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„Cassius Dio“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel|beschreibt den Geschichtsschreiber und Konsul (um 205). Den gleichnamigen Konsul des Jahres 291 beschreibt [[Cassius Dio (Konsul 291)]].}}
'''L. Claudius Cassius Dio Cocceianus''' (* [[155]] in [[İznik|Nikaia]] in [[Bithynien]]; † nach [[235]]) war römischer [[Römischer Senat|Senator]], [[Consulat|Konsul]] und Schriftsteller. Er war der Sohn des Senators [[Cassius Apronianus]]. Sein tatsächlicher Name ist Cassius, er nahm aber die beiden anderen Namen an, um eine Herkunft mütterlicherseits von [[Dion Chrysostomos]] nahezulegen. Obwohl er von seiner Mutter her tatsächlich griechischer Abstammung war, und obwohl er die in seiner Heimat maßgebende [[Griechische Sprache|griechische Sprache]] in seinen Schriften benutzte, muss er als [[Römisches Reich|Römer]] angesehen werden.
'''Lucius Cassius Dio''' (so die authentische Namensform,<ref>Ein [[Gentilname]] ''Claudius'' in ''[[L’Année épigraphique]]'' 1971, 430 = Κλ΄ Κάσσιος Δίων gilt als fehlerhafte Wiedergabe von ''L(ucius)''. Das angebliche [[Cognomen]] ''Cocceianus'' wird erst in byzantinischer Zeit erwähnt und ist daher höchstwahrscheinlich fiktiv.</ref> * um [[163]] in [[İznik|Nikaia]] in [[Bithynien]]; † um [[235]]) war ein römischer [[Römischer Senat|Senator]], [[Consulat|Konsul]] und [[Geschichte der Geschichtsschreibung#Antike|Geschichtsschreiber]].

Cassius Dio ist besonders für seine ''Römische Geschichte'' bekannt, die trotz ihrer lückenhaften Überlieferung zu den wichtigsten literarischen Quellen zum antiken Rom gehört. Das Werk ist in [[Altgriechische Sprache|griechischer]] Sprache geschrieben und behandelte in ursprünglich 80 Büchern die Zeit von der mythischen Gründung Roms 753 v. Chr. bis zum Jahr 229 n. Chr.


== Leben ==
== Leben ==
Cassius Dio entstammte einer reichen Familie aus dem griechischen Osten des ''Imperium Romanum'', der der Aufstieg in die Reichsaristokratie geglückt war, und war der Sohn des römischen Senators [[Cassius Apronianus]], der 183/4 [[Suffektkonsul]] war. Sein eigentlicher Name war daher ''Cassius'', er nahm aber das [[Cognomen]] ''Dio'' an, um eine (in der modernen Forschung umstrittene) Abkunft mütterlicherseits von dem berühmten Redner [[Dion Chrysostomos]] zu belegen. Der angebliche Beiname ''Cocceianus'' ist hingegen erst spät bezeugt und gilt heute als nicht authentisch. Obwohl Dio von seiner Mutter her griechischer Abstammung war, die im ganzen römischen Osten maßgebende [[Altgriechisch|griechische Sprache]] in seinen Schriften benutzte und stark von griechischem Denken geprägt war, kann er andererseits aufgrund seiner politischen Laufbahn und seiner Weltanschauung zugleich auch als [[Römisches Reich|Römer]] angesehen werden.


Cassius Dio verbrachte den größten Teil seines Lebens im öffentlichen Dienst. Er war Senator unter [[Commodus]] ([[Liste der römischen Kaiser|Kaiser]] [[180]]–[[192]]) und [[Curator]] der kleinasiatischen Städte [[İzmir|Smyrna]] und [[Pergamon]] nach dem Tod von [[Septimius Severus]] (Kaiser seit 193 ; † [[211]]); um das Jahr [[205]] war er Konsul, später [[Prokonsul]] in [[Africa]] und schließlich Statthalter in [[Pannonien]] und [[Dalmatien]]. [[Severus Alexander]] (Kaiser 222 n. Chr. 235 n. Chr.) hatte die größte Wertschätzung für ihn und machte ihn [[229]] zum zweiten Mal zum Konsul, gemeinsam mit sich selbst, obwohl die [[Prätorianergarde]], verärgert über ihn wegen seiner Gewissenhaftigkeit, seinen Kopf gefordert hatte. Nach seinem zweiten Konsulat kehrte er in seine Heimat zurück, wo er starb.
Cassius Dio verbrachte den größten Teil seines Lebens im öffentlichen Dienst, wobei er eine glänzende Karriere absolvierte. Er ging als junger Mann nach Rom, wurde unter [[Commodus]] ([[Römische Kaiserzeit|Kaiser]] 180–192) Senator und nach dem Tod des [[Septimius Severus]] (193–211) [[Curator]] der kleinasiatischen Städte [[İzmir|Smyrna]] und [[Pergamon]]. Um das Jahr 205 war er selbst Suffektkonsul, später [[Prokonsul]] von ''[[Africa]]'' (ein sehr prestigeträchtiger Posten) und schließlich Statthalter in den Provinzen ''[[Pannonia (Provinz)|Pannonia superior]]''<ref>Benedikt Simons: ''Untersuchungen zum Bild des römischen Gemeinwesens in den Büchern 3–35 der 'Ρωμαϊκά'' (= ''Beiträge zur Altertumskunde'' 273), de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-022587-7, S.&nbsp;174.</ref> und ''[[Dalmatia]]''. Der junge Kaiser [[Severus Alexander]] (222–235) schätzte ihn sehr und machte ihn [[3. Jahrhundert|229]] zum zweiten Mal zum Konsul, diesmal als ''consul ordinarius'' und Kollege des Herrschers, was eine besondere Ehre darstellte. Andererseits hatte sich Dio zu diesem Zeitpunkt nach eigener Aussage bei vielen Leuten in Rom (insbesondere offenbar bei den [[Prätorianer]]n) so unbeliebt gemacht, dass er sein Konsulat auf Bitten des Kaisers aus Sicherheitsgründen vorwiegend abseits der Hauptstadt verbrachte. Anschließend kehrte er in seine bithynische Heimat zurück, wo er vor 235 starb.


== Werk ==
== Werk ==
Cassius Dio veröffentlichte eine heute nur noch teilweise erhaltene ''Römische Geschichte'' ({{grcS|Ῥωμαϊκὴ ἱστορία}}) in 80 Büchern, die Frucht einer mindestens 24-jährigen Arbeit. Sie begann mit der Ankunft des mythischen [[Aeneas]] in Italien und reichte über die Gründung von [[Rom]] bis zu Dios Konsulatsjahr 229. Das Werk war von der Tradition der römischen [[Annalistik]] beeinflusst, folgte aber zugleich den Genreregeln der griechischen Geschichtsschreibung. Bis zur Zeit [[Gaius Iulius Caesar|Caesars]] sind seine Angaben, soweit man es den Fragmenten entnehmen kann, eher summarisch, danach bietet das Werk mehr Details, und ab der Herrschaft des Commodus wird Dio sehr ausführlich in der Darstellung dessen, was er selbst erlebt hat.


Cassius Dio veröffentlichte eine Römische Geschichte in achtzig Büchern, die Frucht einer 22-jährigen Arbeit. Sie umfasst 983 Jahre, beginnt mit der Ankunft des mythischen [[Aeneas]] in [[Italien]], und reicht über die Gründung von [[Rom]] bis zu seinem Konsulatsjahr 229. Bis zur Zeit [[Julius Caesar|Caesars]] sind seine Angaben eher summarisch, danach bietet er mehr Details, und ab der Herrschaft des Commodus wird er sehr ausführlich in der Darstellung dessen, was vor seinen Augen geschah. Von den ersten 36 Büchern sind nur Fragmente erhalten, allerdings ein beträchtlicher Teil des 35. Buches mit dem Krieg des [[Lucius Licinius Lucullus]] gegen [[Mithridates VI.]] von Pontus, und des 36. Buches mit dem [[Krieg gegen die Piraten]] und den Feldzug des [[Gnaeus Pompeius Magnus|Pompeius]] gegen den König von [[Pontus]]. Die folgenden Bücher, bis zum 54. einschließlich, sind fast vollständig, sie behandeln die Zeit von 65 bis 12 v. Chr., also vom Asienfeldzug des Pompeius und dem Tod des Mithridates bis zum Tod von [[Marcus Vipsanius Agrippa]]. Das 55. Buch weist eine erhebliche Lücke auf. Die Bücher 56 bis 60 behandeln die Zeit von 9 bis 47 n. Chr., sind vollständig. Von den folgenden 20 Büchern sind wieder nur Fragmente und dürftige Auszüge (''epitome'') von den Byzantinern [[Johannes Xiphilinos (Mönch)|Johannes Xiphilinos]] erhalten, einem Mönch des 11. Jahrhunderts und Neffen des gleichnamigen Patriarchen von Konstantinopel, und [[Johannes Zonaras]] aus dem 12. Jahrhundert. Das 80. und letzte Buch beschreibt die Zeit von 222 n. Chr. bis 229 n. Chr. in der Regierung des [[Severus Alexander]]. Der noch vorhandene Teil der Zusammenfassung des Xiphilinos beginnt mit dem 35. Buch und reicht bis zum Ende des 80. Buches. Sie ist eine sehr gleichgültige Arbeit, die im Auftrag des Kaisers [[Michael VII.]] Parapinaces von Konstantinopel erstellt wurde.
Von den ersten 36 Büchern sind nur Fragmente erhalten, darunter allerdings ein beträchtlicher Teil des 35. Buches mit dem Krieg des [[Lucius Licinius Lucullus]] gegen [[Mithridates VI.]] von Pontus sowie des 36. Buches mit dem Krieg gegen die Piraten und dem Feldzug des [[Gnaeus Pompeius Magnus|Pompeius]] gegen den König von Pontus. Die folgenden Bücher, bis zum 54. einschließlich, sind dann fast vollständig erhalten. Sie behandeln die Zeit von 65 bis 12 v. Chr., also vom Asienfeldzug des Pompeius und dem Tod des Mithridates bis zum Tod von [[Marcus Vipsanius Agrippa]]. Das 55. Buch weist eine erhebliche Lücke auf. Die Bücher 56 bis 60 behandeln die Zeit von 9 bis 54 n. Chr. und sind vollständig erhalten geblieben. Da sie auf guten älteren Vorlagen beruhen, die heute verloren sind, stellen die Bücher 37 bis 60 eine der wichtigsten erzählenden Quellen für die letzten Jahre der Republik und die frühe Kaiserzeit dar und gelten trotz mancher Versehen und Fehler als insgesamt verlässlich.


Von den folgenden 20 Büchern sind wieder nur Fragmente und dürftige Auszüge (''epitome'') von den Byzantinern [[Johannes Xiphilinos (Mönch)|Johannes Xiphilinos]], einem Mönch des 11. Jahrhunderts und Neffen des gleichnamigen Patriarchen von Konstantinopel, und [[Johannes Zonaras]] aus dem 12. Jahrhundert erhalten, die dennoch wichtige Informationen bieten. Das 80. und letzte Buch beschreibt dabei die Zeit von 222 n. Chr. bis 229 n. Chr. in der Regierungszeit des [[Severus Alexander]].
Die Fragmente der ersten 36 Bücher liegen in vier Versionen vor:


Der noch vorhandene Teil der Zusammenfassung des Xiphilinos beginnt mit dem 35. Buch und reicht bis zum Ende des 80. Buches. Sie ist eine sehr gleichgültige Arbeit, die im Auftrag des Kaisers [[Michael VII.]] erstellt wurde, aber dennoch einen groben Eindruck vom ursprünglichen Text vermitteln dürfte. Dieser Eindruck ergibt sich aus einem Vergleich mit dem vollständig erhaltenen Werk [[Herodian]]s über die Jahre 180 bis 238, der Dio erkennbar als eine Hauptquelle benutzt hat.
# Die ''Fragmenta Valesiana'', verteilt auf verschiedene Schreiber, Grammatiker, Lexikografen etc., wurden von [[Henri de Valois]] zusammengetragen.
# Die ''Fragmenta Peiresciana'' enthalten große Teile und wurden gefunden im Abschnitt ''De Virtues et Vices'' der großen Sammlung oder transportablen Bibliothek, die im Auftrag des Kaisers [[Konstantin VII.]] Porphyrogenitus zusammengestellt wurde. Dazu gehörte das Manuskript [[Nicolas-Claude Fabri de Peiresc]].
# Die Fragmente der ersten 34 Bücher, aufbewahrt im zweiten Teil dieser Bibliothek, genannt ''De Embassiis''. Diese sind unter dem Namen ''Fragmenta Ursiniana'' bekannt, da das Manuskript, welches diese Texte enthielt, in Sizilien bei [[Fulvio Orsini]] gefunden wurde.
# Die ''Excerpta Vaticana'', die Fragmente der Bücher 1 bis 35 und 61 bis 80 enthalten. Zu diesen wurden Fragmente eines unbekannten Schreibers hinzugefügt, der die Arbeit Dios fortsetzt bis zur Zeit von [[Konstantin der Große|Konstantin I.]]. Andere Fragmente von Dio, die hauptsächlich zu den ersten 35 Büchern gehören, wurden in zwei vatikanischen Manuskripten gefunden, die eine Sammlung enthalten, die von [[Maximus Planudes]] erstellt wurde. Die Annalen des Zonaras enthalten ebenfalls mehrere Extrakte aus Dio.


Die Fragmente der ersten 36 Bücher liegen in vier Versionen vor:
Dio, der einen betont senatorischen Standpunkt vertrat, nahm [[Thukydides]] zum Vorbild, aber der Imitator ist nicht vergleichbar mit dem Original, weder im Arrangement oder in der Verteilung des Materials, noch in der Vernunft des Blickwinkels oder der akkuraten Schlussfolgerung. Sein Stil ist im allgemeinen klar, wenn keine Korruption des Textes vorhanden ist, obwohl er voller Latinismen steckt, viele seiner Reden sind wohl frei erfunden. Seine Sorgfalt steht außer Frage, und in seiner Situation war er gut vertraut mit den Geschehnissen im Römischen Reich während der Periode, für die er eine zeitgenössische Autorität ist.
# Die ''Fragmenta Valesiana'', verteilt auf verschiedene Schreiber, Grammatiker, Lexikografen etc., wurden von dem französischen Historiker und Philologen [[Henri Valois]] zusammengetragen.
# Die ''Fragmenta Peiresciana'' enthalten große Teile und wurden gefunden im Abschnitt ''De virtutibus et vitiis'' der großen Sammlung oder transportablen Bibliothek, die im Auftrag des byzantinischen Kaisers [[Konstantin VII.]] Porphyrogenitus zusammengestellt wurde. Dazu gehörte das Manuskript [[Nicolas-Claude Fabri de Peiresc]].
# Die Fragmente der ersten 34 Bücher, erhalten im zweiten Teil dieser Bibliothek, genannt ''De legationibus''. Diese sind unter dem Namen ''Fragmenta Ursiniana'' bekannt, da das Manuskript, welches diese Texte enthielt, in Sizilien bei [[Fulvio Orsini]] gefunden wurde.
# Die ''Excerpta Vaticana'', die Fragmente der Bücher 1 bis 35 und 61 bis 80 enthalten. Zu diesen wurden Fragmente eines unbekannten [[spätantike]]n Schreibers hinzugefügt, der die Arbeit Dios bis in die Zeit [[Konstantin der Große|Konstantins I.]] fortsetzte (''[[Anonymus post Dionem]]''; es könnte sich dabei um [[Petros Patrikios]] gehandelt haben). Andere Fragmente Dios, die hauptsächlich zu den ersten 35 Büchern gehören, wurden in zwei vatikanischen Manuskripten gefunden, die eine Sammlung enthalten, die von [[Maximus Planudes]] erstellt wurde. Die Annalen des Zonaras enthalten ebenfalls mehrere Exzerpte aus Dios Werk.


Dio, der einen betont senatorischen Standpunkt vertrat (siehe [[senatorische Geschichtsschreibung]]), nahm sich [[Thukydides]] zum Vorbild, wenngleich er nicht an diesen heranreicht. Dennoch war Dio ein durchaus bedeutender Geschichtsschreiber. Sein Stil ist, wo der Text nicht verderbt ist, im Allgemeinen klar, obwohl er teils voller Latinismen steckt;<ref>Siehe Martin Hose: ''Erneuerung der Vergangenheit. Die Historiker im Imperium Romanum von Florus bis Cassius Dio'' (= ''Beiträge zur Altertumskunde.'' Bd. 45). Teubner, Stuttgart/Leipzig 1994, ISBN 3-519-07494-X, S. 359 Anm. 27; [[Peter Kuhlmann (Altphilologe)|Peter Kuhlmann]]: ''Religion und Erinnerung. Die Religionspolitik Kaiser Hadrians und ihre Rezeption in der antiken Literatur'' (= ''Formen der Erinnerung.'' Bd. 12). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-35571-8, S. 34f.</ref> die Reden, die er Akteure halten lässt, sind, wie in der antiken Geschichtsschreibung üblich, mehr oder weniger frei erfunden. Seine Sorgfalt steht aber außer Frage: Dio konnte sich auf zahlreiche Quellen stützen, die nicht mehr in allen Einzelheiten erkennbar sind. Sicher ist jedoch, dass er als Senator auch Zugriff auf mehrere, heute verlorene Werke sowie auf Senatsakten hatte. In der selbst erlebten Zeit war er aufgrund seiner persönlichen Teilnahme an der hauptstädtischen Politik gut vertraut mit den Geschehnissen im Römischen Reich und ist speziell hierfür eine wichtige Quelle.
Der Wert Dios als Quelle ist, trotz mancher Probleme, sehr hoch, gerade für die Kaiserzeit bietet er Informationen, die sonst nirgendwo verzeichnet sind; auch für die ausgehende Republik bietet er wertvolles Material.


Dio selbst setzt allerdings bereits mit dem Beginn des [[Prinzipat]]s, also der faktischen Monarchie, ausdrücklich einen Einschnitt an, was die Zuverlässigkeit der von ihm gelieferten Informationen betrifft:
== Literatur ==


{{Zitat
=== Übersetzungen ===
|Text=Alles, was seither [d.&nbsp;h. seit Beginn des Kaisertums] geschah, kann nicht mehr in der gleichen Weise wie das Vorangegangene berichtet werden. Denn früher wurde alles, auch wenn es in noch so weiter zeitlicher Entfernung geschehen war, vor den Senat und vor das Volk gebracht. Daher konnten es alle erfahren, und viele schrieben es nieder […]. Von nun an aber begannen die meisten Ereignisse, im Verborgenen zu geschehen, ohne dass darüber noch offen gesprochen worden wäre. Und wenn doch einmal etwas an die Öffentlichkeit gelangte, so begegnete man ihm mit Misstrauen, da es nicht mehr nachprüfbar war. Was immer jetzt geredet wird, was immer geschieht, bei allem vermutet man, es sei nach den Wünschen der jeweiligen Herrscher oder ihrer Nebenherrscher geschehen. Und so wird zugleich über vieles, was überhaupt nicht passiert ist, ausgiebig geschwätzt, während man von vielen anderen wirklichen Ereignissen gar nichts mehr erfährt. Alles wird nun sozusagen anders, als es in Wahrheit gewesen ist, in Form von Gerüchten verbreitet. Und gerade die Größe des Imperiums und die Fülle der politischen Vorkommnisse darin machen eine genaue Wiedergabe der Geschichte unglaublich schwierig.
|ref=<ref>Cassius Dio 53,19.</ref>}}


Der Wert Dios als Quelle ist trotz mancher Probleme insgesamt sehr hoch. Für die Zeit der späten Republik, vor allem aber für die Kaiserzeit bietet er wertvolles Material, das teilweise sonst nirgendwo anders verzeichnet ist und weitgehend als zuverlässig gilt. Problematisch ist allerdings, dass Dio vielfach Entwicklungen und Zustände seiner eigenen Zeit auf die Verhältnisse in Republik und früher Kaiserzeit überträgt, was mitunter zu Anachronismen führt, die nicht immer leicht zu identifizieren sind. Besonders deutlich erkennbar ist dies bei der berühmten „Verfassungsdebatte“ im 52. Buch, die ein fiktives Gespräch zwischen [[Augustus|Octavian]] und seinen Freunden schildert. In byzantinischer Zeit stellte Dios Geschichtswerk offenbar auch die Hauptquelle für viele Autoren bezüglich der römischen Geschichte bis ins frühe 3. Jahrhundert dar und wurde oft herangezogen.
* ''Loeb Classical Library'', 9 Bde., gr.-engl., hrsg. E. Cary, London 1914–1927 (ND 1961–1968; englische Übersetzung unter Weblinks abrufbar)
* ''Cassius Dio, Römische Geschichte'', übers. von O. Veh, 5 Bde., München und Zürich 1985–1987.


== Textausgaben und Übersetzungen ==
=== Sekundärliteratur ===
* Editio princeps: ''Tōn Diōnos Rōmaikōn Historiōn Eikositria Biblia = Dionis Romanarum historiarum libri XXIII, à XXXVI ad LVIII vsque.'' Robertus Stephanus (Robert Estienne), Paris 1548. [http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb11054245_00005.html Digitale Sammlungen der Bay. Staatsbibl.]
* Editio princeps der Epitome des Xiphilinos: ''Ek tōn Diōnos tou Nikaeōs Romanikōn Historiōn, apo Pompēiou Magnou mechris Alexandrou tou Mamaias, epitomē Iōannou tou Xiphilinou = Dionis Nicaei rerum Romanarum a Pompeio Magno ad Alexandrum Mamaeae, epitome authore Ioanne Xiphilino.'' Robertus Stephanus, Paris 1551. [https://books.google.de/books?id=Y6dp_Se9qCAC&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false Google Books]
* ''Cassius Dio’s Römische Geschichte.'' 16 Teilbände, übers. von [[Johann Friedrich Karl Leonhard Tafel|Leonhard Tafel]], Metzler, Stuttgart 1831–1844. (Neuausgabe: Cassius Dio: ''Römische Geschichte''. Bearb. von [[Lenelotte Möller]], Marix, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-86539-293-0)
* ''Diōnos Kassiu Kokkēianu Rōmaikē historia''. 3 Bde., hrsg. von [[Ludwig Dindorf]] und [[Johannes Melber]], ''[[Bibliotheca Teubneriana]]'', Leipzig 1890–1928.
* ''Cassii Dionis Cocceiani Historiarvm Romanarvm qvae svpersvnt''. 5 Bde., hrsg. von [[Ursul Philip Boissevain]], Weidmann, Berlin 1895–1931.
* Dio Cassius: ''Roman History''. 9 Bde., griechisch und englisch, übers. von [[Earnest Cary]] und [[Herbert B. Foster]], ''[[Loeb Classical Library]]'', London 1914–1927.
* Cassius Dio: ''Römische Geschichte''. 5 Bde., übers. von [[Otto Veh]], Artemis, München 1985–1987. (Sonderausgabe: Artemis & Winkler, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-538-03103-6).


== Literatur ==
* [[Fergus Millar]]: ''A Study of Cassius Dio'', Oxford 1964.
* Rosemarie Bering-Staschewski: ''Römische Zeitgeschichte bei Cassius Dio'' (= ''Bochumer historische Studien. Alte Geschichte.'' Bd. 5). Brockmeyer, Bochum 1981, ISBN 3-88339-210-3.
* Ed. Schwartz: ''Cassius Dio'', in: [[Pauly-Wissowa]] RE 3, 2 (1899), Sp. 1684–1722.
* Lukas de Blois: ''Emperor and Empire in the Works of Greek-speaking Authors of the Third Century AD''. In: ''[[Aufstieg und Niedergang der römischen Welt]]'' (ANRW) II.34.4 (1998), S. 3391–3443.
* A. M. Gowing: ''Dio's name'', in: CPH 85 (1990), 49-54.
* Lukas de Blois: ''Volk und Soldaten bei Cassius Dio.'' In: ANRW II.34.3 (1997), S. 2650–2676.
* Detlef Fechner: ''Untersuchungen zu Cassius Dios Sicht der Römischen Republik'' (= ''Altertumswissenschaftliche Texte und Studien.'' Bd. 14). Olms-Weidmann, Hildesheim u. a. 1986, ISBN 3-487-07761-2.
* Valérie Fromentin u. a. (Hrsg.): ''Cassius Dion. Nouvelles lectures.'' 2 Bände, Ausonius, Bordeaux 2016, ISBN 978-2-35613-175-1 (aktuelle umfassende Aufsatzsammlung).
* [[Martin Hose]]: ''Cassius Dio: A senator and historian in the Age of Anxiety.'' In: John Marincola (Hrsg.): ''A companion to Greek and Roman Historiography.'' Oxford 2007, S. 461–467 (aktueller Überblick mit weiterer Literatur)
* Martin Hose: ''Erneuerung der Vergangenheit. Die Historiker im Imperium Romanum von Florus bis Cassius Dio'' (= ''Beiträge zur Altertumskunde.'' Bd. 45). Teubner, Stuttgart/Leipzig 1994, ISBN 3-519-07494-X (= Habilitationsschrift Konstanz 1993)
* Mads Ortving Lindholmer: ''The Time of Composition of Cassius Dio’s “Roman History”: a Reconsideration''. In: ''Klio'' 103, 2021, S. 133–159.
* Jesper Majbom Madsen: ''Cassius Dio.'' London 2020.
* [[Fergus Millar]]: ''A Study of Cassius Dio''. Oxford 1964 (Standardwerk, aber teils überholt)
* [[Bernd Manuwald]]: ''Cassius Dio und Augustus. Philologische Untersuchungen zu den Büchern 45–56 des dionischen Geschichtswerkes'' (= ''Palingenesia.'' Bd. 14). Steiner, Wiesbaden 1979, ISBN 3-515-02886-2.
* {{RE|III,2|1684|1722|Cassius 40|[[Eduard Schwartz]]|RE:Cassius 40|auch in: Eduard Schwartz: ''Griechische Geschichtsschreiber''. 2. Auflage, Leipzig 1959, S. 394ff.}}
* Benedikt Simons: ''Cassius Dio und die Römische Republik'' (= ''Beiträge zur Altertumskunde.'' Bd. 273). De Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-022586-0.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Wikisource}}
* [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/home.html Dios Geschichtswerk bei Lacus Curtius (englisch)]
{{Commonscat}}
* {{DNB-Portal|118525824}}
* {{DDB|Person|118525824}}
* [http://remacle.org/bloodwolf/historiens/Dion/table.htm Griechischer Text und französische Übersetzung]
* [http://penelope.uchicago.edu/Thayer/E/Roman/Texts/Cassius_Dio/home.html Text der englischen Übersetzung von Earnest Cary, 1914–1927]


== Anmerkungen ==
[[Kategorie:Mann]]
<references />

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[[Kategorie:Historiker der Antike]]
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[[Kategorie:Claudier]]
[[Kategorie:Autor]]
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[[Kategorie:Antike (Literatur)]]
[[Kategorie:Literatur (Altgriechisch)]]
[[Kategorie:Literatur (Griechisch)]]
[[Kategorie:Konsul (Römische Kaiserzeit)]]
[[Kategorie:Konsul (Römische Kaiserzeit)]]
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[[ca:Cassi Dió]]
[[da:Dio Cassius]]
[[el:Δίων Κάσσιος]]
[[en:Cassius Dio]]
[[es:Dión Casio]]
[[eu:Dion Kasio]]
[[fi:Dio Cassius]]
[[fr:Dion Cassius]]
[[he:דיו קסיוס]]
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[[ru:Дион Кассий]]

Aktuelle Version vom 21. Dezember 2024, 18:13 Uhr

Lucius Cassius Dio (so die authentische Namensform,[1] * um 163 in Nikaia in Bithynien; † um 235) war ein römischer Senator, Konsul und Geschichtsschreiber.

Cassius Dio ist besonders für seine Römische Geschichte bekannt, die trotz ihrer lückenhaften Überlieferung zu den wichtigsten literarischen Quellen zum antiken Rom gehört. Das Werk ist in griechischer Sprache geschrieben und behandelte in ursprünglich 80 Büchern die Zeit von der mythischen Gründung Roms 753 v. Chr. bis zum Jahr 229 n. Chr.

Cassius Dio entstammte einer reichen Familie aus dem griechischen Osten des Imperium Romanum, der der Aufstieg in die Reichsaristokratie geglückt war, und war der Sohn des römischen Senators Cassius Apronianus, der 183/4 Suffektkonsul war. Sein eigentlicher Name war daher Cassius, er nahm aber das Cognomen Dio an, um eine (in der modernen Forschung umstrittene) Abkunft mütterlicherseits von dem berühmten Redner Dion Chrysostomos zu belegen. Der angebliche Beiname Cocceianus ist hingegen erst spät bezeugt und gilt heute als nicht authentisch. Obwohl Dio von seiner Mutter her griechischer Abstammung war, die im ganzen römischen Osten maßgebende griechische Sprache in seinen Schriften benutzte und stark von griechischem Denken geprägt war, kann er andererseits aufgrund seiner politischen Laufbahn und seiner Weltanschauung zugleich auch als Römer angesehen werden.

Cassius Dio verbrachte den größten Teil seines Lebens im öffentlichen Dienst, wobei er eine glänzende Karriere absolvierte. Er ging als junger Mann nach Rom, wurde unter Commodus (Kaiser 180–192) Senator und nach dem Tod des Septimius Severus (193–211) Curator der kleinasiatischen Städte Smyrna und Pergamon. Um das Jahr 205 war er selbst Suffektkonsul, später Prokonsul von Africa (ein sehr prestigeträchtiger Posten) und schließlich Statthalter in den Provinzen Pannonia superior[2] und Dalmatia. Der junge Kaiser Severus Alexander (222–235) schätzte ihn sehr und machte ihn 229 zum zweiten Mal zum Konsul, diesmal als consul ordinarius und Kollege des Herrschers, was eine besondere Ehre darstellte. Andererseits hatte sich Dio zu diesem Zeitpunkt nach eigener Aussage bei vielen Leuten in Rom (insbesondere offenbar bei den Prätorianern) so unbeliebt gemacht, dass er sein Konsulat auf Bitten des Kaisers aus Sicherheitsgründen vorwiegend abseits der Hauptstadt verbrachte. Anschließend kehrte er in seine bithynische Heimat zurück, wo er vor 235 starb.

Cassius Dio veröffentlichte eine heute nur noch teilweise erhaltene Römische Geschichte (altgriechisch Ῥωμαϊκὴ ἱστορία) in 80 Büchern, die Frucht einer mindestens 24-jährigen Arbeit. Sie begann mit der Ankunft des mythischen Aeneas in Italien und reichte über die Gründung von Rom bis zu Dios Konsulatsjahr 229. Das Werk war von der Tradition der römischen Annalistik beeinflusst, folgte aber zugleich den Genreregeln der griechischen Geschichtsschreibung. Bis zur Zeit Caesars sind seine Angaben, soweit man es den Fragmenten entnehmen kann, eher summarisch, danach bietet das Werk mehr Details, und ab der Herrschaft des Commodus wird Dio sehr ausführlich in der Darstellung dessen, was er selbst erlebt hat.

Von den ersten 36 Büchern sind nur Fragmente erhalten, darunter allerdings ein beträchtlicher Teil des 35. Buches mit dem Krieg des Lucius Licinius Lucullus gegen Mithridates VI. von Pontus sowie des 36. Buches mit dem Krieg gegen die Piraten und dem Feldzug des Pompeius gegen den König von Pontus. Die folgenden Bücher, bis zum 54. einschließlich, sind dann fast vollständig erhalten. Sie behandeln die Zeit von 65 bis 12 v. Chr., also vom Asienfeldzug des Pompeius und dem Tod des Mithridates bis zum Tod von Marcus Vipsanius Agrippa. Das 55. Buch weist eine erhebliche Lücke auf. Die Bücher 56 bis 60 behandeln die Zeit von 9 bis 54 n. Chr. und sind vollständig erhalten geblieben. Da sie auf guten älteren Vorlagen beruhen, die heute verloren sind, stellen die Bücher 37 bis 60 eine der wichtigsten erzählenden Quellen für die letzten Jahre der Republik und die frühe Kaiserzeit dar und gelten trotz mancher Versehen und Fehler als insgesamt verlässlich.

Von den folgenden 20 Büchern sind wieder nur Fragmente und dürftige Auszüge (epitome) von den Byzantinern Johannes Xiphilinos, einem Mönch des 11. Jahrhunderts und Neffen des gleichnamigen Patriarchen von Konstantinopel, und Johannes Zonaras aus dem 12. Jahrhundert erhalten, die dennoch wichtige Informationen bieten. Das 80. und letzte Buch beschreibt dabei die Zeit von 222 n. Chr. bis 229 n. Chr. in der Regierungszeit des Severus Alexander.

Der noch vorhandene Teil der Zusammenfassung des Xiphilinos beginnt mit dem 35. Buch und reicht bis zum Ende des 80. Buches. Sie ist eine sehr gleichgültige Arbeit, die im Auftrag des Kaisers Michael VII. erstellt wurde, aber dennoch einen groben Eindruck vom ursprünglichen Text vermitteln dürfte. Dieser Eindruck ergibt sich aus einem Vergleich mit dem vollständig erhaltenen Werk Herodians über die Jahre 180 bis 238, der Dio erkennbar als eine Hauptquelle benutzt hat.

Die Fragmente der ersten 36 Bücher liegen in vier Versionen vor:

  1. Die Fragmenta Valesiana, verteilt auf verschiedene Schreiber, Grammatiker, Lexikografen etc., wurden von dem französischen Historiker und Philologen Henri Valois zusammengetragen.
  2. Die Fragmenta Peiresciana enthalten große Teile und wurden gefunden im Abschnitt De virtutibus et vitiis der großen Sammlung oder transportablen Bibliothek, die im Auftrag des byzantinischen Kaisers Konstantin VII. Porphyrogenitus zusammengestellt wurde. Dazu gehörte das Manuskript Nicolas-Claude Fabri de Peiresc.
  3. Die Fragmente der ersten 34 Bücher, erhalten im zweiten Teil dieser Bibliothek, genannt De legationibus. Diese sind unter dem Namen Fragmenta Ursiniana bekannt, da das Manuskript, welches diese Texte enthielt, in Sizilien bei Fulvio Orsini gefunden wurde.
  4. Die Excerpta Vaticana, die Fragmente der Bücher 1 bis 35 und 61 bis 80 enthalten. Zu diesen wurden Fragmente eines unbekannten spätantiken Schreibers hinzugefügt, der die Arbeit Dios bis in die Zeit Konstantins I. fortsetzte (Anonymus post Dionem; es könnte sich dabei um Petros Patrikios gehandelt haben). Andere Fragmente Dios, die hauptsächlich zu den ersten 35 Büchern gehören, wurden in zwei vatikanischen Manuskripten gefunden, die eine Sammlung enthalten, die von Maximus Planudes erstellt wurde. Die Annalen des Zonaras enthalten ebenfalls mehrere Exzerpte aus Dios Werk.

Dio, der einen betont senatorischen Standpunkt vertrat (siehe senatorische Geschichtsschreibung), nahm sich Thukydides zum Vorbild, wenngleich er nicht an diesen heranreicht. Dennoch war Dio ein durchaus bedeutender Geschichtsschreiber. Sein Stil ist, wo der Text nicht verderbt ist, im Allgemeinen klar, obwohl er teils voller Latinismen steckt;[3] die Reden, die er Akteure halten lässt, sind, wie in der antiken Geschichtsschreibung üblich, mehr oder weniger frei erfunden. Seine Sorgfalt steht aber außer Frage: Dio konnte sich auf zahlreiche Quellen stützen, die nicht mehr in allen Einzelheiten erkennbar sind. Sicher ist jedoch, dass er als Senator auch Zugriff auf mehrere, heute verlorene Werke sowie auf Senatsakten hatte. In der selbst erlebten Zeit war er aufgrund seiner persönlichen Teilnahme an der hauptstädtischen Politik gut vertraut mit den Geschehnissen im Römischen Reich und ist speziell hierfür eine wichtige Quelle.

Dio selbst setzt allerdings bereits mit dem Beginn des Prinzipats, also der faktischen Monarchie, ausdrücklich einen Einschnitt an, was die Zuverlässigkeit der von ihm gelieferten Informationen betrifft:

„Alles, was seither [d. h. seit Beginn des Kaisertums] geschah, kann nicht mehr in der gleichen Weise wie das Vorangegangene berichtet werden. Denn früher wurde alles, auch wenn es in noch so weiter zeitlicher Entfernung geschehen war, vor den Senat und vor das Volk gebracht. Daher konnten es alle erfahren, und viele schrieben es nieder […]. Von nun an aber begannen die meisten Ereignisse, im Verborgenen zu geschehen, ohne dass darüber noch offen gesprochen worden wäre. Und wenn doch einmal etwas an die Öffentlichkeit gelangte, so begegnete man ihm mit Misstrauen, da es nicht mehr nachprüfbar war. Was immer jetzt geredet wird, was immer geschieht, bei allem vermutet man, es sei nach den Wünschen der jeweiligen Herrscher oder ihrer Nebenherrscher geschehen. Und so wird zugleich über vieles, was überhaupt nicht passiert ist, ausgiebig geschwätzt, während man von vielen anderen wirklichen Ereignissen gar nichts mehr erfährt. Alles wird nun sozusagen anders, als es in Wahrheit gewesen ist, in Form von Gerüchten verbreitet. Und gerade die Größe des Imperiums und die Fülle der politischen Vorkommnisse darin machen eine genaue Wiedergabe der Geschichte unglaublich schwierig.“[4]

Der Wert Dios als Quelle ist trotz mancher Probleme insgesamt sehr hoch. Für die Zeit der späten Republik, vor allem aber für die Kaiserzeit bietet er wertvolles Material, das teilweise sonst nirgendwo anders verzeichnet ist und weitgehend als zuverlässig gilt. Problematisch ist allerdings, dass Dio vielfach Entwicklungen und Zustände seiner eigenen Zeit auf die Verhältnisse in Republik und früher Kaiserzeit überträgt, was mitunter zu Anachronismen führt, die nicht immer leicht zu identifizieren sind. Besonders deutlich erkennbar ist dies bei der berühmten „Verfassungsdebatte“ im 52. Buch, die ein fiktives Gespräch zwischen Octavian und seinen Freunden schildert. In byzantinischer Zeit stellte Dios Geschichtswerk offenbar auch die Hauptquelle für viele Autoren bezüglich der römischen Geschichte bis ins frühe 3. Jahrhundert dar und wurde oft herangezogen.

Textausgaben und Übersetzungen

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  • Editio princeps: Tōn Diōnos Rōmaikōn Historiōn Eikositria Biblia = Dionis Romanarum historiarum libri XXIII, à XXXVI ad LVIII vsque. Robertus Stephanus (Robert Estienne), Paris 1548. Digitale Sammlungen der Bay. Staatsbibl.
  • Editio princeps der Epitome des Xiphilinos: Ek tōn Diōnos tou Nikaeōs Romanikōn Historiōn, apo Pompēiou Magnou mechris Alexandrou tou Mamaias, epitomē Iōannou tou Xiphilinou = Dionis Nicaei rerum Romanarum a Pompeio Magno ad Alexandrum Mamaeae, epitome authore Ioanne Xiphilino. Robertus Stephanus, Paris 1551. Google Books
  • Cassius Dio’s Römische Geschichte. 16 Teilbände, übers. von Leonhard Tafel, Metzler, Stuttgart 1831–1844. (Neuausgabe: Cassius Dio: Römische Geschichte. Bearb. von Lenelotte Möller, Marix, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-86539-293-0)
  • Diōnos Kassiu Kokkēianu Rōmaikē historia. 3 Bde., hrsg. von Ludwig Dindorf und Johannes Melber, Bibliotheca Teubneriana, Leipzig 1890–1928.
  • Cassii Dionis Cocceiani Historiarvm Romanarvm qvae svpersvnt. 5 Bde., hrsg. von Ursul Philip Boissevain, Weidmann, Berlin 1895–1931.
  • Dio Cassius: Roman History. 9 Bde., griechisch und englisch, übers. von Earnest Cary und Herbert B. Foster, Loeb Classical Library, London 1914–1927.
  • Cassius Dio: Römische Geschichte. 5 Bde., übers. von Otto Veh, Artemis, München 1985–1987. (Sonderausgabe: Artemis & Winkler, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-538-03103-6).
  • Rosemarie Bering-Staschewski: Römische Zeitgeschichte bei Cassius Dio (= Bochumer historische Studien. Alte Geschichte. Bd. 5). Brockmeyer, Bochum 1981, ISBN 3-88339-210-3.
  • Lukas de Blois: Emperor and Empire in the Works of Greek-speaking Authors of the Third Century AD. In: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt (ANRW) II.34.4 (1998), S. 3391–3443.
  • Lukas de Blois: Volk und Soldaten bei Cassius Dio. In: ANRW II.34.3 (1997), S. 2650–2676.
  • Detlef Fechner: Untersuchungen zu Cassius Dios Sicht der Römischen Republik (= Altertumswissenschaftliche Texte und Studien. Bd. 14). Olms-Weidmann, Hildesheim u. a. 1986, ISBN 3-487-07761-2.
  • Valérie Fromentin u. a. (Hrsg.): Cassius Dion. Nouvelles lectures. 2 Bände, Ausonius, Bordeaux 2016, ISBN 978-2-35613-175-1 (aktuelle umfassende Aufsatzsammlung).
  • Martin Hose: Cassius Dio: A senator and historian in the Age of Anxiety. In: John Marincola (Hrsg.): A companion to Greek and Roman Historiography. Oxford 2007, S. 461–467 (aktueller Überblick mit weiterer Literatur)
  • Martin Hose: Erneuerung der Vergangenheit. Die Historiker im Imperium Romanum von Florus bis Cassius Dio (= Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 45). Teubner, Stuttgart/Leipzig 1994, ISBN 3-519-07494-X (= Habilitationsschrift Konstanz 1993)
  • Mads Ortving Lindholmer: The Time of Composition of Cassius Dio’s “Roman History”: a Reconsideration. In: Klio 103, 2021, S. 133–159.
  • Jesper Majbom Madsen: Cassius Dio. London 2020.
  • Fergus Millar: A Study of Cassius Dio. Oxford 1964 (Standardwerk, aber teils überholt)
  • Bernd Manuwald: Cassius Dio und Augustus. Philologische Untersuchungen zu den Büchern 45–56 des dionischen Geschichtswerkes (= Palingenesia. Bd. 14). Steiner, Wiesbaden 1979, ISBN 3-515-02886-2.
  • Eduard Schwartz: Cassius 40. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band III,2, Stuttgart 1899, Sp. 1684–1722 (auch in: Eduard Schwartz: Griechische Geschichtsschreiber. 2. Auflage, Leipzig 1959, S. 394ff.).
  • Benedikt Simons: Cassius Dio und die Römische Republik (= Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 273). De Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-022586-0.
Wikisource: Cassius Dio – Quellen und Volltexte
Commons: Cassius Dio – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Ein Gentilname Claudius in L’Année épigraphique 1971, 430 = Κλ΄ Κάσσιος Δίων gilt als fehlerhafte Wiedergabe von L(ucius). Das angebliche Cognomen Cocceianus wird erst in byzantinischer Zeit erwähnt und ist daher höchstwahrscheinlich fiktiv.
  2. Benedikt Simons: Untersuchungen zum Bild des römischen Gemeinwesens in den Büchern 3–35 der 'Ρωμαϊκά (= Beiträge zur Altertumskunde 273), de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-022587-7, S. 174.
  3. Siehe Martin Hose: Erneuerung der Vergangenheit. Die Historiker im Imperium Romanum von Florus bis Cassius Dio (= Beiträge zur Altertumskunde. Bd. 45). Teubner, Stuttgart/Leipzig 1994, ISBN 3-519-07494-X, S. 359 Anm. 27; Peter Kuhlmann: Religion und Erinnerung. Die Religionspolitik Kaiser Hadrians und ihre Rezeption in der antiken Literatur (= Formen der Erinnerung. Bd. 12). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-35571-8, S. 34f.
  4. Cassius Dio 53,19.