Grabeskirche, weil dort eine Grabverehrung aus dem 1. Jahrhundert archäologisch nachgewiesen ist.[183]
Die historische Forschung untersucht NT-Texte zu Ereignissen nach Jesu Grablegung nur im Rahmen der Geschichte des urchristlichen Auferstehungsglaubens.[184]
Literatur
Quellen
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Historisches Umfeld
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Zum historischen Jesus
- Wolfgang Treitler: Jesus, Josefs Sohn. Der Messias als Tor des Bundes. Brill, Schöningh, Paderborn 2023.
- Gerd Theißen, Annette Merz: Wer war Jesus? Der erinnerte Jesus in historischer Sicht. Ein Lehrbuch. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2023, ISBN 978-3-8252-6108-5; Neuauflage von Gerd Theißen, Annette Merz: Der historische Jesus. Ein Lehrbuch. 4. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011, ISBN 978-3-525-52198-4
- Michael Wolter: Jesus von Nazaret. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, ISBN 978-3-7887-3406-0
- Jens Schröter, Christine Jacobi, Lena Nogossek (Hrsg.): Jesus Handbuch. Mohr Siebeck, Tübingen 2017, ISBN 978-3-16-153853-7
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- Géza Vermes: Jesus der Jude. Ein Historiker liest die Evangelien. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1993, ISBN 3-7887-1373-9
- Joseph Klausner: Jesus von Nazareth. Seine Zeit, sein Leben und seine Lehre. 3., erweiterte Auflage, Athenaeum, Bodenheim 1992, ISBN 3-7610-0325-0
- Schalom Ben-Chorin: Bruder Jesus. Der Nazarener in jüdischer Sicht. dtv, München 1987, ISBN 3-423-01253-6
Zum Prozess
- Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz: Ein historisch-rekonstruktives und theologisches Modellbild. Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-17-019702-2
- Wolfgang Reinbold: Der Prozess Jesu. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-61591-4.
- Géza Vermes: Die Passion. Die wahre Geschichte der letzten Tage im Leben Jesu. Primus, Darmstadt 2006, ISBN 3-89678-291-6
- Chaim Cohn: Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht. Insel, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-458-34430-6
- Raymond E. Brown: The Death of the Messiah. From Gethsemane to the Grave: A Commentary on the Passion Narratives in the Four Gospels. Yale University Press, 1999. Band 1: ISBN 0-300-14009-6; Band 2: ISBN 0-300-14010-X
- Peter Egger: Crucifixus sub Pontio Pilato. Das „Crimen“ Jesu von Nazareth im Spannungsfeld römischer und jüdischer Verwaltungs- und Rechtsstrukturen. Aschendorff, Münster 1997, ISBN 3-402-04780-2
- Karl Kertelge: Der Prozeß gegen Jesus. Historische Rückfrage und theologische Deutung. 2. Auflage, Herder, Freiburg im Breisgau 1991, ISBN 3-451-02112-9
- Rudolf Pesch: Der Prozess Jesu geht weiter. Herder, Freiburg im Breisgau 1988, ISBN 3-451-08507-0
- Pinchas Lapide: Wer war schuld an Jesu Tod? 4. Auflage, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1987, ISBN 3-579-01419-6
- Otto Betz: Probleme des Prozesses Jesu. In: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt II.25.1, De Gruyter, Berlin 1982, S. 566–647
- David Flusser: Die letzten Tage Jesu in Jerusalem. Das Passionsgeschehen aus jüdischer Sicht. Calwer, Stuttgart 1982, ISBN 3-7668-0676-9
- August Strobel: Die Stunde der Wahrheit. Untersuchungen zum Strafverfahren gegen Jesus. Mohr Siebeck, Tübingen 1980, ISBN 3-16-143041-7
- Paul Winter: On the Trial of Jesus. De Gruyter, Berlin 1974
Weblinks
- NT-Quelltexte
- Griechischer Urtext (Nestle-Aland 28. A.) und Übersetzungen
- New Testament Transcripts Prototype. Griechischer Urtext, Nestle-Aland 27. A. nebst Textvariantenapparat
- Übersetzungen
- Bibliografien
- Literatur von und über Jesus von Nazaret im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Jesus von Nazaret in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Herbert Frohnhofen: Auswahlbibliografie zu Jesus von Nazaret
- Grundinformationen
- Peter Philhofer: Der historische Jesus. Vorlesungsskript. Erlangen/Nürnberg 2009
- Jon Swales: Historical Jesus: Method and Criteria. Bristol 2008
- Einzelthemen
- Christoph Rall: Außerbiblische Notizen zum historischen Jesus
- Marcus Cohn: Der Prozess Jesu nach jüdischem Recht
Einzelnachweise
- ↑ Bibelstellen im Artikel werden nach der Einheitsübersetzung zitiert und nach den Loccumer Richtlinien abgekürzt. Biblische Namen werden danach buchstabiert.
- ↑ Alice Whealey: Josephus on Jesus: The Testimonium Flavianum Controversy from Late Antiquity to Modern Times. Peter Lang, New York 2003, ISBN 0-8204-5241-6, S. 2–4
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 89
- ↑ James H. Charlesworth: The Historical Jesus, Nashville 2008, S. 41
- ↑ Richard Bauckham: Jesus and the Eyewitnesses. The Gospels as Eyewitness Testimony. William B. Eerdmans, Grand Rapids / Michigan 2006, ISBN 0-8028-3162-1
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 44 f.
- ↑ Ludger Schenke: Der gekreuzigte Christus. Versuch einer literarkritischen und traditionsgeschichtlichen Bestimmung der vormarkinischen Passionsgeschichte. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1974, ISBN 3-460-03691-5; Joachim Gnilka: Das Evangelium nach Markus (Mk 8,27–16,20), EKK Teil II/2, : Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2010, ISBN 978-3-7887-2392-7, S. 217
- ↑ Hans Conzelmann: Historie und Theologie in den synoptischen Passionsberichten. In: Fritz Viering (Hrsg.): Zur Bedeutung des Todes Jesu: Exegetische Beiträge. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1967, S. 37 f.
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 394; Wolfgang Reinbold: Der Prozess Jesu, Göttingen 2006, S. 49; Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 362.
- ↑ James H. Charlesworth: The Historical Jesus, Nashville 2008, S. 22.
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 7; Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 123.
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. Stuttgart 2010, S. 148 f.
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 117; Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 148 und öfter.
- ↑ Werner Foerster, Art. Ἰησοῦς, in: ThWNT III, Stuttgart/Berlin/Köln 1990, ISBN 3-17-011204-X, S. 290.
- ↑ Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 46 f.
- ↑ Wolfgang Wiefel: Das Evangelium nach Matthäus. In: Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament Band 1, Evangelische Verlagsanstalt 1998, ISBN 3-374-01639-1, S. 49.
- ↑ Jürgen Roloff: Jesus. 2011, S. 36.
- ↑ Hans Klein: Das Lukasevangelium. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005, ISBN 3-525-51500-6, S. 133.
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 149–151; Eduard Schweizer: Jesus Christus I, ThRE, S. 710.
- ↑ Eduard Lohse, Anton Vögtle: Geschichte des Urchristentums. In: Thomas Kaufmann, Raymund Kottje, Bernd Moeller, Hubert Wolf (Hrsg.): Ökumenische Kirchengeschichte 01: Von den Anfängen bis zum Mittelalter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006, ISBN 3-534-15804-0, S. 7; Rainer Riesner: Wann war Weihnachten? Chronologische und überlieferungsgeschichtliche Fragen zur Geburt Jesu. In: Theologische Beiträge, Jahrgang 54, 2023, S. 223–240, hier S. 225–229 (dort auch weitere Literatur)
- ↑ Leonard Goppelt: Zur Chronologie Jesu. In: Theologie des Neuen Testaments, Göttingen 1978, S. 71.
- ↑ Michael Theobald: Das Herrenmahl im Neuen Testament. In: Theologische Quartalsschrift 183/2003, S. 261 (Verweise ebd.)
- ↑ Richard L. Niswonger: New Testament History. 1992, ISBN 0-310-31201-9, S. 167 f.
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 152 ff.
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 150.
- ↑ James F. Strange: Nazareth. ABD 4, S. 1050 f.; Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 76.
- ↑ Edwin D. Freed: Stories of Jesus’ Birth: A Critical Introduction. T&t Clark, 2001, ISBN 1-84127-132-2, S. 77 f.
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 158; Martin Koschorke: Jesus war nie in Bethlehem. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2011, ISBN 978-3-534-23639-8; Anton Ziegenaus: Bethlehem oder Nazareth? Zur Frage nach dem Geburtsort Jesu. In: Forum katholische Theologie 24, Schneider Druck, 2008, S. 205–214.
- ↑ Bruce Chilton: Jesus, le mamzer (MT 1.18). New Testament Studies, Cambridge University Press, Cambridge 2001, ISSN 0028-6885, S. 222–227.
- ↑ Peter Schäfer: Jesus im Talmud. Mohr/Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149462-8, S. 37–39.
- ↑ Gerd Lüdemann: Jungfrauengeburt? Die Geschichte von Maria und ihrem Sohn Jesus. Zu Klampen, 2008, ISBN 978-3-86674-028-0.
- ↑ Walter Gerwing: Die Gottesherrschaftsbewegung Jesu. Lit, Münster 2002, ISBN 3-8258-6299-2, S. 22; Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 183 f.
- ↑ Diese Deutung soll die in der römisch-katholischen und den orthodoxen Kirchen vertretene „immerwährende Jungfräulichkeit Marias“ stützen. Siehe Lorenz Oberlinner: Historische Überlieferung und christologische Aussage. Zur Frage der 'Brüder Jesu' in der Synopse. Stuttgart 1975; dagegen Rudolf Pesch: Das Markusevangelium. Band 1, Herder, Freiburg 1976, S. 323; Joachim Gnilka: Das Evangelium nach Markus. Neuenkirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1978, ISBN 3-7887-0576-0, S. 234.
- ↑ Harry Jungbauer: „Ehre Vater und Mutter“, Der Weg des Elterngebots in der biblischen Tradition. Mohr/Siebeck, Tübingen 2002, S. 80 ff.; Cornelis Houtman: Das Bundesbuch: ein Kommentar, Brill, Leiden 1997, S. 131 ff.
- ↑ Rudolf Pesch: Das Markusevangelium Band 1, Freiburg 1976, S. 223.
- ↑ Joachim Gnilka: Das Matthäusevangelium. Herder, Freiburg 1986, S. 396.
- ↑ Rudolf Pesch: Das Markusevangelium. Band 1, S. 374 f.
- ↑ Hans Conzelmann: Geschichte des Urchristentums. 6. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1989, ISBN 978-3-525-51354-5, S. 150
- ↑ Guido Baltes: Hebräisches Evangelium und synoptische Überlieferung: Untersuchungen zum hebräischen Hintergrund der Evangelien. Mohr/Siebeck, Tübingen 2011, ISBN 3-16-150953-6, S. 35.
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 318 f.
- ↑ Für wahrscheinlich hält es Rainer Riesner: Jesus als Lehrer: Frühjüdische Volksbildung und Evangelien-Überlieferung. (1981) 4. Auflage, Mohr/Siebeck, Tübingen 2023, ISBN 978-3-16-162497-1, S. 512. Für „eher unwahrscheinlich“ halten es Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 162.
- ↑ Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 77, Fn. 82.
- ↑ Pinchas Lapide: Er predigte in ihren Synagogen. Jüdische Evangelienauslegung. Gütersloher Verlagshaus 1980, ISBN 3-579-01400-5.
- ↑ Menge-Gütling: Griechisch-deutsches Wörterbuch. Langenscheidt, München 2001, ISBN 3-468-02030-9: τέκτων bezeichnet einen „mit harten Stoffen (Holz, Stein etc.) arbeitenden Handwerker“.
- ↑ Michael Schäfers: Prophetische Kraft der kirchlichen Soziallehre? Armut, Arbeit, Eigentum und Wirtschaftskritik. Münster 1998, S. 87 ff.
- ↑ James H. Charlesworth: The historical Jesus. An essential guide. Nashville 2008, S. 69–71.
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. Stuttgart 2010, S. 249; Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 159
- ↑ H. H. Schader: Nasiraios. In: Gerhard Kittel (Hrsg.): Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament Bd. IV, Sp. 879–884.
- ↑ Flavius Josephus: Antiquitates 18, 116–119; Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 184–191
- ↑ Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. Göttingen 1998, S. 194.
- ↑ a b c Jürgen Becker: Jesus von Nazaret. Berlin 1995, S. 60–62.
- ↑ a b Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 133–140.
- ↑ Josef Ernst: Johannes der Täufer: Interpretation, Geschichte, Wirkungsgeschichte. Walter de Gruyter, Berlin 1989, S. 156 ff.
- ↑ Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. Göttingen 1998, S. 267. Anders Jürgen Becker: Jesus von Nazaret, Berlin 1996, S. 99.
- ↑ Artikel Johannes der Täufer II. In: Theologische Realenzyklopädie Band 17, Walter de Gruyter, Berlin 1988, S. 177.
- ↑ Joachim Jeremias: Der Opfertod Jesu Christi. In: Bertold Klappert: Diskussion um Kreuz und Auferstehung, Aussaat Verlag, Wuppertal 1967, ISBN 3-7615-4661-0, S. 179 f.; Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 272 f.
- ↑ Jostein Ådna: Jesu Stellung zum Tempel: Die Tempelaktion und das Tempelwort als Ausdruck seiner messianischen Sendung. Tübingen 2000, ISBN 3-16-146974-7, S. 292 ff.
- ↑ Hans Conzelmann: Geschichte des Urchristentums, Göttingen 1989, S. 21
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 161–163 und S. 170
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 160
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 299
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 221
- ↑ Werner Grimm: Weil ich dich liebe: die Verkündigung Jesu und Deuterojesaja. 2., überarbeitete Auflage, Herbert Lang, Bern / Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-8204-5943-X; Jörg Frey: Jesus und die Apokalyptik. In: Michael Becker, Markus Öhler (Hrsg.): Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie. Mohr Siebeck, Tübingen 2006, ISBN 3-16-148592-0, S. 23–94
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 224 und 230 ff.
- ↑ Jens Schröter: Jesus von Nazaret, Leipzig 2006, S. 191–193 und 200–209
- ↑ Wolfgang Wiefel: Das Evangelium nach Matthäus. Evangelische Verlags-Anstalt, Berlin 1998, ISBN 3-374-01639-1, S. 214
- ↑ Jens Schröter: Jesus von Nazaret, Leipzig 2006, S. 200 und 204
- ↑ Bertold Klappert: Die Auferweckung des Gekreuzigten: Der Ansatz der Christologie Karl Barths im Zusammenhang der Christologie der Gegenwart. 3. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1981, ISBN 3-7887-0429-2, S. 106–115
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 223–226; Wolfgang Stegemann: Das Evangelium und die Armen, München 1981, S. 26 ff.
- ↑ Francis Gerald Downing: Cynics and Christian Origins, Band 1. Bloomsbury Academic 1992, ISBN 0-567-09613-0
- ↑ a b Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. Göttingen 1998, S. 266
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 299 und 314 ff.
- ↑ John Dominic Crossan: Der historische Jesus, München 1994, S. 554
- ↑ a b Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 275
- ↑ Bernd Kollmann: Neutestamentliche Wundergeschichten: Biblisch-theologische Zugänge und Impulse für die Praxis. 3. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-17-021376-0, S. 65
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 280
- ↑ Michael Wohlers: Heilige Krankheit: Epilepsie in antiker Medizin, Astrologie und Religion. N.G. Elwert, Marburg 1999, ISBN 3-7708-1135-6, S. 237 ff.
- ↑ Horst Balz: Heil und Heilung im Neuen Testament. In: Karl Hoheisel, Hans-Joachim Klimkeit (Hrsg.): Heil und Heilung in den Religionen. Harrassowitz, Wiesbaden 1995, ISBN 3-447-03619-2, S. 107
- ↑ Adolf Holl: Jesus in schlechter Gesellschaft. 3. Auflage, Kreuz-Verlag, Freiburg im Breisgau 2002, ISBN 3-7831-1816-6
- ↑ Hans D. Betz: Studien zur Bergpredigt. Mohr Siebeck, Tübingen 1985, ISBN 978-3-16-144906-2
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. Stuttgart 2010, S. 263–266 und S. 276–278.
- ↑ Pinchas Lapide: Entfeindung leben? Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1993, ISBN 978-3-579-02205-5
- ↑ René Girard: Das Ende der Gewalt: Analyse des Menschheitsverhängnisses. Herder, Freiburg 1983, ISBN 3-451-19017-6, S. 203–210
- ↑ Klaus Haacker: Was Jesus lehrte: Die Verkündigung Jesu - vom Vaterunser aus entfaltet. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2010, ISBN 978-3-7887-2427-6, S. 152f.
- ↑ Ulrich Becker: Jesus und die Ehebrecherin. Untersuchungen zur Text- und Überlieferungsgeschichte von Johannes 7,53–8,11. (1963) Nachdruck: De Gruyter, Berlin / Boston 2018, ISBN 978-3-11-005593-1, S. 8–43
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. 2010, S. 281 und 288 ff.
- ↑ Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 177–187.
- ↑ zur Nachfolge der Urchristen insgesamt: Martin Hengel: Nachfolge und Charisma. Berlin 1968.
- ↑ Gerd Theißen: Soziologie der Jesusbewegung. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Urchristentums. (1977) 7. Auflage, Christian Kaiser, Gütersloh 1997, ISBN 3-579-05035-4; Wolfgang Reinbold: Propaganda und Mission im ältesten Christentum: Eine Untersuchung zu den Modalitäten der Ausbreitung der frühen Kirche. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2000, ISBN 3-525-53872-3, S. 226–240
- ↑ Géza Vermes: Jesus the Jew: a historian’s reading of the Gospels. SCM Press, 1983, S. 73 ff.; Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 278
- ↑ James H. Charlesworth: The Historical Jesus, An Essential Guide. Nashville 2008, S. 107.
- ↑ Géza Vermes: Jesus der Jude. S. 5 und S. 85–88.
- ↑ Hans-Martin Schenke: Das Philippus-Evangelium (Nag-Hammadi-Codex II, 3). Wiley-VCH Verlag GmbH, 1997, ISBN 3-05-003199-9, S. 264–268.
- ↑ Andreas Lindemann: Auferstehung: Gedanken zur biblischen Überlieferung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, S. 80; Jacobus L. M. van Schaik: Warum Jesus nicht mit Maria Magdalena verheiratet war: Eine kurze Geschichte des esoterischen Christentums. Urachhaus, 2006, ISBN 3-8251-7559-6.
- ↑ Peter Fiedler: Theologischer Kommentar zum Neuen Testament (ThKNT) Band 1: Das Matthäusevangelium. Kohlhammer, Stuttgart 2006, S. 139 ff.
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. Stuttgart 2010, S. 287 f.
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 331
- ↑ Lorenz Oberlinner: Todeserwartung und Todesgewißheit Jesu. Zum Problem einer historischen Begründung. Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 1980, S. 64 ff.
- ↑ Babylonischer Talmud, Mischna Joma 8,6 u. a.
- ↑ Klaus Berger: Jesus als Pharisäer und frühe Christen als Pharisäer. NT30 (1988), S. 231–262; John P. Meier: A Marginal Jew: Rethinking the Historical Jesus Band 3, Bantam Doubleday Dell Publishing Group, 2001, ISBN 0-385-46993-4, S. 289–388; Hyam Maccoby: Jesus the Pharisee, SCM Press, 2003, ISBN 0-334-02914-7.
- ↑ Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 161.
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 177
- ↑ Günther Baumbach: Herodes/Herodeshaus. In: Theologische Realenzyklopädie Band 15, Berlin/New York 1986, S. 159 ff.
- ↑ Sean Freyne: Galilee and Gospel. Brill Academic Publishers, Leiden 2002, ISBN 0-391-04171-1, S. 139 f.
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. Stuttgart 2010, S. 359.
- ↑ Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 234.
- ↑ Peter Egger: „Crucifixus Sub Pontio Pilato“, Münster 1997, S. 202.
- ↑ Martin Hengel: Die Zeloten: Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr. Mohr Siebeck, 3., durchgesehene und ergänzte Auflage, Tübingen 2012, ISBN 3-16-150776-2, S. 390; Otto Michel, Otto Betz: Josephus-Studien. Vandenhoeck und Ruprecht, 1974, ISBN 3-525-53553-8, S. 176 und 189.
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. 2010, S. 337.
- ↑ Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. 1998, S. 275.
- ↑ Gerd Theißen: Die politische Dimension des Wirkens Jesu. In: Gerd Theißen (Hrsg.): Jesus in neuen Kontexten, S. 118 ff.
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 167
- ↑ Jürgen Moltmann: Der gekreuzigte Gott. München 1972, ISBN 3-459-00828-8, S. 132
- ↑ Oscar Cullmann, zitiert nach Jürgen Moltmann: Der gekreuzigte Gott. S. 133.
- ↑ Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. S. 268.
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 125–220
- ↑ Rudolf Bultmann: Das Verhältnis der urchristlichen Glaubensbotschaft zum historischen Jesus. 1960.
- ↑ Samuel George Frederick Brandon: Jesus and the Zealots. 1967; Martin Hengel: War Jesus revolutionär?, 1970; Oscar Cullmann: Jesus und die Revolutionäre seiner Zeit, 1970; Hyam Maccoby: Jesus und der jüdische Freiheitskampf. Ahriman-Verlag, Freiburg im Breisgau 1996.
- ↑ Klaus Berger: Wer war Jesus wirklich? Quell Verlag, 3. Auflage. Stuttgart 1996, S. 172.
- ↑ Flavius Josephus: Bellum Iudaicum 2,652 f.; 4,508 ff.; 4,575 u.ö.; Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 343.
- ↑ Ulrich Luz: Warum zog Jesus nach Jerusalem? In: Jens Schröter, Ralph Brucker (Hrsg.): Der historische Jesus, Berlin/New York 2002, S. 415 ff.
- ↑ Matthias Kreplin: Das Selbstverständnis Jesu. Mohr/Siebeck, Tübingen 2001, S. 128.
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, S. 342 f.
- ↑ James H. Charlesworth: The Historical Jesus. An Essential Guide. Nashville 2008, S. 106 f.
- ↑ Gerd Theißen: Jesus als historische Gestalt. Beiträge zur Jesusforschung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, S. 130
- ↑ John Dominic Crossan: Jesus, München 1996, S. 170
- ↑ Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 209–215.
- ↑ Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 217 f.
- ↑ Joachim Jeremias: Jesu Verheißung für die Völker. Stuttgart 1956, S. 55 f.; Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 217 f. und 228 f.
- ↑ Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 278–280 und 282 f.
- ↑ Peter Stuhlmacher: Charakteristische Formen der Verkündigung Jesu. In: Biblische Theologie des Neuen Testaments Band 1: Grundlegung: Von Jesus zu Paulus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3-525-53595-3, S. 84.
- ↑ Jostein Ådna: Jesu Stellung zum Tempel, Tübingen 2000, S. 425–430 und 440.
- ↑ Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. S. 163; Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 408 ff.
- ↑ Jens Schröter: Jesus von Nazaret. Leipzig 2006, S. 276–285.
- ↑ Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 412, Fn. 199.
- ↑ Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 381.
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. Stuttgart 2010, S. 382 und Fn. 906; Ekkehard W. Stegemann: Wie im Angesicht des Judentums historisch vom Tod Jesu sprechen? In: Helmut Hoping et al.: Wie heute vom Tod Jesu sprechen? Neutestamentliche, systematisch-theologische und liturgiewissenschaftliche Perspektiven. Katholische Akademie, Freiburg 2002, ISBN 3-928698-20-6, S. 39 f.
- ↑ Marlis Gielen: Die Passionserzählung in den vier Evangelien. Literarische Gestaltung – theologische Schwerpunkte. Kohlhammer, Stuttgart 2008, S. 32 (Digitalisat).
- ↑ Martin Hengel, Claus-Jürgen Thornton: Kleine Schriften: Jesus und die Evangelien. Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149327-0, S. 117.
- ↑ Martin Hengel, Anna Maria Schwemer: Jesus und das Judentum. Mohr/Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149359-1, S. 602.
- ↑ Paul Winter: On the Trial of Jesus. 2. Auflage 1974, S. 60–69; Hartwig Thyen: Studien zum Corpus Iohanneum. Mohr/Siebeck, Tübingen 2007, S. 327.
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit. 2010, S. 376–379.
- ↑ Klaus Wengst: Das Johannesevangelium, 2. Teilband: Kapitel 11–21. Kohlhammer, Stuttgart 2007, S. 215 f. und S. 220, Fn. 38.
- ↑ Hartwig Thyen: Das Johannesevangelium. Mohr/Siebeck, Tübingen 2005, ISBN 3-16-148485-1, S. 708.
- ↑ Gerd Theißen: Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien. Ein Beitrag zur Geschichte der synoptischen Tradition. 2. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3-525-53522-8, S. 177–211
- ↑ Kurt Müller: Möglichkeit und Vollzug jüdischer Kapitalgerichtsbarkeit im Prozess gegen Jesus von Nazareth. In: Karl Kertelge: Der Prozess gegen Jesus. Freiburg 1988, S. 41–83.
- ↑ Traktat Sanhedrin, in: Dietrich Correns (Hrsg.): Die Mischna: das grundlegende enzyklopädische Regelwerk rabbinischer Tradition. Marixverlag, Wiesbaden 2005, ISBN 3-86539-016-1, S. 505–527, besonders S. 515
- ↑ Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 379
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 380f.; dort angegebener Primärbeleg: Flavius Josephus: Antiquitates 20,200–203
- ↑ Peter Egger: „Crucifixus Sub Pontio Pilato“, Münster 1997, S. 46–48
- ↑ Chaim Cohn: Der Prozeß und Tod Jesu aus jüdischer Sicht, Frankfurt am Main 1997, S. 161; Wolfgang Stegemann: Gab es eine jüdische Beteiligung an der Kreuzigung Jesu? In: Kirche und Israel 13 / 1998, S. 3-24; James H. Charlesworth: The Historical Jesus. An Essential Guide, Nashville 2008, S. 111 f.
- ↑ Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, Stuttgart 2010, S. 374; Ekkehart W. Stegemann: Wie im Angesicht des Judentums historisch vom Tod Jesu sprechen? Vom Prozess Jesu zu den Passionserzählungen der Evangelien. In: G. Häfner, H. Schmid (Hrsg.): Wie heute vom Tod Jesu sprechen? Freiburg 2002, S. 46.
- ↑ August Strobel: Die Stunde der Wahrheit, Tübingen 1980, S. 46–61
- ↑ Klaus Haacker: Was Jesus lehrte, Neukirchen-Vluyn 2010, S. 44–69
- ↑ Michael Theobald: Der Prozess Jesu: Geschichte und Theologie der Passionserzählungen. Mohr Siebeck, Tübingen 2022, ISBN 978-3-16-161610-5, S. 348
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 403–406
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 405
- ↑ Otto Betz: Jesus, der Messias Israels: Aufsätze zur biblischen Theologie. Mohr Siebeck, Tübingen 1987, ISBN 978-3-16-145163-8, S. 140–168, hier S. 155f.
- ↑ Bertold Klappert: Die Auferweckung des Gekreuzigten. § 7: Die Subjektsfrage im Kontext des Menschensohnproblems, Neukirchener Verlag, 2. Auflage. Neukirchen-Vluyn 1974, S. 119–123.
- ↑ August Strobel: Die Stunde der Wahrheit, Tübingen 1980, S. 92 ff.; Otto Betz: Probleme des Prozesses Jesu, Berlin 1982, S. 636 ff.; Darrell L. Bock: Blasphemy and Exaltation in Judaism: The Charge Against Jesus in Mark 14:53–65, 1998/2000, S. 197–209
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 406
- ↑ Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 158 f.
- ↑ Peter Egger: „Crucifixus Sub Pontio Pilato“, Münster 1997, S. 82–100.
- ↑ Flavius Josephus: Antiquitates 18,3,1 f.; Bellum Judaicum 2,9,2 ff.; Philo von Alexandria: Legatio ad Gaium 38. Beispiele bei Christoph Niemand: Jesus und sein Weg zum Kreuz, Stuttgart 2007, S. 163 f.
- ↑ Christoph Paulus: Der Prozess Jesu – aus römisch-rechtlicher Perspektive. De Gruyter, Berlin/Boston 2016, ISBN 978-3-11-047938-6
- ↑ Paul Winter: On the Trial of Jesus. S. 51–61 und dort zitierte Literatur; Wolfgang Stegemann: Jesus und seine Zeit, S. 369–375.
- ↑ Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, S. 161.
- ↑ Martin Hengel: Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr. 2. verbesserte und erweiterte Auflage, Leiden 1976, S. 297–307.
- ↑ Klaus Haacker: Wer war Schuld am Tode Jesu? In: Klaus Haacker: Versöhnung mit Israel. Exegetische Beiträge. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2002, ISBN 3-7887-1836-6, S. 33–48
- ↑ Hyam Maccoby: Jesus und der jüdische Freiheitskampf. 2. verbesserte Auflage, Ahriman, Freiburg 2013, ISBN 978-3-89484-611-4, S. 111; Hans Conzelmann, Andreas Lindemann: Arbeitsbuch zum Neuen Testament. Mohr Siebeck, Tübingen 2000, ISBN 3-8252-0052-3, S. 503
- ↑ Manfred Lang: Johannes und die Synoptiker: Eine redaktionsgeschichtliche Analyse von Joh 18–20 vor dem markinischen und lukanischen Hintergrund. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-53866-9, S. 216.
- ↑ Raymond Schmittlein: Umstände und Ursache von Jesu Tod. Mainz 1951; William D. Edwards u. a. On the Physical Death of Jesus Christ , JAMA, 21. März 1986, Vol 255, No. 11 ( vom 23. Mai 2012 im Internet Archive); Lee Strobel: Der Fall Jesus, 1997, S. 217–227.
- ↑ Wolfgang Wiefel: Das Evangelium nach Matthäus. S. 475.
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- ↑ Peter Dulschnigg: Das Markusevangelium. Theologischer Kommentar zum Neuen Testament, Band 2. Kohlhammer, Stuttgart 2007, ISBN 3-17-019770-3, S. 393 ff.
- ↑ René Girard: Das Ende der Gewalt, Freiburg 1983, S. 172–176 und 240 ff.
- ↑ Wolfgang Reinbold: Der Prozess Jesu, Göttingen 2006, S. 98
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- ↑ Eduard Schweizer: Das Neue Testament Deutsch, Band 1: Das Evangelium nach Markus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 978-3-525-51304-0, S. 198
- ↑ Wolfgang Reinbold: Der älteste Bericht über den Tod Jesu. De Gruyter, Berlin 1993, ISBN 3-11-014198-1, S. 280
- ↑ Othmar Keel, Max Küchler: Jerusalem. Ein Handbuch und Studienreiseführer zur Heiligen Stadt. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-50170-6, S. 430 und Fn. 229
- ↑ Theißen/Merz: Der historische Jesus, Göttingen 2011, S. 422–443; Jürgen Becker: Die Auferstehung Jesu Christi nach dem Neuen Testament: Ostererfahrung und Osterverständnis im Urchristentum. Mohr Siebeck, Tübingen 2007, ISBN 978-3-16-149426-0
Personendaten | |
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NAME | Jesus von Nazaret |
ALTERNATIVNAMEN | Jesus Christus; Isa |
KURZBESCHREIBUNG | Prediger, Messias der Christen |
GEBURTSDATUM | zwischen 7 v. Chr. und 4 v. Chr. |
GEBURTSORT | Betlehem oder Nazaret, Provinz Iudaea, Römisches Reich |
STERBEDATUM | 30 oder 31 oder 33 |
STERBEORT | Jerusalem, Provinz Iudaea, Römisches Reich |