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„Industrialisierung“ – Versionsunterschied

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{{Dieser Artikel|behandelt die Industrialisierung. Zum historischen Epochenbegriff der Industriellen Revolution, die in England ihren Ausgang nahm, siehe [[Industrielle Revolution]].}}
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[[Datei:St Antony.jpg|mini|[[St.-Antony-Hütte]] von 1758, Abbildung von 1835]]
[[Image:Zeche Mittelfeld Ilmenau.jpg|thumb|350px|Neue Fabrikanlagen entstehen (Zeichnung um 1860)]]
[[Datei:Alfred Rethel 001.jpg|mini|''Die [[Mechanische Werkstätten Harkort & Co.|Harkortsche Fabrik]] auf [[Burg Wetter]]'' von [[Alfred Rethel]], ca. 1834]]
'''Industrialisierung''' bezeichnet allgemein den Prozess in einer [[Volkswirtschaft]], in welchem sich [[industrie]]lle [[Produktion]]sformen entwickeln und im Verhältnis zu Handwerk und Landwirtschaft einen immer größeren Platz einnehmen.
[[Datei:Zeche Mittelfeld Ilmenau.jpg|mini|Zeche Mittelfeld, Ilmenau (Zeichnung um 1860)]]
[[Datei:Fourastie.png|mini|links|Fourastié – Entwicklung der drei Wirtschaftssektoren für Frankreich]]
[[Datei:Barmen (1870).jpg|mini|''[[Barmen]] um 1870 vom Ehrenberg aus gesehen'', Gemälde von [[August von Wille]]]]
[[Datei:Zeche Sterkrade Colliery0001.JPG|mini|Zeche [[Sterkrade]], Foto, ca. 1910–1913]]


'''Industrialisierung''' ist innerhalb eines [[Staat]]es ein Prozess, während dessen sich ein [[Agrarstaat]] zu einem [[Industriestaat]] entwickelt. Ein Gegenbegriff ist die [[Deindustrialisierung]].
Die Industrialisierung begann zunächst in [[England]] während der zweiten Hälfte des 18. [[Jahrhundert]]s. Später verbreitete sie sich schrittweise in andere Länder Europas und [[Nordamerika]]s, seit Mitte der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts zunehmend auch in [[Asien]] und [[Lateinamerika]].


== Allgemeines ==
Der Begriff '''[[Industrielle Revolution]]''' steht dabei besonders für die erste Phase der Industrialisierung. [[Arnold Gehlen]] hat sie für die bedeutendste Revolution der [[Produktivkräfte]] seit der "[[Neolithische Revolution|neolithischen Revolution]]" erklärt, seit also dem Übergang vom Jagen, [[Sammeln]] und [[Fische]]n zu [[Landwirt]]schaft und [[Viehzucht]] in der [[Steinzeit|Jungsteinzeit]] vor rd. 10.000 Jahren.
Weltweit gab es zunächst Agrarstaaten, in denen die [[Arbeit (Philosophie)#Agrargesellschaft|Arbeit]] in der [[Landwirtschaft]] und damit die [[Produktion]] von [[Agrarprodukt]]en natürlichen, [[witterung]]sbedingten Einflüssen unmittelbar unterliegt. Das führt zu schwankenden Ernteerträgen und auch zu [[Missernte]]n durch [[Dürre]], [[Schädling]]e, [[Überschwemmung]]en etc. [[Staatsziel]] des Agrarstaates ist vor allem die [[Subsistenzwirtschaft]] zur [[Selbstversorgung]] mit eigenerzeugten Agrarprodukten, idealerweise mit einem [[Selbstversorgungsgrad]] von 100 %. Industrialisierung bezeichnet [[Technik|technisch]]-[[wirtschaft]]liche [[Prozess]]e des Übergangs von agrarischen zu [[industrie]]llen Produktionsweisen,<ref>[[Karl-Heinz Hillmann]]: ''Wörterbuch der Soziologie'' (= ''[[Kröners Taschenausgabe]]'', Band 410). 4., überarbeitete und ergänzte Auflage. Kröner, Stuttgart 1994, ISBN 3-520-41004-4, S. 260.</ref> in denen sich die [[maschine]]lle Erzeugung von [[Gut (Wirtschaftswissenschaft)|Gütern]] und [[Dienstleistung]]en durchsetzt.<ref>[[Flurin Condrau]]: ''Die Industrialisierung in Deutschland''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, S. 5.</ref>


Der Unterscheidung zwischen Industrie- und Agrarstaaten liegt der jeweils herrschende [[Wirtschaftssektor]] ([[Industrieproduktion]] oder [[Agrarproduktion]]) und deren Anteil am [[Bruttoinlandsprodukt]] (BIP) oder der Anteil der [[Erwerbstätigkeit|Erwerbstätigen]] jener Sektoren<ref>Ute Arentzen, Eggert Winter (Hrsg.): ''Gabler Wirtschafts-Lexikon''. Band 3, 1997, Sp. 1855</ref> an den gesamten Erwerbstätigen zugrunde. Typische Agrarstaaten sind alle [[Entwicklungsland|Entwicklungs-]] und die meisten [[Schwellenland|Schwellenländer]]. Sie besitzen das größte [[Marktpotenzial]] für ihre Industrialisierung.
Folgt man der Sektoreneinteilung von [[Jean Fourastié]] (siehe [[Drei-Sektoren-Hypothese]], [[Wirtschaftssektor]]) - "Primärer Sektor" der [[Rohstoff]]gewinnung ([[Ackerbau]], Viehzucht, Förderung von Bodenschätzen), "Sekundärer Sektor" der Verarbeitung, "Tertiärer Sektor" der [[Dienstleistung]]en, auch schon: "Quartärer Sektor" der [[Freizeit]]wirtschaft, "Quintärer Sektor" der [[Abfall]]wirtschaft - so sind in allen Sektoren Industrialisierungsprozesse aufgetreten, historisch ausgehend vom Sekundären Sektor.


== Volkswirtschaftliche Ursachen ==
==England als Mutterland der Industrialisierung==
[[Jean Fourastié]] ging 1949 in seiner [[Drei-Sektoren-Hypothese]] von einem Staatsmodell aus, das drei Sektoren umfasste, nämlich den [[Primärer Sektor|primären Sektor]] ([[Landwirtschaft]], [[Fischerei]] und [[Forstwirtschaft]]; im weiteren Sinne auch der [[Bergbau]]), [[Sekundärer Sektor|sekundären Sektor]] ([[Baugewerbe]], [[Energieversorgung|Energie-]] und [[Wasserversorgung]], [[Handwerk]] oder [[verarbeitendes Gewerbe]]) und den [[Tertiärer Sektor|tertiären Sektor]] ([[Dienstleistung]]en im [[Finanzwesen]], [[Forschung und Entwicklung]], [[Gastronomie]], [[Handel]], [[Immobilienwirtschaft]], [[Verkehr]] und [[Nachrichtenübermittlung]], [[öffentliche Verwaltung]] usw.).
Hier waren der [[Absolutismus]] und die [[Grundherr]]schaft früher als in anderen Ländern [[Europa]]s gelockert, [[Zunft]]zwang gab es im Gegensatz zu deutschen Ländern gar nicht. Somit waren die Voraussetzungen für die freiere Ausbreitung des [[Handel]]s, der [[Kapital]]bildung und der technischen [[Erneuerung]] gelegt. Meilensteine waren die [[Dampfmaschine]] ([[Erfindung]] 1712 durch [[Thomas Newcomen]], entscheidende Weiterentwicklung 1769 durch [[James Watt]]) sowie von [[Spinnmaschine]]n, mechanischem [[Webstuhl]] und des [[Puddelverfahren]]s bei der [[Eisen|Eisengewinnung]]. Bedeutsam war auch die Erfindung der [[Dampflokomotive]] und der [[Stockton and Darlington Railway|ersten öffentlichen Eisenbahnen]].


Mit seinem Drei-Sektoren- bzw. Drei-Phasen-Modell versuchte Fourastié die idealtypische Entwicklung einer Volkswirtschaft bis hin zur [[Dienstleistungsgesellschaft]] zu erklären ([[sektoraler Strukturwandel]]). Ausgehend vom [[Agrarmarkt]] wachse zunächst die Industrieproduktion, die zunehmend [[Landtechnik]] herstelle und [[Technischer Fortschritt|technischem Fortschritt]] unterliege, so dass [[Arbeitsplatz|Arbeitsplätze]] im Primärsektor verschwänden und im Sekundärsektor benötigt würden.<ref>Jean Fourastié: ''Le Grand Espoir du XXe siècle. Progrès technique, progrès économique, progrès social''. 1949, S. 64 ff.</ref> Eine [[Marktsättigung]] tritt am schnellsten ein bei Produkten des primären Sektors, dann bei denen des sekundären Sektors, während die [[Nachfrage]] nach denen des tertiären Sektors unbegrenzt sei und bleibe.<ref>Jean Fourastié: ''Le Grand Espoir du XXe siècle. Progrès technique, progrès économique, progrès social'', 1949, S. 86 ff.</ref> Die zunehmende [[Automatisierung]] und [[Mechanisierung]] in diesen Sektoren führe zu mehr [[Freizeit]] für die Arbeitskräfte, was die Dienstleistungen des tertiären Sektors stärke.<ref>Beat Hotz-Hart, Patrick Dümmler, Daniel Schmuki: ''Volkswirtschaft der Schweiz: Aufbruch ins 21. Jahrhundert''. 2006, [https://books.google.de/books?id=JvT5SeVB9VwC&pg=PA381&dq=Jean+Fourasti%C3%A9+freizeit&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwid67ao6rTlAhV3xMQBHdxeCZ4Q6AEIZDAH#v=onepage&q=Jean%20Fourasti%C3%A9%20freizeit&f=false S. 381]</ref>
'''Begünstigende Faktoren:'''
* [[Kapital]]bildung
* [[Infrastruktur]]: In England wurden wesentlich früher als in anderen Staaten die Bedeutung der Nutzung von Wasserwegen (Kanalbau) und der Eisenbahn erkannt. Infolge dessen, und aufgrund der Insellage von England, hatte dieses früher als jedes andere Land ein gut ausgebautes Kanalnetz.
* Ausreichende [[Rohstoff]]vorkommen, vor allem Erz, Kohle und Baumwolle aus den Kolonien. Hinzu kam die günstige Lage von Rohstoffvorkommen im Inland, die räumlich nah genug waren, um sie effektiver nutzen zu können.
* Ausreichendes Angebot an [[Arbeiter|Arbeitskräften]]. Der Wandel in der Landwirtschaft entzog zahlreichen Kleinbauern die Lebensgrundlage, die daraufhin in die sich entwickelnden Industriezentren zogen.
* [[Absatzmarkt|Absatzmärkte]] durch wachsende Nachfrage nach Textilien (Bekleidung)
* Unterdrückung von wirtschaftlicher Konkurrenz in seiner Position als Welt- und Kolonialmacht, wie beispielsweise der [[Indien|indischen]] Baumwollindustrie.
* Große [[Seemacht|Seemachts-]] und [[Flotte|Handelsflotte]], die zur Verschiffung von Gütern und Rohstoffen und deren Schutz genutzt wurde.
* Im Vergleich zu anderen Staaten große Macht des [[Bürgertum|Bürgertums]] (durch das Parlament) in Relation zu der des [[Monarch|Monarchen]], die sich positiv für die Interessen von diesem auswirkt.


==Rückgang==
== Geschichte ==
[[Datei:Kemna Lokomotiven.jpg|mini|Industrialisierung bedeutet auch die Mechanisierung traditionell manueller Wirtschaftssektoren wie der Agrikultur.]]
Seit die [[Anzahl]] der Industriearbeiter in vielen im 19. Jahrhundert industrialisierten [[Gesellschaft]]en ("[[Dienstleistungsgesellschaft]]en") relativ auffällig sinkt, wird in der [[Soziologie]] auch von '''De-Industrialisierung''' gesprochen. Ehemalige Industrieanlagen und Gebäude werden oft als [[Industriedenkmal|Industriedenkmäler]] erhalten.
Im [[Mittelalter]] arbeiteten weltweit etwa 70 % der Beschäftigten im primären, 20 % im sekundären und lediglich 10 % im tertiären Sektor – die typische Struktur eines Agrarstaates. Als erster Industriestaat weltweit gilt [[England]];<ref>[[Hubert Kiesewetter]]: ''Das einzigartige Europa''. 1996, S. 173</ref> es hatte seinen Aufstieg der Kohle und dem Eisen zu verdanken. Ab 1765 trat dort ein Umschwung ein, der sich durch sinkende Getreideexporte ankündigte, die auch auf das Wachstum der Industrie und des Gewerbes zurückzuführen waren.<ref>[[Felix Salomon]]: ''William Pitt der Jüngere''. Band 1. 1906, [https://archive.org/details/williampittderj00salouoft/page/396/mode/2up?view=theater S. 396 f.]</ref> [[Schrittmachertechnologie]]n waren die [[Erfindung]] der [[Dampfmaschine]] (1712 durch [[Thomas Newcomen]], 1769 von [[James Watt]] entscheidend weiterentwickelt), der [[Spinnmaschine]] ([[Spinning Jenny]]), des mechanischen [[Webstuhl]]s (1785 durch Edmond Cartwright), der [[Werkzeugmaschine]] und des [[Puddelverfahren]]s bei der [[Eisen]]gewinnung. Die Erfindung der [[Dampflokomotive]] (1804 durch [[Richard Trevithick]]) und der [[Stockton and Darlington Railway|ersten öffentlichen Eisenbahnen]] gelten als das Ende der (ersten) Industriellen Revolution in England. Es stellte die Weichen für einen [[bürgerlich]]en Industriestaat, den [[Arnold Toynbee]] 1882 als [[industrielle Revolution]] ({{enS|industrial revolution}}) bezeichnete.<ref>[[Hans-Dieter Gelfert]]: ''Kleine Geschichte der englischen Literatur''. 2005, [https://books.google.de/books?id=bsNzstFKr0QC&pg=PA151&dq=Industriestaat+england+1800&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwim4uOln9jkAhVhxaYKHdGBBjEQ6AEIMzAC#v=onepage&q=Industriestaat%20%20&f=false S. 151]</ref> Für Fourastié begann hier die Übergangsperiode, als etwa 50 % der Beschäftigten im sekundären Sektor arbeiteten (zu Lasten des primären Sektors mit nur noch 20 %); 30 % arbeiteten nun im tertiären Sektor.
<div align="center">

{|align="center"
Nach dem Ende des [[Wiener Kongress]]es im Juni 1815 setzte die [[industrielle Revolution in Deutschland]] mit der [[Frühindustrialisierung]] ein. Basis dieser Entwicklung war zumeist der Aufbau einer [[Textilindustrie]] wie man es beispielhaft am Aufstieg der frühen industriellen Zentren im Tal der [[Wupper]] ([[Barmen]] und [[Elberfeld]]) und im [[Königreich Sachsen]] ([[Chemnitz]] wurde ''sächsisches Manchester'' genannt) beobachten konnte. Sichtbar wurde die Frühindustrialisierung unter anderem durch die Gründung der „Preußisch-Rheinischen Dampfschifffahrtsgesellschaft“ (Vorläuferin der [[Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschiffahrt]]) im Oktober 1825.<ref>Gabriele Oepen-Domschky: ''Kölner Wirtschaftsbürger im deutschen Kaiserreich''. 2003, S. 150.</ref> Im Juni 1837 folgte die [[Rheinische Eisenbahn-Gesellschaft]], im Oktober 1843 die [[Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft]]. Hiervon profitierten der [[Schiffbau|Schiff-]] und [[Eisenbahnbau]]. An der Spitze des Eisenbahnbaus stand die [[Borsig (Unternehmen)|Firma Borsig]], die 1841 ihre erste und 1858 bereits die tausendste [[Lokomotive]] herstellte und mit 1100 Beschäftigten zur drittgrößten Lokomotivfabrik der Welt aufstieg ([[Hochindustrialisierung in Deutschland]]).
|[[Bild:Duisburg Innenhafen Ludwigturm.jpg|447px|center|thumb|Vom Industrie- zum Freizeitzentrum: Der [[Innenhafen]] in [[Duisburg]]]]

|[[Bild:Duisburg Innenhafenpanorama.jpg|400px|center|thumb|Innenhafen Duisburg: Früher ein Getreidespeicher, dient heute als Kneipe oder Museum]]
Die [[Industrialisierung Frankreichs]] nahm im Zeitraum zwischen 1830 und 1860 an Fahrt zu; es kam zu einem rasanten Anstieg der industriellen Produktion.

Die industrielle Revolution in den [[Vereinigte Staaten|USA]] setzte vergleichsweise spät ein, seit 1850 zügig<ref>[[Peter Lösche]] (Hrsg.): ''Länderbericht USA'', 2004, [https://books.google.de/books?id=KxGm88BF4mcC&pg=PA78&dq=industrialisierung+usa&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=industrialisierung%20usa&f=false S. 81 f.]</ref> und nach dem Ende des [[Sezessionskrieg]]es (1861–1865) deutlich erkennbar.

Fourastiés Hypothese der „tertiären Zivilisation“ aus dem Jahre 1949 sah künftig 80 % der Beschäftigten im tertiären Sektor, die Industrie und der Agrarsektor würden auf jeweils 10 % sinken.<ref>Jean Fourastié: ''Le Grand Espoir du XXe siècle. Progrès technique, progrès économique, progrès social''. 1949, S. 126</ref> Schon früh hat sich während der Industrialisierung eine [[Industriekritik]] geäußert, die später in eine [[ökologische Kritik]] überging.

== Statistiken ==
Die folgenden Statistiken sind in die drei klassischen Sektoren aufgeteilt, gemessen am Anteil des jeweiligen Sektors am BIP.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.laenderdaten.de/wirtschaft/BIP_sektoren.aspx |titel=Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach Sektoren |werk=Lexas Länderdaten |datum=2018-11-28 |abruf=2019-10-10 }} Dort zitiert aus {{Internetquelle |url=https://www.cia.gov/library/publications/resources/the-world-factbook/fields/214.html |titel=Field Listing – GDP, composition, by sector of origin |werk=[[The World Factbook]] |hrsg=[[Central Intelligence Agency|CIA]] |sprache=en |abruf=2019-10-10 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20201112043212/https://www.cia.gov/library/publications/resources/the-world-factbook/fields/214.html |archiv-datum=2020-11-12 |offline=ja |archiv-bot=2022-11-17 21:42:03 InternetArchiveBot }}</ref>

=== Afrika ===
Bei den typischen Agrarstaaten [[Afrika]]s ist stets der tertiäre Sektor größer als der sekundäre Sektor, wie die nachstehende Auswahl zeigt:

{| class="wikitable sortable"
|-
!Land
!Landwirtschaft<br />in % des BIP *)
!Industrie<br />in % des BIP *)
!Dienstleistungen<br />in % des BIP *)
|-
|{{BDI}}
|39,5
|16,4
|44,2
|-
|{{GNB}}
|50,0
|13,1
|36,9
|-
|{{COM}}
|47,7
|11,8
|40,5
|-
|{{MLI}}
|41,8
|18,1
|40,5
|-
|{{NER}}
|41,6
|19,5
|38,7
|-
|{{SLE}}
|60,7
|6,5
|32,8
|-
|{{SOM}}
|60,2
|7,4
|32,5
|-
|{{SDN}}
|39,6
|2,6
|57,8
|-
|{{TCD}}
|52,3
|14,7
|33,1
|-
|{{CAF}}
|43,2
|16,0
|40,8
|}
|}
</div>


* (*) Anmerkung: Rundungsdifferenzen vorhanden.
==Heutige Bedeutung==
Auf den ersten zehn Plätzen weltweiter Agrarstaaten befinden sich ausschließlich Staaten aus Afrika. Auch auf den weiteren Plätzen dominieren afrikanische Staaten, erst [[Tadschikistan]] folgt auf Rang 20 mit 28,6 % als erster nicht-afrikanischer Staat. Den höchsten Anteil der Agrarproduktion am BIP weist [[Sierra Leone]] (60,7 %) auf, gefolgt von [[Somalia]] (60,2 %), [[Tschad]] (52,3 %) und [[Guinea-Bissau]] (50,0 %). In allen drei Staaten ist der Dienstleistungssektor stärker als die Industrie. Bereits der Sudan und Burundi haben den Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft vollzogen.
Die Industrialisierung wird heutzutage auch als Sinnbild für die [[Standardisierung]] / [[Automatisierung]] von Verfahren / Prozessen verwendet. Man möchte damit den Wechsel von einer individuellen handwerklichen Tätigkeit hin zu einer standardisierten industrialisierten Tätigkeit kennzeichnen. Als Beispiel sei hier die Softwareentwicklung genannt: Bei der Programmierung wird kein Gegenstand im herkömmlichen Sinne hergestellt. Die Herstellung des Produktes Software kann in vielen Firmen als handwerkliche Tätigkeit aufgefasst werden, da sie jedes mal anders und individuell vorgenommen wird. Ziel der Industrialisierung ist es, gemeinsame Herstellungselemente zu standardisieren, so dass sie effektiver, produktiver und gleichförmig eingesetzt werden können. Nur wenn die einzelnen Phasen charakterisiert sind, können z.B. Teile als [[Offshoring]] Tätigkeit abgegeben werden. Auch sieht man im Begriff Industrialisierung häufig ein Umweltproblem.

=== Lateinamerika ===
In [[Lateinamerika]] ist die Industrialisierung weitgehend abgeschlossen:

{| class="wikitable sortable"
!Land
!Landwirtschaft<br />in % des BIP *)
!Industrie<br />in % des BIP *)
!Dienstleistungen<br />in % des BIP *)
|-
|{{ARG}}
|10,8
|28,1
|61,1
|-
|{{BRA}}
|6,6
|20,7
|72,7
|-
|{{CHL}}
|4,2
|32,8
|63,0
|-
|{{COL}}
|7,2
|32,8
|60,1
|-
|{{MEX}}
|3,6
|31,9
|64,5
|-
|{{PER}}
|7,6
|32,7
|59,9
|-
|{{URY}}
|6,2
|24,1
|69,7
|-
|{{VEN}}
|4,7
|40,4
|54,9
|}

* (*) Anmerkung: Rundungsdifferenzen vorhanden
Der Dienstleistungssektor dominiert in allen gezeigten Staaten Lateinamerikas und ist bedeutender als die Industrie. Die Landwirtschaft ist nahezu bedeutungslos.

=== Asien ===
[[Asien]] zeigt ein sehr differenziertes Bild:

{| class="wikitable sortable"
!Land
!Landwirtschaft<br />in % des BIP *)
!Industrie<br />in % des BIP *)
!Dienstleistungen<br />in % des BIP *)
|-
|{{CHN}}
|7,9
|40,5
|51,6
|-
|{{CN-HK}}
|0,1
|7,6
|92,3
|-
|{{IND}}
|15,4
|23,0
|61,5
|-
|{{IDN}}
|13,7
|41,0
|45,4
|-
|{{PRK}}
|22,5
|47,6
|29,9
|-
|{{KOR}}
|2,2
|39,3
|58,3
|-
|{{MYS}}
|8,8
|37,6
|53,3
|-
|{{PHL}}
|9,6
|30,6
|59,8
|-
|{{SGP}}
|0,0
|24,8
|75,2
|-
|{{VNM}}
|15,3
|33,3
|51,3
|}

* (*) Anmerkung: Rundungsdifferenzen vorhanden
In allen Ländern außer [[Nordkorea]] ist der Dienstleistungsbereich der größte Sektor.

== Wirtschaftliche Aspekte ==
Das [[Pro-Kopf-Einkommen]] ist in Industriestaaten höher als in reinen Agrarstaaten, weil das [[Preisniveau]] von Industrieprodukten höher und die [[Wertschöpfungskette]] umfangreicher als bei Agrarprodukten sind. So betrug das Pro-Kopf-Einkommen vom Agrarstaat Burundi im Jahre 2017 knapp 700 US $, in Großbritannien dagegen 44.300 US $.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.laenderdaten.de/wirtschaft/BIP_pro_Kopf.aspx |titel=Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf |werk=Lexas Länderdaten |datum=2018-11-28 |abruf=2019-10-10 }} Dort zitiert aus {{Internetquelle |url=https://www.cia.gov/library/publications/resources/the-world-factbook/fields/214.html |titel=Field Listing: GDP - composition, by sector of origin |werk=[[The World Factbook]] |hrsg=[[Central Intelligence Agency|CIA]] |sprache=en |abruf=2019-10-10 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20201112043212/https://www.cia.gov/library/publications/resources/the-world-factbook/fields/214.html |archiv-datum=2020-11-12 |offline=ja |archiv-bot=2022-11-17 21:42:03 InternetArchiveBot }}</ref> Um das Einkommen der Bevölkerung zu verbessern, ist eine Industrialisierung in Agrarstaaten attraktiv. Die Industrialisierungsphase ist gekennzeichnet durch [[Industrieller Strukturwandel|industriellen Strukturwandel]], bei dem Arbeitsplätze in der Landwirtschaft wegfallen und [[offene Stellen]] in der Industrie entstehen. Dieser Vorgang führt zu [[Sektorale Arbeitslosigkeit|sektoraler Arbeitslosigkeit]] ([[Unterbeschäftigung]]) in der Landwirtschaft und [[Überbeschäftigung]] in der Industrie, bis die [[Anpassung (Betriebswirtschaftslehre)|Anpassungsprozesse]] abgeschlossen sind.

== Folgen ==
Als Auswirkungen der Industrialisierung werden die [[Urbanisierung]], der Wechsel von [[Selbstversorgung]]s- ([[Subsistenzwirtschaft]]) zur Fremdversorgungsgesellschaft, [[Geburtenrückgang]], [[Prosperität]] (in den [[Industrienation]]en), aber auch die zunehmende Demokratisierung, die auf den wachsenden Wohlstand angewiesen war, genannt.<ref>Zum Zusammenhang von Demokratisierung und Industrialisierung: Hedwig Richter: ''Moderne Wahlen. Eine Geschichte der Demokratie in Preußen und den USA im 19. Jahrhundert''. Hamburger Edition, 2017, S. 94–111</ref> Es folgten eine zunehmende [[Umweltverschmutzung]] sowie insbesondere die [[globale Erwärmung]].


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Industrialisierung der Schweiz]]
* [[Industrialisierung der Sowjetunion]]
* [[Industriearchitektur]]


== Literatur ==
*[[Hochindustrialisierung in Deutschland]]
* [[Flurin Condrau]]: ''Die Industrialisierung in Deutschland''. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, ISBN 978-3-534-15008-3.
*[[Industrialisierung Frankreichs]]
* Clark Kerr, [[John T. Dunlop]], Frederick Harbison, Charles A. Myers: ''Der Mensch in der industriellen Gesellschaft'' (Originaltitel: ''Industrialism and Industrial Man''). Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1960.
*[[Industrielle Revolution in Deutschland]]
* S. Klatt: ''Zur Theorie der Industrialisierung.'' Köln/Opladen 1959.
* [[Walther Müller-Jentsch]]: ''Industrialisierung''. In: ''Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus'', hg. v. W. F. Haug, Band 6/II, Argument, Hamburg 2004, S. 973–982.
* [[Klaus Tenfelde]]: ''Industrialisierung''. In: Richard van Dülmen (Hrsg.): ''Das Fischer Lexikon Geschichte''. Fischer, Frankfurt am Main 2003, S. 222–237, ISBN 978-3-596-15760-0.
* [[Richard H. Tilly]]: ''Industrialisierung als historischer Prozess''. In: [[Europäische Geschichte Online]], hrsg. vom [[Institut für Europäische Geschichte (Mainz)]], 2010, {{URN|nbn:de:0159-20101025166}}.
* [[Wolfgang Wüst]] (Hrsg.): ''Regionale Wirtschafts- und Industriegeschichte in kleinstädtisch-ländlicher Umgebung'' (Mikro und Makro – Vergleichende Regionalstudien 1) Erlangen 2015, ISBN 978-3-940804-07-5.


== Weblinks ==
[[Kategorie:Volkswirtschaftslehre]]
{{Wiktionary}}
* {{DNB-Portal|4026776-3}}
* {{HLS|13824|Industrialisierung|Autor=Béatrice Veyrassat}}

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Normdaten|TYP=s|GND=4026776-3|LCCN=sh85065956|NDL=00566180}}

[[Kategorie:Industriegeschichte]]
[[Kategorie:Wirtschaftssoziologie]]
[[Kategorie:Sozialgeschichte]]
[[Kategorie:Sozialgeschichte]]
[[Kategorie:Sozialer Wandel]]
[[Kategorie:Sozialer Wandel]]
[[Kategorie:Industrielle Revolution]]
[[Kategorie:Technischer Fortschritt]]

[[bg:Индустриализация]]
[[cs:Industrializace]]
[[da:Industrialisering]]
[[en:Industrialisation]]
[[es:Industrialización]]
[[fi:Teollistuminen]]
[[fr:Industrialisation]]
[[gl:Industrialización]]
[[hr:Industrijalizacija]]
[[ja:工業化]]
[[ko:산업화]]
[[lt:Industrializacija]]
[[nl:Industrialisatie]]
[[no:Industrialisering]]
[[pt:Industrialização]]
[[ru:Индустриализация]]
[[uk:Індустріалізація]]

Aktuelle Version vom 23. Februar 2025, 15:54 Uhr

St.-Antony-Hütte von 1758, Abbildung von 1835
Die Harkortsche Fabrik auf Burg Wetter von Alfred Rethel, ca. 1834
Zeche Mittelfeld, Ilmenau (Zeichnung um 1860)
Fourastié – Entwicklung der drei Wirtschaftssektoren für Frankreich
Barmen um 1870 vom Ehrenberg aus gesehen, Gemälde von August von Wille
Zeche Sterkrade, Foto, ca. 1910–1913

Industrialisierung ist innerhalb eines Staates ein Prozess, während dessen sich ein Agrarstaat zu einem Industriestaat entwickelt. Ein Gegenbegriff ist die Deindustrialisierung.

Allgemeines

Weltweit gab es zunächst Agrarstaaten, in denen die Arbeit in der Landwirtschaft und damit die Produktion von Agrarprodukten natürlichen, witterungsbedingten Einflüssen unmittelbar unterliegt. Das führt zu schwankenden Ernteerträgen und auch zu Missernten durch Dürre, Schädlinge, Überschwemmungen etc. Staatsziel des Agrarstaates ist vor allem die Subsistenzwirtschaft zur Selbstversorgung mit eigenerzeugten Agrarprodukten, idealerweise mit einem Selbstversorgungsgrad von 100 %. Industrialisierung bezeichnet technisch-wirtschaftliche Prozesse des Übergangs von agrarischen zu industriellen Produktionsweisen,[1] in denen sich die maschinelle Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen durchsetzt.[2]

Der Unterscheidung zwischen Industrie- und Agrarstaaten liegt der jeweils herrschende Wirtschaftssektor (Industrieproduktion oder Agrarproduktion) und deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) oder der Anteil der Erwerbstätigen jener Sektoren[3] an den gesamten Erwerbstätigen zugrunde. Typische Agrarstaaten sind alle Entwicklungs- und die meisten Schwellenländer. Sie besitzen das größte Marktpotenzial für ihre Industrialisierung.

Volkswirtschaftliche Ursachen

Jean Fourastié ging 1949 in seiner Drei-Sektoren-Hypothese von einem Staatsmodell aus, das drei Sektoren umfasste, nämlich den primären Sektor (Landwirtschaft, Fischerei und Forstwirtschaft; im weiteren Sinne auch der Bergbau), sekundären Sektor (Baugewerbe, Energie- und Wasserversorgung, Handwerk oder verarbeitendes Gewerbe) und den tertiären Sektor (Dienstleistungen im Finanzwesen, Forschung und Entwicklung, Gastronomie, Handel, Immobilienwirtschaft, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, öffentliche Verwaltung usw.).

Mit seinem Drei-Sektoren- bzw. Drei-Phasen-Modell versuchte Fourastié die idealtypische Entwicklung einer Volkswirtschaft bis hin zur Dienstleistungsgesellschaft zu erklären (sektoraler Strukturwandel). Ausgehend vom Agrarmarkt wachse zunächst die Industrieproduktion, die zunehmend Landtechnik herstelle und technischem Fortschritt unterliege, so dass Arbeitsplätze im Primärsektor verschwänden und im Sekundärsektor benötigt würden.[4] Eine Marktsättigung tritt am schnellsten ein bei Produkten des primären Sektors, dann bei denen des sekundären Sektors, während die Nachfrage nach denen des tertiären Sektors unbegrenzt sei und bleibe.[5] Die zunehmende Automatisierung und Mechanisierung in diesen Sektoren führe zu mehr Freizeit für die Arbeitskräfte, was die Dienstleistungen des tertiären Sektors stärke.[6]

Geschichte

Industrialisierung bedeutet auch die Mechanisierung traditionell manueller Wirtschaftssektoren wie der Agrikultur.

Im Mittelalter arbeiteten weltweit etwa 70 % der Beschäftigten im primären, 20 % im sekundären und lediglich 10 % im tertiären Sektor – die typische Struktur eines Agrarstaates. Als erster Industriestaat weltweit gilt England;[7] es hatte seinen Aufstieg der Kohle und dem Eisen zu verdanken. Ab 1765 trat dort ein Umschwung ein, der sich durch sinkende Getreideexporte ankündigte, die auch auf das Wachstum der Industrie und des Gewerbes zurückzuführen waren.[8] Schrittmachertechnologien waren die Erfindung der Dampfmaschine (1712 durch Thomas Newcomen, 1769 von James Watt entscheidend weiterentwickelt), der Spinnmaschine (Spinning Jenny), des mechanischen Webstuhls (1785 durch Edmond Cartwright), der Werkzeugmaschine und des Puddelverfahrens bei der Eisengewinnung. Die Erfindung der Dampflokomotive (1804 durch Richard Trevithick) und der ersten öffentlichen Eisenbahnen gelten als das Ende der (ersten) Industriellen Revolution in England. Es stellte die Weichen für einen bürgerlichen Industriestaat, den Arnold Toynbee 1882 als industrielle Revolution (englisch industrial revolution) bezeichnete.[9] Für Fourastié begann hier die Übergangsperiode, als etwa 50 % der Beschäftigten im sekundären Sektor arbeiteten (zu Lasten des primären Sektors mit nur noch 20 %); 30 % arbeiteten nun im tertiären Sektor.

Nach dem Ende des Wiener Kongresses im Juni 1815 setzte die industrielle Revolution in Deutschland mit der Frühindustrialisierung ein. Basis dieser Entwicklung war zumeist der Aufbau einer Textilindustrie wie man es beispielhaft am Aufstieg der frühen industriellen Zentren im Tal der Wupper (Barmen und Elberfeld) und im Königreich Sachsen (Chemnitz wurde sächsisches Manchester genannt) beobachten konnte. Sichtbar wurde die Frühindustrialisierung unter anderem durch die Gründung der „Preußisch-Rheinischen Dampfschifffahrtsgesellschaft“ (Vorläuferin der Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschiffahrt) im Oktober 1825.[10] Im Juni 1837 folgte die Rheinische Eisenbahn-Gesellschaft, im Oktober 1843 die Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft. Hiervon profitierten der Schiff- und Eisenbahnbau. An der Spitze des Eisenbahnbaus stand die Firma Borsig, die 1841 ihre erste und 1858 bereits die tausendste Lokomotive herstellte und mit 1100 Beschäftigten zur drittgrößten Lokomotivfabrik der Welt aufstieg (Hochindustrialisierung in Deutschland).

Die Industrialisierung Frankreichs nahm im Zeitraum zwischen 1830 und 1860 an Fahrt zu; es kam zu einem rasanten Anstieg der industriellen Produktion.

Die industrielle Revolution in den USA setzte vergleichsweise spät ein, seit 1850 zügig[11] und nach dem Ende des Sezessionskrieges (1861–1865) deutlich erkennbar.

Fourastiés Hypothese der „tertiären Zivilisation“ aus dem Jahre 1949 sah künftig 80 % der Beschäftigten im tertiären Sektor, die Industrie und der Agrarsektor würden auf jeweils 10 % sinken.[12] Schon früh hat sich während der Industrialisierung eine Industriekritik geäußert, die später in eine ökologische Kritik überging.

Statistiken

Die folgenden Statistiken sind in die drei klassischen Sektoren aufgeteilt, gemessen am Anteil des jeweiligen Sektors am BIP.[13]

Afrika

Bei den typischen Agrarstaaten Afrikas ist stets der tertiäre Sektor größer als der sekundäre Sektor, wie die nachstehende Auswahl zeigt:

Land Landwirtschaft
in % des BIP *)
Industrie
in % des BIP *)
Dienstleistungen
in % des BIP *)
Burundi Burundi 39,5 16,4 44,2
Guinea-Bissau Guinea-Bissau 50,0 13,1 36,9
Komoren Komoren 47,7 11,8 40,5
Mali Mali 41,8 18,1 40,5
Niger Niger 41,6 19,5 38,7
Sierra Leone Sierra Leone 60,7 6,5 32,8
Somalia Somalia 60,2 7,4 32,5
Sudan Sudan 39,6 2,6 57,8
Tschad Tschad 52,3 14,7 33,1
Zentralafrikanische Republik Zentralafrikanische Republik 43,2 16,0 40,8
  • (*) Anmerkung: Rundungsdifferenzen vorhanden.

Auf den ersten zehn Plätzen weltweiter Agrarstaaten befinden sich ausschließlich Staaten aus Afrika. Auch auf den weiteren Plätzen dominieren afrikanische Staaten, erst Tadschikistan folgt auf Rang 20 mit 28,6 % als erster nicht-afrikanischer Staat. Den höchsten Anteil der Agrarproduktion am BIP weist Sierra Leone (60,7 %) auf, gefolgt von Somalia (60,2 %), Tschad (52,3 %) und Guinea-Bissau (50,0 %). In allen drei Staaten ist der Dienstleistungssektor stärker als die Industrie. Bereits der Sudan und Burundi haben den Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft vollzogen.

Lateinamerika

In Lateinamerika ist die Industrialisierung weitgehend abgeschlossen:

Land Landwirtschaft
in % des BIP *)
Industrie
in % des BIP *)
Dienstleistungen
in % des BIP *)
Argentinien Argentinien 10,8 28,1 61,1
Brasilien Brasilien 6,6 20,7 72,7
Chile Chile 4,2 32,8 63,0
Kolumbien Kolumbien 7,2 32,8 60,1
Mexiko Mexiko 3,6 31,9 64,5
Peru Peru 7,6 32,7 59,9
Uruguay Uruguay 6,2 24,1 69,7
Venezuela Venezuela 4,7 40,4 54,9
  • (*) Anmerkung: Rundungsdifferenzen vorhanden

Der Dienstleistungssektor dominiert in allen gezeigten Staaten Lateinamerikas und ist bedeutender als die Industrie. Die Landwirtschaft ist nahezu bedeutungslos.

Asien

Asien zeigt ein sehr differenziertes Bild:

Land Landwirtschaft
in % des BIP *)
Industrie
in % des BIP *)
Dienstleistungen
in % des BIP *)
China Volksrepublik Volksrepublik China 7,9 40,5 51,6
Hongkong Hongkong 0,1 7,6 92,3
Indien Indien 15,4 23,0 61,5
Indonesien Indonesien 13,7 41,0 45,4
Korea Nord Nordkorea 22,5 47,6 29,9
Korea Sud Südkorea 2,2 39,3 58,3
Malaysia Malaysia 8,8 37,6 53,3
Philippinen Philippinen 9,6 30,6 59,8
Singapur Singapur 0,0 24,8 75,2
Vietnam Vietnam 15,3 33,3 51,3
  • (*) Anmerkung: Rundungsdifferenzen vorhanden

In allen Ländern außer Nordkorea ist der Dienstleistungsbereich der größte Sektor.

Wirtschaftliche Aspekte

Das Pro-Kopf-Einkommen ist in Industriestaaten höher als in reinen Agrarstaaten, weil das Preisniveau von Industrieprodukten höher und die Wertschöpfungskette umfangreicher als bei Agrarprodukten sind. So betrug das Pro-Kopf-Einkommen vom Agrarstaat Burundi im Jahre 2017 knapp 700 US $, in Großbritannien dagegen 44.300 US $.[14] Um das Einkommen der Bevölkerung zu verbessern, ist eine Industrialisierung in Agrarstaaten attraktiv. Die Industrialisierungsphase ist gekennzeichnet durch industriellen Strukturwandel, bei dem Arbeitsplätze in der Landwirtschaft wegfallen und offene Stellen in der Industrie entstehen. Dieser Vorgang führt zu sektoraler Arbeitslosigkeit (Unterbeschäftigung) in der Landwirtschaft und Überbeschäftigung in der Industrie, bis die Anpassungsprozesse abgeschlossen sind.

Folgen

Als Auswirkungen der Industrialisierung werden die Urbanisierung, der Wechsel von Selbstversorgungs- (Subsistenzwirtschaft) zur Fremdversorgungsgesellschaft, Geburtenrückgang, Prosperität (in den Industrienationen), aber auch die zunehmende Demokratisierung, die auf den wachsenden Wohlstand angewiesen war, genannt.[15] Es folgten eine zunehmende Umweltverschmutzung sowie insbesondere die globale Erwärmung.

Siehe auch

Literatur

Wiktionary: Industrialisierung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Karl-Heinz Hillmann: Wörterbuch der Soziologie (= Kröners Taschenausgabe, Band 410). 4., überarbeitete und ergänzte Auflage. Kröner, Stuttgart 1994, ISBN 3-520-41004-4, S. 260.
  2. Flurin Condrau: Die Industrialisierung in Deutschland. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, S. 5.
  3. Ute Arentzen, Eggert Winter (Hrsg.): Gabler Wirtschafts-Lexikon. Band 3, 1997, Sp. 1855
  4. Jean Fourastié: Le Grand Espoir du XXe siècle. Progrès technique, progrès économique, progrès social. 1949, S. 64 ff.
  5. Jean Fourastié: Le Grand Espoir du XXe siècle. Progrès technique, progrès économique, progrès social, 1949, S. 86 ff.
  6. Beat Hotz-Hart, Patrick Dümmler, Daniel Schmuki: Volkswirtschaft der Schweiz: Aufbruch ins 21. Jahrhundert. 2006, S. 381
  7. Hubert Kiesewetter: Das einzigartige Europa. 1996, S. 173
  8. Felix Salomon: William Pitt der Jüngere. Band 1. 1906, S. 396 f.
  9. Hans-Dieter Gelfert: Kleine Geschichte der englischen Literatur. 2005, S. 151
  10. Gabriele Oepen-Domschky: Kölner Wirtschaftsbürger im deutschen Kaiserreich. 2003, S. 150.
  11. Peter Lösche (Hrsg.): Länderbericht USA, 2004, S. 81 f.
  12. Jean Fourastié: Le Grand Espoir du XXe siècle. Progrès technique, progrès économique, progrès social. 1949, S. 126
  13. Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach Sektoren. In: Lexas Länderdaten. 28. November 2018, abgerufen am 10. Oktober 2019. Dort zitiert aus Field Listing – GDP, composition, by sector of origin. In: The World Factbook. CIA, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. November 2020; abgerufen am 10. Oktober 2019 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cia.gov
  14. Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf. In: Lexas Länderdaten. 28. November 2018, abgerufen am 10. Oktober 2019. Dort zitiert aus Field Listing: GDP - composition, by sector of origin. In: The World Factbook. CIA, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 12. November 2020; abgerufen am 10. Oktober 2019 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cia.gov
  15. Zum Zusammenhang von Demokratisierung und Industrialisierung: Hedwig Richter: Moderne Wahlen. Eine Geschichte der Demokratie in Preußen und den USA im 19. Jahrhundert. Hamburger Edition, 2017, S. 94–111