„Innenentwicklung“ – Versionsunterschied
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'''Innenentwicklung''' bezeichnet in [[Städtebau]] und [[Stadtplanung]] die Strategie, den zukünftigen [[Flächenbedarf|Bedarf an Bauflächen]] durch die Nutzung von innerörtlichen, bereits erschlossenen Flächen zu decken und auf die Ausweisung von neuen Bauflächen auf der [[Grüne Wiese (Stadtplanung)|Grünen Wiese]] weitgehend zu verzichten. Obwohl Innenentwicklung schon lange eine wesentliche städtebauliche Zielsetzung darstellt, ist die Intensität der ''[[Landschaftsverbrauch|Flächenneuinanspruchnahme]]'' im [[Außenbereich]] weiterhin hoch.<ref>https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/siedlungs-verkehrsflaeche</ref> In Anbetracht der Tatsache, dass Fläche eine bedeutsame begrenzte natürliche Ressource darstellt, sowie angesichts des [[Demographischer Wandel|demographischen Wandels]] sowie ökonomischer Aspekte bedarf es einer qualifizierten Auseinandersetzung mit Strategien und praktischen Instrumenten der Innenentwicklung, um das im [[Baugesetzbuch]] (BauGB) definierte Ziel ''Innen- vor Außenentwicklung'' umzusetzen. |
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Seit den 1950er Jahren ist die Entwicklung von Städten und Gemeinden in Westdeutschland – seit 1990 auch in Ostdeutschland – in unterschiedlichem Ausmaß durch Wachstum und Ausdehnung der Siedlungsfläche ins Umland ([[Suburbanisierung]]) gekennzeichnet. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Neben dem steigenden Wohlstand und dem Bevölkerungswachstum der 1950er bis 1970er Jahre in Westdeutschland sind hierfür vor allem der Durchbruch der [[Massenmotorisierung]] (PKW-Verfügbarkeit) und die hierdurch mitermöglichte Realisierung veränderter Wohnpräferenzen (Ideal des Wohnens im Einfamilienhaus in wenig verdichteter Lage) verantwortlich. Der Suburbanisierung der Wohnfunktion folgt die Standortverlagerung von Industrie, Gewerbe und Handel an den Stadtrand oder auf die [[Grüne Wiese (Stadtplanung)|grüne Wiese]]. In der Summe führt dies einerseits zu einem im Verhältnis zur Bevölkerungszahl überproportional stark steigenden [[Flächenverbrauch]] für Siedlungs- und Verkehrszwecke, der mit [[Flächenversiegelung]] und dem Verlust von Biodiversität einhergeht. |
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⚫ | Dem gegenüber ist andererseits zunehmend das [[Brache|Brachfallen]] von Flächen und Gebäuden in Innenbereichen von vielen Städten und Gemeinden festzustellen. Gründe hierfür sind die demographischen Entwicklung und der [[Regionaler Strukturwandel|Strukturwandel]] in Landwirtschaft, Industrie, Einzelhandel sowie die Aufgabe von Militär- und Infrastrukturstandorten auf der Nachfrageseite. Auf der Angebotsseite fehlen häufig attraktive Angebote für Wohnen, Arbeiten, Handel und Freizeit in den [[Innenstadt|Zentren]]. Ein wachsender Funktionsverlust und die Verödung von Ortszentren und Innenstädten sind die Folge, was wiederum mit einem generellen Verlust an [[Standortattraktivität]] und [[Lebensqualität]] verbunden ist. Den am Siedlungsrand zusätzlich entstehenden Kosten für Schaffung und Aufrechterhaltung von Infrastruktur und öffentlichen Dienstleistungen steht eine immer weniger effizient genutzte, jedoch kostenintensive Infrastruktur im Zentrum gegenüber. Dies führt zu einer erheblich steigenden Kostenbelastung für die Kommunen. Seit den 2010er-Jahren besteht besonders in den städtischen Zentren wachsender [[Metropolregion]]en eine wieder verstärkte Wohnraumknappheit und damit Nachfrage nach Wohnungsneubau. |
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Merkmale dieses Wandels sind zusammengefasst: |
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Seit den 1950er Jahren war die Entwicklung von Städten und Gemeinden in Deutschland in Folge des steigenden Wohlstandes und der aufkommenden Massenmotorisierung (PKW-Verfügbarkeit) vor allem durch Wachstum und Ausdehnung der Siedlungsfläche ins Umland (Suburbanisierung) gekennzeichnet. Neben dem Bevölkerungswachstum der 50er bis 70er Jahre war hierfür vor allem der anhaltende Trend zum Wohnen in "grünen" Vororten verantwortlich. Dieser Suburbanisierung der Wohnfunktion folgte die Standortverlagerung von Industrie, Gewerbe und Handel an den Stadtrand oder auf die "grüne Wiese". |
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* die Zunahme der Anzahl zugelassener Pkw von ca. 1,7 Mio. (1955) auf ca. 48,7 Mio. (2022) |
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== Steigendes Problembewusstsein == |
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Eine Reihe von Entwicklungen und Trends führen seit den 1980er-Jahren zu einem wachsenden Problembewusstsein in Politik und Gesellschaft: |
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Den am Siedlungsrand zusätzlich entstehenden Kosten für Schaffung und Aufrechterhaltung von Infrastruktur steht eine immer weniger effizient genutzte jedoch kostenintensive Infrastruktur im Zentrum gegenüber. Dies führt zu einer erheblich steigenden Kostenbelastung für die Kommunen. |
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* Die dargestellten negativen Folgen der [[Zersiedelung]] werden deutlicher. |
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* Die Lage vieler öffentlicher Haushalte ist angespannt. |
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⚫ | * Durch den wirtschaftlichen Strukturwandel, die Umstrukturierungsprozesse bei Bahn, Post, Energieversorgungsunternehmen und anderen Infrastruktureinrichtungen sowie durch die Aufgabe von Militärstandorten entstehen in vielen Kommunen große Flächenreserven in besten, innerstädtischen Lagen für neue Nutzungen zur Verfügung. |
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⚫ | * Die Attraktivität des Standortes [[Innenstadt (Raumplanung)|Innenstadt]], geprägt durch Nähe zu Versorgungs-, Kultur- und Infrastrukturangebot, gewinnt nachweislich wieder an Bedeutung. Zumindest für bestimmte Lebensstilgruppen kann eine [[Reurbanisierung]] festgestellt werden. Die wachsende Zahl älterer Menschen infolge des demographischen Wandels ist eine dieser Gruppen, die diesen Trend in den kommenden Jahrzehnten beschleunigen wird. |
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⚫ | Dies stellt viele Städte und Gemeinden vor die komplexe Aufgabe, gleichzeitig neue attraktive Flächenangebote für unterschiedliche Nutzungen zu schaffen, den weiteren [[Flächenverbrauch]] einzudämmen und die Zukunftsfähigkeit der innerstädtischen Quartiere und Ortszentren zu erhalten und zu stärken. |
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Die Stadt- und Gemeindeentwicklung war schon immer von Erweiterung, Umbau sowie Bestandserhaltung bestimmt. Seit dem 2. Weltkrieg war die Entwicklung in Deutschland von nahezu kontinuierlichem Wachstum geprägt. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche wuchs im Verhältnis zur Bevölkerungzahl jedoch überproportional stark (s. Abb). Täglich werden in Deutschland zwischen 100 und 120 Hektar Freifläche für Siedlungs- und Verkehrszwecke umgenutzt (1 Hektar = 1 Fußballfeld). Jedes Jahr wird so eine Fläche, die circa so groß wie die Gemarkungsfläche der Stadt München ist, neu versiegelt. |
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== Gesetzliche Verankerung des Vorrangs der Innenentwicklung == |
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[[Bild:Siedlungsflaeche.jpg|thumb|Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche in den alten Ländern 1960-2003]] |
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Die Wiedernutzung brachgefallener Flächen und Gebäude im Innenbereich ist bei Betrachtung eines einzelnen Bauvorhabens in der Regel teurer als ein Neubau „auf der grünen Wiese“, da bei Brachflächen häufig Kosten für Bodensanierung anfallen und in Planung und Bau mehr Rücksicht auf die Umgebungsbebauung genommen werden muss<ref>{{Literatur |Autor=Kleiber, Wolfgang et al. |Titel=Verkehrswertermittlung von Grundstücken |Auflage=8. |Ort=Köln |Datum=2017 |Seiten=2444}}</ref>, weshalb sie häufig unterbleibt. Sie ist aber sowohl aus Gründen des [[Freiraumschutz]]es als auch in stadtgestalterischer und stadtökonomischer Hinsicht wünschenswert. Seit den 1990er Jahren wird in der Fachöffentlichkeit von Stadt- und Landschaftsplanung daher verstärkt eine grundlegende Umorientierung der Siedlungsentwicklung auf eine konsequente Bestandsentwicklung bei weitgehendem Verzicht auf die Ausweisung neuer Bauflächen gefordert. Gemäß der Zielvorgabe ''Innenentwicklung vor Außenentwicklung'' sollen vorhandene Potenziale im Bestand durch Wiedernutzung von [[Leerstand]], Umnutzung und/oder [[Nachverdichtung (Städtebau)|bauliche Verdichtung]] besser ausgeschöpft werden. Hierdurch kann eine Neuinanspruchnahme von Landschaft für Siedlungszwecke vermieden, die [[Suburbanisierung]] gebremst, Innenstädte und [[Ortskern]]e revitalisiert und die Effizienz der kommunalen Infrastruktur kostenoptimiert werden. |
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Die Hauptursachen hierfür sind: |
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* die Zunahme und Neuerrichtung von Gewerbestandorten |
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In der Folge wurde 2013 der Grundsatz des Vorrangs der ''Innen- vor Außenentwicklung'' im Baugesetzbuch (§1 Abs. 5) verankert. |
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⚫ | Allerdings gehen durch [[Nachverdichtung]] und bauliche Innenentwicklung auch potentielle Grünflächen im Innenbereich verloren. In der Fachdiskussion hat sich daher das Konzept der „doppelten Innenentwicklung“ durchgesetzt, dass eine behutsame, einzelfallbasierte bauliche Nutzung von Potenzialen bei gleichzeitiger Aufwertung bestehender und verbleibender Grünflächen beschreibt. Diesen Zielkonflikt versucht auch der Ansatz des ''Aktiven [[Flächenressourcenmanagement]]s'' zu überwinden und dementsprechende Möglichkeiten und Strategien zur Aktivierung innerörtlicher Flächenpotenziale aufzuzeigen. Anknüpfend daran sind spezielle Strategien zur baulichen Anpassung und Aktivierung leerstehender Gebäude, entsprechend den heutigen Anforderungen von Wohnen und Gewerbe, vorhanden. Diese werden unter den Begriffen ''Leerstandsmanagement'' und ''Gebäuderessourcenmanagement'' subsumiert. |
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== Literatur == |
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* BBSR (Hrsg.): ''Innenentwicklungspotenziale in Deutschland – Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage und Möglichkeiten einer automatisierten Abschätzung.'' Sonderveröffentlichung, Bonn 2014. Bearbeitung: IÖR Dresden. |
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* Stephan Mitschang: ''Innenentwicklung – Fach- und Rechtsfragen.'' Peter Lang Verlag, Frankfurt 2008, ISBN 978-3-631-57677-9. |
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* [[Michael Krautzberger]]: ''Die «Innenentwicklungsnovelle 2013».'' In: ''Grundstücksmarkt und Grundstückswert (GuG)'' 2013, 193 ff. |
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* Michael Krautzberger, [[Bernhard Stüer]]: ''BauGB-Novelle 2013. Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts.'' In: ''[[Deutsches Verwaltungsblatt]] (DVBl)'' 2013, S. 805–815. |
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==Perspektivenwechsel== |
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* [http://www.fona.de/ Bundesministerium für Bildung und Forschung – fona-Initiative „Forschung und Nachhaltigkeit“] |
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* [http://www.difu.de/ Deutsches Institut für Urbanistik] |
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* [http://www.ioer.de/ Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e. V.] |
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* [http://www.irs-net.de/ Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung] |
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* [https://www.refina-info.de/ Forschung für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein nachhaltiges Flächenmanagement (REFINA)] |
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* [https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/siedlungs-verkehrsflaeche Umweltbundesamt: Siedlungs- und Verkehrsfläche] |
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== Einzelnachweise == |
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Aufgrund der dargestellten negativen Folgen der Zersiedlung, aber auch des anhaltenden wirtschaftlichen und sozialen Strukturwandels, eines neu erwachten Interesses an attraktiven innerörtlichen Nutzungsangeboten sowie vor allem der Folgen des demographischen Wandels setzt allmählich in weiten Teilen von Politik und Gesellschaft ein Umdenken ein. |
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<references /> |
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Folgende Entwicklungen und Trends für diese Neuorientierung können angeführt werden: |
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* Demographischer Wandel: die für die nächsten Jahrzehnte zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung ist praktisch nicht mehr beeinflussbar, daher muss - um ein langfristig finanzierbares Gleichgewicht zwischen Infrastruktur, Siedlungsbestand und Einwohnerzahlen zu erhalten - die vorhandene Infra- und Siedlungsstruktur an diese Entwicklung angepasst werden. |
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* Die angespannte Lage vieler öffentlicher Haushalte in Folge rückläufiger Einnahmen und steigender Ausgaben |
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⚫ | * Durch den wirtschaftlichen Strukturwandel, die Umstrukturierungsprozesse bei Bahn, Post, Energieversorgungsunternehmen und anderen Infrastruktureinrichtungen sowie durch die Aufgabe von Militärstandorten entstehen in vielen Kommunen große Flächenreserven in besten, innerstädtischen Lagen für neue Nutzungen zur Verfügung |
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⚫ | * Die Attraktivität des Standortes Innenstadt, geprägt durch Nähe zu Versorgungs-, Kultur- und |
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==Lösungsansatz== |
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Eine Wiedernutzung brach gefallener Flächen und Gebäude im Innenbereich ist daher sowohl aus Gründen des Freiraumschutzes als auch in stadtgestalterischer und stadtökonomischer Hinsicht dringend erforderlich. |
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Daher wird auch schon seit mehr als einem Jahrzehnt in der Fachöffentlichkeit und zunehmend auch von der Politik eine grundlegende Umorientierung der Siedlungsentwicklung gefordert. Langfristiges strategisches bzw. normatives Ziel ist eine konsequente Bestandsentwicklung bei weitgehendem Verzicht auf die Ausweisung neuer Bauflächen. Gemäß der Zielvorgabe "Innenentwicklung vor Außenentwicklung" sollen vorhandene Potenziale im Bestand durch Aktivierung, Re-Aktivierung und/oder bauliche Verdichtung besser ausgeschöpft werden. Hierdurch kann eine Neuinanspruchnahme von Landschaft für Siedlungszwecke vermieden, die Suburbanisierung gebremst, Innenstädte und Ortskerne revitalisiert und die Effizienz der kommunalen Infrastruktur kostenoptimiert werden. |
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Da noch für längere Zeit die Anzahl der Haushalte und die Wohnfläche pro Person - wenn auch langsamer als bisher - wachsen werden, wird weiterhin Nachfrage nach zusätzlichen Flächen bestehen. Diese Nachfrage sollte (und kann) auf erschlossenen Flächenreserven innerhalb bestehender Siedlungsflächen realisiert werden. Ansonsten drohen hohe Folgekosten und Funktionseinbußen der Infrastruktur. Auch der Bedarf nach neuen Gewerestandorten sollte soweit möglich auf bestehende Flächen im Innenbereich gelenkt werden. |
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Neuer Wohnraum und gewerbliche Nutzungen müssen dabei nicht im Widerspruch zum Leitbild der aufgelockerten, durchgrünten Stadt stehen. Vielmehr geht es bei der Innenentwicklung auch um eine qualitative Verbesserung der Freiraumsituation. Zielsetztung der Innenentwicklung sollte nicht die Aktivierung möglichst aller Potenziale sein, sondern vielmehr bedarf es jeweils einer strategischen stadtplanerischen Entscheidung, die gesamträumliche Zusammenhänge und Qualitäten einbeziehen muss. |
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Zur Erreichung dieser Ziele ist eine aktive Innenentwicklung unumgänglich. Es gilt, innerörtliche Flächenpotentiale zu erkennen, zu analysieren und optimal für neue Nutzungen zu aktivieren. |
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*[http://www.isl.uni-karlsruhe.de/ Uni Karlsruhe - Institut für Städtebau und Landesplanung] |
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*[http://www.steg-compass.de STEG-Compass] |
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[[Kategorie:Städtebau]] |
[[Kategorie:Städtebau]] |
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[[Kategorie: |
[[Kategorie:Stadterneuerung]] |
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[[Kategorie:Kommunalpolitik (Deutschland)]] |
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[[Kategorie:Kommunalpolitik]] |
Aktuelle Version vom 25. April 2025, 12:29 Uhr
Innenentwicklung bezeichnet in Städtebau und Stadtplanung die Strategie, den zukünftigen Bedarf an Bauflächen durch die Nutzung von innerörtlichen, bereits erschlossenen Flächen zu decken und auf die Ausweisung von neuen Bauflächen auf der Grünen Wiese weitgehend zu verzichten. Obwohl Innenentwicklung schon lange eine wesentliche städtebauliche Zielsetzung darstellt, ist die Intensität der Flächenneuinanspruchnahme im Außenbereich weiterhin hoch.[1] In Anbetracht der Tatsache, dass Fläche eine bedeutsame begrenzte natürliche Ressource darstellt, sowie angesichts des demographischen Wandels sowie ökonomischer Aspekte bedarf es einer qualifizierten Auseinandersetzung mit Strategien und praktischen Instrumenten der Innenentwicklung, um das im Baugesetzbuch (BauGB) definierte Ziel Innen- vor Außenentwicklung umzusetzen.
Ausgangssituation und Problemlage
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit den 1950er Jahren ist die Entwicklung von Städten und Gemeinden in Westdeutschland – seit 1990 auch in Ostdeutschland – in unterschiedlichem Ausmaß durch Wachstum und Ausdehnung der Siedlungsfläche ins Umland (Suburbanisierung) gekennzeichnet. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Neben dem steigenden Wohlstand und dem Bevölkerungswachstum der 1950er bis 1970er Jahre in Westdeutschland sind hierfür vor allem der Durchbruch der Massenmotorisierung (PKW-Verfügbarkeit) und die hierdurch mitermöglichte Realisierung veränderter Wohnpräferenzen (Ideal des Wohnens im Einfamilienhaus in wenig verdichteter Lage) verantwortlich. Der Suburbanisierung der Wohnfunktion folgt die Standortverlagerung von Industrie, Gewerbe und Handel an den Stadtrand oder auf die grüne Wiese. In der Summe führt dies einerseits zu einem im Verhältnis zur Bevölkerungszahl überproportional stark steigenden Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrszwecke, der mit Flächenversiegelung und dem Verlust von Biodiversität einhergeht.
Dem gegenüber ist andererseits zunehmend das Brachfallen von Flächen und Gebäuden in Innenbereichen von vielen Städten und Gemeinden festzustellen. Gründe hierfür sind die demographischen Entwicklung und der Strukturwandel in Landwirtschaft, Industrie, Einzelhandel sowie die Aufgabe von Militär- und Infrastrukturstandorten auf der Nachfrageseite. Auf der Angebotsseite fehlen häufig attraktive Angebote für Wohnen, Arbeiten, Handel und Freizeit in den Zentren. Ein wachsender Funktionsverlust und die Verödung von Ortszentren und Innenstädten sind die Folge, was wiederum mit einem generellen Verlust an Standortattraktivität und Lebensqualität verbunden ist. Den am Siedlungsrand zusätzlich entstehenden Kosten für Schaffung und Aufrechterhaltung von Infrastruktur und öffentlichen Dienstleistungen steht eine immer weniger effizient genutzte, jedoch kostenintensive Infrastruktur im Zentrum gegenüber. Dies führt zu einer erheblich steigenden Kostenbelastung für die Kommunen. Seit den 2010er-Jahren besteht besonders in den städtischen Zentren wachsender Metropolregionen eine wieder verstärkte Wohnraumknappheit und damit Nachfrage nach Wohnungsneubau.
Merkmale dieses Wandels sind zusammengefasst:
- der Anstieg der Wohnfläche pro Person von ca. 14 m² (1950) auf mittlerweile 47,7 m² (2021).
- die Verkleinerung der durchschnittlichen Haushaltsgröße von 3 (1950) auf heute 2 Personen je Haushalt.
- die Zunahme der Anzahl zugelassener Pkw von ca. 1,7 Mio. (1955) auf ca. 48,7 Mio. (2022)
- das kontinuierliche Wirtschaftswachstum, mit der damit verbundenen Steigerung des allgemeinen Lebensstandards und der Ansprüche an die Wohnungsversorgung.
- Flächenexpansion und veränderte Standortanforderungen in Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungsgewerbe (insbesondere Einzelhandel).
- die Ausdehnung von Verkehrsflächen.
Steigendes Problembewusstsein
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Reihe von Entwicklungen und Trends führen seit den 1980er-Jahren zu einem wachsenden Problembewusstsein in Politik und Gesellschaft:
- Die dargestellten negativen Folgen der Zersiedelung werden deutlicher.
- Der Anstieg der Wohnfläche pro Person verlangsamt sich.
- Die durchschnittliche Haushaltsgröße nimmt nur noch langsam ab.
- Die Lage vieler öffentlicher Haushalte ist angespannt.
- Durch den wirtschaftlichen Strukturwandel, die Umstrukturierungsprozesse bei Bahn, Post, Energieversorgungsunternehmen und anderen Infrastruktureinrichtungen sowie durch die Aufgabe von Militärstandorten entstehen in vielen Kommunen große Flächenreserven in besten, innerstädtischen Lagen für neue Nutzungen zur Verfügung.
- Der Wandel der Wirtschaft zu Dienstleistungen und emissionsarmem Gewerbe ermöglicht die Reintegration von Arbeitsstätten in innerstädtische nutzungsgemischte Quartiere.
- Die Attraktivität des Standortes Innenstadt, geprägt durch Nähe zu Versorgungs-, Kultur- und Infrastrukturangebot, gewinnt nachweislich wieder an Bedeutung. Zumindest für bestimmte Lebensstilgruppen kann eine Reurbanisierung festgestellt werden. Die wachsende Zahl älterer Menschen infolge des demographischen Wandels ist eine dieser Gruppen, die diesen Trend in den kommenden Jahrzehnten beschleunigen wird.
Dies stellt viele Städte und Gemeinden vor die komplexe Aufgabe, gleichzeitig neue attraktive Flächenangebote für unterschiedliche Nutzungen zu schaffen, den weiteren Flächenverbrauch einzudämmen und die Zukunftsfähigkeit der innerstädtischen Quartiere und Ortszentren zu erhalten und zu stärken.
Gesetzliche Verankerung des Vorrangs der Innenentwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Wiedernutzung brachgefallener Flächen und Gebäude im Innenbereich ist bei Betrachtung eines einzelnen Bauvorhabens in der Regel teurer als ein Neubau „auf der grünen Wiese“, da bei Brachflächen häufig Kosten für Bodensanierung anfallen und in Planung und Bau mehr Rücksicht auf die Umgebungsbebauung genommen werden muss[2], weshalb sie häufig unterbleibt. Sie ist aber sowohl aus Gründen des Freiraumschutzes als auch in stadtgestalterischer und stadtökonomischer Hinsicht wünschenswert. Seit den 1990er Jahren wird in der Fachöffentlichkeit von Stadt- und Landschaftsplanung daher verstärkt eine grundlegende Umorientierung der Siedlungsentwicklung auf eine konsequente Bestandsentwicklung bei weitgehendem Verzicht auf die Ausweisung neuer Bauflächen gefordert. Gemäß der Zielvorgabe Innenentwicklung vor Außenentwicklung sollen vorhandene Potenziale im Bestand durch Wiedernutzung von Leerstand, Umnutzung und/oder bauliche Verdichtung besser ausgeschöpft werden. Hierdurch kann eine Neuinanspruchnahme von Landschaft für Siedlungszwecke vermieden, die Suburbanisierung gebremst, Innenstädte und Ortskerne revitalisiert und die Effizienz der kommunalen Infrastruktur kostenoptimiert werden.
In der Folge wurde 2013 der Grundsatz des Vorrangs der Innen- vor Außenentwicklung im Baugesetzbuch (§1 Abs. 5) verankert.
Allerdings gehen durch Nachverdichtung und bauliche Innenentwicklung auch potentielle Grünflächen im Innenbereich verloren. In der Fachdiskussion hat sich daher das Konzept der „doppelten Innenentwicklung“ durchgesetzt, dass eine behutsame, einzelfallbasierte bauliche Nutzung von Potenzialen bei gleichzeitiger Aufwertung bestehender und verbleibender Grünflächen beschreibt. Diesen Zielkonflikt versucht auch der Ansatz des Aktiven Flächenressourcenmanagements zu überwinden und dementsprechende Möglichkeiten und Strategien zur Aktivierung innerörtlicher Flächenpotenziale aufzuzeigen. Anknüpfend daran sind spezielle Strategien zur baulichen Anpassung und Aktivierung leerstehender Gebäude, entsprechend den heutigen Anforderungen von Wohnen und Gewerbe, vorhanden. Diese werden unter den Begriffen Leerstandsmanagement und Gebäuderessourcenmanagement subsumiert.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- BBSR (Hrsg.): Innenentwicklungspotenziale in Deutschland – Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage und Möglichkeiten einer automatisierten Abschätzung. Sonderveröffentlichung, Bonn 2014. Bearbeitung: IÖR Dresden.
- Stephan Mitschang: Innenentwicklung – Fach- und Rechtsfragen. Peter Lang Verlag, Frankfurt 2008, ISBN 978-3-631-57677-9.
- Michael Krautzberger: Die «Innenentwicklungsnovelle 2013». In: Grundstücksmarkt und Grundstückswert (GuG) 2013, 193 ff.
- Michael Krautzberger, Bernhard Stüer: BauGB-Novelle 2013. Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts. In: Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 2013, S. 805–815.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
- Bundesministerium für Bildung und Forschung – fona-Initiative „Forschung und Nachhaltigkeit“
- Deutsches Institut für Urbanistik
- Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e. V.
- Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
- Forschung für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein nachhaltiges Flächenmanagement (REFINA)
- Umweltbundesamt: Siedlungs- und Verkehrsfläche
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/siedlungs-verkehrsflaeche
- ↑ Kleiber, Wolfgang et al.: Verkehrswertermittlung von Grundstücken. 8. Auflage. Köln 2017, S. 2444.