„Kopftuch“ – Versionsunterschied
[ungesichtete Version] | [gesichtete Version] |
Ahmadi (Diskussion | Beiträge) K interwiki |
|||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
[[Datei:Jürgen von Manger.jpg|mini|Frau mit Kopftuch bei einer Signierstunde [[Jürgen von Manger]]s in [[Krefeld]] (1967)]] |
|||
[[Bild:Albrecht_Duerer_Kopftuch.jpg|thumb|Albrecht Dürer: Zeichnung der Mutter (im Alter von 63 Jahren) 1514 ]] |
|||
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-1982-0406-008, Güstrow, Forstarbeiterin.jpg|mini|Forstarbeiterin in [[Güstrow]] (1982)]] |
|||
Ein '''Kopftuch''' ist ein Stück [[Stoff]], mit dem der [[Kopf]] bedeckt wird. Ein Kopftuch kann aus vielfältigen Gründen getragen werden: zum Beispiel zum Schutz vor der [[Witterung]] (Kälte, Hitze, Wüstenwind) oder damit die Haare nicht bei der [[Arbeit (Sozialwissenschaften)|Arbeit]] stören, aber auch als Zierde oder als modisches Accessoire. |
|||
Ein '''Kopftuch''' ist ein meist dreieckiges oder zu einem Dreieck gefaltetes Stück Stoff, mit dem der Kopf bedeckt wird. Es kann auf verschiedene Arten getragen werden, meist unter dem Kinn oder im Nacken verknotet, aber auch lose hängend oder in anderen Varianten. Für das Tragen eines Kopftuches gibt es vielfältige Gründe: vor allem praktische, kulturelle und religiöse Gründe, aber auch modische Gründe. |
|||
In manchen [[Kultur|Kulturen]] besitzt das Kopftuch [[Religion|religiöse]] Bedeutung. Das Kopftuch kann auch ein [[Kleidercode]] sein, das der Identitätsbildung dient. |
|||
== Gründe für das Tragen eines Kopftuchs == |
|||
Vorrangig werden Kopftücher von Frauen und Kindern getragen, aber es gibt auch [[Kopftuch#Kopftücher_für_Männer|Kopftücher für Männer]]. Besonders für kleine Kinder ist die Schutzfunktion eines Kopftuchs oder einer anderen Kopfbedeckung wichtig. Das Kopftuch und sein Symbolgehalt bei [[muslim]]ischen Frauen ist zentraler Bestandteil des [[Kopftuchstreit]]s. |
|||
Kopftücher werden hauptsächlich aus praktischen, kulturellen oder religiösen Gründen getragen. Zu den praktischen Gründen gehört der Schutz vor der Witterung (Kälte, Hitze, Wind, Sonne) und der Schutz vor Verschmutzung, zum Beispiel in staubigen Umgebungen. Ein Kopftuch kann dafür sorgen, dass die Haare bei der Arbeit nicht stören. Teilweise sind geeignete Kopfbedeckungen als [[Arbeitsschutz]] vorgeschrieben. Beispielsweise muss verhindert werden, dass lange Haare in rotierende Teile von Maschinen geraten können, entweder durch eine geeignete Kopfbedeckung (Mütze, [[Haarnetz]] oder Kopftuch) oder durch Aufstecken der Haare.<ref>{{Internetquelle |url=http://www.arbeitsschutz-kmu.de/pdfs/BGI_587_Leitfaden.pdf |titel=Arbeitsschutz will gelernt sein – Ein Leitfaden für Sicherheitsbeauftragte |format=PDF; 1,6 MB |abruf=2023-04-29}} [[Berufsgenossenschaft Holz und Metall]], 2004, S. 17: ''Haare schützen''.</ref> Hygienische Gründe erfordern das Tragen einer Kopfbedeckung zum Beispiel in Küchen und Krankenhäusern.<ref>[https://www.wko.at/branchen/tourismus-freizeitwirtschaft/hotellerie/kuechenhygiene.pdf Küchenhygiene], [[Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz|Bundesministerium für Gesundheit]], Österreich, 2013, S. 18 (PDF; 280,36 kB).</ref> Auch religiöse Vorschriften und Gebräuche sind des Öfteren der Grund für das Tragen eines Kopftuches bei Frauen (siehe [[Schleier]]). |
|||
Kulturell unterlag die Bedeutung des Kopftuchs beziehungsweise des [[Schleier]]s in allen Teilen der Welt einem Wandel. Zu vielen [[Tracht (Kleidung)|Frauentrachten]] gehört ein Kopftuch. In Westeuropa trugen bis in die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts viele Frauen das Kopftuch aus [[Tradition]], in anderen europäischen Ländern blieb die Tradition bis in die Gegenwart erhalten. Frauen aus dem indischen Raum tragen oft einen [[Sari (Kleidung)|Sari]] und bedecken die Haare mit einem langen Stück Stoff. Ein Kopftuch kann als Zierde oder modisches Accessoire dienen. Das Kopftuch kann auch als Teil der Identität der Träger und Trägerinnen gelten und die Zugehörigkeit zu einer [[Soziale Gruppe|gesellschaftlichen Gruppe]] ausdrücken. Ähnliches ist von den männlichen [[Sikhismus|Sikhs]] und dem Tragen des [[Turban]]s bekannt. |
|||
== Kopftücher für Frauen == |
|||
[[Image:Black-bandanna.jpg|thumb|right|Frau mit Bandana]] |
|||
[[Image:Toyra_Scarf_closeup05.jpg|thumb|right|Kopftuch im "Grace Kelly"-Style]] |
|||
[[Image:Toyra_Veil_black02.jpg|thumb|right|Tschador mit [[Niqab]]]] |
|||
[[Bild:Kopftuch.jpg|thumb|rechts|Türkinnen mit Kopftuch]] |
|||
Das Tragen von Kopftüchern war bis in die 1970er und 1980er Jahre zumindest regional üblich und entsprach der Mode. Eine besondere Blüte erlebte es in der Nachkriegszeit (Stichwort Trümmerfrauen), um sowohl die Haare vor Schmutz zu schützen als auch die umständehalber oft nicht besonders gepflegten Haare zu verbergen. Später verdrängten andere Kleidungsstücke wie zum Beispiel [[Hut (Kopfbedeckung)|Hüte]] oder Mützen das Kopftuch weitgehend. Heute werden Kopftücher vorrangig aus [[Religion|religiösen]] und [[Tradition|traditionellen]], vereinzelt auch aus praktischen Gründen (Cabrio-Fahrerinnen) getragen. |
|||
[[Datei:Madres pza de mayo.jpg|mini|Das weiße Kopftuch der [[Madres de Plaza de Mayo]] bei einer Audienz beim argentinischen Präsidenten [[Néstor Kirchner]] (2005)]] |
|||
Üblich sind Kopftücher - zumindest bei älteren Frauen - auch heute noch in vielen osteuropäischen Ländern, sogar in einer Trageweise (Falte in der Stirn), die eher an ein "islamisches Kopftuch" erinnert, was wiederum gemeinsame Wurzeln erahnen lässt. |
|||
Das Kopftuch kann auch eine weltanschauliche oder politische Überzeugung ausdrücken. Ein Beispiel hierfür sind die [[Madres de Plaza de Mayo]], die durch das Tragen weißer Kopftücher bei ihren Protestaktionen besondere Aufmerksamkeit erlangten. |
|||
== Kopftücher für Frauen == |
|||
Zum Verdrängen des Kopftuchs trug bei, dass viele aus modischen Gründen auf Kopfbedeckungen jeglicher Art selbst bei starker Sonne oder großer Kälte verzichteten. Auch wurde das Kopftuch vielfach als Zeichen von Rückständigkeit angesehen, was sich u.a. an Witzen, warum Bäuerinnen ein Kopftuch tragen (um sie beim melken von den Kühen unterscheiden zu können) zeigte. Ergänzend wuchs in den vergangenen Jahren die Abneigung gegen das Kopftuch, in dem dieses zunehmend als Symbol muslimischer Frauen und als Zeichen der Unterdrückung begriffen wurde. |
|||
=== Das Kopftuch in der westlichen Welt === |
|||
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-H30060, Berlin, Trümmerfrauen vor Loren.jpg|mini|[[Trümmerfrau]]en mit Kopftuch, Berlin, 1946]] |
|||
=== Christentum === |
|||
[[Datei:Bundesarchiv Bild 183-E0928-0022-001, LPG Strehla-Paußnitz, Auszeichnung einer Brigade.jpg|mini|Das Kopftuch als Teil der Arbeitsschutz­bekleidung, [[Strehla]] 1966]] |
|||
Im heutigen [[Christentum]] kennt man das Kopftuch als Teil der katholischen Ordenskleidung bei Ordensschwestern. |
|||
Das Tragen von Kopftüchern war in Europa vor allem in den ländlichen Gebieten bis in die 1980er Jahre üblich.<ref>[https://www.badische-zeitung.de/erklaers-mir/erklaer-s-mir-was-bedeutet-das-kopftuch--107432726.html Erklär's mir: Was bedeutet das Kopftuch?], auf badische-zeitung.de, abgerufen am 9. Juli 2015, 08:09h.</ref><ref>[https://orf.at/v2/stories/2343943 Kopfbedeckung als Politikum], auf orf.at, abgerufen am 22. Juli 2018, 17:10.</ref> Besonders verbreitet war das Tragen eines Kopftuches in der Nachkriegszeit bei [[Trümmerfrauen]], um die Haare vor Schmutz zu schützen. |
|||
Kopftücher finden sich daneben nur bei Kirchbesuchen von Frauen in einigen wenigen protestantischen evangelikalen Freikirchen in Deutschland; werden aber ansonsten im Alltag, Berufs- und Privatleben selbst von Frauen in Freikirchen nur selten mehr aus religiösen Gründen getragen. Allerdings ist es noch heute üblich, dass bei Papstaudienzen Frauen ein (schwarzes) Kopftuch (oder ein ähnliches Kleidungsstück) tragen. |
|||
Das Bedecken des Kopfes während des Gebets wurde bis vor ca. 50 Jahren noch in vielen christlichen Kirchen praktiziert. In vereinzelten [[Brüderbewegung|Brüdergemeinden]] und Apostolischen Pfingstgemeinden und in den Gemeinden der [[Baptisten|baptistischen]] Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion bedecken viele Frauen bis heute ihren Kopf beim [[Gebet]] und beziehen sich hierbei auf die Bibelstelle aus 1. Korinther 11:5 ''"Ein Weib aber, das da betet oder weissagt mit unbedecktem Haupt, die schändet ihr Haupt."'' In manchen orthodoxen Kirchen tragen Frauen und Ordensschwestern beim Besuch der Kirche ein Habit mit einer Kopfbedeckung. |
|||
Eine Renaissance erlebte das Kopftuch in Filmen der 1950er- und 1960er-Jahre, vor allem mit [[Audrey Hepburn]] und [[Grace Kelly]] (unter anderem in ''[[Frühstück bei Tiffany (Film)|Frühstück bei Tiffany]]'' und ''[[Über den Dächern von Nizza]]''), deren Name heute auch mit einer bestimmten Trageweise (unter dem Kinn gekreuzt und dann im Nacken verknotet) verknüpft ist. Königin [[Elisabeth II.]], die häufig ein Kopftuch trug, wurde unter anderem deswegen von der britischen [[Vogue (Zeitschrift)|Vogue]] schon positiv erwähnt.<ref name="welt-1333656">{{Internetquelle |autor=dpa/wal |url=http://www.welt.de/vermischtes/article1333656/Elizabeth-II-zur-Glamour-Koenigin-gewaehlt.html |titel=Auszeichnung: Elizabeth II. zur Glamour-Königin gewählt |werk=[[Die Welt#Online-Ausgabe|welt.de]] |datum=2007-11-05 |abruf=2018-10-07}}</ref> |
|||
=== Islam === |
|||
Viele konservative oder traditionell verbundene oder aus traditionellen Familien stammende muslimische Frauen tragen ein Kopftuch nicht nur beim Moscheebesuch sondern auch im Alltag, einen so genannten [[Tschador]] (persisch) oder [[Hidschab]] bzw. Hijab (arabisch), als Teil der Glaubenspraxis. |
|||
[[Datei:A curious costume, Champery.jpg|mini|Das von den Frauen der Region um [[Champéry]] traditionell getragene, scharlachrote Kopftuch (1912)]] |
|||
Die Begründung für das Tragen eines Kopftuchs ergibt sich für muslimische Frauen aus dem [[Koran]], [[Sure]] 24:31, der Frauen dazu aufruft, ihre Reize – soweit sie nicht normalerweise sichtbar sind – vor Männern, die nicht mit ihnen verwandt oder verheiratet sind, zu verbergen. Genauere Vorschriften bezüglich der Kleidung sind allerdings dem Koran nicht zu entnehmen. |
|||
Die Nutzung des Kopftuches ging zuerst in den Städten und später auch im ländlichen Raum zurück; es wurde überwiegend von anderen Kleidungsstücken wie Hüten oder Mützen weitgehend verdrängt. Oft ist es heute aber auch allgemein üblich, gar keine Kopfbedeckung zu tragen. Ingrid Loscheck stellt fest, dass „nach etwa 1960 Kopfbedeckungen bei beiden Geschlechtern außer Gebrauch kamen“.<ref>Ingrid Loscheck: ''Reclams Mode- und Kostümlexikon.'' Stuttgart 1999, S. 311 ff, 143 f.</ref> |
|||
[[Datei:Granny in Albania.jpg|mini|Frau in Albanien mit weißem Kopftuch (2012)]] |
|||
Es werden zusätzlich Berichte über das Leben des Propheten [[Mohammed]] hinzugezogen. Die Mehrheit der Korangelehrten bezieht sich auch auf Ibn Abbas, einen Wegbegleiter [[Mohammed]]s, der gesagt haben soll, dass „was normalerweise sichtbar ist“ sich auf „Gesicht und Hände“ bezieht, diese daher nicht bedeckt werden müssen. Eine kleinere Anzahl von Muslimen lehrt jedoch, dass die Frauen sich komplett verhüllen müssen, was eben auch das Gesicht und die Hände mit einschließt. |
|||
Üblich ist das Kopftuch in vielen ost-, mittel- und südeuropäischen Ländern. Dort wird es regelmäßig beim Gottesdienst, aber vielfach auch im Alltag getragen. |
|||
=== Kopftuch und Religion === |
|||
Bei dogmatischer Interpretation haben Frauen wegen Sure 2:256 eine Entscheidungsfreiheit. Insbesondere in der jüngeren Generation der islamischen Frauen in Europa wird das Kopftuch zunehmend nicht als eine Pflicht angesehen, die sich aus dem Koran ergibt. Gegen die Emanzipation islamischer Frauen (nicht nur in dieser Frage) wehren sich allerdings zunehmend konservative Kreise (Stichwort Islamismus). Den Strukturen des Islams folgend gibt es aber keine Stelle, die zu einer eindeutigen Entscheidung befugt bzw. dafür anerkannt wäre. |
|||
==== Judentum ==== |
|||
Im [[Orthodoxes Judentum|orthodoxen Judentum]] ist es für verheiratete Frauen Brauch, im Rahmen der [[Zniut]] („Sittsamkeit“) ihr Haar zu bedecken. Das hierbei oft getragene Kopftuch wird [[Tichel]] oder Mitpachat genannt. Es weist die Trägerin als verheiratete Frau aus. Bereits der [[Tanach]] berichtet von einer Verschleierung der Frauen. So verschleiert sich [[Rebekka]], die zukünftige Frau [[Isaak]]s: |
|||
{{Zitat |
|||
Die Motivation Kopftuch zu tragen ist unter Frauen sehr vielfältig: Tradition, religiöses Selbstverständnis, individueller Selbstausdruck (Kopftuch als [[Mode]]-[[Accessoire]] <ref>Kreative Variationen zum Thema Verschleierung ([http://www.qantara.de/webcom/show_article.php/_c-548/_nr-25/_p-1/i.html Qantara]), <br>Baden im Burkini ([http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/profil/525486/ Deutschlandradio]), <br>Kopftuchmode: Das Accessoire des Islam ([http://www.faz.net/s/RubB62D23B6C6964CC9ABBFCB78BC047A8D/Doc~ED9A4A1A19F7449EE805EA303E46B2AF2~ATpl~Ecommon~Scontent.html FAZ]), <br>Integration: Die schönen Töchter Kreuzbergs ([http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~EC50307028B5B40CD91FDDC08F44CD9C9~ATpl~Ecommon~Scontent.html FAZ])</ref>), Symbol der Gruppenzugehörigkeit (Schule bzw. als "Flagge des [[Islamismus]]" laut [[Alice Schwarzer]]) und (in seltenen Fällen) Ausdruck des Protestes (Vollverschleierung in der Schule <ref>Verhüllte Schülerinnen ([http://www.spiegel.de/unispiegel/schule/0,1518,414295,00.html Spiegel])</ref>). |
|||
|Text=Rebekka blickte auf und sah Isaak. Sie ließ sich vom Kamel herunter und fragte den Knecht: Wer ist der Mann dort, der uns auf dem Feld entgegenkommt? Der Knecht erwiderte: Das ist mein Herr. Da nahm sie den Schleier und verhüllte sich. |
|||
Im Einzelfall ist die Motivlage jedoch nicht immer überprüfbar und ist daher in einer säkulären Gesellschaft der Glaubens- und [[Gewissensfreiheit]] des [[Individuum]]s zu überlassen. |
|||
|Autor=Bibel |
|||
|Quelle={{B|Genesis|24|64–65}}}} |
|||
==== Christentum ==== |
|||
Die Haltung der Männer zum Kopftuch ist ebenfalls sehr unterschiedlich. Für die weitüberwiegende Mehrzahl muslimischer Männer liegt die Kopftuchfrage im Kompetenzbereich der Frau. Es gibt aber auch Männer, die von ihrer Frau das Tragen eines Kopftuchs verlangen, ebenso wie Männer, die ihren Frauen das Kopftuch verbieten, weil sie selbst nicht als islamistisch und konservativ gelten wollen. <ref>''„Eine Dolmetscherin erlebte einige Scheidungen, weil der plötzlich aufflammende Wunsch der Ehefrau das Kopftuch zu tragen nur noch zu Streit und Gängelei führte.“''<br>Rheinische Post Online: [http://www.rp-online.de/hps/client/opinio/public/pjsub/production_long.hbs?hxmain_object_id=PJSUB::ARTICLE::100560&hxmain_category=::pjsub::opinio::/politik___gesellschaft/international Das Kopftuch-Syndrom], am 23.09.2006</ref> |
|||
[[Datei:Hutterer-Frauen bei der Arbeit.jpg|mini|[[Hutterer|Hutterinnen]] bei der Arbeit]] |
|||
Im [[Christentum]] wird das Kopftuch in der Gegenwart hauptsächlich von Frauen der [[Orthodoxe Kirchen|orthodoxen Kirchen]], der [[Brüderbewegung]] und in einigen [[Mennoniten|mennonitischen]] bzw. [[Täufer|täuferischen]] Gemeinschaften, wie etwa den [[Hutterer]]n, getragen. Dabei sind für die Kopftücher der Frauen der hutterischen Schmiedeleut weiße [[Rapport (Textil)#Polka Dots|Polkatupfen]] auf schwarzem Grund vorgeschrieben, wodurch sie besonders leicht zu erkennen sind. |
|||
Zur [[Habit|Ordenstracht]] der Schwestern einiger neuerer Kongregationen, etwa der [[Kleine Schwestern Jesu|Kleinen Schwestern Jesu]] und der [[Kleine Schwestern vom Lamm|Kleinen Schwestern vom Lamm]], gehört ein [[Schleier#Verschleierung im Christentum|Schleier]], der einem Kopftuch ähnelt. |
|||
Das Kopftuch ist auch nicht in allen islamischen Ländern verbreitet: in Zentralasien bzw. den ehemaligen Sowjetrepubliken wird es nur begrenzt getragen, ebenso in [[Indonesien]] und in [[Westafrika]] ist das Kopftuch seltener anzutreffen. |
|||
Das aus der Bibel abgeleitete Gebot das Haupt bedecken zu sollen, wird in einigen Ost- und Südeuropäischen Kirchen als Kopftuchgebot im religiös-öffentlichen Raum praktiziert. Auch in vereinzelten [[Brüderbewegung|Brüdergemeinden]], in der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]] und der [[Orthodoxe Kirchen|orthodoxen Kirche]], in [[Pfingstbewegung|Pfingstgemeinden]], [[Norweger-Gemeinde]]n, calvinistischen Gemeinden in den Niederlanden und Schottland und in den Gemeinden der [[Baptisten|baptistischen]] [[Russlanddeutsche|Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion]] bedecken viele Frauen ihren Kopf beim [[Gebet]] und beziehen sich hierbei auf ein Zitat des Apostel [[Paulus von Tarsus|Paulus]]: |
|||
Bei den [[Aleviten]], einer eigenständigen Glaubensgemeinschaft, tragen die Frauen kein Kopftuch. In der [[Laizität|laizistisch]] und muslimisch geprägten [[Türkei]] besteht für Lehrer, Schüler und Studenten sogar ein Kopftuchverbot in öffentlichen Institutionen und an der Universität. Dieses staatliche Verbot in der Türkei ist höchstgerichtlich bestätigt worden. Am 17. Mai 2006 wurde in [[Ankara]] ein Richter erschossen, der diesem Gericht angehörte. |
|||
{{Zitat |
|||
Eine besonders extreme Form des verschleiernden Kopftuchs für Frauen ist die [[Burka]], die sogar die Augen hinter einem Netz versteckt. Sie war in [[Afghanistan]] unter dem Taliban-Regime üblich. Eine weitere häufig verbreitete Version im Nahen Osten ist die Kombination aus Kopftuch ([[Hidschab]]) und [[Niqab]], wobei hier ein zusätzlicher Gesichtsschleier getragen wird oder das Kopftuch über das Gesicht gelegt wird. Die Augen der Trägerin bleiben frei oder werden nur durch leichte Stoffschichten verhüllt. |
|||
|Text=Eine Frau aber entehrt ihr Haupt, wenn sie betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt. Sie unterscheidet sich dann in keiner Weise von einer Geschorenen. |
|||
|Autor=Bibel, [[Einheitsübersetzung]] |
|||
|Quelle={{B|1. Korinther|11|5}}}}Gleichzeitig kann bei [[Paulus von Tarsus|Paulus]] das Tragen von langen Haaren als Aquivalenz zur Verschleierung interpretiert werden.<blockquote>Lehrt euch nicht schon die Natur, dass es für den Mann eine Schande, für die Frau aber eine Ehre ist, lange Haare zu tragen? Denn der Frau ist das Haar als Hülle gegeben. Wenn aber einer meint, er müsse darüber streiten: Wir und auch die Gemeinden Gottes kennen einen solchen Brauch nicht. [https://www.bibleserver.com/EU/1.Korinther11,14 – Bibel, Einheitsübersetzung: 1.Korinther 11,14-16] </blockquote>{{Siehe auch|Schleier#Verschleierung im Christentum|titel1=Verschleierung im Christentum}} |
|||
==== Islam ==== |
|||
Das Kopftuchgebot soll laut konservativer/traditioneller Auslegung des [[Koran]]s, die [[Würde]] der muslimischen Frauen schützen. Es soll zum gegenseitigen respektvollem Umgang der Männer und Frauen beitragen. Ihm steht das gegenseitige Senken des Blicks zwischen Männern und Frauen gegenüber ([[Sure]] 24:30). |
|||
[[Datei:Islamische-familie-frau-abaya-kopftuch-hidschab 20170721.png|mini|Muslima mit Kopftuch und [[Abaya|ʿAbāya]] in Berlin.]] |
|||
Lediglich drei Verse im [[Koran]] befassen sich mit Kleidungsvorschriften für Frauen. Von diesen bezieht sich einer nur auf die Frauen [[Mohammed]]s (33,53), ein zweiter auf diese und die muslimischen Frauen (33,59) und ein dritter auf die muslimischen Frauen und Männer (24,30-31). Alle drei wurden in den Jahren 626 bis 627, als Mohammed bereits als politischer Führer in Medina lebte, verkündet. In den Versen wird nicht erwähnt, dass die Frau sich das Haar zu bedecken oder etwa das Gesicht zu verhüllen habe.<ref>{{Literatur |Autor=Claudia Knieps |Hrsg=Bundeszentrale für politische Bildung |Titel=Schreibt der Koran das Kopftuch vor? Die religiöse Debatte |Online=http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/konfliktstoff-kopftuch/63289/einstieg-in-die-debatte |Abruf=2019-02-13}}</ref> Das Kopftuch ergibt sich daher nicht aus dem Koran, sondern erklärt sich aus regionaler Kultur und Tradition. Auch finden sich Überlieferungen des Propheten Mohammed ([[Hadith]]e), die sich zur Bedeckung von Frauen äußern. Wie sie interpretiert werden und welchen Stellenwert sie haben, hängt vom Gläubigen ab.<ref>{{Literatur |Autor=Christoph Zotter |Titel=Was ist der religiöse Hintergrund der Verschleierung? {{!}} NZZ |Datum=2017-05-18 |ISSN=0376-6829 |Online=https://www.nzz.ch/was-ist-der-religioese-hintergrund-der-verschleierung-ld.1294804 |Abruf=2019-02-13}}</ref> |
|||
Im „Westen“ und auch von liberalen Moslems wird das islamisch motivierte Kopftuch oft kritisch gesehen. Es wird als Symbol des islamischen [[Patriarchat (Soziologie)|Patriarchats]]<ref>{{Literatur |Autor=Kacem El Ghazzali |Titel=Das islamische Kopftuch ist ein Symbol des Patriarchats und nicht der Selbstbestimmung {{!}} NZZ |Datum=2017-10-12 |ISSN=0376-6829 |Online=https://www.nzz.ch/feuilleton/islamisches-kopftuch-kein-symbol-fuer-selbstbestimmung-ld.1321150 |Abruf=2019-02-13}}</ref>, als Druckmittel gegen Frauen<ref>{{Literatur |Hrsg=Frankfurter Rundschau |Titel=Islam-Reformer kritisiert Kopftuch für Frauen |Datum=2018-03-09 |Online=https://www.fr.de/politik/islam-reformer-kritisiert-kopftuch-frauen-10995106.html |Abruf=2019-02-13}}</ref> oder auch als „Symbol der Geschlechter-Apartheid“<ref>{{Literatur |Hrsg=Deutschlandfunk |Titel=Kritik am Islam: „Das Kopftuch ist Symbol der Geschlechter-Apartheid“ |Datum=2017-04-07 |Online=https://www.deutschlandfunk.de/kritik-am-islam-das-kopftuch-ist-symbol-der-geschlechter.886.de.html?dram:article_id=382763 |Abruf=2019-02-13}}</ref> abgelehnt. |
|||
In Deutschland urteilte das Bundesverfassungsgericht ([[Kopftuchurteil]]), dass ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen an Schulen nur seitens der einzelnen Bundesländer erlassen werden könne. Von dieser Möglichkeit machen viele Bundesländer in Deutschland mittlerweile Gebrauch (Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Schleswig-Holstein, …). Allerdings ist die rechtliche Situation weiterhin schiwerig, da das Grundgesetz die Diskriminierung aus religiösen Gründen verbietet. In Baden-Württemberg musste einer Lehrerin - zumindest bis zum endgültigen Abschluss des Verfahrens - zunächst gestattet werden ihr Kopftuch zu tragen, da das Gesetz es zuließ, dass christliche Bekleidung (hier Nonnenhabit) getragen werden darf, was in einer ehemaligen (heute staatlichen) Klosterschule auch noch praktiziert wird. |
|||
Der [[Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte|Europäische Gerichtshof für Menschenrechte]] in [[Straßburg]] hat in einem Grundsatz-Urteil vom Mai 2004 die Frage geklärt, ob das Tragen eines Kopftuches ein Grundrecht der Muslime in Europa sei. Das Urteil begründet die Abweisung der Klage – es wurde nicht nur entschieden, dass dieses Grundrecht nicht existiert, sondern darüber hinaus auch befunden, dass ein Kopftuchverbot sogar zulässig sei, also keine Verletzung der Menschenrechte darstelle.<ref>Vgl. [[Bassam Tibi]]: ''Mit dem Kopftuch nach Europa?'' [[Wissenschaftliche Buchgesellschaft]], 2005, S. 12.</ref> Bereits im Jahr 2001 hat der nämliche Gerichtshof die Klage einer Kopftuch tragenden muslimischen Lehrerin aus der Schweiz zurückgewiesen, der unter Hinweis auf die [[Laizismus|laizistische]] Verfassung des [[Kanton Genf|Kantons Genf]] die Fortsetzung ihrer Lehrtätigkeit mit Kopftuch verboten worden war.<ref>Vgl. {{Literatur |Autor=[[Heiner Bielefeldt]] |Titel=Zur aktuellen Kopftuchdebatte in Deutschland. Anmerkungen aus der Perspektive der Menschenrechte |Verlag= [[Deutsches Institut für Menschenrechte]] |Ort=Berlin |Datum=2004-05 |Seiten=6 |Online=https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/_migrated/tx_commerce/policy_paper_3_zur_aktuellen_kopftuchdebatte_in_deutschland.pdf}}</ref> |
|||
Von Kritikern wird eingewandt, das Kopftuch führe zu einer Stigmatisierung der Frau als Mensch, der sich den Männern unterordne und fördere das [[Patriarchat]]. Das Kopftuch mache nach Ansicht von [[Alice Schwarzer]] Menschen zu zweiter Klasse und behindere die Gleichberechtigung von Frauen, was von den Befürworterinnen des Kopftuches bestritten wird. |
|||
Im Islam gibt es für Frauen sehr verschiedene Gründe, ein Kopftuch zu tragen: Gepflogenheit, religiöses Selbstverständnis, individueller Selbstausdruck (Kopftuch als [[Accessoire]]),<ref>([http://www.qantara.de/webcom/show_article.php/_c-548/_nr-25/_p-1/i.html Kreative Variationen zum Thema Verschleierung – Qantara]),<br />Baden im Burkini ([http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/profil/525486/ Deutschlandradio]),<br />Kopftuchmode: Das Accessoire des Islam ([http://www.faz.net/aktuell/stil/mode-design/mode/kopftuchmode-das-accessoire-des-islam-1331653.html Das Accessoire des Islam – FAZ]),<br />Integration: Die schönen Töchter Kreuzbergs ([http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/integration-die-schoenen-toechter-kreuzbergs-1331285.html Die schönen Töchter Kreuzbergs – FAZ])</ref> Vorschrift (z. B. aufgrund von Gesetzen in einigen islamischen Ländern), Druck aus dem sozialen Umfeld,<ref>Ehrhart Körting: ''[https://www.welt.de/print-welt/article299366/Ehrhart-Koerting-Der-Staat-muss-neutral-sein.html Der Staat muss neutral sein]'', DIE WELT, 11. März 2004.</ref> Symbol der Gruppenzugehörigkeit, und (in seltenen Fällen) Ausdruck des Protestes. |
|||
=== Judentum === |
|||
Bei der Diskussion über das islamische Kopftuch wird in der Regel nicht unterschieden zwischen dem Kopftuch im üblichen Sinn, das noch einen Teil der Frisur sichtbar lässt, und der weitergehenden Version, die mit einem Tuch über der Stirn auch alle Haare bedeckt. |
|||
Im [[orthodoxes Judentum|orthodoxen Judentum]] bedecken verheiratete Frauen ihr Haar aus religiösen Gründen mit einem Tuch oder einer Perücke. |
|||
{{Siehe auch|Schleier#Verschleierung im Islam|Kopftuchstreit|titel1=Verschleierung im Islam}} |
|||
=== Hinduismus === |
|||
Frauen aus dem indischen Raum ([[Hinduismus|Hindus]]) tragen oft einen [[Sari]], wobei ebenfalls die Haare mit einem langen Stück Stoff bedeckt werden. |
|||
===== Koranismus ===== |
|||
==Kopftücher für Männer== |
|||
[[Koranismus|Koranisten]] lehnen das Kopftuch und andere Verschleierungsformen als unkoranisch und unislamisch ab. In keinem einzigen Satz wird den Frauen auferlegt, ihren Kopf oder gar ihren Körper zu verhüllen.<ref>{{Internetquelle |autor=alrahman.de Koranforschungsgruppe |url=https://www.alrahman.de/die-erfundene-religion-und-die-koranische-religion-kapitel-22-kopftuch-und-verschleierung/ |titel=DeRudKR - Kapitel 22: Kopftuch und Verschleierung |werk=alrahman |datum=2006-03-06 |sprache=de-DE |abruf=2022-07-14}}</ref><ref>{{Internetquelle |url=https://quranstruelight.com/thematic-translation-installments-1-35-in-english/installment-30-mandatory-veil-for-women |titel=Mandatory Veil for Women in Islam??? - Installment 30 |sprache=en-GB |abruf=2022-07-14}}</ref> |
|||
[[Image:Cheche.JPG|thumb|right|Chèche-Turban, wie er von Männern und Frauen getragen wird]] |
|||
Männer der [[Sahara]]völker wie der [[Tuareg]], [[Peul]], [[Tukulor]] und [[Mauretanien|Mauretanier]], bedecken den Kopf mit Tuch und Gesichtsschleier – oft in [[Turban]]form. |
|||
Der Turban der Tuareg, die als Berbervolk nomadisch in den Staaten [[Algerien]], [[Libyen]], [[Niger]], [[Mali]], [[Burkina Faso]] und [[Nigeria]] leben, wird Schesch genannt. Er besteht aus einer rechteckigen Stoffbahn, die zwischen vier und zehn Metern lang ist. Im Gegensatz zu den weiblichen Verschleierungen durch [[Burka]] und [[Tschador]], ist in der traditionell matriarchalisch geprägten Gesellschaft der [[Tuareg]] das Gesicht des Mannes vermummt. Kunstvoll wird der Gesichtsschleier um den Kopf gewickelt – lediglich die Augen bleiben frei. Die Kopfbedeckung schützt vor Sonne, Wind und Sand, hat jedoch auch die Funktion, den Mund als unreine Körperöffnung zu verdecken. |
|||
Im arabischen Raum tragen Männer als übliche Kopfbedeckungen die [[Kufiya]] in rotweiß oder schwarzweiß gemusterter oder einfarbiger Art und Weise. |
|||
== Kopftücher für Männer == |
|||
In westlichen Ländern findet sich gelegentlich das [[Bandana]] oder ''Bandanna'' (von [[Hindi]] ''bandhana'', dt. "binden") als modisches Accessoire oder als Schutz vor Sonnenstrahlung, das in der Art eines Piraten-Kopftuchs getragen wird. |
|||
[[Datei:Durmerscher Hexenclub - panoramio.jpg|mini|Hexen mit Kopftüchern bei der [[Schwäbisch-alemannische Fastnacht|schwäbisch-alemannischen Fastnacht]]]] |
|||
[[Datei:San Marcos Alternatives.jpg|mini|[[Rocker]] tragen oft ein Kopftuch, das zum Beispiel die Zugehörigkeit zu einem [[Motorradclub|Club]] signalisieren kann]] |
|||
In westlichen Ländern ist das Kopftuch für Männer traditionell als Kopfbedeckung von [[Piraterie|Piraten]] überliefert, wobei allerdings nicht gesichert ist, was daran Tatsache und was Legende ist. |
|||
In der schwäbisch-alemannischen Fastnacht gehört ein Kopftuch zur traditionellen Kostümierung vieler [[Narrensprung|Narren]], insbesondere der [[Hexenzunft|Hexenzünfte]] bei den Umzügen. |
|||
== Kopftuch und Kultur == |
|||
[[Image:Hijab illustration artlibre.png|thumb|Kopftuch]] |
|||
Gegenwärtig findet sich bei Männern gelegentlich das [[Bandana]] (von [[Hindi]] ''bandhana'', „binden“) als Teil von [[Outdoor-Bekleidung]]. Ein Bandana ist kleiner als ein „normales“ Kopftuch (meist nur 50 bis 60 Zentimeter Kantenlänge) und wird in der Art eines Piraten-Kopftuchs getragen. Es kann als modisches Accessoire oder als Schutz vor Sonnenstrahlung dienen. Mit einem Bandana kann auch eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit ausgedrückt werden. |
|||
Es sind hauptsächlich kulturelle (zum Beispiel auf dem Klima beruhende) und religiöse Hintergründe, die als Motivation für das Tragen eines Kopftuchs sprechen, aus unterschiedlichen Motiven, aber als Teil der Identität der Träger und Trägerinnen. Ähnliches kennt man von den männlichen [[Sikh]]s und ihrem obligatorischen Turban. |
|||
Im arabischen Raum tragen Männer als übliche Kopfbedeckungen die [[Kufiya]], oft rotweiß oder schwarzweiß gemustert oder einfarbig. Im Zuge des [[Nahostkonflikt]]es hat sich die Kufiya zu einem Symbol für die gegen Israel kämpfenden [[Palästinenser]] entwickelt, so dass es im deutschsprachigen Raum vielfach als „[[Palästinensische Kufiya|Palästinensertuch]]“ bekannt wurde. In [[Oman]] wird ein Tuch um den Kopf in einer besonderen Technik gewickelt, die an einen [[Turban]] erinnert.<ref>{{YouTube |id=XBDPDyhxPb4 |titel=How to wear a Shmagh}}</ref> |
|||
In Deutschland trugen bis vor kurzer Zeit viele Frauen das Kopftuch aus [[Tradition]]. Ein Kopftuch, schwarz, farbig, oft auch prachtvoll bestickt, gehörte zu vielen traditionellen [[Tracht]]en. Heute sieht man jedoch nur noch sehr selten eine elegante Dame, die ein edles [[Seidentuch]] als Kopftuch trägt. |
|||
Die Männer der [[Sahara]]völker, wie der [[Tuareg]], [[Peul]], [[Tukulor]] und [[Mauretanien|Mauretanier]], bedecken den Kopf zum Schutz vor Sonne, Wind und Sand mit einem Tuch, meist in einer an den Turban erinnernden Form. Der [[Tagelmust]] der Tuareg wird auf Französisch auch ''Chèche'' genannt. Er besteht aus einer rechteckigen Stoffbahn aus Baumwolle, die zwischen vier und zehn Meter lang ist. Er bedeckt das Gesicht des Mannes, nur die Augen bleiben frei. |
|||
Kulturell war die Bedeutung des Kopftuchs bzw. des [[Schleier|Schleiers]] in allen Teilen der Welt einem starken Wandel unterlegen. Neben dem praktischen Nutzen diente es auch der Abgrenzung zwischen Gesellschaftsschichten und der Darstellung der Lebenssituation. Derzeit wird versucht, das Kopftuch als politisches Symbol zu instrumentalisieren, siehe dazu den Artikel [[Kopftuchstreit]]. |
|||
== |
== Trivia == |
||
Eine der ersten [[Frauenfußball]]mannschaften (1967 in Hamburg) nannte sich „Eintracht Kopftuch“.<ref>[https://www.elbe-wochenblatt.de/2017/12/15/eintracht-kopftuch-gegen-fc-united-strumpfhose-2/ Eintracht Kopftuch gegen FC United Strumpfhose], auf elbe-wochenblatt.de.</ref> |
|||
Das Kopftuch (bandana) wurde ebenso wie der [[Pyjama]] oder der [[Kummerbund]] von Europa aus [[Indien]] übernommen und erfreute sich großer Beliebtheit. |
|||
== |
== Siehe auch == |
||
* [[Haube]] |
|||
<references/> |
|||
==Literatur== |
== Literatur == |
||
* Sabine Berghahn, Alexander Nöhring;, Petra Rostock (Hrsg.): ''Der Stoff, aus dem Konflikte sind. Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz.'' Transcript, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-89942-959-6. |
|||
*Mag. Monika Höglinger (Ethnologin): ''Verschleierte Lebenswelten'', http://www.hoeglinger.com/kopftuch/buch.htm 2002, 2.Auflage 2003, ISBN 3-902300-03-5 |
|||
* Monika Höglinger: ''Verschleierte Lebenswelten – zur Bedeutung des Kopftuchs für muslimische Frauen; ethnologische Studie.'' Vorwort von Andre Gingrich, Nachwort von Barbara Frischmuth. 2. Auflage, Edition Roesner, Maria Enzersdorf 2003, ISBN 3-902300-03-5. |
|||
* Peter Kühn: ''Das Kopftuch im Diskurs der Kulturen.'' Bautz, Nordhausen 2008, ISBN 978-3-88309-221-8. |
|||
* Meral Akkent, Gaby Franger: ''Das Kopftuch – Basörtü.'' Dagyeli Verlag, Frankfurt 1987, ISBN 3-924320-61-6. |
|||
* Anna Sabel, Natalia Amina Loinaz, Verband binationaler Familien und Partnerschaften: ''(K)ein Kopftuchbuch. Über race-, Religions- und Geschlechterkonstruktionen und das, wovon Kopftuchdebatten ablenken.'' Transcript, Bielefeld 2023, ISBN 978-3-8394-6507-3. [https://www.transcript-verlag.de/detail/index/sArticle/6297/sCategory/310025272?number=978-3-8376-6507-9 (transcript-verlag.de)] |
|||
==Weblinks== |
== Weblinks == |
||
{{Wikiquote|Kopftuch}} |
|||
'''Islamische Tradition, politische, kulturelle und religiöse Aspekte''' |
|||
{{Wiktionary}} |
|||
* [http://www.kas.de/publikationen/2006/9095_dokument.html Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Motivation von Kopftuchträgerinnen] |
|||
{{Commonscat|Headscarves|Kopftuch|audio=0|video=0}} |
|||
* [http://www.chrislages.de/kopftuchnrw2005.htm Erklärung der Christlich-Islamischen Gesellschaft zum Verbot von Kopftüchern für muslimische Lehrerinnen] |
|||
* Ingrid Thurner: [http://diepresse.com/home/spectrum/zeichenderzeit/533281/index.do ''Das Kopftuch: Der Stoff, aus dem Vorurteile sind''.] In: ''[[Die Presse]].'' 16. Januar 2010 |
|||
* [http://www.meinkopftuch.org/ Webseite der Initiative „Mein Kopftuch“, hier sind viele Zeitungsartikel zum Thema dokumentiert] |
|||
* [http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/content.php?nav_id=4501 Videointerview mit Reyhan Sahin über die Bedeutung des muslimischen Kopftuchs] 26. August 2013 |
|||
*[http://www.isgg.de Initiative für Selbstbestimmung in Glaube und Gesellschaft - Umfassende Seite mit Informationen zum Kopftuchverbot in NRW] |
|||
* [[Ahmadiyya|AMJ]]: [http://www.kopftuch.info/ Webseite zum Thema Kopftuch] |
|||
* [[Ahmadiyya|AMJ]]: [http://www.ahmadiyya.de/library/kopftuch_oder_schleier.html „Warum trägt die Muslima Kopftuch oder Schleier?“] |
|||
* Katholische Kirche in Deutschland: [http://www.katholisch.de/2627_8521.htm Die Kopftuchdebatte: Berlin verbietet alle sichtbaren religiösen Symbole] |
|||
* Uni Kassel: [http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/Rassismus/massarrat.html Ein Stück Identität] |
|||
* TAZ: [http://www.taz.de/pt/2004/01/24/a0148.1/textdruck „Kopftuch ist wie gelber Stern“] |
|||
* Hamburger Abendblatt: [http://www.abendblatt.de/daten/2004/03/27/277768.html Die Lüge von der Freiheit der Frau unterm Kopftuch] |
|||
* TAZ: [http://www.taz.de/pt/2003/07/25/a0118.1/text.ges,1 Kopftuchgründe] von Birgit Rommelspacher, 18.7.2003 |
|||
* TAZ: [http://www.taz.de/pt/2003/10/11/a0053.nf/text Christen werfen Nebelkerzen] von Heide Oestreich, 11.10.2003 |
|||
* Kopftuchfrage in Österreich: [http://www.derislam.at/haber.php?sid=39&mode=flat&order=1 „Das Kopftuch ist selbstverständlich erlaubt.“] |
|||
* FAZ: [http://www.faz.net/s/RubB62D23B6C6964CC9ABBFCB78BC047A8D/Doc~ED9A4A1A19F7449EE805EA303E46B2AF2~ATpl~Ecommon~Scontent.html Kopftuchmode: Das Accessoire des Islam] |
|||
* FAZ: [http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~EF6816D734A5C42A8A352CBB10367B7FA~ATpl~Ecommon~Scontent.html Alice Schwarzer im Interview: „Die Islamisten meinen es so ernst wie Hitler“] |
|||
* Evangelischer Pressedienst: [http://www.epd.de/index_43656.html Alice Schwarzer gegen Kopftuch an Schulen] |
|||
== Einzelnachweise == |
|||
'''Trachten''' |
|||
<references responsive /> |
|||
*[http://www.br-online.de/land-und-leute/thema/trachten/bezirk4.xml Die Abendschau: Trachten in Bayern / Oberpfälzer Trachten] |
|||
*[http://www.sonnenziele.net/kreta-tradition.htm Tänze, Trachten und Traditionen auf Kreta] |
|||
{{Normdaten|TYP=s|GND=4195492-0}} |
|||
''Siehe auch:'' |
|||
[[Liste der Kleidungsstücke]] |
|||
[[Kategorie:Kopfbedeckung]] |
[[Kategorie:Kopfbedeckung]] |
||
[[Kategorie:Religiöse Kleidung]] |
[[Kategorie:Religiöse Kleidung]] |
||
[[Kategorie:Frauenkleidung]] |
|||
[[en:Headscarf]] |
|||
[[Kategorie:Bekleidungszubehör]] |
|||
[[es:Velo]] |
Aktuelle Version vom 6. Mai 2025, 01:06 Uhr


Ein Kopftuch ist ein meist dreieckiges oder zu einem Dreieck gefaltetes Stück Stoff, mit dem der Kopf bedeckt wird. Es kann auf verschiedene Arten getragen werden, meist unter dem Kinn oder im Nacken verknotet, aber auch lose hängend oder in anderen Varianten. Für das Tragen eines Kopftuches gibt es vielfältige Gründe: vor allem praktische, kulturelle und religiöse Gründe, aber auch modische Gründe.
Gründe für das Tragen eines Kopftuchs
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kopftücher werden hauptsächlich aus praktischen, kulturellen oder religiösen Gründen getragen. Zu den praktischen Gründen gehört der Schutz vor der Witterung (Kälte, Hitze, Wind, Sonne) und der Schutz vor Verschmutzung, zum Beispiel in staubigen Umgebungen. Ein Kopftuch kann dafür sorgen, dass die Haare bei der Arbeit nicht stören. Teilweise sind geeignete Kopfbedeckungen als Arbeitsschutz vorgeschrieben. Beispielsweise muss verhindert werden, dass lange Haare in rotierende Teile von Maschinen geraten können, entweder durch eine geeignete Kopfbedeckung (Mütze, Haarnetz oder Kopftuch) oder durch Aufstecken der Haare.[1] Hygienische Gründe erfordern das Tragen einer Kopfbedeckung zum Beispiel in Küchen und Krankenhäusern.[2] Auch religiöse Vorschriften und Gebräuche sind des Öfteren der Grund für das Tragen eines Kopftuches bei Frauen (siehe Schleier).
Kulturell unterlag die Bedeutung des Kopftuchs beziehungsweise des Schleiers in allen Teilen der Welt einem Wandel. Zu vielen Frauentrachten gehört ein Kopftuch. In Westeuropa trugen bis in die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts viele Frauen das Kopftuch aus Tradition, in anderen europäischen Ländern blieb die Tradition bis in die Gegenwart erhalten. Frauen aus dem indischen Raum tragen oft einen Sari und bedecken die Haare mit einem langen Stück Stoff. Ein Kopftuch kann als Zierde oder modisches Accessoire dienen. Das Kopftuch kann auch als Teil der Identität der Träger und Trägerinnen gelten und die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe ausdrücken. Ähnliches ist von den männlichen Sikhs und dem Tragen des Turbans bekannt.

Das Kopftuch kann auch eine weltanschauliche oder politische Überzeugung ausdrücken. Ein Beispiel hierfür sind die Madres de Plaza de Mayo, die durch das Tragen weißer Kopftücher bei ihren Protestaktionen besondere Aufmerksamkeit erlangten.
Kopftücher für Frauen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Kopftuch in der westlichen Welt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Tragen von Kopftüchern war in Europa vor allem in den ländlichen Gebieten bis in die 1980er Jahre üblich.[3][4] Besonders verbreitet war das Tragen eines Kopftuches in der Nachkriegszeit bei Trümmerfrauen, um die Haare vor Schmutz zu schützen.
Eine Renaissance erlebte das Kopftuch in Filmen der 1950er- und 1960er-Jahre, vor allem mit Audrey Hepburn und Grace Kelly (unter anderem in Frühstück bei Tiffany und Über den Dächern von Nizza), deren Name heute auch mit einer bestimmten Trageweise (unter dem Kinn gekreuzt und dann im Nacken verknotet) verknüpft ist. Königin Elisabeth II., die häufig ein Kopftuch trug, wurde unter anderem deswegen von der britischen Vogue schon positiv erwähnt.[5]

Die Nutzung des Kopftuches ging zuerst in den Städten und später auch im ländlichen Raum zurück; es wurde überwiegend von anderen Kleidungsstücken wie Hüten oder Mützen weitgehend verdrängt. Oft ist es heute aber auch allgemein üblich, gar keine Kopfbedeckung zu tragen. Ingrid Loscheck stellt fest, dass „nach etwa 1960 Kopfbedeckungen bei beiden Geschlechtern außer Gebrauch kamen“.[6]

Üblich ist das Kopftuch in vielen ost-, mittel- und südeuropäischen Ländern. Dort wird es regelmäßig beim Gottesdienst, aber vielfach auch im Alltag getragen.
Kopftuch und Religion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Judentum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im orthodoxen Judentum ist es für verheiratete Frauen Brauch, im Rahmen der Zniut („Sittsamkeit“) ihr Haar zu bedecken. Das hierbei oft getragene Kopftuch wird Tichel oder Mitpachat genannt. Es weist die Trägerin als verheiratete Frau aus. Bereits der Tanach berichtet von einer Verschleierung der Frauen. So verschleiert sich Rebekka, die zukünftige Frau Isaaks:
„Rebekka blickte auf und sah Isaak. Sie ließ sich vom Kamel herunter und fragte den Knecht: Wer ist der Mann dort, der uns auf dem Feld entgegenkommt? Der Knecht erwiderte: Das ist mein Herr. Da nahm sie den Schleier und verhüllte sich.“
Christentum
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Christentum wird das Kopftuch in der Gegenwart hauptsächlich von Frauen der orthodoxen Kirchen, der Brüderbewegung und in einigen mennonitischen bzw. täuferischen Gemeinschaften, wie etwa den Hutterern, getragen. Dabei sind für die Kopftücher der Frauen der hutterischen Schmiedeleut weiße Polkatupfen auf schwarzem Grund vorgeschrieben, wodurch sie besonders leicht zu erkennen sind.
Zur Ordenstracht der Schwestern einiger neuerer Kongregationen, etwa der Kleinen Schwestern Jesu und der Kleinen Schwestern vom Lamm, gehört ein Schleier, der einem Kopftuch ähnelt.
Das aus der Bibel abgeleitete Gebot das Haupt bedecken zu sollen, wird in einigen Ost- und Südeuropäischen Kirchen als Kopftuchgebot im religiös-öffentlichen Raum praktiziert. Auch in vereinzelten Brüdergemeinden, in der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche, in Pfingstgemeinden, Norweger-Gemeinden, calvinistischen Gemeinden in den Niederlanden und Schottland und in den Gemeinden der baptistischen Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion bedecken viele Frauen ihren Kopf beim Gebet und beziehen sich hierbei auf ein Zitat des Apostel Paulus:
„Eine Frau aber entehrt ihr Haupt, wenn sie betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt. Sie unterscheidet sich dann in keiner Weise von einer Geschorenen.“
Gleichzeitig kann bei Paulus das Tragen von langen Haaren als Aquivalenz zur Verschleierung interpretiert werden.
Lehrt euch nicht schon die Natur, dass es für den Mann eine Schande, für die Frau aber eine Ehre ist, lange Haare zu tragen? Denn der Frau ist das Haar als Hülle gegeben. Wenn aber einer meint, er müsse darüber streiten: Wir und auch die Gemeinden Gottes kennen einen solchen Brauch nicht. – Bibel, Einheitsübersetzung: 1.Korinther 11,14-16
Islam
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Lediglich drei Verse im Koran befassen sich mit Kleidungsvorschriften für Frauen. Von diesen bezieht sich einer nur auf die Frauen Mohammeds (33,53), ein zweiter auf diese und die muslimischen Frauen (33,59) und ein dritter auf die muslimischen Frauen und Männer (24,30-31). Alle drei wurden in den Jahren 626 bis 627, als Mohammed bereits als politischer Führer in Medina lebte, verkündet. In den Versen wird nicht erwähnt, dass die Frau sich das Haar zu bedecken oder etwa das Gesicht zu verhüllen habe.[7] Das Kopftuch ergibt sich daher nicht aus dem Koran, sondern erklärt sich aus regionaler Kultur und Tradition. Auch finden sich Überlieferungen des Propheten Mohammed (Hadithe), die sich zur Bedeckung von Frauen äußern. Wie sie interpretiert werden und welchen Stellenwert sie haben, hängt vom Gläubigen ab.[8]
Im „Westen“ und auch von liberalen Moslems wird das islamisch motivierte Kopftuch oft kritisch gesehen. Es wird als Symbol des islamischen Patriarchats[9], als Druckmittel gegen Frauen[10] oder auch als „Symbol der Geschlechter-Apartheid“[11] abgelehnt.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat in einem Grundsatz-Urteil vom Mai 2004 die Frage geklärt, ob das Tragen eines Kopftuches ein Grundrecht der Muslime in Europa sei. Das Urteil begründet die Abweisung der Klage – es wurde nicht nur entschieden, dass dieses Grundrecht nicht existiert, sondern darüber hinaus auch befunden, dass ein Kopftuchverbot sogar zulässig sei, also keine Verletzung der Menschenrechte darstelle.[12] Bereits im Jahr 2001 hat der nämliche Gerichtshof die Klage einer Kopftuch tragenden muslimischen Lehrerin aus der Schweiz zurückgewiesen, der unter Hinweis auf die laizistische Verfassung des Kantons Genf die Fortsetzung ihrer Lehrtätigkeit mit Kopftuch verboten worden war.[13]
Im Islam gibt es für Frauen sehr verschiedene Gründe, ein Kopftuch zu tragen: Gepflogenheit, religiöses Selbstverständnis, individueller Selbstausdruck (Kopftuch als Accessoire),[14] Vorschrift (z. B. aufgrund von Gesetzen in einigen islamischen Ländern), Druck aus dem sozialen Umfeld,[15] Symbol der Gruppenzugehörigkeit, und (in seltenen Fällen) Ausdruck des Protestes. Bei der Diskussion über das islamische Kopftuch wird in der Regel nicht unterschieden zwischen dem Kopftuch im üblichen Sinn, das noch einen Teil der Frisur sichtbar lässt, und der weitergehenden Version, die mit einem Tuch über der Stirn auch alle Haare bedeckt.
Koranismus
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Koranisten lehnen das Kopftuch und andere Verschleierungsformen als unkoranisch und unislamisch ab. In keinem einzigen Satz wird den Frauen auferlegt, ihren Kopf oder gar ihren Körper zu verhüllen.[16][17]
Kopftücher für Männer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In westlichen Ländern ist das Kopftuch für Männer traditionell als Kopfbedeckung von Piraten überliefert, wobei allerdings nicht gesichert ist, was daran Tatsache und was Legende ist.
In der schwäbisch-alemannischen Fastnacht gehört ein Kopftuch zur traditionellen Kostümierung vieler Narren, insbesondere der Hexenzünfte bei den Umzügen.
Gegenwärtig findet sich bei Männern gelegentlich das Bandana (von Hindi bandhana, „binden“) als Teil von Outdoor-Bekleidung. Ein Bandana ist kleiner als ein „normales“ Kopftuch (meist nur 50 bis 60 Zentimeter Kantenlänge) und wird in der Art eines Piraten-Kopftuchs getragen. Es kann als modisches Accessoire oder als Schutz vor Sonnenstrahlung dienen. Mit einem Bandana kann auch eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit ausgedrückt werden.
Im arabischen Raum tragen Männer als übliche Kopfbedeckungen die Kufiya, oft rotweiß oder schwarzweiß gemustert oder einfarbig. Im Zuge des Nahostkonfliktes hat sich die Kufiya zu einem Symbol für die gegen Israel kämpfenden Palästinenser entwickelt, so dass es im deutschsprachigen Raum vielfach als „Palästinensertuch“ bekannt wurde. In Oman wird ein Tuch um den Kopf in einer besonderen Technik gewickelt, die an einen Turban erinnert.[18]
Die Männer der Saharavölker, wie der Tuareg, Peul, Tukulor und Mauretanier, bedecken den Kopf zum Schutz vor Sonne, Wind und Sand mit einem Tuch, meist in einer an den Turban erinnernden Form. Der Tagelmust der Tuareg wird auf Französisch auch Chèche genannt. Er besteht aus einer rechteckigen Stoffbahn aus Baumwolle, die zwischen vier und zehn Meter lang ist. Er bedeckt das Gesicht des Mannes, nur die Augen bleiben frei.
Trivia
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine der ersten Frauenfußballmannschaften (1967 in Hamburg) nannte sich „Eintracht Kopftuch“.[19]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sabine Berghahn, Alexander Nöhring;, Petra Rostock (Hrsg.): Der Stoff, aus dem Konflikte sind. Debatten um das Kopftuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Transcript, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-89942-959-6.
- Monika Höglinger: Verschleierte Lebenswelten – zur Bedeutung des Kopftuchs für muslimische Frauen; ethnologische Studie. Vorwort von Andre Gingrich, Nachwort von Barbara Frischmuth. 2. Auflage, Edition Roesner, Maria Enzersdorf 2003, ISBN 3-902300-03-5.
- Peter Kühn: Das Kopftuch im Diskurs der Kulturen. Bautz, Nordhausen 2008, ISBN 978-3-88309-221-8.
- Meral Akkent, Gaby Franger: Das Kopftuch – Basörtü. Dagyeli Verlag, Frankfurt 1987, ISBN 3-924320-61-6.
- Anna Sabel, Natalia Amina Loinaz, Verband binationaler Familien und Partnerschaften: (K)ein Kopftuchbuch. Über race-, Religions- und Geschlechterkonstruktionen und das, wovon Kopftuchdebatten ablenken. Transcript, Bielefeld 2023, ISBN 978-3-8394-6507-3. (transcript-verlag.de)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ingrid Thurner: Das Kopftuch: Der Stoff, aus dem Vorurteile sind. In: Die Presse. 16. Januar 2010
- Videointerview mit Reyhan Sahin über die Bedeutung des muslimischen Kopftuchs 26. August 2013
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Arbeitsschutz will gelernt sein – Ein Leitfaden für Sicherheitsbeauftragte. (PDF; 1,6 MB) Abgerufen am 29. April 2023. Berufsgenossenschaft Holz und Metall, 2004, S. 17: Haare schützen.
- ↑ Küchenhygiene, Bundesministerium für Gesundheit, Österreich, 2013, S. 18 (PDF; 280,36 kB).
- ↑ Erklär's mir: Was bedeutet das Kopftuch?, auf badische-zeitung.de, abgerufen am 9. Juli 2015, 08:09h.
- ↑ Kopfbedeckung als Politikum, auf orf.at, abgerufen am 22. Juli 2018, 17:10.
- ↑ dpa/wal: Auszeichnung: Elizabeth II. zur Glamour-Königin gewählt. In: welt.de. 5. November 2007, abgerufen am 7. Oktober 2018.
- ↑ Ingrid Loscheck: Reclams Mode- und Kostümlexikon. Stuttgart 1999, S. 311 ff, 143 f.
- ↑ Claudia Knieps: Schreibt der Koran das Kopftuch vor? Die religiöse Debatte. Hrsg.: Bundeszentrale für politische Bildung. (bpb.de [abgerufen am 13. Februar 2019]).
- ↑ Christoph Zotter: Was ist der religiöse Hintergrund der Verschleierung? | NZZ. 18. Mai 2017, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 13. Februar 2019]).
- ↑ Kacem El Ghazzali: Das islamische Kopftuch ist ein Symbol des Patriarchats und nicht der Selbstbestimmung | NZZ. 12. Oktober 2017, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 13. Februar 2019]).
- ↑ Frankfurter Rundschau (Hrsg.): Islam-Reformer kritisiert Kopftuch für Frauen. 9. März 2018 (fr.de [abgerufen am 13. Februar 2019]).
- ↑ Deutschlandfunk (Hrsg.): Kritik am Islam: „Das Kopftuch ist Symbol der Geschlechter-Apartheid“. 7. April 2017 (deutschlandfunk.de [abgerufen am 13. Februar 2019]).
- ↑ Vgl. Bassam Tibi: Mit dem Kopftuch nach Europa? Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2005, S. 12.
- ↑ Vgl. Heiner Bielefeldt: Zur aktuellen Kopftuchdebatte in Deutschland. Anmerkungen aus der Perspektive der Menschenrechte. Deutsches Institut für Menschenrechte, Berlin Mai 2004, S. 6 (institut-fuer-menschenrechte.de [PDF]).
- ↑ (Kreative Variationen zum Thema Verschleierung – Qantara),
Baden im Burkini (Deutschlandradio),
Kopftuchmode: Das Accessoire des Islam (Das Accessoire des Islam – FAZ),
Integration: Die schönen Töchter Kreuzbergs (Die schönen Töchter Kreuzbergs – FAZ) - ↑ Ehrhart Körting: Der Staat muss neutral sein, DIE WELT, 11. März 2004.
- ↑ alrahman.de Koranforschungsgruppe: DeRudKR - Kapitel 22: Kopftuch und Verschleierung. In: alrahman. 6. März 2006, abgerufen am 14. Juli 2022 (deutsch).
- ↑ Mandatory Veil for Women in Islam??? - Installment 30. Abgerufen am 14. Juli 2022 (britisches Englisch).
- ↑ How to wear a Shmagh auf YouTube
- ↑ Eintracht Kopftuch gegen FC United Strumpfhose, auf elbe-wochenblatt.de.