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„Goldener Hut von Schifferstadt“ – Versionsunterschied

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[[Image:Goldener Hut in Schifferstadt 1.jpg|thumb|am Heimatmuseum von [[Schifferstadt]]]]
[[Datei:Goldener Hut von Schifferstadt.jpg|mini|Original im [[Historisches Museum der Pfalz|Historischen Museum der Pfalz]] in [[Speyer]]]]
[[Datei:Goldener Hut in Schifferstadt 1.jpg|mini|[[Nasenschild]] am Heimatmuseum von [[Schifferstadt]], das eine Nachbildung besitzt]]
Der '''Goldene Hut von Schifferstadt''' wurde [[1835]] bei Feldarbeiten auf einem [[Acker]] bei der Stadt [[Schifferstadt]], [[Rhein-Pfalz-Kreis]], gefunden. Das [[Artefakt (Archäologie)|Artefakt]] aus der [[Bronzezeit]] besteht aus dünnem [[Blech|Goldblech]] und diente als äußere Verkleidung einer Kopfbedeckung mit Krempe und Kinnriemen, die vermutlich aus organischem Material bestand und das außenliegende, dünne Goldblech mechanisch stabilisierte.
Der '''Goldene Hut von Schifferstadt''' wurde 1835 bei Feldarbeiten auf einem Acker bei der Stadt [[Schifferstadt]], [[Rhein-Pfalz-Kreis]], gefunden. Das [[Artefakt (Archäologie)|Artefakt]] aus der [[Bronzezeit]] besteht aus dünnem Goldblech und diente als äußere Verkleidung einer Kopfbedeckung mit [[Hutkrempe|Krempe]] und Kinnriemen, die vermutlich aus organischem Material bestand und das außenliegende, dünne Goldblech mechanisch stabilisierte.

== Einordnung ==
== Einordnung ==
Das Exemplar aus [[Schifferstadt]] ist der älteste und erste Fund aus einer Reihe von inzwischen vier bekannten, [[Kegel (Geometrie)|kegelförmigen]] Goldblechhüten aus der Bronzezeit, die im Verlauf des [[19. Jahrhundert|19.]] und [[20. Jahrhundert]]s im süddeutschen Raum ([[Berliner Goldhut]], [[Goldblechkegel von Ezelsdorf-Buch]]) und [[Frankreich]] ([[Cone d' Avanton]]) in mehr oder weniger gutem Erhaltungszustand gefunden wurden. Bis auf eine Beschädigung an der [[Hut]]krempe ist das schifferstädter Stück vollständig erhalten.
Das Exemplar aus Schifferstadt ist der älteste und erste Fund aus einer Reihe von inzwischen vier bekannten [[Kegel (Geometrie)|kegelförmigen]] Goldblechhüten aus der Bronzezeit, die im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts im süddeutschen Raum ([[Berliner Goldhut]], [[Goldblechkegel von Ezelsdorf-Buch]]) und in [[Frankreich]] ([[Goldblechkegel von Avanton]]) in mehr oder weniger gutem Erhaltungszustand gefunden wurden. Bis auf eine Beschädigung an der Hutkrempe ist das Schifferstadter Stück vollständig erhalten.


Anhand dreier mitgefundener Absatzbeile aus [[Bronze]] und eines [[Ornament]]vergleichs mit anderen Fundstücken wird der Zeitpunkt seiner Herstellung auf ca. [[1400 v. Chr.|1400]] bis [[1300 v. Chr.]] datiert.
Anhand dreier mitgefundener Absatzbeile aus [[Bronze]] und eines [[Ornament]]vergleichs mit anderen Fundstücken wird der Zeitpunkt seiner Herstellung auf ca. [[1400 v. Chr.|1400]] bis [[1300 v. Chr.]] datiert.


Man geht heute davon aus, dass die [[Goldhut|Goldhüte]] als religiöse [[Insignie]]n von [[Götter]]n bzw. von [[Priester]]n eines in der späten Bronzezeit in Zentraleuropa verbreiteten [[Sonnenkult]]es dienten. Diese Auffassung wird durch die bildliche Darstellung eines als Kegelhut interpretierten Gegenstands auf einer Steinplatte aus dem [[Grab von Kivik]] in [[Schonen]], [[Schweden|Südschweden]], in eindeutig religiös-kultischem [[Kontext]] untermauert.
Man geht heute davon aus, dass die [[Goldhut|Goldhüte]] als religiöse [[Insignie]]n von [[Gott|Göttern]] bzw. von [[Priester]]n eines in der späten Bronzezeit in Zentraleuropa verbreiteten [[Sonnenkult]]es dienten. Diese Auffassung wird durch die bildliche Darstellung eines als Kegelhut interpretierten Gegenstands auf einer Steinplatte aus dem [[Grab von Kivik]] in [[Schonen]], [[Schweden|Südschweden]], in eindeutig religiös-kultischem Zusammenhang untermauert.


Nach teilweiser Entschlüsselung des [[Ornament]]kanons der kegelförmigen [[Goldhut|Goldhüte]] vom Typus Schifferstadt schreibt man den Goldblechkegeln heute neben ihrer repräsentativ-kultischen Funktion weitreichende Kalendereigenschaften zu. Ob sie faktisch als [[Kalender]] genutzt wurden oder ob sie das zugrundeliegende [[Astronomie|astronomische]] Wissen lediglich darstellen, ist ungeklärt.
Nach teilweiser Entschlüsselung des Ornamentkanons der kegelförmigen Goldhüte vom Typus Schifferstadt schreibt man den Goldblechkegeln heute neben ihrer repräsentativ-kultischen Funktion weitreichende Kalendereigenschaften zu. Ob sie faktisch als [[Kalender]] genutzt wurden oder ob sie das zugrundeliegende [[Astronomie|astronomische]] Wissen lediglich darstellen, ist ungeklärt.


== Beschreibung ==
== Beschreibung ==
[[Bild: Goldener_Hut_von_Schifferstadt-Musterpunzen_Ornamentzonen.jpg |thumb|Goldner Hut von Schifferstadt- Ornamentbänder und zugehörige Stempelmuster]]
[[Datei: Goldener Hut von Schifferstadt-Musterpunzen Ornamentzonen.jpg |mini|270px|Goldener Hut von Schifferstadt: Ornamentbänder und zugehörige Stempelmuster]]
Der Goldene Hut von Schifferstadt ist ein ornamental in Horizontalbänder gegliederter und mit [[Punze (Werkzeug)|Punzstempeln]] verzierter, etwa 350 [[Gramm]] schwerer Goldhut. Er weist eine stumpfe, unverzierte Spitze auf und besitzt einen kurzen, gedrungenen Schaft mit abgesetzter [[Kalotte]] und breiter Krempe. Der Goldhut ist insgesamt 29,6 cm hoch und hat am Fuß einen [[Durchmesser]] von etwa 18 cm. Die Krempe ist etwa 4,5 cm breit.
Der Goldene Hut von Schifferstadt ist ein ornamental in Horizontalbänder gegliederter und mit [[Punze (Werkzeug)|Punzstempeln]] verzierter, etwa 350 Gramm schwerer Goldhut. Er weist eine stumpfe, unverzierte Spitze auf und besitzt einen kurzen, gedrungenen Schaft mit abgesetzter [[Kalottierung|Kalotte]] und breiter Krempe. Der Goldhut ist insgesamt 29,6 cm hoch und hat am Fuß einen Durchmesser von etwa 18 cm. Die Krempe ist etwa 4,5 cm breit.


Das [[Blech]] des Hutes wurde bei der Herstellung im Bereich der Krempe um einen - nach der Auffindung verlorengegangenen - Kupferdraht gerändert, um für zusätzliche mechanische Stabilität zu sorgen.
Das Blech des Hutes wurde bei der Herstellung im Bereich der Krempe um einen nach der Auffindung verlorengegangenen Kupferdraht gerändert, um für zusätzliche mechanische Stabilität zu sorgen.


Der goldene Hut ist über die ganze Länge durch horizontale Zier- und Rahmenbänder gegliedert und flächendeckend ornamentiert. Dabei wurden fünf verschiedene [[Punze (Werkzeug)|Musterpunzen]] und eine Schrotpunze verwendet, um die horizontalen Bänder systematisch mit sich wiederholenden, gleichartigen [[Stempel]]mustern zu verzieren.
Der goldene Hut ist über die ganze Länge durch horizontale Zier- und Rahmenbänder gegliedert und flächendeckend ornamentiert. Dabei wurden fünf verschiedene [[Punze (Werkzeug)|Musterpunzen]] und eine Schrotpunze verwendet, um die horizontalen Bänder systematisch mit sich wiederholenden, gleichartigen Stempelmustern zu verzieren.


Die [[Optik|optische]] Trennung der einzelnen [[Ornament]]bänder wurde durch Ringrippen oder Bänder, die mit der Schrotpunze verziert wurden, realisiert. In den Ornamentbändern finden sich hauptsächlich Scheiben- und Kreismotive, die über einen [[Kreis (Geometrie)|kreisförmigen]] Innenbuckel verfügen und mit bis zu sechs Außenringen eingefasst sind.
Die [[Visuelle_Wahrnehmung|visuelle]] Trennung der einzelnen [[Ornament]]bänder wurde durch Ringrippen oder Bänder, die mit der Schrotpunze verziert wurden, realisiert. In den Ornamentbändern finden sich hauptsächlich Scheiben- und Kreismotive, die über einen [[Kreis (Geometrie)|kreisförmigen]] Innenbuckel verfügen und mit bis zu sechs Außenringen eingefasst sind.


Als Besonderheit ist das Auftreten zweier Zierbänder mit Augenmustern, die in ähnlicher Form auch bei den Goldenen Hüten von [[Goldblechkegel von Ezelsdorf-Buch|Ezelsdorf-Buch]] und [[Berliner Goldhut|Berlin]] beobachtet werden können, zu nennen. Die Kegelspitze ist im Gegensatz zu den anderen gefundenen Goldblechkegeln nicht von einem [[Stern]] bekrönt, sondern völlig [[Schmuck|schmucklos]].
Als Besonderheit ist das Auftreten zweier Zierbänder mit [[Auge]]nmustern zu nennen, die in ähnlicher Form auch bei den Goldenen Hüten von [[Goldblechkegel von Ezelsdorf-Buch|Ezelsdorf-Buch]] und [[Berliner Goldhut|Berlin]] beobachtet werden können. Die Kegelspitze ist im Gegensatz zu den anderen gefundenen Goldblechkegeln nicht von einem Stern bekrönt, sondern völlig schmucklos.


Eine Übersicht über die Gestalt des schifferstädter Goldhutes sowie Art und Anzahl der in den jeweiligen Hauptornamentzonen verwandten Musterpunzen zeigt die nebenstehende Abbildung.
Eine Übersicht über die Gestalt des Schifferstädter Goldhutes sowie Art und Anzahl der in den jeweiligen Hauptornamentzonen verwandten Musterpunzen zeigt die nebenstehende Abbildung.


== Kalenderfunktion ==
== Kalenderfunktion ==
Nach heutigem Wissensstand weisen die Goldhüte vom Typus Schifferstadt, zu denen auch der Ezelsdorfer Goldblechkegel gehört, eine systematische Abfolge in Anzahl und Art der in den einzelnen Ornamentbändern verwandten Ornamente auf. Basierend auf Untersuchungen am vollständig erhaltenen [[Berliner Goldhut]] hat sich herausgestellt, dass auf den Goldhüten ein astronomischer [[Kalender]] auf Basis eines [[Lunisolarkalender|lunisolaren Systems]] abgebildet sind.
Nach Ansicht [[Wilfried Menghin]]s weisen die [[Goldhut|Goldhüte vom Typus Schifferstadt]], zu denen auch der Ezelsdorfer Goldblechkegel gehört, eine systematische Abfolge in Anzahl und Art der in den einzelnen Ornamentbändern verwandten Ornamente auf. Basierend auf Untersuchungen am vollständig erhaltenen [[Berliner Goldhut]] hat sich herausgestellt, dass auf den Goldhüten ein astronomischer [[Kalender]] auf Basis eines [[Lunisolarkalender|lunisolaren Systems]] möglich ist.


Für einen allgemeinen Überblick über die [[Merkmal|Charakteristik]] und Funktionalität der Kalenderfunktionen eines bronzezeitlichen Goldhutes vom Typus Schifferstadt siehe [[Goldhut|Goldhüte]].
Nach teilweiser Entschlüsselung des [[Ornament]]kanons der kegelförmigen [[Goldhut|Goldhüte]] schreibt man den Goldblechkegeln heute neben ihrer repräsentativ-kultischen Funktion weitreichende Kalendereigenschaften zu. Ob sie faktisch als [[Kalender]] genutzt wurden oder ob sie das zugrundeliegende [[Astronomie|astronomische]] Wissen lediglich darstellen, ist ungeklärt.

Im [[Prinzip]] wird, beginnend mit der Zone i, anhand eines geeigneten, zusammenhängenden Abschnitts n benachbarter Ornamentzonen Zi..Zi + ''n''' eine Summenbildung der darin enthaltenen Sonder- bzw. Kreissymbole durchgeführt. Von dieser Summe wird gegebenenfalls die Symbolanzahl einer oder mehrerer, im Bereich dieses Abschnitts auftretenden Schaltzonen abgezogen, um zum entsprechenden Wert in lunarer oder solarer Zeitschreibweise zu kommen.

Für einen allgemeinen Überblick über die [[Charakteristik]] und Funktionalität der Kalenderfunktionen eines bronzezeitlichen Goldhutes vom Typus Schifferstadt siehe [[Goldhut|Goldhüte]].


== Fundort und Fundgeschichte ==
== Fundort und Fundgeschichte ==
[[datei:Speyer-2009-historisches-museum-026.jpg|mini|„Goldener Hut“ mit erhaltenen Beifunden: drei [[Absatzbeil]]e]]
Der Goldene Hut von Schifferstadt wurde am [[29. April]] [[1835]] bei Feldarbeiten in der [[Gewann]] Reuschlache, etwa ein Kilometer nördlich der Ortschaft [[Schifferstadt]], gefunden. Der Fund wurde bereits am nächsten Tag an die Regierungsbehörden in [[Speyer]], damals zum [[Königreich Bayern]] gehörend, übergeben.
Der Goldene Hut von Schifferstadt wurde am 29. April 1835 bei Feldarbeiten in der [[Gewann]] Reuschlache etwa einen Kilometer nördlich der Ortschaft [[Schifferstadt]] gefunden. Der Fund wurde bereits am nächsten Tag an die Regierungsbehörden in [[Speyer]], das damals zum [[Königreich Bayern]] gehörte, übergeben.


Die beobachteten und rekonstruierbaren Umstände weisen auf eine [[Kult (Religion)|kultische]] [[Deponierung]] hin: Der [[Hut]] wurde aufrecht stehend in etwa 60 cm Tiefe vergraben. Die Hutspitze ragte bis dicht unter der Erdoberfläche; der Hut selbst stand bei der Auffindung auf einer [[Platte]] aus schwach gebranntem [[Tonmineral|Ton]]. Der Goldblechkegel selbst war innen mit [[Erde]] oder einem Erde-Asche-Gemisch verfüllt, welches nicht erhalten ist.
Die beobachteten und rekonstruierbaren Umstände weisen auf eine kultische [[Deponierung]] hin: Der Hut wurde aufrecht stehend in etwa 60 cm Tiefe vergraben. Die Hutspitze ragte bis dicht unter die Erdoberfläche; der Hut selbst stand bei der Auffindung auf einer [[Platte (Technische Mechanik)|Platte]] aus schwach gebranntem [[Tonmineral|Ton]]. Der Goldblechkegel selbst war innen mit [[Erde]] oder einem Erde-Asche-Gemisch verfüllt, welches nicht erhalten ist.


Die ebenfalls nicht erhaltene Tonplatte, die bei der Bergung des Hutes zerbröselte, war auf einer etwa ein Zoll dicken [[Sand]]schicht in einer "rechteckigen, etwa 60 cm in den Letten eingetieften Grube" platziert. An den [[Hut]] angelehnt wurden drei bronzene [[Beil|Absatzbeile]] gefunden, die ebenfalls erhalten sind.
Die ebenfalls nicht erhaltene Tonplatte, die bei der Bergung des Hutes zerbröselte, war auf einer etwa ein Zoll dicken Sandschicht in einer „rechteckigen etwa 60 cm in den [[Letten (Gestein)|Letten]] eingetieften Grube“ platziert. An den Hut angelehnt wurden drei bronzene [[Beil|Absatzbeile]] gefunden, die bis heute erhalten sind.


== Herstellung ==
== Herstellung ==
Das Stück wurde als [[Treibarbeit]] aus einer [[Legierung|Goldlegierung]] mit 86,37 % [[Gold|Au]], 13 % [[Silber|Ag]], 0.56% [[Kupfer|Cu]] und 0,07 % [[Zinn|Sn]] aus einem Stück hergestellt und weist im Bereich von Schaft und Kalotte eine mittlere Wandstärke von 0,20 mm bis 0,25 mm auf. Die Krempe ist wesentlich dünner ausgetrieben und weist eine mittlere Wandstärke von nur 0,08 bis 0,13 mm auf. Es wird daher davon ausgegangen, dass die Krempe noch in [[Antike|antiker]] Zeit nachbearbeitet worden ist.
Das Artefakt wurde als [[Treibarbeit]] aus einer [[Legierung|Goldlegierung]] mit 86,37 % [[Gold|Au]], 13 % [[Silber|Ag]], 0,56 % [[Kupfer|Cu]] und 0,07 % [[Zinn|Sn]] in einem Stück hergestellt und weist im Bereich von Schaft und Kalotte eine mittlere Wandstärke von 0,20 mm bis 0,25 mm auf. Die Krempe ist wesentlich dünner ausgetrieben und weist eine mittlere Wandstärke von nur 0,08 bis 0,13 mm auf. Es wird daher davon ausgegangen, dass die Krempe noch in [[Antike|antiker]] Zeit nachbearbeitet worden ist.


Überträgt man das Goldgewicht des Goldhutes in die Abmessungen eines [[Quader|quaderförmigen]] Goldbarrens, ergibt sich rechnerisch ein [[Würfel (Geometrie)|Goldwürfel]] von etwa 2,5 cm Kantenlänge als Ausgangsmaterial. Dieser Goldrohling wurde während des Bearbeitungsprozesses auf etwa Schreibmaschinenpapierdicke [[Schmieden|ausgeschmiedet]].
Das Goldgewicht des Goldhutes entspricht einem [[Würfel (Geometrie)|Goldwürfel]] von etwa 2,5 cm Kantenlänge als Ausgangsmaterial. Dieser Goldrohling wurde während des Bearbeitungsprozesses auf etwa Schreibmaschinenpapierdicke [[Schmieden|ausgeschmiedet]].


Aufgrund der [[tribologisch]]en Eigenschaften des [[Werkstoff]]es verfestigt sich das Material bei zunehmendem [[Umformgrad|Umformungsgrad]] und neigt dann zur [[Riss]]bildung. Zur Vermeidung dieser Risse war eine besonders gleichmäßige Verformung beim [[Schmieden|Ausschmieden]] erforderlich. Darüber hinaus musste das [[Werkstück]] während des [[Prozess|Herstellungsprozesses]] wiederholt bei mindestens 750 °C [[Weichglühen|weichgeglüht]] werden.
Aufgrund der [[tribologisch]]en Eigenschaften des Werkstoffes verfestigt sich das Material bei zunehmendem [[Umformgrad|Umformungsgrad]] und neigt dann zur Rissbildung. Zur Vermeidung dieser Risse war eine besonders gleichmäßige Verformung beim [[Schmieden|Ausschmieden]] erforderlich. Darüber hinaus musste das [[Werkstück]] während des Herstellungsprozesses wiederholt bei mindestens 750 °C [[Weichglühen|weichgeglüht]] werden.


Hierbei war aufgrund der niedrigen [[Schmelztemperatur]] der [[Legierung|Goldlegierung]] (etwa 960 °C) eine recht genaue [[Temperatur]]kontrolle und eine [[isotherm]]e Aufheizung des Bauteils erforderlich, um ein Aufschmelzen der [[Oberfläche]] zu verhindern. Für diesen Vorgang nutzte der bronzezeitliche Handwerker ein [[Holzkohle]]feuer oder einen [[Ofen]], ähnlich den Brennöfen für [[Töpferei|Töpferwaren]], deren Temperatur allerdings nur in Grenzen durch [[Blasebalg|blasebalggestützte]] Zuführung von [[Sauerstoff]] kontrolliert werden konnte.
Hierbei war aufgrund der niedrigen [[Schmelztemperatur]] der [[Legierung|Goldlegierung]] (etwa 960 °C) eine recht genaue Temperaturkontrolle und eine wohldefinierte Aufheizung des Bauteils erforderlich, um ein Aufschmelzen der [[Oberflächentechnik|Oberfläche]] zu verhindern. Für diesen Vorgang nutzte der bronzezeitliche Handwerker ein [[Holzkohle]]feuer oder einen Ofen, ähnlich den Brennöfen für [[Töpferei|Töpferwaren]], deren Temperatur allerdings nur in Grenzen durch [[Blasebalg|blasebalggestützte]] Zuführung von [[Sauerstoff]] kontrolliert werden konnte.


Im Rahmen der weiteren Bearbeitung wurde der Goldene Hut von Schifferstadt mit [[radial]] verlaufenden Ornamentbändern versehen. Dazu wurde der hohle Innenkörper zwecks Stabilisierung mit einem geeigneten [[Kitt|Goldschmiedekitt]] auf Basis von [[Harz (Pflanze)|Baumharz]] und [[Wachs]] gefüllt und das dünne Goldblech von außen durch wiederholtes Aufdrücken von [[Punze|Negativpunzen]] in der vorliegenden Form strukturiert.
Im Rahmen der weiteren Bearbeitung wurde der Goldene Hut von Schifferstadt mit [[Radius|radial]] verlaufenden Ornamentbändern versehen. Dazu wurde der hohle Innenkörper zwecks Stabilisierung mit einem geeigneten [[Kitt|Goldschmiedekitt]] auf Basis von [[Harz (Pflanze)|Baumharz]] und Wachs gefüllt und das dünne Goldblech von außen durch wiederholtes Aufdrücken von [[Punze (Werkzeug)|Negativpunzen]] in der vorliegenden Form strukturiert.


== Verbleib ==
== Verbleib ==
Der Goldene Hut von Schifferstadt befindet sich im [[Historisches Museum der Pfalz|Historischen Museum der Pfalz]] in [[Speyer]] und stellt das Herzstück der bronzezeitlichen Sammlung dar.
Der Goldene Hut von Schifferstadt befindet sich im [[Historisches Museum der Pfalz|Historischen Museum der Pfalz]] in [[Speyer]], als Herzstück der bronzezeitlichen Sammlung. Eine Nachbildung ist im Heimatmuseum Schifferstadt<ref>{{Internetquelle |url=http://www.heimatpflege-schifferstadt.de/goldenerhut.htm |titel=Der Goldene Hut von Schifferstadt |hrsg=Verein für Heimatpflege Schifferstadt |datum=2016-12-15 |abruf=2020-04-29}}</ref> vorhanden, eine weitere gibt es im [[Pfahlbaumuseum Unteruhldingen]].

== Sonderbriefmarke ==
Die [[Deutsche Bundespost]] gab in den [[Briefmarken-Jahrgang 1976 der Deutschen Bundespost|Jahren 1976]] und [[Briefmarken-Jahrgang 1977 der Deutschen Bundespost|1977]] unter dem Titel „Archäologisches Kulturgut“ sieben [[Sondermarke]]n heraus. Auf der am 16. August 1977 erstmals verkauften 30-Pfennig-Marke ist der Goldene Hut von Schifferstadt abgebildet.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
* [[Goldhut]] - allgemeine Beschreibung der Goldhüte vom Typus Schifferstadt
* [[Goldhut]] allgemeine Beschreibung der Goldhüte vom Typus Schifferstadt
* [[Berliner Goldhut]], etwa [[1000 v. Chr.|1000]] bis [[800 v. Chr.]]
* [[Berliner Goldhut]], etwa [[1000 v. Chr.|1000]] bis [[800 v. Chr.]]
* [[Goldblechkegel von Ezelsdorf-Buch]], etwa [[1400 v. Chr.|1400]] bis [[1300 v. Chr.]]
* [[Goldblechkegel von Ezelsdorf-Buch]], etwa [[1000 v. Chr.|1000]] bis [[900 v. Chr.]]
* [[Goldblechkegel von Avanton]]
* [[Himmelsscheibe von Nebra]], etwa [[1700 v. Chr.|1700]] bis [[2100 v. Chr.]]
* [[Himmelsscheibe von Nebra]], etwa [[2100 v. Chr.|2100]] bis [[1700 v. Chr.]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Wilfried Menghin]], Peter Schauer: ''Der Goldblechkegel von Ezelsdorf. Kultgeräte der späten Bronzezeit'' (= ''Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer im Germanischen Nationalmuseum.'' H. 3). Theiß, Stuttgart 1983, ISBN 3-8062-0390-3.

* [[Peter Schauer]]: ''Die Goldblechkegel der Bronzezeit. Ein Beitrag zur Kulturverbindung zwischen Orient und Mitteleuropa'' (= ''Römisch-germanisches Zentralmuseum. Monographien.'' Bd. 8). Habelt, Bonn 1986, ISBN 3-7749-2238-1.
#''Gold und Kult der Bronzezeit''. (AusstellungsKatalog). Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 2003. ISBN 3-926982-95-0
* [[Bernhard Kukatzki]]: ''„Hat Aehnlichkeit mit den Tyrolerhüten.“ Der Fund des „Goldenen Hutes“ 1835.'' In: Bernhard Kukatzki, [[Matthias Spindler]] (Red.): ''Schifferstadt. Geschichte und Geschichten.'' Stadt Schifferstadt, Schifferstadt 1998, ISBN 3-00-002473-5, S. 141–149.
#Wilfried Menghin (Hrsg.): ''Acta Praehistorica et Archaeologica.'' Unze, Potsdam 32.2000, S. 31-108. {{ISSN|0341-1184}}
* Wilfried Menghin: ''Der Berliner Goldhut und die goldenen Kalendarien der alteuropäischen Bronzezeit.'' In: ''Acta Praehistorica et Archaeologica.'' Bd. 32, 2000, {{ISSN|0341-1184}}, S. 31–108.
#Peter Schauer: ''Die Goldblechkegel der Bronzezeit Ein Beitrag zur Kulturverbindung zwischen Orient und Mitteleuropa.'' Habelt, Bonn 1986. ISBN 3774922381
* Mark Schmidt: ''Von Hüten, Kegeln und Kalendern oder Das blendende Licht des Orients.'' In: ''Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift.'' Bd. 43, 2002, {{ISSN|0012-7477}}, S. 499–541.
#Gerhard Bott (Hrsg.): ''Der Goldblechkegel von Ezelsdorf.'' (Ausstellungskatalog). Theiß, Stuttgart 1983. ISBN 3-8062-0390-3
* Wilfried Menghin: ''Manifestationen bronzezeitlicher Kalenderwerke.'' In: ''Gold und Kult der Bronzezeit''. Ausstellungskatalog Germanisches Nationalmuseum Nürnberg 2003 S. 220–235.
#Mark Schmidt: ''Von Hüten, Kegeln und Kalendern oder Das blendende Licht des Orients.'' in: ''Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift.'' Berlin 43.2002, S. 499-541. {{ISSN|0012-7477}}
* Anja Grebe (Red.): ''Gold und Kult der Bronzezeit.'' Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2003, ISBN 3-926982-95-0 (Ausstellungskatalog, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, 22. Mai – 7. September 2003).
#Ernst Probst: ''Deutschland in der Bronzezeit. Bauern, Bronzegießer und Burgherren zwischen Nordsee und Alpen.'' München 1999. ISBN 3-572-01059-4
* Lothar Sperber u. a.: ''Der Goldene Hut von Schifferstadt.'' Historisches Museum der Pfalz, Speyer 2008, ISBN 978-3-930239-20-7.
* Matthias Risch, Christine Zerbe: ''Gibt der Schifferstädter bronzezeitliche Goldhut Einblick in Sternbeobachtungen vor 3000 Jahren?'' In: ''Pfälzer Heimat'' 63 (2012), 2, S. 59–69. {{ISSN|0031-6679}}.
* Oskar Schmidt, Henriette Schmidt: ''Was bedeuten die Zeichen auf dem Schifferstadter Goldhut?'' Teil 1–2. In: ''[[Schifferstadter Tagblatt]]'' Jg. 110, Nr. 213 vom 13. September 2014; Nr. 230 vom 4. Oktober 2014 (Lokal-Magazin). {{ZDB-ID|1019722-9}}.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Goldener Hut von Schifferstadt}}
* [http://www.runenstein-net.de/goldhut.htm Goldhut Runenstein]
* {{Internetquelle |autor=Dieter Schmudlach |url=http://www.landschaftsmuseum.de/Seiten/Lexikon/Goldkegel.htm |titel=Archäologisches Lexikon: Goldene Hüte und Gewänder |hrsg=[[Landschaftsmuseum Obermain]], Kulmbach |datum=2010-10-24 |abruf=2020-04-29 |abruf-verborgen=1}}
* [http://www.wissenschaft.de/wissen/aktuell/241596.html Goldhut Wissenschaft.de]
* {{Internetquelle |url=https://www.schifferstadt.de/tourismus/goldener-hut/fundgeschichte-und-historische-bedeutung/ |titel=Kult um einen Hut – den Goldenen Hut |werk=schifferstadt.de |abruf=2020-04-29 |abruf-verborgen=1}}
* [http://www.landschaftsmuseum.de/Seiten/Lexikon/Goldkegel.htm Goldene Hüte im Archäologischen Lexikon] (Landschaftsmuseum Obermain Kulmbach)
* {{Internetquelle |autor=Kurt E. Kocher |url=https://www.hekoverlag.de/01a.html |titel=Der Goldene Hut von Schifferstadt |werk=hekoverlag.de |datum=2018-02-28 |abruf=2020-04-29 |abruf-verborgen=1}}
* [http://www.schifferstadt.de/www/der_goldene_hut.htm Goldener Hut]
* {{Internetquelle |url=http://www.heimatpflege-schifferstadt.de/goldenerhut.htm |titel=Der Goldene Hut von Schifferstadt |hrsg=Verein für Heimatpflege Schifferstadt |datum=2016-12-15 |sprache=de en fr |abruf=2020-04-29 |abruf-verborgen=1}}
* [http://museum.speyer.de/de/histmus/ Historisches Museum der Pfalz]
* {{Internetquelle |autor=[[Peter Prestel]], [[Gisela Graichen]], [[Harald Lesch]] |url=https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/ungeloeste-faelle-der-archaeologie-mit-harald-lesch-verlorenes-wissen-100.html |titel=Terra X: Ungelöste Fälle der Archäologie (1/2) |werk=zdf.de |datum=2018-03-25 |format=Video, 43:26&nbsp;Minuten, „Der Goldene Hut“ und „Himmelsscheibe von Nebra“ Minute 9:37 – 13:56 |abruf=2020-04-29 |abruf-verborgen=1 <!-- Verfügbar bis 25.3.2028 -->}}

{{Coordinate |NS=49/24/00|EW=8/21/59 |type=landmark |region=DE-RP}}

== Einzelnachweise ==
<references/>


[[Kategorie:Goldhut|Schifferstadt]]
[[Kategorie:Archäologischer Fund (Rheinland-Pfalz)]]
[[Kategorie:Schifferstadt]]
[[Kategorie:Archäologischer Fund (Bronzezeit)]]
[[Kategorie:Archäologischer Fund (Bronzezeit)]]
[[Kategorie:Archäologischer Fund (Deutschland)]]
[[Kategorie:Historisches Museum der Pfalz]]
[[Kategorie:Depotfund]]
[[Kategorie:Urnenfelderkultur]]
[[Kategorie:Historische Sternwarten und Instrumente]]
[[Kategorie:Museumsbestand]]
[[Kategorie:Kalender]]
[[Kategorie:Vorderpfalz]]

Aktuelle Version vom 14. September 2025, 15:57 Uhr

Original im Historischen Museum der Pfalz in Speyer
Nasenschild am Heimatmuseum von Schifferstadt, das eine Nachbildung besitzt

Der Goldene Hut von Schifferstadt wurde 1835 bei Feldarbeiten auf einem Acker bei der Stadt Schifferstadt, Rhein-Pfalz-Kreis, gefunden. Das Artefakt aus der Bronzezeit besteht aus dünnem Goldblech und diente als äußere Verkleidung einer Kopfbedeckung mit Krempe und Kinnriemen, die vermutlich aus organischem Material bestand und das außenliegende, dünne Goldblech mechanisch stabilisierte.

Das Exemplar aus Schifferstadt ist der älteste und erste Fund aus einer Reihe von inzwischen vier bekannten kegelförmigen Goldblechhüten aus der Bronzezeit, die im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts im süddeutschen Raum (Berliner Goldhut, Goldblechkegel von Ezelsdorf-Buch) und in Frankreich (Goldblechkegel von Avanton) in mehr oder weniger gutem Erhaltungszustand gefunden wurden. Bis auf eine Beschädigung an der Hutkrempe ist das Schifferstadter Stück vollständig erhalten.

Anhand dreier mitgefundener Absatzbeile aus Bronze und eines Ornamentvergleichs mit anderen Fundstücken wird der Zeitpunkt seiner Herstellung auf ca. 1400 bis 1300 v. Chr. datiert.

Man geht heute davon aus, dass die Goldhüte als religiöse Insignien von Göttern bzw. von Priestern eines in der späten Bronzezeit in Zentraleuropa verbreiteten Sonnenkultes dienten. Diese Auffassung wird durch die bildliche Darstellung eines als Kegelhut interpretierten Gegenstands auf einer Steinplatte aus dem Grab von Kivik in Schonen, Südschweden, in eindeutig religiös-kultischem Zusammenhang untermauert.

Nach teilweiser Entschlüsselung des Ornamentkanons der kegelförmigen Goldhüte vom Typus Schifferstadt schreibt man den Goldblechkegeln heute neben ihrer repräsentativ-kultischen Funktion weitreichende Kalendereigenschaften zu. Ob sie faktisch als Kalender genutzt wurden oder ob sie das zugrundeliegende astronomische Wissen lediglich darstellen, ist ungeklärt.

Goldener Hut von Schifferstadt: Ornamentbänder und zugehörige Stempelmuster

Der Goldene Hut von Schifferstadt ist ein ornamental in Horizontalbänder gegliederter und mit Punzstempeln verzierter, etwa 350 Gramm schwerer Goldhut. Er weist eine stumpfe, unverzierte Spitze auf und besitzt einen kurzen, gedrungenen Schaft mit abgesetzter Kalotte und breiter Krempe. Der Goldhut ist insgesamt 29,6 cm hoch und hat am Fuß einen Durchmesser von etwa 18 cm. Die Krempe ist etwa 4,5 cm breit.

Das Blech des Hutes wurde bei der Herstellung im Bereich der Krempe um einen – nach der Auffindung verlorengegangenen – Kupferdraht gerändert, um für zusätzliche mechanische Stabilität zu sorgen.

Der goldene Hut ist über die ganze Länge durch horizontale Zier- und Rahmenbänder gegliedert und flächendeckend ornamentiert. Dabei wurden fünf verschiedene Musterpunzen und eine Schrotpunze verwendet, um die horizontalen Bänder systematisch mit sich wiederholenden, gleichartigen Stempelmustern zu verzieren.

Die visuelle Trennung der einzelnen Ornamentbänder wurde durch Ringrippen oder Bänder, die mit der Schrotpunze verziert wurden, realisiert. In den Ornamentbändern finden sich hauptsächlich Scheiben- und Kreismotive, die über einen kreisförmigen Innenbuckel verfügen und mit bis zu sechs Außenringen eingefasst sind.

Als Besonderheit ist das Auftreten zweier Zierbänder mit Augenmustern zu nennen, die in ähnlicher Form auch bei den Goldenen Hüten von Ezelsdorf-Buch und Berlin beobachtet werden können. Die Kegelspitze ist im Gegensatz zu den anderen gefundenen Goldblechkegeln nicht von einem Stern bekrönt, sondern völlig schmucklos.

Eine Übersicht über die Gestalt des Schifferstädter Goldhutes sowie Art und Anzahl der in den jeweiligen Hauptornamentzonen verwandten Musterpunzen zeigt die nebenstehende Abbildung.

Kalenderfunktion

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Nach Ansicht Wilfried Menghins weisen die Goldhüte vom Typus Schifferstadt, zu denen auch der Ezelsdorfer Goldblechkegel gehört, eine systematische Abfolge in Anzahl und Art der in den einzelnen Ornamentbändern verwandten Ornamente auf. Basierend auf Untersuchungen am vollständig erhaltenen Berliner Goldhut hat sich herausgestellt, dass auf den Goldhüten ein astronomischer Kalender auf Basis eines lunisolaren Systems möglich ist.

Für einen allgemeinen Überblick über die Charakteristik und Funktionalität der Kalenderfunktionen eines bronzezeitlichen Goldhutes vom Typus Schifferstadt siehe Goldhüte.

Fundort und Fundgeschichte

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„Goldener Hut“ mit erhaltenen Beifunden: drei Absatzbeile

Der Goldene Hut von Schifferstadt wurde am 29. April 1835 bei Feldarbeiten in der Gewann Reuschlache etwa einen Kilometer nördlich der Ortschaft Schifferstadt gefunden. Der Fund wurde bereits am nächsten Tag an die Regierungsbehörden in Speyer, das damals zum Königreich Bayern gehörte, übergeben.

Die beobachteten und rekonstruierbaren Umstände weisen auf eine kultische Deponierung hin: Der Hut wurde aufrecht stehend in etwa 60 cm Tiefe vergraben. Die Hutspitze ragte bis dicht unter die Erdoberfläche; der Hut selbst stand bei der Auffindung auf einer Platte aus schwach gebranntem Ton. Der Goldblechkegel selbst war innen mit Erde oder einem Erde-Asche-Gemisch verfüllt, welches nicht erhalten ist.

Die ebenfalls nicht erhaltene Tonplatte, die bei der Bergung des Hutes zerbröselte, war auf einer etwa ein Zoll dicken Sandschicht in einer „rechteckigen etwa 60 cm in den Letten eingetieften Grube“ platziert. An den Hut angelehnt wurden drei bronzene Absatzbeile gefunden, die bis heute erhalten sind.

Das Artefakt wurde als Treibarbeit aus einer Goldlegierung mit 86,37 % Au, 13 % Ag, 0,56 % Cu und 0,07 % Sn in einem Stück hergestellt und weist im Bereich von Schaft und Kalotte eine mittlere Wandstärke von 0,20 mm bis 0,25 mm auf. Die Krempe ist wesentlich dünner ausgetrieben und weist eine mittlere Wandstärke von nur 0,08 bis 0,13 mm auf. Es wird daher davon ausgegangen, dass die Krempe noch in antiker Zeit nachbearbeitet worden ist.

Das Goldgewicht des Goldhutes entspricht einem Goldwürfel von etwa 2,5 cm Kantenlänge als Ausgangsmaterial. Dieser Goldrohling wurde während des Bearbeitungsprozesses auf etwa Schreibmaschinenpapierdicke ausgeschmiedet.

Aufgrund der tribologischen Eigenschaften des Werkstoffes verfestigt sich das Material bei zunehmendem Umformungsgrad und neigt dann zur Rissbildung. Zur Vermeidung dieser Risse war eine besonders gleichmäßige Verformung beim Ausschmieden erforderlich. Darüber hinaus musste das Werkstück während des Herstellungsprozesses wiederholt bei mindestens 750 °C weichgeglüht werden.

Hierbei war aufgrund der niedrigen Schmelztemperatur der Goldlegierung (etwa 960 °C) eine recht genaue Temperaturkontrolle und eine wohldefinierte Aufheizung des Bauteils erforderlich, um ein Aufschmelzen der Oberfläche zu verhindern. Für diesen Vorgang nutzte der bronzezeitliche Handwerker ein Holzkohlefeuer oder einen Ofen, ähnlich den Brennöfen für Töpferwaren, deren Temperatur allerdings nur in Grenzen durch blasebalggestützte Zuführung von Sauerstoff kontrolliert werden konnte.

Im Rahmen der weiteren Bearbeitung wurde der Goldene Hut von Schifferstadt mit radial verlaufenden Ornamentbändern versehen. Dazu wurde der hohle Innenkörper zwecks Stabilisierung mit einem geeigneten Goldschmiedekitt auf Basis von Baumharz und Wachs gefüllt und das dünne Goldblech von außen durch wiederholtes Aufdrücken von Negativpunzen in der vorliegenden Form strukturiert.

Der Goldene Hut von Schifferstadt befindet sich im Historischen Museum der Pfalz in Speyer, als Herzstück der bronzezeitlichen Sammlung. Eine Nachbildung ist im Heimatmuseum Schifferstadt[1] vorhanden, eine weitere gibt es im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen.

Sonderbriefmarke

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Die Deutsche Bundespost gab in den Jahren 1976 und 1977 unter dem Titel „Archäologisches Kulturgut“ sieben Sondermarken heraus. Auf der am 16. August 1977 erstmals verkauften 30-Pfennig-Marke ist der Goldene Hut von Schifferstadt abgebildet.

  • Wilfried Menghin, Peter Schauer: Der Goldblechkegel von Ezelsdorf. Kultgeräte der späten Bronzezeit (= Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer im Germanischen Nationalmuseum. H. 3). Theiß, Stuttgart 1983, ISBN 3-8062-0390-3.
  • Peter Schauer: Die Goldblechkegel der Bronzezeit. Ein Beitrag zur Kulturverbindung zwischen Orient und Mitteleuropa (= Römisch-germanisches Zentralmuseum. Monographien. Bd. 8). Habelt, Bonn 1986, ISBN 3-7749-2238-1.
  • Bernhard Kukatzki: „Hat Aehnlichkeit mit den Tyrolerhüten.“ Der Fund des „Goldenen Hutes“ 1835. In: Bernhard Kukatzki, Matthias Spindler (Red.): Schifferstadt. Geschichte und Geschichten. Stadt Schifferstadt, Schifferstadt 1998, ISBN 3-00-002473-5, S. 141–149.
  • Wilfried Menghin: Der Berliner Goldhut und die goldenen Kalendarien der alteuropäischen Bronzezeit. In: Acta Praehistorica et Archaeologica. Bd. 32, 2000, ISSN 0341-1184, S. 31–108.
  • Mark Schmidt: Von Hüten, Kegeln und Kalendern oder Das blendende Licht des Orients. In: Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift. Bd. 43, 2002, ISSN 0012-7477, S. 499–541.
  • Wilfried Menghin: Manifestationen bronzezeitlicher Kalenderwerke. In: Gold und Kult der Bronzezeit. Ausstellungskatalog Germanisches Nationalmuseum Nürnberg 2003 S. 220–235.
  • Anja Grebe (Red.): Gold und Kult der Bronzezeit. Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2003, ISBN 3-926982-95-0 (Ausstellungskatalog, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, 22. Mai – 7. September 2003).
  • Lothar Sperber u. a.: Der Goldene Hut von Schifferstadt. Historisches Museum der Pfalz, Speyer 2008, ISBN 978-3-930239-20-7.
  • Matthias Risch, Christine Zerbe: Gibt der Schifferstädter bronzezeitliche Goldhut Einblick in Sternbeobachtungen vor 3000 Jahren? In: Pfälzer Heimat 63 (2012), 2, S. 59–69. ISSN 0031-6679.
  • Oskar Schmidt, Henriette Schmidt: Was bedeuten die Zeichen auf dem Schifferstadter Goldhut? Teil 1–2. In: Schifferstadter Tagblatt Jg. 110, Nr. 213 vom 13. September 2014; Nr. 230 vom 4. Oktober 2014 (Lokal-Magazin). ZDB-ID 1019722-9.
Commons: Goldener Hut von Schifferstadt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 49° 24′ 0″ N, 8° 21′ 59″ O

Einzelnachweise

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  1. Der Goldene Hut von Schifferstadt. Verein für Heimatpflege Schifferstadt, 15. Dezember 2016, abgerufen am 29. April 2020.