„Ehemalige Hauptkirche St. Nikolai (Hamburg)“ – Versionsunterschied
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[[Bild:Hamburg_StNikolai_Panorama.jpg|thumb|Turm von St. Nikolai (September 2004)]] |
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Die '''ehemalige Hauptkirche St. Nikolai''' in [[Hamburg]] ist eine Kirchenruine, ein Mahnmal und eine bedeutende architektonische Sehenswürdigkeit der Stadt. Wenn in Hamburg von "der Nikolaikirche" die Rede ist, so ist in der Regel das hier beschriebene Gebäude gemeint und nicht die neue [[Hamburger Hauptkirchen|Hauptkirche]] [[St.-Nikolai-Kirche (Hamburg-Harvestehude)|St. Nikolai]], die im Stadtteil [[Hamburg-Harvestehude|Harvestehude]] steht. |
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Die '''Ruine der Hauptkirche St. Nikolai''' am [[Hamburg]]er [[Hopfenmarkt]] ist als '''Mahnmal St. Nikolai''' „den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft zwischen 1933 und 1945“ gewidmet. Die Kirche wurde 1195 begründet und in ihrer letzten [[Neugotik|neugotischen]] Ausführung 1874 fertiggestellt. Ihr 147,3 Meter hoher Turm war von 1874 bis 1877 das [[Liste der höchsten Bauwerke ihrer Zeit|höchste Bauwerk der Welt]].<ref>{{Literatur|Autor=Thorsten Ahlf|Titel=Zeitreise durch Hamburg|TitelErg=Kajen und Nikolaifleet|Sammelwerk=Hamburger Abendblatt|Datum=2017-04-10|Seiten=8}}</ref> Die [[Hauptkirche St. Nikolai (Hamburg-Harvestehude)|Hauptkirche St. Nikolai]] wurde 1962 als Neubau in den Stadtteil [[Hamburg-Harvestehude|Harvestehude]] nahe dem [[Klosterstern]] verlegt. Nach den [[Operation Gomorrha|Kriegszerstörungen]] von 1943 und dem weitgehenden Abriss 1951 sind heute neben dem Turm noch ein Teil der südlichen Außenmauer und die Wände des [[Chor (Architektur)|Chors]] erhalten. |
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== Allgemeines == |
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Für eine [[Hamburger Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus|Gedenkstätte]] wurden auf dem offenen Platz des ehemaligen Kirchenraums sowie in der unmittelbaren Umgebung Kunstwerke und Denkmale aufgestellt. In den Kellerräumen der Ruine richtete der 1987 gegründete Förderkreis „Rettet die Nikolaikirche e. V.“ (inzwischen umbenannt in „Förderkreis Mahnmal St. Nikolai“) ein Dokumentationszentrum mit einer Dauerausstellung ein. Das Museum des Mahnmals wurde 2012/2013 aufwendig umgebaut und erweitert. Seit September 2013 ist hier die Dauerausstellung „Gomorrha 1943 – Die Zerstörung Hamburgs im Luftkrieg“ zu sehen. |
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Der heutige Zustand der Nikolaikirche ist das Ergebnis von Luftangriffen im [[Zweiter Weltkrieg|2. Weltkrieg]], des weitgehenden Abrisses im Jahre [[1951]] sowie von Sanierungsarbeiten in den [[1990er]] Jahren. Verantwortlich für die Wiederherstellung der Ruine als Mahnmal ist der [[1987]] gegründete Förderkreis ''Rettet die Nikolaikirche e.V.'', der bei seiner Arbeit von der Stadt Hamburg, der Kirchengemeinde St. Nikolai und verschiedenen Firmensponsoren und privaten Spendern unterstützt wird. Der Verein besorgt die Erhaltung der Bausubstanz, die Bergung aufgefundener Trümmerteile und die Ausrichtung von Veranstaltungen und Ausstellungen in der Nikolaikirche und in einem Dokumentationszentrum, das in der [[Krypta]] angelegt wurde. |
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== Geschichte == |
== Ältere Geschichte == |
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=== Erste Bauten der Pfarrkirche St. Nikolai === |
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=== Ältere Bauwerke === |
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[[Datei:St. Nikolai Hamburg um 1572.jpg|mini|St. Nikolai auf einer Stadtansicht von 1572 (Ausschnitt)]] |
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[[Datei:St. Nikolai vor dem Brande by Suhr.jpg|mini|St. Nikolai um 1835 ]] |
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Nach der Gründung einer [[Hamburg-Altstadt#Ausdehnung der Altstadt|weltlichen Neustadt]] im Jahr 1189 und der Anlage eines [[Geschichte des Hamburger Hafens|Hafens]] gegenüber der bischöflichen Altstadt genehmigte der [[Haus Schauenburg|Schauenburger]] Graf [[Adolf III. (Schauenburg und Holstein)|Adolf III.]] auf Wunsch der neuen Anwohner den Bau einer [[Kapelle (Kirchenbau)|Kapelle]]. Der [[Klerus]] des [[Hamburger Dom (Alter Mariendom)|Hamburger Doms]] bestand jedoch darauf, dass nur ihm das [[Kirchenpatronat|Patronat]] zustehe. Nach einigen strittigen Verhandlungen schenkte Adolf III. dem [[Domkapitel]] im Jahr 1195 die Kapelle auf der zerstörten [[Neue Burg (Hamburg)|Neuen Burg]].<ref>{{Literatur |Autor=Graf Adolf III |Titel=Schenkungsurkunde St. Nikolai |Hrsg=Johann Martin Lappenberg |Band=Band I |Verlag=Perthes – Besser & Mauke |Ort=Hamburg |Datum=1842 |Seiten=272}}</ref> [[Julius Faulwasser]] rekonstruierte diese Kapelle aus dem späteren [[Chor (Architektur)|Chor]].<ref name=":0">{{Literatur |Autor=[[Julius Faulwasser]] |Titel=Die St. Nikolaikirche in Hamburg |Verlag=Boysen & Maasch |Ort=Hamburg |Datum=1926 |Seiten=1–2}}</ref> Sie hatte einen Grundriss von 12 × 26 Metern, bot Platz für etwa 300 Personen und wurde [[Nikolaus von Myra|Sankt Nikolaus]], dem Schutzpatron der [[Seefahrer]] und Reisenden, geweiht.<ref name=":0" /> |
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Mit der Gründung der Nikolaisiedlung und der Anlage eines Alsterhafens im [[12. Jahrhundert]] errichtete man eine Kapelle auf dem Gebiet des heutigen Hopfenmarktes, die dem [[Nikolaus von Myra|heiligen Nikolaus]], dem Schutzpatron der Schifffahrt, geweiht war. Auf diese Weise wurde nach dem Hamburger Dom die zweite Kirche im entstehenden Hamburg errichtet – zunächst als Holzgebäude. |
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Zwischen 1240 und 1250 fand die erste Erweiterung statt, die Kapelle wurde als Chor eingefasst und eine [[Kirchenschiff|dreischiffige]], fast quadratische [[Hallenkirche|Halle]] von rund 22 Metern Höhe aus [[Backstein]] angebaut. Das Mittelschiff war nur unwesentlich breiter als die beiden Seitenschiffe; alle drei überwölbte man in gleicher Höhe, so dass auch ein dreiteiliges Dach entstand. Hohe schlanke Pfeiler, [[Spitzbogen|Spitzbögen]] und gegliederte, großflächige Fenster wiesen frühe Merkmale der [[Gotik]] auf, eine kunsthistorische Einordnung benennt die Bauweise als „Backsteinhallenkirchenbau hamburgischen Typs“.<ref>Volker Plagemann: ''Kunstgeschichte der Stadt Hamburg.'' Hamburg 1995, S. 45.</ref> Die Kirche verfügte nun über Platz für 1000 Menschen. 1353 erhielt sie einen Dachturm von knapp 60 Metern Höhe. |
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Im Jahre [[1353]] (kurz nach dem Wüten des [[Schwarzer Tod|Schwarzen Todes]]) wurde mit einem gemauerten Neubau begonnen. Es handelte sich um eine dreischiffige [[Hallenkirche]] im typisch norddeutschen Stil der sogenannten [[Backsteingotik]]. (Einen Eindruck von diesem Baustil vermittelt heute noch die [[St.-Petri-Kirche (Hamburg)|Petrikirche]], die aus derselben Zeit stammt und nach ihrer Zerstörung 1842 in Anlehnung an das alte Aussehen wiederaufgebaut wurde.) Dieses Gebäude hatte bis zur Mitte des [[19. Jahrhundert]]s Bestand, wurde aber immer wieder verändert und erweitert – und musste auch mehrfach schweren Zerstörungen standhalten. [[1589]] brannte der erst [[1517]] errichtete, 153 Meter hohe Turm ab, und [[1644]] stürzte der neu errichtete Turm ein. Einen neuen Turm erhielt die alte Nikolaikirche [[1657]] von dem Architekten [[Peter Marquardt]]. Der sogenannte Marquardt-Turm war 122 Meter hoch und galt mit seinen charakteristischen Kuppeln als Wahrzeichen der Stadt und besonderer Schmuck ihrer Silhouette. Am 6. August 1767 wurde der Turm durch einen Blitzschlag schwer beschädigt.<ref>Johann Albert Heinrich Reimarus: Die Ursache des Einschlagens vom Blitze, 1769. S. 3ff. [http://de.wikisource.org/wiki/Die_Ursache_des_Einschlagens_vom_Blitze:Seite_2]</ref> |
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Eine zweite Erweiterung für nunmehr 1500 Personen erfolgte zwischen 1384 und 1400. Die Schiffe wurden verlängert, und der Gesamtbau wurde etwas verbreitert. Bei einer dritten Erweiterung zwischen 1400 und 1425 erhielt der Chorraum eine neue [[Apsis]] sowie Anbauten zu beiden Seiten. Hinzu kamen ein [[Beinhaus]] zur Umbettung von [[Knochen|Gebeinen]] des überfüllten Kirchhofs und der Stumpf für einen geplanten Turmbau. Der sechseckige Aufbau auf einem quadratischen Sockel wurde 1518 durch den Baumeister Hinrich Berndes (Barteldes) aus Hannover mit einem spitzen [[Helm (Architektur)|Turmhelm]] gekrönt. Berndes hatte von 1513 bis 1516 die alte Turmspitze der [[Hauptkirche Sankt Petri (Hamburg)|Petrikirche]] durch eine neue mit einer Höhe von 445 [[Fuß (Einheit)#Deutschsprachiger Raum|Hamburger Fuß]] (127,5 Metern) ersetzt.<ref>Vgl. Friedrich Müller: ''Die Künstler aller Zeiten und Völker oder Leben und Werke der berühmtesten Baumeister, Bildhauer, Maler …'', 1. Band. Stuttgart 1857 [http://books.google.de/books?id=vUEBAAAAQAAJ&pg=PA127 Stichwort ''Berends, Heinrich'' S. 127.]</ref><ref>[[Volker Plagemann]]: ''Versunkene Kunstgeschichte – Die Kirchen und Künstler des Mittelalters in Hamburg.'' 1999, S. 32, 70, 84.</ref> Der Nikolaiturm erreichte nun eine Höhe von 470 Hamburger Fuß (knapp 135 Meter).<ref>[[Rainer Postel]]: [http://books.google.de/books?id=_ITYAAAAMAAJ&q ''Die Reformation in Hamburg 1517-1528''] (= ''Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte.'' Bd. 52). Gütersloh 1986, S. 64; vgl. [[Heinz Stoob]]: ''Hamburgs hohe Türme.'' 1957, S. 15.</ref> Am 16. Juli 1589 wurde er durch einen Blitzschlag vollständig zerstört.<ref>Eine Beschreibung des Unglücks und seiner Folgen lieferte [[Johann Albert Heinrich Reimarus]] 1789 in einer Abhandlung über Blitzableiter, dort in einer Anmerkung: [[:s:Die Ursache des Einschlagens vom Blitze:Seite 12|Reimarus (1769), S. 12]].</ref> Der zwischen 1591 und 1593 vom Baumeister Hans Petersen neu errichtete zweite Turm stürzte 1644 nach einem Unwetter ein. |
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Als Mittelpunkt eines der vier Hamburger [[Kirchspiel]]e war die Nikolaikirche in alle theologischen Auseinandersetzungen involviert, die in der Stadt ausgetragen wurden, insbesondere die [[Reformation]]. Nachdem [[1524]] der Pfarrer Henning Kissenbrügge zurückgetreten war, wählten die Bürger [[Johannes Bugenhagen]] als Pfarrer, einen profilierten Reformer und Vertrauten [[Martin Luther]]s – ein Vorgang, der damals eigentlich nicht vorgesehen war. Der konservative Rat der Stadt konnte seine Berufung jedoch zunächst unterbinden, indem er Kissenbrügge zum Bleiben bewegte, nicht aber die allgemeine Entwicklung aufhalten, in deren Zuge lutherische Pfarrer in Hamburg gewählt wurden – in St. Nikolai nach Kissenbrügges endgültigem Weggang der Magdeburger [[Johann Zegenhagen]]. Die Reformation vollzog sich friedlich, und [[1528]] erschien Bugenhagen in Hamburg und wurde Prediger in St. Nikolai. Vor allem gab er der Stadt Hamburg eine Kirchenordnung, welche Organisation, Finanzen und sonstige Angelegenheiten (wie zum Beispiel den Schulbetrieb) der Kirchen regelte. Diese Kirchenordnung hatte 200 Jahre Bestand. |
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Ihren dritten Turm erhielt die Nikolaikirche 1657 nach den Plänen des Architekten [[Peter Marquardt]] aus [[Plauen]]. Das 122 Meter hohe Bauwerk bewirkte „eine [[barock]]e Uminterpretation“ des Erscheinungsbilds der Kirche und prägte mit drei übereinandergestellten [[Haube (Architektur)|Hauben]] und einer geschlossenen sowie einer offenen [[Laterne (Architektur)|Laterne]] knapp 200 Jahre die [[Skyline|Stadtsilhouette]].<ref>Volker Plagemann: ''Kunstgeschichte der Stadt Hamburg.'' Hamburg 1995, S. 145.</ref> |
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Das Ende der alten Nikolaikirche kam im Mai [[1842]], als sie als erstes großes, öffentliches Gebäude den Flammen des [[Hamburger Brand|Großen Brands von Hamburg]] zum Opfer fiel. Die Zerstörung der Nikolaikirche wird von Chronisten als besonders bewegendes Ereignis beschrieben, das die Hamburger Bürger tief erschütterte und ihnen erstmals das Ausmaß der Brandkatastrophe vor Augen führte, deren schlimmste Verwüstungen der Stadt zu diesem Zeitpunkt noch bevorstanden. Der Hauptgottesdienst hatte am Morgen des 5. Mai noch in der Kirche abgehalten werden können, den Mittagsgottesdienst musste der Kandidat Wendt, der für den Pastor Carl Mönckeberg eingesprungen war, abbrechen – er endete mit einer [[Fürbitte]] für den Erhalt der Kirche. Offenbar rechnete man nicht recht mit dem Verlust der Kirche – Kunstschätze wurden kaum gerettet. |
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=== Hauptkirche St. Nikolai ab der Reformation === |
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Um etwa 4 Uhr nachmittags ergriff das Feuer den Turm. Trotz verzweifelter Anstrengungen gelang es nicht, den Turmbrand einzudämmen, da die unzulängliche Löschtechnik es nicht ermöglichte, Wasser in ausreichender Menge auf den Turm zu befördern. Schließlich stürzte er ein und übertrug die Flammen auf das Kirchenschiff, welches vollständig niederbrannte. |
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[[Datei:2' Hopfenmarkt und Nicolaikirche in Flammen.JPG|mini|Brennende Hauptkirche St. Nikolai am 5. Mai 1842]] |
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[[Datei:NikolaikircheHamburgRuine1842.JPG|mini|rechts|Fotografie der Ruine der Hauptkirche St. Nikolai 1842]] |
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Als eines von vier [[Kirchspiel]]en der Stadt war St. Nikolai in alle [[Theologie|theologischen]] Auseinandersetzungen in der Stadt einbezogen, insbesondere während der [[Reformation]]. Nachdem 1524 der Pastor Henning Kissenbrügge zurückgetreten war, wählten die Bürger [[Johannes Bugenhagen]], einen profilierten Reformer und Vertrauten [[Martin Luther]]s, in das Amt. Sie griffen damit erheblich in die bisherige Ordnung ein, nach der die Pastoren durch das [[Domkapitel]] eingesetzt wurden. Der [[Senat der Freien und Hansestadt Hamburg|Rat der Stadt]] konnte Bugenhagens Berufung zunächst unterbinden, doch 1527 erreichten die Kirchenoberen das eigenständige Pastorenwahlrecht und bestimmten den Magdeburger [[Johann Zegenhagen]] zum ersten lutherischen [[Hauptpastor]] von St. Nikolai. In der Folge gewannen die Hauptkirchen mit Unterstützung des Rats gegenüber dem Domkapitel erheblich an Macht und Einfluss. Da auf Maßnahmen gegen Altgläubige verzichtet wurde, vollzog sich die Reformation in Hamburg weitgehend friedlich. 1528 erschien Bugenhagen in Hamburg und wurde Prediger in St. Nikolai. Vor allem gab er der Stadt Hamburg eine [[Kirchenordnung]], welche unter anderem die Organisation, die Finanzen und insbesondere den Schulbetrieb der Kirchen regelte.<ref>Ferdinand Ahuis, Isabel Ranck: ''Die St. Nikolaikirche im Spiegel der Hamburger Geschichte. Schlaglichter aus acht Jahrhunderten.'' In: Ivo von Trotha (Hrsg.): ''800 Jahre Hauptkirche St. Nikolai.'' Hamburg 1995, S. 21.</ref> |
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=== Gotischer Neubau === |
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[[Bild:Nikolaikirche Hamburg Entwurf.jpg|thumb|Endgültiger Entwurf Scotts]] |
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[[Bild:Hamburg_St_Nikolai_1868.jpg|thumb|St.-Nikolai-Kirche im Bau, um 1868]] |
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Bereits kurz nach dem Ende des Hamburger Brandes entstand der Entschluss, die Kirche neu aufzubauen. [[1843]] wurde eine sogenannte "Schilling-Sammlung" als Spendenaktion begonnen, und [[1844]] schrieb die Kirchenbaukommission einen Architekturwettbewerb aus, den der in Altona geborene Architekt [[Gottfried Semper]] mit dem Entwurf eines romanischen Kuppelbaus gewann. Dieser Entwurf wurde jedoch nicht in die Tat umgesetzt. Zum einen mag die Kommission zu dieser Entscheidung die Überlegung bewegt haben, dass ein solches Gebäude sich in das Hamburger Stadtbild nicht gut einfügen würde, zum anderen war 1842 mit dem Weiterbau des mittelalterlichen [[Kölner Dom]]s begonnen worden, und die neue Wertschätzung des [[Gotik|gotischen]] Baustils ergriff auch Hamburg, das noch im Jahre [[1805]] seine mittelalterliche Domkirche abgerissen hatte. Man ließ daher von dem englischen Architekten [[George Gilbert Scott]], der sich in England bereits einen Namen bei der [[Restaurierung]] mittelalterlicher Kirchen erworben hatte und als Kenner und Verfechter des gotischen Baustils galt, einen neuen Entwurf anfertigen. |
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Den Beginn der nachreformatorischen [[Kirchenmusik]] in Hamburg markierte die Musik zu [[Weihnachten]] 1526. Weil die altgläubigen Vikare ihre Mitwirkung im Streit um die kirchlichen Zeremonien verweigerten, improvisierte Zegenhagen die Festmusik mit seinen Kaplänen, dem [[Küster]] und Schulknaben. Die Gemeinde war daraufhin der Meinung, auf die Vikare verzichten zu können: Sie wurden auch später nicht mehr zum Lesen von [[Seelenmesse]]n, aus denen sie ihr Auskommen hatten, zugelassen.<ref>{{ADB|44|764|768|Zegenhagen, Johann|Wilhelm Sillem|ADB:Zegenhagen, Johann}}</ref> Zu den [[Organist]]en der Nikolaikirche zählten [[Johann Praetorius (Komponist)|Johann Praetorius]] (1620–1660) und [[Vincent Lübeck]] (1654–1740). Die [[Figuralmusik]] wurde in St. Nikolai, wie in allen Hamburger Hauptkirchen, vom [[Kantor]] des [[Gelehrtenschule des Johanneums|Johanneums]] versehen. Am 4. März 1652 wurde der Maler [[David Kindt]] in der Kirche beigesetzt. |
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Scotts Entwurf hatte ein 86 Meter langes, dreischiffiges [[Langhaus (Kirche)|Langhaus]], dessen Gewölbe bis zu 28 Meter hoch war, dazu ein einschiffiges Querhaus. Die Architektur ist stark von der französischen Gotik beeinflusst, ebenso von der englischen. Typisch deutsch ist der spitze, durchbrochene Turmhelm. Außergewöhnlich war das umfangreiche, in Sandstein gehauene Skulpturenprogramm im Innenraum, in Pinakeln und auf dem Turm. |
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1665 erhielt die Kirche ein [[Carillon|Glockenspiel]] mit 25 Glocken über zwei Oktaven, das [[Georg Philipp Telemann]] zu dem Konzertstück ''Hamburgische Glockenspiele'' inspirierte. Berühmt wurde zudem die 1687 fertiggestellte Orgel von [[Arp Schnitger]], an der er fünf Jahre gebaut und alles berücksichtigt hatte, „was die damalige Technik an Vollkommenheit ermöglichte“.<ref>Gerhard Hirschfeld: ''Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg.'' S. 100.</ref> |
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Der neue Kirchenbau entstand ein kleines Stück südöstlich vom alten Standort, etwa auf dem Platz, wo einmal die Neue Burg gestanden hat. Der Baubeginn war [[1846]], und am [[27. September]] [[1863]] waren die Bauarbeiten soweit abgeschlossen, dass die Kirche eingeweiht werden konnte. Der Bau des 147,3 m hohen Turms wurde erst [[1874]] beendet. Damit war die Nikolaikirche bis zur Vollendung der [[Kathedrale von Rouen]] im Jahre [[1877]] das höchste Bauwerk der Welt. Nach dem [[Heinrich-Hertz-Turm|Fernsehturm]] ist der Nikolaiturm noch heute das zweithöchste Gebäude Hamburgs und der dritthöchste Kirchturm in Deutschland. |
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Am 6. August 1767 wurde der Turm erneut durch einen Blitzschlag schwer beschädigt. Dieses Ereignis veranlasste den Naturwissenschaftler [[Johann Albert Heinrich Reimarus]] zu einer Abhandlung über [[Blitzableiter]].<ref>Vgl. [[:s:Die Ursache des Einschlagens vom Blitze:Seite 4|Reimarus (1769), S. 4ff]].</ref> Tatsächlich folgte der Gemeinderat der Mahnung, einen solchen einzubauen; doch 1801 richtete ein Blitz abermals erheblichen Schaden an. |
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=== Zweiter Weltkrieg === |
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Am 5. Mai 1842, dem ersten Tag des dreitägigen [[Hamburger Brand|Großen Brands]], fiel St. Nikolai als die erste der Hamburger Kirchen und Großgebäude dem Feuer zum Opfer. Der Hauptgottesdienst am Morgen hatte noch abgehalten werden können, der Mittagsgottesdienst wurde nach einer [[Fürbitte]] für den Erhalt der Kirche abgebrochen. Um etwa vier Uhr nachmittags ergriff das Feuer den Turm. Es gelang wegen der unzulänglichen Löschtechnik nicht, Wasser in ausreichender Menge hinauf zu befördern. Schließlich stürzte er ein und übertrug die Flammen auf das Kirchenschiff, das vollständig niederbrannte. Nur wenige Kunstwerke waren zuvor aus dem Gebäude gerettet worden. |
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Als höchste Erhebung der Stadt diente der Turm der Nikolaikirche den Piloten der alliierten Luftwaffen als Ziel- und Orientierungspunkt bei allen Luftangriffen auf Hamburg. Am [[28. Juli]] [[1943]] wurde die Kirche durch Fliegerbomben schwer beschädigt. Das Dach stürzte ein, wodurch das Innere des Kirchenschiffs schwere Schäden erlitt. Die Wände waren ebenfalls betroffen und bekamen Risse, blieben aber weitgehend stehen; ebenso der Turm. |
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== Neugotischer Bau von 1874 == |
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=== Nachkriegszeit === |
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[[Datei:Hamburg. Nicolaikirche LOC ppmsca.52564.jpg|mini|St. Nikolai, Ansicht um 1900]] |
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[[Datei:Nikolaikirche Hamburg Entwurf.jpg|mini|hochkant|Perspektivzeichnung des Entwurfs von Scott, Ansicht des Chors und des Nordportals]] |
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[[Datei:Grundriss St. Nikolai Hamburg.jpg|mini|hochkant|Grundriss der Kirche St. Nikolai]] |
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=== Baugeschichte === |
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Die tragende Struktur der gotischen Konstruktion war im Krieg weitgehend intakt geblieben und die Bausubstanz war allgemein in einem Zustand, der einen Wiederaufbau realistisch erscheinen ließ. Dennoch entschloss man sich, das Kirchenschiff abzureißen und nur den Turm stehenzulassen. Dazu trugen zum einen finanzielle Erwägungen bei, zum anderen hatte die Kirchengemeinde St. Nikolai sich entschieden, ihren angestammten Bereich, in dem sich inzwischen kaum noch Wohnungen befanden, zu verlassen und ein neues Kirchengebäude im Wohnviertel Harvestehude zu errichten. [[1951]] wurde das Kirchenschiff abgebrochen; die Trümmer wurden zum Teil zur Uferbefestigung an der [[Unterelbe]] benutzt. |
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Nach dem Brand kam es zwischen Pastoren, Architekten und Ratsmitgliedern zu einem Disput um den Wiederaufbau der Kirche, der letztlich durch den Rat mit Beschluss entschieden wurde, die Ruinen abzutragen und die Kirche neu aufzubauen. Mit den Abbrucharbeiten wurde am 1. Juni 1843 begonnen, sie zogen sich bis in das Jahr 1844 hin. Zudem beschloss die eingerichtete „Technische Kommission“, die neue Kirche um gut 50 Meter südöstlich zu verschieben, so dass sie vom Alsterarm, dem heutigen [[Nikolaifleet]], halbkreisförmig umrahmt werde. 1844 schrieb die Kirchenbaukommission einen öffentlichen [[Architekturwettbewerb|Wettbewerb]] aus, den der in [[Hamburg-Altona|Altona]] geborene Architekt [[Gottfried Semper]] mit dem Entwurf eines [[Neuromanik|neoromanischen]] Kuppelbaus gewann. |
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Doch holte der Kirchenvorstand weitere Gutachten ein, die, bedingt durch den Weiterbau des mittelalterlichen [[Kölner Dom]]s, beeinflusst waren von einer neuen Wertschätzung des gotischen Baustils. Hintergrund war das Anwachsen einer hamburgischen [[Erweckungsbewegung]], die in einer romantisch-mittelalterlichen Kathedrale den künstlerischen Ausdruck einer neuen Frömmigkeit sah.<ref name="Volker Plagemann 1995">Volker Plagemann: ''Kunstgeschichte der Stadt Hamburg.'' Hamburg 1995, S. 246.</ref> |
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[[Bild:Nikolaikirche Hamburg Gedenkstaette.jpg|thumb|Gedenkstätte, den Eingang bildet die Glaspyramide in Bildmitte]] |
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Schließlich entschied man sich zur Umsetzung des auf den dritten Platz gewählten Plans des Londoner Architekten [[George Gilbert Scott]], der sich in England bereits einen Namen bei der [[Restaurierung]] mittelalterlicher Kirchen erworben hatte und als Kenner und Verfechter des gotischen Baustils galt. Die erheblich höheren Kosten – sie beliefen sich auf das Dreifache des Semperschen Entwurfs – sollten durch eine sogenannte ''Schilling-Sammlung'' hereingebracht werden, bei der durch engagierte Bürger Spenden für das Bauvorhaben gesammelt wurden.<ref>Gerhard Hirschfeld: ''Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg.'' S. 37 ff.</ref> |
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Der Abriss des wertvollen neugotischen Baudenkmals stieß in der Bevölkerung zwar auf Bedauern, erregte aber auch nicht in besonderem Maße die Gemüter in der Stadt, die damals gerade wieder den Weg zu einem geordneten Leben fanden und wichtigere Aufgaben vor sich gesehen haben mögen als die Restaurierung zerstörter Kirchen. Anders als die im Krieg ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogene [[St.-Michaelis-Kirche (Hamburg)|Michaeliskirche]] galt die Nikolaikirche auch nicht als bedeutendes Hamburger Wahrzeichen. |
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Die Grundsteinlegung fand am 24. September 1846 statt. 17 Jahre später, am 24. September 1863, waren die Arbeiten soweit abgeschlossen, dass die Kirche eingeweiht werden konnte. 1863 erhielt die Kirche eine mittelgroße Orgel der Firma [[Philipp Furtwängler & Söhne]]. Der Bau des 147,3 Meter hohen Turms wurde 1874 beendet. Damit war die Nikolaikirche bis zur Vollendung der [[Kathedrale von Rouen]] 1877 das [[Liste der höchsten Gebäude ihrer Zeit|höchste Bauwerk der Welt]]. Nach dem [[Heinrich-Hertz-Turm|Fernsehturm]] ist der Nikolaiturm noch heute das zweithöchste Gebäude Hamburgs und außerdem der [[Liste der höchsten Sakralgebäude|fünfthöchste Kirchenbau]] der Erde. |
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Der Turm und einige Mauerreste blieben stehen und wurden zum Mahnmal gegen den Krieg umgewidmet, doch über Jahrzehnte blieb ihr Zustand relativ ungepflegt und ohne besondere Gestaltung, und sie waren dem allmählichen Verfall ausgesetzt. Dieses Missstandes nahm sich seit 1987 der Förderkreis ''Rettet die Nikolaikirche e.V.'' an, der die erhaltene Bausubstanz sanierte und eine sogenannte Begegnungsstätte (ein Raum für Veranstaltungen und Ausstellungen) in der [[Krypta]] einrichtete. Der Verein versucht zudem, die 1951 fortgeschafften Trümmer wiederaufzufinden; so wurden beispielsweise im November [[2000]] einige Trümmerteile aus der [[Haseldorfer Marsch|Haseldorfer]] Binnenelbe gehoben. Ein Wiederaufbau nach dem Vorbild der [[Frauenkirche (Dresden)|Frauenkirche in Dresden]] ist aber nicht vorgesehen. |
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Der neugotische Bau nach Scotts Entwurf hob sich nicht nur durch die Höhe des Turms, sondern auch durch die verwendeten Materialien – gelber [[Backstein]] und Elemente aus [[Sandstein]] und [[Carrara-Marmor]] – und in der Ausführung erheblich von der hamburgischen Tradition ab.<ref name="Volker Plagemann 1995"/> Die Kirche hatte ein 86 Meter langes, dreischiffiges [[Langhaus (Kirche)|Langhaus]] mit bis zu 28 Meter hohen Gewölben und ein einschiffiges Querhaus. Der dreiapsidiale Chor jedoch war eine Übernahme der romanischen Grundform norddeutscher Prägung, wie sie auch im Vorgängerbau und in anderen Hauptkirchen vorkam. Der Altarraum war beschränkt auf die Breite des Mittelschiffs und wurde, durch seitlich geschlossene Mauern getrennt, von zwei Seitenkapellen mit eigener Apsis flankiert. Mächtige Pfeiler stützten die hohen Außenwände. |
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Seit dem 1. September 2005 ist es möglich, mit einem Aufzug im Inneren des Turmes auf eine 75,3 Meter hoch gelegene Aussichtsplattform zu fahren, von der man einen guten Ausblick über Hamburg und insbesondere die nahegelegene [[Speicherstadt]] hat. |
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Die Ausgestaltung der Seitenkapellen zeigt deutlich das architektonische Problem, den historisierenden Grundriss dem gewandelten Bedarf einer protestantischen Gemeinde anzupassen. So war die nördliche Kapelle in zwei Geschosse unterteilt, im unteren befand sich die Sakristei, im Obergeschoss war ein Kirchensaal untergebracht. Die Südkapelle blieb lange ungenutzt, erst 1920 wurde sie mit sieben Granittafeln als Gedächtniskapelle für die Gefallenen des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] eingerichtet. Das Langhaus war als [[Basilika (Bautyp)|Basilika]] mit erhöhtem Mittelschiff und zwei niedrigeren, durch Pfeilern abgetrennten Seitenschiffen angelegt. Es entsprach damit nicht dem Ideal einer protestantischen Predigtkirche.<ref>Gerhard Hirschfeld: ''Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg.'' S. 34.</ref> |
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===Neuanfang in Harvestehude=== |
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Nachdem sich schon vor dem zweiten Weltkrieg die Wohnbevölkerung in der Hamburger Innenstadt verringert hatte, setzte sich dieser Trend nach dem Kriege fort. Dies führte zu der Überlegung eine der vier altstädtischen Hauptkirchengemeinden aus der City zu verlegen. [[1962]] konnte der Kirchenneubau, die „neue“ [[Hauptkirche St. Nikolai (Hamburg-Harvestehude)|St.-Nikolai-Kirche]] in Hamburg-Harvestehude, als ein Rundbau mit freistehendem Glockenturm, eingeweiht werden. |
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Der quadratisch angelegte Turm wies während seines Baus Anzeichen für ein unregelmäßiges Setzen auf und erforderte zusätzliche Stützmaßnahmen. An der Südwestseite wurden abgetreppte schräge Pfeiler angefügt, die man durch den Bau einer Turmkapelle in runder Ausführung und nach englischem Vorbild kaschierte. Der spitze, durchbrochene Turmhelm ist nach dem Kölner Vorbild gestaltet. Das 1883 aufgesetzte [[Bekrönung]]skreuz stammte von George Scott junior, dem Sohn des Architekten. |
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[[Bild:Hh-pruefung.jpg|thumb|Skulptur Prüfung]] |
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=== Ausstattung === |
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==Skulptur "Prüfung"== |
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Elemente der Innenausstattung – die an einem Pfeiler angebrachte Kanzel, der Hochaltar wie auch die Orgelempore – waren aus weißem Carrara-Marmor fein herausgearbeitet und setzten sich kontrastreich von dem Backstein ab. Kanzel und Altar stammten von den englischen Bildhauern Farmer & Brindley. 1891 stellte Orgelbaumeister [[Ernst Röver]] eine neue, große Orgel fertig. |
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Auf dem Gelände des ehemaligen Kirchenschiffes befindet sich die von der Hamburger Künstlerin Edith Breckwoldt für die Gedenkstätte [[Sandbostel]] (Niedersachsen) geschaffene Skulptur "Prüfung". |
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Eine große Rolle in der Wirkung des Kirchenbaus spielten die hohen großflächigen Fenster aus farbigem, ornamental gestaltetem [[Glas]]. George Scott konnte gegenüber der Hamburger Kirchenbaukommission die Beauftragung von englischen Künstlern durchsetzen, die ein damals neuartiges Verfahren des durchgefärbten Glases entwickelt hatten. So wurden die meisten Fenster von St. Nikolai von den Zeichnern John Richard Clayton und Alfred Bell gestaltet. Auffällig waren vor allem die Chorfenster in einer Öffnung von 19 × 1,70 Metern, mit denen das Leben Christi thematisiert wurde. |
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In Sandbostel war bis 1945 eines der größten Gefangenenlager der Nationalsozialisten. Mehr als 50.000 Menschen aus vielen Ländern fanden hier den Tod. |
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Der Sockel der Skulptur ist gestaltet aus Orginalsteinen der Gefangenenbaracken, die von Schülern aus Sandbostel auf dem Lagergelände gesammelt wurden. |
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Sandbostel war auch die letzte Station von ca. 10.000 KZ-Häftlingen aus Hamburg-Neuengamme. |
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Ein zentrales Augenmerk lag auf dem umfangreichen [[Skulptur]]enprogramm, das die [[Fiale|Pinakeln]] auf Strebepfeilern, die Bekrönungen, die Laibungsflächen der Portale und den Innenraum schmücken sollte. Geplant waren 64 in Sandstein gehauene Statuen. Da jedoch die Spendenbereitschaft der Hamburger Bürger im Laufe der Bauzeit erheblich nachließ, konnten nur 30 dieser Figuren realisiert werden. Das Programm sah vor, an einzelnen Gebäudeteilen bestimmte Personengruppen zusammenzustellen, so war das Turmportal den [[Evangelist (Neues Testament)|Evangelisten]] und [[Märtyrer]]n bestimmt, die Außengestaltung des Chors den Kirchenvätern, das südliche Querschiff den Reformatoren, das nördliche Querschiff Persönlichkeiten aus der evangelischen Kirche und der Vorbau am Nordportal den Vertretern der Hamburger Kirchspiele. Der innere Chorraum wurde mit den zwölf [[Apostel]]n dekoriert. |
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==Anmerkungen== |
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<references/> |
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Eine Besonderheit stellte die Gruppe der ''Symbolträger der kirchlichen Künste'' dar, so waren am südlichen Langhaus Skulpturen der Komponisten [[Johann Sebastian Bach]] und [[Georg Friedrich Händel]], des Malers [[Albrecht Dürer]], des Kirchenlieddichters [[Paul Gerhardt]], des Erfinders des Buchdrucks [[Johannes Gutenberg]] und des Philosophen [[Friedrich Schleiermacher]] aufgestellt. |
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== Literatur == |
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* Eberhard Petzold, Sylvester M. Robert: ''Mahnmal St. Nikolai''. Historika Photoverlag, Hamburg 1995 ISBN 3-929307-24-3 |
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Das Turmgeläut bestand aus 28 Glocken und wurde bei [[Severin van Aerschodt]] in [[Löwen]] in Flandern gegossen. Es wurde am 23. September 1888 zum ersten Mal angeschlagen. Die größte Glocke wurde ''Kaiserglocke'' genannt, da [[Wilhelm I. (Deutsches Reich)|Wilhelm I.]] dafür gespendet hatte, sie wog 6372,5 Kilogramm. Bis auf die kleinste Glocke wurde das gesamte Glockenspiel während des Ersten Weltkriegs von der Mobilmachungsbehörde beschlagnahmt. Die letzte Glocke von St. Nikolai schmolz 1943 während der Bombardierung. |
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== Siehe auch == |
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[[Liste der Hamburger Hauptpastoren]] |
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== Weblinks == |
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Madonna alte nikolaikirche (MHG).dt.jpg|Madonna aus der alten Nikolaikirche im [[Museum für Hamburgische Geschichte]] |
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* [http://www.mahnmal-st-nikolai.de/ Förderkreis "Rettet die Nikolaikirche" e.V.] |
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Hamburg St Nikolai Glasfenster 2.jpg|Glasfenster im Museum St. Nikolai |
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Hamburg St Nikolai Petrus.jpg|Petrusfigur aus dem früheren Chorraum im Museum |
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* [http://www.kantorei-stnikolai.de/ Kantorei der Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern] |
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* [http://www.bildarchiv-hamburg.de/hamburg/kirchen/nikolai/index.htm historische Bilder und aktuelle Fotos der St. Nikolaikirche] |
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== Zerstörung 1943 == |
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[[Datei:Projekt Heißluftballon - Highflyer -IMG-1420.jpg|mini|Luftbild des Mahnmals St. Nikolai von Osten]] |
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Bei den [[Operation Gomorrha|Luftangriffen auf Hamburg]] während des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkriegs]] diente der Turm der Nikolaikirche als Zielmarkierung der britischen und amerikanischen [[Luftstreitkräfte]]. Am 25. Juli 1943 wurde die Kirche durch Fliegerbomben im Rahmen der „[[Operation Gomorrha]]“ schwer beschädigt. Das Dach stürzte ein und verwüstete den Innenraum. Die Wände bekamen Risse, blieben aber weitgehend stehen, ebenso der Turm. Die Einschläge der Bombensplitter sind noch heute zu erkennen. |
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{{Lesenswert}} |
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=== Sicherung der Zerstörungen statt Wiederaufbau === |
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[[Datei:St Nikolai Schaeden.jpg|mini|hochkant|Skulptur des Evangelisten Johannes am Turm, Südseite;<br />sichtbare Splitterschäden im Mauerwerk]] |
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Nach dem Krieg beschloss der Hamburger Senat, die Kirche nicht wieder aufzubauen. Da sich im Zuge der Stadtentwicklung die Wohnbevölkerung in der Hamburger Innenstadt und damit auch die Zahl der Besucher der vier altstädtischen Hauptkirchen erheblich verringert hatte, führte dies zu einer Verlegung der Kirchengemeinde St. Nikolai nach [[Hamburg-Harvestehude|Harvestehude]]. Ab 1956 nutzte diese zunächst einen Konzertsaal am [[Harvestehuder Weg]]. 1962 wurde die neue [[Hauptkirche Sankt Nikolai (Hamburg-Harvestehude)|Hauptkirche St. Nikolai]] am Klosterstern, ein Rundbau mit freistehendem Glockenturm der Architekten [[Gerhard Langmaack|Gerhard]] und [[Dieter Langmaack]], eingeweiht. |
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Bruchstücke von Altar und Kanzel, die in den Trümmern leicht gefunden werden konnten, wurden – neben einer Sammlung im Dokumentationszentrum – in der Vorhalle von St. Nikolai am Klosterstern ausgestellt, die Altarplatte ruht auf Säulentrümmern der alten Kirche. Ein 1939 fertiggestelltes Fenster der Künstlerin [[Elisabeth Coester]], vorgesehen für das nördliche Querschiff der alten Nikolaikirche, war wegen des beginnenden Krieges dort nicht mehr eingebaut, sondern im Keller von [[Hauptkirche Sankt Michaelis (Hamburg)|St. Michaelis]] eingelagert worden, wo es die Bombardierungen überstanden hatte; beim Neubau von St. Nikolai am Klosterstern wurde die Eingangshalle mit diesem Werk gestaltet. |
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Viele der Fenster waren erhalten geblieben, da die Scheiben während des Krieges als Schutzmaßnahme herausgenommen worden waren. Nach dem Krieg baute man sie teilweise in andere Kirchen ein, so ersetzte man die kriegszerstörten Fenster von [[St. Gertrud (Hamburg-Uhlenhorst)|St. Gertrud]] in [[Hamburg-Uhlenhorst|Uhlenhorst]] mit sechs Fenstern aus der Nikolaikirche, ein weiteres, das sogenannte ''Fenster der Barmherzigkeit'' des Glasmalers [[Franz Xaver Zettler]], findet sich heute in der Franz-von-Assisi-Kirche in [[Hamburg-Allermöhe|Neu-Allermöhe]]. Weitere gerettete Fenster sind im Dokumentationszentrum ausgestellt, die meisten allerdings befinden sich nach wie vor<!--Stand anno?--> in der [[Restaurierung]]swerkstatt der Glaserinnung.<ref>Gerhard Hirschfeld: ''Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg.'' S. 64.</ref> |
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Die Figuren des [[Simon Petrus|Petrus]] und des [[Paulus von Tarsus|Paulus]] aus der Reihe der zwölf Apostel im Chorraum überstanden die Zerstörung. Sie sind heute im Vorraum des der Ruine benachbarten Gemeindezentrums an der Neuen Burg ausgestellt. Fünfzehn weitere Skulpturen sind am Außenwerk erhalten geblieben und finden sich am Turm, auf den Stützpfeilern des nördlichen Anbaus und an der südlichen Kirchenschiffwand. Zudem haben über dem Westportal des Turmes 26 von ehemals 36 Engelfiguren die Zerstörung überstanden, ebenfalls einige [[Medaillon (Ornament)|Medaillons]] und Fabeltiere, die vor allem als [[Wasserspeier]] konstruiert gewesen waren. Die Turmhalle, konzipiert für das 1939 ursprünglich für die alte Nikolaikirche geschaffene Fenster Elisabeth Coesters, beherbergt als ''Halle der Überlieferung'' einige gerettete Exponate, unter anderem einen [[Torso|Christus-Torso]] vom alten Altar und eine Skulptur von [[Ansgar (Erzbischof)|Ansgar von Bremen]]. Die ehemalige Wetterfahne befindet sich heute vor dem [[Hospital zum Heiligen Geist (Hamburg)|Hospital zum Heiligen Geist]]. |
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=== Sicherung der Bausubstanz für ein Mahnmal === |
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Die tragende Struktur der bombenzerstörten Nikolaikirche war weitgehend intakt geblieben und die Bausubstanz in einem Zustand, der einen Wiederaufbau realistisch erscheinen ließ. Dennoch beschloss der Hamburger Senat, das Kirchenschiff abzureißen und begründete dies mit Sicherungsmaßnahmen. Nach Verhandlungen zwischen dem Kirchenrat und dem damaligen Bürgermeister [[Max Brauer]] einigte man sich im März 1951 jedoch darauf, den Turm und den Chor stehenzulassen. Die Sprengungen und Abtragungen dauerten fünf Wochen, die Trümmer wurden zum Teil zur Uferbefestigung an der [[Unterelbe]] benutzt. |
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Ein gemeinsamer Ausschuss von Senat und Landeskirche entwickelte die Idee, in der Ruine ein Mahnmal zu errichten; langwierige Verhandlungen über dessen Unterhalt konnten erst 1968 abgeschlossen werden mit dem Ergebnis, dass nur der Turm im Eigentum der Nikolaigemeinde blieb, der Stadt hingegen das ehemalige Kirchenschiffgelände zusammen mit der Verkehrssicherungs- und Unterhaltspflicht übertragen wurde.<ref>Mahnmalvertrag vom 18. Januar 1962/5. März 1962 zwischen der Hamburgischen Landeskirche und der Freien und Hansestadt Hamburg Ziffer 6 (Verkehrssicherungspflicht und Unterhaltung)</ref> |
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Die ersten Sanierungsarbeiten hatten 1955 begonnen, 1960 wurde der Turm unter Denkmalschutz gestellt. 1971 gab der Senat die Pläne auf, eine Gedenkstätte einzurichten, stattdessen sollte die Ruine selbst als Mahnmal wirken. In den Folgejahren wurden Turm und Ruine sich selbst überlassen und verfielen zusehends. Am 16. Dezember 1987 gründete sich nach einer Initiative des Bauunternehmers [[Ivar Buterfas]] der Förderkreis „Rettet die Nikolaikirche e. V.“. Der Verein warb in der Tradition der ''Schilling-Sammlung'' um Spenden, sanierte die Bausubstanz und schuf einen Raum für Veranstaltungen und Ausstellungen in der [[Krypta]]. Seither wird das Mahnmal St. Nikolai als „Erinnerungsort für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ ständig ausgebaut und mit Denkmalen und Kunstwerken ausgestattet.<ref>{{Internetquelle |autor=Mahnmal St Nikolai |url=https://www.mahnmal-st-nikolai.de/foerderkreis/ |titel=Förderkreis {{!}} Mahnmal St. Nikolai |sprache=de |abruf=2024-03-18}}</ref> |
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1993 wurde das Mahnmal St. Nikolai Mitglied der „Nagelkreuzgemeinschaft“.<ref>{{Internetquelle |url=https://nagelkreuz.de/portfolio-item/hamburg-mahnmal-st-nikolai |titel=Hamburg – Mahnmal St. Nikolai |datum=2018-02-22 |werk=nagelkreuz.de |abruf=2023-07-24}}</ref> Das in der Turmhalle angebrachte [[Nagelkreuz von Coventry]] ist ein Symbol für das Anliegen, „alte Gegensätze zu überbrücken und nach neuen Wegen in eine gemeinsame Zukunft zu suchen“.<ref>{{Webarchiv|text=Nagelkreuzgemeinschaft Deutschland: ''Geschichte'' |url=http://www.nagelkreuzgemeinschaft.de/geschichte |wayback=20130702164451}}. Abgerufen am 10. Mai 2011.</ref> |
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Im Jahr 2011 löste sich ein 10 Kilogramm schwerer Stein aus dem Turm und fiel auf die vorbeiführende Willy-Brandt-Straße. Nach einem Schadensgutachten wurde der Turm eingerüstet. Die Sanierung dauerte bis Anfang 2018: z. B. Austausch von 22.000 Mauersteinen und 35 Kilometer Verfugungen. Ab Juni 2015 bis 2016 wurden die Schäden von der Kirchturmspitze, Meter 147, abwärts bis Meter 76 behoben. Ab 2016 wurden die Arbeiten am Ziegelmauerwerk von Meter 76 bis zum Boden ausgeführt.<ref>Nico Binde: ''Baustelle mit Aussicht.'' In: ''Hamburger Abendblatt.''21. Mai 2015, S. 9. {{Webarchiv |url=http://www.abendblatt.de/hamburg/article205329039/Mahnmal-Sankt-Nikolai-Baustelle-mit-Aussicht.html |archive-is=20150605083224 |text=online}}</ref> Seit Januar 2018 ist nach der Sanierung die Gedenkstätte mit dem Turm wieder zugänglich.<ref>''Neu eröffnet – St. Nikolai mahnt wieder zum Frieden.'' In: ''Hamburger Abendblatt.'' 26. Januar 2018, S. 12. Autorenkürzel (axö).</ref> |
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== Gestaltung des Mahnmals == |
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[[Datei:Mahnmal St. Nikolai Turmhalle 01.jpg|mini|Widmung in der Turmhalle]] |
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[[Datei:Mahnmal St. Nikolai Turmhalle 04.jpg|mini|hochkant|[[Nagelkreuz von Coventry]] und Inschrift in der Turmhalle]] |
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Das Mahnmal St. Nikolai umfasst den Turm mit dem gläsernen Fahrstuhl zur Aussichtsplattform im Westen und gegenüberliegend den ehemaligen Chor sowie Mauerreste der Südseite. Dazwischen liegt im ehemaligen Langhaus ein ''Platz der Ruhe'', der von der offenen Nordseite betreten werden kann. Im Fußboden markiert sind die früheren Pfeiler der Kirche. |
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=== Turm === |
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1995 wurde das zwei Tonnen schwere „Sonnenkreuz“ von der Spitze des Turmes herabgeholt und neu vergoldet.<ref>[http://www.abendblatt.de/archive/1995/pdf/19950505.pdf/ASV_HAB_19950505_HA_015.pdf ''Luftnummer.''] In: ''[[Hamburger Abendblatt]]'' vom 5. Mai 1995. (PDF).</ref> |
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Seit dem 1. September 2005 ermöglicht ein gläserner Panoramalift im Inneren des Turmes, auf eine 76 Meter hoch gelegene Aussichtsplattform zu fahren.<ref>{{Webarchiv|text=Webseite Lutzaufzüge: ''Mahnmal St. Nikolai – Einbau einer Aufzugsanlage in die Turmruine'' |url=http://www.lutz-aufzuege.de/fileadmin/uploads/PDFs/St_Nikolai.pdf |wayback=20110531135521}}.</ref> Hier wird eine Ausstellung gezeigt, unter anderem vom ''Stadtteilarchiv [[Hamburg-Hamm]]'' konzipiert, die die Zerstörung der Hamburger Innenstadt nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentiert.<ref>[http://www.hamburg.de/geheimtipps/18404/st-nikolai-kirche-hamburg.html ''Mahnmal St. Nikolai Kirche Hamburg.''] Auf der Website der Stadt Hamburg, abgerufen am 27. März 2011.</ref> Die Bildtafeln sind teilweise so angebracht, dass man den heutigen Panoramablick mit den Nachkriegsansichten vergleichen kann. Im Jahr 2009 nutzten 30.000 Besucher diese Einrichtung. |
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{{Zitat|Der Turm erinnert an die schlimmste Niederlage der Moral. In dem halben Jahrhundert seit Kriegsende ist Hamburg fast vollständig wieder hergestellt. Auch Coventry ist wieder aufgebaut, ebenso [[Hiroshima]]. Und dennoch ist die Freiheit, ist der Frieden gefährdet. Zu ihrer Verteidigung wird immer [[Zivilcourage]] nötig sein.|Autor=[[Helmut Schmidt]]|Quelle=Rede zum 50. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus<ref>Ivo von Trotha: ''Hüter ohne Haus. Die Turmruine der Nikolaikirche im Blick zurück und nach vor.'' In: Ivo von Trotha (Hrsg.): ''800 Jahre Hauptkirche St. Nikolai.'' Hamburg 1995, S. 75.</ref>}} |
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=== Carillon im Turm === |
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[[Datei:Колокола церкви Николайкирхе.JPG|mini|hochkant|Der Carillon im Turm]] |
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Im Juli 1993 wurde in der offenen Ostseite der ersten Turmebene ein [[Carillon]] eingeweiht. Das Glockenspiel besteht aus 51 [[Kirchenglocke]]n, gegossen von der niederländischen [[Glockengießerei Eijsbouts]] in [[Asten (Niederlande)|Asten]], und hat ein Gesamtgewicht von 13 Tonnen. Es kann über einen Seilzugmechanismus vom Glockenspieler direkt bespielt werden, der ''Stokken-Spieltisch'' befindet sich unterhalb, in einer gläsernen Kabine am Platz der ehemaligen Orgel. Durch die Möglichkeit der Regulierung der Stärke des Anschlags unterscheidet sich das Carillonspiel von einem mechanischen Glockenspiel. Täglich wird eine elektronisch gesteuerte Stundenmelodie um 9, 12, 15, 18 Uhr gespielt. Regelmäßig am Donnerstag um 12 Uhr finden halbstündige Konzerte statt.<ref>{{Internetquelle |autor=Mahnmal St Nikolai |url=https://www.mahnmal-st-nikolai.de/ |titel=Mahnmal St. Nikolai |sprache=de |abruf=2024-03-18}}</ref> |
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=== Museum === |
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In den erhaltenen Kellerräumen befindet sich das von dem „Förderkreis Mahnmal St. Nikolai“ betriebene Museum. Es zeigt eine Dauerausstellung über die Geschichte der Kirche sowie die Zerstörungen Hamburgs im Zweiten Weltkrieg durch die „Operation Gomorrha“. Auf einer Fläche von rund 450 Quadratmetern präsentiert es die wechselhafte (Stadt-)Geschichte. Auch finden in dem Gewölbe regelmäßig Vorträge, Konzerte, Gedenkveranstaltungen und Führungen statt. |
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=== Kunstwerke === |
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Datei:Haeger-weiblicher-engel.JPG|Barbara Haeger: ''Weiblicher Engel'' |
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Datei:Kokoschka-ecce-homo.JPG|Oskar Kokoschka: ''Ecce homo'' |
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Datei:Nikolai-blickachse.JPG|Ulrich Rückriem: ''Tempel'', Blickachse zum Turm |
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==== Barbara Haeger: „Weiblicher Engel“ ==== |
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Die drei Meter hohe Bronzeplastik der Bildhauerin [[Barbara Haeger]] mit dem Titel ''Weiblicher Engel'', geschaffen 1960, wurde 1972 von der Landeskirche erworben und in einer nach Nordost weisenden Außennische des Chorraums zwischen zwei Chorpfeilern als erstes Kunstwerk des Mahnmals aufgestellt.<ref name="Kunst">{{Internetquelle |autor=Mahnmal St Nikolai |url=http://www.mahnmal-st-nikolai.de/ausstellung-und-aussichtsturm/ |titel=Ausstellung und Aussichtsturm {{!}} Mahnmal St. Nikolai |sprache=de |abruf=2024-03-18}}</ref> |
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==== Oskar Kokoschka: „Ecce homo“ ==== |
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Am 21. Juli 1977 wurde in der Turmhalle das nach einem Entwurf [[Oskar Kokoschka]]s 1975 geschaffene schwarz-weiße Mosaik ''Ecce homo'' angebracht, das den gekreuzigten Jesus zeigt, dem ein Kriegsknecht mit einem Speer einen getränkten Schwamm hinhält. Auf dem oberen Kreuzbalken steht der Schriftzug ''[[Ecce homo]]'' („Seht, welch ein Mensch“). Das Werk hat die Maße 3,64 × 2,55 Meter, ist aus neun Teilen zusammengesetzt und besteht aus tausenden Mosaiksteinchen aus griechischen [[Marmor]], italienischem [[Carrara-Marmor|Carrara]], umbrafarbenem, weißem und beigem [[Donau]]kies und dunklem belgischen [[Kalkstein]]. Das Werk wurde von der ''Gruppo Mosaicisti dell’ Accademia di Belle Arti'' in [[Ravenna]] unter der Leitung von [[Sergio Cicognani]] ausgeführt. |
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Eine farbige Version mit dem Titel ''Ecce homines'' („Seht, welche Menschen“) hängt über dem Altar in St. Nikolai am Klosterstern und wurde dort 1974 eingeweiht. Die Korrespondenz zwischen beiden Werken gilt als „eigengearteter Brückenschlag“ zwischen dem alten und dem neuen Standort der Kirche.<ref name="Kunst" /><ref>Kirchenvorstand St. Nikolai (Hrsg.): ''So sind Menschen. Kokoschkas Kreuzigung in St. Nikolai.'' Hamburg (ohne Datum)</ref> |
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Der Fahrstuhleinbau störte die Wirkung des Mosaiks, es wurde im Juli 2008 an die Stirnwand des Chors umgehängt. Ein schlichter Altar aus [[Postaer Sandstein]] ergänzt den offenen Raum zum ''Ort der Sammlung und Stille''. In der Turmhalle zurück blieb eine steinerne Inschrift des Bildhauers [[Fritz Fleer]], die sowohl eine Erklärung des Mahnmals wie eine Deutung des Kreuzigungsmosaiks, wie Kokoschka selbst es interpretiert hat, beinhaltet: |
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{{Zitat|Tue deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.|Quelle=Sprüche Salomos, Kapitel 31, Vers 8}} |
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==== Ulrich Rückriem: „Tempel“ ==== |
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Der drei Meter hohe Granitblock mit einem Grundriss von 1,5 × 1,5 Metern und dem Titel ''Tempel'' des Bildhauers [[Ulrich Rückriem]], geschaffen und aufgestellt 1984, steht auf dem Hopfenmarkt in etwa 40 Metern Entfernung und in direkter Blickachse zum Turm. Der Granit stammt aus der [[Normandie]] und ist horizontal in drei, der mittlere Block wiederum in fünf Teile gespalten. Das Kunstwerk soll einen stillen Dialog mit dem Nikolaiturm vermitteln, eine „Zwiesprache über Verfall und Ewigkeit, über Zerstörung und Dauer“.<ref>Gerhard Hirschfeld: ''Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg.'' S. 16; siehe auch: Julia Mummenhoff: [http://fhh1.hamburg.de/Behoerden/Kulturbehoerde/Raum/artists/rueb.htm hamburg.de]; [http://www.welt-der-form.net/Ulrich_Rueckriem/Rueckriem-1984-Granit_gespalten_geschnitten-Hamburg.html welt-der-form.net]</ref> |
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==== Skulpturen von Edith Breckwoldt ==== |
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Datei:Friedensgebet.JPG|''Friedensgebet'' |
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Datei:Erdenengel.JPG|''Erdenengel'' |
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Datei:Hh-pruefung.jpg|''Prüfung'' |
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Drei im Mahnmal aufgestellte Bronzeskulpturen stammen von der Hamburger Bildhauerin [[Edith Breckwoldt]]. ''Friedensgebet'' ist der Titel einer Figur aus dem Jahr 2001: sie stellt eine kniende, betende Frau dar, die von einem Kind umarmt wird. Sie befindet sich inmitten des sogenannten ''Garten der [[Kontemplation]]'', einem abgegrenzten Bereich im ehemaligen nördlichen Seitenschiff, das mit [[Rhododendren]] bepflanzt und mit verschiedenfarbigen Kieselsteinen ausgelegt ist. Die Figur soll einen Bogen von der erschreckenden Vergangenheit zu einer hoffnungsvollen Zukunft schlagen. |
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In diesem Garten befinden sich zudem einzelne Trümmerteile der Kirche, darunter auch einige, die 1951 während des Abbruchs fortgeschafft worden waren und um deren Wiederauffinden sich der Förderverein bemüht. So wurden im November 2000 einige Trümmer aus der [[Haseldorfer Marsch|Haseldorfer]] Binnenelbe gehoben. |
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Eine zentrale Figur ist die sechs Meter hohe Bronzeplastik mit dem Titel ''Erdenengel'' aus dem Jahr 2003. Am Sockel sind in acht Sprachen der Titel und Untertitel der Plastik angebracht. Die Botschaft der Künstlerin lautet „Nimm meine Hand, und ich führe Dich zu Dir zurück“ und soll ausdrücken, dass alle Erkenntnis im Menschen selber ruht: Wenn er zu sich selbst zurückfindet, so findet er auch Frieden, dies ist wiederum Voraussetzung für Friedlichkeit zwischen den Menschen. |
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Die Bronzefigur ''Prüfung'', 2004 ebenfalls von Edith Breckwoldt geschaffen, ist in der Apsis des ehemaligen südlichen Seitenschiffs aufgestellt und der Gedenkstätte des ehemaligen [[Stammlager X B|Stammlagers Sandbostel]] gewidmet, das, 60 km westlich von Hamburg gelegen, von 1939 bis 1945 eines der größten deutschen [[Kriegsgefangenenlager]] war. Mehr als 50.000 Menschen kamen dort zu Tode, darunter etwa 10.000 Häftlinge aus dem [[KZ Neuengamme]]. Der Sockel der Skulptur ist aus Backsteinen der Barackenfundamente aufgeschichtet, die auf dem Lagergelände von Schülern aus Sandbostel gesammelt wurden. Die Künstlerin beschriftete eine bronzene Tafel mit einem [[Dietrich Bonhoeffer]] zugeschriebenen Zitat:<br> |
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„Kein Mensch auf der ganzen Welt kann die Wahrheit verändern. Man kann sie nur suchen, sie finden und ihr dienen. Die Wahrheit ist an jedem Ort.“<ref>https://www.mahnmal-st-nikolai.de/ausstellung-und-aussichtsturm/#kunstwerke-am-mahnmal</ref> |
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== Orgel == |
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Dass St. Nikolai wie die Hauptkirchen Sankt Jacobi und Petri bereits um 1400 über eine [[Orgel]] verfügte, ist wahrscheinlich, aber nicht nachweisbar.<ref>{{Literatur | Autor=Günter Seggermann, Alexander Steinhilber, Hans-Jürgen Wulf | Titel=Die Orgeln in Hamburg | Verlag=Ludwig | Ort=Kiel | Datum=2019| ISBN=978-3-86935-366-1 | Seiten=15}}</ref> In St. Nikolai existierten in vorreformatorischer Zeit eine kleine Orgel im Chor und eine große Orgel über der Nordertür. Die kleine Orgel wurde 1539–1540 durch Gregorius Vogel aus Braunschweig für etwa 500 Mark ersetzt.<ref>{{Literatur |Autor=[[Gustav Fock]] |Titel=Hamburgs Anteil am Orgelbau im niederdeutschen Kulturgebiet |Sammelwerk=Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte |Nummer=38 |Datum=1939 |Seiten=297–298 |Online=[https://digitalisate.sub.uni-hamburg.de/recherche/detail?tx_dlf%5Bid%5D=41965&tx_dlf%5Bpage%5D=330 uni-hamburg.de]}}</ref> Dirk Hoyer, Schwiegersohn von [[Scherer (Orgelbauer)|Jacob Scherer]], pflegte um 1575 beide Orgeln. Wahrscheinlich [[Gottfried Fritzsche]] setzte 1630 die große Orgel auf die Westempore um und erweiterte sie. Nachdem [[Johann Praetorius (Komponist)|Johann Praetorius]] ein halbes Jahrhundert das Organistenamt bekleidet hatte (1611–1660), verfiel die Orgel zusehends und war um 1680 abgängig.<ref>{{Literatur | Autor=Gustav Fock | Titel=Arp Schnitger und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet | Verlag=Bärenreiter | Ort=Kassel | Jahr=1974 | ISBN=3-7618-0261-7 | Seiten=49}}</ref> |
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[[Arp Schnitger]], der am 1. September 1682 den [[Hamburger Bürgereid]] abgelegt hatte, erhielt durch Vermittlung eines Stader Hauptpastors im selben Jahr den Auftrag für einen Orgelneubau in St. Nikolai. So schuf er in den Jahren von 1682 bis 1687 seine größte Orgel. Es soll die damals größte Orgel im deutschsprachigen Raum, wenn nicht weltweit gewesen sein.<ref>{{Literatur | Autor=[[Cornelius H. Edskes]], [[Harald Vogel]] | Titel=Arp Schnitger and His Work| Verlag=Edition Falkenberg | Ort=Bremen | Datum=2016 | ISBN=978-3-95494-092-9 | Seiten=178}}</ref> Ursprünglich waren bei Vertragsabschluss 62 [[Register (Orgel)|Register]] vorgesehen, aber noch während des Baus wurden fünf Register ergänzt, sodass das Instrument bei der Einweihung am 23. November 1687 über 67 Register auf vier [[Manual (Musik)|Manualen]] und [[Pedal (Orgel)|Pedal]] mit mehr als 4.000 Pfeifen verfügte. Die größte Pfeife im Pedalturm war das 32-füßige C mit einem Gewicht von 860 [[Pfund]].<ref>{{Literatur | Autor=Gustav Fock | Titel=Arp Schnitger und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet | Verlag=Bärenreiter | Ort=Kassel | Jahr=1974 | ISBN=3-7618-0261-7 | Seiten=49}}</ref> Das Instrument begründete den internationalen Ruf des Meisters und bereicherte Hamburg um eine weitere Attraktion. Bei einer Renovierung 1701 wurde die Orgel stärker abgestützt; zudem ersetzte Schnitger drei [[Register (Orgel)#Gemischte Stimmen|gemischte Stimmen]]. Sein Freund [[Vincent Lübeck]], der seit 1674 Organist an der Schnitger-[[Orgel von St. Cosmae et Damiani (Stade)|Orgel von St. Cosmae et Damiani]] in Stade war, wirkte von 1702 bis zu seinem Tod im Jahr 1740 an St. Nikolai. Bis zu ihrer Zerstörung 1842 waren keine größeren Reparaturen an der Orgel erforderlich. Die [[Disposition (Orgel)|Disposition]] lautete wie folgt: |
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{{NavFrame}} |
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<div class="NavHead hintergrundfarbe5" style="text-align:left;">Schnitger-Orgel von 1687</div> |
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<div class="NavContent" style="text-align:left"> |
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| colspan="2" | '''I Rückpositiv''' CD–c<sup>3</sup> |
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| Bordon || {{0}}16′ |
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| Principal || {{0}}8′ |
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| Gedackt || {{0}}8′ |
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| Quintadena || {{0}}8′ |
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| Octav || {{0}}4′ |
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| Blockflöte || {{0}}4′ |
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| Querflöte || {{0}}2′ |
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| Sifflöte || {{Bruch|1|1|3|}}′ |
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| Sesquialtera II || |
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| Scharff VI–IX || |
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| Dulcian || {{0}}16′ |
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| Trecht Regall || {{0}}8′ |
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| Schalmey || {{0}}4′ |
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| colspan="2" | '''II Hauptwerk''' CD–c<sup>3</sup> |
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| Principal || {{0}}16′ |
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| Quintadena || {{0}}16′ |
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| Rohrflöte || {{0}}16′ |
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| Octav || {{0}}8′ |
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| Spitzflöte || {{0}}8′ |
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| Saltzianell || {{0}}8′ |
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| Quintpfeiffe || {{Bruch|5|1|3}}′ |
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| Octav || {{0}}4′ |
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| Superoctav || {{0}}2′ |
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| Flachflöht || {{0}}2′ |
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| Rauschpfeife III || |
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| Mixtur VI–X || |
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| Scharf III || |
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| Trommet || {{0}}16′ |
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{| border="0" |
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| colspan="2" | '''III Oberwerk''' CD–c<sup>3</sup> |
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| Holzflöte || {{0}}8′ |
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| Rohrflöte || {{0}}8′ |
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| Weidte Flöte || {{0}}8′ |
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| Quintadena || {{0}}8′ |
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| Octav || {{0}}4′ |
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|- |
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| Spielflöte || {{0}}4′ |
|||
|- |
|||
| Nasat || {{Bruch|2|2|3|}}′ |
|||
|- |
|||
| Gemshorn || {{0}}2′ |
|||
|- |
|||
| Scharff V–IX || |
|||
|- |
|||
| Zimbel III || |
|||
|- |
|||
| Tromett || {{0}}8′ |
|||
|- |
|||
| Krummhorn || {{0}}8′ |
|||
|- |
|||
| Vox humana || {{0}}8′ |
|||
|- |
|||
| Tromett || {{0}}4′ |
|||
|} |
|||
| |
|||
{| border="0" |
|||
| colspan="2" | '''IV Brustwerk''' CD–c<sup>3</sup> |
|||
---- |
|||
|- |
|||
| Blockflöt || {{0}}8′ |
|||
|- |
|||
| Principal || {{0}}4′ |
|||
|- |
|||
| Rohrflöte || {{0}}4′ |
|||
|- |
|||
| Quinte || {{Bruch|2|2|3}}′ |
|||
|- |
|||
| Waldflöte || {{0}}2′ |
|||
|- |
|||
| Nasat || {{Bruch|1|1|3}}′ |
|||
|- |
|||
| Tertian II || |
|||
|- |
|||
| Scharff IV–VI|| |
|||
|- |
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| Dulcian || {{0}}8′ |
|||
|- |
|||
| Baarpfeife || {{0}}8′ |
|||
|} |
|||
| |
|||
{| border="0" |
|||
| colspan="2" | '''Pedal''' C–d<sup>1</sup> |
|||
---- |
|||
|- |
|||
| Principal || {{0}}32′ |
|||
|- |
|||
| Octav || {{0}}16′ |
|||
|- |
|||
| Subbas || {{0}}16′ |
|||
|- |
|||
| Octav || {{0}}8′ |
|||
|- |
|||
| Saltzianell || {{0}}8′ |
|||
|- |
|||
| Quinte || {{Bruch|5|1|3}}′ |
|||
|- |
|||
| Octav || {{0}}4′ |
|||
|- |
|||
| Nachthorn || {{0}}2′ |
|||
|- |
|||
| Rauschpfeiff III || |
|||
|- |
|||
| Mixtur VI–X || |
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|- |
|||
| Posaunen || {{0}}32′ |
|||
|- |
|||
| Posaunen || {{0}}16′ |
|||
|- |
|||
| Dulcian || {{0}}16′ |
|||
|- |
|||
| Tromett || {{0}}8′ |
|||
|- |
|||
| Crumphorn || {{0}}8′ |
|||
|- |
|||
| Trommet || {{0}}4′ |
|||
|- |
|||
| Cornet || {{0}}2′ |
|||
|} |
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|} |
|||
* ''[[Koppel (Orgel)|Koppeln:]]'' III/II, IV/II (Schiebekoppeln) |
|||
* ''Nebenregister:'' 5 Sperrventile, 2 [[Zimbelstern]]e, 2 [[Tremulant]]en, Pauke |
|||
</div> |
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[[Datei:St. Nikolai, Hamburg innen.jpg|mini|hochkant|Innenansicht des Altarraumes mit Furtwängler-Orgel (1863–1891)]] |
|||
1863 erhielt die Kirche, deren Turm sich zu diesem Zeitpunkt noch im Bau befand, weshalb der Bau einer großen Hauptorgel zunächst noch nicht möglich war, im Chorraum als „Behelfsorgel“ ein mittelgroßes Instrument der Firma [[Philipp Furtwängler & Söhne]]. Die 39 Register waren auf zwei Manuale und Pedal verteilt. Des Weiteren waren die fünf Pedalregister der Forte-Abteilung über einen sogenannten „Ersatzzug für das Forte-Pedal“ auch um eine Oktave nach oben versetzt anspielbar. Die Orgel war zu klein für den Kirchenraum und wurde 1891 an die [[Marienkirche Hadersleben]] verkauft und ist dort in Teilen erhalten. Die Disposition lautete folgendermaßen:<ref>[http://www.orgbase.nl/scripts/ogb.exe?database=ob2&%250=2038105&LGE=DE&LIJST=lang Furtwängler-Orgel]; abgerufen am 24. November 2021.</ref> |
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<div class="NavHead hintergrundfarbe5" style="text-align:left;">Furtwängler-Orgel von 1863</div> |
|||
<div class="NavContent" style="text-align:left"> |
|||
{| class="toptextcells" style="border-spacing: 4px;" |
|||
|- |
|||
| |
|||
{| |
|||
|- |
|||
|colspan="2"| '''I Hauptwerk''' C–f<sup>3</sup> |
|||
---- |
|||
|- |
|||
| Principal || 16′ |
|||
|- |
|||
| Quintatön || 16′ |
|||
|- |
|||
| Principal || 8′ |
|||
|- |
|||
| Gemshorn || 8′ |
|||
|- |
|||
| Gamba || 8′ |
|||
|- |
|||
| Hohlflöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Rohrflöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Quinte || {{Bruch|5|1|3}}′ |
|||
|- |
|||
| Octave || 4′ |
|||
|- |
|||
| Gedactflöte || 4′ |
|||
|- |
|||
| Quinte || {{Bruch|2|2|3}}′ |
|||
|- |
|||
| Octave || 2′ |
|||
|- |
|||
| Cornett III–V || |
|||
|- |
|||
| Mixtur IV || |
|||
|- |
|||
| Trompete || 16′ |
|||
|- |
|||
| Trompete || 8′ |
|||
|} |
|||
| |
|||
{| |
|||
|- |
|||
|colspan="2"| '''II Oberwerk<br />(schwellbar)''' C–f<sup>3</sup> |
|||
---- |
|||
|- |
|||
| Bordun || 16′ |
|||
|- |
|||
| Geigenprincipal || 8′ |
|||
|- |
|||
| Spitzflöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Salicional || 8′ |
|||
|- |
|||
| Dolcissimo || 8′ |
|||
|- |
|||
| Offene Flöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Gedactflöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Dolceflöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Octave || 4′ |
|||
|- |
|||
| Spitzflöte || 4′ |
|||
|- |
|||
| Gedact || 4′ |
|||
|- |
|||
| Spitzquinte || {{Bruch|2|2|3}}′ |
|||
|- |
|||
| Waldflöte || 2′ |
|||
|- |
|||
| Progressio Harmonica III–VI || |
|||
|- |
|||
| Clarinette || 8′ |
|||
|} |
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| |
|||
{| |
|||
|- |
|||
|colspan="2"| '''Pedal''' C–d<sup>1</sup> |
|||
---- |
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|- |
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|colspan="2"| ''Forte-Abteilung'' |
|||
|- |
|||
| Principal || 16′ |
|||
|- |
|||
| Subbass || 16′ |
|||
|- |
|||
| Quinte || {{Bruch|10|2|3}}′ |
|||
|- |
|||
| Principal || 8′ |
|||
|- |
|||
| Posaune || 16′ |
|||
|- |
|||
|colspan="2"| |
|||
|- |
|||
|colspan="2"| ''Piano-Abteilung'' |
|||
|- |
|||
| Lieblich Gedactbass || 16′ |
|||
|- |
|||
| Violon || 16′ |
|||
|- |
|||
| Flötenbass || 8′ |
|||
|} |
|||
|} |
|||
* ''Koppeln:'' I/I Super, II/I, I/P, II/P |
|||
* ''Spielhilfen:'' Forte, Piano, 4 Sperrventile, [[Calcanten-Glocke]] |
|||
</div> |
|||
{{NavFrame/Ende}} |
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[[Datei:Hamburg, Hauptkirche St. Nikolai, Röver-Orgel (1891-1943).png|mini|hochkant|Röver-Orgel (1891–1943)]] |
|||
Als Ersatz wurde die 1891 fertiggestellte Orgel durch Orgelbaumeister [[Ernst Röver]] geschaffen. Sie war ein dreimanualiges Instrument mit 101 [[Register (Orgel)|Registern]] und seinerzeit eines der größten Instrumente in Deutschland. Röver baute sie im System der [[Traktur|Röhrenpneumatik]] mit Kastenbälgen. Sie hatte über 5808 Pfeifen hinter einem fünfteiligen neugotischen Prospekt von 20 Metern Höhe. Die Pedaltürme zeigten die 32-Fuß-Prinzipalpfeifen aus hochwertiger Zinnlegierung.<ref>''Denkschrift zur bevorstehenden Einweihung der neuen grossen Orgel der St.-Nikolaikirche zu Hamburg, erbaut vom Orgelbaumeister E. Röver.'' Pontt & v. Döhren, Hamburg 1891 ([https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN818779810 Digitalisat]).</ref> |
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<div class="NavHead hintergrundfarbe5" style="text-align:left;">Röver-Orgel von 1891</div> |
|||
<div class="NavContent" style="text-align:left"> |
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{| class="toptextcells" style="border-spacing: 4px;" |
|||
|- |
|||
| |
|||
{| |
|||
|- |
|||
|colspan="2"| '''I Hauptwerk''' C–f<sup>3</sup> |
|||
---- |
|||
|- |
|||
| Principal || 16′ |
|||
|- |
|||
| Flauto Major || 16′ |
|||
|- |
|||
| Bordun || 16′ |
|||
|- |
|||
| Gambe || 16′ |
|||
|- |
|||
| Principal || 8′ |
|||
|- |
|||
| Schweizerpfeife || 8′ |
|||
|- |
|||
| Gambe || 8′ |
|||
|- |
|||
| Gemshorn || 8′ |
|||
|- |
|||
| Principalflöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Offenflöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Hohlflöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Bordun || 8′ |
|||
|- |
|||
| Harmonieflöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Spitzquinte || {{Bruch|5|1|3}}′ |
|||
|- |
|||
| Octave || 4′ |
|||
|- |
|||
| Gambette || 4′ |
|||
|- |
|||
| Gemshorn || 4′ |
|||
|- |
|||
| Hohlflöte || 4′ |
|||
|- |
|||
| Flachflöte || 4′ |
|||
|- |
|||
| Quinte || {{Bruch|2|2|3}}′ |
|||
|- |
|||
| Octave || 2′ |
|||
|- |
|||
| Rauschpfeife II || |
|||
|- |
|||
| Cornett III || |
|||
|- |
|||
| Mixtur IV || |
|||
|- |
|||
| Scharf III || |
|||
|- |
|||
| Trompete || 16′ |
|||
|- |
|||
| Trompete || 8′ |
|||
|- |
|||
| Corno || 8′ |
|||
|- |
|||
| Trompete || 4′ |
|||
|} |
|||
| |
|||
{| |
|||
|- |
|||
|colspan="2"| '''II Oberwerk<br />(schwellbar)''' C–f<sup>3</sup> |
|||
---- |
|||
|- |
|||
| Principal || 16′ |
|||
|- |
|||
| Bordun || 16′ |
|||
|- |
|||
| Principal || 8′ |
|||
|- |
|||
| Geigenprincipal || 8′ |
|||
|- |
|||
| Viola || 8′ |
|||
|- |
|||
| Salicional || 8′ |
|||
|- |
|||
| Hohlflöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Rohrflöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Portunalflöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Zartflöte || 8′ |
|||
|- |
|||
| Violine || 8′ |
|||
|- |
|||
| Voix Céleste || 8′ |
|||
|- |
|||
| Octave || 4′ |
|||
|- |
|||
| Viola || 4′ |
|||
|- |
|||
| Salicet || 4′ |
|||
|- |
|||
| Traversflöte || 4′ |
|||
|- |
|||
| Flauto Amabile || 4′ |
|||
|- |
|||
| Waldflöte || 2′ |
|||
|- |
|||
| Rauschpfeife II || |
|||
|- |
|||
| Sesquialter II || |
|||
|- |
|||
| Mixtur III || |
|||
|- |
|||
| Zimbel III || |
|||
|- |
|||
| Fagott || 16′ |
|||
|- |
|||
| Trompete || 8′ |
|||
|- |
|||
| Clarinette || 8′ |
|||
|- |
|||
| Clarine || 4′ |
|||
|} |
|||
| |
|||
{| |
|||
|- |
|||
|colspan="3"| '''III Brustwerk''' C–f<sup>3</sup> |
|||
---- |
|||
|- |
|||
| Geigenprincipal || 16′ || |
|||
|- |
|||
| Gedakt || 16′ || |
|||
|- |
|||
| Principal || 8′ || |
|||
|- |
|||
| Fugara || 8′ || |
|||
|- |
|||
| Doppelflöte || 8′ || |
|||
|- |
|||
| Lieblich Gedakt || 8′ || |
|||
|- |
|||
| Flauto Amabile || 8′ || |
|||
|- |
|||
| Quintatön || 8′ || |
|||
|- |
|||
| Aeoline || 8′ || |
|||
|- |
|||
| Octave || 4′ || |
|||
|- |
|||
| Fugara || 4′ || |
|||
|- |
|||
| Fernflöte || 4′ || |
|||
|- |
|||
| Gemshornquinte || {{Bruch|2|2|3}}′ || |
|||
|- |
|||
| Octave || 2′ || |
|||
|- |
|||
| Piccolo || 2′ || |
|||
|- |
|||
| Cornett III || || |
|||
|- |
|||
| Mixtur Aetheria III || || |
|||
|- |
|||
| Trompete || 8′ || |
|||
|- |
|||
| Oboe || 8′ || |
|||
|- |
|||
| Tuba Mirabilis || 8′ || 360 mm |
|||
|} |
|||
| |
|||
{| |
|||
|- |
|||
|colspan="2"| '''Pedal''' C–d<sup>1</sup> |
|||
---- |
|||
|- |
|||
| Principal || 32′ |
|||
|- |
|||
| Majorbass || 16′ |
|||
|- |
|||
| Principal || 16′ |
|||
|- |
|||
| Offenbass || 16′ |
|||
|- |
|||
| Violon || 16′ |
|||
|- |
|||
| Subbass || 16′ |
|||
|- |
|||
| Gedakt || 16′ |
|||
|- |
|||
| Salizet || 16′ |
|||
|- |
|||
| Rohrquinte || {{Bruch|10|2|3}}′ |
|||
|- |
|||
| Octave || 8′ |
|||
|- |
|||
| Minorbass || 8′ |
|||
|- |
|||
| Violoncell || 8′ |
|||
|- |
|||
| Offenbass || 8′ |
|||
|- |
|||
| Flötenbass || 8′ |
|||
|- |
|||
| Gedakt || 8′ |
|||
|- |
|||
| Salizet || 8′ |
|||
|- |
|||
| Quinte || {{Bruch|5|1|3}}′ |
|||
|- |
|||
| Octave || 4′ |
|||
|- |
|||
| Rauschpfeife II || |
|||
|- |
|||
| Cornett IV || |
|||
|- |
|||
| Mixtur IV || |
|||
|- |
|||
| Bombarde || 32′ |
|||
|- |
|||
| Posaune || 16′ |
|||
|- |
|||
| Fagott || 16′ |
|||
|- |
|||
| Trompete || 8′ |
|||
|- |
|||
| Clairon || 4′ |
|||
|} |
|||
|} |
|||
* ''[[Koppel (Orgel)|Koppeln]]:'' |
|||
** ''Normalkoppeln:'' II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P |
|||
** ''Superoktavkoppeln:'' I, II, III, P |
|||
* ''[[Spielhilfe (Orgel)|Spielhilfen]]:'' 8 freie Kombinationen, Rollschweller, Prolongement |
|||
</div> |
|||
{{NavFrame/Ende}} |
|||
== Weinkeller == |
|||
Eine Besonderheit ist das im erhalten gebliebenen [[Kreuzgewölbe]] des Kellers seit 1886 bestehende Weinlager. Nachdem 1885 die großen Öfen der Kirche durch ein Heizungssystem ersetzt worden waren, konnten die zur Kohlenlagerung genutzten Flächen für eine Zusatzfinanzierung frei gemacht und an mehrere alteingesessene hamburgische Weinhandlungen vermietet werden. 1926 pachtete die Firma ''C. C. F. Fischer-Wein'' die Räumlichkeiten und nutzte sie zur Fass- und Flaschenlagerung von Wein, aber auch Cognac, Sherry und Madeira.<ref>Gerhard Hirschfeld: ''Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg.'' S. 36.</ref> Durch eine ganzjährige Temperatur von 12 bis 14 Grad bei 75 Prozent Luftfeuchtigkeit erwiesen sich die Bedingungen für diesen Zweck als ideal. Bis zu 650.000 Flaschen sollen hier zeitweise auf einer Fläche von 13.000 Quadratmetern untergebracht gewesen sein. |
|||
Das Kellergewölbe überstand die Kriegszerstörungen der Kirche unbeschadet. Während der Sprengungen 1951 entschieden die Eigentümer, den Wein wegen der möglichen Qualitätsverluste nicht fortzutransportieren. Die Decke hielt die Belastung zunächst auch aus, allerdings wurde nach einem Jahr etwa ein Drittel des Kellers verschüttet. Die Schäden konnten bis 1954 beseitigt werden, der Eingang wurde von der ehemaligen Adresse Hahntrapp an der Nordseite unterhalb des ehemaligen Südportals, heute Willy-Brandt-Straße, verlegt. |
|||
In den 1980er Jahren machte C. C. F. Fischer-Wein die Kellergewölbe für die Öffentlichkeit zugänglich, als „Hamburgs weltoffener Weinkeller unter St. Nikolai“ betrieb die Firma neben dem Lager ein kleines [[Weinmuseum]] mit Exponaten der [[Weinherstellung]], eine Probierstube in der ehemaligen Gebeinkammer und einen Flaschenverkauf. Im Jahr 2005 meldete die Weinhandlung die [[Insolvenz]] an, der Keller ist seitdem geschlossen, beherbergt aber nach wie vor einen großen Teil der Einrichtung und der Waren.<ref>Michael Grube: [http://www.hamburgerunterwelten.de/Nikolaikirche-Gewoelbe-Weinkeller.html ''Die Gewölbe unter St. Nikolai.'' ] In: ''[[Hamburger Unterwelten]].'' Abgerufen am 12. Mai 2011.</ref> |
|||
== Siehe auch == |
|||
* [[Hamburger Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus]] |
|||
== Literatur == |
|||
* Ferdinand Ahuis: ''Kanonen zu Glocken – Glocken zu Kanonen. Die Glocken von St. Nikolai als Beispiel für Erinnerungskultur.'' In: ''Auskunft.'' 38 (2018) 1+2, S. 41–65. |
|||
* Gerhard Hirschfeld: ''Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg.'' Herausgegeben vom Förderkreis „Rettet die Nikolaikirche e. V.“ Hamburg 2010, ISBN 978-3-940445-97-1. |
|||
* [[Eberhard Petzold]], Sylvester M. Robert: ''Mahnmal St. Nikolai.'' Historika Photoverlag, Hamburg 1995, ISBN 3-929307-24-3. |
|||
* Volker Plagemann: ''Kunstgeschichte der Stadt Hamburg.'' Junius Verlag, Hamburg 1995, ISBN 3-88506-257-7. |
|||
* Ivo von Trotha (Hrsg.): ''800 Jahre Hauptkirche St. Nikolai.'' Festschrift, Hamburg 1995. |
|||
== Weblinks == |
|||
{{Commonscat|St. Nikolai (Hamburg)}} |
|||
* [https://www.mahnmal-st-nikolai.de/ Mahnmal St. Nikolai e. V.] |
|||
* [http://www.hamburgerunterwelten.de/Nikolaikirche-Gewoelbe-Weinkeller.html Die Gewölbe unter St. Nikolai] – Artikel des „Hamburger Unterwelten e. V.“ |
|||
* [https://www.bildarchiv-hamburg.de/hamburg/kirchen/nikolai/index.htm Historische Bilder und aktuelle Fotos von St. Nikolai am Klosterstern] |
|||
* [https://www.kantorei-stnikolai.de/ Kantorei der Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern] |
|||
== Anmerkungen == |
|||
{{Koordinate Artikel|53_32_51_N_9_59_26_E_type:landmark_region:DE-HH|53° 32' 51" N, 9° 59' 26" O}} |
|||
<references responsive /> |
|||
{{Artikelfolge Höchstes Bauwerk}} |
|||
{{Navigationsleiste 5 Hauptkirchen Hamburgs}} |
|||
{{Navigationsleiste Hamburger Hauptkirchen}} |
|||
[[Kategorie:Kirchengebäude in Hamburg|Nikolaikirche]] |
|||
{{Lesenswert|15. Mai 2011|88790882}} |
|||
[[Kategorie:Hamburger Innenstadt|Nikolaikirche]] |
|||
{{Coordinate |NS=53/32/51/N |EW=9/59/26/E |type=landmark |region=DE-HH}} |
|||
[[Kategorie:Kulturdenkmal (Hamburg)]] |
|||
[[Kategorie:Backsteingotik|Hamburg]] |
|||
{{Normdaten|TYP=g|GND=4224796-2|LCCN=n90681975|VIAF=132657419}} |
|||
{{SORTIERUNG:Hamburg Nikolaikirche}} |
|||
[[ar:كنيسة القديس نيقولا (هامبورغ)]] |
|||
[[ |
[[Kategorie:Neugotisches Bauwerk in Hamburg|Nikolaikirche]] |
||
[[Kategorie:Backsteingotik in Hamburg|Nikolaikirche]] |
|||
[[Kategorie:Nikolaikirche]] |
|||
[[Kategorie:Nagelkreuzgemeinschaft|Hamburg, Nikolaikirche]] |
|||
[[Kategorie:Kirchenruine in Hamburg]] |
|||
[[Kategorie:Ruine in Hamburg]] |
|||
[[Kategorie:Mahnmal in Deutschland]] |
|||
[[Kategorie:Erbaut in den 1870er Jahren]] |
|||
[[Kategorie:Hamburg-Altstadt]] |
|||
[[Kategorie:Neugotisches Kirchengebäude]] |
|||
[[Kategorie:Kirchengebäude in Hamburg|Nikolai]] |
|||
[[Kategorie:Kirchengebäude der Backsteingotik]] |
|||
[[Kategorie:Museum in Hamburg]] |
|||
[[Kategorie:Kirchengebäude in Europa]] |
|||
[[Kategorie:Disposition einer Orgel]] |
|||
[[Kategorie:Bauwerk im Bezirk Hamburg-Mitte]] |
|||
[[Kategorie:Zerstört im Zweiten Weltkrieg]] |
|||
[[Kategorie:Gedenkstätte des Zweiten Weltkriegs in Hamburg|Nikolai]] |
Aktuelle Version vom 8. Mai 2025, 13:34 Uhr

Die Ruine der Hauptkirche St. Nikolai am Hamburger Hopfenmarkt ist als Mahnmal St. Nikolai „den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft zwischen 1933 und 1945“ gewidmet. Die Kirche wurde 1195 begründet und in ihrer letzten neugotischen Ausführung 1874 fertiggestellt. Ihr 147,3 Meter hoher Turm war von 1874 bis 1877 das höchste Bauwerk der Welt.[1] Die Hauptkirche St. Nikolai wurde 1962 als Neubau in den Stadtteil Harvestehude nahe dem Klosterstern verlegt. Nach den Kriegszerstörungen von 1943 und dem weitgehenden Abriss 1951 sind heute neben dem Turm noch ein Teil der südlichen Außenmauer und die Wände des Chors erhalten.
Für eine Gedenkstätte wurden auf dem offenen Platz des ehemaligen Kirchenraums sowie in der unmittelbaren Umgebung Kunstwerke und Denkmale aufgestellt. In den Kellerräumen der Ruine richtete der 1987 gegründete Förderkreis „Rettet die Nikolaikirche e. V.“ (inzwischen umbenannt in „Förderkreis Mahnmal St. Nikolai“) ein Dokumentationszentrum mit einer Dauerausstellung ein. Das Museum des Mahnmals wurde 2012/2013 aufwendig umgebaut und erweitert. Seit September 2013 ist hier die Dauerausstellung „Gomorrha 1943 – Die Zerstörung Hamburgs im Luftkrieg“ zu sehen.
Ältere Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erste Bauten der Pfarrkirche St. Nikolai
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Nach der Gründung einer weltlichen Neustadt im Jahr 1189 und der Anlage eines Hafens gegenüber der bischöflichen Altstadt genehmigte der Schauenburger Graf Adolf III. auf Wunsch der neuen Anwohner den Bau einer Kapelle. Der Klerus des Hamburger Doms bestand jedoch darauf, dass nur ihm das Patronat zustehe. Nach einigen strittigen Verhandlungen schenkte Adolf III. dem Domkapitel im Jahr 1195 die Kapelle auf der zerstörten Neuen Burg.[2] Julius Faulwasser rekonstruierte diese Kapelle aus dem späteren Chor.[3] Sie hatte einen Grundriss von 12 × 26 Metern, bot Platz für etwa 300 Personen und wurde Sankt Nikolaus, dem Schutzpatron der Seefahrer und Reisenden, geweiht.[3]
Zwischen 1240 und 1250 fand die erste Erweiterung statt, die Kapelle wurde als Chor eingefasst und eine dreischiffige, fast quadratische Halle von rund 22 Metern Höhe aus Backstein angebaut. Das Mittelschiff war nur unwesentlich breiter als die beiden Seitenschiffe; alle drei überwölbte man in gleicher Höhe, so dass auch ein dreiteiliges Dach entstand. Hohe schlanke Pfeiler, Spitzbögen und gegliederte, großflächige Fenster wiesen frühe Merkmale der Gotik auf, eine kunsthistorische Einordnung benennt die Bauweise als „Backsteinhallenkirchenbau hamburgischen Typs“.[4] Die Kirche verfügte nun über Platz für 1000 Menschen. 1353 erhielt sie einen Dachturm von knapp 60 Metern Höhe.
Eine zweite Erweiterung für nunmehr 1500 Personen erfolgte zwischen 1384 und 1400. Die Schiffe wurden verlängert, und der Gesamtbau wurde etwas verbreitert. Bei einer dritten Erweiterung zwischen 1400 und 1425 erhielt der Chorraum eine neue Apsis sowie Anbauten zu beiden Seiten. Hinzu kamen ein Beinhaus zur Umbettung von Gebeinen des überfüllten Kirchhofs und der Stumpf für einen geplanten Turmbau. Der sechseckige Aufbau auf einem quadratischen Sockel wurde 1518 durch den Baumeister Hinrich Berndes (Barteldes) aus Hannover mit einem spitzen Turmhelm gekrönt. Berndes hatte von 1513 bis 1516 die alte Turmspitze der Petrikirche durch eine neue mit einer Höhe von 445 Hamburger Fuß (127,5 Metern) ersetzt.[5][6] Der Nikolaiturm erreichte nun eine Höhe von 470 Hamburger Fuß (knapp 135 Meter).[7] Am 16. Juli 1589 wurde er durch einen Blitzschlag vollständig zerstört.[8] Der zwischen 1591 und 1593 vom Baumeister Hans Petersen neu errichtete zweite Turm stürzte 1644 nach einem Unwetter ein.
Ihren dritten Turm erhielt die Nikolaikirche 1657 nach den Plänen des Architekten Peter Marquardt aus Plauen. Das 122 Meter hohe Bauwerk bewirkte „eine barocke Uminterpretation“ des Erscheinungsbilds der Kirche und prägte mit drei übereinandergestellten Hauben und einer geschlossenen sowie einer offenen Laterne knapp 200 Jahre die Stadtsilhouette.[9]
Hauptkirche St. Nikolai ab der Reformation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als eines von vier Kirchspielen der Stadt war St. Nikolai in alle theologischen Auseinandersetzungen in der Stadt einbezogen, insbesondere während der Reformation. Nachdem 1524 der Pastor Henning Kissenbrügge zurückgetreten war, wählten die Bürger Johannes Bugenhagen, einen profilierten Reformer und Vertrauten Martin Luthers, in das Amt. Sie griffen damit erheblich in die bisherige Ordnung ein, nach der die Pastoren durch das Domkapitel eingesetzt wurden. Der Rat der Stadt konnte Bugenhagens Berufung zunächst unterbinden, doch 1527 erreichten die Kirchenoberen das eigenständige Pastorenwahlrecht und bestimmten den Magdeburger Johann Zegenhagen zum ersten lutherischen Hauptpastor von St. Nikolai. In der Folge gewannen die Hauptkirchen mit Unterstützung des Rats gegenüber dem Domkapitel erheblich an Macht und Einfluss. Da auf Maßnahmen gegen Altgläubige verzichtet wurde, vollzog sich die Reformation in Hamburg weitgehend friedlich. 1528 erschien Bugenhagen in Hamburg und wurde Prediger in St. Nikolai. Vor allem gab er der Stadt Hamburg eine Kirchenordnung, welche unter anderem die Organisation, die Finanzen und insbesondere den Schulbetrieb der Kirchen regelte.[10]
Den Beginn der nachreformatorischen Kirchenmusik in Hamburg markierte die Musik zu Weihnachten 1526. Weil die altgläubigen Vikare ihre Mitwirkung im Streit um die kirchlichen Zeremonien verweigerten, improvisierte Zegenhagen die Festmusik mit seinen Kaplänen, dem Küster und Schulknaben. Die Gemeinde war daraufhin der Meinung, auf die Vikare verzichten zu können: Sie wurden auch später nicht mehr zum Lesen von Seelenmessen, aus denen sie ihr Auskommen hatten, zugelassen.[11] Zu den Organisten der Nikolaikirche zählten Johann Praetorius (1620–1660) und Vincent Lübeck (1654–1740). Die Figuralmusik wurde in St. Nikolai, wie in allen Hamburger Hauptkirchen, vom Kantor des Johanneums versehen. Am 4. März 1652 wurde der Maler David Kindt in der Kirche beigesetzt.
1665 erhielt die Kirche ein Glockenspiel mit 25 Glocken über zwei Oktaven, das Georg Philipp Telemann zu dem Konzertstück Hamburgische Glockenspiele inspirierte. Berühmt wurde zudem die 1687 fertiggestellte Orgel von Arp Schnitger, an der er fünf Jahre gebaut und alles berücksichtigt hatte, „was die damalige Technik an Vollkommenheit ermöglichte“.[12]
Am 6. August 1767 wurde der Turm erneut durch einen Blitzschlag schwer beschädigt. Dieses Ereignis veranlasste den Naturwissenschaftler Johann Albert Heinrich Reimarus zu einer Abhandlung über Blitzableiter.[13] Tatsächlich folgte der Gemeinderat der Mahnung, einen solchen einzubauen; doch 1801 richtete ein Blitz abermals erheblichen Schaden an.
Am 5. Mai 1842, dem ersten Tag des dreitägigen Großen Brands, fiel St. Nikolai als die erste der Hamburger Kirchen und Großgebäude dem Feuer zum Opfer. Der Hauptgottesdienst am Morgen hatte noch abgehalten werden können, der Mittagsgottesdienst wurde nach einer Fürbitte für den Erhalt der Kirche abgebrochen. Um etwa vier Uhr nachmittags ergriff das Feuer den Turm. Es gelang wegen der unzulänglichen Löschtechnik nicht, Wasser in ausreichender Menge hinauf zu befördern. Schließlich stürzte er ein und übertrug die Flammen auf das Kirchenschiff, das vollständig niederbrannte. Nur wenige Kunstwerke waren zuvor aus dem Gebäude gerettet worden.
Neugotischer Bau von 1874
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Baugeschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Brand kam es zwischen Pastoren, Architekten und Ratsmitgliedern zu einem Disput um den Wiederaufbau der Kirche, der letztlich durch den Rat mit Beschluss entschieden wurde, die Ruinen abzutragen und die Kirche neu aufzubauen. Mit den Abbrucharbeiten wurde am 1. Juni 1843 begonnen, sie zogen sich bis in das Jahr 1844 hin. Zudem beschloss die eingerichtete „Technische Kommission“, die neue Kirche um gut 50 Meter südöstlich zu verschieben, so dass sie vom Alsterarm, dem heutigen Nikolaifleet, halbkreisförmig umrahmt werde. 1844 schrieb die Kirchenbaukommission einen öffentlichen Wettbewerb aus, den der in Altona geborene Architekt Gottfried Semper mit dem Entwurf eines neoromanischen Kuppelbaus gewann.
Doch holte der Kirchenvorstand weitere Gutachten ein, die, bedingt durch den Weiterbau des mittelalterlichen Kölner Doms, beeinflusst waren von einer neuen Wertschätzung des gotischen Baustils. Hintergrund war das Anwachsen einer hamburgischen Erweckungsbewegung, die in einer romantisch-mittelalterlichen Kathedrale den künstlerischen Ausdruck einer neuen Frömmigkeit sah.[14]
Schließlich entschied man sich zur Umsetzung des auf den dritten Platz gewählten Plans des Londoner Architekten George Gilbert Scott, der sich in England bereits einen Namen bei der Restaurierung mittelalterlicher Kirchen erworben hatte und als Kenner und Verfechter des gotischen Baustils galt. Die erheblich höheren Kosten – sie beliefen sich auf das Dreifache des Semperschen Entwurfs – sollten durch eine sogenannte Schilling-Sammlung hereingebracht werden, bei der durch engagierte Bürger Spenden für das Bauvorhaben gesammelt wurden.[15]
Die Grundsteinlegung fand am 24. September 1846 statt. 17 Jahre später, am 24. September 1863, waren die Arbeiten soweit abgeschlossen, dass die Kirche eingeweiht werden konnte. 1863 erhielt die Kirche eine mittelgroße Orgel der Firma Philipp Furtwängler & Söhne. Der Bau des 147,3 Meter hohen Turms wurde 1874 beendet. Damit war die Nikolaikirche bis zur Vollendung der Kathedrale von Rouen 1877 das höchste Bauwerk der Welt. Nach dem Fernsehturm ist der Nikolaiturm noch heute das zweithöchste Gebäude Hamburgs und außerdem der fünfthöchste Kirchenbau der Erde.
Der neugotische Bau nach Scotts Entwurf hob sich nicht nur durch die Höhe des Turms, sondern auch durch die verwendeten Materialien – gelber Backstein und Elemente aus Sandstein und Carrara-Marmor – und in der Ausführung erheblich von der hamburgischen Tradition ab.[14] Die Kirche hatte ein 86 Meter langes, dreischiffiges Langhaus mit bis zu 28 Meter hohen Gewölben und ein einschiffiges Querhaus. Der dreiapsidiale Chor jedoch war eine Übernahme der romanischen Grundform norddeutscher Prägung, wie sie auch im Vorgängerbau und in anderen Hauptkirchen vorkam. Der Altarraum war beschränkt auf die Breite des Mittelschiffs und wurde, durch seitlich geschlossene Mauern getrennt, von zwei Seitenkapellen mit eigener Apsis flankiert. Mächtige Pfeiler stützten die hohen Außenwände.
Die Ausgestaltung der Seitenkapellen zeigt deutlich das architektonische Problem, den historisierenden Grundriss dem gewandelten Bedarf einer protestantischen Gemeinde anzupassen. So war die nördliche Kapelle in zwei Geschosse unterteilt, im unteren befand sich die Sakristei, im Obergeschoss war ein Kirchensaal untergebracht. Die Südkapelle blieb lange ungenutzt, erst 1920 wurde sie mit sieben Granittafeln als Gedächtniskapelle für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs eingerichtet. Das Langhaus war als Basilika mit erhöhtem Mittelschiff und zwei niedrigeren, durch Pfeilern abgetrennten Seitenschiffen angelegt. Es entsprach damit nicht dem Ideal einer protestantischen Predigtkirche.[16]
Der quadratisch angelegte Turm wies während seines Baus Anzeichen für ein unregelmäßiges Setzen auf und erforderte zusätzliche Stützmaßnahmen. An der Südwestseite wurden abgetreppte schräge Pfeiler angefügt, die man durch den Bau einer Turmkapelle in runder Ausführung und nach englischem Vorbild kaschierte. Der spitze, durchbrochene Turmhelm ist nach dem Kölner Vorbild gestaltet. Das 1883 aufgesetzte Bekrönungskreuz stammte von George Scott junior, dem Sohn des Architekten.
Ausstattung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Elemente der Innenausstattung – die an einem Pfeiler angebrachte Kanzel, der Hochaltar wie auch die Orgelempore – waren aus weißem Carrara-Marmor fein herausgearbeitet und setzten sich kontrastreich von dem Backstein ab. Kanzel und Altar stammten von den englischen Bildhauern Farmer & Brindley. 1891 stellte Orgelbaumeister Ernst Röver eine neue, große Orgel fertig.
Eine große Rolle in der Wirkung des Kirchenbaus spielten die hohen großflächigen Fenster aus farbigem, ornamental gestaltetem Glas. George Scott konnte gegenüber der Hamburger Kirchenbaukommission die Beauftragung von englischen Künstlern durchsetzen, die ein damals neuartiges Verfahren des durchgefärbten Glases entwickelt hatten. So wurden die meisten Fenster von St. Nikolai von den Zeichnern John Richard Clayton und Alfred Bell gestaltet. Auffällig waren vor allem die Chorfenster in einer Öffnung von 19 × 1,70 Metern, mit denen das Leben Christi thematisiert wurde.
Ein zentrales Augenmerk lag auf dem umfangreichen Skulpturenprogramm, das die Pinakeln auf Strebepfeilern, die Bekrönungen, die Laibungsflächen der Portale und den Innenraum schmücken sollte. Geplant waren 64 in Sandstein gehauene Statuen. Da jedoch die Spendenbereitschaft der Hamburger Bürger im Laufe der Bauzeit erheblich nachließ, konnten nur 30 dieser Figuren realisiert werden. Das Programm sah vor, an einzelnen Gebäudeteilen bestimmte Personengruppen zusammenzustellen, so war das Turmportal den Evangelisten und Märtyrern bestimmt, die Außengestaltung des Chors den Kirchenvätern, das südliche Querschiff den Reformatoren, das nördliche Querschiff Persönlichkeiten aus der evangelischen Kirche und der Vorbau am Nordportal den Vertretern der Hamburger Kirchspiele. Der innere Chorraum wurde mit den zwölf Aposteln dekoriert.
Eine Besonderheit stellte die Gruppe der Symbolträger der kirchlichen Künste dar, so waren am südlichen Langhaus Skulpturen der Komponisten Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel, des Malers Albrecht Dürer, des Kirchenlieddichters Paul Gerhardt, des Erfinders des Buchdrucks Johannes Gutenberg und des Philosophen Friedrich Schleiermacher aufgestellt.
Das Turmgeläut bestand aus 28 Glocken und wurde bei Severin van Aerschodt in Löwen in Flandern gegossen. Es wurde am 23. September 1888 zum ersten Mal angeschlagen. Die größte Glocke wurde Kaiserglocke genannt, da Wilhelm I. dafür gespendet hatte, sie wog 6372,5 Kilogramm. Bis auf die kleinste Glocke wurde das gesamte Glockenspiel während des Ersten Weltkriegs von der Mobilmachungsbehörde beschlagnahmt. Die letzte Glocke von St. Nikolai schmolz 1943 während der Bombardierung.
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Madonna aus der alten Nikolaikirche im Museum für Hamburgische Geschichte
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Glasfenster im Museum St. Nikolai
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Petrusfigur aus dem früheren Chorraum im Museum
Zerstörung 1943
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Bei den Luftangriffen auf Hamburg während des Zweiten Weltkriegs diente der Turm der Nikolaikirche als Zielmarkierung der britischen und amerikanischen Luftstreitkräfte. Am 25. Juli 1943 wurde die Kirche durch Fliegerbomben im Rahmen der „Operation Gomorrha“ schwer beschädigt. Das Dach stürzte ein und verwüstete den Innenraum. Die Wände bekamen Risse, blieben aber weitgehend stehen, ebenso der Turm. Die Einschläge der Bombensplitter sind noch heute zu erkennen.
Sicherung der Zerstörungen statt Wiederaufbau
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sichtbare Splitterschäden im Mauerwerk
Nach dem Krieg beschloss der Hamburger Senat, die Kirche nicht wieder aufzubauen. Da sich im Zuge der Stadtentwicklung die Wohnbevölkerung in der Hamburger Innenstadt und damit auch die Zahl der Besucher der vier altstädtischen Hauptkirchen erheblich verringert hatte, führte dies zu einer Verlegung der Kirchengemeinde St. Nikolai nach Harvestehude. Ab 1956 nutzte diese zunächst einen Konzertsaal am Harvestehuder Weg. 1962 wurde die neue Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern, ein Rundbau mit freistehendem Glockenturm der Architekten Gerhard und Dieter Langmaack, eingeweiht.
Bruchstücke von Altar und Kanzel, die in den Trümmern leicht gefunden werden konnten, wurden – neben einer Sammlung im Dokumentationszentrum – in der Vorhalle von St. Nikolai am Klosterstern ausgestellt, die Altarplatte ruht auf Säulentrümmern der alten Kirche. Ein 1939 fertiggestelltes Fenster der Künstlerin Elisabeth Coester, vorgesehen für das nördliche Querschiff der alten Nikolaikirche, war wegen des beginnenden Krieges dort nicht mehr eingebaut, sondern im Keller von St. Michaelis eingelagert worden, wo es die Bombardierungen überstanden hatte; beim Neubau von St. Nikolai am Klosterstern wurde die Eingangshalle mit diesem Werk gestaltet.
Viele der Fenster waren erhalten geblieben, da die Scheiben während des Krieges als Schutzmaßnahme herausgenommen worden waren. Nach dem Krieg baute man sie teilweise in andere Kirchen ein, so ersetzte man die kriegszerstörten Fenster von St. Gertrud in Uhlenhorst mit sechs Fenstern aus der Nikolaikirche, ein weiteres, das sogenannte Fenster der Barmherzigkeit des Glasmalers Franz Xaver Zettler, findet sich heute in der Franz-von-Assisi-Kirche in Neu-Allermöhe. Weitere gerettete Fenster sind im Dokumentationszentrum ausgestellt, die meisten allerdings befinden sich nach wie vor in der Restaurierungswerkstatt der Glaserinnung.[17]
Die Figuren des Petrus und des Paulus aus der Reihe der zwölf Apostel im Chorraum überstanden die Zerstörung. Sie sind heute im Vorraum des der Ruine benachbarten Gemeindezentrums an der Neuen Burg ausgestellt. Fünfzehn weitere Skulpturen sind am Außenwerk erhalten geblieben und finden sich am Turm, auf den Stützpfeilern des nördlichen Anbaus und an der südlichen Kirchenschiffwand. Zudem haben über dem Westportal des Turmes 26 von ehemals 36 Engelfiguren die Zerstörung überstanden, ebenfalls einige Medaillons und Fabeltiere, die vor allem als Wasserspeier konstruiert gewesen waren. Die Turmhalle, konzipiert für das 1939 ursprünglich für die alte Nikolaikirche geschaffene Fenster Elisabeth Coesters, beherbergt als Halle der Überlieferung einige gerettete Exponate, unter anderem einen Christus-Torso vom alten Altar und eine Skulptur von Ansgar von Bremen. Die ehemalige Wetterfahne befindet sich heute vor dem Hospital zum Heiligen Geist.
Sicherung der Bausubstanz für ein Mahnmal
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die tragende Struktur der bombenzerstörten Nikolaikirche war weitgehend intakt geblieben und die Bausubstanz in einem Zustand, der einen Wiederaufbau realistisch erscheinen ließ. Dennoch beschloss der Hamburger Senat, das Kirchenschiff abzureißen und begründete dies mit Sicherungsmaßnahmen. Nach Verhandlungen zwischen dem Kirchenrat und dem damaligen Bürgermeister Max Brauer einigte man sich im März 1951 jedoch darauf, den Turm und den Chor stehenzulassen. Die Sprengungen und Abtragungen dauerten fünf Wochen, die Trümmer wurden zum Teil zur Uferbefestigung an der Unterelbe benutzt.
Ein gemeinsamer Ausschuss von Senat und Landeskirche entwickelte die Idee, in der Ruine ein Mahnmal zu errichten; langwierige Verhandlungen über dessen Unterhalt konnten erst 1968 abgeschlossen werden mit dem Ergebnis, dass nur der Turm im Eigentum der Nikolaigemeinde blieb, der Stadt hingegen das ehemalige Kirchenschiffgelände zusammen mit der Verkehrssicherungs- und Unterhaltspflicht übertragen wurde.[18]
Die ersten Sanierungsarbeiten hatten 1955 begonnen, 1960 wurde der Turm unter Denkmalschutz gestellt. 1971 gab der Senat die Pläne auf, eine Gedenkstätte einzurichten, stattdessen sollte die Ruine selbst als Mahnmal wirken. In den Folgejahren wurden Turm und Ruine sich selbst überlassen und verfielen zusehends. Am 16. Dezember 1987 gründete sich nach einer Initiative des Bauunternehmers Ivar Buterfas der Förderkreis „Rettet die Nikolaikirche e. V.“. Der Verein warb in der Tradition der Schilling-Sammlung um Spenden, sanierte die Bausubstanz und schuf einen Raum für Veranstaltungen und Ausstellungen in der Krypta. Seither wird das Mahnmal St. Nikolai als „Erinnerungsort für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ ständig ausgebaut und mit Denkmalen und Kunstwerken ausgestattet.[19]
1993 wurde das Mahnmal St. Nikolai Mitglied der „Nagelkreuzgemeinschaft“.[20] Das in der Turmhalle angebrachte Nagelkreuz von Coventry ist ein Symbol für das Anliegen, „alte Gegensätze zu überbrücken und nach neuen Wegen in eine gemeinsame Zukunft zu suchen“.[21]
Im Jahr 2011 löste sich ein 10 Kilogramm schwerer Stein aus dem Turm und fiel auf die vorbeiführende Willy-Brandt-Straße. Nach einem Schadensgutachten wurde der Turm eingerüstet. Die Sanierung dauerte bis Anfang 2018: z. B. Austausch von 22.000 Mauersteinen und 35 Kilometer Verfugungen. Ab Juni 2015 bis 2016 wurden die Schäden von der Kirchturmspitze, Meter 147, abwärts bis Meter 76 behoben. Ab 2016 wurden die Arbeiten am Ziegelmauerwerk von Meter 76 bis zum Boden ausgeführt.[22] Seit Januar 2018 ist nach der Sanierung die Gedenkstätte mit dem Turm wieder zugänglich.[23]
Gestaltung des Mahnmals
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Das Mahnmal St. Nikolai umfasst den Turm mit dem gläsernen Fahrstuhl zur Aussichtsplattform im Westen und gegenüberliegend den ehemaligen Chor sowie Mauerreste der Südseite. Dazwischen liegt im ehemaligen Langhaus ein Platz der Ruhe, der von der offenen Nordseite betreten werden kann. Im Fußboden markiert sind die früheren Pfeiler der Kirche.
Turm
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1995 wurde das zwei Tonnen schwere „Sonnenkreuz“ von der Spitze des Turmes herabgeholt und neu vergoldet.[24]
Seit dem 1. September 2005 ermöglicht ein gläserner Panoramalift im Inneren des Turmes, auf eine 76 Meter hoch gelegene Aussichtsplattform zu fahren.[25] Hier wird eine Ausstellung gezeigt, unter anderem vom Stadtteilarchiv Hamburg-Hamm konzipiert, die die Zerstörung der Hamburger Innenstadt nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentiert.[26] Die Bildtafeln sind teilweise so angebracht, dass man den heutigen Panoramablick mit den Nachkriegsansichten vergleichen kann. Im Jahr 2009 nutzten 30.000 Besucher diese Einrichtung.
„Der Turm erinnert an die schlimmste Niederlage der Moral. In dem halben Jahrhundert seit Kriegsende ist Hamburg fast vollständig wieder hergestellt. Auch Coventry ist wieder aufgebaut, ebenso Hiroshima. Und dennoch ist die Freiheit, ist der Frieden gefährdet. Zu ihrer Verteidigung wird immer Zivilcourage nötig sein.“
Carillon im Turm
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Juli 1993 wurde in der offenen Ostseite der ersten Turmebene ein Carillon eingeweiht. Das Glockenspiel besteht aus 51 Kirchenglocken, gegossen von der niederländischen Glockengießerei Eijsbouts in Asten, und hat ein Gesamtgewicht von 13 Tonnen. Es kann über einen Seilzugmechanismus vom Glockenspieler direkt bespielt werden, der Stokken-Spieltisch befindet sich unterhalb, in einer gläsernen Kabine am Platz der ehemaligen Orgel. Durch die Möglichkeit der Regulierung der Stärke des Anschlags unterscheidet sich das Carillonspiel von einem mechanischen Glockenspiel. Täglich wird eine elektronisch gesteuerte Stundenmelodie um 9, 12, 15, 18 Uhr gespielt. Regelmäßig am Donnerstag um 12 Uhr finden halbstündige Konzerte statt.[28]
Museum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den erhaltenen Kellerräumen befindet sich das von dem „Förderkreis Mahnmal St. Nikolai“ betriebene Museum. Es zeigt eine Dauerausstellung über die Geschichte der Kirche sowie die Zerstörungen Hamburgs im Zweiten Weltkrieg durch die „Operation Gomorrha“. Auf einer Fläche von rund 450 Quadratmetern präsentiert es die wechselhafte (Stadt-)Geschichte. Auch finden in dem Gewölbe regelmäßig Vorträge, Konzerte, Gedenkveranstaltungen und Führungen statt.
Kunstwerke
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Barbara Haeger: Weiblicher Engel
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Oskar Kokoschka: Ecce homo
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Ulrich Rückriem: Tempel, Blickachse zum Turm
Barbara Haeger: „Weiblicher Engel“
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die drei Meter hohe Bronzeplastik der Bildhauerin Barbara Haeger mit dem Titel Weiblicher Engel, geschaffen 1960, wurde 1972 von der Landeskirche erworben und in einer nach Nordost weisenden Außennische des Chorraums zwischen zwei Chorpfeilern als erstes Kunstwerk des Mahnmals aufgestellt.[29]
Oskar Kokoschka: „Ecce homo“
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 21. Juli 1977 wurde in der Turmhalle das nach einem Entwurf Oskar Kokoschkas 1975 geschaffene schwarz-weiße Mosaik Ecce homo angebracht, das den gekreuzigten Jesus zeigt, dem ein Kriegsknecht mit einem Speer einen getränkten Schwamm hinhält. Auf dem oberen Kreuzbalken steht der Schriftzug Ecce homo („Seht, welch ein Mensch“). Das Werk hat die Maße 3,64 × 2,55 Meter, ist aus neun Teilen zusammengesetzt und besteht aus tausenden Mosaiksteinchen aus griechischen Marmor, italienischem Carrara, umbrafarbenem, weißem und beigem Donaukies und dunklem belgischen Kalkstein. Das Werk wurde von der Gruppo Mosaicisti dell’ Accademia di Belle Arti in Ravenna unter der Leitung von Sergio Cicognani ausgeführt.
Eine farbige Version mit dem Titel Ecce homines („Seht, welche Menschen“) hängt über dem Altar in St. Nikolai am Klosterstern und wurde dort 1974 eingeweiht. Die Korrespondenz zwischen beiden Werken gilt als „eigengearteter Brückenschlag“ zwischen dem alten und dem neuen Standort der Kirche.[29][30]
Der Fahrstuhleinbau störte die Wirkung des Mosaiks, es wurde im Juli 2008 an die Stirnwand des Chors umgehängt. Ein schlichter Altar aus Postaer Sandstein ergänzt den offenen Raum zum Ort der Sammlung und Stille. In der Turmhalle zurück blieb eine steinerne Inschrift des Bildhauers Fritz Fleer, die sowohl eine Erklärung des Mahnmals wie eine Deutung des Kreuzigungsmosaiks, wie Kokoschka selbst es interpretiert hat, beinhaltet:
„Tue deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.“
Ulrich Rückriem: „Tempel“
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der drei Meter hohe Granitblock mit einem Grundriss von 1,5 × 1,5 Metern und dem Titel Tempel des Bildhauers Ulrich Rückriem, geschaffen und aufgestellt 1984, steht auf dem Hopfenmarkt in etwa 40 Metern Entfernung und in direkter Blickachse zum Turm. Der Granit stammt aus der Normandie und ist horizontal in drei, der mittlere Block wiederum in fünf Teile gespalten. Das Kunstwerk soll einen stillen Dialog mit dem Nikolaiturm vermitteln, eine „Zwiesprache über Verfall und Ewigkeit, über Zerstörung und Dauer“.[31]
Skulpturen von Edith Breckwoldt
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Friedensgebet
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Erdenengel
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Prüfung
Drei im Mahnmal aufgestellte Bronzeskulpturen stammen von der Hamburger Bildhauerin Edith Breckwoldt. Friedensgebet ist der Titel einer Figur aus dem Jahr 2001: sie stellt eine kniende, betende Frau dar, die von einem Kind umarmt wird. Sie befindet sich inmitten des sogenannten Garten der Kontemplation, einem abgegrenzten Bereich im ehemaligen nördlichen Seitenschiff, das mit Rhododendren bepflanzt und mit verschiedenfarbigen Kieselsteinen ausgelegt ist. Die Figur soll einen Bogen von der erschreckenden Vergangenheit zu einer hoffnungsvollen Zukunft schlagen.
In diesem Garten befinden sich zudem einzelne Trümmerteile der Kirche, darunter auch einige, die 1951 während des Abbruchs fortgeschafft worden waren und um deren Wiederauffinden sich der Förderverein bemüht. So wurden im November 2000 einige Trümmer aus der Haseldorfer Binnenelbe gehoben.
Eine zentrale Figur ist die sechs Meter hohe Bronzeplastik mit dem Titel Erdenengel aus dem Jahr 2003. Am Sockel sind in acht Sprachen der Titel und Untertitel der Plastik angebracht. Die Botschaft der Künstlerin lautet „Nimm meine Hand, und ich führe Dich zu Dir zurück“ und soll ausdrücken, dass alle Erkenntnis im Menschen selber ruht: Wenn er zu sich selbst zurückfindet, so findet er auch Frieden, dies ist wiederum Voraussetzung für Friedlichkeit zwischen den Menschen.
Die Bronzefigur Prüfung, 2004 ebenfalls von Edith Breckwoldt geschaffen, ist in der Apsis des ehemaligen südlichen Seitenschiffs aufgestellt und der Gedenkstätte des ehemaligen Stammlagers Sandbostel gewidmet, das, 60 km westlich von Hamburg gelegen, von 1939 bis 1945 eines der größten deutschen Kriegsgefangenenlager war. Mehr als 50.000 Menschen kamen dort zu Tode, darunter etwa 10.000 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme. Der Sockel der Skulptur ist aus Backsteinen der Barackenfundamente aufgeschichtet, die auf dem Lagergelände von Schülern aus Sandbostel gesammelt wurden. Die Künstlerin beschriftete eine bronzene Tafel mit einem Dietrich Bonhoeffer zugeschriebenen Zitat:
„Kein Mensch auf der ganzen Welt kann die Wahrheit verändern. Man kann sie nur suchen, sie finden und ihr dienen. Die Wahrheit ist an jedem Ort.“[32]
Orgel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Dass St. Nikolai wie die Hauptkirchen Sankt Jacobi und Petri bereits um 1400 über eine Orgel verfügte, ist wahrscheinlich, aber nicht nachweisbar.[33] In St. Nikolai existierten in vorreformatorischer Zeit eine kleine Orgel im Chor und eine große Orgel über der Nordertür. Die kleine Orgel wurde 1539–1540 durch Gregorius Vogel aus Braunschweig für etwa 500 Mark ersetzt.[34] Dirk Hoyer, Schwiegersohn von Jacob Scherer, pflegte um 1575 beide Orgeln. Wahrscheinlich Gottfried Fritzsche setzte 1630 die große Orgel auf die Westempore um und erweiterte sie. Nachdem Johann Praetorius ein halbes Jahrhundert das Organistenamt bekleidet hatte (1611–1660), verfiel die Orgel zusehends und war um 1680 abgängig.[35]
Arp Schnitger, der am 1. September 1682 den Hamburger Bürgereid abgelegt hatte, erhielt durch Vermittlung eines Stader Hauptpastors im selben Jahr den Auftrag für einen Orgelneubau in St. Nikolai. So schuf er in den Jahren von 1682 bis 1687 seine größte Orgel. Es soll die damals größte Orgel im deutschsprachigen Raum, wenn nicht weltweit gewesen sein.[36] Ursprünglich waren bei Vertragsabschluss 62 Register vorgesehen, aber noch während des Baus wurden fünf Register ergänzt, sodass das Instrument bei der Einweihung am 23. November 1687 über 67 Register auf vier Manualen und Pedal mit mehr als 4.000 Pfeifen verfügte. Die größte Pfeife im Pedalturm war das 32-füßige C mit einem Gewicht von 860 Pfund.[37] Das Instrument begründete den internationalen Ruf des Meisters und bereicherte Hamburg um eine weitere Attraktion. Bei einer Renovierung 1701 wurde die Orgel stärker abgestützt; zudem ersetzte Schnitger drei gemischte Stimmen. Sein Freund Vincent Lübeck, der seit 1674 Organist an der Schnitger-Orgel von St. Cosmae et Damiani in Stade war, wirkte von 1702 bis zu seinem Tod im Jahr 1740 an St. Nikolai. Bis zu ihrer Zerstörung 1842 waren keine größeren Reparaturen an der Orgel erforderlich. Die Disposition lautete wie folgt:
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- Koppeln: III/II, IV/II (Schiebekoppeln)
- Nebenregister: 5 Sperrventile, 2 Zimbelsterne, 2 Tremulanten, Pauke

1863 erhielt die Kirche, deren Turm sich zu diesem Zeitpunkt noch im Bau befand, weshalb der Bau einer großen Hauptorgel zunächst noch nicht möglich war, im Chorraum als „Behelfsorgel“ ein mittelgroßes Instrument der Firma Philipp Furtwängler & Söhne. Die 39 Register waren auf zwei Manuale und Pedal verteilt. Des Weiteren waren die fünf Pedalregister der Forte-Abteilung über einen sogenannten „Ersatzzug für das Forte-Pedal“ auch um eine Oktave nach oben versetzt anspielbar. Die Orgel war zu klein für den Kirchenraum und wurde 1891 an die Marienkirche Hadersleben verkauft und ist dort in Teilen erhalten. Die Disposition lautete folgendermaßen:[38]
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- Koppeln: I/I Super, II/I, I/P, II/P
- Spielhilfen: Forte, Piano, 4 Sperrventile, Calcanten-Glocke

Als Ersatz wurde die 1891 fertiggestellte Orgel durch Orgelbaumeister Ernst Röver geschaffen. Sie war ein dreimanualiges Instrument mit 101 Registern und seinerzeit eines der größten Instrumente in Deutschland. Röver baute sie im System der Röhrenpneumatik mit Kastenbälgen. Sie hatte über 5808 Pfeifen hinter einem fünfteiligen neugotischen Prospekt von 20 Metern Höhe. Die Pedaltürme zeigten die 32-Fuß-Prinzipalpfeifen aus hochwertiger Zinnlegierung.[39]
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- Koppeln:
- Normalkoppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
- Superoktavkoppeln: I, II, III, P
- Spielhilfen: 8 freie Kombinationen, Rollschweller, Prolongement
Weinkeller
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Besonderheit ist das im erhalten gebliebenen Kreuzgewölbe des Kellers seit 1886 bestehende Weinlager. Nachdem 1885 die großen Öfen der Kirche durch ein Heizungssystem ersetzt worden waren, konnten die zur Kohlenlagerung genutzten Flächen für eine Zusatzfinanzierung frei gemacht und an mehrere alteingesessene hamburgische Weinhandlungen vermietet werden. 1926 pachtete die Firma C. C. F. Fischer-Wein die Räumlichkeiten und nutzte sie zur Fass- und Flaschenlagerung von Wein, aber auch Cognac, Sherry und Madeira.[40] Durch eine ganzjährige Temperatur von 12 bis 14 Grad bei 75 Prozent Luftfeuchtigkeit erwiesen sich die Bedingungen für diesen Zweck als ideal. Bis zu 650.000 Flaschen sollen hier zeitweise auf einer Fläche von 13.000 Quadratmetern untergebracht gewesen sein.
Das Kellergewölbe überstand die Kriegszerstörungen der Kirche unbeschadet. Während der Sprengungen 1951 entschieden die Eigentümer, den Wein wegen der möglichen Qualitätsverluste nicht fortzutransportieren. Die Decke hielt die Belastung zunächst auch aus, allerdings wurde nach einem Jahr etwa ein Drittel des Kellers verschüttet. Die Schäden konnten bis 1954 beseitigt werden, der Eingang wurde von der ehemaligen Adresse Hahntrapp an der Nordseite unterhalb des ehemaligen Südportals, heute Willy-Brandt-Straße, verlegt.
In den 1980er Jahren machte C. C. F. Fischer-Wein die Kellergewölbe für die Öffentlichkeit zugänglich, als „Hamburgs weltoffener Weinkeller unter St. Nikolai“ betrieb die Firma neben dem Lager ein kleines Weinmuseum mit Exponaten der Weinherstellung, eine Probierstube in der ehemaligen Gebeinkammer und einen Flaschenverkauf. Im Jahr 2005 meldete die Weinhandlung die Insolvenz an, der Keller ist seitdem geschlossen, beherbergt aber nach wie vor einen großen Teil der Einrichtung und der Waren.[41]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ferdinand Ahuis: Kanonen zu Glocken – Glocken zu Kanonen. Die Glocken von St. Nikolai als Beispiel für Erinnerungskultur. In: Auskunft. 38 (2018) 1+2, S. 41–65.
- Gerhard Hirschfeld: Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg. Herausgegeben vom Förderkreis „Rettet die Nikolaikirche e. V.“ Hamburg 2010, ISBN 978-3-940445-97-1.
- Eberhard Petzold, Sylvester M. Robert: Mahnmal St. Nikolai. Historika Photoverlag, Hamburg 1995, ISBN 3-929307-24-3.
- Volker Plagemann: Kunstgeschichte der Stadt Hamburg. Junius Verlag, Hamburg 1995, ISBN 3-88506-257-7.
- Ivo von Trotha (Hrsg.): 800 Jahre Hauptkirche St. Nikolai. Festschrift, Hamburg 1995.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Mahnmal St. Nikolai e. V.
- Die Gewölbe unter St. Nikolai – Artikel des „Hamburger Unterwelten e. V.“
- Historische Bilder und aktuelle Fotos von St. Nikolai am Klosterstern
- Kantorei der Hauptkirche St. Nikolai am Klosterstern
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Thorsten Ahlf: Zeitreise durch Hamburg. Kajen und Nikolaifleet. In: Hamburger Abendblatt. 10. April 2017, S. 8.
- ↑ Graf Adolf III: Schenkungsurkunde St. Nikolai. Hrsg.: Johann Martin Lappenberg. Band I. Perthes – Besser & Mauke, Hamburg 1842, S. 272.
- ↑ a b Julius Faulwasser: Die St. Nikolaikirche in Hamburg. Boysen & Maasch, Hamburg 1926, S. 1–2.
- ↑ Volker Plagemann: Kunstgeschichte der Stadt Hamburg. Hamburg 1995, S. 45.
- ↑ Vgl. Friedrich Müller: Die Künstler aller Zeiten und Völker oder Leben und Werke der berühmtesten Baumeister, Bildhauer, Maler …, 1. Band. Stuttgart 1857 Stichwort Berends, Heinrich S. 127.
- ↑ Volker Plagemann: Versunkene Kunstgeschichte – Die Kirchen und Künstler des Mittelalters in Hamburg. 1999, S. 32, 70, 84.
- ↑ Rainer Postel: Die Reformation in Hamburg 1517-1528 (= Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte. Bd. 52). Gütersloh 1986, S. 64; vgl. Heinz Stoob: Hamburgs hohe Türme. 1957, S. 15.
- ↑ Eine Beschreibung des Unglücks und seiner Folgen lieferte Johann Albert Heinrich Reimarus 1789 in einer Abhandlung über Blitzableiter, dort in einer Anmerkung: Reimarus (1769), S. 12.
- ↑ Volker Plagemann: Kunstgeschichte der Stadt Hamburg. Hamburg 1995, S. 145.
- ↑ Ferdinand Ahuis, Isabel Ranck: Die St. Nikolaikirche im Spiegel der Hamburger Geschichte. Schlaglichter aus acht Jahrhunderten. In: Ivo von Trotha (Hrsg.): 800 Jahre Hauptkirche St. Nikolai. Hamburg 1995, S. 21.
- ↑ Wilhelm Sillem: Zegenhagen, Johann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 44, Duncker & Humblot, Leipzig 1898, S. 764–768.
- ↑ Gerhard Hirschfeld: Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg. S. 100.
- ↑ Vgl. Reimarus (1769), S. 4ff.
- ↑ a b Volker Plagemann: Kunstgeschichte der Stadt Hamburg. Hamburg 1995, S. 246.
- ↑ Gerhard Hirschfeld: Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg. S. 37 ff.
- ↑ Gerhard Hirschfeld: Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg. S. 34.
- ↑ Gerhard Hirschfeld: Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg. S. 64.
- ↑ Mahnmalvertrag vom 18. Januar 1962/5. März 1962 zwischen der Hamburgischen Landeskirche und der Freien und Hansestadt Hamburg Ziffer 6 (Verkehrssicherungspflicht und Unterhaltung)
- ↑ Mahnmal St Nikolai: Förderkreis | Mahnmal St. Nikolai. Abgerufen am 18. März 2024.
- ↑ Hamburg – Mahnmal St. Nikolai. In: nagelkreuz.de. 22. Februar 2018, abgerufen am 24. Juli 2023.
- ↑ Nagelkreuzgemeinschaft Deutschland: Geschichte ( vom 2. Juli 2013 im Internet Archive). Abgerufen am 10. Mai 2011.
- ↑ Nico Binde: Baustelle mit Aussicht. In: Hamburger Abendblatt.21. Mai 2015, S. 9. online ( vom 5. Juni 2015 im Webarchiv archive.today)
- ↑ Neu eröffnet – St. Nikolai mahnt wieder zum Frieden. In: Hamburger Abendblatt. 26. Januar 2018, S. 12. Autorenkürzel (axö).
- ↑ Luftnummer. In: Hamburger Abendblatt vom 5. Mai 1995. (PDF).
- ↑ Webseite Lutzaufzüge: Mahnmal St. Nikolai – Einbau einer Aufzugsanlage in die Turmruine ( vom 31. Mai 2011 im Internet Archive).
- ↑ Mahnmal St. Nikolai Kirche Hamburg. Auf der Website der Stadt Hamburg, abgerufen am 27. März 2011.
- ↑ Ivo von Trotha: Hüter ohne Haus. Die Turmruine der Nikolaikirche im Blick zurück und nach vor. In: Ivo von Trotha (Hrsg.): 800 Jahre Hauptkirche St. Nikolai. Hamburg 1995, S. 75.
- ↑ Mahnmal St Nikolai: Mahnmal St. Nikolai. Abgerufen am 18. März 2024.
- ↑ a b Mahnmal St Nikolai: Ausstellung und Aussichtsturm | Mahnmal St. Nikolai. Abgerufen am 18. März 2024.
- ↑ Kirchenvorstand St. Nikolai (Hrsg.): So sind Menschen. Kokoschkas Kreuzigung in St. Nikolai. Hamburg (ohne Datum)
- ↑ Gerhard Hirschfeld: Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg. S. 16; siehe auch: Julia Mummenhoff: hamburg.de; welt-der-form.net
- ↑ https://www.mahnmal-st-nikolai.de/ausstellung-und-aussichtsturm/#kunstwerke-am-mahnmal
- ↑ Günter Seggermann, Alexander Steinhilber, Hans-Jürgen Wulf: Die Orgeln in Hamburg. Ludwig, Kiel 2019, ISBN 978-3-86935-366-1, S. 15.
- ↑ Gustav Fock: Hamburgs Anteil am Orgelbau im niederdeutschen Kulturgebiet. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. Nr. 38, 1939, S. 297–298 (uni-hamburg.de).
- ↑ Gustav Fock: Arp Schnitger und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet. Bärenreiter, Kassel 1974, ISBN 3-7618-0261-7, S. 49.
- ↑ Cornelius H. Edskes, Harald Vogel: Arp Schnitger and His Work. Edition Falkenberg, Bremen 2016, ISBN 978-3-95494-092-9, S. 178.
- ↑ Gustav Fock: Arp Schnitger und seine Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des Orgelbaues im Nord- und Ostseeküstengebiet. Bärenreiter, Kassel 1974, ISBN 3-7618-0261-7, S. 49.
- ↑ Furtwängler-Orgel; abgerufen am 24. November 2021.
- ↑ Denkschrift zur bevorstehenden Einweihung der neuen grossen Orgel der St.-Nikolaikirche zu Hamburg, erbaut vom Orgelbaumeister E. Röver. Pontt & v. Döhren, Hamburg 1891 (Digitalisat).
- ↑ Gerhard Hirschfeld: Geschichte des Mahnmals und der Kirchenbauten von St. Nikolai in Hamburg. S. 36.
- ↑ Michael Grube: Die Gewölbe unter St. Nikolai. In: Hamburger Unterwelten. Abgerufen am 12. Mai 2011.
davor | Höchstes Bauwerk der Welt | danach |
Straßburger Münster (142 m) | St. Nikolai in Hamburg (147 m) 1874–1876 | Kathedrale von Rouen (151 m) |
Koordinaten: 53° 32′ 51″ N, 9° 59′ 26″ O
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